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Meldungen für Kinder und Jugendliche AMTSGERICHT Ein aktueller Fall

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MEIN ARBEITSPLATZ

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Das Amtsgericht

Aus dem Amtsgericht Kurzer Moment des Glücks

Einer Mutter und ihren zwei erwachsenen Töchtern wird erwerbsmäßiger Diebstahl vorgeworfen. Nachdem beim letzten Verhandlungstag der Kaufhausdetektiv als Zeuge ausgesagt hatte, steht heute das 21-minütige Überwachungsvideo auf dem Programm: Kino im Sitzungssaal 18. „Leider gibt es kein Popcorn“, bemüht sich die Verteidigerin um eine lockere Atmosphäre. Und leider gibt es dann statt der Dramödie „Drei Frauen erwischt beim Klauen“ die Tragödie „Ein Leben in Angst und Schrecken“. Das Video ohne Ton in einer Damenabteilung im EEZ ist insgesamt ziemlich unspektakulär. Man sieht geschäftige Kundinnen, die sich vor dem Spiegel drehen. („Die Frau soll aufgeben, der Mantel steht ihr einfach nicht“, lästert die Verteidigerin.)

Und man sieht die drei Angeklagten. Zunächst ist das Bild statisch, dann keimt im Detektiv ein Verdacht auf, er zoomt heran, verfolgt die Damen im Geschäft. Dann stoppt das Bild, denn er rennt den Dreien hinterher. Aber gibt es etwas zu sehen, das vor Gericht verwertbar wäre? Nicht so richtig. Kleider werden vorgehalten, wieder weggehängt. Eine steht immer mit dem Rücken zur Kamera und verdeckt alles. Nur einmal sieht man, wie ein Kleid (Staatsanwalt: „Zebramuster“)

zusammengefaltet wird. Ob auch eingesteckt, ist schon wieder nicht mehr zu sehen. Wenn man die Zeugenaussage nicht hätte, könnte man damit kaum einen Diebstahl beweisen, einen erwerbsmäßigen schon gar nicht. Zudem enthält die Anklageschrift kein Protokoll des Diebesguts und seinen Wert. Das war der langweilige Teil. Denn jetzt bekommt das Verfahren plötzlich eine ganz andere Dynamik, als das Trio zu seinem Leben befragt wird. Hier tut sich mit einem Mal ein Schreckensszenario in einer patriarchal organisierten EinwanSchreckensszenario dererfamilie auf, in der Unterdrückung und Gewalt regiert – mit den Frauen als Opfer. Und zwanghafter Diebstahl als kleines Glück. Es zeigt sich, dass die Männer der Familie nicht wissen, dass und wofür die drei Frauen sich vor Gericht verantworten müssen. Sogleich einigt man sich, dass die Urteilsschrift nur der Verteidigerin zugesendet wird, da die Männer die Post der Frauen abfangen. Das würde zur Katastrophe führen. Näheres zum Leben der Familie soll hier nicht verbreitet werden, um sie zu schützen. Deshalb hier nur ganz kurz das Urteil ohne Erläuterung der mildernden Umstände: zweimal Geldstrafe, einmal Freispruch. Zum Abschluss spricht die Richterin noch eindringlich mit der Mutter und bittet sie, alle in Deutschland zur Verfügung stehenden Hilfen zu nutzen, um sich aus ihrer Situation zu befreien. Alke Dohrmann

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