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GASTKOLUMNE
Stellungnahme
Klaus-Georg Poehls und Lena Rieck: „Liebe schließt ein, nicht aus.“
Martin Luthers Worte, die er über Juden und Muslime schrieb, verletzen heute noch.
KLAUS-GEORG POEHLS UND LENA RIECK Luther, Juden und Muslime Vom Gegeneinander zum Miteinander
„Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“
GAST KOLUMNE
Seit 1.700 Jahren wird das jüdische Glaubensbekenntnis, das Sch‘ma Israel, in unserem Land gesprochen. Und 500 Jahre ist es her, dass Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms seine Glaubensüberzeugung widerlegt sehen wollte durch Gründe der Vernunft oder Zeugnisse der Bibel und nicht durch Tradition oder Obrigkeitshörigkeit. Wegweisend: die Berufung auf sein durch den Glauben an Gott geprägtes Gewissen.
Doch gilt es heute, auch auf die dunklere Seite Luthers zu gucken, die entsteht, wenn man liest, wie er von Juden und Muslimen schrieb – den Vertretern der anderen Religionen, die er kannte.
Seine Worte verletzen heute noch, zu seiner Zeit waren sie brandgefährlich für die Menschen anderen Religionen, sprich Juden, die zu verfolgen, zu entrechten, zu töten er den Landesherren Er hat sich auseinandergesetzt mit den Juden und kam ihnen in einer frühen Schrift sogar entgegen – aus seiner Erfahrung von Gottes Liebe heraus. 1523 stellte er klar, dass es nicht die Art Christi und wider den Heiligen Geist sei, Andersgläubige zu töten oder Ketzer zu verbrennen. Vielmehr solle in der Kirche Christi alles nicht mit Gewalt, sondern durch das Wort geschehen. Und Juden zur Konversion zu zwingen, sei demzufolge unevangelisch und unchristlich. Wäre er dieser Erkenntnis doch treu geblieben und hätte sie angewendet auch auf alle Andersgläubigen. Aber er hielt sie nicht durch und sprach von Menschen anderen Glaubens nicht als Anders-Gläubige, sondern bezeichnete sie als „Ungläubige“ oder „Gottesfeinde“. „Non vi, sed verbo“ – nicht mit Gewalt, sondern durch das Wort. Durch das Wort aber ließen sich weder Juden noch Muslime einfach überzeugen. Luthers Auslegung des Alten Testaments konnte Juden doch nicht einfach von ihrer Lesart abbringen; für sie war Jesus nun einmal nicht der Messias, wie für die Muslime Jesus nicht der Sohn Gottes war und ist. Und diese andere Sicht hat Luther als Herabsetzung Jesu, als Lästerung gar verstanden. Und ein Zusammenleben mit solchen Lästerern war ihm unvorstellbar. Liebe schließt ein, nicht aus. Wo eine Religion sich im Blick auf die anderen für erempfahl, sprich Muslimen, von denen er wählt hält, macht sie Gott zum Gefangenen wohl keinen persönlich kannte, die er aber der eigenen Erwählungsvorstellungen und als Strafe Gottes deutete, genauso teuflisch, verbietet ihm zu sein, was er dem jüdischen, wie er auch das Papsttum sah. islamischen oder christlichen Glauben zufolFür Luther lebten er und seine Mitmen- ge ist: der, der alles gesegnet hat, der Allerschen in der Endzeit; er sah den sittlichen barmer, die unbedingte und unbegrenzte Verfall in seinem Land, er sah das Evangeli- Liebe. um bedroht und verachtet von Juden und „Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der dem Papsttum und sah in der osmanischen HERR ist einer. Und du sollst den HERRN, Expansion die „Rute Gottes“, eine göttliche deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, Fügung und Strafe (Vermah- von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ nung zum Gebet wider den Hier öffnet sich weiter Raum für ein MiteiTürken, 1541). nander und zugleich für das Bleiben in der Luther sprach und schrieb Kirche – auch für ein Miteinander der Geneaber nicht allein aus einer rationen. Lena, Konfirmandin, schreibt: „Ich düsteren Weltuntergangs- habe in den letzten neun Jahren in meiner stimmung, sondern auch aus Schulzeit die katholische wie auch die evanseiner theologischen Über- gelische Kirche kennengelernt und bin mir zeugung heraus. Mitte und über die guten wie auch die schlechten Sei Klaus-Georg Poehls (mit Lena Rieck) Pastor in der Kirchen- gemeinde Blankenese, Zentrum seines Denkens ist doch Jesus Christus, für ihn die Erfüllung des Alten Testaments, für ihn der einzige Heilsweg, nur im Glauben ten bewusst geworden. Deshalb ist es für mich entscheidend zu sehen, dass eine Kirche offen ist und sich weiterentwickelt Ich persönlich erlebe die evangelische Kirche als genau so und bin gern Teil unserer GemeinBlankeneser Kirche und gänzlich ohne eigenes de.“ am Markt Zutun durch Gottes Gnade offen. Klaus-Georg Poehls und Lena Rieck