Denise ELLIOTT BVSc (Hons), PhD, Dipl ACVIM, Dipl ACVN
Hervé LEFEBVRE
Nieren
DVM, PhD, Dipl ECVPT
Chronische Nierenerkrankungen: Die Rolle der Ernährung
1 2 3 4 5 6 7 8
- Klassifizierung und Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 - Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 - Klinische Folgen der Urämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 - Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 - Diagnostische Bewertung der Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 - Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 - Diätetisches Management der chronischen Nierenerkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 - Fütterungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
Häufig gestellte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele für selbst zubereitete Rationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diätetische Informationen von Royal Canin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
267
291 292 294 296
Chronische Nierenerkrankungen: Die Rolle der Ernährung Denise ELLIOTT BVSc (Hons), PhD, Dipl ACVIM, Dipl ACVN Denise Elliott schloss ihr Tiermedizinstudium 1991 an der University of Melbourne mit Auszeichnung ab. Nach einem Internship in den Bereichen Kleintiermedizin und –chirurgie an der University of Pennsylvania ging Dr. Elliot an die University of California in Davis, wo sie die Residency in Kleintiermedizin, ein Forschungsstipendium für die Thematik Nierenerkrankungen und Hämodialyse sowie eine weitere Residency im Bereich Klinische Diätetik für Kleintiere absolvierte. Im Jahr 1996 erhielt Dr. Elliott die Board Certification des American College of Veterinary Internal Medicine und wurde 2001 Mitglied des American College of Veterinary Nutrition. Für ihre Dissertation über “Die bioelektrische Multifrequenzimpedanzanalyse bei gesunden Katzen und Hunden” verlieh ihr 2001 die University of California in Davis den Doktorgrad (PhD) in Ernährung. Derzeit ist Dr. Elliott Leiterin der Abteilung Scientific Communications bei Royal Canin USA.
Hervé LEFEBVRE DVM, PhD, Dipl ECVPT Nieren
Hervé Lefebvre schloss sein Studium der Tiermedizin 1988 an der Ecole Nationale Vétérinaire in Toulouse ab und promovierte 1994. Im Jahr 2000 wurde er als Diplomate am European College of Veterinary Pharmacology and Toxicology aufgenommen. Dr. Lefebvre ist derzeit Professor für Physiologie an der Ecole Nationale Vétérinaire in Toulouse. Der Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit liegt auf der Pharmakokinetik bei chronischen Nierenerkrankungen und der lokalen Verträglichkeit injizierbarer Pharmaka. Seit dem Jahr 2000 untersucht er die Biologie des caninen Kreatinins und die klinische Interpretation der Plasma-Kreatinin-Konzentrationen bei verschiedenen Hunderassen zur Frühdiagnose des chronischen Nierenversagens beim Hund. Er verfasste bisher mehr als 60 Veröffentlichungen und Fachartikel.
C
hronische Niereninsuffizienz (CNI) ist die Folge eines irreversiblen Verlustes der metabolischen, endokrinen und exkretorischen Kapazität der Niere. Zwischen 2 und 5 % der Hunde sind von diesem häufigen klinischen Problem betroffen (Lund et al., 1999; Bronson, 1982). Man geht davon aus, dass die chronische Niereninsuffizienz die Haupttodesursache bei älteren Patienten darstellt (Abbildung 1). Der Tiergesundheitsbericht der Morris Animal Foundation aus dem Jahre 1997, der Informationen von 2.000 Tierbesitzern auswertete, spricht von Nierenerkrankungen als der dritthäufigsten Todesursache bei Hunden. Das durchschnittliche Alter der Hunde zum Zeitpunkt der Diagnose ist 6,5 Jahre, wobei 45% der Erkrankungen auf Tiere über 10 Jahren entfallen (Polzin, 1989; Polzin et al., 2000). Der Beginn der Niereninsuffizienz ist meist schleichend, und die Verschlechterung der Nierenfunktion schreitet über Monate und Jahre ständig fort. Zur Manifestation des urämischen Syndroms kommt es für gewöhnlich erst dann, wenn die Menge des noch funktionellen Nierengewebes unter 25% sinkt und die kompensatorischen Mechanismen nicht mehr in der Lage sind, die metabolischen und exkretorischen Defizite auszugleichen.
268
1 - Klassifizierung und Ätiologie
ABBILDUNG 1 - DIE PRÄVALENZ DER CHRONISCHEN NIERENINSUFFIZIENZ BEI HUNDEN IN ABHÄNGIGKEIT VOM ALTER (Adams, 1995)
9
6 © C. Renner
Prozentsatz der von CNI betroffenen Hunde
12
3
a
0
<1
1-2
2-4
4-7
7 - 10
10 - 15
> 15
Jahre
Obwohl die chronische Niereninsuffizienz eine typische Erkrankung älterer Hunde ist, kann sie in jedem Alter auftreten.
b
TABELLE 1 - POTENZIELLE URSACHEN DER CHRONISCHEN NIERENINSUFFIZIENZ
Immunologische Störungen - Systemischer Lupus erythematodes - Glomerulonephritis - Vaskulitis Neoplastische Erkrankungen - Primärtumoren - Metastasen Amyloidose Nephrotoxische Substanzen Renale Ischämie Entzündliche Erkrankungen Infektionskrankheiten - Leptospirose - Pyelonephritis Nephrolithiasis Obstruktionen der ableitenden Harnwege Genetisch bedingt/Angeboren
Polyzystische Nierenerkrankung Idiopathisch Familiäre Prädisposition - Lhasa Apso - Shih Tzu - Norwegischer Elchhund - Shar Pei - Dobermann - Samojede - Wheaten Terrier - Cocker Spaniel - Beagle - Keeshond - Bedlington Terrier - Cairn Terrier - Basenji
Abbildung 2 - Histopathologische Befunde des Nierenparenchyms eines Cocker Spaniels mit familiärer Nephropathie (a:100 fache Vergrößerung) (b: 400 fache Vergrößerung); HE-Färbung. Die Bowman´schen Kapseln erscheinen erweitert und leer; einige enthalten noch Reste glomerulärer Gefäßkomponenten und Eiweißablagerungen; manche der Tubuli enthalten ebenfalls Proteinmaterial. Multifokale Verkalkung der Bowman-Kapseln sowie der tubulären Basalmembran und der Glomeruli.
Das Vorliegen einer angeborenen chronischen Niereninsuffizienz bzw. einer familiären Nephropathie lässt sich auf der Basis von Rassezugehörigkeit, Familienanamnese und Zeitpunkt des Beginns der Erkrankung beurteilen.
269
Nieren
Chronische Niereninsuffizienz (CNI) ist die Folge des fortschreitenden und irreversiblen Verlustes an funktionellen Nephronen, an deren Stelle funktionsloses Narbengewebe und entzündliches Infiltrat treten. Die Ätiologie der CNI ist multifaktoriell: Neben der angeborenen chronischen Niereninsuffizienz unterscheidet man die sekundäre CNI, die nach all jenen erworbenen Erkrankungen entsteht, die eine Schädigung der Glomerula und Tubuli sowie von Interstitium und Gefäßen verursachen (Tabelle 1). Jede Läsion bewirkt letztendlich die Zerstörung des Nephrons, an dessen Stelle nicht-funktionelles fibröses Narbengewebe zurückbleibt (Abbildung 2).
© A. German
1 - Klassifizierung und Ätiologie
2 - Pathophysiologie
2 - Pathophysiologie Bei der Gesamtheit der Nephrone einer erkrankten Niere unterscheidet man grundsätzlich zwei Kategorien, nämlich die zerstörten nicht-funktionellen Nephrone und die noch normal funktionierenden, intakten Nephrone. Zur Beeinträchtigung der Nierenfunktion kommt es mit zunehmender Reduzierung der Anzahl an funktionsfähigen Nephronen. Je geringer diese Anzahl wird, desto intensiver laufen die Kompensationsmechanismen der Niere an. So erhöhen die verbleibenden „gesunden“ Nephrone nicht nur morphologisch ihre Größe, sondern vor allem auch ihre Filtrationsleistung. Man bezeichnet dies als Hyperfiltrationstheorie (Abbildung 3). Die Hypertrophie und Hyperfiltration der Niere ist ein Adaptationsmechanismus, der den Untergang funktioneller Nephrone über lange Strecken kompensiert. Dennoch kommt es durch die chronische Erhöhung des glomerulären Kapillardrucks und/oder des glomerulären Plasmaflusses zu einer Schädigung von Endothel, Mesangium und Epithel. Die mesangiale Matrixproduktion, die Ablagerung von zirkulierenden Lipiden in den Glomeruli und kapillare Thrombosen tragen zu einer Verschlimmerung der strukturellen Zerstörung des Glomerulus bei. Tubulointerstitielle Läsionen, verstärkte Ammoniogenese in den Tubuli und Weichteilmineralisierung schädigen die Nephrone zusätzlich und bewirken letztendlich deren Sklerosierung. Der fortgesetzte Untergang von Nephronen löst verstärkte Kompensationstätigkeit aus, und es entsteht ein sich selbst aufrecht erhaltender Zyklus von Adaptation und Läsion (Abbildung 4).
Nieren
Das Fortschreiten der CNI ist als ein in vier Phasen ablaufender kontinuierlicher Prozess beschrieben worden, wobei diese Phasen nicht scharf voneinander abgegrenzt werden können, sondern vielmehr eine fortschreitende Degeneration darstellen, im Zuge derer mehr und mehr funktionelle Nephrone untergehen (Tabelle 2).
ABBILDUNG 3 - DIE ZENTRALE ROLLE DER GLOMERULÄREN HYPERTONIE BEI ENTWICKLUNG UND FORTSCHREITEN DER NEPHRONSCHÄDIGUNG Chronischer Verlust an funktionellem Nierengewebe
ABBILDUNG 4 - DARSTELLUNG DER ZUSAMMENHÄNGE ZWISCHEN NIERENSCHÄDIGUNG, VERLUST AN NEPHRONEN, RENALEN KOMPENSATIONSMECHANISMEN UND PROGREDIENZ DER NIERENINSUFFIZIENZ BIS ZUM ENDSTADIUM
Chronische renale Vasodilatation Verringerung der Nephronenzahl und Funktionsverlust
Erhöhung von glomerulärem Druck und glomerulärer Filtrationsrate
Nierenläsion
Hyperfiltration
Epithelschädigung
Veränderte selektive Permeabilität
Endothelschädigung
Mesangiale Schädigung
Freisetzung vasoaktiver ZellFaktoren, Lipidablagerungen proliferation in den Gefäßen, intrakapilläre Thrombosen
Erhöhter Proteinfluss Glomerulosklerose Proteinurie
Die Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate eines einzelnen Nephrons beruht vorwiegend auf der vasokonstriktiven Wirkung von Angiotensin II auf die efferente Arteriole, wodurch der Filtrationsdruck steigt. In der Folge erhöht sich der glomeruläre kapilläre Plasmafluss sowie der transkapilläre hydrostatische Druck. Dadurch filtert jedes noch aktive Nephron größere Mengen an Plasma.
270
Urämisches Syndrom
Klinische Symptome (z.B. Polyurie/Polydipsie)
Gesteigerte Matrixproduktion
Fortschreitende Reduzierung der glomerulären Filtration
Tod Untergang von funktionellem Nierengewebe und Verlust der Kompensationsfähigkeit
Glomeruläre und tubulointerstitielle Läsionen
Hypertrophie und Hyperfiltration der noch aktiven Nephrone
Die Kompensationsmechanismen der Niere sind in der Lage, trotz Erkrankung einen klinisch stabilen Zustand so lange aufrechtzuerhalten, bis der funktionelle Schaden eine gewisse Schwelle erreicht hat. Erst dann ist die Funktionseinschränkung so weit fortgeschritten, dass es zu klinischen Symptomen und später zur Urämie kommt. Sobald die kritische Anzahl an untergegangenen Nephronen überschritten ist, führt die chronische Nierenerkrankung unweigerlich zum Endstadium und schließlich zum Tod.
3 - Klinische Folgen der Urämie
TABELLE 2 - IRIS*-KLASSIFIKATION DER STADIEN VON NIERENERKRANKUNGEN UND CHRONISCHER NIERENINSUFFIZIENZ BEI HUNDEN Stadium
I
II
III
IV
Plasmakreatininkonzentration µmol/l mg/dl
< 125 < 1,4
125 - 180 1,4 - 2,0
181 - 440 2,1 - 5,0
> 440 > 5,0
* IRIS: International Renal Interest Society
Die Pathogenese des urämischen Syndroms ist komplex und noch nicht vollständig geklärt. Von den vielen beteiligten Toxinen kann kein einziges für sich alleine für die Vielfältigkeit der urämischen Symptome verantwortlich gemacht werden. Bei fortschreitender Reduzierung der Nierenfunktion kommt es zur Akkumulation von stickstoffhaltigen Abfallprodukten aus dem Eiweißstoffwechsel (z.B. Harnstoff, Kreatinin, Ammoniak, Guanidin und dessen Derivate sowie weitere mittelgroße Moleküle mit einem Molekulargewicht zwischen 300 und 2000 Dalton). Einige dieser Abfallprodukte sind an den vielen klinischen Auswirkungen der urämischen Intoxikation bei CNI ursächlich beteiligt (Tabelle 3).
Die vier Stadien der Nierenerkrankung sind: (1) Verminderte Reservekapazität (2) Niereninsuffizienz (3) Frühes Nierenversagen (4) Urämisches Syndrom (Endstadium)
Nieren
Angesichts der großen funktionellen Reservekapazität der Niere treten Symptome wie Azotämie erst dann auf, wenn mindestens 60-70% der normalen Nierenfunktion bereits verloren gegangen sind. In der ersten Phase der CNI kann allerdings unter Umständen eine Hypertrophie der Nephrone beobachtet werden, die bereits auf eine kompensatorisch gesteigerte Filtrationsleistung hinweist. Zu diesem Zeitpunkt zeigen betroffene Tiere noch keine klinischen Symptome, obwohl die Fähigkeit zur Harnkonzentration schon verringert sein kann. Erst wenn etwa 75% der Nephrone untergegangen sind, kommt es zur klinischen Manifestation der Niereninsuffizienz. Nun zeigen sich eine leichte Azotämie und ein Verlust der Fähigkeit zur Harnkonzentration. Gleichzeitig reagiert der Patient empfindlicher auf metabolischen Stress wie massive Veränderungen in der Zufuhr von Flüssigkeit, Protein und Elektrolyten. Findet eine solche Stressbelastung nicht statt, so kann das Tier noch länger symptomfrei bleiben. Bei der Niereninsuffizienz kann es bis zu einem 90 %igen Verlust an funktionellen Nephronen kommen. In dieser Phase besteht eine mäßige bis schwere Azotämie, Anämie, verringerte Harndichte und eine Störung des Elektrolythaushaltes und des Säure-Basen-Gleichgewichts.
TABELLE 3 - BEISPIELE FÜR TOXINE, DIE AN DER ENTWICKLUNG DES URÄMISCHEN SYNDROMS URSÄCHLICH BETEILIGT SEIN KÖNNEN Oxalsäure Parathormon β-2 Mikroglobulin Methylguanidin Guanidinsuccinat
Dimethylarginin Amine Phenole Indole Pseudouridin
3 - Klinische Folgen der Urämie Gastrointestinale Symptome Zu den häufigsten und auffälligsten Symptomen der Urämie zählen Anorexie, Übelkeit, Erbrechen, übler Mundgeruch, Stomatitis, orale Ulzera (Abbildung 5), Zungenspitzennekrose, Gastritis, gastrointestinale Ulzera, Hämatemesis, Enterokolitis, Diarrhoe, Invagination und Ileus. Diese Läsionen bzw. Funktionsstörungen können einzeln oder in Kombination für die gastrointestinale Pathologie verantwortlich sein. Überschüssiger Harnstoff in Speichel und Magensaft wird von ureaseproduzierenden BakAbbildung 5 - Orale Läsionen der urämischen terien in Ammoniak umgewandelt, das die Mukosa direkt angreift und schädigt. UrämiStomatitis/Gingivitis (freundlicherweise zur sche Toxine verändern außerdem die Zusammensetzung des Darmschleims und schädigen Verfügung gestellt von DJ Chew). Mukosa, Submukosa und Gefäße, was letztendlich die Schutzfunktion der Magenschleimhautbarriere beeinträchtigt oder ganz zerstört. Die verminderte Gastrin-Clearance führt zu Hypergastrinämie und zur Stimulierung der Magensäureproduktion.
© DJ Chew
Die erhöhte Diffusion von Säure in die Magenwand verursacht Entzündungen, Ulcusbildung und Blutungen und trägt zusätzlich zur ständig fortschreitenden Urämie-induzierten Schädigung des Magens bei. Vomitus tritt einerseits als direkte Folge der Wirkung der urämischen Toxine auf die Chemorezeptor-Trigger-Zone und andererseits sekundär nach Gastritis auf.
271
© J-C Meauxsoone
3 - Klinische Folgen der Urämie Nieren
Neuromuskuläre Symptome
Die Doppler-Sonographie und die Oszillometrie sind übliche diagnostische Verfahren, um eine Hypertonie aufzudecken. Das Doppler-Verfahren wird für Katzen empfohlen. Oszillometrische Messungen an Hunden können unter Umständen aufgrund von unterschiedlichem Körperbau, Adipositas oder bei besonders dichtem Fell unzuverlässig sein (Stepien, 2001). Bei der Blutdruckmessung ist es wichtig, dem Tier vorher ausreichend Zeit zu geben, sich an die Umgebung zu gewöhnen, da Stress zu verfälschten Ergebnissen führt. Empfohlen werden sechs bis zehn Messungen.
Die beiden wichtigsten neurologischen Komplikationen der Urämie sind die urämische Enzephalopathie und die urämische Neuropathie. Der Begriff der urämischen Enzephalopathie beschreibt die diffusen unspezifischen Veränderungen der Gehirnrinde. Schweregrad und Progredienz der neurologischen Symptome stehen normalerweise in Korrelation mit dem Schweregrad und Stadium der Azotämie. Typische klinische Krankheitszeichen sind eine progrediente Verminderung von Wachsamkeit, Aufmerksamkeit und Bewusstsein, zunehmende Mattigkeit, Lethargie, Bewusstseinseintrübung, verändertes Verhalten, Verwirrtheit, Stupor, Tremor, Ataxie, Muskelkrämpfe und Muskelschwäche, Erschöpfung, Anfälle und Koma. Alle neurologischen Symptome sind auf die Wirkung der urämischen Toxine sowie auf Hyperparathyreoidismus, Hypokalzämie, Hypokaliämie und Hypertonie zurückzuführen.
Kardiopulmonale Symptome Zu den kardiopulmonalen Komplikationen zählen Hypertonie, urämisch bedingte Kardiomyopathie, urämische Perikarditis, Lungenödem und urämische Pneumonie. Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt sowie im Säure-Basen-Gleichgewicht können für Veränderungen der Kontraktilität und Erregbarkeit des Herzens verantwortlich sein. Azotämie und Hyperhydratation sind an der Entwicklung von Perikarditis, urämischer Kardiomyopathie und Lungenödem beteiligt. Hypertonie entsteht sekundär nach Kombination zahlreicher Faktoren wie Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, Natriumretention, Volumenexpansion, Aktivierung des sympathischen Nervensystems, verminderter Aktivität vasodilatatorisch wirksamer Substanzen, erhöhtem Herzminutenvolumen, gesteigertem peripherem Gefäßwiderstand und sekundärem Hyperparathyreoidismus. Die Zielorgane der systemischen Auswirkungen der Hypertonie sind die Nieren (Glomerulosklerose), das Herz (linksventrikuläre Hypertrophie, Myokardischämie), die Augen (Netzhautablösung, Hyphaema, Netzhautblutungen) und das Gehirn (Hypertonie-bedingte Enzephalopathie, Demenz, zerebrovaskuläre Blutungen). Als urämische Pneumonie bezeichnet man die Bildung eines hoch proteinhaltigen Lungenödems, das vermutlich infolge der durch die urämischen Toxine verursachten Alveolarschäden und der erhöhten Kapillarpermeabilität entsteht.
Ophthalmologische Symptome Zu den üblichen ophthalmologischen Manifestationen der fortgeschrittenen Urämie zählen sklerale und konjunktivale Gefäßinjektion sowie alle pathologischen Veränderungen, die sekundär nach systemischer Hypertonie auftreten. Weitere mögliche ophthalmologische Befunde sind verminderte Pupillarreflexe (Lichtreaktion), Papillenödem, injizierte Netzhautgefäße, Netzhautblutungen, Netzhautablösung, Hyphaema, Uveitis anterior und Glaukom. Ischämie und Retinadegeneration entstehen als Folge der anhaltenden Vasokonstriktion der Netzhautarteriolen bei deren Versuch einer Autoregulation der lokalen Durchblutung angesichts der fortgesetzten chronischen Hypertonie.
Metabolische und endokrine Symptomatik Die Nieren sind für den Abbau vieler Peptidhormone verantwortlich, und ein Verlust dieser katabolen Fähigkeit kann zu Stoffwechselstörungen durch Hormonüberschuss führen. Ein gestörter Insulinstoffwechsel kann an der Ausbildung einer Hyperlipidämie beteiligt sein. Als weitere hormonelle Störungen können erhöhte Konzentrationen an Gastrin, Glukagon, Wachstumshormon, Prolaktin und luteinisierendem Hormon auftreten. Die Serumkonzentrationen an T4 sind niedrig und die Umwandlung von T4 zu T3 ist gestört (Euthyroid Sick Syndrome).
Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts sowie des Säure-Basen-Gleichgewichts Metabolische Azidose ist ein häufiger Befund bei Nierenerkrankungen und resultiert primär aus der Unfähigkeit der Nieren zur Wasserstoffionenexkretion und Bikarbonatregeneration. Chronische Azidose führt zu progredienter Knochendemineralisierung, Kalziumverlusten über den Harn und Hypokaliämie sowie zu gesteigertem Proteinkatabolismus in der Skelettmuskulatur, was die Azotämie weiter verschlimmert. Hyperphosphatämie ist eine weitere häufige Störung bei CNI. Sie entwickelt sich sekundär aufgrund der reduzierten glomerulären Phosphorfiltration. Die Hyperphosphatämie trägt ihrerseits zur Ausbildung 272
3 - Klinische Folgen der Urämie
eines renalen sekundären Hyperparathyreoidismus (siehe weiter unten), reduzierten Calcitriolspiegeln, Weichteilverkalkung, renal bedingter Osteodystrophie und Hypokalzämie bei. Zu Kalkablagerungen in Weichteilgeweben kommt es dann, wenn das Produkt aus Kalzium und Phosphat den Wert von 60 übersteigt (Konzentrationen in mg/dl). Zu den am häufigsten betroffenen Zielorganen zählen Magenschleimhaut, Bronchialwand, Myokard, Endokard, Niereninterstitium, Glomeruli, Lunge und Interkostalmuskeln. Die Nephrokalzinose fördert die Entzündungsprozesse im Interstitium sowie die Entwicklung von reaktiven Fibrosen und somit die Progredienz der Niereninsuffizienz. Hypokaliämie entwickelt sich häufig im Zusammenhang mit chronischer Niereninsuffizienz. Der zugrunde liegende Mechanismus ist noch nicht geklärt und die Vermutungen gehen in Richtung eines exzessiven Kaliumverlusts mit dem Harn, unzureichender Kaliumzufuhr mit der Nahrung und Fütterung harnansäuernder Diäten. Hypokaliämie verursacht generalisierte Muskelschwäche und Muskelschmerz, der sich als zervikale Ventroflexion zeigt sowie als steife, stelzige Gangart manifestiert. Weitere Folgen der Hypokaliämie sind eine gestörte Proteinsynthese, Gewichtsverlust oder stumpfes Haarkleid. Des Weiteren fördert eine Hypokaliämie durch vermindertes Ansprechen der Niere auf ADH die Entwicklung einer Polyurie. Chronische Kaliumdepletion kann die Nierenfunktion ernsthaft dadurch beeinträchtigen, dass sie zu einem reversiblen funktionellen Abfall der glomerulären Filtrationsrate führt und die Nierenschädigung durch vermehrte Ammoniogenese noch zusätzlich verschlimmert.
Sekundärer renaler Hyperparathyreoidismus
Nieren
Der sekundäre renale Hyperparathyreoidismus ist ein klinisches Syndrom, das durch erhöhte Sekretion des Parathormons (PTH) charakterisiert ist. Die PTH-Sekretion wird durch die Hypokalzämie und eine verminderte Calcitriolkonzentration im Plasma stimuliert. Die Hypokalzämie ist eine Folge der Phosphatretention in der Niere, wobei das Massenprodukt (d.h. Kalzium x Phosphat) konstant bleibt. Die Calcitriolproduktion erfolgt mit Hilfe des Enzyms 1α-Hydroxylase in der Leber. Überschüssige Mengen an Phosphat und ein Verlust an funktionellem Nierengewebe führen zu einer Verringerung der Aktivität der 1α-Hydroxylase und reduzieren die Umwandlung von Cholecalciferol in 1-25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol). Ein Calcitriolmangel hemmt die Kalziumresorption im Darm, vermindert die Freisetzung von Kalzium und Phosphat aus den Knochen, reduziert die Reabsorption von Kalzium und Phosphat in der Niere und verstärkt die Synthese und Freisetzung von PTH (Abbildungen 6A und 6B).
ABBILDUNG 6A - EINFLUSS DES PARATHORMONS (PTH) AUF DEN KALZIUM- UND PHOSPHORSTOFFWECHSEL Nieren
Nebenschilddrüse
Freisetzung von Kalzium und Phosphor
Reabsorption von Kalzium Reabsorption von Phosphor PTH-Sekretion
Absorption von Kalzium und Phosphor Aktivierung Hemmung
Calcitriol Dünndarm
Dieses Diagramm verdeutlicht die Rolle des Calcitriolmangels (vorwiegend aufgrund der Hemmung der Calcitriolsynthese durch Phosphor und des Verlustes an funktionellem Nierengewebe) bei der Entstehung und Aufrechterhaltung übermäßig hoher Parathormonspiegel (PTH).
273
3 - Klinische Folgen der Urämie
ABBILDUNG 6B - ENTSTEHUNGSMECHANISMUS DES SEKUNDÄREN RENALEN HYPERPARATHYREOIDISMUS Chronisches Nierenversagen
Phosphorretention
Reduktion der Calcitriolproduktion
Hyperphosphatämie
Sekundärer renaler Hyperparathyreoidismus
Das erhöhte PTH kann die normalen Calcitriol- und Kalziumspiegel im Blut im Frühstadium der Niereninsuffizienz wiederherstellen, vorausgesetzt, es sind noch ausreichend proximale Tubuluszellen für die Calcitriolsynthese vorhanden.
Anzahl an Tubuluszellen
Hypokalzämie
PTH-Sekretion
Nieren
Anfänglich aktiviert die erhöhte PTH-Konzentration die verbleibende 1α-Hydroxylase mit kompensatorischer Erhöhung der Calcitriolkonzentrationen. Mit fortschreitender Erkrankung bleibt die Stimulation der 1α-Hydroxylase jedoch ohne Wirkung und die Calcitriolkonzentration niedrig. Zu den Komplikationen des sekundären renalen Hyperparathyreoidismus zählen Osteodystrophie, Weichteilverkalkung, Entmineralisierung des Skeletts, zystische Knochenläsionen, Knochenschmerz und Wachstumsverzögerung. Die Osteodystrophie kommt am häufigsten bei noch nicht ausgewachsenen Patienten vor und ist an der Entmineralisierung der Knochen erkennbar. Die Zähne werden locker und die Kieferknochen lassen sich biegen, ohne zu brechen („Rubber jaw“). Zu einer Verformung der Gesichtskonturen kann es sekundär nach Bindegewebsproliferation kommen. PTH steht im Verdacht, als urämisches Toxin unter Umständen das Fortschreiten der Niereninsuffizienz zu fördern.
Hämatologische Befunde
© J-C Meauxsoone
Die normozytäre normochrome nicht-regenerative Anämie stellt den häufigsten pathologischen Befund bei Urämie dar. Die Pathogenese ist multifaktoriell und umfasst Faktoren wie inadäquate Produktion von Erythropoetin durch die geschädigten Nieren, reduzierte Lebensdauer der roten Blutkörperchen, Mangelernährung, Hemmung der Erythropoese durch urämische Toxine und Blutverluste mit nachfolgendem Eisenmangel. Die Anämie fördert die Entwicklung klinischer Symptome wie Lethargie und Inappetenz. Die Funktion der Neutrophilen sowie die zellvermittelte Immunität ist bei Urämie gestört, wodurch betroffene Tiere besonders anfällig für Infektionen werden. Die spezifischen Ursachen der Niereninsuffizienz im Zusammenhang mit einer Schädigung des Immunsystems sind noch nicht vollständig geklärt, doch wird eine kausale Beteiligung von Malnutrition, urämischen Toxinen, PTH- und Vitamin-D-Konzentrationen vermutet. Der Hydratationsstatus wird durch die klinische Allgemeinuntersuchung sowie durch die Messung von Hämatokrit und Gesamtprotein ermittelt.
274
Hämostatischer Befund Typische Manifestationsformen der urämisch bedingten abnormen Hämostase sind Petechien, Ekchymosen, blaue Flecken, Blutungen an Zahnfleischrändern oder an Einstichstellen von Venenkathetern, Epistaxis und gastrointestinale Blutungen. Die wichtigste Hämostasestörung ist der qualitative Funktionsdefekt der Blutplättchen, der sich als verlängerte Blutungszeit manifestiert (was indirekt die Bewertung von Gefäßkontraktilität, Thrombozytenzahl und -funktion sowie der Faktor-III-Funktion ermöglicht).
4 - Klinisches Bild
4 - Klinisches Bild Das Auftreten klinischer Symptome sowie das klinische Spektrum pathologischer Prozesse kann sich bei der chronischen Niereninsuffizienz sehr unterschiedlich gestalten und ist abhängig von der Art der Grunderkrankung, von Schweregrad, Dauer und Progredienz der Erkrankung sowie von der An- oder Abwesenheit begleitender Krankheiten. Anamnestisch finden sich Symptome wie Anorexie, Depression, Schwäche, Lethargie, Gewichtsverlust, Halitose, Nausea, Vomitus, Diarrhoe, Meläna, Polyurie und Polydipsie. Bei der klinischen Allgemeinuntersuchung fallen blasse Schleimhäute, Dehydratation, Hypothermie, Stomatitis, orale Geschwüre, stumpfes trockenes Haarkleid und eine schlechte Körperverfassung auf. Bei der Palpation des Abdomens sind kleine unregelmäßige Nieren festzustellen. Erblich bedingte CNI oder eine familiäre Prädisposition sollte immer dann vermutet werden, wenn die Rassenzugehörigkeit, die Familienanamnese bzw. das Alter bei Beginn der Nierenerkrankung dafür sprechen (Tabelle 1). Bei manchen Patienten kann Polydipsie/Polyurie das einzige Symptom sein, das in der Vorgeschichte beschrieben wird, während bei anderen einer Isosthenurie im Rahmen einer geriatrischen Routinelaboruntersuchung oder eines präanästhetischen Laborscreenings entdeckt wird.
TABELLE 4 - LABORBEFUNDE BEI CNI
Zur Planung der geeigneten konservativen Behandlung der CNI ist eine gründliche Diagnostik unverzichtbar. Diese sollte in jedem Fall ein komplettes Blutbild, vollständiges biochemisches Profil, Harnanalyse, Harnkultur und Blutdruckmessung umfassen.
• Azotämie • Abnormes spezif. Gewicht des Harns • Hyperphosphatämie • Nicht-regenerative Anämie (normochrome normozytäre Anämie) • Hypokaliämie • Hypokalzämie (manchmal Hyperkalzämie) • Hyperamylasämie • Hyperlipasämie
Zur Ergänzung der so gewonnenen Datenbasis empfiehlt sich die Durchführung einer Röntgen- und/oder Ultraschalluntersuchung des Abdomens. Zu den Laborbefunden, die auf eine Niereninsuffizienz weisen, gehören Azotämie (erhöhter Blutharnstoff, erhöhtes Kreatinin), Hyperphosphatämie, leichte bis ABBILDUNG 7 - FOLGEN DER NIERENERKRANKUNG UND FORTSCHREITEN schwere metabolische Azidose, Hypo- oder DER KRANKHEIT BIS ZUM URÄMISCHEN SYNDROM Hyperkaliämie, Hypo- oder Hyperkalzämie, Renaler (Grauer & Allen, 1981) Funktionsverlust (%) Anämie, Hyperlipidämie, Blutungsnei100% gung, Isosthenurie, Proteinurie und HyperEndstadium tonie (Tabelle 4). Beim einzelnen Patien75% Frühes Nierenversagen ten finden sich oft nur einige dieser verän67% derten Laborparameter. Niereninsuffizienz
Azotämie Nach der Diagnose einer Azotämie ist eine klare Abgrenzung erforderlich zwischen prärenaler Azotämie, prärenaler Azotämie als Komplikation der chronischen Niereninsuffizienz, akuter Niereninsuffizienz, akuter Niereninsuffizienz als Komplikation einer chronischen Niereninsuffizienz, postrenaler Azotämie und postrenaler Azotämie als Komplikation der chronischen Niereninsuffizienz mit Übergang von der unkomplizierten chronischen CNI zur Nierenkrankheit im Endstadium. Alle diese Formen der Azotämie manifestieren sich klinisch auf sehr ähnliche Art und Weise, doch ist die rasche Identifizierung der jeweils vorliegenden Form für die Erstellung eines Therapieplans und einer realistischen Prognose unbedingt erforderlich (Abbildung 7).
Prozentsatz unbekannt
Normale Nierenfunktion
Exkretorische Funktion
physiologisch
reduziert, aber keine Azotämie
beginnende Azotämie
Harnkonzentrationsfähigkeit
physiologisch
eingeschränkt
stark eingeschränkt
Stadium I
Stadium II
Stadium III
Urämie
Stadium IV Stadien
der CNI
Die Diagnose der chronischen Niereninsuffizienz ist relativ einfach. Deutlich schwieriger ist die Erkennung einer Nierenerkrankung im Frühstadium noch vor der Manifestation klinischer Symptome oder abweichender Laborparameter.
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Nieren
5 - Diagnostische Bewertung der Befunde
Eine Proteinurie kann bei Hunden mit CNI vorliegen, muss jedoch nicht. Harnteststreifen zum Schnelltest auf Proteinurie entdecken vorwiegend Albumin (unterer Schwellenwert ~50 mg/l) und nicht Globulin. Zu falsch-positiven Resultaten kann es kommen, wenn die Proben sehr alkalisch oder mit quaternären Ammoniumverbindungen kontaminiert sind. Eine 2+ Proteinurie stellt einen gravierenderen Proteinverlust dar, wenn der Harn verdünnt ist (spezif. Gewicht des Harns 1.010), als wenn er vierfach konzentriert ist (spezif. Gewicht des Harns 1.040) (Abbildung 8). Das gleiche Prinzip gilt für die Bewertung des Verhältnisses von Harnprotein zu Harnkreatinin, das zur Beurteilung des Schweregrades der Proteinurie herangezogen wird.
© J-C Meauxsoone
5 - Diagnostische Bewertung der Befunde
Proteinurie
Anhaltende schwere Proteinurie (typischerweise 3 oder 4+) spricht sehr für das Vorliegen einer glomerulären Schädigung, vorausgesetzt, eine Hämaturie oder eine Entzündung des Urogenitaltraktes wurde durch fehlenden Nachweis von Erythrozyten und Leukozyten im Harnsediment ausgeschlossen. Besteht Verdacht auf glomerulären Proteinverlust, sollte die Proteinurie mittels des semiquantitativen Sulfosalizylsäure-Turbidimetrietests bestätigt werden; dieser Test kann im Praxislabor leicht durchgeführt werden. Alternativ kann der Proteingehalt im Harn präzise durch ein externes Labor bestimmt werden. Nicht alle Proteinurien sind pathologisch, und nicht alle pathologischen Proteinurien sind durch Nierenerkrankungen bedingt, weshalb es ratsam ist, eine vorliegende Proteinurie nicht vorschnell einer Nierenproblematik zuzuordnen.
Die Ergebnisse der semiquantitativen Dipstick-Tests müssen mit der Harnkonzentration verglichen werden.
ABBILDUNG 8 - INTERPRETATION DER PROTEINURIE AUFGRUND DER HARNDICHTE
Die Mikroalbuminurie (d.h. Albuminkonzentrationen im Harn von <10 mg/dl) ist lange Zeit als früher Indikator einer Nierenerkrankung angesehen worden. Neuere Studien haben jedoch gezeigt, dass 56% der Hunde mit Mikroalbuminurie an systemischen Entzündungen, Infektionen oder tumorösen Erkrankungen leiden. Somit ist die diagnostische Spezifität der Mikroalbuminurie für die Identifizierung des Frühstadiums der Nierenkrankheit nicht wirklich gesichert.
Nieren
2
© J-C Meauxsoone
1
Mikroalbuminurie
Glomeruläre Filtrationsrate
Probe
1
2
Spezif. Gewicht des Harns
1.040
1.010
Proteinurie
++
++
Bedeutung
ungewiss
aussagekräftig
Je niedriger das spezifische Gewicht des Harns ist, desto aussagekräftiger ist eine bestehende Proteinurie.
Der beste Indikator für die Nierenfunktion ist die glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Die GFR beschreibt jenes Flüssigkeitsvolumen, das von der Niere pro Zeiteinheit filtriert wird. Die Inulin-Clearance stellt bei der Bestimmung der GFR den Goldstandard dar. Leider ist dieses Verfahren mit einem großen labortechnischen Aufwand verbunden, so dass es meist nur im Rahmen der Forschung eingesetzt wird. Die exogene Plasmakreatinin-Clearance (PECCT; Plasma exogenous creatinine clearance test) ist ein Test, bei dem nach einmaliger intravenöser Bolusinjektion einer bekannten Kreatinindosis nach bestimmten Zeitabständen die Kreatinin-Clearance anhand mehrerer Plasmaproben bestimmt wird (Abbildung 9). Dieser Test ist für den Einsatz bei Hunden validiert und stellt ein klinisch nützliches Verfahren zur Bewertung der Nierenfunktion dar (Watson et al., 2002).
6 - Therapie Eine auf den jeweiligen Patienten individuell zugeschnittene Therapie ist seit Jahrzehnten die Basis jeder Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz. Ziele der medikamentellen Therapie sind: (1) Entlastung der Niere, (2) Milderung der klinischen Symptome und der Auswirkungen der urämischen Intoxikation, (3) Minimierung aller Störungen des Flüssigkeits-, Elektrolyt-, Vitamin- und Mineralstoffhaushalts sowie des Säure-Basen-Gleichgewichtes, (4) Verlangsamung des Fortschreitens der Krankheit. 276
6 - Therapie
ABBILDUNG 9 - DAS PRINZIP DER PLASMA-CLEARANCE Plasma P
P= Plasmakonzentration
Die Clearance (Cl) gibt diejenige Menge einer Substanz (X) an, die pro Zeiteinheit (t) in Relation zu ihrer Plasmakonzentration (P) eliminiert wird. Cl = dX/dt P
Die Bestimmung der Plasma-Clearance: Plasmakonzentration
Cl =
Dosis Fläche unter der Kurve
Fläche unter der Kurve
Nieren
Zeit
© Lenfant
Man sollte von der Therapie nicht unbedingt erwarten, dass sie in der Lage ist, die für die CNI verantwortlichen Läsionen zu heilen oder zu eliminieren. Schreitet die CNI jedoch aufgrund einer anderen ursächlich beteiligten Erkrankung (Pyelonephritis, chronische Harnwegsobstruktion, Nephrolithiasis, renales Lymphom, manche immunvermittelte Erkrankungen) fort, so ist die rasche Identifizierung und die prompt einsetzende kausale Therapie dieser zugrunde liegenden Problematik oftmals in der Lage, die Progredienz der CNI zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. Chronische Niereninsuffizienz ist ein dynamischer, ständig fortschreitender Krankheitsprozess. Es ist somit nur logisch, dass eine Therapie nur dann von Erfolg gekrönt sein kann, wenn regelmäßige klinische und labordiagnostische Untersuchungen des Patienten eine laufende Anpassung der Behandlung an den jeweiligen Status ermöglichen. Ausgewählte Pharmaka zur Therapie der chronischen Niereninsuffizienz sind in Tabelle 5 aufgelistet. Viele Niereninsuffizienzpatienten sind überaus empfindlich hinsichtlich der gastrointestinalen Nebenwirkungen der verschriebenen Medikamente. Bei der Verschreibung muss der Tierarzt auch die potenziellen unerwünschten Wirkungen eines Pharmakons sowie die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Medikamenten beachten. Viele Medikamente werden außerdem über die Niere ausgeschieden, und eine Dosismodifizierung kann aufgrund der verzögerten Clearance und der längeren Halbwertszeit des Medikamentes erforderlich werden. Solche Anpassungen werden idealerweise nach Schätzung der Clearance aufgrund der Bestimmung der Kreatinin-Clearance vorgenommen. Die Dosierung des verschriebenen Medikamentes erfolgt dann entsprechend dem Prozentsatz der Reduzierung der Kreatinin-Clearance (d.h. das Verhältnis von individuell am Patienten bestimmter Kreatinin-Clearance zu normaler Kreatinin-Clearance). Beträgt zum Beispiel die normale Dosierung 10 mg/kg alle 8 Stunden und liegt die Kreatinin-Clearance bei nur 25% des Normalwertes, so sollte die Dosis auf 2,5 mg/kg alle 8 Stunden oder 10 mg/kg alle 32 Stunden reduziert werden. Im Hinblick auf die Compliance von seiten des Tierhalters wird eine Dosisreduzierung meist besser akzeptiert als die Verlängerung des Intervalls zwischen zwei Verabreichungen (obwohl letzteres bei bestimmten Medikamenten durchaus indiziert sein kann, z.B. bei konzentrationsabhängigen Antibiotika). Eine solche Dosisanpassung sollte vor allem bei Medikamenten vorgenommen werden, die vorwiegend (>80%) unverändert über die Nieren ausgeschieden werden, sowie auch bei Pharmaka mit geringer therapeutischer Breite. Hier zwei Beispiele: - Gentamicin: Ausscheidung über die Niere und geringe therapeutische Breite; nicht zu empfehlen, aber bei multiresistenten Infektionen manchmal notwendig. - Carboplatin: Zytostatikum mit sehr geringer therapeutischer Breite und renaler Ausscheidung. Obwohl das Verhältnis zwischen der Serumkreatininkonzentration und der Kreatinin-Clearance nicht linear verläuft, kann die Entwicklung der Kreatinin-Clearance anhand der Veränderungen der unter Standardbedingungen für Stadium II und III der CNI gemessenen Serumkreatininkonzentration geschätzt werden.
Empfehlungen zur diätetischen Therapie und zu anderen Komponenten der konservativen Behandlung müssen auf der Basis des klinischen Befundes und der Ergebnisse der Laboruntersuchungen individuell an den jeweiligen Patientenstatus angepasst werden.
Anämie Die Behandlung der Anämie umfasst die Verabreichung von Androgenen, Bluttransfusionen und die Erythropoetinersatztherapie mit rekombinantem humanem Erythropoetin. Zusätzlich sollte alles getan werden, um Blutverluste beim Legen eines Venenkatheters oder durch gastrointestinale Ulzera oder Parasiten sowie durch urämische Blutungen zu vermeiden. Die Androgentherapie ist hinsichtlich der Erhöhung des Hämatokrit nicht übermäßig wirksam, verbessert aber Berichten zufolge das Gesamtbefinden und den Ernährungsstatus (Cowan et al., 1997). Bluttransfusionen korrigieren vorübergehend die Anämie und sind besonders dann nützlich, wenn eine rasche Korrektur der Anämie vor einer Anästhesie bzw. einem chirurgischen Eingriff notwendig ist. Wiederholte Bluttransfusionen wurden bei Hunden mit 277
6 - Therapie
TABELLE 5 - PHARMAKA ZUR BEHANDLUNG DER CHRONISCHEN NIERENINSUFFIZIENZ*
Nieren
Urämische Komplikation
Standarddosierungen
Gastrointestinale Probleme
Chlorhexidin Cimetidin† Ranitidin† Famotidin† Omeprazol Sucralfat† Misoprostol Metoclopramid† Chlorpromazin Acepromazin Cisaprid
Mundspülung alle 6-8h 5-10 mg/kg p.o., i.m., i.v. alle 6-8h 0,5-2,0 mg/kg p.o., i.m., i.v. alle 8-12h 0,5-1,0 mg/kg p.o., i.m., i.v. alle 12-24h 0,5-1.,0 mg/kg p.o. alle 24h 0,5-1 g p.o. alle 6-8h 1-5 mg/kg p.o. alle 6-12h 0,1-0,5 mg/kg p.o., i.m., s.c. alle 6-8h 0,2-0,5 mg/kg p.o., i.m., s.c. alle 6-8h 0,01-0,05 mg/kg p.o., i.m., s.c. alle 8-12h 0,1-0,5 mg/kg p.o. alle 8-12h
Anämie
Erythropoetin Eisensulfat Stanozolol
100 IE/kg s.c. 1-3 x wöchentlich 100-300 mg/Tag p.o. 1-4 mg p.o. alle 24h
Metabolische Azidose
Natriumbikarbonat Kaliumzitrat
8-12 mg/kg p.o. alle 8-12h 40-60 mg/kg p.o. alle 8-12h
Hypokaliämie
Kaliumglukonat Kaliumzitrat
0,5 mEq/kg p.o. alle 12-24h 40-60 mg/kg p.o. alle 8-12h
Hyperphosphatämie
Aluminiumhydroxid/-karbonat/-oxid Kalziumacetat Kalziumkarbonat
30-90 mg/kg p.o. alle 12-24h 60-90 mg/kg p.o. alle 12-24h 90-150 mg/kg p.o. alle 12-24h
Renale Osteodystrophie
Calcitriol
1,5-6,0 ng/kg p.o. alle 24h
Hypertonie
Amlodipin Benazepril Enalapril Imidapril Ramipril Propanolol
0,05-0,3 mg/kg p.o. alle 12-24 h 0,25-0,50 mg/kg p.o. alle 24 h 0,5 mg/kg p.o. alle 12-24 h 0,25 mg/kg p.o. alle 24 h 0,125-0,250 mg/kg p.o. alle 24 h 0,1-1 mg/kg p.o. alle 8-12 h
Es wird empfohlen, die Therapie mit Antihypertensiva mit der geringstmöglichen Dosierung zu beginnen und die Dosis gegebenenfalls schrittweise zu erhöhen.
Proteinurie
ACE-Hemmer (Benazepril, Enalapril, Imidapril und Ramipril)
Dosierung: siehe Hypertonie
* Die meisten dieser Pharmaka sind nicht für den Hund zugelassen. † Diese Substanzen werden über die Niere ausgeschieden. Ihre Dosierung muss zur Vermeidung von Toxizität entsprechend angepasst werden.
278
Nieren
6 - Therapie
chronischer Niereninsuffizienz gelegentlich verabreicht, um die Anämie in Grenzen zu halten, doch kann dies angesichts des erhöhten Risikos von Transfusionsreaktionen nicht empfohlen werden. Eine effektive Erythropoese lässt sich einfach und prompt durch Verabreichung von rekombinantem humanem Erythropoetin erzielen (Cowgill et al., 1995; 1998). Innerhalb der ersten Woche der Therapie ist eine dosisabhängige Reaktion des Hämatokrits zu beobachten. Bis zur vollständigen Normalisierung des Hämatokritwertes sind jedoch meist zwei bis acht Wochen Therapie erforderlich. Die Erythropoetintherapie beginnt mit Dosen von 100 IE/kg s.c. dreimal wöchentlich bei wöchentlichen Kontrollen des Hämatokrit. Sobald ein Wert von 35-40% erreicht ist, wird die Dosierungsfrequenz auf zweimal pro Woche reduziert. Durch konstante Überwachung der Hämatokritwerte ist die niedrigste noch wirksame Dosis/Frequenz, bei der der Hämatokritwert innerhalb des Referenzbereiches bleibt, herauszufinden. Bei der Erythropoetintherapie kann es zu Nebenwirkungen wie Polyzythämie, Erbrechen, Anfällen, Schmerzen an der Injektionsstelle, Fieber oder Hypertonie kommen. Manche Hunde können Erythropoetinantikörp er entwickeln, die endogenes wie exogenes Erythropoetin wirksam neutralisieren. Solche Patienten kann man daran erkennen, dass die Anämie auf keine Therapie anspricht oder dass sie Wochen bis Monate nach Beginn der Therapie erneut eine Anämie entwickeln. Diagnostisch ist in diesen Fällen jede andere Ursache für eine Anämie auszuschließen und eine Knochenmarksuntersuchung vorzunehmen, bei der das Verhältnis von myeloidem zu erythroidem Anteil bestimmt wird (M:E Verhältnis > 10). Die Behandlung besteht im Absetzen der rekombinanten Erythropoetintherapie. Danach ist ein Absinken der Antikörperkonzentration und eine Rückkehr zu den prätherapeutischen endogenen Erythropoetin- und Hämatokritwerten zu erwarten. Für die Stabilisierung des Hämatokrits können Bluttransfusionen notwendig sein. Da in Zukunft auch canines rekombinantes Erythropoetin verfügbar sein wird, wird das Probleme der Entwicklung von Antikörpern gegen das humane Erythropoetin hoffentlich bald gelöst sein (Rundolph et al., 2004). Vor dem Einsatz von humanem rekombinantem Erythropoetin muss in jedem Fall eine Risiko-NutzenAbwägung erfolgen. Die Erythropoetintherapie wird generell dann empfohlen, wenn der Hämatokrit weniger als 25% beträgt. In diesem Stadium scheinen die Vorteile dieser Behandlungsform, nämlich verbessertes Allgemeinbefinden mit besserem Appetit, Gewichtszunahmen sowie erhöhter Aktivität und Lebensfreude, das Risiko der Antikörperbildung mehr als wettzumachen. Eisenmangel sekundär nach gastrointestinalen Blutverlusten ist meist ein Begleitsymptom der CNI. Der Eisenstatus kann anhand der Messung der Werte für Eisen, Transferrin, Ferritin oder der totalen Eisenbindungskapazität (TEBK) ermittelt werden. Die orale Supplementierung mit Eisensulfat (100-300 mg/Tag) wird empfohlen, insbesondere bei Patienten, die eine Erythropoetinersatztherapie beginnen. Auch die intramuskuläre Verabreichung von Eisendextranen ist möglich, doch ist das Risiko eine Überversorgung mit Eisen hierbei erhöht. Zu den Nebenwirkungen der Eisentherapie zählen vor allem gastrointestinale Störungen (Diarrhoe).
Die Normalisierung des Hämatokritwertes unter Erythropoetinersatztherapie dauert im Allgemeinen zwei bis acht Wochen.
Azidose Alkalisierende Substanzen (Kaliumzitrat, Natriumbikarbonat, Kalziumkarbonat) sollten dann verabreicht werden, wenn die TCO2- oder Bikarbonatkonzentration unter 18 mmol/l fällt. Dank der Alkalisierungstherapie kommt es zu einer Besserung der klinischen Symptome wie Anorexie, Lethargie, Übelkeit, Erbrechen, Muskelschwäche und Gewichtsverlust. Gleichzeitig kann dadurch den katabolen Auswirkungen der metabolischen Azidose auf den Proteinstoffwechsel vorgebeugt werden. Die am häufigsten zur Behandlung der Azidose eingesetzte Substanz ist Natriumbikarbonat, das allerdings die Natriumlast für den Patienten erhöht und somit bei Patienten mit Hypertonie oder Herzinsuffizienz zu vermeiden ist. Kalziumkarbonat sollte bei Tieren mit Hyperphosphatämie nur mit Vorsicht verabreicht werden, da die vermehrte Kalziumzufuhr zu einer Weichteilmineralisierung führen kann. Kaliumzitrat hat den zusätzlichen Vorteil, dass es bei Patienten mit metabolischer Azidose und gleichzeitiger Hypokaliämie optimal therapeutisch einsetzbar ist. Die Dosierung der alkalisierenden Substanzen muss für jeden Patienten individuell angepasst werden und erfordert eine kontinuierliche Überwachung des Säure-Basen-Status.
Flüssigkeitshaushalt Obwohl die kompensatorische Polydipsie den durch die Polyurie verursachten übermäßigen Flüssigkeitsverlust in den meisten Fällen ausgleichen kann, ist bei manchen Patienten die freiwillige Flüssigkeitsaufnahme doch zu gering, um eine Hypovolämie zu verhindern. In diesen Fällen sollte zur Vermeidung einer Dehydratation und intravasaler Defizite eine sorgfältig berechnete Flüssigkeitstherapie einsetzen. Die Flüssigkeitserhaltungstherapie (z.B. mit Plasmalyte 56, Plasmalyte M, Normosol M) kann subkutan erfolgen. Die dauerhafte Verabreichung von Ringer-Laktat oder Natriumchlorid führt aufgrund des Mangels an ausreichenden Mengen freien Wassers zu Hypernatriämie. Eine 5%ige Dextroselösung ist hypoton und sollte nicht subkutan verabreicht werden. 279
6 - Therapie
Hypokaliämie Eine Kaliumsupplementierung ist dann indiziert, wenn die Kaliumkonzentration im Serum weniger als 4 mmol/l beträgt. Der Ausgleich des Kaliumdefizits kann durch oral verabreichtes Kaliumglukonat oder Kaliumzitrat erfolgen. Die für Hypokaliämie typische Muskelschwäche verschwindet meist binnen fünf Tagen nach Therapiebeginn. Bei manchen Tieren kommt es zu Nebenwirkungen wie gastrointestinalen Störungen, Ulcusbildung, Übelkeit und Erbrechen. Die Kaliumdosis sollte in Abhängigkeit von der laufend kontrollierten Kaliumkonzentration im Serum und entsprechend der Reaktion auf die Supplementierung angepasst werden.
Behandlung der Hypertonie Eine Behandlung der Hypertonie ist dann indiziert, wenn ein systemischer Bluthochdruck wiederholte Male dokumentiert wurde. Die klinische Diagnose einer Hypertonie sollte niemals nur aufgrund einer einzigen Blutdruckmessung gestellt werden. Laut IRIS (http://www.iris-kidney.com/) besteht bei einem Tier mit chronischer Niereninsuffizienz dann eine Hypertonie, wenn der systolische Blutdruck höher als 180 mmHg ist. Liegt der systolische Blutdruck zwischen 150 und 179 mmHg und liegen extrarenale Hinweise auf Hypertonie vor (z.B. Retinopathie, linksventrikuläre Hypertrophie), ist ebenfalls von Bluthochdruck auszugehen. Alle anderen Fälle sind grenzwertig, und es empfiehlt sich die Wiederholung der Blutdruckmessung nach zwei Monaten.
Nieren
Ziel jeder Hypertoniebehandlung ist es, den Blutdruck wieder auf Werte innerhalb des Referenzbereiches zu senken. Die Wahl des richtigen Antihypertensivums richtet sich nach Vorliegen oder Abwesenheit klinischer Hochdrucksymptome. Bei Anzeichen für eine Netzhautablösung oder Netzhautblutungen wird eine aggressivere Therapie erforderlich sein, um den Blutdruck zu senken und die volle Sehkraft so bald wie möglich wiederherzustellen. Regelmäßige Blutdruckmessungen sind die Grundlage für die Wahl der jeweils geeigneten Antihypertensiva. Die medikamentelle Therapie wird in jedem Fall von diätetischen Maßnahmen zur Natriumrestriktion begleitet. Zu den Antihypertensiva zählen Diuretika, adrenerge Antagonisten (Propanolol), ACE-Hemmer, Kalziumkanalblocker (Amlodipin) und Vasodilatatoren. Die Auswahl des geeigneten Wirkstoffs erfolgt auf der Basis der Ergebnisse regelmäßiger Blutdruckkontrollen unter Berücksichtigung eventueller unerwünschter Nebenwirkungen und der mit der Therapie verbundenen Kosten.
ABBILDUNG 10 - DURCHSCHNITTSWERT DES PROTEIN: KREATININ-VERHÄLTNISSES IM HARN VON HUNDEN NACH VERABREICHUNG VON ENALAPRIL BZW. EINES PLACEBOS (Grauer et al., 2000) 40 %
9
vor Therapiebeginn
Protein:Kreatinin-Verhältnis im Harn
8 7
nach 6 Monaten Behandlung
6 5
57 %
4 3 2 1 0
Placebo
Enalapril
Die Proteinurie verstärkte sich in der Placebo-Gruppe, verringerte sich aber bei den Hunden, die Enalapril erhielten.
280
Innerhalb von zwei Wochen nach Therapiebeginn sollte der Blutdruck kontrolliert werden. Ist kein Ansprechen auf die Medikation zu vermerken, sind die folgenden Maßnahmen in Betracht zu ziehen: (1) Erhöhung der Dosis des aktuellen Medikaments. (2) Umstieg auf eine andere Wirkstoffgruppe. (3) Verabreichung eines zusätzlichen Medikaments. Die langfristige regelmäßige Kontrolle des Blutdrucks ist deshalb notwendig, weil einerseits häufige Dosisanpassungen erforderlich werden können und andererseits manche Patienten auf die Initialtherapie plötzlich nicht mehr ansprechen und ein Präparatwechsel vorgenommen werden muss. ACE-Hemmer sind erfolgreich bei normotonen Hunden mit glomerulären Erkrankungen eingesetzt worden. Bei Hunden mit natürlich vorkommender Glomerulonephritis konnte durch die Gabe von Enalapril eine signifikante Reduzierung der Harnproteinkonzentration und eine Besserung der klinischen Symptome erzielt werden (Abbildung 10) (Grauer et al., 2000). Proteinurie ist nicht nur ein biologisches Zeichen für eine Nierenschädigung, sondern auch ein Indikator für die Verschlimmerung der chronischen Niereninsuffizienz. Aus diesem Grund stellt die Besserung der Proteinurie ein therapeutisches Ziel dar. Es hat sich gezeigt, dass bei Hunden nur die ACEHemmer einen nachweislich wirksamen Anti-Proteinurie-Effekt besitzen. Zusätzlich sind die ACE-Hemmer in der Lage, das Fortschreiten der CNI zu verlangsamen (Lefebre & Toutain, 2004).
6 - Therapie
Hyperphosphatämie Durch die Korrektur der Hyperphosphatämie lässt sich der Schweregrad von sekundärem renalem Hyperparathyreoidismus, renaler Osteodystrophie und Weichteilverkalkung sowie die Progredienz der Niereninsuffizienz mildern. Durch restriktive Phosphorzufuhr mit der Nahrung und orale Verabreichung von phosphorbindenden Substanzen (Tabelle 6) kann die Serumphosphatkonzentration normalisiert werden. Intestinale Phosphorbinder binden das im Futter enthaltene und im Verdauungstrakt sezernierte Phosphat. Die so gebildeten unlöslichen Verbindungen werden mit den Fäzes ausgeschieden. Die phosphorbindenden Präparate müssen gut mit dem Futter vermischt werden, um eine optimale Wirkung zu erzielen.
TABELLE 6 - DIE PHOSPHATBINDERKLASSEN IM ÜBERBLICK Aluminiumhaltige Produkte: - Aluminiumhydroxid - Aluminiumkarbonat - Aluminiumoxid
Bei langfristiger Verabreichung aluminiumhaltiger Phosphatbinder besteht ein Toxizitätsrisiko (bei Hunden bislang nicht beobachtet).
Produkte auf Kalziumbasis: - Acetat - Karbonat - Zitrat*
Phosphatbinder auf der Basis von Kalzium können eine Hyperkalzämie fördern und sind bei Hunden mit erhöhten Kalziumwerten kontraindiziert. Dieses Polymer wird in der Humanmedizin als intestinaler Phosphatbinder eingesetzt. Es wird nicht resorbiert und kann keine Hyperkalzämie bewirken. Über den Einsatz bei Hunden liegen keine Angaben vor.
Nieren
Sevelamer
* Kalziumzitrat erhöht die Aluminiumresorption im Darm und darf nicht zusammen mit aluminiumhaltigen Phosphatbindern gegeben werden.
Calcitriolsupplementierung Die Calcitriolersatztherapie kann den sekundären renalen Hyperparathyreoidismus mildern. Die Supplementierung ist allerdings lebenslang erforderlich (Nagode et al., 1996). Dabei ist die regelmäßige Kontrolle der Kalzium- und Phosphorspiegel im Serum unerlässlich, um die Entwicklung einer Hyperkalzämie und Weichteilverkalkung zu vermeiden. Das Risiko einer Hyperkalzämie ist insbesondere dann erhöht, wenn gleichzeitig intestinale Phosphatbinder verabreicht werden, die auf Kalziumbasis hergestellt werden. Calcitriol sollte nicht mit dem Futter gegeben werden, da es die intestinale Kalzium- und Phosphatresorption verstärkt. Außerdem ist vor Beginn einer Calcitriolsupplementierung sicherzustellen, dass die Serumphosphorkonzentration im Normbereich liegt, da sonst das Risiko einer Weichteilmineralisierung besteht. Binnen ein bis zwei Wochen nach Beginn der Calcitriolersatztherapie sollte die PTH-Konzentration im Serum wieder normal bzw. annähernd normal sein. In einer neueren Studie (Gerber et al., 2003) konnte festgestellt werden, dass die Calcitriolkonzentration bei den meisten Hunden mit Niereninsuffizienz im Referenzbereich lag. In diesen Fällen ist eine Calcitriolsupplementierung natürlich nicht erforderlich.
Gastrointestinale Störungen Patienten mit Vomitus erhalten Antiemetika wie Metoclopramid oder Phenothiazinderivate, die direkt am Brechzentrum im Zentralnervensystem angreifen. Histaminrezeptor-Antagonisten (Cimetidin, Ranitidin, Famotidin) oder Protonenpumpenhemmer (Omeprazol) in Kombination mit magenschleimhautschützenden Präparaten wie Sucralfat oder Misoprostol können eingesetzt werden, um der Entwicklung von Ulzera im Magen-Darm-Trakt vorzubeugen. 281
7 - Diätetisches Management der chronischen Nierenerkrankung
7 - Diätetisches Management der chronischen Nierenerkrankung Seit Jahrzehnten stellt die diätetische Therapie einen wichtigen Eckpfeiler bei der Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz dar. Diätetische Modifikationen haben mehrere Ziele: (1) Deckung des Nährstoff- und Energiebedarfs des Patienten, (2) Linderung der klinischen Symptome sowie der Folgen der urämischen Intoxikation, (3) Minimierung von Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes, der
ABBILDUNG 11 - DIÄTETISCHES MANAGEMENT DER CNI: DIE 4 HAUPTZIELE DER THERAPIE 1.Prävention von Anorexie und Gewichtsverlust
2.Aufrechterhaltung einer adäquaten glomerulären Filtrationsrate
Diätetisches Management der CNI
3.Prävention des sekundären renalen Hyperparathyreoidismus
4.Begrenzung der Produktion von urämischen Toxinen
Nieren
Vitamin- und Mineralstoffversorgung sowie des Säure-Basenhaushalts, und (4) Verzögerung des Fortschreitens der Niereninsuffizienz (Abbildung 11).
Energie Niereninsuffiziente Patienten müssen ausreichende Mengen an Energie aufnehmen, um dem endogenen Proteinkatabolismus vorzubeugen, dessen Folgen eine Mangelernährung sowie die Verstärkung der Azotämie wären. Obwohl keine Informationen zum Energiebedarf von Hunden mit chronischer Niereninsuffizienz vorliegen, ist davon auszugehen, dass dieser dem Bedarf von gesunden Hunden ähnlich ist. Hunde sollten 132 kcal/kg KM0.75 pro Tag erhalten. Der Energiebedarf kann in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren individuell bis zu 25% nach oben oder unten abweichen. Regelmäßige Kontrollen von Körpergewicht und Body Condition Score sind die Basis für eine exakte Bedarfsberechnung für das jeweilige Tier. Kohlenhydrate und Fett sind die Nicht-Protein-Energiequellen der Nahrung. Diäten für Hunde mit chronischer Niereninsuffizienz werden in der Regel mit einem hohen Fettgehalt konzipiert, da Fett pro Gramm doppelt so viel Energie liefert wie Kohlenhydrate. Da also Fett die Energiedichte einer Diät erhöht, kann der Patient seinen Energiebedarf mit einer geringeren Menge an Futter decken. Durch das geringere Volumen des Speisebreis wird die Magendehnung minimiert, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Nausea und Vomitus merkbar sinkt.
Protein Azotämie und Urämie sind die Folgen der Akkumulation von Eiweißstoffwechselprodukten, die durch übermäßige Proteinzufuhr und durch Abbau von körpereigenem Eiweiß anfallen. Eine zu hohe Proteinaufnahme mit der Nahrung verstärkt die Azotämie und die Morbidität bei chronischer Niereninsuffizienz (Polzin et al., 1983), doch steht auch die Proteinmalnutrition in engem Zusammenhang mit Morbidität und Mortalität. Der wissenschaftliche Hintergrund für Rezepturen mit restriktiven Mengen an hochwertigem Protein beruht auf der Prämisse, dass die kontrollierte Reduzierung der Zufuhr an nicht-essenziellen Aminosäuren den Anfall an stickstoffhaltigen Abbauprodukten verringert und dadurch eine Besserung oder sogar vollständige Remission der klinischen Symptome bewirkt, auch wenn die Nierenfunktion im Wesentlichen unbeeinflusst bleibt. Tatsächlich konnte in verschiedenen Studien belegt werden, dass eine Modifikation der Proteinzufuhr bei Hunden mit chronischer Niereninsuffizienz die Konzentration von Blutharnstoffstickstoff (BUN) reduzierte, was für die Patienten eine deutliche klinische Besserung brachte (Polzin et al., 1983; Finco et al., 1985; Polzin & Osborne, 1988; Polzin et al., 1983; Lei282
7 - Diätetisches Management der chronischen Nierenerkrankung
betseder & Neufeld, 1991; Jacob et al., 2002). Auch das Ausmaß der Polyurie und Polydipsie kann durch eine Diät mit modifiziertem Proteingehalt gebessert werden, da weniger gelöste Stoffe in Form von Eiweißabbauprodukten über die Nieren ausgeschieden werden müssen. Eine Anämie lässt sich ebenfalls positiv durch Proteinrestriktion beeinflussen, da stickstoffhaltige Stoffwechselprodukte in ursächlichem Zusammenhang mit Hämolyse, verkürzter Lebensdauer der Erythrozyten und beeinträchtigter Thrombozytenfunktion sowie Blutverlusten durch gastrointestinale Ulzera stehen. Untersuchungen in der Humanmedizin und an Ratten zeigten, dass die Proteinrestriktion das Fortschreiten der Nierenkrankheit verlangsamen konnte. Ob dies bei niereninsuffizienten Hunden auch der Fall ist, konnte bislang nicht ausreichend beIegt werden (Finco et al., 1985; 1992a; 1992b; 1994; 1999; Robertson et al., 1986; Polzin et al., 1988). Die meisten Studien wurden anhand des Restnierenmodells durchgeführt, was nicht unbedingt die natürlich vorkommende Niereninsuffizienz widerspiegelt. Außerdem wurden in manchen Studien zusätzlich zur Proteinzufuhr die Gehalte an Energie und Phosphor reduziert, was die Ergebnisse sicherlich beeinflusst hat. Brown et al. konnten in ihren Untersuchungen bei Hunden keine positiven Auswirkungen der Proteinrestriktion auf glomeruläre Hypertonie, Hypertrophie, Hyperfiltration oder Progredienz der Niereninsuffizienz beobachten (Brown et al., 1990; 1991a). Obwohl eindeutig nachgewiesen werden konnte, dass die Reduzierung des Proteingehaltes der Nahrung den klinischen Status des urämischen Patienten merkbar bessern kann, ist bislang nicht geklärt, welchen Effekt die Proteinrestriktion auf das Fortschreiten der Nierenerkrankung hat. Ziel der Restriktion des Eiweißgehaltes der Nahrung ist eine größtmögliche Reduzierung des Plasmaharnstoffs bei gleichzeitiger Vermeidung einer Proteinunterversorgung. Harnstoff ist zwar kein bedeutendes urämisches Toxin, wird aber als Indikator für sämtliche stickstoffhaltigen Stoffwechselprodukte angesehen, so dass man davon ausgeht, dass eine verringerte Harnstoffkonzentration repräsentativ für die Reduzierung aller urämischen Toxine ist. Dies bedeutet in der Regel auch eine Besserung der klinischen Symptomatik (Leibetseder & Neufeld, 1991; Hansen et al., 1992; Jacob et al., 2002). Die Harnstoff-
BUN* (mg/dl)
10
20
30
40
50
60
80
100
120
140
Plasmaharnstoff (mmol/l)
3,6
7,1
10,7
14,2
17,8
21,4
28,5
35,6
42,7
65,1
Plasmaharnstoff (g/l)
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,7
2,1
2,5
3,9
Nieren
TABELLE 7 - UMRECHNUNGSTABELLE BUN UND PLASMAHARNSTOFF
*BUN (Blutharnstoffstickstoff) wird vorwiegend in den USA verwendet, während in Europa Harnstoff üblich ist. BUN x 0,356 = Plasmaharnstoff (mmol/l) und 1 mmol Harnstoff = 60 mg
konzentration kann durch die alimentäre Proteinzufuhr sowie durch Dehydratation, Katabolismus, gastrointestinale Blutungen, Sepsis oder bestimmte Medikamente (Glukokortikoide, Tetrazykline) beeinflusst werden. Liegt die Harnstoffkonzentration unter 28 mmol/l oder 1,7 g/l (BUN < 80 mg/dl), so zeigen die meisten Tiere nur minimale klinische Symptome (Tabelle 7). Der Mindestbedarf an Nahrungsprotein von Hunden mit chronischer Niereninsuffizienz ist nicht bekannt, doch geht man davon aus, dass er dem Mindestbedarf gesunder Hunde ähnlich ist, also 1,33 g/kg/Tag (2.,2 g/kg KM0.75 oder 20 g/1000 kcal ME gemäß den Richtlinien des National Research Council von 2005) beträgt. Diese drastische Reduktion ist jedoch nur bei Tieren mit hochgradiger Niereninsuffizienz erforderlich, und Hunde mit noch besser erhaltener Nierenfunktion können durchaus etwas großzügiger bemessene Eiweißgehalte bekommen. Jeder Patient, der Symptome einer chronischen Niereninsuffizienz zeigt, sollte eigentlich von einer proteinreduzierten Diät profitieren. Die meisten für Nierenpatienten entwickelten Trockendiätfuttermittel weisen einen Eiweißgehalt von 12 bis 18% auf, das sind 30-45 g/1000 kcal. Der Proteingehalt einer Nierendiät ist so anzupassen, dass einerseits eventuelle azotämische Entgleisungen minimiert werden und andererseits eine bedarfsdeckende Eiweißversorgung gesichert ist. Liegen Hinweise auf eine Proteinmangelernährung vor (Hypalbuminämie, Anämie, Gewichtsverlust oder Verlust an fettfreier Körpermasse), muss der Eiweißgehalt des Futters schrittweise erhöht werden, bis diese Anomalien korrigiert sind. Um das Risiko eines Mangels an essenziellen Aminosäuren so gering wie möglich zu halten, sollten in proteinreduzierten Diäten ausschließlich qualitativ hochwertige Eiweißquellen 283
Vitamine, Mineralstoffe und Elektrolyte ABBILDUNG 12 - EINFLUSS DER DIÄTETISCHEN PHOSPHORRESTRIKTION AUF DIE LEBENSERWARTUNG VON HUNDEN MIT CHRONISCHER NIERENINSUFFIZIENZ
> Phosphor
Phosphatretention und Hyperphosphatämie treten bereits im Frühstadium der Nierenerkrankung auf (Finco et al, 1992a) und spielen eine primäre Rolle bei der Genese und Progredienz des sekundären renalen Hyperparathy100 reoidismus, der renalen Osteodystrophie, eines relativen oder absoluten Mangels an 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Vitamin D) sowie von Weichteil80 verkalkungen. Durch Normalisierung der Phosphatwerte kann der Entstehung eines sekundären renalen Hyperparathyreoidismus und dessen Folgen 60 vorgebeugt werden. Die diätetische Phosphorrestriktion verzögert darüber hinaus nachweislich das Fortschreiten der Niereninsuffizienz bei Hunden 40 (Brown et al., 1991b). In einer Studie an Hunden mit chirurgisch indu20 zierter Reduktion der Nierenfunktion zeigten Hunde bei phosphorarmer Diät (0,44% TS) eine 75%ige Überlebensquote gegenüber einer 33%igen 0 Überlebensrate bei Hunden, die eine phosphorreiT 4 8 12 16 20 24 Monate 0 che Diät erhielten (1,44% TS) (Finco et al., 1991b). 0,4% Phosphor (n=12) In der phosphorreich gefütterten Gruppe war zudem eine raschere Verschlechterung der Nierenfunktion 1,4% Phosphor (n=12)) zu beobachten (Abbildung 12). Der Mechanismus, über den die Phosphatrestriktion die Progredienz der Nierenerkrankung verNach zwei Jahren waren noch 75% jener Hunde, die eine phosphorarme Diät langsamt, ist heute nur in Teilen geklärt. Möglierhielten, am Leben, während der Prozentsatz überlebender Hunde in der Gruppe cherweise besteht ein direkter Zusammenhang mit der phosphorreichen Diät nur 33% betrug. der verringerten Phosphatretention, der geringeren Weichteilverkalkung oder der Prävention eines sekundären Hyperparathyreoidismus. Ziel der Behandlung ist in jedem Fall die Normalisierung der Serumphosphatkonzentration, was in erster Linie durch die Beschränkung der Phosphorzufuhr mit der Nahrung erreicht werden kann. Gelingt es nicht, innerhalb von zwei bis vier Wochen nach Diätbeginn die Normophosphatämie wiederherzustellen, sollte der Therapieplan um intestinale Phosphorbinder erweitert werden. Diese Substanzen werden mit dem Futter vermischt verabreicht. Prozentsatz überlebender Hunde
7 - Diätetisches Management der chronischen Nierenerkrankung Nieren
verwendet werden. Die Compliance des Tierhalters hinsichtlich der Einhaltung der Diät kann durch Ermittlung des Verhältnisses Blutharnstoffstickstoff (BUN):Kreatinin (in mg/dl) überprüft werden. Bei normalem Standardfutter liegt dieser Wert um 25, während er bei einer proteinreduzierten Diät bei etwa 10 liegen sollte. Ein BUN:Kreatinin-Verhältnis von >30 weist normalerweise auf gastrointestinale Blutungen, Dehydratation oder Sepsis hin.
> Kalzium Der Kalziumgehalt des Futters spielt bei der chronischen Niereninsuffizienz eine geringere Rolle als der Gehalt an Phosphor. Bei Nierenpatienten kann sowohl Hypokalzämie wie auch Normo- oder Hyperkalzämie bestehen. Laut Empfehlungen sollte das Produkt aus Kalzium x Phosphor (Konzentrationen in mg/dl) nicht mehr als 60 betragen. Bei höheren Werten kann es zur Weichteilverkalkung und zum Fortschreiten der Nierenschädigung kommen. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Beträgt die Kalziumkonzentration 12 mg/dl und die Phosphatkonzentration 8 mg/dl, so ist das Kalzium-Phosphat-Produkt 12x8=96, also höher als 60. Die Kalziumsupplementierung muß daher von Fall zu Fall individuell angepasst und die Reaktion des Patienten anhand der Blutkalziumspiegel kontrolliert werden.
> Natrium Hypertonie ist ein häufiger Begleitbefund bei Hunden mit chronischer Niereninsuffizienz (Jacob et al., 2003). Außerdem gilt Bluthochdruck als ein begünstigender Faktor für die Progredienz der Nierenin284
> Kalium Kaliummangel ist bei manchen Hunden mit chronischer Niereninsuffizienz beobachtet worden. Der Kaliumstatus ist in jedem Fall zu überwachen und erforderliche Anpassungen der Kaliumzufuhr sind individuell vorzunehmen. Zur Supplementierung eignet sich die orale Gabe von Kaliumglukonat.
7 - Diätetisches Management der chronischen Nierenerkrankung
suffizienz. Hunde mit spontaner CNI und einem systolischen Blutdruck von über 180 mmHg entwickeln mit höherer Wahrscheinlichkeit eine urämische Krise mit Todesfolge als PatienWird ein ACE-Hemmer für einen Patienten, ten mit normalen Blutdruckwerten (Jacob et al., 2003). Je gravierender die Erhöhung des der eine natriumarme Diät erhält, verschrieben, systolischen Blutdrucks ist, desto signifikanter steigt auch das Risiko für eine urämische Krise so empfiehlt sich die regelmäßige Kontrolle sowie die Todesgefahr. des arteriellen Blutdrucks und der Nierenfunktion Eine Natriumrestriktion ist empfohlen worden, um den infolge der eingeschränkten renawährend der ersten Tage der Behandlung. len Natriumausscheidung erhöhten Blutdruck zu senken. Studien haben allerdings gezeigt, dass eine Erhöhung der Natriumzufuhr von 0,5 auf 3,25 g Na/1000 kcal bei Hunden mit chirurgisch induzierter Reduktion der Nierenfunktion keinen Einfluss auf die Entwicklung einer Hypertonie oder auf die glomeruläre Filtrationsrate ausübte (Greco et al., 1994a; 1994b). Somit ist der optimale Natriumgehalt einer Diät für niereninsuffiziente Hunde noch nicht klar definiert. Derzeitige Empfehlungen gehen in Richtung normaler bis leicht reduzierter Natriumgehalte. Die Fähigkeit, die Natriumausscheidung spontan an die Natriumzufuhr mit der Nahrung anzupassen, schwindet deutlich mit zunehmendem Fortschreiten der Niereninsuffizienz. Wird die Natriumzufuhr plötzlich stark reduziert, kann es zu Dehydratation und Hypovolämie kommen, was die Gefahr einer renalen Krise in sich birgt. Es wird deshalb empfohlen, die Umstellung vom gewohnten Futter auf die natriumreduzierte Diät nur langsam und schrittweise zu vollziehen.
> Vitamine Nieren
Da die wasserlöslichen Vitamine mit dem Harn ausgeschieden werden, kann es infolge der in Zusammenhang mit chronischer Niereninsuffizienz auftretenden Polyurie zu einem Mangel an diesen Vitaminen kommen. Diese Vitaminverluste können zur Entwicklung einer Anorexie beitragen, so dass ein rechtzeitiger Ausgleich dieses Mangels die Prävention bzw. die Korrektur der Anorexie unterstützt. Handelsübliche Diäten für Hunde mit Niereninsuffizienz enthalten bereits zusätzliche Mengen an wasserlöslichen Vitaminen, so dass eine darüber hinausgehende Vitaminsupplementierung nicht mehr erforderlich ist. Bei Menschen mit chronischer Niereninsuffizienz ist die Ausscheidung von Vitamin A über die Nieren reduziert. In einer neueren Studie wurde beobachtet, dass Hunde mit spontaner Nierenerkrankung höhere Retinolkonzentrationen im Plasma aufwiesen als gesunde Hunde (Raila et al., 2003). Es erscheint somit ratsam, von einer Verwendung von Vitamin-A-haltigen Vitaminzusätzen Abstand zu nehmen.
Säure-Basen-Gleichgewicht Die Nieren spielen eine zentrale Rolle in der Aufrechterhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts des Organismus. Mit zunehmender Verschlechterung der Nierenfunktion sinkt auch die Fähigkeit, Wasserstoffionen auszuscheiden und Bikarbonationen zu reabsorbieren. Die Folge ist eine metabolische Azidose. Bei der metabolischen Azidose kommt es zu gesteigerter renaler Ammoniogenese, die ihrerseits aufgrund der Komplementaktivierung die Entzündung der Tubuli und deren Schädigung und somit die Progredienz der Niereninsuffizienz fördert. Zusätzlich kommt es bei der metabolischen Azidose zu erhöhtem Katabolismus und Abbau des Proteins aus der Skelettmuskulatur, zur Unterbrechung intrazellulärer Stoffwechselwege und zur Entmineralisierung der Knochen. Die Folgen sind eine Verschlechterung der Azotämie, ein Verlust an fettfreier Körpermasse sowie die renale Osteodystrophie. Die Restriktion des Proteingehaltes des Futters bedeutet geringere Zufuhr an proteinstämmigen Säurevorläufern, womit einer Azidose die nötige Grundlage entzogen wird. Eine zusätzliche Supplementierung mit alkalisierenden Substanzen wie Natriumbikarbonat, Kalziumkarbonat oder Kaliumzitrat kann darüber hinaus noch erforderlich sein.
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren Langkettige Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) stehen in kompetitivem Wettbewerb mit der Arachidonsäure und modifizieren die Produktion von Eikosanoiden, Thromboxanen und Leukotrienen (Bauer et al., 1999). Untersuchungen an Hunden mit künstlich induzierter Nierenerkrankung bei erhaltener renaler Restfunktion haben gezeigt , dass eine Supplementierung des Futters mit langkettigen Omega3-Fettsäuren (Menhaden-Fischöl) in der Lage ist, entzündliche Prozesse zu reduzieren, den systemischen 285
7 - Diätetisches Management der chronischen Nierenerkrankung
ABBILDUNG 13 - EINFLUSS DER FÜTTERUNG UNTERSCHIEDLICHER FETTSÄUREN WÄHREND 20 MONATEN AUF DIE GLOMERULÄRE FILTRATIONSRATE (Brown et al., 1996) 1.6 1.4
GFR (ml/min/kg KM)
1.2 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0
Fischöl (mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren)
Talg (gesättigte Fettsäuren)
Färberdistelöl (mehrfach ungesättigte Omega-6-Fettsäuren)
Nieren
Im Vergleich zu einer Diät mit vorwiegend Omega-6-Fettsäuren scheint eine Diät mit hohem Gehalt an Fischöl die glomeruläre Filtrationsrate langfristig zu verbessern und das Risiko einer Glomerulosklerose zu minimieren.
arteriellen Blutdruck zu senken, die Plasmalipidkonzentrationen zu ändern und die Nierenfunktion zu bewahren (Abbildung 13) (Brown et al., 1996; 1998a; 1998b; 2000). Die Wirkung von kürzerkettigen Omega-3-Fettsäuren, wie sie z.B. in Leinsamenöl enthalten sind, ist noch nicht bekannt. Omega-6-Fettsäuren (Distelöl) scheinen bei Hunden mit spontanen Nierenerkrankungen eher schädlich zu sein, da sie die glomeruläre Filtrationsrate akut steigern (Bauer et al., 1997). Einige kommerzielle Diätfuttermittel weisen ein speziell eingestelltes Omega-6/Omega-3-Verhältnis auf, doch scheint es angebracht, das Augenmerk weniger auf das Verhältnis der beiden Fettsäuren zueinander, sondern vielmehr auf deren absolute Gehalte im Futter zu richten. Berichte über diesbezügliche Untersuchungen liegen noch nicht vor.
Faserstoffe Im Rahmen der diätetischen Therapie der chronischen Niereninsuffizienz werden seit einiger Zeit auch fermentierbare Faserstoffe eingesetzt. Dabei geht man von der Hypothese aus, dass die fermentierbaren Fasern eine Kohlenhydratquelle für die im Gastrointestinaltrakt lebenden Bakterien darstellen, die den Blutharnstoff als die für ihr Wachstum erforderliche Stickstoffquelle heranziehen. Mit zunehmender bakterieller Zellmasse steigt auch die fäkale Stickstoffausscheidung, was angeblich auch die Harnstoffstickstoffkonzentration im Blut senkt. Dadurch wäre die Notwendigkeit für eine Proteinrestriktion ebenfalls geringer. Dennoch bestehen hinsichtlich dieses Konzeptes Bedenken, deren Schwerpunkt auf der Tatsache liegt, dass die klassischen urämischen Toxine im Gegensatz zu Blutharnstoffstickstoff (BUN) als mittelgroße Moleküle zu groß sind, um die Membranbarrieren problemlos passieren zu können. Es ist folglich höchst unwahrscheinlich, dass diese Toxine durch die bakterielle Ammoniakverwertung in ihrer Menge tatsächlich reduziert werden können. Der wissenschaftliche Nachweis für diese Hypothese steht jedenfalls noch aus. Aus diesem Grund kann der großzügige Einsatz der fermentierbaren Faserstoffe als Stickstofffalle zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden. Da jedoch sogar bei Hunden mit nur mittelgradiger Nierenerkrankung die Motilität von Duodenum und Jejunum beeinträchtigt ist und die Kolonpassagezeiten verkürzt sind (Lefebvre et al., 2001), kann sich der Zusatz von Faserstoffen auf die Darmmotilität und die allgemeine Gesundheit des Magen-Darm-Traktes generell positiv auswirken. 286
7 - Diätetisches Management der chronischen Nierenerkrankung
Antioxidanzien In der Humanmedizin geht man davon aus, dass endogene oxidative Schädigungen von Proteinen, Lipiden und DNA vermutlich eine wichtige Rolle beim Fortschreiten der Nierenerkrankung spielen (Locatelli et al., 2003; Cochrane et al., 2003). Nährstoffe wie Vitamin E, Vitamin C, Taurin, Karotinoide und Flavanole sind wirksame Antioxidanzien, die freie Radikale abfangen und neutralisieren. Untersuchungen zufolge haben Menschen mit chronischer Nierenerkrankung nachweislich geringere Konzentrationen an Vitamin E und Vitamin C, aber höhere Konzentrationen an Markern der Lipidperoxidation (Jackson et al., 1995). Diese Studien legen nahe, dass Menschen mit chronischer Nierenerkrankung auch unter oxidativem Stress leiden. Untersuchungen an Ratten geben zu der Annahme Anlass, dass die Supplementierung des Futters mit Vitamin E tubulointerstitielle Läsionen und glomerulosklerotische Veränderungen in einer Art und Weise modulieren kann, dass das Fortschreiten der Niereninsuffizienz verlangsamt wird (Hahn et al., 1998; 1999). In einer Untersuchung an Kindern mit fokal-segmentaler Glomerulosklerose trat eine Besserung der Proteinurie nach Vitamin-E-Supplementierung ein (Tahzib et al., 1999). Leider gibt es bis heute keine Studien über oxidativen Stress bzw. Antioxidanzienstatus bei nierenkranken Hunden.
ABBILDUNG 14 - CATECHINMOLEKÜL
Nieren
Flavanole, eine Unterklasse der Flavonoide, sind antioxidativ wirkende natürliche Polyphenole, die in verschiedenen Pflanzen vorkommen. (Abbildung 14). Eines der aktivsten Flavanole und wirksamsten Antioxidanzien ist Epigallocatechingalat (Abbildung 15). Bei den Pflanzen spielen Flavanole eine wichtige Rolle als Antioxidanzien zum Schutz der Integrität von Zellmembranen und des genetischen Materials. Flavanole fungieren auch als Chelatbildner für Metalle wie Eisen und Kupfer und verhindern bei der Katalyse der Radikalbildung die Entstehung von redox-aktiven Übergangsmetallen, was offenbar zu ihrer antioxidativen Wirkung beiträgt. Überdies wirken Flavanole offenbar modulierend auf die antioxidativen Enzymsysteme.
Die Grundstruktur der Flavanole besteht aus zwei aromatischen Ringen, die durch drei Kohlenstoffatome zu einem sechsgliedrigen heterozyklischen Ring verbunden sind.
ABBILDUNG 15 - DIE FLAVANOLE AUS DER FAMILIE DER POLYPHENOLE
Polyphenole
Flavonoide
Flavonole
Flavanole
Nicht-Flavonoide
Flavanone
Anthocyane
Monomere: Catechin, Epicatechin, Epigallocatechingalat Oligomere: Procyanidine Polymere: Tannine
Zu den Pflanzen mit hohen Flavanolkonzentrationen zählen Kakao, Trauben und grüner Tee.
287
8 - Fütterungsstrategie
Berichten zufolge haben Flavanole im Rahmen der Nierenerkrankungen eine weitere vorteilhafte Wirkung. Sie stimulieren die Produktion von Stickoxid (NO), das eine Relaxation des Gefäßsystems bewirkt. Bei Ratten führte die tägliche Verabreichung von Flavanolen zu einer signifikanten Senkung von systolischem und diastolischem Blutdruck (Jouad et al., 2001). Bei Ratten mit chronischer Niereninsuffizienz kam es unter Flavanolgabe zu vermindertem glomerulären Kapillardruck infolge von: 1) Stimulation der Stickoxidproduktion, 2) Relaxation glatter Muskelfasern, 3) Hemmung des Angiotensin-Converting-Enzyms (ACE).
8 - Fütterungsstrategie Die diätetische Therapie vermag die klinischen Symptome der Urämie nur dann wirksam zu bessern, wenn sie richtig eingesetzt wird. Zu bedenken ist stets, dass Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz oftmals keinen Appetit zeigen. Beim Menschen ist zusätzlich von verändertem Geschmacks- und Geruchssinn berichtet worden. Bei Hunden kommt hinzu, dass sie aufgrund der reduzierten Schmackhaftigkeit proteinreduzierter Nierendiäten häufig zu wenig Futter aufnehmen. Dabei ist es nicht die Akzeptanz des Futters als solche, die Hunde nicht fressen lässt, sondern vielmehr die Auswirkung der Urämie auf Geschmacks- und Geruchssinn sowie die Entwicklung einer Aversion gegen ein Futtermittel. Um die Ausbildung einer solchen Futteraversion zu vermeiden, sollte eine Diätumstellung niemals während des stationären Aufenthaltes in der Klinik erfolgen. Ratsamer ist es, die diätetische Therapie mit einem speziell für nierenkranke Hunde entwickelten Futter erst zu Hause in der gewohnten Umgebung und nach klinischer Stabilisierung des Patienten einzuleiten.
Nieren
Eine unzureichende Futteraufnahme führt letztendlich zu Mangelernährung und Auszehrung, zwei Faktoren, die zu den vielen klinischen Aspekten der Urämie noch komplizierend hinzukommen. Die Folge sind geschwächte Immunabwehr, verzögerte Wundheilung, reduzierte Kraft und Vitalität sowie erhöhte Morbidität und Mortalität. Tatsächlich gilt Mangelernährung bei Menschen mit Niereninsuffizienz als wichtiger prognostischer Faktor, der den weiteren Krankheitsverlauf negativ beeinflusst. Dies macht klar, dass der Prävention von Mangelernährung durch bedarfsdeckende Nährstoffzufuhr eine zentrale Rolle beim diätetischen Management der Niereninsuffizienz zukommt. Ein dokumentierter Gewichtsverlust von 10-15% in Verbindung mit einer Verschlechterung des Body Condition Score und einem Vorbericht über mangelhafte Futteraufnahme ist eine klare Indikation für die künstliche Ernährung per Nahrungssonde. Ein zusätzlicher Vorteil der Sondenernährung ist, dass über die Sonde auch das Flüssigkeitsvolumen einfacher aufgefüllt werden kann und Medikamente problemlos verabreicht werden können. (Für weitere Einzelheiten zur Sondenernährung siehe Kapitel 14: Die Ernährung des Intensivpatienten.)
Klinische Studien zum Einfluss der Ernährung bei spontan vorkommender chronischer Niereninsuffizienz Der Effekt einer Diät mit geringem Phosphor- und mäßig reduziertem Proteingehalt wurde in einer Studie an Hunden mit leichter bis mittelgradiger chronischer Niereninsuffizienz untersucht (Leibetseder & Neufeld, 1991). Während 28 Wochen erhielten 32 Hunde mit chronischer Niereninsuffizienz im Frühstadium eine kommerzielle Diät mit niedrigem Phosphor- und mäßig reduziertem Proteingehalt. Eine zweite Gruppe von 28 Hunden erhielt eine selbstgemachte Diät mit vergleichbarer Rezeptur. Vierzehn Tiere mussten im Verlauf der Studie wegen der weit fortgeschrittenen Niereninsuffizienz euthanasiert werden. Bei den restlichen Hunden waren nach vier Wochen Diät bei beiden Versuchsgruppen die Konzentrationen an Blutharnstoffstickstoff und Phosphor praktisch normalisiert. Beide Rezepturen erwiesen sich als schmackhaft, und sowohl Körpergewicht wie auch Serumalbuminkonzentration blieben stabil. Der Allgemeinzustand aller Hunde wurde als gebessert erachtet. Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass Hunde mit leichter bis mäßiger CNI in besonderem Maße von der frühzeitigen diätetischen Therapie mit einer phosphor- und proteinreduzierten Diät profitieren. Die therapeutische Wirkung einer Diät mit moderat reduziertem Proteingehalt und niedrigem Phosphatgehalt auf den Krankheitsverlauf von Hunden mit stabiler, natürlich aufgetretener CNI wurde ebenfalls kürzlich untersucht (Jacob et al., 2002). Hunde mit leicht- bis mittelgradiger CNI, die eine spezielle Nierendiät erhielten, zeigte ein um 70% geringeres relatives Risiko, eine urämische Krise zu entwickeln, als Hunde, die mit einem normalen Alleinfuttermittel ernährt wurden. Hunde aus der Diätgruppe blieben 288
8 - Fütterungsstrategie
im Vergleich auch 2,5mal länger frei von urämischen Symptomen, und die mittlere Überlebensrate war dreimal so lange. Des Weiteren war bei den Hunden, die eine Nierendiät erhielten, ein deutlich langsameres Fortschreiten des Funktionsverlustes der Niere zu beobachten. Die Haupttodesursachen standen in der Gruppe der Hunde mit normalem Futter alle in Zusammenhang mit der Nierenproblematik.
Kontrolle und Überwachung
Nieren
Die langfristige Überwachung der Patienten Durch einfache praktische Maßnahmen und die regelmäßige Kontrolle aller relevanten wie die Wahl von besonders wohlriechendem Futter, Parameter ist von entscheidender Bedeutung das Anwärmen der Ration oder die positive für den Erfolg der diätetischen und medikaVerstärkung bei freiwilliger Futteraufnahme mentellen Therapie, da beim chronisch durch Streicheln oder verbale Zuwendung lässt niereninsuffizienten Patienten laufend Anpassich die Nahrungsaufnahme bei inappetenten sungen der Behandlung erforderlich werden Hunden verbessern. können. Auch die Compliance vonseiten des Tierbesitzers kann so überprüft und gegebenenfalls auch verbessert werden. Die erste Kontrolluntersuchung sollte etwa zwei Wochen nach Beginn der Therapie erfolgen Bei Geschwüren im Mundbereich kann durch und danach drei- bis viermal pro Jahr. Nach die lokale Applikation von Xylocain-Gel etwa 10 Minuten vor dem Fressen der durch eventuellem Wechsel der Medikation oder diese Schleimhautläsionen verursachte Schmerz einer Diätumstellung sollte der Patient ebenso gelindert werden, dass die Futteraufnahme, falls nach etwa zwei Wochen untersucht wernicht beeinträchtigt wird. den. Eine wöchentliche Kontrolle ist in der ersten Zeit bei Erythropoetin- oder Antihypertensivatherapie notwendig, um die individuell richtige Erhaltungsdosis herauszufinden. Die Kontrolluntersuchungen sollten aus einer Appetitanregende Substanzen wie Benzodiazepin-Derivate oder Serotoninvollständigen Anamnese, einer klinischen AllAntagonisten können ebenfalls verabreicht werden, gemeinuntersuchung samt Ermittlung von doch ist in solchen Fällen meist die künstliche Körpergewicht und Body Condition Score Ernährung per Ösophagostomiesowie einer labordiagnostischen Untersuchung oder Gastrostomiesonde wirkungsvoller mit komplettem Blutbild, biochemischem Pround zielführender (Elliott et al., 2000). fil, Harnanalyse und –kultur sowie Blutdruckmessung bestehen. Harnkulturen sollten routinemäßig angesetzt werden, da Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz für die Entwicklung von oftmals auch klinisch inapparent ablaufenden Harnwegsinfekten prädisponiert sind. Für eine optimale Compliance sollte dem Patientenbesitzer eine vollständige Aufstellung aller Medikamente samt Dosierungen ausgehändigt werden, deren Verabreichung der Tierhalter jeweils auf der Liste vermerkt. Diese Liste wird gemeinsam mit dem Tierarzt regelmäßig auf korrekte Compliance durchgegangen. Solche Kontrollen sind deshalb wichtig, weil manche Tierbesitzer unter Umständen durch frühere Therapieprotokolle noch verunsichert sind oder aber dazu neigen, Medikation und/oder Dosierungen in Eigenregie abzuändern. Besonders wichtig ist auch eine vollständige Fütterungsanamnese, in der folgende Informationen enthalten sein sollten: Art der verabreichten Diät (Trocken- oder Nassfutter), die täglich gefressene Futtermenge (nicht die angebotene Ration zählt, sondern die tatsächlich gefressene Menge), Fütterungsmethode sowie alle Snacks, Belohnungen und Futterzusätze. Alle diese Informationen sind unverzichtbar für die effektive Überwachung des Patienten und seine Ansprechen auf die Therapie.
Behandlungsziel und Prognose Bei der chronischen Niereninsuffizienz handelt es sich um eine progrediente Erkrankung, die letztendlich zum Tod führt. Ziel der medikamentellen und diätetischen Therapie ist, für den längstmöglichen Zeitraum die bestmögliche Lebensqualität für den Patienten sicherzustellen. Der Therapieerfolg ist in weitem Maße nicht nur davon abhängig, dass eine sinnvoll abgestimmte Therapie gewählt wird, sondern vor allem davon, dass der Tierhalter die Behandlung akzeptiert und sich an die Verschreibungen hält. 289
Schlussfolgerung
Die chronische Niereninsuffizienz zeichnet sich durch ein dynamisches, meist unaufhaltsames Fortschreiten aus, so dass trotz individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmter Therapie letztlich mit einer Erkrankung im Endstadium gerechnet werden sollte. Bestimmend für eine realistische Prognose sind der Schweregrad der klinischen Symptome und der urämischen Komplikationen sowie die bestehenden Chancen auf eine Verbesserung der Nierenfunktion (durch Ausschalten prärenaler Faktoren, Behandlung von Infektionen, etc.). Die Beurteilung des Schweregrades der renalen Funktionsstörung und die Einschätzung der langfristigen Prognose erfolgen am besten auf der Basis der Serumkreatininkonzentrationen. Prognose und Krankheitsverlauf werden weitestgehend vom jeweiligen Ansprechen auf die konservative Therapie und von der Geschwindigkeit, mit der der Funktionsverlust fortschreitet, beeinflusst. Erreicht die chronische Nierenerkrankung das Stadium IV (laut IRIS-Definition: Plasmakreatininwerte > 5 mg/dl oder 400 µmol/l), so bleibt die medikamentelle und diätetische Therapie zunehmend wirkungslos, und viele Tierhalter sind nicht mehr bereit, die Behandlung fortzuführen. Angesichts der zu diesem Zeitpunkt bereits dramatisch verschlechterten Lebensqualität des Tieres entscheiden sich die meisten für die Euthanasie. Alternativen wären in diesem Stadium noch eine Nierentransplantation oder eine lebenslange intermittierende Hämodialyse (zwei- bis dreimal pro Woche).
Schlussfolgerung
Nieren
Bei der chronischen Niereninsuffizienz handelt es sich um ein klinisches Syndrom, das durch den irreversiblen Verlust der metabolischen, endokrinen und exkretorischen Fähigkeiten der Niere verursacht wird. Bei Hunden ist die CNI die dritthäufigste Todesursache. Bereits seit Jahrzehnten gilt die Ernährung als ein wichtiger Eckpfeiler der Behandlung niereninsuffizienter Tiere. Die Ziele der diätetischen Therapie mit speziell für diese Erkrankung entwickelten Rezepturen sind die bedarfsdeckende individuelle Versorgung des Patienten mit Energie und Nährstoffen, die Linderung klinischer Symptome und urämisch bedingter Beschwerden, die Minimierung von Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes, der Vitamin- und Mineralstoffversorgung und des Säure-Basen-Haushaltes sowie die Verzögerung der Progredienz der Niereninsuffizienz. Entscheidende Voraussetzung für eine langfristig erfolgreiche Behandlung und gute Lebensqualität des Patienten mit Niereninsuffizienz ist die regelmäßige Überwachung der Therapie, um sicherzustellen, dass das diätetische und medikamentelle Management stets optimal an den Bedarf des Tieres angepasst ist.
DEFINITIONEN Azotämie: Erhöhte Konzentrationen an Blutharnstoffstickstoff (BUN) und/oder an Kreatinin und anderen stickstoffhaltigen Abbauprodukten im Blut. Renale Azotämie: Die durch Läsionen des Nierenparenchyms verursachte Azotämie. Nierenerkrankung: Nierenschädigung mit Beeinträchtigung der Funktion, jedoch ohne Spezifizierung von Ätiologie, Schweregrad und Lokalisation. Renale Funktionsstörung: Zustand der verminderten Funktionsfähigkeit der Niere mit persistierenden Anomalien (Azotämie, Unfähigkeit zur Harnkonzentration). Niereninsuffizienz: Stadium ab dem Verlust der Reservekapazität der Niere. Tiere erscheinen nach außen hin gesund, sind jedoch nicht mehr in der Lage, Stressphasen wie Infektionen oder Dehydratation zu kompensieren. Renale Reservekapazität: Jener Prozentsatz an Nephronen, der nicht direkt zur Aufrechterhaltung der normalen Nierenfunktion benötigt wird. Die Reservekapazität der Niere ist größer als 50%. Urämisches Syndrom: Gleichzeitiges Vorhandensein der Kardinalsymptome einschließlich Urämie, Gastroenteritis und Azidose im letzten Stadium der Niereninsuffizienz.
290
F
A
Kann ich etwas Fleischbrühe oder Bratensaft in das Diätfutter mischen, um die Schmackhaftigkeit der Diät zu erhöhen?
Nein, wir empfehlen, der Diät nichts hinzuzufügen. Jeder Zusatz kann die ausgewogene Rezeptur der Diät aus dem Gleichgewicht bringen und die wichtigen Schlüsseleigenschaften der Diät stören.
Ist Trocken- oder Nassfutter besser für mein nierenkrankes Tier?
Für die meisten nierenkranken Tiere ist es irrelevant, ob sie Trocken- oder Dosenfutter erhalten, solange beide nach einer spezifischen Rezeptur, die auf die Behandlung der Nierenkrankheit abgestimmt ist, hergestellt wurden. Bei machen Tieren, die besonders schlechte Trinker sind, kann allerdings Dosenfutter dazu beitragen, dass das Tier ausreichend Flüssigkeit aufnimmt.
Wann sollte man mit einer Nierendiät beginnen?
Mit der Fütterung einer speziellen Nierendiät sollte sofort nach Diagnosestellung begonnen werden. Sind Tiere allerdings noch akut krank und noch in stationärer Behandlung, muss abgewartet werden. Die Futterumstellung auf die Diät sollte erst daheim in gewohnter Umgebung beginnen, da das Tier bereits durch den Klinikaufenthalt unter starkem Stress steht. Das neue Futter würde mit dieser Stresssituation assoziiert und somit negativ belegt werden. Die Folge wäre eine Futteraversion gegen die neue Diät.
Wie oft muss mein Tier zur Kontrolluntersuchung?
Die Häufigkeit der Kontrolluntersuchungen ist abhängig von der Therapie bzw. von den Medikamenten, die das Tier erhält. Im Frühstadium der Nierenerkrankung sind Untersuchungen etwa alle 3-4 Monate nötig. Erhält ein Tier eine Bluthochdruck- oder eine Erythropoetintherapie, muss zunächst alle zwei Wochen untersucht werden, um die optimale Dosierung zu finden und das Tier stabil einzustellen.
Was soll ich tun, wenn mein Tier nicht genug frisst und Gewicht verliert?
Wenn ein Tier nicht ausreichend Nahrung aufnimmt, um sein Körpergewicht aufrechtzuerhalten, dann sollte die künstliche Ernährung mittels Ösophagostomie- oder Gastrostomiesonde in Erwägung gezogen werden. Auf diese Weise kann dem Tier, wenn es die bedarfsdeckende Futtermenge nicht freiwillig aufnimmt, die pürierte bzw. mit Wasser verdünnte Nahrung über die Sonde zugeführt werden.
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Nieren
Häufig gestellte Fragen
Häufig gestellte Fragen: Nieren
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293
selbst zubereitete Rationen
BEISPIELE FÜR SELBST ZUBEREITETES BEHANDLUNG DER CHRONISCHEN Beispiel 1
ZUSAMMENSETZUNG (für eine Ration von 1000 g) Rindfleisch, Hackfleisch mit 20% Fettgehalt . . . 250 g Gekochte Kartoffeln (mit Schale) . . . . . . . . . . . 700 g Rapsöl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 g
Nieren
Ergänzung der Ration mit einem phosphorreduzierten Vitamin-Mineralstoff-Supplement erforderlich.
DURCHSCHNITTLICHE ANALYSE
FÜTTERUNGSEMPFEHLUNGEN
Die so zubereitete Ration enthält 30% Trockensubstanz und 70% Feuchtigkeit
Energiegehalt (umsetzbare Energie/ME): 1550 kcal/1000g zubereitetes Futter (5110 kcal/1000g Trockensubstanz)
% Trockensubstanz
g/1000 kcal
Körpergewicht des Hundes (kg)*
Tagesration (g)**
Körpergewicht des Hundes (kg)*
Tagesration (g)**
Rohprotein
19
37
2
140
45
1460
Rohfett
34
66
4
240
50
1580
Kohlenhydrate
36
70
6
320
55
1690
Rohfaser
4
8
10
470
60
1810
15
640
65
1920
20
790
70
2030
25
940
75
2140
30
1080
80
2240
35
1210
85
2350
40
1330
90
2450
Schlüsselpunkte - Reduzierung des Phosphorgehalts zur Kompensation der bei CNI beeinträchtigten Phosphorausscheidung über die Niere und zur Prävention eines Hyperparathyreoidismus, der die CNI weiter verschlimmert. - Erhöhte Energiedichte zur Deckung des Energiebedarfs bei relativ geringer Futtermenge vor dem Hintergrund des reduzierten Appetits der niereninsuffizienten Hunde. - Mäßige Restriktion des Proteingehalts zur Kompensation der krankheitsbedingt reduzierten glomerulären Filtrationsrate.
* Die Rationsbemessung erfolgte auf der Basis des Normalgewichtes gesunder Hunde. Bei übergewichtigen Tieren muss die Tagesration auf der Basis des Idealgewichtes und nicht des tatsächlichen Körpergewichtes berechnet werden. ** Zur besseren Verdauung wird die Aufteilung der Tagesration auf zwei bis drei Mahlzeiten pro Tag empfohlen.
294
selbst zubereitete Rationen
DIÄTFUTTER ZUR DIÄTETISCHEN NIERENINSUFFIZIENZ Beispiel 2
ZUSAMMENSETZUNG (für eine Ration von 1000 g) Schweinefleisch, Schweineschulter mit Haut . . . 125 g Vollei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 g Gekochter Reis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 g Rapsöl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 g
FÜTTERUNGSEMPFEHLUNGEN
DURCHSCHNITTLICHE ANALYSE
Energiegehalt (umsetzbare Energie/ME): 1520 kcal/1000g zubereitetes Futter (5050 kcal/1000g Trockensubstanz)
Die so zubereitete Ration enthält 30% Trockensubstanz und 70% Feuchtigkeit
Körpergewicht des Hundes (kg)*
Tagesration (g)**
Körpergewicht des Hundes (kg)*
Tagesration (g)**
2
140
45
1490
4
240
50
6
330
10
% Trockensubstanz
g/1000 kcal
Rohprotein
18
36
1610
Rohfett
18
37
55
1730
Kohlenhydrate
62
127
480
60
1840
Rohfaser
1
2
15
650
65
1960
20
810
70
2070
25
960
75
2180
30
1100
80
2290
35
1230
85
2390
40
1360
90
2500
Kontraindikationen Trächtigkeit Laktation Wachstum
Die Beispiele für die selbst zubereiteten Diäten wurden zusammengestellt von Prof. Patrick Nguyen (Fachbereich Ernährung und Endokrinologie, Abteilung für Biologie und Pathologie der École Nationale Vétérinaire des Nantes)
295
Nieren
Ergänzung der Ration mit einem phosphorreduzierten Vitamin-Mineralstoff-Supplement erforderlich.
Diätetische Informationen von Royal Canin
© Lanceau
Eine speziell an den Bedarf von nierenkranken Hunden angepasste Diät kann die durchschnittliche Überlebenszeit der Patienten verdreifachen.
Schlüsselpunkte
Nieren
zum Thema:
Die Rolle der Ernährung bei der Behandlung und Prävention von chronischen Nierenerkrankungen Ein typisches Symptom der chronischen Nierenerkrankung des Hundes sind die immer wieder auftretenden Phasen von Inappetenz. Aus diesem Grund ist die Akzeptanz der Diät ein Schlüsselkriterium bei der diätetischen Therapie der chronischen Nierenerkrankungen. Wenn die Niere mehr und mehr an funktioneller Kapazität verliert, kann Phosphor nicht mehr entsprechend ausgeschieden werden, und die Phosphorkonzentration im Plasma steigt. Letztendlich kommt es durch die Hyperphosphatämie zu Hyperparathyreoidismus, der das Nierenproblem noch weiter verschärft. Eines der zentralen Behandlungsziele ist deshalb die Normalisierung des Phosphatspiegels im Blut. Es konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass die Restriktion der Phosphorzufuhr mit der Nahrung die Progredienz der Nierenerkrankung beim Hund verlangsamen kann. Die Supplementierung des Futters mit alkalisierenden Substanzen wie Natriumbikarbonat, Kalziumkarbonat oder Kaliumzitrat kann erforderlich werden, wenn es gilt, die metabolische Azidose zu bekämpfen. Entgegen einem weit verbreiteten Missverständnis übt der Protein-
296
gehalt des Futters keinen Einfluss auf das Fortschreiten der Nierenerkrankung aus. Somit macht es keinen Sinn, den Proteingehalt einer Diät für alternde Hunde automatisch zu reduzieren. Im Gegensatz dazu zielt die Proteinrestriktion in Diäten für Hunde mit chronischen Nierenerkrankungen darauf ab, eine eventuell bestehende Urämie zu mildern. Da andererseits eine Mangelversorgung mit Protein vermieden werden muss, ist eine Restriktion des Eiweißgehaltes des Futters auf etwa 35-40 g Protein/1000 kcal zu empfehlen. Eine stärkere Reduzierung könnte sich negativ auswirken, da der Organis-mus dann körpereigenes Eiweiß abbaut, um seinen Bedarf zu decken. Die Energieaufnahme muss bedarfsdeckend sein, um endogenen Proteinkatabolismus zu vermeiden, der eine Malnutrition und in der Folge eine Verschlimmerung der Azotämie nach sich ziehen würde. Die Zufuhr erhöhter Mengen an Omega-3-Fettsäuren (EPA und DHA) trägt zur Begrenzung der weiteren Verringerung der glomerulären Filtrationsrate bei. Hypokaliämie ist ein weiteres häufiges Symptom von nierenkranken Hunden, mit Ausnahme des Endsta-
diums, wenn meist eine Hyperkaliämie zu beobachten ist. Die Wiederherstellung normaler Kaliumspiegel ist entscheidend für die Lebensqualität betroffener Hunde. Lange Zeit wurde die Reduzierung des Natriumgehaltes der Nahrung für chronische Nierenpatienten propagiert. Neuere Studien scheinen jedoch dafür zu sprechen (siehe Kapitel 7), dass ein zu niedriger Natriumgehalt (0,4-0,5 mg/1000 kcal) schädliche Auswirkungen auf die Nierenfunktion haben könnte. Eine zu geringe Natriumaufnahme mit dem Futter könnte durch vermehrte Aldosteronsekretion und Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems zur Entwicklung einer glomerulären Hypertonie beitragen. Noch liegen definitive wissenschaftliche Belege dafür nicht vor, doch scheint es angebracht, hinsichtlich zu radikal reduzierter Natriumgehalte für chronisch nierenkranke Patienten Vorsicht walten zu lassen. Bei alten Hunden ist fast immer eine Einschränkung der Nierenfunktion zu beobachten, so dass die Anreicherung des Futters mit Antioxidanzien generell empfohlen wird, um die freien Radikale zu bekämpfen.
Diätetische Informationen von Royal Canin
Im Fokus:
PHOSPHOR Etymologisch gesehen bedeutet das Wort “Phosphor” “lichtbringend”. Dieses chemische Element wurde 1669 von einem deutschen Alchimisten, Hennig Brandt, entdeckt. In einem Experiment entstand durch Verdampfen von Urin und Verkalkung des Sediments ein Gas, das im Dunklen leuchtete: Phosphor. In der Form von Phosphat wird Phosphor in die Knochen eingebaut. Fünfundachtzig Prozent des im Or-
ganismus vorhandenen Phosphors sind in den Skelettstrukturen des Körpers gespeichert. Phosphor wird auch in große Moleküle wie DNA, RNA und Membranphospholipide eingebaut. Des Weiteren ist Phosphor ein aktiver Bestandteil von Adenosintriphosphat (ATP), das die lebensnotwendige Energie eines jeden lebenden Organismus speichert. Warum Phosphor das Fortschreiten
der chronischen Nierenerkrankung fördert, ist noch nicht ausreichend definiert. Bekannt ist, dass sich Phosphor bei eingeschränkter Nierenfunktion im Blut anreichert. Der Organismus reagiert darauf physiologischerweise mit einer Er-höhung der Sekretion von Parathor-mon (PTH). Dadurch kann anfänglich der Phosphorgehalt zwar innerhalb des Referenzbereiches gehalten werden, doch kommt es auch zu einer
DIE WICHTIGSTEN BIOLOGISCHEN FUNKTIONEN DES PHOSPHORS
Struktur der Zellmembranen
ATP
Nieren
P
Knochenaufbau
Zellenergie
Freisetzung von Phosphat und Kalzium aus den Knochen. Mit der Zeit ist jedoch auch dieser Kompensationsmechanismus nicht mehr in der Lage, die Homöostase aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen. Phosphor und Kalzium häufen sich im Gewebe an und führen zur Verkalkung von Weichteilgewebe. In den Nieren verursacht dieses Phänomen einen beschleunigten, verstärkten Verlust an funktionellen Nephronen. Zusätzlich wirkt PTH als urämisches Toxin, das die klinischen Symptome und die Progredienz der chronischen Nierenerkrankung verschlimmert.
Das Therapieziel bei betroffenen Tieren ist somit die Begrenzung der Phosphorzufuhr mit der Nahrung auf etwa 0,40-0,75 g/1000 kcal. Gleichzeitig trägt der relativ erhöhte Kalziumgehalt dazu bei, die Resorption von Phosphor bei der Verdauung zu reduzieren. Sind diese Maßnahmen nicht ausreichend, um die Phosphatkonzentration im Serum zu normalisieren, sollte die Verwendung von Phosphatbindern (Aluminiumhydroxid, Kalziumkarbonat etc.) in Betracht gezogen werden. So klar die Notwendigkeit der Beschränkung des Phosphorgehaltes
der Nahrung erkannt wird, so schwierig ist es auch, phosphorarme Futterkomponenten zu finden. Die im Hundefutter traditionellerweise verwendeten tierischen Eiweißquellen sind relativ reich an Phosphor. Dehydrierte Gefügelproteine enthalten zum Beispiel 1,6-2,5% Phosphor in der Trockensubstanz. Der genaue Gehalt ist abhängig vom Gesamtgehalt an Mineralstoffen nach dem Siebprozess. Pflanzliche Eiweißquellen (Weizen- oder Maisgluten, Sojahydrolysat) haben einen geringeren Phosphorgehalt und stellen somit eine interessante Alternative dar.
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Di채tetische Informationen von Royal Canin
Maximaler Phosphorgehalt (g/100g Protein)
DER PHOSPHORGEHALT VERSCHIEDENER IM HUNDEFUTTER VERWENDETEN PROTEINQUELLEN
5
Standardgefl체gelprotein
4
Gefl체gelprotein mit niedrigem Rohaschegehalt Eipulver
3
Sojahydrolysat
2
Maisgluten
1
Weizengluten 0
Nieren
Weizen- oder Maisgluten sind qualitativ hochwertige Proteinquellen, die nur geringe Mengen an Phosphor enthalten.
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