Klinische Diätetik - Niere

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Nieren


Jonathan ELLIOTT MA, Vet MB, PhD, Cert SAC, Dipl. ECVPT, MRCVS

Denise A. ELLIOTT

Nieren

BVSc (Hons), PhD, Dipl. ACVIM, Dipl. ACVN

Die diätetische Therapie bei chronischen Nierenerkrankungen der Katze

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Physiologie der Niere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Klassifikation chronischer Nierenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 4. Therapie des urämischen Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Häufig gestellte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Diätetische Informationen von Royal Canin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ACVIM: American College of Veterinary Inter- ESVNU: European Society for Veterinary nal Medicine ADH: antidiuretisches Hormon, Vasopressin ASVNU: American Society for Veterinary Nephrology and Urology CNI: chronische Niereninsuffizienz

Nephrology and Urology GFR: glomeruläre Filtrationsrate IRIS: International Renal Interest Society KDOQI ™: Empfehlungen der Kidney Disease Outcomes Quality Initiative, herausgegeben von der National Kidney Foundation

LDL: low density lipoprotein MCP-1: monocyte chemoattractant protein-1 NRC: National Research Council PTH: Parathormon RAAS: Renin-Angiotension-Aldosteron-System U-P/C: Urin-Protein/Kreatinin-Verhältnis

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Die diätetische Therapie bei chronischen Nierenerkrankungen der Katze Jonathan ELLIOTT MA, Vet MB, PhD, Cert SAC, Dipl. ECVPT, MRCVS Jonathan Elliott schloss sein Studium der Tiermedizin an der Cambridge University Veterinary School im Jahr 1985 ab. Nach einem Jahr Internship im Bereich der Kleintiermedizin und Kleintierchirurgie am Veterinary Hospital der University of Pennsylvania kehrte er nach Cambridge zurück, um am Institut für Pharmakologie an seiner Dissertation zu arbeiten. Im Jahr 1989 promovierte Dr. Elliott mit einer Dissertation über die vaskuläre Pharmakologie. Ein Jahr später wurde er als Lehrbeauftragter für Veterinärpharmakologie an das Royal Veterinary College in London berufen, wo er derzeit als Professor für Klinische Veterinärpharmakologie tätig ist. Sein Forschungsinteresse gilt den chronischen Nierenerkrankungen der Katze sowie der Hypertonie und der equinen Laminitis (Hufrehe). Im Jahr 2004 wurde er zum Vizerektor für Forschung ernannt. Dr. Elliott ist Diplomate des European College of Veterinary Pharmacology and Toxicology (ECVPT) und Mitglied des Veterinary Products Committee, das die Regierung von Großbritannien in Fragen der Zulassung von Tierarzneimitteln berät. Für seine Beiträge zur Kleintiermedizin, insbesondere im Bereich der Hufrehe der Pferde und der felinen chronischen Nierenerkrankungen, erhielt er 1998 den Pfizer Academic Award, 2001 den Prix Amoroso der BSAVA (British Small Animal Veterinary Association) und im Jahr 2006 den Pet Plan Scientific Award.

Denise A. ELLIOTT Nieren

BVSc (Hons), PhD, Dipl. ACVIM, Dipl. ACVN Denise Elliott schloss ihr Tiermedizinstudium 1991 an der University of Melbourne mit Auszeichnung ab. Nach einer Internship in den Bereichen Kleintiermedizin und –chirurgie an der University of Pennsylvania ging Dr. Elliot an die University of California in Davis, wo sie eine Residency in Kleintiermedizin, ein Forschungsstipendium für die Thematik Nierenerkrankungen und Hämodialyse sowie eine weitere Residency im Bereich Klinische Diätetik für Kleintiere absolvierte. Im Jahr 1996 erhielt Dr. Elliott die Board Certification des American College of Veterinary Internal Medicine und wurde 2001 Mitglied des American College of Veterinary Nutrition. Mit ihrer Dissertation über “Die bioelektrische Multifrequenzimpedanzanalyse bei gesunden Katzen und Hunden” erwarb sie 2001 an der University of California in Davis ihren Doktorgrad in Ernährung. Derzeit ist Dr. Elliott Leiterin der Abteilung Scientific Affairs bei Royal Canin USA.

D

ie Prävalenz von Nierenerkrankungen ist in der älteren Katzenpopulation extrem hoch. Erkrankungen der Nieren sind einer der Hauptgründe, warum alte Katzen beim Tierarzt vorgestellt werden. Obwohl harte epidemiologische Daten für Europa nicht vorliegen, lässt sich aus den Zahlen der USA ableiten, dass eine von drei Katzen im Alter von über zwölf Jahren an irgendeiner Form der Niereninsuffizienz leidet (Lulich et al. 1992). Eine prospektive Studie an Katzen im Alter von neun Jahren oder älter, die aus dem Patientenstamm von Tierarztpraxen in Zentral-London stammten und die offensichtlich gesund waren und unauffällige biochemische Befunde zeigten, konnte nachweisen, dass eine von drei Katzen innerhalb von zwölf Monaten eine biochemisch nachweisbare Azotämie (d.h. Kreatinin- und/oder Harnstoffkonzentrationen im Plasma, welche die oberen Referenzwerte überstiegen) entwickelte (Jepson et al. 2007a). 250


Einleitung

Einleitung Es gibt eine Reihe von anerkannten Krankheitsprozessen, die die Nieren von Katzen schädigen und zu einem gut definierten pathologischen Bild führen. Sobald die Diagnose des chronischen Nierenversagens bzw. der chronischen Niereninsuffizienz (CNI) anhand des Nachweises einer Azotämie und der Unfähigkeit zur Produktion von adäquat konzentriertem Harn (siehe Abschnitt 2) gestellt ist, lässt sich bei den meisten Katzen die zugrunde liegende Krankheit nicht mehr identifizieren, nicht einmal mithilfe einer Nierenbiopsie. Dieser Symptomkomplex stellt keine homogene Erkrankung dar, so dass ein tiefes Verständnis aller beteiligten pathologischen Prozesse erforderlich ist, um Fortschritte in der Prävention mancher Formen der felinen CNI erzielen zu können. Doch auch wenn bei einer Katze eine Azotämie nachgewiesen wurde und somit ein begründeter Verdacht auf eine chronische Niereninsuffizienz besteht, bedeutet dies nicht in allen Fällen zwangsläufig, dass die Krankheit bis zu einem Stadium fortschreiten muss, in dem Dialyse oder Nierentransplantation unvermeidbar werden. Die Erkrankung schreitet individuell unterschiedlich rasch fort, was ebenfalls die heterogene Pathogenese der CNI der Katze belegt. In den letzten Jahren sind hinsichtlich der Identifizierung von Risikofaktoren für das Fortschreiten der CNI einige Fortschritte erzielt worden, und auch in der Beurteilung der verschiedenen Therapieoptionen (einschließlich der Diät) für klinisch kranke Katzen konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden. Ziel aller dieser Bestrebungen ist die Besserung der Überlebenschancen dieser Patienten.

Um diese Behandlungsziele erreichen zu können, ist es wichtig, das Stadium der Nierenerkrankung des einzelnen Patienten nach der vorgegebenen Klassifikation zu bestimmen (Staging), da dies bereits Aufschluss darüber gibt, welche Therapie am besten geeignet ist und mit welchen Komplikationen unter Umständen gerechnet werden muss. Dieses Kapitel möchte: 1. die physiologischen Aufgaben der Niere im Organismus kurz beschreiben, da dies die Grundlage dafür darstellt, die unterschiedlichen homöostatischen Mechanismen zu verstehen, die bei CNI gestört sein können; 2. Richtlinien zur Beurteilung der verschiedenen Stadien der felinen CNI (Staging) definieren; 3. unter Berücksichtigung der oben genannten Ziele Vorschläge zum Management nierenkranker Katzen unterbreiten sowie darüber informieren, welche Maßnahmen in den jeweiligen Stadien der Krankheit erforderlich sind.

1 - Physiologie der Nieren Die kleinste Funktionseinheit der Niere ist das Nephron (Abbildung 1). Die Niere der Katze verfügt über etwa 200.000 Nephrone. Zu den wichtigsten Aufgaben der Nieren zählen: - Ausscheidung von wasserlöslichen Stoffwechselendprodukten mit dem Harn, - Homöostase der Körperflüssigkeiten hinsichtlich Volumen und Zusammensetzung, - endokrine Funktionen (Produktion von Erythropoetin, Angiotensin II und Calcitriol).

ABBILDUNG 1 – SCHEMATISCHE DARSTELLUNG EINES NEPHRONS Proximaler Tubulus Verantwortlich für die Reabsorption von: - etwa 70 % der filtrierten Ionen - allen filtrierten Aminosäuren-, Glukose-, HCO3- und Eiweißmolekülen - Phosphat (gesteuert durch PTH**)

Distaler Tubulus Verantwortlich für die Feineinstellung von: - Natrium (gesteuert durch Aldosteron) - Kalium (gesteuert durch Aldosteron) - Kalzium (gesteuert durch PTH**) - Wasserstoffionen (gesteuert durch Aldosteron)

Bowmansche Kapsel

Henle-Schleife - dicker aufsteigender Teil - absteigender Teil Verantwortlich für : - Herstellung eines hypertonen Milieus im Nierenmark (NaCl – Harnstoff) - Harnkonzentration

Sammelrohr ADH* kontrolliert: - die Durchlässigkeit der Sammelrohre für Wasser und Harnstoff - die Wasserrückgewinnung aus dem Harn infolge des hyperosmotischen Gradienten

Bei Verlust an Nephronen verringert sich die Markkonzentration, und die Harnflussrate steigt.

*ADH: antidiuretisches Hormon **PTH: Parathormon

Jedes Nephron setzt sich aus Glomerulum (Filter), proximalem Tubulus, Henle-Schleife, distalem Tubulus und Sammelrohr zusammen.

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Nieren

Sobald die Diagnose einer chronischen Niereninsuffizienz gestellt wurde, muss sich das weitere Management dieser Patienten auf folgende diagnostische und therapeutische Schwerpunkte konzentrieren: 1. Identifizierung der Faktoren, die die Lebensqualität der Katze beeinträchtigen 2. Wahl der Behandlungsmöglichkeiten (medikamentell oder diätetisch), welche die Lebensqualität verbessern können 3. Identifizierung der Faktoren, die das Risiko eines Fortschreitens der Nierenschädigung erhöhen 4. Wahl der Therapiemöglichkeiten (medikamentell oder diätetisch), die dieses Risiko verringern können 5. Anpassen der gewählten Therapieoptionen an den individuellen Patienten und Therapiemonitoring


1 - Physiologie der Nieren

Die Funktion der Nieren besteht in der unspezifischen Filterung des Blutes, so dass die wässerigen Bestandteile des Plasmas im Filtrat in derselben Konzentration wie im Plasma vorliegen. Proteine werden zunehmend aus dem Filtrat ausgeschlossen, je höher ihr Molekulargewicht wird, und nur noch geringste Mengen an Protein mit einem Molekulargewicht von über 70.000 können die Filterbarriere passieren. Etwa 20 % des renalen Plasmaflusses erscheinen im glomerulären Filtrat. Im proximalen Tubus werden etwa 65 - 70 % des Erstfiltrats reabsorbiert und gelangen zurück in das Blutgefäßsystem. Dadurch wird sichergestellt, dass die vom Körper benötigten Substanzen (wie Glukose und Aminosäuren) sofort wieder dem Organismus zur Verfügung stehen, während die wasserlöslichen und vom Körper nicht mehr verwertbaren Stoffwechselendprodukte im Filtrat verbleiben und mit dem Harn ausgeschieden werden.

Nieren

Die Ausscheidungsrate vieler dieser wasserlöslichen Stoffwechselprodukte aus dem Körper (z.B. Kreatinin als Endprodukt des Muskelstoffwechsels) hängt von der glomerulären Filtrationsrate (GFR) ab. Auch einige Substanzen mit relativ niedrigem Molekulargewicht werden aktiv vom Plasma in die tubuläre Flüssigkeit transportiert. Spezifische Nieren-Transporter sind in der Lage, organische Säuren oder Basen aus den peritubulären Kapillaren in das Lumen des proximalen Tubulus abzugeben. Es gibt viele Beispiele für solche Transportsysteme, die nicht nur körpereigene Stoffe, sondern auch Fremdstoffmoleküle transportieren. Einer der am besten bekannten Nieren-Transporter ist in der Lage, Penicilline in die Tubulusflüssigkeit zu sezernieren, wo sie aufgrund ihrer stark hydrophilen Eigenschaften im Filtrat verbleiben, während Wasser resorbiert wird. Aus diesem Grund kann die Konzentration von Penicillin G im Harn bei einer Katze nach Verabreichung einer Standarddosis mehr als 300-mal so hoch sein wie die Plasmakonzentration des Arzneimittels.

ABBILDUNG 2 – EINFLUSS DES DIÄTETISCHEN NATRIUMS AUF DAS HARNVOLUMEN DER KATZE (Biourge et al. 2001)

Kontrolldiät Testdiät (mit Natrium angereichert) * Mittelwert ± Standardabweichung 25

*20 ± 7 Harnvolumen (ml/kg/Tag)

20

Während dieser erste Abschnitt des Nephrons (proximaler Tubulus) für die Filtration des Primärharns verantwortlich ist, dienen die weiteren Abschnitte der Feinregulierung der Harnzusammensetzung. Die HenleSchleife ist an der Erzeugung eines Konzentrationsgradienten beteiligt. Während im dicken aufsteigenden Teil der Henle-Schleife Natriumchlorid reabsorbiert werden kann, ist dieser Abschnitt für Wasser undurchlässig. Der Harn ist hypoton, der umgebende interstitiellen Raum hyperton, wodurch sich die Osmolarität im benachbarten absteigenden Teil der Henle-Schleife erhöht. Die hohe Osmolarität des Interstitiums wirkt als Triebkraft für die Wasserresorption aus den Sammelrohren, die das Nierenmark passieren; dies wird als Gegenstromprinzip bezeichnet. Die Katze ist perfekt an die Produktion eines konzentrierten Harns adaptiert, da sie einen relativ hohen Anteil an Nephronen sowie lange Henle-Schleifen besitzt. Katzen sind in der Lage, Harn mit einem spezifischen Gewicht von über 1.080 zu erzeugen, wobei die maximale Konzentrationsfähigkeit der Katzennieren noch nicht untersucht wurde. Dies bedeutet, dass Katzen mit sehr geringen Flüssigkeitsmengen auskommen und dass ihr Flüssigkeitsbedarf oft schon alleine durch den Feuchtigkeitsgehalt von Nassfutter gedeckt wird. Die Fähigkeit, Harn zu konzentrieren und somit Flüssigkeit im Körper zurückzuhalten, ist in hohem Maße von der Anzahl funktionierender Nephrone abhängig, die dafür zum Aufbau eines entsprechenden Gradienten im Interstitium zur Verfügung stehen. Diätetisches Natrium (oder Natriumchlorid) sowie der Feuchtigkeitsgehalt des Futters sind bei Katzen höchst wirksam bei der Stimulierung des Wasserkonsums und der Diurese (Burger et al. 1980). Eine erhöhte Diurese fördert die Verdünnung des Harns (Abbildung 2).

15

*11 ± 5 10

5

0

Der Natriumgehalt der Kontrolldiät betrug 1,1 g/1000 kcal, jener der Testdiät 2,5 g/1000 kcal. Die Studie zeigte, dass eine höhere Natriumaufnahme eine signifikante Erhöhung der Diurese bewirkt (p<0,05). Im Vergleich zur Diät mit 0,4 %igem Natriumgehalt kam es beim 1%igen Natriumgehalt der Trockendiät (4000 kcal/kg) zur Steigerung der Diurese auf fast das Doppelte.

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Die letzten Abschnitte des Nephrons sind für die Feineinstellung der Harnzusammensetzung verantwortlich. Der Primärharn gelangt von der Henle-Schleife zum Sammelrohr; er ist in Relation zum Plasma hypoton, weil das Natriumchlorid aus dem Filtrat entfernt wurde. Im ersten Abschnitt des distalen Tubulus setzt sich dieser Prozess fort, und Natriumchlorid wird unabhängig vom Wasser reabsorbiert. Die Natriumresorption wird durch das Nebennierenrindenhormon Aldosteron gefördert. Die Zusammensetzung der tubulären Flüssigkeit hinsichtlich Kalzium-, Wasserstoff- und Kaliumionen erfolgt ebenfalls unter hormoneller Kontrolle (Parathormon [PTH], Aldosteron) im distalen Tubulus sowie in den Sammelrohren. Im letzten Abschnitt dieser Funktionseinheit regelt das antidiuretische Hormon (ADH) die Permeabilität für Wasser und Harnstoff. Die ADH-Sekretion wird von der Neurohypophyse auf der Basis der Osmolarität des Plasmas gesteuert. Dabei fördert ADH die Wasserrückgewinnung aus dem Harn und minimiert dadurch die Wasserverluste über den Urin. Auf diese Weise stellt ein maximal konzentrierter Harn sicher, dass es zu keiner Dehydratation des Organismus kommt. Was für die Interpretation klinischer Labordaten wichtig zu wissen ist, ist die Tatsache, dass der Harn von Katzen in seiner Zusammensetzung sehr variabel sein kann. Die feline Niere ist physiologischerweise in der Lage, die Zusammensetzung des Urins so zu beeinflussen, dass die Homöostase sowie das Gleichgewicht nach folgender Gleichung aufrechterhalten wird: Aufnahme einer Substanz = extrarenale Verluste + renale Verluste.


2 - Klassifikation chronischer Nierenerkrankungen Ein umfassendes Klassifizierungsschema zur Einteilung der chronischen Nierenerkrankungen in die verschiedenen Stadien wurde von der International Renal Interest Society (IRIS) vorgeschlagen. Dieses Staging-Schema wird auch von den amerikanischen und europäischen Gesellschaften für Veterinärnephrologie und -urologie (ASVNU und ESVNU) unterstützt. Das Schema wurde auf der Basis der Befunde von klinischer Untersuchung und Labortests erstellt. Es kommt für alle neu diagnostizierten Fälle von chronischen Nierenerkrankungen zur Anwendung. Wie sich gezeigt hat, verharrte die Erkrankung nur in den seltensten Fällen in einem stabilen Stadium, während sie sich in der Regel akut verschlechtert und einer Therapie bedarf, um eine drohende urämische Krise abzuwenden.

Nierenschädigung

Die Plasmakonzentration des Kreatinins steht in exponentieller inverser Korrelation mit der glomerulären Filtrationsrate (GFR), dem Goldstandard der Beurteilung der Nierenfunktion und der Menge an funktionellem Nierenparenchym. Praktische und für Katzen validierte Methoden zur Bestimmung der GFR unter Praxisbedingungen stehen derzeit nicht zur Verfügung. Sobald dies der Fall ist, wird die GFR-Bestimmung die Plasmakreatininkonzentration als diagnostisches Verfahren und Grundlage für die Klassifikation der chronischen Nierenerkrankung ablösen (Le Garreres et al. 2007; Abbildung 4).

Urämisches Syndrom

Klinische Symptome (z.B. Polyurie/ Polydipsie)

Fortschreitende Reduzierung der glomerulären Filtration

Glomeruläre und tubulointerstitielle Läsionen

Tod

Verlust der kompensatorischen Kapazitäten

Hypertrophie und Hyperfiltration der noch verbliebenen aktiven Nephrone

Die Kompensationsmechanismen der Niere sind in der Lage, trotz Erkrankung einen klinisch stabilen Zustand so lange aufrecht zu erhalten, bis der funktionelle Schaden eine gewisse Schwelle erreicht hat. Erst dann ist die Funktionseinschränkung so weit fortgeschritten, dass es zu klinischen Symptomen und später zur Urämie kommt. Sobald die kritische Anzahl an untergegangenen Nephronen überschritten ist, führt die chronische Nierenerkrankung unweigerlich zum Endstadium und schließlich zum Tod.

ABBILDUNG 4 – PLASMAKREATININ-CLEARANCE IM ZEITABLAUF BEI ZWEI KATZEN NACH INTRAVENÖSER VERABREICHUNG VON EXOGENEM KREATININ (Dosis: 40 mg/kg KM) nach B. Reynolds (École Nationale Vétérinaire de Toulouse; unveröffentlichte Daten). 2500

Katze 1 Katze 2

2000 1500 1000 500 0 0

Grundlage für das Klassifikationsschema ist die Plasmakreatininkonzentration, obwohl sich IRIS der Grenzen dieses Systems bewusst ist, da die Kreatininkonzentrationen im Plasma durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden: • Muskelmasse, • Hydratationszustand, • Zusammensetzung des Futters.

2 - Klassifikation chronischer Nierenerkrankungen

Verringerung der Anzahl von Nephronen

Nieren

Durch eine sorgfältige Anpassung der Zusammensetzung des Futters kann man Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz (CNI) bei der zunehmend schwierigen Aufgabe der Aufrechterhaltung der Homöostase unterstützen und dadurch die Lebensqualität der Tiere verbessern. In manchen Fällen gelingt es sogar, das Fortschreiten der Krankheit so zu verlangsamen, dass eine Nierenersatztherapie so weit wie möglich hinausgeschoben werden kann. Im folgenden Abschnitt werden sowohl das Staging der einzelnen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz als auch die intrinsischen und extrinsischen Faktoren, die das Fortschreiten der CNI beeinflussen können, besprochen. Danach werden die verschiedenen Komponenten der Diät für CNI-Patienten im Detail behandelt und der wissenschaftliche Hintergrund für die erforderlichen Diätanpassungen in den einzelnen Stadien der Krankheit erörtert.

ABBILDUNG 3 – ZUSAMMENHÄNGE ZWISCHEN NIERENSCHÄDIGUNG, UNTERGANG VON NEPHRONEN, RENALEN KOMPENSATIONSMECHANISMEN UND FORTSCHREITEN DER NIERENINSUFFIZIENZ

Plasmakreatinin (µmol/l)

Mit zunehmender Verschlechterung der Nierenfunktion im Rahmen der chronischen Niereninsuffizienz, bei der immer mehr Nephrone zugrunde gehen, kämpfen die homöostatischen Mechanismen des Körpers um die Aufrechterhaltung des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Mineralstoffhaushalts, da folgende Probleme vorliegen können: - Die renalen Verluste sind durch die reduzierte Masse an funktionellem Nierenparenchym begrenzt (begrenzte Ausscheidung). - In den verbliebenen funktionsfähigen Nephronen kommt es zu einem Anstieg der tubulären Flussrate, so dass die Feinregulierung der Harnzusammensetzung deshalb schwieriger wird, weil sich die distalen Abschnitte des Nephrons mit einem zu raschen Zufluss an Flüssigkeit konfrontiert sehen (Hyperfiltration). - Die kompensatorischen Mechanismen werden kontraproduktiv und führen zu einer Verschlechterung der Elektrolyt- und Mineralstoffimbalanz (Abbildung 3).

60

120

180

240

300

360

Zeit (min)

Die Plasmaclearance von Kreatinin (d.h. eine Schätzung der GFR) betrug bei Katze 1 2,6 ml/min/kg bzw. 1,3 ml/min/kg bei Katze 2. Katze 1 war eine 5 Jahre alte Europäisch-Kurzhaar-Katze (6,1 kg), bei der im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung wegen eines nicht-renalen Gesundheitsproblems zufällig eine polyzystische Nierenerkrankung festgestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Kreatininkonzentration im Plasma 158 µmol/l (1,79 mg/dl). Aufgrund der GFR-Schätzung wurde die Nierenfunktion als normal erachtet. Katze 2 war eine 9-monatige Europäisch-Kurzhaarkatze (2,6 kg), die mit hochgradiger Polyurie/Polydipsie vorgestellt wurde. Bei der sonographischen Untersuchung der Nieren zeigten sich beide Organe verändert. Die Plasmakreatininkonzentration lag bei 152 µmol/l (1,72 mg/dl). Die Nierenfunktion wurde anhand der Schätzung der GFR als gestört angesehen, so dass eine entsprechende Diät verordnet wurde. Diese beiden Beispiele illustrieren den bedeutenden Einfluss, den die Muskelmasse auf die Kreatininwerte hat, so dass es wichtig ist, diese Faktoren bei der Interpretation der Kreatininkonzentration im Plasma zu berücksichtigen.

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2 - Klassifikation chronischer Nierenerkrankungen

TABELLE 1 – KLASSIFIKATION DER INTERNATIONAL RENAL INTEREST SOCIETY (IRIS) DER STADIEN VON CHRONISCHEN NIERENERKRANKUNGEN DER KATZE AUF DER BASIS DER KREATININKONZENTRATION IM PLASMA Stadium

Kreatinin*

Kommentar

< 140 µmol/l (< 1,6 mg/dl)

Keine Azotämie; Vorhandensein einiger auffälliger Befunde wie: inadäquate Harnkonzentration ohne identifizierbare extrarenale Ursache; abnormer Palpationsbefund und/oder auffälliger sonographischer Nierenbefund; Proteinurie renalen Ursprungs; auffälliger Biopsiebefund; intermittierend erhöhte Kreatininkonzentrationen im Plasma

II

140-249 µmol/l (1,6-2,8 mg/dl)

Geringgradige renale Azotämie (Leicht erhöhte Werte können je nach Labor noch im Referenzbereich liegen, doch bedeutet die mangelnde Sensitivität des Kreatinins als Screening-Parameter, dass bei Tieren mit Kreatininkonzentrationen nahe der Obergrenze des Referenzbereichs oft eine unzureichende Exkretion vorliegt.) Keine bis leichte klinische Symptome.

III

250-439 µmol/l (2,8-5,0 mg/dl)

Mittelgradige renale Azotämie; unter Umständen zahlreiche extrarenale Symptome

IV

> 440 µmol/l (> 5,0 mg/dl)

Hochgradige renale Azotämie; in der Regel viele extrarenale Symptome

I

Nieren

*Um µmol/l in mg/dl umzuwandeln, muss der Wert durch 88,4 dividiert werden.

Tabelle 1 zeigt das Klassifikationsschema auf der Basis der Kreatininkonzentration im Plasma. Die größte Herausforderung für den Tierarzt ist es, eine Nierenerkrankung schon dann zu erkennen, wenn sie sich noch im nicht-azotämischen Stadium (Stadium I oder frühes Stadium II) befindet. Traditionellerweise wird eine chronische Nierenerkrankung aufgrund chronisch erhöhter Plasmakreatininkonzentrationen in Verbindung mit einem relativ verdünnten Harn diagnostiziert (wobei der Verdünnungsgrad des Harns oft nicht zum Hydratationsstatus des Tieres passt). In diesem Stadium (spätes Stadium II bis Stadium IV) ist die Primärursache der Nierenerkrankung oft nicht mehr zu erkennen, und zwar auch nicht durch eine Nierenbiopsie. Somit ist die Chance, die Grundkrankheit zu behandeln, bereits vertan. Routinemäßige Screening-Untersuchungen älterer Katzen (ab 8 Jahren) zur Identifizierung von renalen Funktionsstörungen mithilfe einer jährlichen Bestimmung der Plasmakreatininkonzentration (bzw. eventuell auch die Messung der GFR) würden dazu beitragen, chronische Nierenerkrankungen der Katze in einem früheren Stadium zu entdecken. Dann wäre unter Umständen auch noch die Behandlung des primären Krankheitsprozesses möglich.

Man geht davon, dass das Fortschreiten der Krankheit auf drei grundlegenden Mechanismen beruht: 1. Wiederholte Episoden der Primärerkrankung führen zu fortgesetzter Schädigung und zum Untergang funktioneller Nephrone. 2. Unzureichende intrinsische Adaptationsmechanismen der Niere bewirken eine glomeruläre kapillare Hypertonie sowie Hyperfiltration und Hypertrophie, wahrscheinlich aufgrund einer lokalen Aktivierung des Renin-Angiotension-Systems. Das Auftreten zunehmender Mengen an Protein im Harn weist unter Umständen darauf hin, dass dieser Prozess bereits abläuft. Zudem spricht manches dafür, dass eine übermäßige Proteinfiltration die Tubuli schädigt und damit zur weiteren Schädigung der Niere beiträgt. 3. Mangelnde adaptive extrinsische Reaktionen aufgrund der verringerten Funktionsfähigkeit der Niere, was schädigend auf die noch verbliebenen Nephrone wirkt: - Hyperphosphatämie, Hyperparathyreoidismus und Nephrokalzinose - systemische arterielle Hypertonie infolge der Unfähigkeit zur Regulierung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens: Die Fähigkeit der Niere zur Autoregulation und zum Selbstschutz gegen systemischen arteriellen Bluthochdruck geht mit zunehmender Erkrankung mehr und mehr verloren, und auch dies bewirkt eine weitere Schädigung der Niere. Wie bereits erwähnt, kann eine chronische Nierenerkrankung je nach Patient unterschiedlich rasch fortschreiten. In manchen Fällen stagniert die Niereninsuffizienz mehr oder minder lange im Stadium II oder III, und die Tiere sterben dann aufgrund eines anderen Problems. Bei anderen Katzen schreitet die CNI jedoch zügig bis zum Stadium IV fort, so dass die Tiere letztendlich daran sterben. Das klinische Verlauf der CNI scheint offenbar mindestens zwei verschiedene Formen aufzuweisen: • schrittweise Progression mit plötzlicher Dekompensation und nachfolgender urämischer Krise • konstante lineare Progression mit im Laufe der Zeit stetig steigenden Plasmakreatininkonzentrationen Bei Katzen mit natürlich vorkommendem chronischem Nierenversagen scheint die schrittweise Abnahme der Nierenfunktion das häufigere Progressionsmuster darzustellen (Elliott et al. 2003b; Ross et al. 2006). Wie von anderen Spezies bekannt ist, zählen Proteinurie und systemische arterielle Hypertonie zu den Risikofaktoren für ein rasches Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung. Somit erfordert das StagingSchema der IRIS eine Unterklassifizierung auf der Basis des Urin-Protein/Kreatinin-Verhältnisses (U-P/C) und des systemischen Blutdrucks. Wie neuere Studien gezeigt haben, stellt der Protein/Kreatinin-Quotient offenbar bei Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz (Syme et al. 2006) sowie bei Tieren mit systemischem

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Die Unterklassifizierung auf der Basis des Protein/Kreatinin-Quotienten setzt voraus, dass die Proteinurie nur renal bedingt ist. Somit sollten vor der Klassifizierung nach diesem Schema alle möglichen prä- und postrenalen Ursachen ausgeschlossen werden (Lees et al. 2005). Die Durchführung einer kompletten Harnanalyse und die mikroskopische Untersuchung des Harnsediments sind daher unverzichtbar, um vor der Bestimmung des U-P/C eine Entzündung in den ableitenden Harnwegen auszuschließen. Tabelle 3 zeigt das Unterklassifizierungsschema von IRIS auf der Basis des systemischen arteriellen Blutdrucks. Die Mitglieder von IRIS sind sich dessen bewusst, dass es zum Messen des Blutdrucks bei Katzen keine anerkannte standardisierte Methode gibt. Die in der Praxis der Autoren verwendete Methode ist der DopplerUltraschall, der Aufschluss über den systolischen Blutdruck gibt. Eine Klassifizierung sollte jedoch nicht auf einer einzigen Blutdruckmessung basieren; mindestens zwei bis drei Messungen sind erforderlich, um den Blutdruckstatus des Patienten zu bestimmen, es sei denn, es liegen signifikante Anzeichen einer Schädigung des Zielorgans vor, so dass eine sofortige spezifische blutdrucksenkende Therapie angezeigt ist.

TABELLE 2 – UNTERKLASSIFIZIERUNG VON IRIS ANHAND DES URIN-PROTEIN/KREATININVERHÄLTNISSES (PROTEIN/ KREATININ-QUOTIENT, U-P/C) U-P/C-Wert*

Interpretation

< 0,2

keine Proteinurie

0,2 bis 0,4

grenzwertig

> 0,4

Proteinurie

* berechnet unter Verwendung der Masseneinheiten

2 - Klassifikation chronischer Nierenerkrankungen

Bluthochdruck (Jepson et al. 2007b) einen unabhängigen Risikofaktor für die generelle Mortalität dar. Tabelle 2 gibt die Unterklassifizierung von IRIS aufgrund des Urin-Protein/Kreatinin-Verhältnisses an.

Risiko

Minimal [N]

Niedrig [L]

Mittel [M]

Hoch [H]

Systolischer Blutdruck (mm Hg)

< 150

150-159

160-179

≥ 180

Diastolischer Blutdruck (mm Hg)

Klassifikation aufgrund des Nachweises extrarenaler Komplikationen *

< 95

- minimales oder kein Risiko für eine Organschädigung - Nachweis einer extrarenalen Schädigung in diesem Stadium höchst unwahrscheinlich

95-99

- niedriges Risiko für eine Organschädigung, - wenn keine extrarenale Komplikation vorhanden ist [Lnc] - wenn extrarenale Komplikationen vorhanden sind [Lc]

100-119

- mittleres Risiko für eine Organschädigung, - wenn keine extrarenalen Komplikationen vorhanden sind [Mnc] - wenn extrarenale Komplikationen vorhanden sind [Mc]

≥ 120

- hohes Risiko für eine Organschädigung, - wenn keine extrarenalen Komplikationen vorhanden sind [Hnc] - wenn extrarenale Komplikationen vorhanden sind [Hc]

Nieren

TABELLE 3 – UNTERKLASSIFIZIERUNG DER IRIS AUF DER BASIS DES BLUTDRUCKS

nc: keine extrarenalen Komplikationen vorhanden c: extrarenale Komplikationen vorhanden * Zu extrarenalen Komplikationen zählen unter anderem: - konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie in Abwesenheit von strukturellen/valvulären Herzproblemen, - Augenprobleme durch Schädigung von okulären Strukturen infolge des Bluthochdrucks (z.B. Hyphaema, hypertensive Retinopathie), - neurologische Symptome: Lethargie, Krampfanfälle.

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3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen Für die Ernährung von Katzen mit chronischen Nierenerkrankungen steht heute eine Vielzahl an Diäten zur Verfügung, deren Rezepturen speziell für dieses Krankheitsbild entwickelt wurden und die sich von normalem Katzenfutter in mehreren Punkten unterscheiden. - Erfolgt eine Umstellung der Ernährung in Stadium II und III der chronischen Nierenerkrankung, besteht das Hauptziel der Diät darin, jene Faktoren zu beeinflussen, die aller Wahrscheinlichkeit nach am Fortschreiten von Nierenschädigung und Untergang funktioneller Nephrone beteiligt sind. Dieser Abschnitt bietet einen Überblick über den wissenschaftlichen Hintergrund der empfohlenen Modifikationen der Futterbestandteile sowie die belegte Wirksamkeit der diätetischen Therapie hinsichtlich der Verlangsamung der Progression der Nierenerkrankung. - Ist bereits die Endphase von Stadium III bzw. Stadium IV erreicht, sind die klinischen Symptome des urämischen Syndroms bereits manifest, so dass es bei diesen Patienten eher darum geht, die Lebensqualität zu verbessern. Eine detaillierte Besprechung der Diät bzw. Nahrungssupplementierung für Katzen mit urämischem Syndrom erfolgt in Abschnitt 4 dieses Kapitels.

Phosphatrestriktion und diätetische Therapie des sekundären renalen Hyperparathyreoidismus ABBILDUNG 5 – EINFLUSS DES PARATHORMONS (PTH) AUF DIE KALZIUMHOMÖOSTASE HINBLICK AUF DIE DREI ZIELORGANE KNOCHEN, NIERE UND GASTROINTESTINALTRAKT

IM

Nieren

Ausscheidung mit dem Kot

Ca + PO4

Futter

Knochen

Vitamin D Aktivierung Ca + PO4 Verdauungstrakt

Aktivierung Ca Vita min D

PO4

Niere

PO4

Ausscheidung mit dem Harn

• PTH stimuliert die Kalzium- und Phosphatfreisetzung aus dem Knochen in die extrazelluläre Flüssigkeit (blau dargestellt). • PTH stimuliert die Niere zur Aktivierung von Vitamin D (1,25-D3); es hemmt die Phosphatabsorption aus dem proximalen Tubulus, so dass mehr Phosphat im Urin erscheint; zudem erhöht es die Aufnahme von Kalzium aus dem distalen Tubulus, wodurch die Kalziumretention erhöht wird. • Vitamin D3 stimuliert die Kalzium- und Phosphataufnahme aus dem Dünndarm und erhöht dadurch den resorbierten Anteil an Nahrungskalzium und -phosphor. Über diese hormonellen Wirkungen, die für ein Gleichgewicht zwischen Aufnahme von Kalzium und Phosphat und der Ausscheidung dieser beiden Substanzen mit dem Harn sorgen, wird die Homöostase von Kalzium und Phosphor aufrechterhalten.

256

Phosphat wird von der gesunden Niere gefiltert, jedoch nicht aktiv in den Tubulus sezerniert. Die Menge des täglich vom Organismus ausgeschiedenen Phosphats ist somit in hohem Maße von der glomerulären Filtrationsrate (GFR) abhängig. Die Reabsorption des Phosphats erfolgt im proximalen Tubulus über einen Carrier vermittelten Prozess (CoTransport mit Natriumionen). Die maximale Kapazität dieses Systems wird vom Parathormon (PTH) beeinflusst, das bei einer bestimmten Phosphatkonzentration im Plasma und einer bestimmten GFR die Phosphatreabsorption reduziert und dadurch die Menge des mit dem Harn ausgeschiedenen Phosphats erhöht. Sinkt die GRF und bleibt die Phosphataufnahme mit dem Futter unverändert, so entspricht die täglich mit dem Harn ausgeschiedene Phosphatmenge nicht mehr der täglichen Phosphatzufuhr. In der Folge kommt es zur Akkumulation von Phosphat in den intrazellulären wie auch den extrazellulären Phosphatspeichern des Körpers. Mit zunehmender Phosphatkonzentration steigt die Exkretionsrate, bis bei einer höheren Phosphatkonzentration im Plasma und bei größeren Phosphatmengen in den intrazellulären Phosphatspeichern ein stabiler Zustand erreicht ist. Das Parathormon ist an diesem Prozess insofern beteiligt, als die erhöhte PTH-Synthese und -Sekretion durch den Anstieg des Phosphats in den intrazellulären Speichern und der Plasmaphosphatkonzentration getriggert wird. Zu Beginn ist diese Anpassungsreaktion des Organismus sinnvoll, da die Phosphatausscheidung mit dem Harn gefördert wird und somit eine Kompensation der verminderten GFR erfolgt (Abbildung 5).


3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

ABBILDUNG 6 – PATHOPHYSIOLOGIE DES SEKUNDÄREN RENALEN HYPERPARATHYREOIDISMUS Schädigung der Nieren Verminderung der GFR Hemmung der Aktivität der l'a-Hydroxylase

Phosphatretention

Gesetz der Massenwirkung

Schädigung der proximalen Tubuli

Mit fortschreitender chronischer Nierenerkrankung und Verringerte Synthese zunehmendem Verlust an funktionellen Nephronen wird die und Sekretion durch die Phosphatretention gesteuerte PTH-Sekretion konvon Calcitriol traproduktiv und somit fehlangepasst. Die Phosphatfreisetzung aus dem Knochen verschärft das Problem noch dadurch, dass sie die renale Calcitriolproduktion hemmt und die Synthese und Sekretion von PTH sowie eine Hypertrophie der Nebenschilddrüsen fördert. In weiter fortgeschrittenen Stadien der chronischen Nierenerkrankung (spätes Stadium III und Stadium IV nach IRIS) trägt der Calcitriolmangel (als Resultat der verringerten Nierenmasse und des inhibitorischen Effekts der Hyperphosphatämie auf die Calcitriolsynthese) auf zweierlei Weise zum Problem des Hyperparathyreoidismus bei: - Calcitriol hemmt die Synthese und Sekretion von PTH durch direkte Wirkung auf die Nebenschilddrüsen. Dieses Hormon verhindert eine Hypertrophie der Nebenschilddrüsen. - Bei einem Mangel an Calcitriol ist die Resorption von Kalzium aus dem Darm reduziert, und es kann in stark fortgeschrittenen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz zur Hypokalzämie kommen (besonders an ionisiertem Kalzium). Bei sehr hohen Phosphatkonzentrationen im Plasma kommt es auch aufgrund der Komplexbildung des Kalziums mit Phosphat und anderen kleinen Anionen zu einer Verringerung der Menge an ionisiertem Kalzium.

Erhöhung der Phosphatämie

Verringerung der Plasmakonzentration an ionisiertem Kalzium Steigerung der Synthese und Sekretion des PTH

Nieren

Leider wird die Anpassungsreaktion in Form einer erhöhten PTH-Freisetzung zur Kompensation der beim Untergang von Nephronen und gleichzeitigem Absinken der GFR bestehenden Tendenz zu Phosphatretention durch zwei Faktoren begrenzt: 1. Mindestens 30 % des gefilterten Phosphats müssen im Rahmen des Reabsorptionsprozesses von Natrium und Wasser im proximalen Tubulus reabsorbiert werden. 2. Da erhöhte Plasmakonzentrationen an PTH nötig sind, bewirkt dieses Hormon eine vermehrte Freisetzung von Phosphat aus dem Knochen und in das extrazelluläre Flüssigkeitskompartiment hinein, was das Problem der Hyperphosphatämie noch verstärkt.

Die Bedeutung der Hyperphosphatämie und des Hyperparathyreoidismus bei spontanen chronischen Nierenerkrankungen ist durch verschiedene Studien klar belegt worden (Barber und Elliott 1998). Inwieweit die Phosphatretention und/oder eine erhöhte Synthese und Sekretion von PTH die Gesundheit und das Wohlbefinden von Katzen mit chronischer Nierenerkrankung beeinträchtigen, ist ebenfalls Gegenstand von Diskussionen. Erfahrungen aus der Humanmedizin sowie Ergebnisse von Labortiermodellen sprechen dafür, dass Hyperphosphatämie und Hyperparathyreoidismus die Lebensqualität der Patienten negativ beeinflussen und zum Fortschreiten der Nierenerkrankung beitragen können. Direkte Nachweise dafür, dass sich dies auch auf die Katze übertragen lässt, liegen nur in sehr geringer Zahl vor. Daten aus einem experimentellen Modell an Katzen (Ross et al. 1982) sowie aus Untersuchungen von spontaner feliner chronischer Niereninsuffizienz (CNI) stützen die Schlussfolgerung, dass die Reduzierung der Phosphoraufnahme mit der Nahrung als Maßnahme zur Kontrolle der PTH-Sekretion zu folgenden Ergebnissen führt: - Verringerung der Mineralisation (Abbildung 7) und Fibrosierung des verbliebenen funktionellen Nierengewebes (experimentelle Studien; Ross et al. 1982) - Reduzierung der Mortalität, egal aufgrund welcher Ursachen, bei Katzen mit spontaner CNI (Elliott et al. 2000).

© PJ Barber

Die beschriebene Pathophysiologie des sekundären renalen Hyperparathyreoidismus ist in Abbildung 6 schematisch dargestellt. Das wissenschaftliche Verständnis der Entstehungsmechanismen hat die Aufmerksamkeit von den verringerten Konzentrationen an ionisiertem Kalzium (von denen man annahm, dass sie die PTH-Sekretion steuern) weg hin zur Problematik der Phosphatretention gelenkt, die heute als zentrales Ereignis bei diesem Krankheitsbild angesehen wird. Abbildung 7 - Mineralisation des Nierengewebes infolge Hyperparathyreoidismus bei einer Katze. Im inneren Nierenmark ist ein kalzifizierter Streifen erkennbar. Die Mineralisation wurde durch die histologische Untersuchung bestätigt (Messskala in mm).

Eine von Elliott et al. (2000) durchgeführte prospektive Open-Label-Studie zur Ernährung von Katzen mit CNI im Stadium II oder III nach IRIS hatte das Ziel, mithilfe einer speziellen phosphatrestriktiven Nierendiät die Plasma-PTH-Spiegel zu kontrollieren und die Auswirkungen dieser diätetischen Therapie auf

257


© Penney Barber © Penney Barber

B: Mineralisation der Aorta abdominalis und anderer Gefäße im Abdomen bei einer 19 Jahre alten Katze mit chronischer Niereninsuffizienz im Endstadium.

Eine zweite klinische Studie zu einer speziellen Nierendiät wurde erst kürzlich veröffentlicht; dabei handelte es sich um eine randomisierte kontrollierte Blindstudie (Ross et al. 2006). Ziel war die Untersuchung des Nutzens einer speziellen Diät für Patienten im Stadium II und III der chronischen Nierenerkrankung im Hinblick auf den Zeitraum bis zur urämischen Krise bzw. bis zum Tod. Die Nierendiät wurde im Vergleich mit einem normalen Alleinfutter für ausgewachsene Katzen beurteilt, wobei sich die beiden Produkte in ihren Gehalten an Protein, Natrium, Phosphor und Fett unterschieden. Der Phosphorgehalt der Nierendiät lag bei 0,5 % (wie verfüttert; 1,2 g/1000 kcal für die Trockendiät und 1,0 g/1000 kcal für das Feuchtfutter), während das normale Futter 0,9 oder 1 % (wie verfüttert; 1,8 g/1000 kcal für das Trockenfutter und 2,3 g/1000 kcal für das Feuchtfutter) enthielt. Die Ernährung mit der Nierendiät führte binnen 12 bis 14 Monaten zu einer Reduzierung der Plasmaphosphatspiegel, während sich bei den Plasmakonzentrationen von PTH keine signifikanten Unterschiede ergaben. Bei den Katzen, die die Nierendiät erhielten, kam es signifikant seltener zu urämischen Krisen, und auch die Zahl der renal bedingten Todesfälle war signifikant geringer. Da sich Nierendiät und Normalfutter jedoch in vielerlei Hinsicht voneinander unterschieden, konnte in beiden Studien nicht nachgewiesen werden, dass nur die Phosphatrestriktion für die positiven Effekte der Nierendiät verantwortlich war. Es ist jedoch anzunehmen, dass der restriktive Phosphorgehalt an der vorteilhaften Wirkung beteiligt war. Die Akkumulation von Phosphat und Kalzium im Nierengewebe führt zu Nephrokalzinose und kann zum Fortschreiten der CNI beitragen. Diese Prozesse laufen offenbar während des Stadiums II und III nach IRIS ab. In den späteren Stadien der CNI (Stadium IV) sind die extrarenalen Auswirkungen der Hyperphosphatämie und des Hyperparathyreoidismus auch radiologisch nachweisbar, und zwar in Form der renaler Osteodystrophie und der Mineralisation von Weichteilgewebe (Abbildung 8); gleichzeitig besteht meist eine ausgeprägte Hypertrophie der Nebenschilddrüsen. In der Humanmedizin führt eine schlecht regulierte Phosphathomöostase bei Nierenpatienten in Dialyse zu einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, da sich Kalzium und Phosphat auch in den Gefäßen ablagern (KDOQI 2003).

ABBILDUNG 9A – AUSWIRKUNG EINER NIERENDIÄT AUF DIE PHOSPHATKONZENTRATION IM PLASMA VON KATZEN MIT CHRONISCHER NIERENINSUFFIZIENZ (STADIUM II UND III) Barber et al., J Small Anim Pract, 1999, Reproduktion mit Zustimmung des Verlages Blackwell Publishing

ABBILDUNG 9B – AUSWIRKUNG EINER NIERENDIÄT AUF DIE PTH-KONZENTRATION IM PLASMA VON KATZEN MIT CHRONISCHER NIERENINSUFFIZIENZ (STADIUM II UND III) Barber et al., J Small Anim Pract, 1999, Reproduktion mit Zustimmung des Verlages Blackwell Publishing 350

3,00

Plasmaphosphatkonzentration (mmol/l)

Nieren

A: Mineralisation der Aorta thoracica bei einer 20 Jahre alten Katze mit chronischer Niereninsuffizienz (urämisches Stadium).

die Überlebensrate zu untersuchen. Als Kontrollgruppe fungierten jene Katzen, deren Besitzer eine Fütterung ihrer Tiere mit der speziellen Nierendiät verweigert hatten, und die daher ihre gewohnten Rationen erhielten. Insofern ist das Studiendesign vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht ideal, da die Studie nicht verblindet und die Kontrollgruppe selbst gewählt war.

NS 2,50 NS 2,00

1,50

1,00

0,50 Tag 0

p = 0,003

Tag 28 bis 49

p = 0,007

Tag 105 bis 147

Bei den Daten handelt es sich um Mittelwerte von 14 Katzen, die die Nierendiät erhielten (orange), sowie von 8 Katzen, die ihre gewohnte Ration bekamen (blau). Dargestellt ist der Mittelwert plus/minus der einfachen Standardabweichung. Signifikante Unterschiede im Vergleich zu Tag 0 (nach gepaartem t-Test) sind angezeigt (NS= nicht signifikant).

258

Plasmakonzentration von PTH (pg/ml)

3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

Abbildung 8 – Radiologischer Nachweis einer Mineralisation der Gefäße infolge eines Hyperparathyreoidismus bei Katzen mit chronischer Nierenerkrankung.

p = 0,040

300 250 200

NS

150 100 50 0 Tag 0

p = 0,031

Tag 28 bis 49

p = 0,009

Tag 105 bis 147

Bei den Daten handelt es sich um Mittelwerte von 14 Katzen, die die Nierendiät erhielten (orange), sowie von 8 Katzen, die ihre gewohnte Ration bekamen (blau). Dargestellt ist der Mittelwert plus/minus der einfachen Standardabweichung. Signifikante Unterschiede im Vergleich zu Tag 0 (nach gepaartem t-Test) sind angezeigt (NS= nicht signifikant).


3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

> Management des sekundären renalen Hyperparathyreoidismus Aus den Erörterungen zur Pathophysiologie von Hyperphosphatämie und sekundärem renalem Hyperparathyreoidismus ergibt sich logischerweise, dass die Behandlung dieser Patienten zunächst in der Restriktion der Phosphorzufuhr mit dem Futter besteht. Dies kann entweder durch Fütterung von Rationen mit geringem Phosphorgehalt erfolgen oder durch Zusatz von Phosphat bindenden Substanzen zum Futter, wodurch die Bioverfügbarkeit des aufgenommenen Phosphors reduziert wird. Wie durch eine Studie belegt werden konnte, ist es bei Katzen mit spontaner chronischer Nierenerkrankung möglich, die Plasmakonzentrationen an Phosphat und Parathormon durch Fütterung einer speziellen Nierendiät wirksam zu reduzieren (Barber et al. 1999; Abbildung 9). Dabei scheint die Wirkung auf die PTHKonzentrationen nachhaltig zu sein, da diese bei fortgesetzter Phosphatrestriktion weiter sinken, nachdem sich die Plasmaphosphatkonzentration stabilisiert hat (Abbildung 10). Dies ist wahrscheinlich die Folge der Erschöpfung der intrazellulären Phosphatspeicher, die Synthese und Sekretion von PTH beeinflussen. In der Humanmedizin wurden Empfehlungen zur Kontrolle der Plasmaphosphatkonzentration auf der Basis von Expertenmeinungen und klinischen Forschungsergebnissen veröffentlicht (KDOQI 2003). Diese Empfehlungen wurden von einer Gruppe von Veterinärnephrologen für die Verwendung bei Katzen adaptiert und in dieser Form von der International Renal Interest Society (IRIS) für das Management von nierenkranken Patienten in den verschiedenen Stadien der CNI übernommen. - Für Stadium II sollte die Plasmaphosphatkonzentration nach der Behandlung unter einem Wert von 1,45 mmol/l (4,5 mg/dl) liegen, jedoch nicht geringer als 0,8 mmol/l (2,5 mg/dl) sein. Unserer Erfahrung nach konnte bei einer Phosphatkonzentration von unter 1,2 mmol/l (3,72 mg/dl) die chronische Nierenerkrankung betroffener Katzen über einen längeren Zeitraum stabil auf dem Niveau von Stadium II gehalten werden.

Nieren

- Für Stadium III sind Phosphatkonzentrationen von < 1,61 mmol/l (5,0 mg/dl) ein realistisches Behandlungsziel. Im fortgeschrittenen Stadium III kann neben der Nierendiät die zusätzliche Gabe von Phosphatbindern erforderlich werden, um dieses Ziel zu erreichen. - Für Stadium IV sind durch die Therapie realistischerweise wahrscheinlich nur Werte unter 1,93 mmol/l (6,0 mg/dl) zu erzielen, wobei dies wohl kaum allein durch die Phosphatrestriktion zu erreichen ist.

ABBILDUNG 10 – WIRKUNG DER NIERENDIÄT AUF DIE VON PHOSPHAT (BLAU) UND PTH (ORANGE) BEI EINER NIERENERKRANKUNG Barber, 1999

PLASMAKONZENTRATION KATZE MIT CHRONISCHER

500 2,5 400 2 300 1,5 200

1

100

0,5

Phosphatkonzentration im Plasma (mmol/l)

PTH-Konzentration im Plasma (pg/ml)

3

0

0 0

200

400

600

Zeit (Tage)

Zu beachten ist, dass sich die Phosphatkonzentration sehr rasch stabilisiert, während die PTH-Konzentration weiterhin sinkt, um nach fast 400 Tagen diätetischer Therapie Werte im Referenzbereich (2,5 bis 20 pg/ml) zu erreichen.

259


3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

Wie unveröffentlichte Daten aus unserer Forschungsklinik belegen, weisen 55 % der Katzen mit CNI Stadium II sowie 90 % der Tiere mit Stadium III und 100 % der Patienten im Stadium IV der chronischen Niereninsuffizienz (CNI) zum Zeitpunkt der Diagnose Phosphatkonzentrationen von über 1,45 mmol/l (4,5 mg/dl) auf. Eine erneute Analyse der Daten aus der prospektiven Studie zur Auswirkung der Phosphat- und PTH-Kontrolle auf die Überlebenszeiten von Katzen im Stadium II und III der CNI (Elliott et al. 2000) hat Folgendes gezeigt: - Bei Katzen, bei denen die Phosphatkonzentrationen während der ersten Hälfte der Überlebenszeit unter 1,45 mmol/l (4,5 mg/dl) gehalten werden konnten (was bei 18 von 50 Katzen gelang), betrug die mittlere Überlebenszeit 799 Tage (interquartiler Bereich: 569 bis 1383). - Bei Katzen, deren durchschnittliche Phosphatkonzentrationen über dem Wert von 1,45 mmol/l (4,5 mg/dl) lagen, konnte eine durchschnittliche Überlebenszeit von nur 283 Tagen beobachtet werden (interquartiler Bereich: 193 bis 503; Abbildung 11).

ABBILDUNG 11 – ZUSAMMENHANG ZWISCHEN ÜBERLEBENSZEIT UND MITTLEREN PLASMAPHOSPHATKONZENTRATIONEN WÄHREND DER ERSTEN HÄLFTE DER ÜBERLEBENSZEIT nach erneuter Datenanalyse der Studie von Elliott et al. (2000)

Beobachtete Werte Individuelle Daten (95 % CI) Konfidenzintervall (95 % CI) Regressionskurve (95 % Cl) Überlebenszeit (Tage)

900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Plasmaphosphatkonzentration (mmol/l)

Prospektive Studie an 50 Katzen (Elliott et al. 2000). Blutproben wurden während der gesamten Studiendauer alle 2-3 Monate gewonnen. Die durchschnittliche Plasmaphosphatkonzentration wurde für jede Katze während der ersten Hälfte der Überlebenszeit bestimmt und gegen die entsprechende Überlebenszeit aufgetragen. Die lineare Regressionsanalyse zeigt eine exponentielle Relation (R2 0,45).

Diese Daten bestätigen die Extrapolation der Empfehlungen der KDOQI (Kidney Disease Outcome Quality Initiative; 2003) für die Humanmedizin zur Anwendung in der Tiermedizin. Um diese Empfehlungen jedoch zu verifizieren, sind weitere prospektive Studien erforderlich, die speziell auf die Untersuchung des positiven Einflusses von Phosphatkonzentrationen unter 1,45 mmol/l (4,5 mg/dl) bei Katzen mit chronischen Nierenerkrankungen ausgerichtet sein müssen.

Nieren

Unerwünschte Wirkungen der Phosphatrestriktion sind selten. Bei Katzen, die durch die Phosphatrestriktion stabilisiert werden konnten, sollten die Phosphat- und Kalziumspiegel (vorzugsweise ionisiertes Kalzium) routinemäßig alle zwei bis drei Monate gemessen werden, um die Entwicklung einer Hypophosphatämie (< 0,8 mmol/l bzw. 2,5 mg/dl) zu vermeiden. Gelegentlich wurde von einer Hyperkalzämie berichtet (Barber et al. 1998). Dabei handelte es sich um eine echte Hyperkalzämie, da sowohl das ionisierte Kalzium als auch das Gesamtkalzium außerhalb des Referenzbereichs lagen und die PlasmaPTH-Konzentration unter der Nachweisgrenze lag. Die Ursachen für die Hyperkalzämie in diesen Fällen sind nicht bekannt, doch scheint es sich um eine Folge der Phosphatrestriktion zu handeln, da bei Zufuhr größerer Phosphatmengen mit dem Futter sowohl die Kalziumkonzentrationen in den Refernzbereich zurück kehrten als auch die PTH-Spiegel wieder auf messbare Werte anstiegen. Da PTH für einen physiologischen Knochenstoffwechsel notwendig ist, scheint es nicht sinnvoll, die PTH-Sekretion vollständig zu unterdrücken, so dass bei betroffenen Katzen eine etwas geringere Phosphatreduzierung empfohlen wird. Diese kleine Gruppe von Patienten benötigt somit eindeutig keine so drastische Phosphatrestriktion, wie sie die herkömmlichen, für die Mehrzahl nierenkranker Katzen entwickelten Nierendiäten liefern. Dies unterstreicht einmal mehr, wie wichtig es ist, dass jede Therapie auf den einzelnen Nierenpatienten individuell zugeschnitten wird.

Diätetisches Natrium und Nierenerkrankungen

© Dr H. Syme

Natrium ist das wichtigste Kation des extrazellulären Raums und spielt eine entscheidende Rolle für den Blutdruck. Natriumionen werden in der extrazellulären Flüssigkeit und im Plasma durch Osmorezeptoren und die Durstmechanismen, die den Wasserhaushalt regeln, in stabiler Konzentration gehalten. Die Osmolalität des Plasmas wird auf Werten zwischen 280 und 290 mOsm/l stabil aufrechterhalten.

Blutdruckmessung bei einer Katze mithilfe des Doppler-Ultraschalls 260

In der gesunden Niere werden mehr als 99 % des gefilterten Natriums reabsorbiert und in den Blutkreislauf zurücktransportiert. Die Natriumfraktion, die mit dem Harn ausgeschieden wird, kann durch Aldosteron stark beeinflusst werden, da dieses Hormon im letzten Abschnitt des distalen Tubulus bewirkt, dass die Natriumreabsorption in diesem Teil der Niere gesteigert wird. Zwischen der Natriumausscheidung mit dem Urin und dem systemischen arteriellen Blutdruck besteht eine exponentielle Relation. Ein geringer Anstieg des arteriellen Blutdrucks verursacht bei der gesunden Niere eine deutliche Steigerung der Natriumausscheidung mit dem Harn. Dies wird durch die Hemmung der Aldosteronsekretion (verringerte Aktivität des Renin-Angiotensin-Systems) sowie durch die Wirkung natriuretischer Faktoren auf die Niere im Sinne einer funktionellen Antagonisierung von Aldosteron bewirkt (z.B. atriale natriuretische Peptide, endogene digitalisähnliche Faktoren).


Luckschander et al. 2004 160

Testdiät: 0,91 % Natrium (TM)

140 120 100 80

Kontrolldiät: 0,43 % Natrium (TM)

60 40 20

In einer Querschnittsstudie an Katzen in unterschiedlichen Stadien der CNI hat sich gezeigt, dass die fraktionierte Ausscheidung von Natrium mit abnehmender Nierenfunktion anstieg (Abbildung 13; unveröffentlichte Daten aus der Studie von Elliott et al. 2003a). Die Interpretation der fraktionierten Ausscheidung von Natrium auf der Basis einer einzelnen punktuellen Harnprobe sollte mit Vorsicht erfolgen, da es bei ein und demselben Tier eine signifikante Variabilität im Zeitverlauf zu geben scheint (Adams et al. 1991; Finco et al. 1997). Verlässlichere Resultate wären durch die Analyse von 24-Stunden-Harn einer Katze zu erzielen, doch ist dies in der klinischen Praxis kaum durchführbar. Zudem ist das in Abbildung 13 dargestellte Ausscheidungsmuster möglicherweise durch die Tatsache verzerrt, dass diese Katzen verschiedene Arten von Futter erhielten. Trotz dieser methodologischen Mängel der genannten Studie scheint die fraktionierte Ausscheidung von Natrium im fortgeschrittenen Stadium der chronischen Nierenerkrankung doch höher zu sein; dabei handelt es sich offenbar um adaptive Veränderungen der noch verbliebenen funktionellen Tubuli, die bestrebt sind, einen höheren Anteil der Filtrationslast an Natrium auszuscheiden. Ein Unterschied in den Natriumkonzentrationen im Plasma war bei den Katzen in den verschiedenen Stadien der CNI nicht festzustellen, doch waren die Plasmakonzentrationen an Chloridionen bei den Tieren im fortgeschrittenen

Nieren

0 Spezielle klinische Nierendiäten weisen tendenziell niedrigere Natrium1. Versuchsphase 2. Versuchsphase gehalte auf als normales Alleinfutter für gesunde Katzen, die jedoch mit etwa 2 mmol/kg/Tag (46 mg/kg/Tag) immer noch zwei- bis viermal soviel Die gesunden Katzen wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Natrium enthalten, wie die Empfehlungen des National Research CounGruppen eingeteilt, von denen die erste Gruppe die Kontrolldiät cil (NRC) zur täglichen Na-Aufnahme vorschreiben (0,4 bis 0,9 und die zweite Gruppe die Testdiät mit dem mäßig erhöhten mmol/kg/Tag bzw. 9,2 bis 20,7 mg/kg/Tag; Yu und Morris 1999). Bei FütteNatriumgehalt erhielt. Nach der ersten Versuchsphase von zwei rung eines handelsübliches Standardfutter beträgt die tägliche Na-Zufuhr Wochen folgte eine Woche Wash-out, danach erhielt jede Gruppe zwischen 4 und 6 mmol/kg/Tag (92 bis 138 mg/kg/Tag; Tabelle 4). Der die jeweils andere Diät für weitere zwei Wochen. Wie die geringere Natriumgehalt der Nierendiäten basiert auf der Tatsache, dass Nachuntersuchungen der Tiere zeigten, hatte die natriumreichere die Fähigkeit des Organismus, Natrium auszuscheiden, mit zunehmendem Diät bei gesunden Katzen keinerlei Blutdruck erhöhende Wirkung. Verlust an funktionsfähigen Nephronen sinkt. Erfolgte daher bei nierenkranken Katzen keine Anpassung des Natriumgehalts in der Ration, würde sich das Risiko für eine Hypertonie erhöhen. In der veterinärmedizinischen Fachliteratur finden sich keine Publikationen, die eine vorteilhafte Wirkung der reduzierten Natriumzufuhr mit dem Futter auf den Blutdruck von nierenkranken Katzen belegen würden.

ABBILDUNG 13 – FRAKTIONIERTE AUSSCHEIDUNG VON NATRIUM BEI GESUNDEN KATZEN UND BEI KATZEN MIT CHRONISCHER NIERENERKRANKUNG ZUM ZEITPUNKT DER DIAGNOSE Falldaten aus der Studie von Elliott et al. 2003a

TABELLE 4 – NATRIUM-ERHALTUNGSBEDARF GESUNDER KATZEN National Research Council 2006

10

Empfohlener Natriumgehalt (mg)

mg/kg TM

mg/1000 kcal ME

mg/kg KM0,67

mg/kg TM

mg/1000 kcal ME

mg/kg KM0,67

650

160

16

680

170

16,7

Sichere Obergrenze (g/kg TM)

> 15 g

mg/kg TM: Menge pro kg Trockenmasse, bei einer Energiedichte von 4000 kcal ME/kg KM: Körpermasse; die Werte in mg/KM0,67 wurden für eine schlanke Katze mit einer Energiezufuhr von 100 kcal x KM0,67 berechnet. ME: umsetzbare Energie

Fraktionierte Natriumausscheidung (%)

Mindestbedarf (mg)

3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

ABBILDUNG 12 – EINFLUSS DES NATRIUMGEHALTS DER NAHRUNG AUF DEN BLUTDRUCK VON GESUNDEN KATZEN Durchschnittlicher arterieller Blutdruck (mmHg/Katze/Tag)

Eine Katze mit gesunden Nieren kann somit die unterschiedlichsten Natriumgehalte im Futter gut tolerieren, ohne dass dies den arteriellen Blutdruck beeinträchtigt. Im Zusammenhang mit der Urolithiasis bei Katzen besteht eine therapeutische Strategie darin, die Neigung zur Steinbildung durch erhöhte Gehalte an Natrium zu reduzieren, da dadurch größere Harnmengen produziert werden und die Katze infolgedessen mehr trinkt, um diese Flüssigkeitsverluste zu kompensieren. Dadurch werden die Kalzium- und Magnesiumkonzentrationen im Harn reduziert und das Risiko der Steinbildung gesenkt. Gesunde Katzen, die diese Diäten erhalten, zeigen keinerlei Tendenz zu einer Blutdruckerhöhung (Buranakarl et al. 2004; Luckschander et al. 2004; Abbildung 12).

9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

Gesund

Stadium II Stadium III Stadium IV CNI-Stadien nach IRIS

261


3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

Stadium der Erkrankung (entsprechend Stadium IV nach IRIS; Elliott et al. 2003a) niedriger, was möglicherweise mit der Entwicklung einer metabolischen Azidose in Zusammenhang steht (siehe weiter unten). Dennoch gibt es Katzen mit spontaner CNI, die eine hochgradige Hypertonie aufweisen. Tabelle 14 zeigt die unterschiedlichen Blutdruckwerte von 103 Katzen zum Zeitpunkt der Diagnose der Nierenerkrankung (Syme et al. 2002a). Nach Klassifikation dieser Tiere gemäß dem Staging-System der International Renal Interest Society (IRIS) besteht bei den betroffenen Katzen folgendes Risiko: • minimales Risiko (< 150 mmHg) – 62/103 oder 60 % • geringes Risiko (150 bis 159 mmHg) – 10/103 oder 10 % • mäßiges Risiko (160 bis 179 mmHg) – 15/103 oder 14,5 % • hohes Risiko (> 180 mmHg) – 16/103 oder 15,5 % Bei dieser Untersuchung handelte es sich um eine Querschnittsstudie, die sich nicht mit der Fragestellung auseinandersetzte, ob der Blutdruck bei Katzen mit zunehmendem Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung steigt. Wenn man davon ausgeht, dass die Natriumretention bei CNI-Patienten mit der Zeit infolge der Unfähigkeit, die täglich mit dem Futter aufgenommenen Natriummengen auszuscheiden, zunimmt, so sollte mit fortschreitender Erkrankung auch ein Blutdruckanstieg zu erwarten sein. Syme et al. (2002a) stellten jedoch fest, dass die Plasmakreatininkonzentration keinen Risikofaktor für einen erhöhten Blutdruck darstellt – in anderen Worten, der Blutdruck schien bei Katzen mit hochgradiger chronischer Nierenerkrankung nicht höher zu sein. Tatsächlich befanden sich die meisten Katzen mit einem hohen Hypertonierisiko in Stadium II oder im frühen Stadium III der IRIS-Klassifikation. Die Interpretation dieser Daten ist jedoch nicht unproblematisch, da der Blutdruck bei Katzen im Stadium IV auch einfach deshalb nicht erhöht sein kann, weil die Tiere dehydriert sind.

Nieren

Syme (2003) analysierte in seiner Longitudinalstudie die Daten einer Population von Katzen mit chronischer Nierenerkrankung unter dem Aspekt, ob der Blutdruck der Tiere ab dem Zeitpunkt der Diagnose der CNI ansteigt. Um den Einfluss von exogenen Faktoren auszuschließen und nur die Auswirkungen der Chronizität der CNI beurteilen zu können, wurden die Einschlusskriterien für die Teilnahme an der Studie sehr eng gefasst. Die insgesamt 55 Katzen wurden über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten überwacht. Bei sieben der Tiere stieg der Blutdruck so stark an, dass eine Behandlung erforderlich wurde (systolischer Blutdruck dauerhaft über 175 mmHg). Bei 17 der 55 Katzen schritt die chronische Nierenerkrankung im Laufe des Beobachtungszeitraum fort (mehr als 20%iger Anstieg der Kreatininkonzentration im Plasma), während 38 Tiere keine Progression aufwiesen. Die kumulative Risikorate für einen therapiepflichtigen Blutdruckanstieg zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen den Katzen mit bzw. ohne progrediente CNI. Betrachtet man die gesamte Patientengruppe, so war ein signifikanter Blutdruckanstieg im Laufe der Zeit zu beobachten (0,38 [0,2 bis 0,56] mmHg/Monat; p < 0,001; wiederholte Messungen, lineares gemischtes Modell für longitudinale Daten). Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass der Blutdruck bei Katzen mit spontaner chronischer Niereninsuffizienz mit der Zeit schrittweise ansteigt. Dieses Phänomen scheint jedoch, wie durch wiederholte Messungen der Plasmakreatininkonzentration belegt wurde, nicht mit nachlassender Nierenfunktion in Zusammenhang zu stehen. Um allerdings sicherzugehen, dass sich die Nierenfunktion bei den nicht-progredienten Fällen nicht doch im Laufe der Zeit verändert, sind sensitivere Messverfahren erforderlich, mithilfe derer die Nierenfunktion genauer beurteilt werden kann (z.B. durch Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate GFR).

ABBILDUNG 14 – AUFTEILUNG DER BEI 103 KATZEN MIT CNI GEMESSENEN WERTE FÜR DEN SYSTOLISCHEN BLUTDRUCK nach Syme et al. (2002a) 25

Häufigkeit

20

15

10

5

0 90

100

110

120

130

140

150

160

170

Blutdruck (mmHg)

262

180

190

200

210

220

230

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Ross et al. (2006) in ihrer prospektiven Studie zum Einfluss der Nahrung auf die spontane chronische Nierenerkrankung. Bei sieben der insgesamt 45 Katzen dieser Studie entwickelte sich eine systemische arterielle Hypertonie (systolischer Blutdruck von über 175 mmHg); diese Tiere benötigten während des folgenden Beobachtungszeitraums von zwei Jahren eine medikamentelle Therapie der Hypertonie, obwohl ihr Blutdruck zu Beginn der Studie normal gewesen war. Über einen generellen Effekt der Nierendiät im Hinblick auf den Blutdruck dieser Katzen wurde nichts berichtet. Allerdings scheint eine Nierendiät nicht vor der Entwicklung von Bluthochdruck zu schützen, da fünf der sieben Patienten, deren Blutdruck nachweislich anstieg, eine spezielle Nierendiät erhielten. Die Anzahl der Katzen, die in den beiden Langzeitstudien eine Hypertonie entwickelten, war jedoch zu klein, um zu einer wissenschaftlich fundierten, definitiven Schlussfolgerung zu gelangen.


Infundibuläre Netzhautablösung und Retinablutung sekundär nach systemischem arteriellem Bluthochdruck bei einer Katze

Hypertensive Retinopathie bei einer 15 Jahre alten Europäisch-Kurzhaar-Katze

3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

© J. Elliott; Royal Veterinary College, London

© A. Régnier; Abteilung für Ophthalmologie der École Nationale Vétérinaire de Toulouse

© Rebecca Elks, Royal Veterinary College, London

ABBILDUNG 15 – SEKUNDÄRSCHÄDEN INFOLGE HOCHGRADIGER HYPERTONIE BEI KATZEN MIT CHRONISCHEN NIERENERKRANKUNGEN

Konzentrische Hypertrophie des linken Ventrikels bei einer Katze mit chronischer Nierenerkrankung und Hypertonie (post mortem entnommene Gewebeprobe)

Nieren

Aus den vorstehenden theoretischen Überlegungen heraus erscheint eine Natriumrestriktion für Katzen mit spontanen chronischen Nierenerkrankungen logisch und sinnvoll. Dennoch fehlen Untersuchungen, die den Nutzen dieser Maßnahme für die Blutdruckkontrolle oder das Fortschreiten der Niereninsuffizienz belegen würden. Syme (2003) untersuchte die Wirkung einer Nierendiät auf den Blutdruck von Katzen mit spontaner CNI. Da jedoch alle Tiere eine Standardnierendiät erhielten, handelte es sich dabei um eine unkontrollierte Studie. Außerdem waren unter der Versuchsgruppe keine Katzen mit hohem Risiko einer Endorganschädigung infolge hohen Blutdrucks (Abbildung 15), da solche Fälle bereits eine entsprechende medikamentelle Hypertonietherapie erhielten. Nach zweifacher Blutdruckmessung wurde auf die Nierendiät umgestellt, und weitere Messungen erfolgten zweimal während der Diätdauer (4 bis 12 Wochen). Aus den Blutdruckmessungen vor der Diät und während der Diät wurden die durchschnittlichen Werte ermittelt. Der Nachweis, dass die Nierendiät von den Katzen wirklich aufgenommen wurde, erfolgte durch Messung der Phosphatkonzentration im Plasma, die tatsächlich signifikant sank (1,55 ± 0,53 mmol/l im Vergleich zu 1,31 ± 0,32 mmol/l; 4,8 ± 1,64 mg/dl versus 4,04 ± 0,99 mg/dl; n = 28). Veränderungen in den Plasmakonzentrationen von Natrium oder Kalium als Folge der Diät konnten nicht festgestellt werden. Der systolische Blutdruck veränderte sich nach Umstellung auf die Diät ebenfalls nicht (139 ± 24 mmHg im Vergleich zu 141 ± 32 mmHg; n = 28). Die Sensitivität der Studie, auch nur 10%ige Blutdruckveränderungen zu entdecken, lag Berechnungen zufolge bei 90 %. Bei einer Untergruppe von Katzen wurden sowohl vor Beginn der Studie als auch während des Diätzeitraums zusätzlich die Aldosteronkonzentration und die Plasma-ReninAktivität (PRA) bestimmt. Die Plasmakonzentrationen von Aldosteron waren höher, wenn die Katzen die Nierendiät fraßen (vor der Diät: 73 [43 - 105] pg/ml; während der Diät: 123 [65 - 191] pg/ml; n = 22). Ähnliche Veränderungen waren auch bei der Plasma-Renin-Aktivität zu beobachten (vor der Diät: 0,53 [0,17 1,11] ng/ml/h; während der Diät: 0,75 [0,21 - 1,38] ng/ml/h). Beide Werte bewegten sich jedoch sowohl vor als auch während der Diät stets innerhalb des Referenzbereiches (abgeleitet von alten gesunden Katzen, die handelsübliches Alleinfutter für Katzen erhielten). Ergebnisse aus einer Modellstudie an teilweise nephrektomierten Katzen (Restnierenmodell; Buranakarl et al. 2004) sprechen dafür, dass eine Reduzierung der Natriumzufuhr mit der Nahrung möglicherweise eine Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) bewirkt, was zu einem akuten Abfall der Kaliumionenkonzentration im Plasma führt und keinerlei vorteilhafte Wirkung auf den arteriellen Blutdruck ausübt. Bei dieser Studie erhielten drei Gruppen von Katzen während sieben Tagen jeweils eine von drei verschiedenen Diäten (mit einem Natriumgehalt von 0,34 %, 0,65 % bzw. 1,27 %, was 50, 100 bzw. 200 mg pro Kilogramm Körpermasse oder 0,5 g, 1,4 g bzw. 2,8 g Natrium pro 1000 kcal entspricht); der niedrigste Gehalt entspricht dem Natriumgehalt vieler Nierendiäten. Die drei Gruppen setzten sich aus folgenden Tieren zusammen: - Kontrollkatzen mit normaler Nierenfunktion (junge adulte Katzen) - teilweise nephrektomierte Katzen (11/12-Nephrektomiemodell) - Katzen mit bilateraler partieller Nephrektomie, wobei eine Niere mit Seide und Cellophan umwickelt war („Renal wrap hypertension model”; Mathur et al. 2004). 263


3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

ABBILDUNG 16 – AKTIVIERUNG DES RENIN-ANGIOTENSIN-ALDOSTERON-SYSTEMS (RAAS)

Während der Fütterungsstudie erhielten die Katzen aller drei Gruppen eine blutdrucksenkende Therapie mit Amlodipinbesilat, um die Entwicklung einer hypertensive Enzephalopathie zu vermeiden.

Bei jeder dieser beiden Modellstudien entwickelten die Katzen eine Niereninsuffizienz, begleitet von erhöhtem Blutdruck, und zwar in ähnlicher Weise, wie dies bei spontaner CNI vorkommt. Im Vergleich Renin zur Kontrollgruppe kam es zur Aktivierung des Renin-AngiotensinAngiotensin I Aldosteron-Systems (RAAS; Abbildung 16) mit erhöhter PlasmaAngiotensin converting Renin-Aktivität (PRA; zwei- bis sechsfach) sowie zu deutlich erhöhenzyme (ACE) ten Aldosteronkonzentrationen (4- bis 25-mal höher als bei den KonVasokonstriktion Angiotensin II trolltieren), vor allem bei den Katzen des „Renal wrap hypertension“Modells. Katzen mit spontaner CNI und Blutdruckwerten, die mit einem minimalen bis mäßigen Risiko einer Zielorganschädigung Argininvasopressin Aldosteron behaftet sind (bis zu 175 mmHg), neigen im Vergleich zu Kontroll(ADH) katzen vergleichbaren Alters und ähnlicher Ernährung zu normalen bis verminderten PRA-Werten. Auch die Aldosteronkonzentrationen bleiben bei diesen Tieren in der Regel im Referenzbereich und Retention von Natrium Vasokonstriktion unterscheiden sich nur nicht-signifikant von jenen gleich alter Konund Wasser Wasserretention trollkatzen (Syme et al. 2002b). Eine deutliche Aktivierung des RAASystems ist allerdings bei Patienten mit instabiler spontaner chronischer Niereninsuffizienz im Stadium IV zu beobachten (Syme 2003). Es zeigt sich somit, dass es bei den Katzen des 11/12-Nephrektomiemodells und den Tieren des „Renal wrap hypertension”-Modells offenbar zu einer signifikant gesteigerten RAAS-Aktivierung kam; dieses Ergebnis ist für Katzen mit spontaner CNI der Stadien II und III mit keiTABELLE 5 – BEOBACHTUNGEN, ner oder nur geringer bis mäßiger Blutdruckerhöhung nicht relevant, so dass diese Modelle für Patienten mit DIE ZWEIFEL HINSICHTLICH DES NUTZENS spontaner CNI generell von fraglicher Relevanz zu sein scheinen. Angiotensinogen

Nieren

EINER ROUTINEMÄßIGEN

NATRIUMRESTRIKTION IM FUTTER FÜR KATZEN MIT CNI AUFKOMMEN LIEßEN

• Die dauerhafte Fütterung von Rationen mit übermäßig hohem Natriumgehalt erzeugt bei Katzen mit normaler Nierenfunktion keine Hypertonie. • Die Reduzierung der Natriumzufuhr in experimentellen Hypertonie-Modellen (mit RAAS-Aktivierung) führt zu vermehrten Kaliumverlusten mit dem Harn und damit zu geringgradiger Hypokaliämie mit weiterer Aktivierung des RAAS. • Bei denselben Modellstudien zu CNI und Hypertonie tolerierten die Katzen eine Erhöhung des diätetischen Natriumchlorids bis auf Gehalte von 200 mg/kg KM während sieben Tagen (Rationen mit 1,27 % Natrium, d.h. 2,8 g Natrium pro 1000 kcal), ohne dass es zu einer Blutdruckerhöhung kam; diese diätetische Manipulation hemmt die Sekretion von Renin und Aldosteron. • Die pathologische Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems kann sich bei manchen Modellen der Nierenerkrankung von Katzen (Mathur et al. 2004), aber auch von anderen Spezies, schädlich auf die Nierenfunktion auswirken und die renale Fibrose verschlimmern.

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Katzen mit spontan auftretender CNI und stark erhöhtem Blutdruck (systolischer Blutdruck von über 180 mmHg, mit einem hohen Risiko einer Zielorganschädigung) weisen eher normale bis verringerte PRAWerte sowie normale oder nur minimal erhöhte Plasmaaldosteronkonzentrationen (Jensen et al. 1997; Syme et al. 2002b). Diese Katzen haben zum Zeitpunkt der Diagnose in der Regel auch geringere Kaliumkonzentrationen im Plasma und sind relativ unempfindlich gegenüber den antihypertensiven Wirkungen von ACEHemmern in Standarddosierung (Littman 1994). Dies spricht dafür, dass die Hypertonie bei diesen Patienten möglicherweise das Resultat einer erhöhten Sekretion und/oder Aktivität des Aldosterons darstellt und nicht über die Aktivierung des RAAS entsteht. Es ist klar, dass bei diesen an hochgradiger Hypertonie leidenden Katzen eine Natriumrestriktion des Futters nicht ausreicht, um den Bluthochdruck in den Griff zu bekommen, sondern dass dieser medikamentell behandelt werden muss. Ob und inwieweit eine Diät mit reduziertem Natriumgehalt bei diesen Patienten die medikamentöse Kontrolle des Blutdruck unterstützen kann, ist an felinen klinischen Patienten noch nicht untersucht worden. Was zudem noch genauer zu erforschen bleibt, ist die Frage, warum manche Katzen mit chronischer Nierenerkrankung eine hochgradige Hypertonie entwickeln und somit ein hohes Risiko für eine Organschädigung aufweisen. Erst wenn dies geklärt ist, wird man auch die Rolle der Natriumrestriktion bei diesen Patienten besser verstehen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die meisten speziell für Nierenpatienten entwickelten Diäten einen im Vergleich zu normalem Alleinfutter für ausgewachsene Katzen reduzierten Natriumgehalt aufweisen. Der Grund dafür liegt in der Annahme, dass es bei verringerter Funktionsfähigkeit der Niere schwieriger wird, die Natriumhomöostase aufrechtzuerhalten und dass in der Folge die Natriumretention zu Bluthochdruck führt. Hypertonie kann jedoch nicht nur die Lebensqualität dieser Katzen beeinträchtigen, sondern schädigt außerdem die noch verbliebenen funktionellen Nephrone, so dass die Nephropathie weiter fortschreitet. Etwa 20 % der Katzen mit spontaner chronischer Niereninsuffizienz haben zum Zeitpunkt der Diagnose einen arteriellen Blutdruck, der ein hohes Risiko für eine Schädigung der Zielorgane (einschließlich einer Nierenschädigung) mit sich bringt. Bei den restlichen 80 % dieser Patienten, die zum Zeitpunkt einer Diagnose keinen gefährlich erhöhten Blutdruck aufweisen, neigt dieser aber dennoch dazu, mit der Zeit ebenfalls langsam zu steigen. Bestimmte Beobachtungen der letzten Zeit haben jedoch Zweifel darüber aufkommen lassen, ob eine routinemäßige Restriktion des Natriumgehalts des Futters für Katzen mit chronischen Nierenerkrankungen tatsächlich sinnvoll ist (Tabelle 5).


Lumen des Sammelrohrs

Blut

ATPase Nukleus

Die Abbildung zeigt die Kaliumkanäle (ROMK1) und Natriumkanäle (ENaC) an der apikalen bzw. luminalen Oberfläche der Zelle sowie den Mineralokortikoidrezeptor (MR) im Zytoplasma der Zelle und die Natrium-Kalium-Pumpe (Na+/K+-ATPase) an der basolateralen (blutseitigen) Membran. Das Epithel ist an der luminalen Oberfläche negativ geladen.

Was den Zusammenhang zwischen chronischer Nierenerkrankung und Hypokaliämie betrifft, scheint die Katze eine Ausnahme darzustellen. Beim Menschen und beim Hund führt der Untergang funktioneller Nephrone zu einem erhöhten Risiko für eine Hyperkaliämie. Bei chronisch nierenkranken Katzen kommt es jedoch, zumindest in 20 bis 30 % der Fälle, zu adaptiven Veränderungen in den verbleibenden funktionsfähigen Nephronen, die eine Überkompensation und einen übermäßigen Verlust von Kalium mit dem Harn bewirken und somit zu einer Hypokaliämie führen (DiBartola et al. 1987; Elliott und Barber 1998); nicht zu beobachten ist dieses Phänomen allerdings bei Katzen in der oligurischen Phase der urämischen Krise. Bei chronischen Nierenerkrankungen scheint die Hypokaliämie auch in Verbindung mit einem erhöhten Risiko für systemischen Bluthochdruck zu stehen (Syme et al. 2002a), was möglicherweise auf die Art und Weise, wie die Niere auf den Verlust funktioneller Nephrone reagiert, zurückzuführen ist. Kalium ist das wichtigste intrazelluläre Kation und zirkuliert im Plasma mit einer Konzentration von etwa 4 mmol/l. Das bedeutet, dass die Bestimmung der Plasmakonzentration von Kalium eine indirekte Methode zur Beurteilung des Kaliumstatus des gesamten Organismus darstellt. Dies liegt vor allem daran, dass Kalium seine Verteilung auf die intrazelluläre und extrazelluläre Flüssigkeit verändern kann, z.B. als Reaktion auf Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts. Kalium wird frei gefiltert und normalerweise wieder großteils über den proximalen Tubulus und die Henle-Schleife resorbiert. Das kortikale Sammelrohr ist der Ort, an dem das Kalium in die Tubulusflüssigkeit abgegeben wird (Abbildung 17). Der Anteil des Kaliums, der ausgeschieden wird, variiert in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren (Tabelle 6).

TABELLE 6 – FAKTOREN, DIE DIE FRAKTIONIERTE AUSSCHEIDUNG VON KALIUM BEEINFLUSSEN • Kaliumaufnahme mit der Nahrung • Kaliumionenkonzentration im Plasma (eine hohe Konzentration stimuliert die Aldosteronfreisetzung aus der Nebenniere) • Aldosteronkonzentration im Plasma • Anzahl verbliebener funktioneller Nephrone und tubuläre Flussrate • Säure-Basen-Status des Tieres (bei Azidose besteht eine Tendenz zu vermehrten Kaliumverlusten mit dem Harn)

Aldosteron wirkt auf die kortikalen Sammelrohre, indem es einen vermehrten Einbau bzw. eine Aktivierung der Kaliumkanäle in der luminalen Membran der tubulären Zellen, durch die die Kaliumionen diffundieren können, verursacht; dies bewirkt einen erhöhten Verlust an Kaliumionen über den Harn. Es kommt dabei zu einem Austausch dieser Kaliumionen gegen Natriumionen, die von der tubulären Flüssigkeit über ebenfalls durch Aldosteron gesteuerte epitheliale Natriumkanäle in die Tubuluszellen diffundieren. Durch die Wirkung von Aldosteron auf die Aktivität der Na+-K+-ATPase in der basolateralen Membran wird das intrazelluläre Kalium in hoher Konzentration, das intrazelluläre Natrium aber in geringer Konzentration gehalten (Natrium-Kalium-Pumpe; Abbildung 17). Dow und Fettman (1992) haben die Hypothese aufgestellt, dass eine Kaliumverarmung zu einem sich selbst erhaltenden Zyklus von Nierenschädigung und fortgesetztem Kaliumverlust führt. Diese Hypothese basiert auf folgenden Elementen: - Klinische Beobachtung eines signifikanten statistischen Zusammenhangs zwischen chronischer Nierenerkrankung und dem Auftreten einer Hypokaliämie (Dow et al. 1989). - Eine spontane chronische Niereninsuffizienz wurde in Verbindung mit der Fütterung einer Harn ansäuernden Diät mit geringem Kaliumgehalt beobachtet. Sobald die Ernährung umgestellt und die Hypokaliämie ausgeglichen wurde, schien sich auch die Nierenfunktion zu bessern (Dow et al. 1987). - In experimentellen Studien wurde beobachtet, dass es bei Fütterung einer kaliumarmen Diät und gleichzeitiger Supplementierung mit Harn ansäuernden Substanzen (Phosphorsäure) zu hochgradiger Hypokaliämie und metabolischer Azidose, begleitet von einem Absinken der glomerulären Filtrationsrate (GFR), kam (Dow et al. 1990).

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Nieren

Kalium und Nierenerkrankungen

ABBILDUNG 17 – SCHEMATISCHE DARSTELLUNG EINER ZELLE DES KORTIKALEN SAMMELROHRS

3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

Trotz dieser Beobachtungen werden heute die natriumreduzierten Nierendiäten routinemäßig für Katzen mit chronischen Nierenerkrankungen verschrieben. Der klinische Einsatz dieser Diäten scheint jedoch trotz der im Rahmen des Referenzbereichs erhöhten Plasmaaldosteronkonzentrationen (Syme 2003) in keinem Zusammenhang mit einer Verschlechterung der Hypokaliämie (Elliott et al. 2000; Ross et al. 2006) oder der Proteinurie (nicht veröffentlichte Daten) zu stehen. Weitere Langzeitstudien werden in Zukunft noch erforderlich sein, um folgende Punkte zu klären: - ob eine Restriktion der Natriumzufuhr mit der Nahrung in der Lage ist, das geringfügige, aber stetige Ansteigen des Blutdrucks bei Katzen mit chronischen Nierenerkrankungen zu hemmen, und - ob sich eine Natriumrestriktion als ergänzende Maßnahme neben der medikamentellen Therapie potenziell positiv beim Management von Patienten mit hochgradiger Hypertonie auswirkt.


Daten aus Fällen der Studie von Elliott et al. 2003a 300

Fraktionierte Kaliumausscheidung (%)

3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

ABBILDUNG 18 – FRAKTIONIERTE AUSSCHEIDUNG VON KALIUM BEI GESUNDEN KATZEN UND BEI KATZEN MIT CHRONISCHER NIERENINSUFFIZIENZ ZUM ZEITPUNKT DER DIAGNOSE

250

200

150

Diese Hypothese wird gestützt durch den in einer über zwei Jahre laufenden Studie an Katzen erbrachten Nachweis darüber, dass es bei Fütterung einer ähnlich zusammengesetzten Diät (geringer Kaliumgehalt, hoher Proteingehalt, Harn ansäuernd) zur Entwicklung einer Hypokaliämie sowie zu Nierenfunktionsstörungen (klinisch manifest und durch Laboruntersuchungen belegt) und einer Schädigung der Nieren kam (DiBartola et al. 1993). Da bislang jedoch nur wenige gut kontrollierte und ins Detail gehende Studien zu diesem Thema vorliegen, bleibt der kausale Zusammenhang zwischen einem Kaliummangel und einer progredienten Nierenschädigung noch zu beweisen. Während es möglich scheint, eine Nierenschädigung durch langfristiges Füttern einer kaliumarmen ansäuernden Diät hervorzurufen, ist es generell ziemlich wahrscheinlich, dass die Hypokaliämie in Zusammenhang mit einer Nierenerkrankung nur geringgradig ist und eher die Folge als die Ursache der fortschreitenden Niereninsuffizienz darstellt.

100

50

0 gesund

Stadium II

Stadium III

Stadium IV

Die Ausscheidung von Kalium über den Harn (berechnet als fraktionierte Ausscheidung) steigt mit zunehmendem Schweregrad der Nierenfunktionsstörung (Abbildung 18). In manchen Fällen kann die fraktionierte Ausscheidung von Kalium 100 % übersteigen, was ein Zeichen für die Fähigkeit der kortikalen Sammelrohre zur regulativen Steigerung der Kaliumsekretion in Anpassung an den Verlust von Nephronen darstellt. Wie wir bei unseren klinischen Patienten beobachten konnten, kommt eine Hypokaliämie in allen azotämischen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz (CNI) vor:

Nieren

- 30 % (6 von 20) im Stadium IV - 25 % (5 von 20) im Stadium III - 14,3 % (3 von 21) im Stadium II (Elliott et al. 2003a). Wie bereits erwähnt, kann die Beurteilung des Kaliumstatus alleine auf der Basis der Plasmakonzentration von Kalium zu einer Unterschätzung der Prävalenz von Hypokaliämie führen (Theisen et al. 1997). Die höhere Prävalenz in fortgeschrittenen Stadien der CNI steht wahrscheinlich mit der metabolischen Azidose in Zusammenhang, die in diesen Stadien mit größerer Wahrscheinlichkeit besteht. Unserer Erfahrung nach handelte es sich bei dem Futter, das die mit Hypokaliämie in der Klinik vorgestellten Katzen erhielten, um Standardalleinfuttermittel, deren Kaliumgehalte in keiner Weise reduziert waren. Zudem war die Hypokaliämie in jenen Fällen relativ geringgradig (Plasmakaliumkonzentrationen von 3,0 bis 3,4 mmol/l bei einem Referenzbereich von 3,5 bis 5,5 mmol/) und in der Regel nicht von manifesten klinischen Symptomen begleitet (wie z.B. hochgradiger Muskelschwäche). Bei diesen Katzen zeigte sich nach Kaliumsupplementierung eine merkliche klinische Besserung, mit einer Steigerung von Appetit und Aktivität. Veränderungen der Nierenfunktion (beurteilt durch Serienbestimmungen der Plasmakreatininkonzentration) können Beobachtungen zufolge allein durch die Kaliumsupplementierung jedoch nicht erreicht werden. In der Humanmedizin konnte in manchen, jedoch nicht allen Studien eine inverse Korrelation zwischen Kaliumgehalt der Nahrung und Blutdruck beobachtet werden (Reed et al. 1985; Walsh et al. 2002). Wie randomisierte kontrollierte klinische Studien gezeigt haben, verringert sich beim Menschen unter Kaliumsupplementierung sowohl der diastolische wie auch der systolische Blutdruck (Whelton et al. 1997). Die Beobachtung, dass eine niedrige Kaliumkonzentration im Plasma bei Katzen mit CNI das Hypertonierisiko erhöht, hat uns dazu veranlasst, eine randomisierte kontrollierte klinische Studie an Katzen durchzuführen; Ziel dieser Studie war die Untersuchung der Wirkung einer Kaliumsupplementierung auf den Blutdruck von Katzen mit spontaner chronischer Nierenerkrankung (Elliott und Syme 2003). Untersucht werden sollte vor allem der Effekt von Kaliumgaben hinsichtlich des allgemeinen Wohlbefindens der Tiere (beurteilt anhand des Körpergewichts) und der Nierenfunktion (beurteilt anhand der Plasmakreatininkonzentration). Die Supplementierung erfolgte mit dem von Katzen besser tolerierten Kaliumglukonat, das in einer Dosierung von 2 mEq zweimal täglich verabreicht wurde. Als Vergleichssubstanz für diesen Futterzusatz diente Maisstärke und nicht ein anderes Salz des Glukonats, da Glukonat ein Vorläufer von Bikarbonat ist und somit möglicherweise dazu beitragen könnte, die intrazellulären Kaliumspeicher dadurch aufzufüllen, dass die subklinische metabolische Azidose (die den Kaliumverlust verschlimmert) dabei aufgehoben wird. Bei dieser Studie handelte es sich um eine prospektive, randomisierte, Plazebo kontrollierte Kreuzstudie, bei der jede Phase drei Monate dauerte. In die Studie aufgenommen wurden Katzen mit chronischer Nierenerkrankung im Stadium II oder III, die davor während drei Monaten eine gleichbleibende Diät erhalten hatten. Zu den Ausschlusskriterien zählten Hypertonie sowie eine Kaliumkonzentration im Plasma von unter 3,0 mmol/l. Insgesamt 17 Katzen wurden nach diesem Protokoll beurteilt. Die Plasmakaliumkonzentration 266


3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

war bei den Tieren, die eine Kaliumsupplementierung erhielten, signifikant höher als bei der Kontrollgruppe (4,35 [4,21-4,66] im Vergleich zu 4,16 [3,92-4,38] mmol/l). Gleiches war beim Harn-pH-Wert zu beobachten (6,08 [5,66-6,51] im Vergleich zu 5,63 [5,42-5,96]). Dies spricht zumindest teilweise für eine gute Compliance bei der Einhaltung der Diät. Keine vorteilhafte Wirkung zeigte die so dosierten Kaliumsupplementierung auf den Blutdruck oder die Nierenfunktion (beurteilt anhand wiederholter Messungen der Kreatininkonzentration im Plasma und der Bestimmung des Urin-Protein/Kreatinin-Verhältnisses). Die Studie basierte auf dem Wunsch der Besitzer nach einer Behandlung ihrer nierenkranken Katzen; die Tatsache, dass eine Katze die Aufnahme des (mit Kaliumglukonat bzw. mit dem Plazebo) supplementierten Futters verweigerte, stellte jedoch den Hauptgrund dafür dar, dass Katzenbesitzer den Versuch abbrachen.

Nieren

Zusammenfassend kann festgestellt werden: - Bei Katzen mit CNI kommt es als Reaktion auf den Untergang von Nephronen zu adaptiven Veränderungen im Sinne einer regulativen Steigerung der Kaliumionenausscheidung. Dies führt in manchen Fällen zu übermäßigen Kaliumverlusten mit dem Harn und somit zu Hypokaliämie. - Eine Hypokaliämie entwickelt sich in etwa 20 % der Fälle und kann in allen Stadien der CNI beobachtet werden. Der Ausgleich dieses Elektrolytmangels bewirkt eine merkbare klinische Besserung, insbesondere bei den Katzen, bei denen die Kaliumkonzentration im Plasma unter 3,0 mmol/l lag. - Zu hochgradiger Hypokaliämie kann es bei Fütterung von Harn ansäuernden Diäten kommen, die nur geringe Gehalte an Kalium aufweisen; diese Diäten werden auch mit der Entwicklung von Nierenschäden in Verbindung gebracht, was, zumindest in Großbritannien, jedoch eine relativ ungewöhnliche Ursache einer Nierenschädigung bei Katzen darstellt. - Die Supplementierung des Futters mit Kaliumglukonat (4 mEq/Katze/Tag) während drei Monaten führte bei Katzen mit spontaner CNI im Stadium II oder III und Plasmakaliumkonzentrationen von über 3,0 mmol/l zu keinem messbaren klinischen Nutzen hinsichtlich Blutdruck oder Nierenfunktion. - Durch Fütterung von Rationen mit erhöhten Kaliumgehalten und nicht-harnsäuernder Wirkung sollte es möglich sein, das Problem einer hypokaliämischen Nephropathie bei Katzen mit chronischen Nierenerkrankungen zu vermeiden. Eine zusätzliche routinemäßige Supplementierung von Nierendiäten mit Kalium scheint in der Mehrheit der Fälle nicht erforderlich zu sein.

Diätetisches Management der Proteinurie Die von Hostetter et al. (1981) aufgestellte Hypothese der intakten Nephrone hat die Forschung zur Progression von chronischen Nierenerkrankungen in den letzten 20 bis 30 Jahren stark beeinflusst. Die Hypothese basiert auf Beobachtungen an Ratten, bei denen die Nierenmasse experimentell verringert wurde, um den bei klinischen Nierenerkrankungen auftretenden Verlust an funktionsfähigen Nephronen zu simulieren. Bei den teilweise nephrektomierten Ratten zeigten sich an den verbliebenen Nephronen verschiedene adaptive Veränderungen. Diese Anpassungen in Reaktion auf einen Verlust von Nephronen scheinen die verringerte Anzahl der filtrierenden Nephronen zu kompensieren (Abbildung 3), werden jedoch als Fehlanpassungen angesehen, da die glomeruläre Hypertonie und die Proteinurie nachweislich zu Glomerulosklerose und zur Degeneration der verbliebenen funktionsfähigen Nephrone führen. Dies war im Modellversuch mit nephrektomierten Ratten besonders deutlich zu sehen, bei denen ein rasches Fortschreiten der Erkrankung und ein enger Zusammenhang mit dem Grad der Proteinurie zu beobachten waren. Ähnliche experimentelle Modelle gibt es auch mit Katzen. Die adaptiven Veränderungen feliner Nephrone nach erfolgter partieller Nephrektomie bestanden in einer Hypertonie der glomerulären Kapillaren in Zusammenhang mit Hyperfiltration und leichter Proteinurie (Brown und Brown 1995). Bei diesem felinen Modell zeigte sich, dass das Fortschreiten des Funktionsverlustes zum Endstadium der Niereninsuffizienz bei Katzen viel langsamer vonstatten ging als im Rattenmodell; dadurch ist es auch schwieriger zu beurteilen, durch welche Interventionen man diese Progression verlangsamen kann. Im Rattenmodell wurde die Proteinurie als Merkmal der fortschreitenden Nierenschädigung betrachtet, und zwar entweder als Marker für die glomeruläre und/oder tubuläre Gesundheit oder als Mediator der tubulären Schädigung. Hyperfiltration und Hypertonie der glomerulären Kapillaren schienen im Restnierenmodell zumindest teilweise durch die lokale Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems gesteuert zu sein. Aufgrund der Vasodilatation der afferenten Arteriolen führt dieses System zur Konstriktion der efferenten Arteriolen sowie zu Hypertonie der glomerulären Kapillaren, was die transglomeruläre Passage der Plasmaproteine (vorwiegend Albumin) verstärkt.

HYPOTHESE DER INTAKTEN NEPHRONE (HYPERFILTRATIONSTHEORIE) 1. Hypertrophie: Die verbliebenen Nephrone nehmen an Größe zu. 2. Hypertonie der glomerulären Kapillaren: Diese Nephrone funktionieren mit erhöhtem kapillaren Druck und steigern damit die Filtrationsleistung. 3. Hyperfiltration: Aufgrund des erhöhten glomerulären kapillaren Drucks steigt die Filtrationsrate pro einzelnem Nephron, was die Verluste durch den Untergang von Nephronen teilweise kompensiert. 4. Erhöhte Mengen an Protein gelangen in das glomeruläre Filtrat und werden mit dem Harn ausgeschieden (Proteinurie). 5. Erhöhte Proteinmengen im Filtrat weisen auf eine glomeruläre Hypertonie hin, überlasten aber auch die tubulären Resorptionsprozesse für Protein. Dies stimuliert die tubulären Zellen zur Sekretion von entzündlichen und profibrotischen Mediatoren in das interstitielle Kompartiment. Dadurch wird möglicherweise eine interstitielle Fibrose und Entzündung gefördert, was zum Fortschreiten der Nierenschädigung beiträgt.

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3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen Nieren

ABBILDUNG 19 – PATHOGENESE DER INTERSTITIELLEN FIBROSE nach Remuzzi und Bertani (1998)

Nierenschädigung

Sekretion von Angiotensin II

Hypertonie der glomerulären Kapillaren

Aktivierung von TGFb

Gesteigerte Filtration von Plasmaproteinen

Hypertrophie der tubulären Zellen

Überladung der Endosome der Zellen des proximalen Tubulus mit Proteinen

Synthese von Kollagen Typ IV

Aktivierung von Entzündungsgenen

systemischer Bluthochdruck

Proteinurie

Das übermäßige Übertreten von Proteinen in das glomeruläre Filtrat ist wahrscheinlich ebenfalls an der Entstehung der Nierenerkrankung beteiligt. Die durch die Glomerula gefilterten Proteine werden normalerweise durch Pinozytose im proximalen Tubulus rückresorbiert. Bei diesem Prozess wird das Proteinmolekül zunächst von einem kleinen Vesikel umgeben, das sich von der Zellmembran abschnürt. Dieser Vesikel verschmilzt dann im Inneren der Zelle mit einem Lysosom, das ein Enzym enthält und das Protein in seine Aminosäuren aufspaltet, die danach wieder an das Plasma abgegeben werden. Bei übermäßigen Mengen an Protein kommt es jedoch zur Überlastung des proximalen Tubulus, und die Zelle wird zur Sekretion einer Reihe von entzündlichen Zytokinen aus der basolateralen Oberfläche stimuliert; zu diesen Zytokinen zählen unter anderem Endothelin-1, MCP-1 (monocyte chemoattractant protein-1) und das Chemokin RANTES, die als Reaktion auf die Proteinurie eine interstitielle Entzündung und Fibrose verursachen (Remuzzi und Bertani 1998; Abbildung 19).

Sekretion von Zytokinen in das Interstitium

Bei chronisch nierenkranken Menschen und Hunden ist die Proteinurie in der Regel stärker ausgeprägt als bei der Katze. So konnte in einer pathologischen Studie gezeigt interstitielle renale Fibrose und Vernarbung werden, dass mehr als 50 % der Hunde mit chronischer Entzündung Niereninsuffizienz offenbar an einer primären pathologischen Veränderung der Glomerula leiden (MacDougall et al. 1986). Bei der Katze besteht das pathologische Muster Die schematische Darstellung illustriert, wie eine interstitielle Fibrose durch eine vorwiegend in einer interstitiellen Entzündung und einer Überlastung der Endosome der Zellen des proximalen Tubulus mit Protein zu Fibrose mit Glomerulosklerose als Folge der CNI und nicht Veränderungen im Phänotyp dieser Zellen führt, in deren Folge es zur Freisetzung so sehr als primärem Krankheitsprozess (Lucke 1968). Provon Zytokinen in das interstitielle Kompartiment kommt (z.B. MCP-1, RANTES teinverluste in den Harn mit einem daraus resultierenden und ET-1). Urin-Protein/Kreatinin-Verhältnis (U-P/C) von über 2 (das in der Regel auf eine primäre glomeruläre Pathologie hinweist) sind bei chronisch niereninsuffizienten Katzen jedoch selten (Lees et al. 2005). Studien haben allerdings verstärkt darauf hingewiesen, dass eine leichte Proteinurie bei diesen Tieren mit einer erhöhten Mortalität, egal welcher Ursache (King et al. 2006; Syme et al. 2006) sowie mit der Entstehung einer urämischen Krise (Kuwahara et al. 2006) in Zusammenhang steht. Die Daten einer dieser Studien sind in Abbildung 20 wiedergegeben (Syme et al. 2006). In dieser langfristigen Follow-up-Studie wurden 94 Katzen von der Erstdiagnose der chronischen Nierenerkrankung an mit 28 gesunden Katzen ähnlichen Alters und 14 Katzen mit Hypertonie (systolischer Blutdruck > 175 mmHg), aber mit Plasmakreatininkonzentrationen im Referenzbereich, verglichen. Anhand der Werte der gesunden alten Katzen wurde ein Referenzbereich für das Urin-Protein/Kreatinin-Verhältnis definiert, bei dem die Obergrenze bei 0,4 lag. Um die Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Proteinurie zum Zeitpunkt des Beginns der Studie zu identifizieren, wurde eine Multivarianz-Regressionsanalyse durchgeführt. Die dabei identifizierten Variablen waren einerseits die Plasmakreatininkonzentration (je höher, desto wahrscheinlicher die Proteinurie) und andererseits der Blutdruck. Eine Analyse der Überlebenschancen erfolgte mithilfe der Cox-Regressionsanalyse. Das Alter der Tiere, die Plasmakreatininkonzentration und die Proteinurie (bestimmt durch das U-P/C) stellten sich dabei als signifikante und unabhängige Risikofaktoren heraus, die mit einer verringerten Lebenserwartung assoziiert waren. In dieser Studie wurde nicht versucht, die genaue Todesursache der Katzen zu ermitteln, da dies bei alten, multimorbiden Tieren allemal sehr schwierig ist. Die Ergebnisse dieser Studie waren noch vor Veröffentlichung der gesamten Arbeit in Form eines Abstracts publiziert und dem American College of Veterinary Internal Medicine (ACVIM) als informative Grundlage für deren Statement zur Proteinurie zur Verfügung gestellt worden (Lees et al. 2005). Es ist nachvollziehbar, dass sich die Proteinurie bei Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz mit zunehmendem Verlust an funktionellen Nephronen (und steigenden Plasmakreatininkonzentrationen) verschlimmert. Dieses Phänomen wurde in Langzeitstudien an Katzen mit progredienter chronischer Nierenerkrankung bestätigt (Hardman et al. 2004). Die Erhöhung des U-P/C verleitet dabei wahrscheinlich zur

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3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

Unterschätzung der Signifikanz der mit zunehmendem Fortschreiten der Erkrankung auftretenden Hyperfiltration. Dies liegt daran, dass mit abnehmender Anzahl funktioneller Nephrone auch die Oberfläche, über die Protein verlorengehen kann, kleiner wird, so dass die Proteinverluste insgesamt tendenziell sinken. Das erwähnte Statement der ACVIM empfiehlt, die Therapie der renalen Proteinurie bei azotämischen Katzen dann zu beginnen, wenn das U-P/C den Wert von 0,4 übersteigt. Gleichzeitig sollte intensiv nach allen möglichen anderen Faktoren gesucht werden, die als Ursache der Proteinurie in Frage kommen bzw. diese verschlimmern können. Zudem ist ein genaues Therapiemonitoring erforderlich, um beurteilen zu können, ob die gewählte Behandlung erfolgreich ist.

> Behandlung der Proteinurie Da die Proteinurie für Katzen mit chronischer Nierenerkrankung einen signifikanten Risikofaktor für verkürzte Überlebenszeiten darstellt, erscheint es nur logisch, dass bei persistierender Proteinurie eine entsprechende Behandlung verschrieben wird. Eine azotämische Katze, bei der sich im Harnsediment zwar keine Hinweise auf eine Entzündung finden, bei der jedoch bei zwei aufeinanderfolgenden Messungen das UrinProtein/Kreatinin-Verhältnis (U-P/C) größer als 0,4 ist, benötigt eine spezifische Therapie. Die nachweislich wirksamste Behandlung der Proteinurie besteht in der Verabreichung von ACE-Hemmern. Benazepril ist in Europa für Katzen zugelassen und konnte im Restnierenmodell bei diesen Tieren die Hypertonie der glomerulären Kapillaren erfolgreich reduzieren (Brown et al. 2001) sowie in einer weiteren klinischen Studie (randomisierte kontrollierte Blindstudie; King et al. 2006) das U-P/C bei niereninsuffizienten Katzen senken. Zu den diätetischen Maßnahmen zur Reduzierung der Proteinurie zählen: • Füttern einer Ration mit reduziertem Gehalt an qualitativ hochwertigem Eiweiß • Supplementierung der Diät mit mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, um deren Anteil im Verhältnis zu den Omega-6-Fettsäuren zu erhöhen

INTERPRETATION DES U-P/C NACH IRIS

> Restriktion der Proteinzufuhr

Anteil der überlebenden Tiere

Ein Problem des in diesen beiden Studien verwendeten Modells war, dass die funktionelle Progression (beurteilt anhand des fortschreitenden Absinkens der glomerulären Filtrationsrate) ungeachtet der gefütterten Diät nicht über einen postoperativen Zeitraum von 12 Monaten belegt ist. In der Studie von Finco et al. (1998) wird berichtet, dass Katzen nach der experimentellen partiellen Nephrektomie eine grenzwertige Proteinurie entwickelten (U-P/C 0,24 bis 0,27), obwohl sie vor dem Eingriff normale Eiweißgehalte im Urin aufgewiesen hatten (U-P/C 0,06 bis 0,08). In dieser Studie waren zwischen den vier Versuchsgruppen keine signifikanten Unterschiede in den U-P/C-Werten zu entdecken,

0,2

0

200

400

600

800

1000

1200

Überlebenszeit (Tage)

Die Daten wurden nach der IRIS-Klassifikation (normal <0,2; grenzwertig 0,2-0,4; Proteinurie >0,4) kategorisiert.

269

Nieren

- U-P/C < 0,2: normal

- U-P/C zwischen 0,2 und 0,4: Bei jeder proteinhaltigen Mahlzeit verändert sich die renale Hämodynamik, und die glomeruläre Filtratigrenzwertig onsrate steigt je nach Menge und Art des aufgenommenen Proteins an. Eine Restriktion der Eiweißzufuhr - U-P/C > 0,4: Proteinurie sollte diese Hyperfiltrationsreaktionen beschränken. Inwieweit die Proteinrestriktion in der Ration ein probates Mittel zur Behandlung der Proteinurie bei Hund und Katze darstellt, wird äußerst kontrovers diskutiert. Im Rattenmodell (Restnierenmodell) zeigte sich diese Strategie sehr erfolgreich, indem eine weitere Nierenschädigung und Verschlechterung der Nierenfunktion nachweislich hinausgezögert werden konnten (Brenner et al. 1982); aufgrund dessen wurde diese Therapieoption auch für andere Spezies empfohlen. Ähnliche Studien wurden später an Katzen durchgeführt, und die Ergebnisse sprachen anfangs für einen positiven Effekt der Proteinrestriktion auf die Glomerula der verbliebenen Restniere (Adams et al. 1993 und 1994). Allerdings war die Ration der VerABBILDUNG 20 – EINFLUSS DES URIN-PROTEIN/KREATININ-VERHÄLTNISSES AUF suchsgruppe nicht nur proteinreduziert (2,7 g/kg/Tag), sondern DIE ÜBERLEBENSZEITEN VON NIERENINSUFFIZIENTEN KATZEN wies auch einen verringerten Energiegehalt auf (56 kcal/kg/Tag) (unter Berücksichtigung aller Todesfälle ungeachtet der Todesursache) als die Diät der Vergleichsgruppe (75 kcal/kg/Tag bei einer ProSyme et al., J Vet Intern Med 2006. Reproduktion genehmigt durch Blackwell Publishing teinzufuhr von 6,8 g/kg/Tag). Außerdem zeigten die Katzen der 1,0 proteinreduzierten Gruppe zum Ende der Studie eine ProteinU-P/C malnutrition mit verringerten Serumalbuminkonzentrationen. In 0,8 < 0,2 einer nachfolgenden Studie zur gleichen Fragestellung wurden 0,2 - 0,4 die Wirkungen von Proteinrestriktion und Energierestriktion klar > 0,4 voneinander getrennt, und es zeigte sich ein deutlich anderes 0,6 Bild: Die Reduzierung des Eiweißgehalts des Futters hatte keinerlei positiven Einfluss hinsichtlich Nierenschädigung und -funkti0,4 on (Finco et al. 1998).


3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

so dass die unterschiedliche Ernährung keinerlei Einfluss auf dieses Verhältnis hatte. In der histologischen Untersuchung der Restnieren zeigte sich jedoch, dass sich die Energierestriktion – und nicht die Proteinrestriktion – positiv auf den Schweregrad der interstitiellen (nicht aber glomerulären) Läsionen ausgewirkt hatte. Die energiereduzierte Ration lieferte zwischen 55 und 58 kcal/kg/Tag, während die energiereichere Diät die Katzen mit 71 bis 73 kcal/kg/Tag versorgte. Die Eiweißaufnahme betrug in der proteinrestriktiven Gruppe 5,2-5,3 g/kg/Tag im Vergleich zu 9 g/kg/Tag bei der Gruppe mit proteinreicher Ernährung. Die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der beiden Studien sind frappierend und werden von Finco et al. (1998) ausführlich erörtert, wobei unter anderem folgende Punkte angesprochen werden: - Unterschiedliche Proteinquelle: Während in der Studie von Adams et al. (1994) vorwiegend tierisches Eiweiß gefüttert wurde, war das Protein in der Studie von Finco et al. (1998) vor allem pflanzlichen Ursprungs. - Kaliumgehalt: Der Kaliumgehalt war in der Studie von Adams et al. (1994) geringer (die Katzen entwickelten bei proteinreicher Diät eine Hypokaliämie). - Fettgehalt: Der Fettgehalt lieferte in der Studie von Adams et al. (1994) den Hauptanteil der Energie.

Nieren

Es ist schwierig, in Extrapolation der Aussagen dieser beiden Studien Empfehlungen zu entwickeln, die hinsichtlich der Ernährung von niereninsuffizienten Katzen im Stadium II und III sichere Gültigkeit haben könnten. Zur Besserung der Proteinurie und der dadurch möglicherweise zu erreichenden Verlangsamung der Progression der Nierenschädigung scheint es wohl am sinnvollsten, Rationen mit hohen Gehalten an tierischem Eiweiß zu vermeiden. Die meisten Nierendiäten, deren Rezeptur einen begrenzten Phosphorgehalt aufweist, vermeiden auch zu hohe Anteile an tierischem Eiweiß. Eine generelle Proteinrestriktion für Patienten in den genannten CNI-Stadien, ohne weitere Veränderungen in der Zusammensetzung der Diät (wie sie üblicherweise in Nierendiäten berücksichtigt werden), ist bei Katzen noch nicht untersucht worden. Wenn man die Erkenntnisse, die bei anderen Spezies gewonnen wurden, auf die felinen Nierenpatienten überträgt, so profitieren Katzen mit relativ hochgradiger Proteinurie (U-P/C >1,0) wahrscheinlich am meisten von einer proteinreduzierten Diät und deren potenziell modifizierenden Wirkungen auf die renale Hämodynamik.

> Supplementierung der Diät mit mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren

Niereninsuffiziente Katzen im Stadium II oder III mit relativ hochgradiger Proteinurie (U-P/C >1,0) profitieren wahrscheinlich am meisten von einer proteinreduzierten Diät und deren potenziell modifizierenden Wirkungen auf die renale Hämodynamik.

© Yves

Die Zusammensetzung von Nahrungsfetten beeinflusst zahlreiche wichtige Parameter wie z.B. die Cholesterolkonzentration im Plasma oder die Struktur der Zellmembranen. Beim Menschen sind Hypercholesterolämie und Hypertriglyzeridämie bedeutende Risikofaktoren für kardiovaskuläre und renale Erkrankungen. Dies scheint bei Katzen nicht der Fall zu sein, zumindest teilweise, da sie nur geringe Mengen an LDL-Cholesterol besitzen, das in seiner oxidierten Form für das Fortschreiten dieser Krankheiten beim Menschen mit verantwortlich ist. Bei Hunden – und möglicherweise auch bei Katzen – besteht jedoch ein gewisses Potenzial für Veränderungen in der Zellmembranstruktur durch Manipulationen des Fettanteils des Futters, insbesondere durch Änderung der Art der verwendeten mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Am besten untersucht ist die Veränderung des Verhältnisses von Omega-6-Fettsäuren (pflanzliche Öle) zu Omega-3-Fettsäuren (Fischöle). Beide Arten von Fettsäuren werden in die Phospholipide der Zellmembranen inkorporiert und dienen als Vorläufer für bestimmte Eikosanoide, die für die Nierengefäße von Bedeutung sind, nämlich Prostaglandin E2 und Thromboxan A2. Eine Veränderung des Verhältnisses v-6:v-3 kann Hypothesen zufolge unter Umständen modifizierend auf die renale Hämodynamik wirken und durch die Begrenzung der bereits beschriebenen Fehlanpassungsprozesse der Niere (Hyperfiltration) einen gewissen Schutz für die Niere bieten. Diese Hypothese wird durch die Ergebnisse einer Restnierenstudie an Hunden mit chirurgischer partieller Nephrektomie gestützt. Bei diesen Tieren konnte durch Fütterung einer Ration mit deutlich erhöhten Gehalten an langkettigen v-3-Fettsäuren der Druck in den glomerulären Kapillaren gesenkt, die Proteinurie reduziert und das Fortschreiten der Verschlechterung der GFR verlangsamt werden (Brown et al. 1998). Im Gegensatz dazu zeigte sich im selben Modellversuch bei Fütterung von hohen Gehalten an v-6-Fettsäuren eine Erhöhung des Drucks in den glomerulären Kapillaren, eine Verschlimmerung der Proteinurie und eine beschleunigte Verschlechterung der glomerulären Filtrationsrate (Brown et al. 2000). Obwohl bei diesen Studien extrem hohe Gehalte an Omega-3- bzw. Omega-6-Fettsäuren eingesetzt wur-

Lance au/RC /Benga l

270


3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

den, bestätigen die Ergebnisse doch, dass es sinnvoll ist, bei Nierendiäten ein vorteilhaftes Verhältnis v-6:v3 herzustellen, was in der Regel durch Zusatz von Fischölen erfolgt. Für Katzen, deren Stoffwechsel von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sehr speziell ist, wurden diesbezüglich noch keine Studien durchgeführt. Die Verwendung von langkettigen Omega-3-Fettsäuren (Eikosapentaensäure, EPA, und Dokosahexaensäure, DHA) ist bei Katzen wahrscheinlich noch viel wichtiger als beim Hund, weil Katzen ein Defizit an Delta6-Desaturase aufweisen. Dieses Prinzip der modifizierten Fettsäurengehalte ist von Herstellern von Nierendiäten für Katzen bereits umgesetzt worden. Eine dieser Diäten wurde im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Blindstudie an Katzen mit spontaner chronischer Niereninsuffizienz (CNI) gefüttert, und es hat sich gezeigt, dass sie besser als Standardfutter in der Lage war, bei Katzen mit Stadium II und III der CNI die Entwicklung einer urämischen Krise zu verhindern; zudem war die Sterblichkeit dieser Tiere aufgrund renaler Ursachen in dem über zwei Jahre reichenden Beobachtungszeitraum merklich reduziert (Ross et al. 2006). Dieser positive Effekt stand jedoch nicht in Zusammenhang mit einer nachweisbaren Reduzierung des Urin-Protein/Kreatinin-Verhältnisses. Die in dieser Studie verwendete Nierendiät zeichnete sich durch Restriktion des Protein-, Phosphat- und Natriumgehalts aus und hatte im Vergleich zu Standardalleinfuttermitteln für ausgewachsene Katzen ein anderes Fettsäurenprofil. Um beurteilen zu können, ob und inwieweit eine Supplementierung der Ration mit Omega-3-Fettsäuren bei Katzen mit Proteinurie wirksam ist und ob diese das Fortschreiten der CNI beeinflussen kann, sind noch weitere Studien erforderlich.

Die vorstehend besprochenen diätetischen Manipulationen stellen die Ausgangsbasis für die Rezepturen der heutigen Nierendiäten dar. Daneben gibt es allerdings noch weitere, neuere Ansätze, deren wissenschaftlicher Hintergrund von den Erkenntnissen bei anderen Spezies extrapoliert wurde. So stehen in der Humanmedizin besonders das Phänomen der Funktionsstörung der Endothelzellen und deren Rolle bei der Progression chronischer Nierenerkrankungen im Zentrum des Interesses. Die Endothelzellen kleiden das gesamte kardiovaskuläre System aus und produzieren beim gesunden Menschen eine Vielzahl von Mediatoren mit folgenden Funktionen: - Aufrechterhaltung einer thromboresistenten Oberfläche - tonische Vasodilatation der darunterliegenden glatten Muskelzellen zur Kompensation der lokal produzierten oder im Kreislauf vorhandenen vasokonstriktiven Mediatoren - Widerstand gegen die Leukozytenadhäsion und –migration in Abwesenheit größerer inflammatorischer Stimuli ABBILDUNG 21 – TYPISCHE MIKROSKOPISCHE - Hemmung einer inadäquaten Proliferation von glatter Muskulatur und FibroVERÄNDERUNGEN BEI FELINER CHRONISCHER blasten

Eine gestörte Funktion der Endothelzellen kann bei Nierenerkrankungen folgende Ursachen haben: - Dyslipoproteinämie im Zusammenhang mit Störungen des Cholesterolstoffwechsels - Akkumulation der Hemmer der endothelialen Nitritoxidsynthase (e-NOS; vorwiegend asymmetrisches Dimethylarginin [ADMA]) infolge verringerter Ausscheidung von ADMA und reduziertem Katabolismus durch Dimethylarginin-Dimethylaminohydrolase (DDAH) aufgrund von oxidativem Stress (Baylis 2006) - verringerte renale Synthese von L-Arginin, dem Aminosäurensubstrat für die Synthese von Nitritoxid durch das Endothel

NEPHRITIS

© Abteilung für Pathohistologie; École Nationale Vétérinaire de Toulouse

TUBULOINTERSTITIELLER

In bestimmten Stadien der chronischen Nierenerkrankung tragen die endothelialen Zellfunktionsstörungen offenbar zur Chronizität und Progression des Krankheitsprozesses bei (Abbildung 21). Als Beispiele seien kongestives Herzversagen, Hypertonie und kardiovaskuläre Komplikationen bei Diabetes mellitus und Nierenerkrankungen genannt. In der Humanmedizin sowie in manchen experimentellen Modellstudien zur CNI weist vieles darauf hin, dass eine gestörte Funktion der Endothelzellen bei systemischer Hypertonie, glomerulären Läsionen, progredienter Proteinurie sowie tubulärer interstitieller Entzündung und Fibrose eine Rolle spielt. In der Humanmedizin stellt eine chronische Nierenerkrankung einen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar, die mit ihren Komplikationen zu den häufigsten Todesursachen zählen.

Atrophie der tubulären Zellen

blassrosa eosinophiler tubulärer Inhalt

interstitielle Fibrose

interstitielles mononukleäres Zellinfiltrat

Die typischen mikroskopisch erkennbaren Charakteristika der felinen chronischen tubulointerstitiellen Nephritis umfassen: interstitielles lymphozytäres-plasmazelluläres Infiltrat, interstitielle Fibrose und Atrophie der tubulären Zellen. Der blassrosa eosinophile tubuläre Inhalt spricht für eine gleichzeitig bestehende glomeruläre Schädigung und einen damit verbundenen tubulären Proteinverlust.

271

Nieren

Weitere diätetische Maßnahmen zur Verlangsamung der Progression der Nierenschädigung


3 - Diätetische Richtlinien für nierenkranke Katzen

ABBILDUNG 22 – DIE FLAVANOLE AUS DER FAMILIE DER POLYPHENOLE

Polyphenole

Flavonoide

Flavonole

Flavanole

Nicht-Flavonoide

Flavanone

Anthocyane

- vermehrter oxidativer Stress, der in Verbindung mit CNI auftritt und Folgendes bewirkt: • reduzierte Bioverfügbarkeit des vom Endothel freigesetzten Nitritoxids • Stimulierung der endothelialen Produktion von profibrotischen, promitotischen und vasokonstriktiven Mediatoren (z.B. Endothelin-1, Thromboxan A2 und Wasserstoffperoxid) Obwohl zur Bedeutung dieser Faktoren für die chronische Niereninsuffizienz der Katze kaum Publikationen vorliegen, wurden einige Daten in Abstracts veröffentlicht, die ebenfalls die durch oxidativen Stress ausgelösten Probleme bei diesen Patienten (persönliche Mitteilung: Braun 2000) und die Akkumulation von ADMA in den Stadien II, III und IV der CNI zum Inhalt haben (Jepson et al. 2008). Dabei zeigte sich eine enge Korrelation zwischen der Plasmakonzentration von ADMA und jener von Kreatinin.

Nieren

Monomere: Catechin, Epicatechin, Epigallocatechingallat Oligomere: Procyanidine Polymere: Tannine

Zur Korrektur der endothelialen Dysfunktion im Zusammenhang mit chronischen Nierenerkrankungen gibt es derzeit einige diätetisch-therapeutische Optionen, wobei allerdings keine an Katzen untersucht wurde, so dass die Die wichtigsten Quellen für Flavanole sind: Kakao, Trauben und vor allem Anwendung dieser Behandlungsformen bei niereninsuffigrüner Tee, in dem 40 bis 50 % der Flavanole in Form von zienten Katzen rein spekulativer Natur ist. Empfohlen werEpigallocatechingallat, einem der biologisch aktivsten Flavanole, vorliegen. den folgende Maßnahmen: - Supplementierung der Nahrung mit L-Arginin, um die Produktion von Nitritoxid (NO) zu stimulieren und damit die durch ADMA induzierte Hemmung zu überwinden - Supplementierung der Nahrung mit Flavanolen (Abbildung 22), die die endotheliale Produktion von NO fördern und die Gesundheit der endothelialen Zellen generell bessern: Durch Abfangen der freien Radikalen üben die Flavanole eine schützende Wirkung in den nekrotischen Arealen aus, die sich in den Glomerula aufgrund des Wechsels zwischen Ischämie und Reperfusion infolge der bei CNI vorliegenden Durchblutungsstörungen entwickeln. Die antihypertensive Wirkung der Flavanole beruht auf mehreren Einzeleffekten: • Entspannung der glatten Muskelfasern (Duarte et al. 1993; Huang et al. 1998): Diese Eigenschaft trägt zur Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate in den verbliebenen funktionsfähigen Nephronen bei. • Stimulierung der endogenen NO-Produktion aus Arginin (Chevaux et al. 1999; Duarte et al. 2002): NO ist für die lokale Vasodilatation verantwortlich. • Hemmung des Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE), das eine wichtige Rolle bei der Vasokonstriktion spielt (Hara et al. 1987; Cho et al. 1993); - Anreicherung der Nahrung mit Antioxidanzien (Vitamin E, Vitamin C, Taurin, Lutein, Lycopin, Betakarotin, etc.), um das Gleichgewicht zwischen Pro- und Antioxidanzien wiederherzustellen und dem oxidativen Stress entgegenzuwirken. In der Humanmedizin ist man weiterhin bestrebt, wirksame Strategien im Kampf gegen die Probleme der endothelialen Dysfunktion zu suchen, und einige der oben genannten Möglichkeiten erscheinen vielversprechend. Die endotheliale Dysfunktion kompliziert eindeutig sowohl die frühen Stadien wie auch das terminale Stadium der CNI, in dem eine Nierenersatztherapie erforderlich ist und kardiovaskuläre Komplikationen die Hauptursache von Morbidität und Mortalität sind. Es bleibt zu untersuchen, ob die genannten Maßnahmen auch bei Katzen wirksam sind, und in welchem Stadium der Erkrankung sich damit die besten Erfolge erzielen lassen.

Die Rolle der Faserstoffe Im Rahmen der diätetischen Therapie der chronischen Niereninsuffizienz werden seit einiger Zeit auch fermentierbare Faserstoffe eingesetzt. Dabei geht man von der Hypothese aus, dass die fermentierbaren Fasern eine Kohlenhydratquelle für die im Gastrointestinaltrakt lebenden Bakterien darstellen, die den Blutharnstoff als die für ihr Wachstum erforderliche Stickstoffquelle heranziehen. Mit zunehmender bakterieller Zellmasse steigt auch die fäkale Stickstoffausscheidung, was angeblich auch die Harnstoffstickstoffkonzentrati272


4 - Therapie des urämischen Patienten

on im Blut senkt. Dennoch bestehen hinsichtlich dieses Konzeptes Bedenken, deren Schwerpunkt auf der Tatsache liegt, dass die klassischen urämischen Toxine im Gegensatz zu Blutharnstoffstickstoff (BUN) als mittelgroße Moleküle zu groß sind, um die Membranbarrieren problemlos passieren zu können. Es ist folglich höchst unwahrscheinlich, dass diese Toxine durch die bakterielle Ammoniakverwertung in ihrer Menge tatsächlich reduziert werden können. Fermentierbare Faserstoffe wirken sich jedoch generell positiv auf die Darmmotilität und die allgemeine Gesundheit des Magen-Darm-Traktes von niereninsuffizienten Tieren aus.

Zusammenfassung Abschnitt 3 dieses Kapitels befasste sich mit den Einzelheiten der diätetischen Maßnahmen und den entsprechend adaptierten Rezepturen von Nierendiäten für Patienten im Stadium II und III der chronischen Niereninsuffizienz. Ob die Fütterung einer solchen Diät noch vor Auftreten klinischer Symptome des urämischen Syndroms sinnvoll ist, wird teilweise kontrovers diskutiert. Hauptziel jeder Behandlung von niereninsuffizienten Katzen ist, das Fortschreiten der CNI zu Stadium IV und darüber hinaus zu verlangsamen. Die wichtigsten diätetischen Prinzipien, die dabei zu beachten sind, beziehen sich auf: - Restriktion der Phosphatzufuhr, - Restriktion der Natriumzufuhr, - Supplementierung mit Kalium, - Restriktion der Proteinzufuhr und Modifikation der Fettzusammensetzung der Diät. Jede dieser Maßnahmen hat sich als wirksam zur Verlangsamung der Progression der Nierenschädigung erwiesen.

Nieren

Der wissenschaftliche Nachweis wurde in zwei prospektiven Studien zu Nierendiäten erbracht, die eindeutig belegen, dass diese Diäten für Patienten im Stadium II und III der CNI zuträglich sind; dies zeigte sich durch verringerte Mortalität (ungeachtet der Ursache; Elliott et al. 2000) sowie durch eine Verlängerung des Zeitraums bis zum Erreichen der urämischen Krise bzw. bis zum Tod der Patienten (Ross et al. 2006). Obwohl in beiden Studien Diäten gefüttert wurden, die in ihrer Rezeptur eine Kombination der oben genannten empfohlenen Modifikationen umgesetzt hatten, so dass nicht klar zu erkennen ist, welche dieser Maßnahmen die für die positive Wirkung entscheidende war, bleibt doch unumstritten, dass eine diätetische Therapie für Katzen im Stadium II und III der chronischen Niereninsuffizienz gut und wichtig ist.

4 - Therapie des urämischen Patienten In diesem Abschnitt soll näher auf den Einsatz von Nierendiäten und Nahrungsupplementen bei Katzen mit urämischem Syndrom eingegangen werden (spätes Stadium III und Stadium IV der CNI). Die durchschnittliche Lebenserwartung von urämischen Katzen liegt bei acht Monaten (Abbildung 23), doch ist dieser Zeitraum unserer Erfahrung nach weitaus kürzer, wenn die Tiere sich bei ihrer ersten Vorstellung beim Tierarzt bereits im ABBILDUNG 23 – DURCHSCHNITTLICHE LEBENSERWARTUNG Stadium der urämischen Krise befinden. In diesen Fällen sollte die diätetische URÄMISCHER KATZEN Therapie ausschließlich auf eine Verbesserung der Lebensqualität der Tiere (N = 28 urämische Katzen) gerichtet sein und nicht auf den Versuch, das Fortschreiten der Erkrankung nach Elliott und Barber 1998 verlangsamen zu wollen. 100 90

Überlebende Katzen (%)

Diese Patientengruppe befindet sich meist in einem instabilen Gesundheitszustand, so dass Folgendes besonders zu beachten ist: 1. Hydratationsstatus: Wichtig ist die Verabreichung der individuell richtigen Menge und Art von Flüssigkeit, um einen adäquat ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt wiederherzustellen. Dies gilt vor allem für Katzen, deren Nierenfunktion sich plötzlich verschlechtert hat und bei denen das Risiko einer urämischen Krise besteht. 2. Ernährung: Jede Futterumstellung muss langsam und schrittweise erfolgen. Zudem muss durch regelmäßige Untersuchungen sichergestellt werden, dass die Patienten auch wirklich auf die Diät ansprechen.

80 70 60

233 Tage (ca. 8 Monate)

50 40 30 20 10 0 0

200

400

600

800

1000

Zeit (Tage)

273


4 - Therapie des urämischen Patienten

Management urämischer Patienten Sobald die stickstoffhaltigen Stoffwechselprodukte übermäßig hohe Mengen erreicht haben, kommt es infolge der Wirkung dieser Substanzen auf die Schleimhäute zu Appetitverlust sowie zu Übelkeit und Erbrechen. Steigt die Harnstoffkonzentration im Plasma über 30 mmol/l (84 mg/dl), wird eine Proteinrestriktion empfohlen, um die Urämie zu begrenzen und die Lebensqualität dieser Tiere zu verbessern. Außerdem muss auf eine adäquate Energiezufuhr geachtet werden; dies ist durch häufige Gewichtskontrollen und Beurteilungen des Body Condition Score sicherzustellen. Die Bestimmung des Harnstoff/Kreatinin-Verhältnisses kann verwendet werden, um die Auswirkung der Nierenfunktionsstörung auf die Harnstoffkonzentration im Plasma zu überprüfen und um festzustellen, ob die Proteinrestriktion den Anfall an stickstoffhaltigen Stoffwechselprodukten erfolgreich reduzieren konnte. Dazu sind für kanine Patienten Referenzbereiche festgelegt worden, während Vergleichbares für Katzen bislang nicht veröffentlicht wurde. Ein sehr hohes Harnstoff/Kreatinin-Verhältnis lässt sich durch mangelnde Compliance von Seiten des Tierbesitzers, aber auch durch Dehydratation, gastrointestinale Blutungen oder einen hypermetabolischen Zustand (Sepsis) erklären. Sehr niedrige Verhältnisse können die Folge von mangelnder Futteraufnahme und Protein-Energie-Malnutrition sein, so dass die körpereigenen Proteine vom Organismus zur Energieversorgung herangezogen werden. Wenn dieser Zustand über längere Zeit persistiert, verliert das Tier signifikant an Körpermasse und entwickelt Muskelschwäche. Dazu kann es bei mangelnder Akzeptanz des Diätfutters kommen, aufgrund derer die Katze unzureichende Nahrungsmengen aufnimmt. In diesen Fällen wäre es kontraproduktiv, die Diät weiterhin anzubieten, so dass nach einer Alternative gesucht werden muss. Um die Präferenzen der Katze herauszufinden, müssen oft viele verschiedene Diäten angeboten werden. Das urämische Syndrom geht häufig mit Veränderungen an der Schleimhaut von Mund, Magen und Darm einher und führt zu Erbrechen, Diarrhoe und Anorexie. Der Zusatz von Natrium-Silizium-Aluminat als Mukosaprotektivum zum Futter kann die Schleimhaut des Verdauungstraktes schützen (Droy et al. 1985).

Nieren

In den fortgeschrittenen Stadien des chronischen Nierenversagens (spätes Stadium IV; Abbildung 24) ist der Appetit der Tiere meist nicht mehr ausreichend, um eine adäquate Energie- und Nährstoffzufuhr zu gewährleisten, so dass es eine Protein-Energie-Malnutrition unvermeidlich ist, es sei denn, man ernährt diese Patienten per Nahrungssonde (siehe Kapitel 14, Ernährung von Intensivpatienten). Manche Katzenbesitzer betrachten dies allerdings als inakzeptabel und bevorzugen die Euthanasie des Tieres. Neben der Proteinrestriktion als Mittel zur Begrenzung der stickstoffhaltigen Stoffwechselprodukte empfiehlt sich auch der Zusatz von diätetischer Faser/unverdaulichen Polymeren zum Futter, die an diese Abfallprodukte binden und sie über den Verdauungstrakt mit dem Kot ausscheiden. Objektive wissenschaftliche Daten zur Wirksamkeit dieser Maßnahme bei Katzen im Stadium IV der CNI liegen jedoch noch nicht vor. Ein weiteres häufiges Problem von alten niereninsuffizienten Katzen ist die Obstipation, die wahrscheinlich auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist: - Dehydratation, durch die die geringen Kotmengen hart und trocken sind - Muskelschwäche und verringerte Darmmotilität, die durch die Hypokaliämie noch verschlimmert werden - chronische Schmerzen (chronische Osteoarthrose, Knochenschmerz infolge renaler Osteodystrophie) beim Einnehmen der Position zum Kotabsatz und dadurch Widerwille gegen die Defäkation - Hoch dosierte intestinale Phosphatbinder erzeugen Verstopfung als eine der Nebenwirkungen. - Kalziumkanalblocker als Antihypertensiva verringern die intrinsische gastrointestinale Motilität.

© Jonathan Elliott

Die Obstipation kann einen wahren Teufelskreis von Appetitlosigkeit, verminderter Futteraufnahme und in der Folge reduzierter Stimulation der Darmmotilität sowie zusätzlichen Problemen wie Kaliummangel auslösen. Somit sind alle Fütterungsstrategien, die auf eine vermehrte Kotmenge sowie auf weiche, aber geformte Fäzes und die Aufrechterhaltung der normalen Darmmotilität abzielen, für feline Patienten im Stadium IV der chronischen Niereninsuffizienz von Vorteil.

Abbildung 24 – Niere einer 6 Jahre alten Perserkatze, die aufgrund einer Niereninsuffizienz im terminalen Stadium euthanasiert wurde. Im Sektionspräparat zeigt sich das Erscheinungsbild einer polyzystischen Nierenerkrankung. 274


4 - Therapie des urämischen Patienten

Management der metabolischen Azidose und der Hypokaliämie Das Stadium von chronischen Nierenerkrankungen, in dem eine metabolische Azidose und damit assoziierte Probleme in Labortests nachweisbar sind, ist das fortgeschrittene Stadium III bzw. Stadium IV. In einer Studie betrug die Prävalenz der metabolischen Azidose 15 % im Stadium III (3/20) und 52,6 % im Stadium IV (10/19; Elliott et al. 2003a). Dies lässt den Schluss zu, dass die Tiere in früheren Krankheitsstadien in der Lage sind, die mit dem Futter aufgenommene Säure auszuscheiden und geringe Imbalanzen zwischen Aufnahme und Ausscheidung erfolgreich zu kompensieren, so dass keine signifikanten Veränderungen der Bikarbonatkonzentration im Plasma nachzuweisen sind. Der Ort, an dem diese Pufferung höchstwahrscheinlich stattfindet, ist das Knochengewebe. Dies führt zur Freisetzung von Kalzium aus dem Knochen und in der Folge zu renaler Osteodystrophie und einem erhöhten Risiko für die Mineralisation von Weichteilgewebe (Leemann et al. 2003). Der Beitrag der metabolischen Azidose zur renal bedingten Osteopathie ist in der Humanmedizin allgemein anerkannt, bei Katzen aber noch nicht erforscht. Eine Langzeitstudie an Katzen hat gezeigt, dass die metabolische Azidose in Labortests erst nachweisbar war, nachdem sich die Erkrankung vom Stadium II zu Stadium III bzw. IV weiterentwickelt hatte (Elliott et al. 2003b). Ob eine Supplementierung des Futters mit alkalisierenden Substanzen noch vor dieser Phase einer metabolischen Azidose vorbeugen kann, ist nicht bekannt. Eine dreimonatige Verabreichung von Kaliumglukonat blieb jedenfalls ohne Wirkung auf den Knochenstoffwechsel (beurteilt anhand der Messung biochemischer Marker für Knochenaufbau und Knochenabbau; unveröffentlichte Angaben). In fortgeschrittenen Stadien der CNI trägt die metabolische Azidose eindeutig zur Entwicklung des urämischen Syndroms bei und stellt somit ein Problem dar, das unbedingt behandelt werden muss.

Nieren

Die Therapie der metabolischen Azidose besteht in der oralen Gabe von alkalisierenden Substanzen (Tabelle 7). Das Ansprechen auf die Behandlung muss durch regelmäßige Messungen der Bikarbonatkonzentration im Plasma überwacht werden. Ziel ist die Normalisierung der Bikarbonatkonzentration auf Werte im mittleren Referenzbereich. Die Wahl des geeigneten alkalisierenden Wirkstoffs wird neben der Schmackhaftigkeit noch von mehreren anderen Faktoren beeinflusst: Hypertonie (liegt diese vor, sollten natriumhaltige Produkte gemieden werden), Hypokaliämie (in diesen Fällen sind Kaliumsalze zu empfehlen) und Hyperphosphatämie; in letzterem Fall sind Kalziumsalze empfehlenswert, da diese phosphatbindende Eigenschaften haben (wobei jedoch eine Hyperkalzämie vermieden werden muss). Eine metabolische Azidose erhöht das Risiko für eine Hypokaliämie, da Kalium dazu neigt, aus der Zelle auszutreten und letztendlich über den Harn verloren geht. Weitere Kaliumverluste können sich ergeben, wenn die Tiere infolge der metabolischen Azidose zu wenig Nahrung aufnehmen oder erbrechen. Wie schon beschrieben, wäre in diesen Fällen eine Behandlung mit Kaliumglukonat oder Kaliumzitrat angezeigt. Auch der Einsatz von H2-Blockern wie Famotidin (2,5 mg/Katze einmal täglich) kann den Appetit niereninsuffizienter Katzen steigern, indem diese Präparate die Azidität im Magen verringern. Zur Hyperazidität kommt es bei CNI aufgrund der Hypergastrinämie (Goldstein et al. 1998), die sekundär infolge der reduzierten renalen Clearance entsteht.

Management der Hyperphosphatämie Das Ausmaß der Phosphatrestriktion, das erforderlich ist, um die Werte wieder in den Referenzbereich zu bringen, erhöht sich mit dem Schweregrad der Nierenerkrankung. Im fortgeschrittenen Stadium III sowie in Stadium IV reicht eine Nierendiät allein dazu höchstwahrscheinlich nicht mehr aus, und die orale Gabe von Phosphatbindern wird notwendig, um die Phosphatkonzentration im Plasma auf Werte unter 1,9 mmol/l (5,88 mg/dl; Tabelle 8) zu bringen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die Phosphatbinder ihre Aktivität in Verbindung mit dem Futter entwickeln, mit dem sie daher sehr gut vermischt werden sollten, um eine maximale Wirkung zu erzielen. Leider kann sich dadurch die Schmackhaftigkeit des Futters verschlechtern. Nachfolgend einige Empfehlungen zur Verabreichung von Phosphatbindern: - Als initiale Dosis sollten 30 bis 60 mg/kg gewählt werden. - Präparate in Pulver- oder Granulatform sind flüssigen oder gelartigen Darreichungsformen vorzuziehen, da letztere die Akzeptanz des Futters beeinträchtigen. - Das Präparat ist gut mit dem Futter zu vermischen.

275


4 - Therapie des urämischen Patienten

ABBILDUNG 25 – RÖNTGENAUFNAHME EINER KATZE MIT HOCHGRADIGER NIERENINSUFFIZIENZ UND AUSGEPRÄGTEM RENALEM HYPERPARATHYREOIDISMUS

© P.J. Barber

reproduziert nach Barber (1999)

Nieren

Laterale Aufnahme des proxima- Kraniokaudale Ansicht len Abschnitts des Humerus der Tibia Man achte auf die zystischen Veränderungen in beiden Röhrenknochen und die daraus resultierende Verdünnung der Kortikalis. Bei dieser Katze handelt es sich um denselben Patienten wie in Abbildung 6.

ABBILDUNG 26 – TODESURSACHEN VON 50 KATZEN, DEREN KRANKHEITSVERLAUF VON DER DIAGNOSE DER CNI IN STADIUM II UND III AN BIS ZUM TOD VERFOLGT WURDE

Chronische Niereninsuffizienz Kardiovaskuläre Erkrankungen Tumoren Sonstige Ursachen

19 %

- Die Plasmaphosphatkonzentration ist alle vier Wochen zu bestimmen. - Bei Bedarf wird die Dosis erhöht (Verdopplung der Initialdosis bzw. Erhöhung auf die gerade noch tolerierte Dosis) und nach erneuter Kontrolle eventuell nochmals angepasst. - Bei Verabreichung von aluminiumhaltigen Phosphatbindern kann es zu Mikrozytose, Muskelschwäche und Enzephalopathie kommen. - Höhere Dosen an Phosphatbindern sind erforderlich, wenn nur geringe Mengen der Nierendiät aufgenommen werden (oder wenn eine relativ phosphatreiche Ration gefüttert wird) bzw. wenn die chronische Niereninsuffizienz weiter fortschreitet. - Obstipation kann als potenzielle Komplikation bei Verabreichung von hohen Dosen eines Phosphatbinders auftreten. - Die Kalziumkonzentration im Plasma sollte, insbesondere bei Gabe von kalziumhaltigen Phosphatbindern, regelmäßig kontrolliert werden, um der Entwicklung einer Hyperkalzämie vorzubeugen. Je weiter die chronische Nierenerkrankung fortschreitet, desto schwieriger wird es, die Phosphatkonzentration im Plasma unter Kontrolle zu halten und die Katze dazu zu bewegen, freiwillig bedarfsdeckende Futtermengen aufzunehmen. Eine mögliche Lösung für diese Patienten ist die Ernährung über eine Gastrostomiesonde. In diesem Krankheitsstadium ist die Lebensqualität der Tiere in der Regel durch die erhebliche Hyperphosphatämie zunehmend reduziert, da sich die renale Osteodystrophie weiter verschlechtert und nunmehr auch in der Röntgenaufnahme deutlich darstellbar ist (Abbildung 25). Bei Humanpatienten in diesem Stadium wird ein durch die Kalzium- und Phosphorablagerungen in den Gefäßen bedingtes erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen beobachtet. Bei Katzen mit terminaler Niereninsuffizienz waren Herz-Kreislauf-Probleme in etwa 20 % der Fälle die Todesursache (Abbildung 26; laut Daten einer Studie von Elliott et al. 2000).

Prävention von Anorexie und Verlust an Körpermasse Bei betroffenen Tieren ist auf eine ausreichende Energiezufuhr zu achten, um einem Katabolismus endogener Proteine vorzubeugen, da dies zu Malnutrition und Verschlimmerung der Azotämie führt. Der Energiebedarf von Katzen liegt generell bei 50 bis 60 kcal/kg/Tag. Eine individuelle Anpassung der Energieversorgung sollte jedoch auf der Basis regelmäßiger Gewichtskontrollen und der Beurteilung des Body Condition Score erfolgen. Kohlenhydrate und Fette sind nicht-proteinhaltige Energiequellen, wobei Fett etwa doppelt so viel Energie pro Gramm liefert wie Kohlenhydrate. Somit erhöht Fett die Energiedichte der Ration erheblich, so dass Patienten ihren Energiebedarf schon mit geringeren Futtermengen decken können. Das kleinere Volumen der Ingesta minimiert zudem die Magendehnung und reduziert dadurch die Wahrscheinlichkeit von Übelkeit und Erbrechen.

54 %

12 % 15 %

Die Wirksamkeit jeder Nierendiät steht und fällt damit, dass sie die einzige Nahrungsquelle der Tiere darstellt und dass sie kontinuierlich und regelmäßig gefüttert wird. Wichtig ist eine hohe Akzeptanz des Diätfutters, da die kranken Katzen sonst die Aufnahme verweigern. Um eine adäquate Energie- und Nährstoffversorgung zu gewährleisten, muss die Diät zudem einen entsprechenden Energiegehalt aufweisen und hoch verdaulich sein (Abbildung 27). In den fortgeschrittenen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz wird der mangelnde Appetit der Katzen zunehmend zum Problem. Bestimmte Zusätze an mittlerweile im Handel erhältlichen Geschmacksstoffen können die Akzeptanz der Ration verbessern und damit die Futteraufnahme des Tieres erhöhen. Manchmal hilft bereits das Anwärmen des Futters und das Anbieten mehrerer kleiner Portionen über den Tag verteilt, um die Katzen zur bedarfsdeckenden Futteraufnahme zu bewegen. In noch weiter fortgeschrittenen Stadien der CNI, wenn auch diese Maßnahmen nicht mehr helfen, kann eine Supplementierung der geringen Futtermengen mit Vitaminen notwendig werden; dies gilt insbesondere für die wasserlöslichen Vitamine B und C, die vermehrt mit dem Harn verloren gehen. Hinsichtlich eines Vitaminmangels in Zusammenhang mit chronischen Nierenerkrankungen liegen keine belegten Daten vor, doch sind viele Nierendiäten so formuliert, dass sie im Vergleich zu Standardfutter erhöhte Gehalte an den wasserlöslichen Vitaminen aufweisen.

276


Die Ernährung spielt beim Management von niereninsuffizienten Katzen eine entscheidende Rolle. Wichtig dabei sind die individuelle Anpassung der Diät an den Status des einzelnen Patienten und das Verständnis der unterschiedlichen Aufgaben einer Nierendiät in den einzelnen Stadien der Erkrankung. Diese werden nachstehend kurz zusammengefasst.

ABBILDUNG 27 – KÖRPERGEWICHT UND LEBENSERWARTUNG VON KATZEN von Doria-Rose und Scarlett 2000

Optimales Körpergewicht (n = 878) Magere Katzen (n = 222) Kachektische Katzen (n = 38)

Schlussfolgerung

Schlussfolgerung

100

Überlebensrate (%)

Im Stadium II und III der chronischen Niereninsuffizienz verbessern Nie80 rendiäten nachweislich die Überlebenszeiten und begrenzen die Gefahr einer 60 urämischen Krise. Der Schwerpunkt der diätetischen Maßnahmen für diese Patienten liegt dabei auf: 40 - Restriktion der Phosphorzufuhr mit der Nahrung, um eine Überlastung des 20 Organismus mit Phosphat und damit die Entwicklung einer Nephrokalzinose zu verhindern, die die Nieren weiter schädigen würde 0 - Restriktion der Proteinzufuhr, wodurch bei Tieren mit ausgeprägter Protei0 1 nurie (U-P/C >1,0) möglicherweise die zugrunde liegende Hyperfiltration verringert werden kann - Supplementierung der Ration mit Omega-3-Fettsäuren, deren genaue Wirkung bei der Katze jedoch noch näher zu untersuchen ist - Kaliumsupplementierung, die bei hypokaliämischen Katzen erforderlich ist, die allerdings bei normokaliämischen Patienten keinen erkennbaren Nutzen zeigt - Der therapeutische Nutzen einer Natriumrestriktion zur Blutdruckkontrolle muss in weiteren Studien noch geklärt werden.

2

Jahre

3

4

TABELLE 7 – ALKALISIERENDE SUBSTANZEN ZUR DIÄTSUPPLEMENTIERUNG BEI NIERENINSUFFIZIENTEN KATZEN

• Natriumbikarbonat • Kaliumzitrat • Kalziumkarbonat

Dosierungen zwischen 1 und 3 mEq pro kg und Tag sind in der Regel wirksam. Tiere mit renalem tubulärem Azidierungsdefekt benötigen meist höhere Dosen (3 bis 9 mEq/kg/Tag).

Nieren

Im fortgeschrittenen Stadium III bzw. in Stadium IV der CNI kann die Nierendiät die Lebensqualität der Katzen, die bereits in die urämische Phase eingetreten sind, verbessern. Die wichtigsten Punkte der diätetischen Versorgung dieser Patienten sind folgende: - Restriktion des Proteingehalts der Ration, um die anfallenden Mengen an stickstoffhaltigen Stoffwechselprodukten zu reduzieren: Dies gilt vor allem für Tiere mit einer Harnstoffkonzentration im Plasma von über 30 mmol/l (84 mg/dl). Die Proteinquelle ist dabei ebenfalls von Bedeutung, da besonders hoch verdauliches Protein die Freisetzung der Eiweißstoffwechselprodukte in das Blut begrenzen kann. - Einsatz von Nahrungskomponenten, die längere Zeit im Verdauungstrakt verbleiben und Harnstoff sowie andere stickstoffhaltige Stoffwechselprodukte abfangen - Supplementierung der Diät mit alkalisierenden Substanzen zur Behandlung der metabolischen Azidose, die für die Entwicklung von renaler Osteodystrophie, Inappetenz und Übelkeit verantwortlich ist - Kaliumsupplementierung bei vorliegender Hypokaliämie, da diese zur Verschlimmerung von Inappetenz, Muskelschwäche und schlechtem Allgemeinbefinden beiträgt - Reduzierung der Bioverfügbarkeit von diätetischem Phosphor durch Einsatz von Phosphatbindern, die oral verabreicht werden und die extrarenalen Effekte der Hyperphosphatämie und des Hyperparathyreoidismus einschließlich metabolisch bedingter Osteopathie und Gefäßverkalkung verringern: Dies trägt generell ebenfalls zu einer verbesserten Lebensqualität dieser Patienten bei.

TABELLE 8 – DERZEIT VERFÜGBARE PHOSPHATBINDER • Aluminiumkarbonat • Aluminiumhydroxid • Aluminiumoxid • Kalziumkarbonat (+/- Chitosan) • Kalziumazetat • Lanthankarbonat • Sevelamer-Hydrochlorid Ein Lanthan-basierter Phosphatbinder wurde vor Kurzem hinsichtlich seiner Schmackhaftigkeit bei Mischung mit einem Standardalleinfuttermittel für Katzen (Schmidt et al. 2006) und für Hunde (Spiecker-Hauser und Schmidt 2006) untersucht. Die Akzeptanz schien bei Mengen von 3 g/kg Futter (wie verfüttert) gut zu sein. Bei gesunden Katzen wurden außerdem eine Erhöhung der Phosphatausscheidung im Kot von 30,7 ± 10,4 mg/Tag auf 66,7 ± 21,0 mg/Tag beobachtet. Inwieweit dieses Produkt auch bei Katzen mit fortgeschrittener chronischer Niereninsuffizienz wirksam ist bzw. von den Tieren toleriert wird, bleibt noch zu untersuchen.

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Häufig gestellte Fragen

Häufig gestellte Fragen zur diätetische Therapie bei chronischen Nierenerkrankungen der Katze

A

F

Nein. Die chronische Niereninsuffizienz ist ein heterogenes Syndrom infolge eines Verlustes an funktionsfähigem Nierengewebe, zu dem es bei vielen Krankheitsprozessen kommen kann (Infektionen, immunvermittelte oder degenerative Prozesse, Neoplasien, Intoxikationen, Stoffwechselerkrankungen und angeborene oder erbliche Krankheiten). Ist die chronische Nierenerkrankung eine eigenständige Krankheit?

In Reaktion auf den Verlust von funktionsfähigen Nephronen (egal welcher Ursache) kommt es zu einer Vielzahl von Anpassungsreaktionen der verbliebenen intakten Nephrone (intrinsischer Mechanismus) und anderer Körpersysteme (extrinsische Mechanismen), die zu einer weiteren Schädigung der Nieren führen können und somit eigentlich eine Fehladaptation des Organismus darstellen. Diese Prozesse sind auch Ziel der therapeutischen Maßnahmen.

Wieso ist die Zusammensetzung des Harns der Katze so unterschiedlich?

Die physiologische Aufgabe der Niere ist es, zwischen den mit der Nahrung aufgenommenen Substanzen (Wasser, Elektrolyte, Mineralstoffe) und den nicht-renalen Verlusten sowie den für Wachstum, Laktation und andere Aktivitäten benötigten Mengen ein Gleichgewicht herzustellen bzw. dieses aufrechtzuerhalten. Da sich die Nahrungsaufnahme und der Wasserkonsum der Katzen täglich anders gestalten, aber gleichzeitig eine stabile Zusammensetzung der Körperflüssigkeiten und die Aufrechterhaltung der Homöostase gewährleistet sein müssen, ist auch die Zusammensetzung des Harns sehr variabel.

Wie kann man eine chronische Nierenerkrankung im Stadium I nach der IRIS-Klassifikation erkennen, wenn diese Tiere nicht azotämisch sind?

Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass das Staging-System der IRIS nur auf jene Tiere anwendbar ist, bei denen die Diagnose einer chronischen Nierenerkrankung bereits erfolgt ist. Im Stadium I kann eine Nierenerkrankung nicht anhand erhöhter Kreatininkonzentrationen diagnostiziert werden, so dass auf andere Laborwerte oder klinische Befunde geachtet werden muss. Dies kann z.B. ein auffälliger Nierenbefund bei der klinischen Allgemeinuntersuchung oder bei Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren sein, der durch eine Nierenbiopsie bestätigt wird. Auch eine persistent mangelhafte Harnkonzentration oder eine persistierende Proteinurie ohne Hinweis auf extrarenale Ursachen können in wiederholten Untersuchungen auffallen. Gering erhöhte Kreatininwerte, die in wiederholten Tests gemessen werden, bewegen sich in der Regel jedoch in dem für Stadium I typischen Referenzbereich.

Im Stadium II der chronischen Nierenerkrankung sind meist kaum klinische Symptome erkennbar. Sind diätetische Maßnahmen bereits in diesem Stadium erforderlich?

Wenn die für die Nierenschädigung verantwortliche Grundkrankheit nicht identifiziert werden kann, besteht das Ziel der diätetischen Maßnahmen in der Verbesserung der Lebensqualität der Tiere und in der Verlangsamung des Fortschreitens zum terminalen Stadium der Niereninsuffizienz. Wie sich gezeigt hat, ist eine speziell formulierte Nierendiät in der Lage, die Überlebenszeiten von Katzen mit spontan auftretenden chronischen Nierenerkrankungen zu verlängern und das Risiko für eine urämische Krise zu reduzieren. In den dazu durchgeführten kontrollierten prospektiven Studien befanden sich die Katzen in Stadium II bzw. im frühen Stadium III der CNI (nach der IRIS-Klassifikation), und der Hauptnutzen der speziellen Diät bestand darin, dass das Fortschreiten der Nierenschädigung merklich verlangsamt werden konnte.

Nieren

Warum ist eine chronische Nierenerkrankung bei alten Katzen so häufig?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz einfach. Die Katzenniere ist entwicklungsgeschichtlich so angepasst, dass sie einen stark konzentrierten Harn produziert. Dies sichert ihr unter Klimabedingungen, wo Wasser knapp ist, das Überleben. Es ist möglich, dass dieser Prozess der Produktion von so hoch konzentriertem Urin bedeutet, dass die Nephrone (von denen es beim jungen gesunden Tier etwa 200000 gibt) mit zunehmendem Alter der Katze einfach erschöpft sind und ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen können. In Kombination mit weiteren extrinsischen Insulten führt das dazu, dass zum Ende der natürlichen Lebensspanne der Katze hin nur noch weniger als 25 % der Nephrone intakt sind. Dann zeigen sich die ersten klinischen Symptome, und die Niereninsuffizienz schreitet mit zunehmendem Alter weiter fort. Wahrscheinlich erklärt dies nicht die gesamten zugrunde liegenden Prozesse, die nach wie vor unbekannt sind. Somit stellt dieser Erklärungsversuch nur eine Hypothese dar.

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Wieso sind klinische Diäten für Katzen im Stadium II der chronischen Niereninsuffizienz vorteilhaft?

Da bei den durchgeführten klinischen Studien mehrere Nierendiäten verwendet wurden, die sich in ihrer Zusammensetzung in vielen unterschiedlichen Aspekten von Standardkatzenfutter unterschieden, ist es schwierig zu sagen, auf welches Element der Rezepturmodifikation genau der therapeutische Nutzen für das entsprechende Stadium der CNI zurückzuführen war. Es ist wahrscheinlich, dass ein Teil der vorteilhaften Wirkung auf der Phosphatrestriktion des Futters beruht, durch die eine Überlastung des Organismus mit Phosphat vermieden werden kann.

Was kann man tun, wenn Katzen die spezielle Nierendiät nicht fressen wollen?

Die Phosphatrestriktion ist ein wichtiges Element der diätetischen Maßnahmen für niereninsuffiziente Katzen. Dieses Ziel kann auch dadurch erreicht werden, dass dem normalen Futter der Katze Phosphatbinder beigemengt werden, obwohl dies nur die zweitbeste Wahl darstellt und eine Nierendiät Ziel führender ist. Die Wirkung dieser Phosphatbinder wird durch regelmäßige Kontrollen der Phosphatkonzentrationen im Plasma überwacht. Die Dosierung dieser Substanzen ist vom Stadium der Niereninsuffizienz abhängig und wird je nach erzielter Wirkung individuell angepasst. Die Initialdosis beträgt 30 bis 60 mg/kg und wird so lange verabreicht, bis sich die Phosphatkonzentration unter dem festgelegten Zielwert (1,45 mmol/l oder 4,5 mg/dl für Stadium II) befindet.

Sollten alle Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz eine orale Kaliumsupplementierung erhalten?

Nein, dies ist nicht notwendig, vorausgesetzt, die Katze erhält eine nicht-ansäuernde Diät mit bedarfsdeckendem Gehalt an Kalium, und die Plasmakaliumkonzentration des Tieres liegt innerhalb des Referenzbereichs. Etwa 20 % der Katzen mit CNI sind zum Zeitpunkt der Diagnose hypokaliämisch und benötigen eine orale Supplementierung mit Kalium, um diesen Mangel auszugleichen. Bei den meisten Katzen bewirkt dies gleichzeitig auch eine Verbesserung des Appetits und eine wieder verstärkte körperliche Aktivität. Manche Katzen können unter der speziellen Nierendiät ihren Kaliumhaushalt selbst im Gleichgewicht halten, so dass keinerlei Supplementierung erforderlich ist. Geschieht dies dennoch, wird das überschüssige Kalium mit dem Harn ausgeschieden.

Warum ist der Proteingehalt von Nierendiäten niedriger als der von normalem Alleinfutter für Katzen?

Man hat ursprünglich angenommen, dass der Nutzen der Proteinrestriktion bei niereninsuffizienten Patienten darin besteht, dass der Druck in den glomerulären Kapillaren gesenkt wird und dass dadurch die Hyperfiltration im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme – vor allem nach eiweißreichen Mahlzeiten – reduziert werden kann. Während diese Maßnahme bei Ratten mit experimentell induzierter CNI eindeutig das Fortschreiten der Nierenschädigung verlangsamen konnte, hat sich eine Extrapolation auf Hunde und Katzen als ungeeignet herausgestellt. Die Reduzierung des Proteingehalts von Diäten für nierenkranke Katzen im Stadium II bzw. beginnendem Stadium III ermöglicht Rezepturen, die gleichzeitig phosphatärmer sind. Der klinische Nutzen der Proteinrestriktion kommt erst ab dem fortgeschrittenen Stadium III bzw. Stadium IV zum Tragen, wo sich die stickstoffhaltigen Eiweißstoffwechselprodukte zu akkumulieren beginnen und klinische Symptome erzeugen. Dem kann durch eine reduzierte Proteinzufuhr mit der Nahrung entgegengesteuert werden. Der therapeutische Nutzen der Proteinrestriktion zeigt sich meist erst, wenn die Plasma-Harnstoff-Konzentration Werte von 30 mmol/l (87 mg/dl) erreicht.

Welches ist der verlässlichste prognostische Indikator für die feline Niereninsuffizienz?

Die chronische Nierenerkrankung der Katze kann unterschiedlich rasch fortschreiten, so dass die je nach Stadium der IRIS-Klassifikation angegebenen Überlebenszeiten äußerst variabel sein können. Der verlässlichste prognostische Faktor hinsichtlich des raschen Fortschreitens der CNI ist der Schweregrad der Proteinurie zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Ein konstant über 0,4 liegendes Urin-Protein/Kreatinin-Verhältnis (U-P/C > 0,4, wobei zu beachten ist, dass eine geringgradige Proteinurie bei niereninsuffizienten Katzen normal ist) spricht für eine schlechtere Prognose. Die Überlebenszeiten sind für betroffene Tiere höchstwahrscheinlich viel kürzer als für Katzen mit einem U-P/C-Wert von < 0,2. Katzen mit einem U-P/C von über 0,4 profitieren wahrscheinlich am meisten von einer AntiproteinurieTherapie, was allerdings noch durch randomisierte, kontrollierte, prospektive klinische Studien belegt werden muss. 279

Nieren

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Häufig gestellte Fragen

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Phosphor Als Folge einer Reduzierung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) kommt es zur Akkumulation von Phosphor im Organismus, der darauf physiologischerweise mit einer Erhöhung der Sekretion von Parathormon (PTH) reagiert. Dadurch kann anfänglich der Phosphorgehalt zwar innerhalb des Referenzbereiches gehalten werden, doch kommt es auch zu In der Form von Phosphat wird Phos- einer Freisetzung von Phosphat und phor in die Knochen eingebaut. 85% Kalzium aus den Knochen. des im Organismus vorhandenen Phosphors sind in den Skelettstruktu- Mit der Zeit ist jedoch auch dieser Kompensationsmechanismus nicht ren des Körpers gespeichert. mehr in der Lage, die Homöostase Phosphor wird auch in große Mole- aufrechtzuerhalten bzw. wiederherküle wie DNA, RNA und Mem- zustellen. Phosphor und Kalzium reibranphospholipide eingebaut. Des chern sich im Gewebe an und führen Weiteren ist Phosphor ein aktiver zur Verkalkung von Weichteilgewebe Bestandteil von Adenosintriphosphat (Nieren, Herz). In den Nieren verur(ATP), das die lebensnotwendige sacht dieses Phänomen einen Energie eines jeden lebenden Orga- beschleunigten, verstärkten Verlust nismus speichert. an funktionellen Nephronen.

So klar die Notwendigkeit der Beschränkung des Phosphorgehaltes der Nahrung erkannt wird, so schwierig ist es auch, phosphorarme Futterkomponenten zu finden. Die in kommerziellem Futter für Hunde und Katzen traditionellerweise verwendeten tierischen Eiweißquellen sind relativ reich an Phosphor. Dehydrierte Geflügelproteine enthalten zum Beispiel 1,6-2,5 % Phosphor in der Trockensubstanz. Der genaue Gehalt ist abhängig vom Gesamtgehalt an Mineralstoffen nach dem Siebprozess. Pflanzliche Eiweißquellen (Weizen- oder Maisgluten, Sojahydrolysat) haben einen geringeren Phosphorgehalt und stellen somit eine interessante Alternative dar.

DER PHOSPHORGEHALT VERSCHIEDENER IN HUNDE- UND KATZENFUTTER VERWENDETER PROTEINQUELLEN (Interne Daten von Royal Canin)

Maximaler Phosphorgehalt (g/100 g Protein)

Nieren

Etymologisch gesehen bedeutet das Wort Phosphor “lichtbringend”. Dieses chemische Element wurde 1669 von einem deutschen Alchimisten, Hennig Brandt, entdeckt. In einem Experiment entstand durch Verdampfen des Harns und Verkalkung des Sediments ein Gas, das im Dunklen leuchtete: Phosphor.

5

Standardgeflügelprotein Geflügelprotein mit niedrigem Rohaschegehalt Eipulver Sojahydrolysat

4

3

Maisgluten Weizengluten

2

1

0

Hydrolysate pflanzlichen Eiweißes bzw. Mais- oder Weizengluten sind qualitativ hochwertige Proteinquellen, die nur geringe Mengen an Phosphor enthalten.

Literatur (zu „Schlüsselpunkte” S. 283) Brown SA, Brown CA, Crowell WA, et al. Effects of dietary polyunsaturated fatty acid supplementation in early renal insufficiency in dogs. J Lab Clin Med 2000; 135: 275-286.

282

Ross SJ, Osborne CA, Kirk Ca, et al. Clinical evaluation of dietary modification for treatment of spontaneous chronic kidney disease in cats. J Am Vet Med Assoc 2006; 229: 949-957.


Diätetische Informationen von Royal Canin

Schlüsselpunkte zum Thema:

Die diätetische Therapie von chronischen Nierenerkrankungen der Katze

Die vorrangigen Modifikationen der Zusammensetzung der Ration für niereninsuffiziente Katzen sind auf folgende Ziele gerichtet: - Bekämpfung der Anorexie und Aufrechterhaltung einer adäquaten Energiezufuhr - Prävention des sekundären renalen Hyperparathyreoidismus durch Kontrolle der Hyperphosphatämie - Begrenzung der Azotämie und/oder Urämie - Prävention der Hypokaliämie - Vermeidung der Entwicklung einer metabolischen Azidose - Stärkung der antioxidativen Abwehrkräfte

Bekämpfung der Anorexie und Aufrechterhaltung einer adäquaten Energiezufuhr

Hat sich infolge der chronischen Niereninsuffizienz eine Urämie entwickelt, wird die Reduzierung der Proteinzufuhr empfohlen, um zu verhindern, dass die Urämie die Lebensqualität der Katze noch weiter verschlechtert. Um die Wirkung der Proteinrestriktion beurteilen Dank der hohen Energiedichte der Rati- zu können, werden regelmäßige Meson können kleinere Futtermengen sungen des Urin-Protein/Kreatinin-Verangeboten werden, was die bedarfsde- hältnisses durchgeführt. ckende Ernährung der inappetenten Gleichermaßen wichtig ist die VersorKatzen erleichtert. gung dieser Katzen mit langkettigen, Prävention des sekundären mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettrenalen Hyperparathyreoidissäuren (Eikosapentaensäure [EPA] und Dokosahexaensäure [DHA]). Bei Hunden mus durch Kontrolle der mit chronischer Niereninsuffizienz konnHyperphosphatämie te der Zusatz von Fischöl zur Ration die Ziel ist die Restriktion des Phosphatge- progressive Verschlechterung der glomehalts der Diät auf Werte zwischen 0,7 rulären Filtrationsrate (GFR) nachweisund 1,0 g/1000 kcal (ca. 0,3 bis 0,4 % in lich verlangsamen (Brown et al. 2000). Trockenfutter mit einem Energiegehalt von 4000 kcal/kg). Dadurch lässt sich die Vermeidung der Entwicklung Lebenserwartung niereninsuffizienter einer metabolischen Azidose Katzen verdoppeln (Ross et al. 2005). Lässt sich die Phosphatämie trotz der Die metabolische Azidose erhöht das Risirestriktiven Zufuhr nicht auf dem ko einer Hypokaliämie und muss daher gewünschten Niveau stabilisieren, muss mit oral zu verabreichenden alkalisierender Einsatz von Phosphatbindern erwo- den Substanzen behandelt werden. Dazu eignen sich unter anderem Kaliumglukogen werden (Abbildung 1). nat oder Kaliumzitrat. Die Schmackhaftigkeit des Futters ist das Schlüsselelement, wenn es darum geht, den Appetit der nierenkranken Katze anzuregen und die Aufnahme der verschriebenen Nierendiät sicherzustellen.

ABBILDUNG 1 – THERAPIE DER CHRONISCHEN NIERENINSUFFIZIENZ (CNI) IN ABHÄNGIGKEIT VON DER PHOSPHATKONZENTRATION IM PLASMA nach Hebert 2008

Phosphatkonzentrationen CNI Stadium I Phosphatgrenzwert = 45 mg/l (1,45 mmol/l)

CNI Stadium II Phosphatgrenzwert = 45 mg/l (1,45 mmol/l)

CNI Stadium III Phosphatgrenzwert =50 mg/l (1,61 mmol/l)

CNI Stadium IV Phosphatgrenzwert = 60 mg/l (1,93 mmol/l)

Phosphatreduzierte Diät (< 0,7 bis 1 g/1000 kcal) Kontrolle der Phosphatkonzentration Wenn Phosphatkonzentration < Grenzwert

Wenn Phosphatkonzentration > Grenzwert Phosphatbinder mit Futter vermischt verabreichen Wenn Phosphatkonzen- Wenn Phosphatkonzentration < Grenzwert tration > Grenzwert

Follow-up: Kontrolle der Phosphatkonzentration alle 2 Monate

Begrenzung der Azotämie und/oder Urämie

Therapieversuch mit Calcitriol (1,5-3,5 ng/kg 1 x täglich p.o.) bei Überwachung der Kalziumkonzentration im Plasma

Um der Entwicklung einer metabolischen Azidose und der daraus resultierenden Hypokaliämie bei Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz vorzubeugen, müssen ansäuernde Rationen vermieden werden. Zusätzlich muss sichergestellt sein, dass die Kaliumgehalte der Diät höher sind als die zur Bedarfsdeckung angegebenen Werte. Wird eine spezielle Nierendiät mit entsprechender Rezeptur gefüttert, ist eine zusätzliche Kaliumsupplementierung nicht erforderlich.

Stärkung der antioxidativen Abwehrkräfte Durch Anreicherung der Ration mit Vitamin E, Vitamin C, Taurin, Lutein, Lycopin und Beta-Karotin etc. kann der oxidative Stress, der die Nierenschädigung weiter verschlimmern kann, minimiert werden. Eine adäquate diätetische Therapie ist für Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz von zentraler Bedeutung, da sich dadurch das Fortschreiten der Nierenerkrankung verlangsamen und die Lebenserwartung betroffener Tiere signifikant verbessern lässt.

283

Nieren

Die Zusammensetzung des Futters spielt für die Aufrechterhaltung der Homöostase bei Katzen mit chronischen Nierenerkrankungen eine wichtige Rolle. Empfehlungen hinsichtlich der diätetischen Therapie müssen – basierend auf dem klinischen Befund und den Ergebnissen der Laboruntersuchungen – stets auf den individuellen Patienten zugeschnitten sein. Die Niereninsuffizienz ist ein progredienter Krankheitsprozess, so dass regelmäßige Kontrolluntersuchungen unverzichtbar sind, um die Wirksamkeit der Behandlung zu überwachen.


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