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INTERVIEW SPD

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KLEINANZEIGEN

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Melanie Leonhard tritt für eine Reform der Pflege- und Krankenversicherungen ein

Interviewreihe zur Bundestagswahl Wie sieht das Ihre Partei?

In diesem Jahr wird ein neuer Bundestag gewählt. Doch wen oder was wählt man da eigentlich? Wir bringen monatlich zwei Interviews der Hamburger Landesvorsitzenden in Auszügen.

Dr. Melanie Leonhard, 1977 in Hamburg geboren, ist seit März 2018 Landesvorsitzende der SPD Hamburg. Seit 2015 ist sie Hamburgs Sozialsenatorin. Im Jahr 2020 wechselte auch das Ressort Gesundheit in ihre Behörde.

Frau Leonhard, muss unser Gesundheitssystem nachjustiert werden?

In Bereichen, in denen wir dünne Besiedlungen im ländlichen Raum haben, wissen wir, dass eine stationäre medizinische Versorgung auf höchstem Niveau nicht überall vorhanden sein kann, weil es dafür kontinuierlich gewisse Fallzahlen in den Regionen braucht. Das wird uns künftig noch andere Lösungen abfordern, als nur die Unterscheidung zwischen niedergelassenen Praxen und Krankenhäusern. Wir werden uns weiterentwickeln müssen.

Wie möchte die SPD in diese Richtung wirken?

Neben der Frage der Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für eine gute sektorenübergreifende Versorgung werden wir uns irgendwann auch die Frage stellen müssen, ob einerseits Krankenhäuser ambulante Versorgung vor Ort oder klassische Hausarztmodelle anbieten dürfen und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Ich glaube, wir werden das machen müssen.

Zudem müssen wir unsere Versicherungssysteme reformieren Das betrifft insbesondere die Pflegeversicherung. Wir haben ein System, in dem jede Kostensteigerung zulasten der Pflegebedürftigen geht. Und, wenn diese nicht mehr bezahlen können, zulasten der Kommunen.

Wie will Ihre Partei die Wirtschaft wieder aufrichten und zukünftig mitgestalten?

Wir steuern auf eine Situation zu, in der mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden als nachkommen. Deswegen müssen alle Anstrengungen darauf liegen, dass alle, die in Deutschland zur Schule gehen, einen Abschluss schaffen und sich danach weiter qualifizieren können.

Der zweite Punkt ist, dass wir auch allen, die schon im Beruf sind, wirksame Möglichkeiten der Weiterqualifizierung anbieten, wenn sich in ihrer Branche etwas tut.

Das Dritte ist: Wir brauchen eine gute Standortpolitik. Auch im Kampf gegen den Klimawandel dürfen wir uns nicht deindustrialisieren. Die Industrie ist das starke Rückgrat der deutschen Wirtschaft und die muss hier weiterhin eine Zukunft haben.

In den vergangenen Jahren ist die frühkindliche Bildung zu kurz gekommen. Jetzt greifen alle Parteien dieses Thema auf.

Es ist Wunsch und Wille der SPD, dass es bundesweit Strukturen gibt, von denen die Kinder durch frühkindliche Bildung profitieren. Entweder gibt es nicht genug Plätze, sie sind weiterhin viel zu teuer oder sie stehen nicht allen zur Verfügung. Und das muss sich ändern. Dafür steht die SPD.

Wie weit sind wir Ihrer Meinung nach bei der Gleichstellung?

Nicht weit genug. Wir brauchen aus meiner Sicht ein Jahrzehnt der Gleichstellung. Wenn ich namentlich angekündigt werde, wird immer noch ein Mann erwartet. Und das sagt alles darüber aus, wie weit wir bei der Gleichstellung sind. Die Dinge, die wir begonnen haben, wie Quoten bei Führungskräften und Aufsichtsräten, sind ja nur Ausdruck einer Mangelsituation. Bräuchten wir keine Quote, wäre es viel schöner. Wir brauchen aber eine, weil es nicht sein kann, dass immer nur die zähesten Köpfe des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts durchkommen. Umgekehrt führen wir heute immer noch Debatten und engagierte Gespräche darüber, warum Männer genauso gut in der Krippenerziehung tätig sein können.

Es sind zwei Seiten derselben Medaille. Wir haben noch viel zu tun. Ich werde immer gefragt, was sagt Ihr Mann denn dazu, dass Sie immer so viel unterwegs sind?

Ihren Mann fragt man das wahrscheinlich nicht.

Nein. Natürlich nicht. Und fragt irgendjemand den Vorsitzenden der CDU, was seine Frau so lange allein zu Hause mit den Kindern macht? Ich glaube nicht. Da ist noch was zu tun. Sternchen hin oder her.

Alleinerziehende können sich zum Teil keine hohen Rentenansprüche sichern.

Wie sollen sie das machen? Die Vorstellung, nach der Elternzeit erst einmal nur geringfügig beschäftigt zu arbeiten, bedeutet auch, dass diese Jahre in der Rentenversicherung fehlen. Und das ist falsch. Wir müssen Anreize schaffen, damit man in Teilzeit geht, auch wenn man unterm Strich netto mal fünf Euro weniger rauskriegt. Deswegen muss diese Basis erweitert werden. Das betrifft manchmal auch Väter, aber Alleinerziehende sind überwiegend Frauen. Ebenso verheiratete Frauen, wenn die Ehe auseinander geht und sie dann dastehen und nach vielen Jahren der Berufseinstieg nicht mehr gelingt, das fehlt dann bei der Rente. Das darf so nicht mehr sein.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Fragen: michael.wendland@kloenschnack.de Der Klönschnack ist Teil der freien Presse. Die Veröffentlichung dieser Interviews ist keine Parteinahme oder Ausdruck politischer Gesinnung unsererseits. Das ausführliche Interview finden Sie online unter:

www.kloenschnack.de/interviews/bundestag 2021_spd

Der wünscht allen Lesern einen schönen August!

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