Klinische Diätetik - Intensiv

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Intensivmedizin


Isabelle GOY-THOLLOT DVM, MSc, PhD

Denise A. ELLIOTT BVSc (Hons), PhD, Dipl. ACVIM, Dipl. ACVN

Intensivmedizin: Die Ernährung kritisch kranker Katzen

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 1. Nährstoff- und Energiebedarf und Folgen eines Nahrungsentzugs bei gesunden Katzen 407 2. Auswirkungen eines Nahrungsentzugs bei der kritisch kranken Katze . . . . . . . . . . . . . . . . 409 3. Beurteilung des Ernährungsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 4. Berechnung des Nährstoff- und Energiebedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 5. Enterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 6. Parenterale Ernährung (PN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Häufige Irrtümer bei der Ernährung feliner Intensivpatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Diätetische Informationen von Royal Canin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435

ATP: Adenosintriphosphat BCAA: Verzweigtkettige Aminosäuren (branched chain amino acids) BER: Grundumsatz (basal energy requirement) CK: Kreatinkinase DHA: Docosahexaensäure EPA: Eicosapentaensäure FFS: freie Fettsäure FHL: Feline Hepatische Lipidose

GLN: Glutamin IGF 1: Insulin-like-Growth-Factor 1 IV: Intravenös MER: Erhaltungsenergiebedarf (maintenance energy requirement) PEG: Perkutane endoskopische Gastrostomie (percutaneous endoscopic gastrostomy) PN: Parenterale Ernährung (parenteral nutrition) PO: per os

PPN: Partielle (periphere) parenterale Ernährung (partial parenteral nutrition) PUFA: Mehrfach ungesättigte Fettsäure (polyunsaturated fatty acid) RER: Ruheenergiebedarf (resting energy requirement) SC: subkutan TNF-a : Tumor-Nekrose-Faktor a TPN: Vollständige (zentrale) parenterale Ernährung (central/total parenteral nutrition)

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS


Intensivmedizin: Die Ernährung kritisch kranker Katzen Isabelle GOY-THOLLOT DVM, MSc, PhD Isabelle Goy-Thollot schloss ihr Studium der Veterinärmedizin 1989 an der École Nationale Vétérinaire in Maisons-Alfort, Frankreich, ab. Anschließend spezialisierte sie sich während ihres Internships in Maisons-Alfort von 1989-1991 auf Kleintiermedizin. Im Jahr 2000 war sie an der Gründung der SIAMU, der Abteilung für Intensivmedizinische Betreuung, Anästhesie und Notfallmedizin an der École Nationale Vétérinaire in Lyon, maßgeblich beteiligt. Zurzeit leitet sie die SIAMU, wo sie einen Lehrauftrag für Notfall- und Intensivmedizin der Heimtiere erfüllt. Seit 2005 ist sie die Präsidentin der Europäischen Veterinärmedizinischen Gesellschaft für Notfallmedizin und Intensivmedizinische Betreuung. Des Weiteren ist sie reguläres Mitglied des wissenschaftlichen Komitees mehrerer Fachzeitschriften und veterinärmedizinischer Verbände in Frankreich. Während ihrer Studienaufenthalte in Utrecht (Niederlande) und Davis (USA) konnte Isabelle Goy-Thollot ihre Fachkenntnisse vertiefen und diese während ihrer Tätigkeit als Autorin für Fachzeitschriften und Referentin auf Kongressen anwenden und weiterentwickeln.

Denise A. ELLIOTT BVSc (Hons), PhD, Dipl. ACVIM, Dipl. ACVN Denise Elliott schloss ihr Studium der Veterinärmedizin 1991 an der University of Melbourne mit einem Bachelor in Veterinary Science mit Auszeichnung ab. Nach einem Internship in den Bereichen Innere Medizin und Chirurgie der Kleintiere an der University of Pennsylvania wechselte Dr. Elliott an die University of California in Davis, wo sie eine Residency in den Bereichen Innere Medizin der Kleintiere und Klinische Diätetik absolvierte. Dort erhielt sie ein Forschungsstipendium für Nephrologie und Hämodialyse. Im Jahr 1996 wurde Dr. Elliott Mitglied des American College of Veterinary Internal Medicine (Board Certification) und im Jahr 2001 des American College of Veterinary Nutrition. An der University of Davis promovierte Dr. Elliott 2001 (PhD) im Bereich Ernährungslehre zum Thema „Bioelektrische Multifrequenz-Impedanz-Analyse bei gesunden Hunden und Katzen“. Zurzeit ist Dr. Elliott Leiterin der Abteilung Wissenschaftliche Kommunikation bei Royal Canin, USA.

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uch und gerade in der Intensivmedizin gilt: „ Die Katze ist kein kleiner Hund“. Die physiologische Reaktion auf ein Schockgeschehen, die zur Reanimation notwendigen Maßnahmen und die Parameter, die es sorgfältig zu überwachen gilt, stellen eine spezifische Herausforderung dar, die einzigartig und typisch für die kritisch kranke Katze ist. Während einige Erkrankungen bei Katzen zu einem gesteigerten Appetit führen (Diabetes mellitus, Hyperthyreose), geht die überwiegende Mehrheit der Katzenkrankheiten mit einer partiellen oder vollständigen Anorexie einher.

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Diagnostische Maßnahmen sind in erster Linie auf die Ermittlung der zugrunde liegenden Ursache gerichtet; die Ernährung tritt dabei oft als ein weniger dringlicher therapeutischer Schritt in den Hintergrund und findet im typischen Fall erst dann wieder Beachtung, wenn der Patient bereits 4-5 Tage stationär behandelt wurde und währenddessen keine oder eine zu geringe nutritive Unterstützung erhalten hat. Gängige Praxis ist es zudem, immer noch einen weiteren Tag abzuwarten in der völlig unbegründeten Annahme, die seit Tagen bestehende Anorexie werde sich einfach von selbst geben, da ja ein Flüssigkeitsersatz auf intravenösem Weg erfolgt. Tatsächlich ist Inappetenz jedoch eines der bedrohlichsten und langwierigsten Merkmale einer kritischen Erkrankung. Die korrekte Schlussfolgerung lautet daher, dass sich das Problem der Inappetenz nicht allein aufgrund begleitender Therapiemaßnahmen lösen wird, sondern vielmehr gezielte Maßnahmen für eine künstliche Ernährung rechtzeitig ergriffen werden sollten. Da immer mehr wissenschaftliche Studien die Vorteile einer enteralen Ernährung und die mit einer Atrophie der Darmzotten einhergehenden KomplikaABBILDUNG 1 – STICKSTOFFBILANZ BEI EINER KRITISCH tionen belegen, erfolgt die Ernährung humaner Intensivpatienten heutzutage KRANKEN IM VERGLEICH ZU EINER GESUNDEN KATZE deutlich früher im Verlauf des Krankheitsprozesses als noch vor einigen Jahren. kranke Katze: Diese Praxis hat in vielen Fällen einen eindeutig positiven Einfluss auf den Anorexie Krankheitsverlauf und verringert die Häufigkeit potenzieller Komplikationen. kritischer In der Veterinärmedizin hat in den letzten Jahren ein vergleichbarer Wandel Zustand, gesunde Katze: eingesetzt, der zunehmend an Eigendynamik gewinnt. Schock, Sepsis,

Grundumsatz Erhaltung (von Körpergewebe) Hormonsynthese Energiegewinnung

ungestörte Futteraufnahme

Verbrennungen etc.

normale Aminosäurenzufuhr

keine Zufuhr von Aminosäuren auf enteralem Weg

Proteinsynthese

Muskulatur: katabole Situation

1 - Nährstoff- und Energiebedarf und Folgen eines Nahrungsentzugs bei gesunden Katzen

Verlust von Skelettmuskelmasse (Zerstörung von Muskelzellen)

Synthese und Freisetzung von Aminosäuren in der Leber

Spezifischer Nährstoffbedarf > Die Katze ist ein Karnivore Von Natur aus karnivor veranlagt, benötigen Katzen viel Protein und haben einen vergleichsweise geringen Kohlenhydratbedarf. Adulte Katzen benötigen zwei- bis dreimal soviel Protein wie omnivore Spezies und haben einen hohen Bedarf an essenziellen Aminosäuren, da sie diese auch zur Energiegewinnung benötigen (Zoran 2002). Darüber hinaus sind Katzen nicht in der Lage, die Enzyme ihres Harnstoffzyklus oder die Aminotransferasen so zu regulieren, dass eine Anpassung an ein Futter mit niedrigem Proteingehalt erfolgen kann. Katzen verfügen somit nur über sehr eingeschränkte Möglichkeiten zur Einsparung von Stickstoff über eine Anpassung ihres Stoffwechsels. Schließlich nutzen Katzen Proteine auch, um ihren Blutzuckerspiegel aufrechtzuerhalten, und zwar sogar dann, wenn der Proteingehalt in der Nahrung knapp bemessen ist. Mit Hilfe dieser artspezifischen Besonderheiten lässt sich erklären, warum anorektische Katzen besonders schnell in einen Zustand der Protein-Mangelernährung geraten (Zoran 2002; Center 2005; Abbildung 1).

Glukoneogenese

Harnstoffsynthese

negative Stickstoffbilanz der kritisch kranken Katze

gesteigerte Proteinsynthese: entzündliche Prozesse, körpereigene Abwehr (Sepsis, Schock…)

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Es gibt zwei strategische Möglichkeiten, eine kritisch kranke Katze zu ernähren: - Die enterale Ernährung, die die Nutzung zumindest eines Teils des Gastrointestinaltraktes voraussetzt. - Die parenterale Ernährung, bei der Nährstoffe über einen anderen als den gastrointestinalen Weg verabreicht werden, zumeist über eine periphere oder zentrale Vene. In den letzten Jahren hat sich die Überlebensrate kritisch kranker Katzen durch neue Methoden der Nährstoff- und Energiezufuhr deutlich erhöht, vor allem weil zunehmend von eher ineffektiven Methoden wie der Zwangsfütterung von Hand oder mit der Spritze, dem Anwärmen des Futters und geschmacksverbessernden Futterzusätzen zu moderneren Ansätzen wie einer frühzeitigen Sondenernährung übergegangen wird.

1 - Nährstoff- und Energiebedarf und Folgen eines Nahrungsentzugs bei gesunden Katzen

Einleitung


1 - Nährstoff- und Energiebedarf und Folgen eines Nahrungsentzugs bei gesunden Katzen

Aufgrund ihres erhöhten Proteinverbrauchs in Verbindung mit der mangelnden Fähigkeit, bestimmte Aminosäuren zu speichern oder de novo zu synthetisieren, benötigen Katzen im Vergleich zu den meisten anderen Spezies eine höhere Aminosäurezufuhr (Kerl & Johnson 2004; Kirby 2004; Center 2005). - Ein Taurinmangel ruft bei Katzen nachweislich eine dilatative Kardiomyopathie, Fruchtbarkeitsstörungen und eine Netzhautdegeneration hervor. - Arginin spielt in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Rolle: Bei der Stickstoff-Elimination über den Harnstoffzyklus, als Co-Stimulans der endokrinen Sekretion allgemein, zur Verbesserung der Stickstoffretention bzw. bei der Reduktion von Stickstoffverlusten postoperativ. Es bewirkt ferner eine Steigerung der Kollagenablagerung bei der Wundheilung, verstärkt die T-Zell-Antwort und fördert die Proliferation von Lymphozyten (Morris & Rogers 1978; Barbul & Hurson 1994; Zoran 2002; Center 2005; Saker 2006). Außerdem ist Arginin ein Vorläufer des Stickstoffmonoxids (NO) (Barbul & Hurson 1994). - Methionin und Cystin erfüllen als Methylgruppen-Donatoren eine Schlüsselfunktion bei der Bildung zahlreicher Substanzen wie z. B. des Glutathions, eines wichtigen körpereigenen Antioxidans und „Radikalfängers“ (Zoran 2002; Center 2005). - Glutamin (GLN) wird als bedingt essenzielle Aminosäure bezeichnet. Ein gesteigerter Bedarf an GLN in Verbindung mit einer unzureichenden Versorgung bei kritisch kranken Patienten kann zu einer Störung der Barrierefunktion der Darmwand führen, mit gravierenden systemischen Folgen wie einer bakteriellen Translokation und einer systemischen Infektion. Darüber hinaus kann ein Glutaminmangel eine retikuloendotheliale Dysfunktion der lokalen Abwehr induzieren, und eine Verringerung der Antikörperproduktion erhöht das Risiko einer Sepsis und eines Multiorgan-Versagens (Elliott & Biourge 2006). Glutamin spielt außerdem eine wichtige Rolle im Säure-Basen-Haushalt. Berichtet wird, dass der Plasmaspiegel des GLN bei schweren Erkrankungen oder Verletzungen bis zu 58 % abfällt und bis zu 3 Wochen auf diesem niedrigen Niveau bleibt, was mit einer erhöhten Mortalität bei Intensivpatienten einhergeht (Wischmeyer 2003).

> Katzen benötigen nur sehr geringe Mengen an Kohlenhydraten Katzen sind in mehrfacher Hinsicht an eine geringe Kohlenhydrataufnahme adaptiert. Beispielsweise enthält ihr Speichel keine Amylase, das Enzym, das für die Initiierung der Stärkeverdauung verantwortlich ist. Darüber hinaus weisen die intestinale Amylase und die Pankreas-Amylase bei der Katze nur eine geringe Aktivität auf, ebenso wie die intestinalen Disaccharidasen, deren Aufgabe das Aufschließen von Kohlenhydraten im Dünndarm ist. Diese Spezies spezifischen Unterschiede bedeuten jedoch nicht, dass Katzen keine Stärke verwerten können. Tatsächlich setzen Katzen leicht verdauliche Kohlenhydrate sehr effizient um. Ihre hepatische Glukokinase und Glykogen-Synthetase weisen ebenfalls nur sehr geringe Aktivitäten auf, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass der gesamte Stoffwechsel eher auf die Utilisation von Fett und Aminosäuren ausgelegt ist als auf die Nutzung von Stärke. Infolgedessen verfügen Katzen nur über eine begrenzte Fähigkeit, die im Anschluss an eine hohe Glukoseaufnahme entstehende Hyperglykämie schnell zu minimieren (Zoran 2002). Darüber hinaus kann ein hoher diätetischer Kohlenhydratgehalt die Proteinverdaulichkeit bei der Katze verringern. Grund hierfür ist eine Kombination verschiedener Faktoren, einschließlich einer Beschleunigung der Magen-Darm-Passage. Schließlich führen kohlenhydratreiche Futtermittel zu einer verstärkten bakteriellen Fermentation im Dickdarm und einer gesteigerten Produktion organischer Säuren (Kienzle 1994).

> Die Katze hat einen spezifischen Bedarf an mehrfach ungesättigten essenziellen Fettsäuren

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Fett liefert am meisten Energie pro Gewichtseinheit. Für die Katze sind die folgenden Fettsäuren essenziell (EFAs): Linol- und Linolensäure, Arachidonsäure, Eicosapentaen- und Docosahexaensäure. Die meisten Tierarten können Linolsäure in Arachidonsäure, die Vorläufersubstanz der Serie-2-Prostaglandine, Leukotriene und Thromboxane, umwandeln. Die Arachidonsäure ist wichtig für den Erhalt und die Erneuerung der Zellmembranen und somit die Integrität aller Körpergewebe. Sie ist in tierischen Fetten enthalten. Katzen verfügen jedoch nicht über eine ausreichende Enzymausstattung und Enzymaktivität, um die Arachidonsäurederivate selbst zu synthetisieren (zu geringe Aktivität der Delta-6-Desaturase und anderer hepatischer Desaturasen; Zoran 2002). Daher ist Arachidonsäure ein essenzieller Nährstoff in der Ernährung der Katze (Kirby 2004).

> Der Vitaminbedarf der Katze ist einzigartig Im Vergleich zu anderen Tierarten benötigen Katzen größere Mengen diverser wasserlöslicher B-Vitamine wie Niacin, Thiamin und Pyridoxin und sind bei länger bestehender Nahrungskarenz schon frühzeitig für einen Mangel an diesen Vitaminen prädisponiert. Zudem benötigen Katzen in bestimmten Krankheitsstadien eine Supplementierung mit Cobalamin (Vitamin B12) (Zoran 2002; Kirby 2004). Die Katze kann Beta408


Auswirkungen eines Nahrungsentzugs bei gesunden Katzen

2 - Auswirkungen eines Nahrungsentzugs bei der kritisch kranken Katze

Karotin nicht selbst in die aktive Form des Vitamin A (Retinol) umwandeln. Ihr fehlen bestimmte Enzyme (Dioxygenasen) in der Darmschleimhaut, die Beta-Karotin in das Vitamin-A-Aldehyd (Retinal) umwandeln. Daher muss der Katze präformiertes Vitamin A mit der Nahrung zugeführt werden. Ein Mangel an Vitamin E und Vitamin K kann sich bei Katzen mit einer länger bestehenden Anorexie ebenfalls schnell entwickeln (Zoran 2002).

TABELLE 1 - HORMONELLE KONTROLLE DES ENERGIESTOFFWECHSELS nach Atkinson & Worthley 2003

Hormon

Sekretion wird stimuliert durch:

Stimuliert

Hemmt

Glykogensynthese Lipogenese Proteinsynthese

Glukoneogenese Ketogenese Proteolyse Lipolyse

Insulin

Hyperglykämie Aminosäuren (Arginin, Leucin)

Glukagon

Hypoglykämie Glukoneogenese Stimulation des Sympathikus Ketogenese Glykogenolyse Alanin

Glykogensynthese Lipogenese

Katecholamine

Stimulation des Sympathikus Hypoglykämie

Insulinfreisetzung Insulineffekte

Glukoneogenese Glukagonsekretion Lipolyse

Bei gesunden Katzen ist der Stoffwechsel in der Lage, sich an den ständigen Wechsel zwischen Fasten und Nahrungsaufnahme anzupassen. In der postprandialen Phase besteht die hormonelle Antwort auf die Zufuhr von Kohlenhydraten und Aminosäuren in einer gesteigerten Insulinsekretion und einer reduzierten Glukagonfreisetzung (Substrat kontrolliert; Tabelle 1). Dies resultiert in einer vermehrten Glykogensynthese und einer Auffüllung der Glykogenspeicher, einer gesteigerten Proteinsynthese und einer Speicherung von Depotfett. Während einer Hungerphase fallen die Plasmaspiegel der Glukose und der Aminosäuren ab, und die Insulinsekretion verringert sich, während vermehrt Glukagon sezerniert wird, was die Glukoneogenese und die Mobilisierung der Glykogenspeicher stimuliert. Dauert eine Nahrungskarenz länger als 3-5 Tage an, setzt der Hungerstoffwechsel ein. In dieser Situation kommt es zunächst zu einer weiteren Absenkung des Insulinspiegels und einer erneuten Steigerung der Glukagonsekretion. Darüber hinaus bewirkt eine moderate Stimulation des Sympathikus eine vermehrte Freisetzung der hormonabhängigen Lipoproteinlipase, welche die Freisetzung von freien Fettsäuren (FFS) aus dem Depotfett fördert. Überschüssige FFS werden in der Leber in Ketonkörper umgewandelt, die im Gehirn und in anderen Organen alternativ zur Glukose als Energiequellen genutzt werden können. Ketonkörper verhindern zunächst einen Abbau der Skelettmuskulatur und die Mobilisierung von Aminosäuren, indem sie den obligatorischen Bedarf an Glukose und die Glukoneogenese-Rate reduzieren. Wird der Hungerzustand chronisch, kehren die Glukagonblutspiegel auf ihr ursprüngliches postabsorptives Niveau zurück, während die Katecholaminspiegel fallen. Der Grundumsatz sinkt infolge eines Rückgangs der Umwandlung von Thyroxin (T4) zu Trijodthyronin (T3) in der Peripherie (Atkinson & Worthley 2003).

2 - Auswirkungen eines Nahrungsentzugs bei der kritisch kranken Katze Generelle Folgen eines Hungerzustands bei einem kranken/gestressten Tier Eine kritische Erkrankung induziert bei der Katze spezifische metabolische Veränderungen, die eine Prädisposition für Mangelernährung (Malnutrition) und deren schädliche Auswirkungen darstellen. Ein wichtiger Unterschied besteht in der Reaktion des Organismus eines (kritisch) kranken Tieres auf eine Nahrungskarenz im Vergleich zum hungernden gesunden Tier (Michel 2004; 2006; Chan & Freeman 2006; Tabelle 2).

TABELLE 2 – IM VERGLEICH: HUNGERZUSTAND BEIM GESUNDEN UND BEIM KRANKEN TIER nach Michel (2004, 2006) Hungerzustand/Unterernährung Hungerzustand/Unterernährung beim gesunden Tier beim erkrankten/ gestressten Tier

- Sekretion von Mediatoren als Reaktion auf den Nahrungsmangel - Erhalt endogener Proteine - Nahrungsaufnahme führt zum Rückgang der Unterernährung

- Sekretion von Mediatoren als Reaktion auf Gewebeverletzung oder Entzündung - Katabolismus endogener Proteine - Rückgang der Unterernährung bei Heilung oder Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung

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Bei strikten Karnivoren wie der Katze kommt es sehr schnell zu einer Entleerung der Glykogenspeicher, wodurch eine Mobilisation von Aminosäuren aus der Skelettmuskulatur eingeleitet wird. Innerhalb weniger Tage kommt es zu einer Verlagerung des Stoffwechsels auf die bevorzugte Nutzung von Depotfett als Energiesubstrat, was den weiteren Abbau des Muskelproteins begrenzt (Chan 2006; Chan & Freeman 2006; Abbildung 1).


2 - Auswirkungen eines Nahrungsentzugs bei der kritisch kranken Katze

ABBILDUNG 2 – ALLGEMEINE FOLGEN VON NAHRUNGSKARENZ/UNTERERNÄHRUNG BEI KRITISCH KRANKEN KATZEN Trauma – chirurgischer Eingriff – Entzündungsprozess - Hospitalisierung

Glukoneogenese

erhöhter Verbrauch von Aminosäuren (Produktion von Immunglobulin, entzündlichen Proteinen, Gerinnungsfaktoren)

gesteigerter Ruheenergiebedarf im Zusammenhang mit der Pathogenese

reduzierter Appetit, Anorexie, verhinderte/unmögliche Nahrungsaufnahme Proteinmangel, negative diätetische Energiebilanz

reduzierte Effizienz medikamentöser Behandlungen

verlängerte Rekonvaleszenz

verzögerte Heilung/Wundheilung

lokale und generalisierte Immundepression

erhöhtes Sepsis-, Infektions- und Komplikationsrisiko

Atrophie des Darmepithels

erhöhtes Risiko einer bakteriellen Translokation

niedrigere Heilungsrate und langsamere Erholung

Die Ernährung hat einen direkten Einfluss auf den Krankheitsverlauf und den Behandlungserfolg.

Während eines kritischen Krankheitsprozesses stehen die für den Nährstoff- und Energiestoffwechsel zuständigen Hormone nicht mehr unter der Kontrolle der zugeführten Substrate. Um die hämodynamische Homöostase in der Situation einer akuten Verletzung oder Erkrankung aufrechtzuerhalten, kommt es zu einer Erhöhung des Sympathikotonus und zur Freisetzung von Katecholaminen (z. B. Adrenalin und Noradrenalin). Katecholamine stimulieren die Glykogenolyse und hormonsensitive Lipasen mit dem Ziel einer Erhöhung der Plasmakonzentrationen von freien Fettsäuren, Glukose und Insulin. Insulin hemmt die Ketogenese. Der Anstieg des Sympathikotonus steigert die Insulinresistenz peripherer Gewebe. Bei septischen Patienten wird die Stressantwort verstärkt durch die Freisetzung von Polypeptidmediatoren wie Tumornekrosefaktor (TNFa) und Interleukin-1 (IL-1), die funktionelle Leberstörungen hervorrufen, die Glukoseintoleranz steigern und den Skelettmuskelabbau verstärken (über den Ubiquitin-Proteasom-Reaktionsweg; Atkinson & Worthley 2003). Die entzündliche Reaktion triggert Veränderungen von Zytokinen und Hormonkonzentrationen und verschiebt die Stoffwechsellage des Organismus in Richtung eines katabolen Zustands mit beschleunigter Proteolyse, die im typischen Fall zu einer signifikant negativen Stickstoffbilanz führt (Abbildung 1). Paradoxerweise können diese Patienten Fettdepots erhalten, während sie gleichzeitig fettfreies Muskelgewebe abbauen (Chan & Freeman 2006). Die Folgen des Verlustes fettfreier Körpermasse sind eine verzögerte Wundheilung, Immunsuppression, Muskelschwäche (Skelett- und Atmungsmuskulatur) und letztlich eine erhöhte Morbidität und Mortalität (Marik & Zaloga 2001; Atkinson & Worthley 2003; Abbildung 2).

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Spezifische Aspekte bei kritisch kranken Katzen > Veränderungen des Kohlenhydratstoffwechsels Ähnlich wie bei humanen Intensivpatienten kommt es auch bei kritisch kranken Katzen zu Veränderungen des Kohlenhydratstoffwechsels, die wahrscheinlich zu der bei dieser Patientengruppe häufig zu beobachtenden Hyperglykämie beitragen. Diese Veränderungen des Kohlenhydratstoffwechsels bei kritischen Erkrankungen umfassen eine gesteigerte Glukoseproduktion (Glukoneogenese), eine herabgesetzte Glykogenolyse, eine Glukoseintoleranz und eine periphere Insulinresistenz. Die Konzentrationen gegenregulatorischer Hormone wie Glukagon, Kortisol und Adrenalin sind erhöht. Diese Hormone spielen eine Rolle bei der Up-Regulation der Glukoneogenese. Darüber hinaus scheint die hepatische Glukoneogenese refraktär zu

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Die Aktivierung proinflammatorischer Zytokine und neuroendokriner Reaktionswege spielt vermutlich eine Schlüsselrolle beim Fett-, Protein- und Kohlenhydratstoffwechsel. Interaktionen zwischen verschiedenen metabolischen Reaktionswegen sollen ebenfalls zur Hyperglykämie beitragen. Eine Korrelation besteht darüber hinaus zwischen der Glukoseintoleranz und dem Grad der Erkrankung. So wird bei humanen Intensivpatienten Hyperglykämie mit schlechteren Behandlungsergebnissen in Verbindung gebracht (Van den Berghe 2004), und Untersuchungen belegen die Vorteile einer Insulinbehandlung bei kritisch kranken Patienten (Van den Berghe 2004). Bei kritisch kranken Katzen wurde der Einfluss der Hyperglykämie auf den Krankheitsverlauf und das Behandlungsergebnis bislang nicht so ausführlich charakterisiert. In ihrer Retrospektivstudie berichten Chan et al. (2006), dass die im Notdienst vorgestellten Katzen mit Hyperglykämie mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit sterben oder euthanasiert werden, als vergleichbare Katzen mit physiologischem Blutzuckerspiegel. Der Grad der Hyperglykämie scheint den Ergebnissen dieser Studie zufolge jedoch keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und das Behandlungsergebnis zu haben. Kritisch kranke Katzen haben Berichten zufolge auch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Hyperglykämie im Zusammenhang mit einer parenteralen Ernährung (PN). Je nach Studie tritt Hyperglykämie bei parenteral ernährten Katzen in 75 % aller Fälle auf (Lippert et al. 1993; Syring et al. 2001) oder aber in 20 % der Fälle (Crabb et al. 2006). Noch wichtiger ist jedoch die Feststellung, dass die Hyperglykämie bei parenteral ernährten Katzen einen negativen Einfluss auf die Überlebensrate hat (Pyle et al. 2004). Chan et al. (2006) berichten, dass kritisch kranke Katzen im Vergleich zu gesunden Kontrolltieren erhöhte zirkulierende Konzentrationen an Glukose, Laktat, Glukagon, unveresterten Fettsäuren und Kortisol aufweisen. Darüber hinaus haben kritisch kranke Katzen niedrigere Insulinkonzentrationen und ein niedrigeres Insulin:Glukagon-Verhältnis als gesunde Kontrolltiere. Das Phänomen der Hyperglykämie bei kritisch kranken Katzen ist komplex, wird bislang nur unvollständig verstanden und basiert wahrscheinlich auf multiplen pathophysiologischen Mechanismen.

> Gastrointestinale Motilität und Schleimhautintegrität Ein hohes Risiko für die Entwicklung eines paralytischen Ileus besteht bei Katzen in der postanästhetischen Phase und nach einem chirurgischen Eingriff (insbesondere im Bereich des Abdomens), sowie bei Katzen mit Hypokaliämie oder gastrointestinalen, retikuloendothelialen oder neuromuskulären Erkrankungen und schließlich auch bei Katzen unter narkotischen Analgetika. Verschiedene Aspekte der Verdauungsphysiologie und der mikrobiologischen Darmflora der Katze weisen auf eine mögliche Rolle von Bakterien bei der Entstehung dieser Anomalien hin. So wird postuliert, dass eine erhöhte Bakterienzahl im Darm der Katze dazu dient, die Protein- und Fettverdauung zu fördern (Zoran 2002). Ein Ileus prädisponiert einen Patienten für eine verstärkte Translokation von Bakterien und Endotoxinen, eine mangelhafte Nährstoffverdauung und -absorption, gastrointestinale Ulzera und Erbrechen. Verdächtige Patienten sollten mindestens dreimal täglich auf Darmgeräusche auskultiert werden (Kirby 2004), da das Fehlen von Borborygmen als klinischer Hinweis auf einen paralytischen Ileus gilt. Hinzu kommt, dass kritisch kranke Katzen meist zahlreiche Arzneimittel erhalten, die Anorexie, Nausea und Erbrechen hervorrufen können (Tabelle 3). Diese klinischen Symptome tragen zu der für kritisch kranke Katzen typischen Inappetenz bei.

TABELLE 3 –ARZNEIMITTEL, DIE ANOREXIE, NAUSEA UND ERBRECHEN BEI KATZEN INDUZIEREN KÖNNEN nach Michel 2006

Amoxicillin Cephalexin Chloramphenicol Amoxicillin/Clavulansäure Erythromycin Tetracyclin Trimethoprim/Sulfadiazin Herzglykoside NSAIDs Chemotherapeutika Narkotika

2 - Auswirkungen eines Nahrungsentzugs bei der kritisch kranken Katze

werden gegen die regulatorischen Effekte des Insulins und der Blutglukose und trägt somit zusätzlich zur Hyperglykämie bei.

> Feline hepatische Lipidose (Leberlipidose)

Adipositas ist eine Form der Fehlernährung, die bei Intensivpatienten häufig für Komplikationen verantwortlich ist. 411

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Die erfolgreiche Behandlung der FHL basiert auf einer frühzeitigen therapeutischen Intervention und einer bedarfsgerechten nutritiven Unterstützung. Bei Katzen mit frühzeitiger und aggressiver nutritiver Unterstützung werden Überlebensraten von bis zu 90 % erreicht. Bleibt eine Behandlung aus, liegt die Überlebenschance dagegen nur bei 10-15 %. Die optimale Zusammensetzung der Nahrung für Katzen mit FHL ist nicht bekannt, eindeutig nachgewiesen ist jedoch, dass diätetische Proteine die hepatische Fettakkumulation reduzieren und die Stickstoff- und Energiebilanz bei erkrankten Tieren aufrechterhalten (Biourge et al. 1994; Center 2005; siehe Kapitel 4).

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Bei der felinen hepatischen Lipidose (FHL) handelt es sich um die häufigste Leberstoffwechselstörung der Katze. Betroffen sind insbesondere adipöse oder gestresste Katzen (Zoran 2002; Center 2005). Die Ätiopathogenese ist zwar bis heute nicht vollständig geklärt, man weiß inzwischen aber, dass die meisten betroffenen Katzen (über 95 %) unter einer Erkrankung oder Bedingungen leiden, die unmittelbar einen katabolen Zustand induzieren (Center 2005). Vermutet wird eine pathogenetische Beteiligung von Nährstoffen wie Taurin, Arginin, unveresterten Fettsäuren und B-Vitaminen, der Nachweis hierfür steht allerdings noch aus (Zoran 2002).


3 - Beurteilung des Ernährungsstatus

Ziele der nutritiven Unterstützung kritisch kranker Katzen Das primäre Ziel einer bedarfsgerechten nutritiven Unterstützung einer hospitalisierten Katze ist es nicht, eine Gewichtszunahme zu erreichen, da diese mit hoher Wahrscheinlichkeit lediglich eine Verschiebung der Wasserbilanz widerspiegeln würde und einen weiteren Verlust fettfreier Körpermasse eher nicht verhindern kann. Selbst eine bedarfsgerechte nutritive Unterstützung ist nicht in der Lage, die Faktoren umzukehren, die für die mit Sepsis oder Stress assoziierte Proteolyse, Glukoneogenese oder Lipolyse verantwortlich sind. Die Therapie zielt deshalb in erster Linie darauf ab, die Katecholaminsekretion zu senken, indem sie die Hypotonie, die Hypoxie und die Schmerzen bekämpft, und die Konzentrationen der katabolen Polypeptidmediatoren durch gezielte Behandlung der Sepsis zu senken (z. B. Antibiotika, Flüssigkeitstherapie). Die Ernährung ist zwar nicht in der Lage, die katabolen Prozesse umzukehren, sie kann aber die Proteinsynthese fördern und den Proteinkatabolismus verzögern und somit bei rechtzeitiger Einleitung den Proteingesamtverlust des kritisch kranken Individuums begrenzen (Atkinson & Worthley 2003; Kirby 2004; Chan & Freeman 2006).

3 - Beurteilung des Ernährungsstatus Die Beurteilung des Ernährungsstatus dient zunächst der Identifikation bereits fehl- und/oder mangelernährter Patienten, die eine unmittelbare nutritive Unterstützung benötigen, gleichzeitig aber auch der Identifikation von Patienten mit dem Risiko der Entwicklung einer Fehl- oder Mangelernährung, dem durch eine zielgerichtete nutritive Unterstützung entgegengewirkt werden kann. Durch die Beurteilung des Ernährungsstatus soll darüber hinaus nicht einfach nur festgestellt werden, ob ein Patient fehl-/mangelernährt ist, sondern auch abgeschätzt werden, ob der aktuelle Ernährungsstatus einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Prognose haben kann. Indikationen für eine nutritive Unterstützung sind ein Vorbericht über eine entsprechende Erkrankung oder Gewichtsverlust, ein aktuell schlechter körperlicher Zustand/Ernährungszustand (niedriger Body Condition Score), ein kürzlich erfolgter Gewichtsverlust von mehr als 5 % oder aber eine laut Vorbericht seit mehr als drei Tagen bestehende Anorexie oder Inappetenz (real existierend oder antizipiert). Zunächst wird der Ernährungsstatus des Patienten ermittelt. Hierbei handelt es sich um eine subjektive Beurteilung auf der Grundlage des Vorberichts und der klinischen Untersuchung. Im nächsten Schritt wird die aktuelle Energieaufnahme des Patienten beurteilt. Die Bewertung des Ernährungsstatus und der Futteraufnahme des Patienten erfolgt stets unter Berücksichtigung des Grades der aktuellen Erkrankung, klinischer Faktoren wie der kardiovaskulären Instabilität, Elektrolytstörungen, Hyperglykämie und Hypertriglyzeridämie, sowie begleitender Erkrankungen mit Einfluss auf den Ernährungsplan, wie zum Beispiel Nieren- oder Lebererkrankungen. Unter Einbeziehung aller dieser Informationen legt der Tierarzt schließlich fest, welche Ernährungsmethode erforderlich ist, wie aggressiv die unterstützende Ernährung eingeleitet werden muss und welche Ernährungsroute die sicherste, effektivste und vom Patienten am besten tolerierte ist (Michel 2006). Ein wichtiger Faktor ist die Tatsache, dass viele kritisch kranke Katzen erst nach einer mehrtägigen oder sogar mehrwöchigen Mangelernährung in der Praxis vorgestellt werden. Aus diesem Grund sollte die nutritive Unterstützung einer kritisch kranken Katze zwar so schnell wie möglich eingeleitet werden, jedoch erst dann, wenn eine ausreichende Sicherheit gewährleistet ist. Zweifellos variiert dieser „ideale“ Zeitpunkt von Patient zu Patient, allgemein besteht aber unter Tierärzten die Neigung, eher zu lange abzuwarten (Chan 2006; Chan & Freeman 2006).

In der Humanmedizin wurde vor etwa 20 Jahren eine als Subjective global assessment (SGA) bezeichnete Methode als standardisiertes Werkzeug zur Bestimmung des Ernährungsstatus von Patienten entwickelt (Detsky et al. 1987). Ein vergleichbares standardisiertes Bewertungssystem in der Veterinärmedizin existiert zwar nicht, die Prinzipien des SGA können jedoch bei Tieren eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass die erforderlichen Daten aus dem Vorbericht, der klinischen Untersuchung und der Laboruntersuchung und anderer diagnostischer Techniken in die Beurteilung kritisch kranker Patienten einfließen (Michel 2006; Elliott 2008). © Isabelle Goy-Thollot

Intensivmedizin

Bestimmung des Ernährungsstatus

> Vorbericht

Die erfolgreiche Behandlung der felinen hepatischen Lipidose ist abhängig von einer frühzeitigen und bedarfsgerechten nutritiven Unterstützung. 412

Im Rahmen der Fütterungsanamnese muss zunächst ermittelt werden, ob der Patient gegenwärtig Nahrung aufnimmt oder nicht. Wichtig ist die Kenntnis der Gesamtdauer der Inappetenz, also die Anzahl der Tage ohne Nahrungsaufnahme vor der stationären Aufnahme zu Hause addiert mit der Anzahl der inappetenten Tage in der Klinik. Wichtig ist darüber hinaus eine Unterscheidung zwischen der angebotenen Futtermenge und der vom Tier tatsächlich aufgenommenen Futtermenge, sowohl zu Hause, als auch in der Klinik. Schwierig wird dies vor allem bei Katzen mit Zugang nach draußen oder in Mehrkatzenhaushalten mit ad


> Klinische Untersuchung Die klinische Untersuchung fokussiert sich auf Veränderungen der Körperzusammensetzung, insbesondere einen Schwund der Fettreserven und der Muskelmasse, das Vorhandensein von Ödemen oder Aszites, Schleimhaut- oder Hautläsionen und das Erscheinungsbild des Fells. Indikationen für eine diätetische Unterstützung sind Verletzungen, die eine adäquate Nahrungsaufnahme verhindern (Gesichtsverletzungen, chronische oder unbehandelte Schmerzen, Verletzungen, die eine chirurgische Korrektur verlangen) und Erkrankungen oder Zustände mit übermäßigem Proteinverlust (Peritonealdrainage, nässende Hautwunden, Leber- oder Niereninsuffizienz, Proteinverlustnephropathie oder –enteropathie).

ABBILDUNG 3 – BODY CONDITION SCORE BEI DER KATZE Grad Sehr mager:

Mager/dünn:

> Körpergewicht Das Körpergewicht ist ein grobes Maß für die Gesamtenergiespeicher des Organismus. Gewichtsveränderungen korrelieren in der Regel mit der Energie- und Proteinbilanz des Individuums. Bei der gesunden Katze variiert das Körpergewicht nur in sehr geringem Maße. Beim kritisch kranken Patienten können jedoch zusätzliche Belastungen für den Organismus entstehen. Ödeme und Aszites verursachen eine relative Zunahme der extrazellulären Flüssigkeit und können Verluste an Muskelmasse oder Körperfett maskieren. Auch ein massives Tumorwachstum oder eine Organomegalie kann einen Verlust an Fettgewebe oder fettfreier Körpermasse überdecken. Darüber hinaus können irreführende Veränderungen des Körpergewichts auf Dehydratation oder Flüssigkeitsansammlungen zurückzuführen sein. Zudem kann es erhebliche Abweichungen der Messergebnisse verschiedener Waagen geben. Um aussagekräftige Werte zu erhalten, sollte also stets dieselbe Waage verwendet werden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Katze ein relativ geringes Körpergewicht hat, und Gewichtsvariationen so subtil sein können, dass sie nur mit einer sehr genauen Waage zu beurteilen sind (Chan 2006; Elliott 2008). Zu beachten ist, dass eine einzige Messung des Körpergewichts eine nur geringe Aussagekraft besitzt. Wichtig ist vielmehr eine regelmäßige Gewichtskontrolle, um festzustellen, ob und in welchem Ausmaß sich das Körpergewicht im Laufe der Zeit verändert.

Ideal:

Kriterien - Rippen, Wirbelsäule, Schulterblätter und Becken problemlos sichtbar (kurzes Fell) - deutlicher Verlust an Muskelmasse - kein palpierbares Fett am Brustkorb

3 - Beurteilung des Ernährungsstatus

libitum Fütterung. Weitere wichtige Aspekte sind die Häufigkeit und die Mengen des Erbrechens und/oder der Diarrhoe.

- Rippen, Wirbelsäule, Schulterblätter und Becken sichtbar (kurzes Fell) - deutliche abdominale Einziehung (Taille) - minimales Bauchfettdepot

- Rippen und Wirbelsäule nicht sichtbar, aber problemlos tastbar - deutliche abdominale Einziehung (Taille) - geringfügiges Bauchfettdepot

Übergewichtig: - Rippen und Wirbelsäule kaum tastbar - keine abdominale Einziehung (Taille) - deutlich vergrößerter Bauchumfang

Adipös:

> Body Condition Scoring: Die Bestimmung des Körper- / Ernährungszustands

- massive Fettdepots am Brustkorb, an der Wirbelsäule und am Bauch - massiv vergrößerter Bauchumfang

Für die Katze wurden mehrere hervorragende Systeme zur Beurteilung des Körper-, bzw. Ernährungszustands, des so genannten „Body Condition Score“, entwickelt. Am geläufigsten ist ein Bewertungssystem mit fünfstufiger Skala (Abbildung 3), bei dem ein Body Condition Score von 3 dem Idealzustand entspricht, während eine adipöse Katze den Wert 5 erhält und eine kachektische Katze den Wert 1 (siehe auch Kapitel 1). Die Body Condition Scoring- Systeme sind in erster Linie für die Beurteilung der Fettspeicher des Körpers konzipiert. Bei kritisch kranken Tieren kommt es jedoch häufig zu einem überproportionalen Verlust an fettfreier Körpermasse, während die Fettspeicher adäquat erscheinen. Erforderlich ist deshalb bei diesen Patienten zusätzlich eine sorgfältige Beurteilung der Muskelmasse durch Palpation der Skelettmuskulatur über Knochenvorsprüngen wie Schulterblatt oder Wirbelsäule. Freeman et al. (2006) empfehlen die Anwendung eines „Kachexie Scoring Systems“ zur Beurteilung der fettfreien Körpermasse, bei dem der Wert „0“ dem physiologischen Zustand entspricht und der Wert „4“ eine hochgradige Kachexie repräsentiert.

> Labordiagnostische Indikatoren einer Mangelernährung Intensivmedizin

Spezifische biochemische Analysen, mit deren Hilfe eine mangelernährte Katze eindeutig identifiziert werden kann oder eine Überwachung der nutritiven Unterstützung möglich ist, gibt es nicht. Die gegenwärtig als Indikatoren für eine Mangelernährung eingesetzten labordiagnostischen Indikatoren sind Hypoalbuminämie, ein herabgesetzter Blutharnstoffstickstoffwert (BUN), Hypocholesterinämie, Anämie und Lymphopenie. In vielen Fällen ist jedoch nicht zu unterscheiden, ob Veränderungen dieser Parameter auf die Mangelernährung oder auf eine zugrunde liegende Erkrankung zurückzuführen sind. So ist eine Abnahme der Albuminkonzentration im Plasma häufiger auf einen pathologischen Albuminverlust als auf eine Unterernährung zurückzuführen (Atkinson & Worthley 2003). Fascetti et al. (1997) berichten, dass anorektische Katzen signifikant höhere Kreatinkinasekonzentrationen im Serum aufweisen als gesunde Katzen. Darüber hinaus wird beobachtet, dass die Kreatinkinasekonzentration innerhalb von 48 Stunden nach Einleitung einer diätetischen Unterstützung in signifikantem Maße sinkt. Aufgrund ihrer guten Verfügbarkeit und ihrer 413


3 - Beurteilung des Ernährungsstatus

einfachen Durchführbarkeit gelten Kreatinkinase-Tests als eine viel versprechende Methode der Beurteilung und Überwachung des Ernährungsstatus bei Katzen. Weitere labordiagnostische Parameter des Ernährungsstatus wie Präalbumin, Transferrin, die Gesamteisenbindungskapazität, Fibronectin, Insulin-like growth factor-I, Retinal binding protein, Ceruloplasmin, a-1Antitrypsin, a1- Acid Glykoprotein und C-reaktives Protein sind bei der Katze nicht evaluiert (Elliott 2008).

> Zusammenfassung der Daten Sämtliche Schritte des diätetischen Managements sollten vollständig und klar in den medizinischen Unterlagen des Patienten dokumentiert werden. Die wichtige Bedeutung einer klaren Dokumentation verdeutlicht eine Studie über 276 Hunde, bei denen eine negative Energiebilanz an 73 % der Hopsitalisierungstage zu verzeichnen war. In 22 % der Fälle wurde die negative Energiebilanz auf undeutliche oder unklare Verordnungen zurückgeführt (Remillard et al. 2001). Eine präzise Dokumentation erleichtert zudem die Kommunikation innerhalb des Praxisteams und stärkt die Stellung der Ernährung/Diätetik innerhalb der Behandlungsstrategie.

Beurteilung der freiwilligen Futteraufnahme Um beurteilen zu können, ob die Katze eine bedarfsgerechte Futteraufnahme zeigt, müssen zunächst ein kalorisches Ziel festgelegt, ein geeignetes Futtermittel ausgewählt und präzise Fütterungsanweisungen formuliert werden. Mit Hilfe einer präzisen Dokumentation lassen sich die angebotene Futtermenge und die vom Patienten tatsächlich aufgenommene Futtermenge genau ermitteln (Michel 2006).

Die Wahl der Ernährungsroute Die diätetische Unterstützung von kritisch kranken Patienten kann auf enteralem oder auf parenteralem Weg erfolgen. Seit mehreren Jahrzehnten gibt es eine intensiv und kontrovers geführte Diskussion der Frage, welche Methode die bessere ist. Die Antwort, oder zumindest der aktuelle Konsens lautet, dass beide Methoden ihre Vorteile haben und eine wichtige Rolle bei der Behandlung kritisch kranker Patienten spielen. Das primäre Ziel der diätetischen Unterstützung ist der Einsatz aller verfügbaren Mittel zur Verhinderung einer Mangelernährung („Malnutrition“) bei kritisch kranken Patienten, wobei stets angestrebt wird, die Vorteile der gewählten Ernährungsmethode zu maximieren und ihre Risiken gleichzeitig zu minimieren. Die Wahl der im Einzelfall am besten geeigneten Route für die nutritive Unterstützung richtet sich in erster Linie nach der klinischen und nutritiven Beurteilung des Patienten und in geringerem Maße auch nach logistischen Faktoren wie der Verfügbarkeit von Spezialdiäten und Nährstofflösungen oder dem Zugang zu einer 24-Stunden-Intensivbetreuung (Michel 2006; Tabelle 4). Wenn immer möglich sollte die enterale Route gewählt werden (Chan 2006). Der enterale Weg ist deshalb vorzuziehen, da es sich um die physiologischste, einfachste, sicherste und zugleich kostengünstigste Methode handelt (Yam & Cave 1998). Während also die enterale Route heute allgemein als die Methode der Wahl gilt, kann sie in der Praxis aufgrund von gastrointestinalen Motilitätsstörungen oder Diarrhoe zu lediglich suboptimalen Ergebnissen führen, das heißt, der Tagesbedarf an Nährstoffen und/oder Energie wird nicht ausreichend gedeckt (Atkinson & Worthley 2003). Auch wenn der Patient nur geringe Volumina enteral zugeführter Nahrung verträgt, sollte diese Fütterungsroute in jedem Fall gewählt werden und zur vollständigen Bedarfsdeckung gegebenenfalls durch eine parenterale Ernährung ergänzt werden. Kritisch kranke Katzen mit vollständiger Unverträglichkeit einer enteralen Nahrungszufuhr müssen in jedem Fall parenteral ernährt werden (Abbildung 4).

TABELLE 4 – WICHTIGE INFORMATIONEN FÜR DIE BEURTEILUNG DES ERNÄHRUNGSSTATUS EINER KATZE

Intensivmedizin

nach Michel 2006

1. Beurteilung der Funktion des Gastrointestinaltraktes 2. Beurteilung anderer Organsysteme, die einen Einfluss auf die Verträglichkeit spezifischer Nährstoffe haben können 3. Beurteilung der Verträglichkeit des Legens einer Ernährungssonde 4. Beurteilung des Aspirationsrisikos (Aspirationspneumonie) 5. Beurteilung der Möglichkeit, Gefäßzugänge zu legen 6. Beurteilung der Flüssigkeitsverträglichkeit

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Die Beurteilung der Funktion des Gastrointestinaltraktes umfasst eine klinische Untersuchung des Patienten auf Anzeichen von Nausea und Erbrechen und Hinweise auf eine gastrointestinale Dysfunktion, wie zum Beispiel Ileus oder Malabsorption. Wichtig ist zudem die Klärung der Frage, ob der Patient Arzneimittel erhält, die Nausea oder einen Ileus auslösen können, und ob sich der Patient vor kurzem einem gastrointestinalen chirurgischen Eingriff unterzogen hat oder sonstige gastrointestinale Insulte erlitten hat, die eine Umgehung des Magendarmtraktes erforderlich machen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Untersuchung ist die Abklärung möglicher Hinweise auf Veränderungen anderer Organsysteme, die die Verträglichkeit spezifischer Nährstoffe beeinträchtigen können. So kann beispielsweise eine Nieren- oder Leberinsuffizienz einen negativen Einfluss auf die Proteinverträglichkeit haben, und infiltrative Erkrankungen der Schleimhaut können die Fähigkeit der diätetischen Fettassimilation beeinträchtigen. Mit Ausnahme von Nasenschlundsonden verlangt das Legen enteraler Ernährungssonden eine Sedation oder Allgemeinanästhesie. Der Untersucher sollte deshalb bereits im Rahmen diagnostischer oder chirurgischer Maßnahmen die Notwendigkeit des Einsetzens einer enteralen Fütterungssonde antizipieren. Soll eine Sonde auf chirurgischem Weg gelegt werden, muss zunächst der Gerinnungsstatus des Patienten überprüft werden. Abzuklären sind zudem mögliche zugrunde liegende


3 - Beurteilung des Ernährungsstatus

ABBILDUNG 4 – ENTSCHEIDUNGSBAUM FÜR DIE DIÄTETISCHE UNTERSTÜTZUNG (nach Delaney et al. 2006)

Anorexie über mehr als 3 Tage?

oder

Nahrungskarenz über mehr als 3 Tage Freiwillige Nahrungsaufnahme geringer oder zu erwarten? als Ruheenergiebedarf (REB) NEIN

JA Diätetische Unterstützung notwendig Wahl zwischen enteraler und parenteraler Route Kann der REB durch Handfütterung oder periodische Spritzenfütterung gedeckt werden?

Rekonvaleszenznahrung: • Energiedichte > 4 kcal/g TM • per Spritze verabreichbar • hoher Proteingehalt

JA

NEIN

unstillbares hochgradige akute Erbrechen oder Diarrhoe oderPankreatitis JA

NEIN

enterale Ernährung per Sonde Kann der Patient für das Legen einer Sonde anästhesiert werden? NEIN

Nasenschlundsonde: 3-5 Fr flüssige Rekonvaleszenznahrung

Diätetische Unterstützung zu empfehlen fortgesetzte freiwillige orale Nahrungsaufnahme spezieller Nahrung für die Rekonvaleszenz; regelmäßige Beurteilung während der gesamten Rekonvaleszenz; sicherstellen, dass der Energiebedarf gedeckt wird und das Körpergewicht erhalten bleibt

JA

parenterale Ernährung Funktioneller Ösophagus? JA und Diätetische Unterstützung für NEIN weniger als 2 Monate angezeigt? NEIN

Pankreatitis? Umfangreichere gastrointestinale Operation? Müssen Magen JA oder Duodenum umgangen werden?

* Berechnung des Ruheenergiebedarfs (REB): REB = 70 x (KG in kg)0,73 Ergebnis in kcal/Tag

Jejunostomiesonde 5 Fr

Ösophagostomiesonde 8-12 Fr Rekonvaleszenznahrung: • Energiedichte > 4 kcal/g TM • per Spritze verabreichbar • hoher Proteingehalt

Gastrostomiesonde 16-20 Fr Rekonvaleszenznahrung: • Energiedichte > 4 kcal/g TM • per Spritze verabreichbar • hoher Proteingehalt

Tägliche Überwachung während der Hospitalisierung: Klinische Untersuchung Wiegen der Katze (mit derselben Waage) Energieaufnahme berechnen und mit dem REB vergleichen Blutuntersuchung: Elektrolyte, Glukose, Hämatokrit und Albumin

Erkrankungen oder Medikationen, die zu Wundheilungsstörungen führen können. Auch beim Legen einer nasoösophagealen Sonde sind in der Regel gewisse Zwangsmaßnahmen erforderlich, die bei Patienten mit Atemproblemen unter Umständen zu Komplikationen führen.

Die Patienten müssen vor einer Anästhesie zunächst stabilisiert werden, unabhängig von der Dringlichkeit der diätetischen Unterstützung (Chan & Freeman 2006a).

Auch die Art der zur Verfügung stehenden Nahrung hat einen Einfluss auf die Wahl von Art und Lokalisation der Sonde. Steht lediglich gemixtes, breiförmiges Futter zur Verfügung, begrenzt sich die Auswahl auf großlumige Ösophagus- oder Magensonden (Michel 2004; Michel 2006).

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Intensivmedizin

Die verfügbare Pflege und Betreuung des Patienten hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Wahl der Sonde und der Ernährungsroute. Soll eine Katze beispielsweise mit eingesetzter Ernährungssonde nach Hause entlassen werden, müssen Sonden verwendet werden, die eine Bolusfütterung ermöglichen, es sei denn, der Besitzer ist in der Lage, seine Katze zu Hause für eine maschinell unterstützte kontinuierliche Fütterung in einen Käfig einzusperren und entsprechend zu überwachen.

© ENVL-SIAMU

Wird eine parenterale Ernährung in Erwägung gezogen, muss zunächst ermittelt werden, ob ein peripherer oder zentraler Venenzugang gelegt werden kann. Zudem muss die Flüssigkeitsverträglichkeit des Patienten beurteilt werden (Michel 2004; Michel 2006). Im Idealfall erfolgt die parenterale Ernährung über einen zentralen Venenkatheter, der eine enge Überwachung des Patienten auf metabolische Komplikationen verlangt. Parenteral ernährte Patienten sollten deshalb nach Möglichkeit in Kliniken oder Praxen mit 24stündiger Intensivbetreuung und einem Labor mit der Möglichkeit, serumbiochemische Tests durchzuführen, untergebracht werden.


4 - Berechnung des Nährstoff- und Energiebedarfs

4 - Berechnung des Nährstoff- und Energiebedarfs Sobald die Entscheidung für eine nutritive Unterstützung gefallen ist, erfolgt eine stufenweise Berechnung des Energiebedarfs und Auswahl des geeigneten Nährstoffprofils (Proteine, Kohlenhydrate, Fett). Darüber hinaus wird der Flüssigkeitsbedarf der Katze berechnet.

Energie Die Berechnung des Energiebedarfs kritisch kranker Katzen ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Eine direkte Messung des Energieverbrauchs eines Patienten ist nicht ohne weiteres möglich. Alternativ werden verschiedene Gleichungen zur Abschätzung des Energiebedarfs vorgeschlagen. Diese Gleichungen verwenden den Ruheenergiebedarf (REB), den Grundumsatz (GU) und den Erhaltungsenergiebedarf (EEB). Der REB beschreibt die von einem Tier im Ruhezustand benötigte Energie für physiologische Prozesse und die Assimilation von Nährstoffen (Elliott & Biourge 2006; Michel 2006). Die Autoren verwenden meist die für alle Spezies gültige Gleichung (1). Alternativ kann Gleichung 2 eingesetzt werden, um den für die Katze spezifischen REB zu berechnen. Gleichung 1: Gleichung 2 :

REB = 70 x (aktuelles Körpergewicht in kg)0,73 kcal/Tag REB = 40 x (aktuelles Körpergewicht in kg) kcal/Tag

Um Komplikationen im Zusammenhang mit der Anfütterung kritisch kranker Patienten (siehe unten) zu vermeiden, sollte das aktuelle Körpergewicht der Katze für die initiale Berechnung des REB verwendet werden, unabhängig davon, ob es sich um eine untergewichtige oder übergewichtige Katze handelt. Die Kalorienzufuhr kann anschließend von Tag zu Tag individuell angepasst werden, um sicherzustellen, dass auch die zum Erhalt des aktuellen Körpergewichts notwendige Energiemenge tatsächlich zugeführt wird. Nach Stabilisierung des kritischen Zustands wird die Kalorienzufuhr erneut adaptiert, um entweder eine Gewichtszunahme bei untergewichtigen Katzen zu erreichen, oder aber mit Hilfe eines Gewichtsreduktionsprogramms (siehe Kapitel 1) eine Gewichtsabnahme bei übergewichtigen Patienten einzuleiten. Einige Autoren empfehlen die Multiplikation des REB mit einem so genannten „Krankheitsfaktor“ von 0,5 bis 2,0, um den Hypermetabolismus dieser Patienten zu berücksichtigen (Bartges et al. 2004). Andere Autoren zeigen jedoch, dass der auf dem Wege der indirekten Kalorimetrie bestimmte REB kritisch kranker Hunde nur geringfügig höher liegt, als der gesunder Individuen (O’Toole et al. 2004). Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass eine übermäßige Kalorienzufuhr zu gastrointestinalen Komplikationen, Elektrolytimbalanzen, Leberdysfunktion oder Herzproblemen führen kann, Komplikationen also, die unter dem Begriff des Refeeding-Syndroms zusammengefasst werden (Solomon & Kirby 1989; Miller & Bartges 2000; Armitage-Chan et al. 2006). Zudem kann eine energetische Überversorgung zu erhöhter Kohlendioxidproduktion führen, die bei Patienten mit eingeschränkter Atemfunktion eine zusätzliche Belastung darstellen kann (Lippert et al. 1993). Schließlich weist eine Studie auf den Zusammenhang zwischen der Anwendung solcher Krankheitsfaktoren und der Entwicklung von Hyperglykämie bei parenteral ernährten Katzen hin (Crabb et al. 2006). Diese Studien stützen also den jüngsten Trend, die diätetische Unterstützung kritisch kranker Patienten an deren Ruheenergiebedarf (REB) zu orientieren und nicht etwa an einem höheren „Krankheitsenergiebedarf“ (O’Toole et al. 2004).

Intensivmedizin

TABELLE 5 – KRITISCH KRANKE KATZEN HABEN IN DER REGEL EINEN HÖHEREN PROTEINBEDARF ALS GESUNDE KATZEN.

Protein:Kalorien-Verhältnis: 110 g/1000 kcal gegenüber 80 g/1000 kcal bei gesunden Katzen Proteine müssen 40 % des REB liefern gegenüber 28 % bei gesunden Katzen. Besonderheiten der Katze: - höherer Proteinbedarf - höherer Taurin- und Argininbedarf

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Proteine Zur Wiederherstellung einer positiven Stickstoffbilanz bei einem hochgradig hypermetabolen und hyperkatabolen Patienten kann eine über den physiologischen Mindestbedarf hinaus gehende Proteinzufuhr erforderlich sein (Elliott & Biourge 2006; Tabelle 5). Während bei kritisch kranken Menschen die Stickstoffbilanz häufig zur Bestimmung des Proteinbedarfs eingesetzt wird, ist dieses Verfahren bei kritisch kranken Tieren nicht üblich. Bei einer kritisch kranken Katze sollte der diätetische Proteinanteil etwa 30 bis 50 % der Gesamtenergie liefern (Chan & Freeman 2006). Die Bestimmung des Proteinbedarfs erfolgt in der Regel auf der Grundlage der klinischen Beurteilung des Patienten und vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass der Proteinbedarf bei bestimmten Erkrankungen deutlich erhöht sein kann (z. B. Peritonitis, nässende Wunden, hochgradige Verbrennungen), bei anderen Erkrankungen jedoch spezifisch angepasst werden muss (z. B. Urämie, hepatische Enzephalopathie). Die diätetische Proteinquelle sollte in jedem Fall eine hohe Verdaulichkeit besitzen und sämtliche für Katzen essenzielle Aminosäuren enthalten. Flüssige Präparate aus der Humanmedizin sollten, wenn überhaupt, bei der Katze nur mit großer Vorsicht eingesetzt werden, da sie in der Regel den hohen Proteinbedarf der Katze nicht decken und zu geringe Mengen einiger für Katzen essenzieller Nährstoffe wie Arginin, Taurin und Arachidonsäure enthalten.


4 - Berechnung des Nährstoff- und Energiebedarfs

Die verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAA) Leucin, Isoleucin und Valin (oder ihre Metaboliten) können eine regulatorische und anabole Rolle im Proteinstoffwechsel der Katze spielen, und zwar entweder durch eine Steigerung der Muskelproteinsyntheserate oder durch eine Senkung des Proteinabbaus. Einige, aber nicht alle humanmedizinischen Studien, berichten, dass BCAAs einen positiven Effekt auf die Stickstoffbilanz bei gestressten Patienten haben (Skeie et al. 1990). Bis heute gibt es jedoch keine veröffentlichten Studien über mögliche Vorteile von BCAAs bei kritisch kranken Katzen. In Anbetracht des Stoffwechsels dieser Aminosäuren bei der Spezies Katze ist anzunehmen, dass BCAAs auch bei diesen Patienten vorteilhafte Wirkungen haben können (Elliott & Biourge 2006). Es gibt nur wenige Studien, die eine Supplementierung mit Glutamin bei kranken oder kritisch kranken Hunden oder Katzen untersuchen. Marks et al. (1999) waren nicht in der Lage, die Darmfunktion bei Katzen mit einer Methotrexat-induzierten Enteritis mit Hilfe von mit Glutamin supplementierten „purified diets“ (Futtermittel aus reinen Komponenten) auf Aminosäurebasis aufrechtzuerhalten. In der Humanmedizin gibt es indes zahlreiche Studien, in denen die Effekte enteral oder parenteral verabreichten Glutamins bei kritisch kranken Patienten untersucht wurden. Einige Studien beschreiben positive Effekte der Glutaminsupplementierung auf die gastrointestinale Barriere und den Krankheitsverlauf, während andere Untersuchungen keine entsprechenden Wirkungen nennen. Zusammenfassend betrachtet geben die Resultate dieser humanmedizinischen Studien sicherlich Anlass zu der Vermutung, dass Glutamin auch bei kritisch kranken Katzen positive Auswirkungen auf die gastrointestinale Gesundheit haben kann.

Kohlenhydrate Katzen sind weitgehend unabhängig von diätetischen Kohlenhydraten und nutzen sie allenfalls als alternative Energiequelle. Dennoch kann eine Supplementierung mit Kohlenhydraten den Erhalt der fettfreien Körpermasse auch bei der Katze auf dem Wege einer Down-Regulierung der Glukoneogenese unterstützen. Eine Überversorgung mit einfachen Kohlenhydraten ist bei kritisch kranken Katzen aufgrund der Gefahr einer Hyperglykämie zu vermeiden (Lippert et al. 1993; Chan et al. 2002; Pyle et al. 2004; Tabelle 6). Die konsekutive Insulinfreisetzung kann zu einer Steigerung der Hypophosphatämie, der Hypokaliämie und anderer Stoffwechselstörungen führen (Elliott & Biourge 2006). Zudem haben Katzen Schwierigkeiten, große Mengen hoch verdaulicher Kohlenhydrate zu verstoffwechseln. Kohlenhydrate sind also bei kritisch kranken Katzen nicht als Energiequelle zu empfehlen.

Fett Fettreiche Futtermittel (über 40 % der Kalorien in Form von Fett) werden für kritisch kranke Patienten empfohlen, da in der katabolen Stoffwechsellage überwiegend freie Fettsäuren das Hauptenergiesubstrat darstellen und nicht etwa Glukose. Die Verwendung von Fett als Hauptenergiequelle kann zudem dazu beitragen, Protein einzusparen, das anderenfalls im Rahmen kataboler Prozesse zum Zwecke der Energiegewinnung abgebaut wird. Die so eingesparten Proteine können stattdessen für anabole Prozesse eingesetzt werden. Fett liefert zudem mehr als doppelt so viel Energie pro Gewichtseinheit wie Proteine oder Kohlenhydrate und ermöglicht somit die Formulierung von Futtermitteln mit deutlich höherer Energiedichte (Tabelle 7). Mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFAs) sind als Bestandteile der Membranphospholipide essenziell für den Erhalt der Membranintegrität und die Lieferung von Substraten für die Synthese von Eicosanoiden (Prostaglandine, Thromboxane und Leukotriene). Eicosanoide regulieren die Produktion einiger Zytokine wie Interleukin-1 und TNF-a und sind an entzündlichen und immunologischen Reaktionen beteiligt. Die langkettigen Omega-3-Fettsäuren wie EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) verringern die Synthese proinflammatorischer Mediatoren (COX-2-hemmende Wirkung, Hemmung der PGE2Produktion, Verringerung der nukleären NF-kB Translokation und Hemmung der Zytokinproduktion), und haben nachweislich klinische Vorteile bei eine Reihe von Krankheitszuständen, einschließlich Sepsis.

TABELLE 6 – KRITISCH KRANKE KATZEN SOLLTEN WENIGER KOHLENHYDRATE AUFNEHMEN ALS GESUNDE KATZEN. Kohlenhydrat:Kalorien-Verhältnis 40-60 g/1000 kcal gegenüber 60-90 g/1000 kcal bei der gesunden Katze. Kohlenhydrate liefern 15-20 % des REB gegenüber 20-30 % bei der gesunden Katze.

TABELLE 7 – KRITISCH KRANKE KATZEN HABEN IN DER REGEL EINEN HÖHEREN FETTBEDARF ALS GESUNDE KATZEN. Fett:Kalorien-Verhältnis: 60-80 g/1000 kcal gegenüber 60 g/1000 kcal bei der gesunden Katze. Fette liefern 50-70 % des REB gegenüber 50 % bei der gesunden Katze.

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Intensivmedizin

Dagegen kann der Zusatz fermentierbarer diätetischer Fasern oder Präbiotika, wie zum Beispiel Zuckerrübentrockenschnitzel oder Fructo-Oligosaccharide, bei kritisch kranken Katzen mehrere vorteilhafte Effekte haben. Fermentierbare Fasern haben einen positiven Effekt auf die Schleimhautbarriere, indem sie das Wachstum „nützlicher“ Darmbakterien wie Laktobazillen und Bifidobakterien fördern. Diese Bakterien gelten als vorteilhaft für die gastrointestinale Gesundheit, da sie das Wachstum pathogener Erreger wie Clostridium spp. und E. coli hemmen. Darüber hinaus bilden sie die kurzkettigen Fettsäuren Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure, die den Kolozyten der Katze als Energiesubstrat dienen. Kurzkettige Fettsäuren steigern die Natrium- und Wasserabsorption, fördern die Schleimhautdurchblutung und steigern die Freisetzung gastrointestinaler Hormone. Diese Mechanismen tragen zur trophischen Rolle der kurzkettigen Fettsäuren für die Darmschleimhaut bei, indem sie die Proliferation von Enterozyten und Kolozyten stimulieren (Elliott & Biourge 2006).


5 - Enterale Ernährung

Omega-6-Fettsäuren spielen dagegen eine signifikante Rolle bei der Immunsuppression, bei der Tumorgenese und bei Entzündungen (Kerl & Johnson 2004; Saker 2006).

Vitamine und Mineralstoffe Vitamine und Mineralstoffe sind an komplexen metabolischen Reaktionen beteiligt und spielen eine Schlüsselrolle bei antioxidativen Mechanismen (Saker 2006). Der Elektrolytgehalt (Phosphor, Natrium, Kalium und Magnesium) von Futtermitteln für kritisch kranke Patienten muss streng überwacht werden, um die Entstehung eines Refeeding-Syndroms zu verhindern (Solomon & Kirby 1989; Justin & Hohenhaus 1995; Miller & Bartges 2000; Armitage-Chan et al. 2006). Eine Zinksupplementierung kann sich bei kritisch kranken Patienten vorteilhaft auswirken, indem sie das Immunsystem unterstützt und die Wundheilung fördert. Kritisch kranke Katzen können darüber hinaus einen erhöhten Bedarf an wasserlöslichen B-Vitaminen aufweisen. Vitamin B12 ist besonders wichtig für Katzen mit Pankreatitis oder chronischen Darmerkrankungen.

Spezifische Nährstoffe Der Zusammenhang zwischen Fehl-/Mangelernährung und reduzierter Widerstandskraft gegen Infektionen wird bereits seit Jahrhunderten beobachtet. In zahlreichen Studien wird die klinische Wirksamkeit spezifischer Nährstoffsupplemente zur Modulation des Immunsystems untersucht (Heyland & Dhaliwal 2005). Untersucht wurden vor allem die immunmodulatorischen Eigenschaften von Glutamin, Arginin, langkettigen Omega-3Fettsäuren, Antioxidanzien (Vitamin C, Vitamin E, Taurin, Karotinoide) und Nukleotiden (Chan & Freeman 2006a). Nicht bekannt sind indes die optimale Kombination und die optimalen Mengen immunmodulierender Nährstoffe zur Unterstützung des Immunsystems kritisch kranker Katzen (siehe Kapitel 14). Freie Radikale sind instabile Moleküle, die im Rahmen zahlreicher endogener und exogener Prozesse gebildet werden. Die bei kritisch kranken Tieren häufig auftretenden pathologischen Veränderungen wie Hypovolämie, Ischämie und Reperfusionsschäden können zu einer Steigerung der Produktion freier Radikale beitragen. Freie Radikale verursachen oxidative Schäden an zellulären Komponenten, die letztlich zu Organdysfunktionen führen können. Der Organismus versucht, oxidativen Schäden mit Hilfe zahlreicher Radikale-abfangender und Radikale-neutralisierender Systeme entgegenzuwirken. Beispiele für solche antioxidativen Schutzsysteme sind die Enzyme Superoxid-Dismutase, Glutathionperoxidase und Katalase, sowie Vitamin E, Vitamin C, Taurin und Karotinoide. Bei Patienten mit kritischen Erkrankungen kann es jedoch zu einem Ungleichgewicht zwischen der Produktion von Oxidanzien und dem körpereigenen antioxidativen Schutz kommen. Es ist deshalb zu empfehlen, die Nahrung kritisch kranker Patienten mit Antioxidanzien anzureichern. Zusammengefasst hat eine adäquate diätetische Unterstützung folgende Vorteile: Stärkung der Immunfunktion, Verbesserung der Wundheilung, verbessertes Ansprechen auf Behandlungsmaßnahmen, kürzere Rekonvaleszenzzeiten und längere Überlebenszeiten (Abbildung 5).

Wasser Der vergleichsweise geringe Flüssigkeitsbedarf der Katze reflektiert die Lebensweise ihrer Vorfahren in überwiegend wüstenähnlichen Lebensräumen. Diese Tiere deckten ihren Wasserbedarf zum größten Teil über den Verzehr ihrer Beutetiere. Katzen reagieren zudem weniger sensitiv auf Durst und Dehydratation als Hunde. Dennoch sind auch kritisch kranke Katzen im Allgemeinen dehydriert oder hypovolämisch, und in der Regel verlangt die Wiederherstellung des Flüssigkeits- und Elektrolytgleichgewichts sowie des zirkulierenden Blutvolumens dieser Patienten eine intravenöse Unterstützung.

5 - Enterale Ernährung Intensivmedizin

Eine Studie untersuchte den bei 23 Katzen und 2 Hunden tatsächlich verabreichten prozentualen Anteil der verordneten enteralen Ernährung (Michel & Higgins 2006) und zeigte gute Erfolgs- und Complianceraten bei eindeutig formulierten Verordnungen. Darüber hinaus zeigte sich, dass eine Beratung des Nutritional Support Service zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit führte, dass die verordnete Ernährung den geschätzten REB des Patienten auch tatsächlich deckte.

„Unterstützte“ Fütterung Die Spezies Katze ist allgemein bekannt für ihre oftmals sehr stark festgelegten Nahrungspräferenzen. Nicht selten zeigen Katzen aus diesem Grund gegenüber neuen Futtermitteln eine eher ablehnende Haltung. Werden der Geruch oder der Geschmack eines Futtermittels mit positiven Ereignissen assoziiert, so wird dieses Produkt von der Katze mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig wieder gern angenommen und ver418


5 - Enterale Ernährung

ABBILDUNG 5 – DIÄTETISCHE SCHLÜSSELPUNKTE ZUR BESCHLEUNIGUNG DER REKONVALESZENZ UND VERBESSERUNG DER KLINISCHEN RESULTATE Trauma – Chirurgischer Eingriff – Entzündlicher Prozess - Hospitalisierung

Glukoneogenese

verzweigtkettige Aminosäuren

erhöhter Gehalt an EPA und DHA

reduzierte Wirksamkeit von Arzneimittel

Erhöhter Verbrauch von Aminosäuren (Produktion von Immunglobulinen, entzündlichen Proteinen, Gerinnungsfaktoren)

hoch verdauliche Aminosäuren

erhöhter Ruheenergieverbrauch im Zusammenhang mit der Pathogenese

reduzierter Appetit, Anorexie, mangelnde Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme

Proteinmangel negative Nährstoff- und Energiebilanz

Wundheilungsverzögerung

Zink

hohe Energiedichte

lokale und generalisierte Immunsuppression

fermentierbare Fasern und Arginin

adäquater Fettgehalt

Atrophie des Darmepithels

synergistischer Antioxidanzienkomplex

erhöhter Glutamingehalt

höhere Erholungsrate und schnelle Erholung

© WALTHAM Centre for Pet Nutrition

Allein der Geruch eines von der Katze mit Verdauungsstörungen assoziierten Futtermittels reicht aus, um eine Aversion auszulösen. Katzen zeigen sogar eine Aversion gegen ihr gewohntes und bislang gern aufgenommenes Futter, wenn dieses unter einem Luftzug mit dem Geruch eines Futters, gegen das die Katze bereits eine Aversion entwickelt hat, angeboten wird. Bei der Zubereitung von Futterrationen für stationär untergebrachte Katzen muss deshalb besonders große Sorgfalt an den Tag gelegt werden. Verschiedene Gerüche können ansonsten unkontrolliert durch die Station diffundieren und eine Aversion auch bei den Katzen auslösen, die ihr gewohntes und bislang akzeptiertes Futter erhalten. Die Zubereitung der Rationen sollte deshalb stets räumlich getrennt von der Katzenstation erfolgen, um eine unkontrollierte Verbreitung von Gerüchen zu verhindern. Bei Katzen, die offensichtlich noch ein geringes Interesse an Futter zeigen, gibt es mehrere Möglichkeiten, die Futteraufnahme anzuregen. Zunächst kann versucht werden, das Futter unter geänderten äußeren Umständen oder durch eine andere Person anzubieten. Auch soziale Interaktionen wie Streicheln und das Reden mit der Katze können einen Beitrag zur Förderung der freiwilligen Nahrungsaufnahme leisten (Abbildung 6). Die Katze muss sich in ihrer Umgebung sicher und vertraut fühlen. Tierarzt und Besitzer müssen deshalb ein Umfeld schaffen, in dem die Katze ihre wichtigsten natürlichen Verhaltensweisen wie Fressen, Schlafen und Spielen auf arttypische Weise ausleben kann. Zudem muss eine Katze stets die Möglichkeit haben, ihren eigenen Stresslevel durch natürliche Mechanismen wie Verstecken oder Sich-Zurückziehen jederzeit selbst zu kontrollieren. Eines der Probleme bei hospitalisierten Katzen ist die Tatsache, dass diese Tiere in ihren

Abbildung 6 - Die freiwillige Nahrungsaufnahme kann bei einigen Katzen angeregt werden, indem man das Futter direkt in die Maulhöhle gibt oder Lippen und Pfoten mit Futter benetzt. 419

Intensivmedizin

zehrt. Verbindet die Katze Geruch und Geschmack dagegen mit negativen Erfahrungen, wie zum Beispiel einem stationären Aufenthalt in der Klinik, so wird das entsprechende Futtermittel mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft abgelehnt. Dieses Phänomen des Ernährungsverhaltens wird als Futtermittelaversion bezeichnet. Bei der Katze kann eine solche Aversion sehr schnell und aus vermeintlich geringem Anlass entstehen. Unbedingt zu vermeiden ist daher die Zwangsfütterung einer inappetenten Katze, da diese nicht nur die Gefahr einer Aspirationspneumonie mit sich bringt, sondern darüber hinaus auch zu einer zusätzlichen Verstärkung der erlernten Aversion führt.


5 - Enterale Ernährung

© Hermann Bourgeois

engen Käfigen meist permanent „auf dem Präsentierteller sitzen“ und aufgrund der fehlenden Rückzugsmöglichkeiten unter Stress leiden. Wichtig für ein größtmögliches Sicherheits- und Vertrautheitsgefühl einer Katze ist die Schaffung einer konstanten und vorhersagbaren Umgebung, sowohl die materielle Ausstattung, als auch das Geruchsprofil betreffend. Stationäre Katzen verweigern oft nur deshalb die Nahrungsaufnahme, weil die Enge des Käfigs nicht ihrem natürlichen Raumbedürfnis entspricht (Abbildung 7).

Abbildung 7 - Die Unterbringung in den größeren Hundeboxen mit der Möglichkeit einer besseren Trennung zwischen Futterstelle, Schlafplatz und Katzentoilette kann bei einigen anorektischen Katzen zur Wiederkehr des Appetits beitragen.

Bei anorektischen Patienten ist häufig eine frühzeitig eintretende Sättigung zu beobachten. Empfohlen wird deshalb die Aufteilung der Tagesration in möglichst viele kleine, frische Mahlzeiten. Bei Katzen ist dies besonders wichtig, da der Verzehr zahlreicher kleiner, über den Tag verteilter Mahlzeiten ein integraler Bestandteil ihres natürlichen Ernährungsverhaltens ist. Katzen fressen sowohl tagsüber als auch während der Nacht. Die konsequente Berücksichtigung dieses natürlichen Ernährungsverhaltens auch bei hospitalisierten Katzen durch die Gabe zahlreicher kleiner, frischer und über den gesamten Tag und die gesamte Nacht verteilter Mahlzeiten kann deshalb in entscheidendem Maße zu einer Verbesserung der freiwilligen Futteraufnahme beitragen. Bei der Katze ist auch das so genannte „Maulgefühl“ ein sehr wichtiger Aspekt der Nahrungsaufnahme. Futtercharakteristika oder bestimmte Nährstoffe, die zur Erhöhung der Akzeptanz bei Katzen beitragen können, sind Feuchtigkeit, Fette und Proteine. Zudem bevorzugen Katzen tendenziell Nahrungsmittel mit der Grundgeschmacksrichtung „sauer“, sowie starke Aromen. Zu einer Steigerung der Akzeptanz kann auch der Zusatz von Wasser zu einem Trockenfuttermittel für Katzen oder die Umstellung der Ernährung von Trockennahrung auf Feuchtfutter beitragen. Die meisten Katzen bevorzugen Futter mit Körpertemperatur. Durch vorsichtiges Anwärmen der Nahrung unmittelbar vor der Fütterung können einige anorektische Katzen zur Nahrungsaufnahme animiert werden. Bei Katzen, die ein gewisses Interesse an Nahrung zeigen, erwärmtes Futter aber nicht fressen wollen, wird alternativ die Gabe gekühlter Nahrung empfohlen (Michel 2001). Bei anorektischen Katzen schließlich, die mit den genannten Methoden nicht zu einer ausreichend hohen Kalorienaufnahme zu bewegen sind, besteht eine Indikation für eine „künstliche“ Ernährung auf enteralem oder parenteralem Weg (Michel 2001; Elliott 2008).

Pharmakologische Appetitstimulation Bei felinen Patienten werden nur wenige Arzneimittel zur Appetitstimulation eingesetzt (Tabelle 8). Zu beachten ist, dass diese Medikamente einige bekannte unerwünschte Nebenwirkungen haben. Viele Autoren sind der Ansicht, dass solche Medikamente in der diätetischen Behandlung kritisch kranker, hospitalisierter Katzen keinen Platz haben. Der einzige Weg, eine bedarfsgerechte Kalorienversorgung sicherzustellen, ist demnach eine nutritive Unterstützung oder „künstliche Ernährung“ über Ernährungssonden oder auf parenteralem Weg. Appetitstimulanzien können jedoch ergänzend bei nach Hause entlassenen Patienten zur Unterstützung der Rekonvaleszenz verabreicht werden (Chan 2006).

Die Anwendung dieser Wirkstoffe bei Katzen richtet sich nach den in den einzelnen Ländern gültigen Zulassungsbestimmungen.

Enterale Ernährungssonden Für die unterstützte enterale Ernährung bei der Katze stehen nasoösophageale (Nasenschlundsonden), Ösophagostomie-, Gastrostomie- oder Jejunostomiesonden zur Verfügung (Marks 1998). Enterale Ernährungssonden bestehen aus Latex oder Silikon und sind in verschiedenen Größen und Formen erhältlich. Latex-

TABELLE 8 – APPETIT STIMULIERENDE ARZNEIMITTEL nach Chan 2006

Dosierung

Benzodiazepine - Diazepam - Oxazepam

- 0,2 mg/kg IV - 0,5 mg/kg PO 1-2x tägl.

Cyproheptadin

0,2-0,5 mg/kg PO 2x tägl.

Mianserinchlorhydrat

2,4 mg/kg PO 1x tägl.

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Kommentar Sedierende Wirkung. Kontraindiziert bei Leberinsuffizienz. Wirkung klingt bei kranken Tieren mit der Zeit ab.

Antiserotoninerge Wirkung, kann zu erhöhter Erregbarkeit, Aggression und Erbrechen führen. erhöhte Erregbarkeit, Aggression und Erbrechen

© DA Elliott

Intensivmedizin

Arzneimittel

Abbildung 8 – Nasoösophageale Sonde (Nasenschlundsonde) bei einer Katze. Die meisten kritisch kranken Katzen tolerieren das Legen einer nasoösophagealen Sonde, bei einigen Patienten ist jedoch eine Sedation erforderlich.


5 - Enterale Ernährung

sonden sind billiger, müssen aber aufgrund ihres höheren Verschleißes in der Regel bereits nach 8-12 Wochen ersetzt werden. Silikonsonden halten dagegen meist 6-12 Monate und führen zu geringeren Irritationen im Bereich des Stomas. An diese Fütterungssonden kann eine große Bandbreite verschiedener Adapter angeschlossen werden.

> Nasoösophageale Sonden (Nasenschlundsonden) Nasoösophageale Sonden sind eine hervorragende Option für die Kurzzeitfütterung (< 5 Tage) hospitalisierter Katzen (Abbildung 8). Das Legen dieser Sonden wird in Tabelle 9 im Detail beschrieben. Die Spitze der nasoösophagealen Sonde sollte im distalen Drittel der Speiseröhre liegen und nicht das Magenlumen

TABELLE 9 – NASOÖSOPHAGEALE ERNÄHRUNGSSONDEN Goy-Thollot & Verset 2007; nach Bosworth & Snow 2004; Chan 2006 Indikationen

Kontraindikationen • unkontrollierbares Erbrechen • chirurgischer Eingriff im hinteren Bereich der Maulhöhle, im Bereiche des Pharynx oder Ösophagus • Ösophagustrauma oder -stenose • Störungen des Schluckaktes/der Ösophaguspassage • Bewusstseinsstörungen • verzögerte Magenentleerung • Operation im Bereich der Gallengänge • Fraktur der Nasenhöhlen, Rhinitis • hochgradige Thrombozytopenie /-pathie • Schädelhirntrauma oder intrakraniale Hypertonie (Niesen führt zu plötzlicher Erhöhung des intrakranialen Drucks)

• anorektische Katze mit funktionellem distalem Verdauungstrakt • kurzzeitige Sondenernährung (< 5 Tage) • spontane Nahrungsaufnahme kontraindiziert oder nicht möglich: Unterkieferfraktur, chirurgischer Eingriff in der cranialen Maulhöhle

Pro

Kontra

• niedrige Kosten • einfaches Legen der Sonde • Anästhesie nicht erforderlich • Tiere können an der Sonde vorbei trinken und schlucken. • keine Wartezeit vor erster Anwendung oder vor dem Herausziehen

• nur für die kurzzeitige Ernährung geeignet • Sonden unbequem und geringen Durchmessers • Aufgrund des geringen Durchmessers ist Flüssignahrung in großen Volumina erforderlich. • Halskragen stört die Wiederaufnahme der spontanen Nahrungsaufnahme. Vorbereitung

Instrumentarium

Katze

• Pädiatrische Ernährungssonden der Größen 3-5 Fr (PVC, Silikon, Teflon) • Lidocain-Spray • Lidocain-Gel • nicht-resorbierbares, monofiles Nahtmaterial und/oder Cyanoacrylat • Halskragen

• Lidocain-Spray in die Nase der Katze • Katze in Sternallage • Hals gebeugt

Das Legen der Sonde

Nach dem Legen Unterstützende Pflege

Komplikationen / Entfernen der Sonde

• schrittweise Anfütterung • Vor jeder Fütterung Sitz der Sonde mittels Aspiration überprüfen und auf Mageninhalt achten. • Nach jeder Fütterung: Sonde mit lauwarmem Wasser (5-10 ml) spülen, um eine Obstruktion zu verhindern.

• Überfütterung (Nausea, Reflux, Erbrechen, Diarrhoe) • Aspirationspneumonie • Epistaxis, Rhinitis, Dakryozystitis • gastroösophagealer Reflux und Ösophagitis • Obstruktion der Sonde • Entfernen der Sonde bei Wiederaufnahme der spontanen Nahrungsaufnahme

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Intensivmedizin

• Abmessen der Sondenlänge außen an der Katze vom Meatus nasi bis zum 9. Interkostalraum und Markieren der Sonde mit wasserfestem Schreiber. • Sonde mit Lidocain-Gel benetzen. • Sonde in ventromedialer Richtung einführen und bis zur Markierung vorschieben. • Sonde mit Klebstoff, einer Naht oder chirurgischen Klammern lateral am Kopf fixieren. • Sitz der Sonde mittels Röntgenaufnahme überprüfen. • Halskragen anlegen.


© DA Elliott

© DA Elliott

© I. Goy-Thollot/SIAMU - ENVL

5 - Enterale Ernährung

Abbildung 9 – Ösophagostomiesonde bei einer Katze. Ösophagostomiesonden können problemlos unter leichter Anästhesie und mit minimalem instrumentellem Aufwand gelegt werden.

Abbildung 10 – Gastrostomiesonde bei einer anästhesierten Katze. Eine Gastrostomiesonde muss über einen Zeitraum von mindestens 7 bis 10 Tagen liegen, bevor sich eine dichte Verwachsung mit der Bauchwand gebildet hat.

ABBILDUNG 12 – PERKUTANE ENDOSKOPISCHE GASTROSTOMIE (PEG)

Das Endoskop wird in den dilatierten Magen eingeführt, anschließend werden Haut und Magenwand mittels Trokar punktiert.

Ein Führungsdraht wird durch den Trokar in den Magen geführt, mit der endoskopischen Zange ergriffen und in Richtung Maul herausgezogen.

Abbildung 11 – Gastrostomiesonde bei einer wachen Katze. In den meisten Fällen werden Gastrostomiesonden von Katzen recht gut vertragen.

erreichen. Überschreitet die Sonde den Übergang zwischen Speiseröhre und Magen, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Reflux von Magensäure mit konsekutiver Ösophagitis, Erbrechen und lokalen Gewebereizungen. Kontraindikationen für nasoösophageale Sonden sind hochgradige Gesichtstraumata mit Beteiligung des Nasen- und/oder Nasenlochbereiches, anhaltendes Erbrechen und/oder Regurgitation, Bewusstseinsstörungen oder morphologische bzw. funktionelle Anomalien im Bereich von Larynx, Pharynx oder Ösophagus (Marks 1998). Aufgrund des geringen Durchmessers von nasoösophagealen Sonden (Stärke: 3 - 5 Fr) ist die Auswahl der Nahrung weitgehend begrenzt auf Flüssigkeiten oder in Flüssigkeit gelöste Instantprodukte. Einige kritisch kranke Katzen vertragen die zur Deckung des Bedarfs erforderlichen großen Volumina dieser Lösungen nicht (Marks 1998; Yam & Cave 2003; Chan 2006).

> Ösophagostomiesonden

Die Sonde wird an der Führung fixiert.

Der Führungsdraht mit der Sonde wird in den Magen gezogen, bis das Ende der Sonde die Magenwand erreicht.

Ösophagostomiesonden lassen sich unter leichter Anästhesie und mit einem minimalen instrumentellen Aufwand sehr leicht einsetzen (Tabelle 10). Die einzige klinisch relevante Komplikation ist eine Entzündung im Bereich der Eintrittsstelle, die sehr sorgfältig und nach chirurgischen Kriterien sauber zu halten und zu pflegen ist. In einer Studie über 67 Katzen erhielten 46 Tiere Ösophagostomiesonden und 21 Tiere perkutane endoskopische Gastrostomiesonden (PEG-Sonden). Den Autoren zufolge erwiesen sich die Ösophagussonden als hervorragende und weniger invasive Alternative zu den PEG-Sonden (Ireland et al. 2003). Intensivmediziner sind der Ansicht, dass das Beherrschen des Einsetzens von Ösophagostomiesonden ein ganz wesentlicher Punkt für das erfolgreiche Management kritisch kranker Katzen ist und zum Leistungsspektrum einer jeden anspruchsvollen tierärztlichen Praxis gehören sollte (Chan 2006; Abbildung 9).

> Gastrostomiesonden

Intensivmedizin

Gastrostomiesonden sind das Mittel der Wahl für die nutritive Langzeitunterstützung kritisch kranker Katzen (Abbildung 10). Das Einsetzen erfolgt entweder auf chirurgischem Wege, perkutan unter endoskopischer Kontrolle oder „blind“. Für Katzen eignen sich Sonden der Stärke 16-20 Fr. Um eine hermetische Versiegelung mit der Bauchwand zu erreichen, müssen Gastrostomiesonden mindestens sieben bis zehn Tage liegen. Bei chronisch kranken oder chronisch anorektischen Patienten können Gastrostomiesonden problemlos über mehrere Wochen oder sogar Monate liegen bleiben (Elliott et al. 2001; Luhn et al. 2004, Mesich & Snow 2004, Thompson et al. 2004; Abbildung 11). Eine Peritonitis ist eine potenzielle Komplikation, wenn die Gastroskopiesonde leckt oder frühzeitig entfernt wird. Die PEG-Technik wird in Abbildung 12 ausführlich erläutert.

> Jejunostomiesonden Jejunostomiesonden umgehen den Magen und die Bauchspeicheldrüse und kommen bei hochgradiger Pankreatitis, diffuser Erkrankung der Magenschleimhaut, anhaltendem Erbrechen oder verzögerter Magenentlee422


5 - Enterale Ernährung

TABELLE 10 - ÖSOPHAGOSTOMIESONDEN Goy-Thollot & Verset 2007 (nach von Werthern & Wess 2001; Bosworth et al. 2004; Vannatta & Snow 2004; Chan 2006) Indikationen

Kontraindikationen • unkontrollierbares Erbrechen • primäre oder sekundäre Ösophaguserkrankungen (Ösophagitis, Megaösophagus, Trauma, Stenose) • Ösophagus-Fremdkörper, chirurgischer Eingriff im Bereich der Speiseröhre oder Ösophagustumor • verzögerte Magenentleerung • chirurgischer Eingriff im Bereich der Gallengänge

• enterale Ernährung > 7 Tage • anhaltende Anorexie • postoperative Situation nach Eingriff im Maul-/Kopfbereich • Erkrankungen der Maulhöhle • Kontraindikationen für nasoösophageale Sonden

Pro

Kontra

• gute Verträglichkeit • geringe Kosten • einfaches Legen • Sonden mit großem Durchmesser • Kalorien dichte Futtermittel einsetzbar • Langzeiternährung (1-12 Wochen)

• Anästhesie zum Legen der Sonde obligatorisch • chirurgischer Eingriff

Vorbereitung Instrumentarium

Katze

• Endotrachealtubus • gebogene Rochester-Carmalt Klemme • Pädiatrische Ernährungssonde der Stärke 8-12 Fr und einer Länge von 40 cm (PVC oder Silikon) • nicht-resorbierbares, monofiles Nahtmaterial • Halskragen

• Allgemeinanästhesie und Legen eines Endotrachealtubus • rechte Seitenlage • Rasur und chirurgische Vorbereitung der linken Halsseite

Legen der Sonde • Abmessen der Sondenlänge außen an der Katze (vom proximalen Drittel des Ösophagus zur 8. oder 9. Rippe) und markieren mit wasserfester Farbe • Erweitern/Verlängern der seitlichen Öffnung der Sondenspitze mit einer kleinen Klinge • Darstellung der Lage der V. jugularis, V. retromandibularis und der orofazialen Venen • Einführen der Klemme in die Maulhöhle und vorschieben bis in das proximale Drittel des Ösophagus unter nach außen gerichtetem Druck kaudal des Hyoids und des Kehlkopfeingangs • Die Klemmenspitze nach dorsal drehen und dabei den Ösophagus gegen die Haut schieben • Klemmenspitze durch die Haut palpieren. • Inzision von Haut und Ösophaguswand über der Klemmenspitze (die Ösophagusschleimhaut ist dabei schwieriger zu inzidieren als die Haut) • Spitze der Klemme mit sanftem Druck durch die Inzision nach außen schieben. • Inzision erweitern, bis das Maul der Klemme etwas geöffnet werden kann. • Ösophagostomiesonde mit der Klemme ergreifen. • Klemme mit der ergriffenen Sonde in Richtung Maulhöhle herausziehen. • Klemme öffnen. • Sondenspitze in die Maulhöhle zurück biegen und in die Speiseröhre vorschieben. • Während die umgebogene Sonde in den Ösophagus vorgeschoben wird, wird gleichzeitig das proximale Ende vorsichtig nach außen gezogen. • Sonde weiter in den Ösophagus vorschieben, bis sie sich mit einem sanften „Ruck“ gerade gerichtet hat. • Adspektion des Oropharynx, um sicherzustellen, dass die Sonde nicht mehr im Oropharynx liegt • Erneute Reinigung und Desinfektion der Inzisionsstelle und sichern der Sonde mittels Tabaksbeutelnaht und „Chinese finger trap“-Naht • Leichter Verband um den Hals • Bestätigung des korrekten Sitzes der Sonde mittels Röntgenaufnahme

Unterstützende Pflege • Wunde überwachen und Verbandswechsel täglich über 3-5 Tage, anschließend alle 2-3 Tage. • Vor der ersten Anwendung 24 Stunden warten. • schrittweise Anfütterung • Vor jeder Anwendung: Überprüfung des korrekten Sitzes der Sonde mittels Aspiration, Kontrolle auf Mageninhalt • Nach jeder Anwendung: Spülen der Sonde mit lauwarmem Wasser (5-10 ml), um eine Obstruktion zu verhindern

Intensivmedizin

Nach dem Legen der Sonde Komplikationen/Entfernen der Sonde • Überfütterung (Nausea, Reflux, Erbrechen, Diarrhoe) • Perforation der V. jugularis • Aspirationspneumonie • Ösophagusreflux, Erbrechen/Regurgitation, • lokale Infektion im Bereich des Stomas • Obstruktion der Sonde • Zellulitis bei vorzeitigem Herausziehen der Sonde

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5 - Enterale Ernährung

TABELLE 11 – PROGRAMM ZUR ANFÜTTERUNG ANOREKTISCHER KATZEN Fall A: Anorexie über weniger als 3 Tage: Ziel ist die Deckung des Ruheenergiebedarfs (REB) in 3 Tagen. Tag 1: 1/3 des REB Tag 2: 2/3 des REB Tag 3: vollständiger REB Fall B: Anorexie seit mehr als 3 Tagen: Ziel ist die Deckung des REB innerhalb von 5 Tagen. Tag 1: 1/4 des REB Tag 2: 1/2 des REB Tag 3: 2/3 des REB Tag 4: 3/4 des REB Tag 5: vollständiger REB

rung zum Einsatz. Das Legen einer Jejunostomiesonde erfolgt auf chirurgischem Weg über eine Laparotomie unter Allgemeinanästhesie. Beschrieben werden auch neue Techniken, bei denen die Jejunostomiesonde über eine Gastrostomiesonde eingeführt und unter endoskopischer Kontrolle durch den Pylorus in das Jejunum vorgeschoben wird (Heuter 2004; Jergens et al. 2007). Aufgrund des geringen Sondendurchmessers und der Lage der Sondenspitze im Jejunum muss die Zufuhr der flüssigen Nahrung kontinuierlich mit Hilfe einer Infusionspumpe erfolgen. Die künstliche Ernährung über Jejunostomiesonden bleibt deshalb weitgehend auf tierärztliche Kliniken beschränkt und kann in der Regel nicht vom Besitzer zu Hause geleistet werden. Bei frühzeitiger Entfernung der Sonde besteht die Gefahr einer Peritonitis. Kontraindikationen für Jejunostomiesonden sind Aszites, Peritonitis, Immunsuppression und distale Dünndarmobstruktionen (Heather et al. 2004).

> Fütterungsprotokolle Die nutritive Unterstützung eines anorektischen kritisch kranken Patienten muss schrittweise eingeleitet werden. Am ersten Tag wird in der Regel ein Viertel bis ein Drittel des errechneten Tageskalorienbedarfes zugeführt. Treten keine Komplikationen auf, wird die Menge langsam erhöht, bis schließlich am dritten oder vierten Tag der gesamte Tageskalorienbedarf appliziert wird (Bartges et al. 2004; Elliott & Biourge 2006; Tabelle 11). Erforderlichenfalls kann die Konsistenz der Nahrung durch Verdünnen mit Wasser modifiziert werden, um die Passage durch die Sonde zu erleichtern. Je nach Dauer der Anorexie und der Verträglichkeit auf Seiten des Patienten wird die Tagesration auf 4-6 Mahlzeiten verteilt. Magenmotilitätsstörungen sind ein häufiger Befund bei kritisch kranken Katzen. Prokinetische Arzneimittel scheinen eine vorteilhafte Wirkung auf die gastrointestinale Motilität und die Fütterungsverträglichkeit bei kritisch kranken Patienten zu haben (Corke 1999; Booth et al. 2002). Bei Katzen mit problematischem Erbrechen und Nausea kann der Einsatz antiemetischer Arzneimittel in Betracht gezogen werden (Tabelle 12). Metoclopramid kann neben gewissen antiemetischen Effekten auch bei Patienten mit verzögerter Magenentleerung von Vorteil sein (Michel 2001; Mohr et al. 2003). Chan & Freeman (2006) empfehlen eine kontinuierliche Applikation von Metoclopramid per Dauertropfinfusion in einer Dosierung von 12 mg/kg/Tag. Seit kurzem werden auch potente Antiemetika aus der Familie der HT-3-Antagonisten empfohlen (Ondansetron, Dolasetron); entsprechende Wirksamkeitsstudien bei Katzen fehlen jedoch bislang. Zum Einsatz kommt darüber hinaus auch ein neuer Antiemetika-Typ (Maropitant, ein NK-1-Antagonist), klinische Erfahrungen bei Katzen gibt es bislang jedoch nicht. Ein häufiges Missverständnis ist die Annahme, dass Tiere mit Ernährungssonden nicht freiwillig fressen. In der Regel wird diesen Patienten deshalb eine ad libitum Fütterung vorenthalten. Mit der Besserung oder Abheilung der primären Erkrankung geht jedoch in der Regel auch die Anorexie zurück. Betroffenen Katzen sollte deshalb immer wieder Futter angeboten werden, um ihren Appetit zu beurteilen und den Zeitpunkt des Absetzens der Sondenernährung zu bestimmen.

> Komplikationen

Aspirationspneumonie Die gravierendste Komplikation der enteralen Fütterung kritisch kranker Katzen ist eine unter Umständen tödlich endende Aspirationspneumonie. Ein erhöhtes Risiko tragen Patienten, die bereits zuvor unter Aspirationspneumonie gelitten hatten, Tiere mit eingetrübtem Beweusstsein einschließlich Patienten unter Sedation und bestimmten Analgetika, Patienten mit neurologischen Störungen, Patienten mit reduziertem oder fehlendem Husten- oder Würgereflex und Patienten unter künstlicher Beatmung (Michel 2004; 2006). Auch eine Verlagerung der nasoösophagealen Sonde von der Speiseröhre in die Luftröhre führt zu Aspira-

TABELLE 12 – ANTIEMETISCHE WIRKSTOFFE nach Michel 2001

Intensivmedizin

Wirkstoff

Dosierung

Kommentar

Metoclopramid

0,2-0,4 mg/kg IV, SC oder PO 3x tägl. 1-2 mg/kg/Tag IV (per Infusion)

fördert die Magenentleerung und wirkt zentral auf die Chemorezeptorentriggerzone (zentrale Effekte sind bei der Katze weniger potent als bei anderen Spezies)

Ondansetron

0,1-0,15 mg/kg langsam IV 2x tägl.

wirkt zentral auf die Chemorezeptorentriggerzone (5HT3- Antagonisten)

Anwendung nur gemäß den Zulassungsbestimmungen des jeweiligen Landes.

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5 - Enterale Ernährung

tionspneumonie. Durch eine sorgfältige Überprüfung des korrekten Sitzes der Sonde vor jeder Fütterung lässt sich das Aspirationspneumonierisiko jedoch deutlich senken.

Mechanische Komplikationen Mechanische Störungen wie eine Obstruktion, ein vorzeitiges Herausziehen oder eine Verlagerung der Sonde sind häufige Komplikationen bei enteral ernährten Katzen. Das Risiko einer Sondenobstruktion kann durch eine adäquate Verdünnung und Homogenisierung der Nahrung verringert werden. Zu achten ist ferner darauf, dass die enterale Nahrung niemals über längere Zeit in der Sonde verbleibt, und die Sonde unmittelbar nach jeder Fütterung mit lauwarmem Wasser durchgespült wird. Dies gilt auch für den Fall einer Aspiration von Mageninhalt in die Sonde. Das Risiko der Sondenobstruktion lässt sich dramatisch verringern, indem man die distale Öffnung der Sondenspitze vor dem Einsetzen der Sonde erweitert. Techniken zur Beseitigung einer Sondenobstruktion sind das Massieren der Sonde von außen bei gleichzeitigem alternierendem Spülen und Aspirieren mit Wasser oder die Instillation von kohlensäurehaltigen Getränken, Fleischzartmachern (Enzyme) oder Pankreasenzymlösungen über 15-20 Minuten. Alternativ kann versucht werden, die Obstruktion durch sanften Einsatz eines Polyurethankatheters zu lösen. Ultima ratio ist das Entfernen der obstruierten Sonde und das Einsetzen einer neuen Sonde. Es ist zwar sehr verlockend, eine Ernährungssonde auch für die Eingabe von Arzneimitteln zu verwenden, dabei ist jedoch große Vorsicht geboten. Nach Möglichkeit sollten nur flüssige Arzneimittel über die Sonde verabreicht werden. Visköse Medikamente sollten mit Wasser verdünnt und Tabletten zu feinem Pulver zerstoßen und dann mit Wasser gemischt werden. Es darf immer nur ein Medikament gleichzeitig verabreicht werden, um Interaktionen zwischen mehreren Medikamenten zu vermeiden. Mit Ausnahme von Phosphatbindern bei Nierenerkrankungen müssen Arzneimittel stets getrennt von der Futtereingabe appliziert werden, um Interaktionen zwischen Medikament und Nahrung zu verhindern. Ein vorzeitiges Herausziehen der Sonde oder eine Sondenverlagerung wird am besten dadurch verhindert, dass man bereits bei der Auswahl der Sonde auf eine gute Verträglichkeit beim Patienten achtet. Weitere Schutzmaßnahmen sind das Anlegen eines Halskragens oder eines Körperverbandes, je nach individueller Situation. Das Markieren der Sonde an ihrer Austrittsstelle aus dem Körper mit einem wasserfesten Schreiber unterstützt die Überwachung des korrekten Sitzes und lässt erkennen, ob sich die Sonde von ihrer ursprünglichen Position verlagert hat. Bestehen Zweifel über den korrekten Sitz der Sonde, erfolgt eine Überprüfung mittels Röntgenaufnahmen. Durch Eingabe von iodhaltigen Kontrastmitteln in eine Gastrostomieoder Enterostomiesonde lässt sich überprüfen, ob Leckagen in die Peritonealhöhle bestehen (Michel 2004).

Fütterungsunverträglichkeit Die Fütterungsunverträglichkeit ist eine häufige Komplikation, insbesondere bei kritisch kranken Tieren. Tiere, die anhaltend und häufig erbrechen (mehr als dreimal täglich) sollten in der Regel nicht auf enteralem Weg gefüttert werden. Bei Katzen, die seltener (weniger als 2x täglich) und geringe Mengen erbrechen, ist eine Veränderung der enteralen Fütterungsstrategie angezeigt. So kann die Fütterungsverträglichkeit zum Beispiel durch die Gabe kleinerer Volumina über längere Zeiträume oder die häufigere Gabe kleinerer Portionen verbessert werden. Wird eine Bolusfütterung auch nach diesen Modifikationen nicht vertragen, kann die Fütterungsverträglichkeit unter Umständen durch eine kontinuierliche Nahrungszufuhr verbessert werden. Man beginnt zunächst mit einer sehr niedrigen Fütterungsrate von zum Beispiel 2 ml/Stunde und steigert die Zufuhr allmählich in Abhängigkeit von der Reaktion des Patienten, bis schließlich die vollständige Tageskalorienzufuhr erreicht ist. In diesen Fällen kann das Erreichen des kalorischen Ziels einige zusätzliche Tage in Anspruch nehmen (Marks 1998; Michel 2004; Chan 2006; Chan & Freeman 2006).

Metabolische Komplikationen

- Refeeding-Syndrom Das Refeeding-Syndrom kann sich bei Patienten entwickeln, die an hochgradigem Muskelschwund infolge einer anhaltenden Nahrungskarenz oder einer katabolen Erkrankung leiden (Michel 2004; Armitage-Chan et al. 2006). Es handelt sich zwar um eine eher seltene, aber dennoch die wohl gravierendste Komplikation im Zusammenhang mit der nutritiven Unterstützung kritisch kranker Patienten. Ein Refeeding-Syndrom kann

© Isabelle Goy-Thollot

- Unfähigkeit des Patienten, Nährstoffe zu assimilieren Eine Katze mit eingeschränkter Nierenfunktion kann zum Beispiel unter einer proteinreichen Ernährung eine Azotämie entwickeln. Diese potenzielle Störung kann jedoch mit Hilfe einer sorgfältigen Beurteilung des Ernährungsstatus des Patienten bereits im Vorfeld antizipiert und bei der Konzeption der diätetischen Strategie berücksichtigt werden.

Es ist zwar verlockend, eine Ernährungssonde auch für die Eingabe von Arzneimitteln zu verwenden, dabei ist jedoch große Vorsicht geboten. 425

Intensivmedizin

Im Rahmen einer nutritiven Unterstützung können verschiedene Formen metabolischer Störungen auftreten.


6 - Parenterale Ernährung

© Fabio Viganò

sich sowohl unter oraler oder enteraler, als auch unter parenteraler Ernährung entwickeln. Beim Menschen hat dieses Syndrom weitreichende systemische Effekte, wie zum Beispiel eine eingeschränkte Herzmuskelfunktion, Herzarrhythmien, Hypoventilation, Anfälle und mentale Dysfunktion, eine eingeschränkte Funktion neutrophiler Granulozyten, Muskelschwäche und hämolytische Anämie.

Die Prävention des RefeedingSyndroms verlangt eine Stabilisierung des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Status des Patienten vor der Einleitung der nutritiven Unterstützung (Armitage-Chan et al. 2006).

Die meisten dieser Effekte sind auf die Hypophosphatämie zurückzuführen, aber auch ein Magnesiummangel und ein Kaliummangel können einen Beitrag leisten. Die Hypophosphatämie entwickelt sich infolge des schnellen Anstieges der Insulinfreisetzung als Reaktion auf die wieder einsetzende Nahrungszufuhr. Diese gesteigerte Insulinaktivität stimuliert anabole Prozesse, die eine Aufnahme von Phosphat in Energieträger wie Adenosintriphosphat (ATP) und 2,3Diphosphoglycerat (2,3-DPG) erfordern. So kommt es zu einer transzellulären Verschiebung von Phosphat, die im Angesicht der Phosphatdepletion des Gesamtorganismus schließlich in einer Hypophosphatämie mündet. Die Abnahme der ATP-Synthese und das konsekutive Energiedefizit tragen zu zahlreichen klinischen Symptomen des Refeeding-Syndroms bei (Solomon & Kirby 1990; Miller 2000; Armitage-Chan et al. 2006). Beschrieben wird bei Katzen mit dem RefeedingSyndrom unter anderem auch eine hämolytische Anämie in Folge einer Hypophosphatämie (Justin & Hohenhaus 1995). Patienten mit hochgradiger Hypophosphatämie sprechen in der Regel auf eine Phosphatsupplementierung in einer Dosierung von 0,01-0,06 mmol/kg/Stunde an (Justin & Hohenhaus 1995). - Hyperglykämie Hyperglykämie ist eine weitere häufige metabolische Komplikation, der erst seit kurzer Zeit auch in der Veterinärmedizin mehr Aufmerksamkeit zuteil wird. Mögliche Folgen einer Hyperglykämie bei kritisch kranken Katzen sind höhere Infektionsraten und eine erhöhte Mortalität, wobei bislang jedoch nicht geklärt ist, ob eine Insulingabe bei diesen Patienten angezeigt ist oder den Verlauf beeinflusst (Chan et al. 2006; Crabb et al. 2006). Bei parenteral ernährten Patienten ist das Risiko einer Hyperglykämie im Zusammenhang mit der nutritiven Unterstützung höher (Crabb et al. 2006). - Flüssigkeitsüberladung Futtermittel für die Sondenernährung enthalten über 80 % Wasser. Darüber hinaus wird Wasser eingesetzt, um die Sonde nach jeder erfolgten Fütterung zu spülen. Bei Katzen, die eine nutritive Unterstützung über eine Ernährungssonde erhalten, besteht deshalb die Gefahr einer Flüssigkeitsüberladung. Das höchste Risiko tragen Patienten mit vorbestehenden Herzerkrankungen, die große Volumina über die Sonde zugeführt bekommen und zusätzlich Flüssigkeiten auf intravenösem Weg erhalten. Klinische Symptome einer Flüssigkeitsüberladung sind Dyspnoe, Lungenödem und Pleuraerguss. Die Prävention verlangt eine sorgfältige klinische Untersuchung zur Identifizierung von Risikopatienten und eine Erstellung eines geeigneten Ernährungsplans einschließlich einer individuell angepassten Flüssigkeitstherapie, deren Ziel es ist, einen physiologischen Hydratationsstatus zu erhalten und eine Flüssigkeitsüberladung zu verhindern (Chan & Freeman 2006).

> Monitoring und Nachuntersuchung

Intensivmedizin

Die bei Patienten unter enteraler Ernährung kontinuierlich zu überwachenden Parameter sind das Körpergewicht, die Serumelektrolyte, die Durchgängigkeit der Ernährungssonde, das Erscheinungsbild des Stomas sowie klinische Symptome einer gastrointestinalen Unverträglichkeit, einer Volumenüberladung oder einer pulmonalen Aspiration (Aspirationspneumonie; Chan & Freeman 2006). Die Energiezufuhr und in der Tat auch die Zusammensetzung der Makronährstoffe der gewählten Nahrung müssen unter Umständen einem sich verändernden Bedarf und einer sich verändernden Verträglichkeit des Patienten flexibel angepasst werden. Bei Patienten, die die verordneten Rationen per Sonde nicht vertragen, muss eine Reduzierung der enteralen Ernährung und eine entsprechende Supplementierung auf parenteralem Weg in Betracht gezogen werden. Mit Hilfe kontinuierlicher Kontrolluntersuchungen kann entschieden werden, wann der Zeitpunkt für eine Umstellung des Patienten von der unterstützten Ernährung auf eine freiwillige Futteraufnahme gekommen ist. Die nutritive Unterstützung sollte aber erst dann vollständig abgesetzt werden, wenn der Patient in der Lage ist, mindestens 75 % seines Ruheenergiebedarfs ohne Hilfe von außen spontan und freiwillig aufzunehmen (Chan 2006).

6 - Parenterale Ernährung Die wichtigsten Indikationen für eine Ernährung auf parenteralem Weg sind unkontrollierbares Erbrechen, Regurgitation, akute Pankreatitis, Darmobstruktion, hochgradige Malabsorption, anhaltender Ileus und fehlende Schutzreflexe des Atmungstraktes. Die parenterale Ernährung erfolgt entweder über eine zentrale Vene oder aber über eine periphere Vene. Da bei der zentralen parenteralen Ernährung in der Regel der gesamte Energie- und Proteinbedarf des Patienten parenteral zugeführt wird, spricht man in diesem Fall auch von 426


6 - Parenterale Ernährung

vollständiger bzw. totaler parenteraler Ernährung oder TPN (total parenteral nutrition). Bei der peripheren parenteralen Ernährung wird dagegen nur ein Teil des Energie- und Nährstoffbedarfs auf parenteralem Wege gedeckt, und man spricht hier auch von der partiellen parenteralen Ernährung oder PPN (partial parenteral nutrition; Chan & Freeman 2006; Delaney et al. 2006). Die TPN auf zentralem Weg gilt bei der Katze in vielen Fällen als die bevorzugte Methode. Nachteile sind die Notwendigkeit eines zentralen Venenzugangs (V. jugularis oder V. femoralis), die geringfügig höheren Kosten und die höhere Neigung zu metabolischen Komplikationen. Obligatorisch ist ein zentraler Zugang, wenn hyperosmolare Lösungen zum Einsatz kommen. Je höher die Osmolarität der Infusionslösung, desto höher ist die Inzidenz von Thrombophlebitiden bei peripherem Venenzugang (Chandler et al. 2000). Über die praktische Anwendung der parenteralen Ernährung bei der Katze gibt es nur relativ wenige Studien (Lippert et al. 1993; Chan et al. 2002; Pyle et al. 2004; Crabb et al. 2006). Als wichtigste Indikation bei dieser Spezies gilt die Pankreatitis (Chan et al. 2002; Pyle et al. 2004; Crabb et al. 2006).

Zusammensetzung parenteraler Ernährungslösungen Sowohl für die TPN auf zentralem Weg als auch für die PPN über eine periphere Vene verwendet man eine Kombination aus Dextroselösung, Aminosäurelösung und einer Lipidlösung. Die am häufigsten eingesetzten Aminosäurelösungen enthalten alle für Katzen essenziellen Aminosäuren mit Ausnahme des Taurins. Da Katzen jedoch in der Regel über Zeiträume von maximal zehn Tagen parenteral ernährt werden, kommt es in den meisten Fällen nicht zu einem klinisch relevanten Taurinmangel. Aminosäurelösungen sind mit oder ohne Elektrolyte erhältlich. Katzen mit physiologischen Serumelektrolytwerten bekommen in der Regel elektrolythaltige Aminosäurelösungen, während man bei Katzen mit Elektrolytstörungen auf elektrolytfreie Aminosäurelösungen zurückgreift, um die bestehenden Elektrolytimbalanzen individuell und gezielt korrigieren zu können (Chan & Freeman 2006; Freeman & Chan 2006). Die Osmolarität von elektrolythaltigen und elektrolytfreien Aminosäurelösungen unterscheidet sich signifikant. Da die Osmolarität von Lösungen für die periphere parenterale Ernährung unter 600 mOsm/l liegen muss, verwendet man hier in der Regel elektrolytfreie Aminosäurelösungen. Lipidlösungen stellen die energiedichte Komponente der parenteralen Ernährung dar und sind eine Quelle essenzieller Fettsäuren. Das Verhältnis von Dextrose zu Lipid sollte dem hormonellen Milieu und dem metabolischen Status der Leber angepasst werden. Lipidlösungen (Lipidemulsionen) sind isotonisch und bestehen meist aus Soja- und Distelöl, die überwiegend langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren liefern, einschließlich Linolsäure, Ölsäure, sowie die gesättigten Fettsäuren Palmitinsäure und Stearinsäure. Diese Lösungen werden mit Eigelb-Phospholipiden emulgiert, und ihre Tonizität wird mit Glyzerin angepasst. Die emulgierten Fettpartikel haben eine Größe, die etwa der Größe von Chylomikronen entspricht, und werden über die Wirkung peripherer Lipoproteinlipasen aus der Zirkulation entfernt. Die Infusion von Lipiden auf parenteralem Weg führt Untersuchungen zufolge nicht zu einer pankreatischen Sekretion oder einer Verstärkung einer bestehenden Pankreatitis. Eine Ausnahme sind Fälle mit einem erhöhten Triglyzeridserumspiegel, der auf eine gestörte Triglyzerid-Clearance hinweist. Daten über die maximal sichere Lipidzufuhr bei veterinärmedizinischen Patienten liegen zwar nicht vor, es scheint jedoch vernünftig, auch bei Katzen unter parenteraler Ernährung eine Aufrechterhaltung der physiologischen Triglyzeridkonzentrationen im Serum anzustreben (Chan & Freeman 2006; Freeman & Chan 2006).

Intensivmedizin

Parenterale Lösungen sollten einen Kaliumgehalt von 40 mEq/L aufweisen, um die im Zusammenhang mit der Anfütterung (siehe Refeeding-Syndrom) auftretende, insulinvermittelte transzelluläre Kaliumverschiebung zu verhindern. Der Phosphorgehalt parenteraler Lösungen sollte mindestens 5-10 mM/l betragen. Wasserlösliche Vitamine können durch Zusatz eines Multivitamin-B-Komplex-Präparates supplementiert werden. Diese Präparate enthalten in der Regel keine Folsäure, da diese nicht mit dem in der Lösung vorhandenen Riboflavin kompatibel ist. Fettlösliche Vitamine, Spurenelemente und Kalzium sind in parenteralen Ernährungslösungen im Allgemeinen nicht enthalten, wenn die zu erwartende Dauer der Behandlung unter einer bis zwei Wochen liegt. Ein routinemäßiger Zusatz von Kalzium zu parenteralen Ernährungslösungen unterbleibt in erster Linie aufgrund des Präzipitationsrisikos, und eine kurzzeitige Unterversorgung mit Kalzium scheint von Katzen in der Regel gut vertragen zu werden. Über die Dosierung von Spurenelementen in parenteralen Ernährungslösungen liegen keine sicheren Daten vor. Vitamin K sollte parenteralen Ernährungslösungen nicht zugesetzt werden, sondern einmal wöchentlich subkutan appliziert werden.

Zubereitung und Verordnung Parenterale Ernährungslösungen verlangen eine spezifische Zubereitungspraxis („Compounding“), um die Sterilität zu wahren und eine Präzipitation der einzelnen Komponenten zu verhindern. Die Makronährstoffe werden in der folgenden Reihenfolge kombiniert: Dextrose, dann Aminosäuren und schließlich Lipide. Aus logistischen und ökonomischen Gründen werden in der Regel Mengen zubereitet, die über den Bedarf 427


6 - Parenterale Ernährung

TABELLE 13 – ARBEITSBLATT ZUR BERECHNUNG DER PARTIELLEN PARENTERALEN ERNÄHRUNG VON KATZEN nach Freeman & Chan 2006

1. Berechnung des Ruheenergiebedarfs (REB) REB=70 x (aktuelles Körpergewicht in kg)0,73 =

kcal/Tag

2. Berechnung des partiellen Energiebedarfs (PEB) PEB= REB x 0,70 = kcal/Tag 3. Bestimmung der Nährstoffzusammensetzung Für Katzen unter 3 kg liefert die Formulierung eine über dem Flüssigkeitserhaltungsbedarf liegende Flüssigkeitsmenge. Es muss also sichergestellt werden, dass die Katze dieses hohe Flüssigkeitsvolumen verträgt. a. Katzen von 3 bis 5 kg PEB x 0,20 = kcal/Tag über Dextrose PEB x 0,20 = kcal/Tag über Proteine PEB x 0,60 = kcal/Tag über Lipide b. Katzen von 6 bis 10 kg PEB x 0,25 = kcal/Tag über Dextrose PEB x 0,25 = kcal/Tag über Proteine PEB x 0,50 = kcal/Tag über Lipide

4. Berechnung des täglichen Volumens der einzelnen Nährstofflösungen a. Dextroselösung 5 % = 0,17 kcal/ml und 253 mOsm/l kcal über Dextrose÷ 0,17 kcal/ml = ml Dextrose/Tag b. Elektrolytfreie Aminosäurelösung 8,5 % = 0,085 g Protein/ml = 0,34 kcal/ml und 890 mOsm/l kcal über Proteine ÷ 0,34 kcal/ml = ml Aminosäuren/Tag c. Lipidlösung 20 % = 1,8 kcal/ml und 260 mOsm/l kcal über Lipide ÷ 1,8 kcal/ml = ml Lipide/Tag

5. Berechnung des täglichen Gesamtvolumens der parenteralen Lösung ml tägliches Gesamtvolumen der PPN-Lösung = ml einer 5%igen Dextroselösung + ml einer 8,5%igen Aminosäurelösung + ml einer 20%igen Lipidlösung

Intensivmedizin

6. Berechnung der Osmolarität Die Osmolarität muss bei peripherer venöser Applikation unter 600 mOsm/l liegen ml einer 5%igen Dextroselösung x 0,253 mOsm/ml = mOsm ml einer 8,5%igen Aminosäurelösung x 0,890 mOsm/ml = mOsm ml einer 20%igen Lipidlösung x 0.26 mOsm/ml = mOsm ml Gesamtvolumen der PPN-Lösung mOsm (gesamt) der PPN-Lösung mOsm/l der PPN-Lösung = 1000 x ( mOsm (gesamt) der PPN-Lösung ÷ ml Gesamtvolumen der PPN-Lösung)

7. Berechnung der Applikationsgeschwindigkeit Diese Gleichung liefert eine Annäherung der Flüssigkeitserhaltungsdosis. ml PPN-Lösung/Stunde = ml Gesamtvolumen der PPN-Lösung/24 Stunden

Zu beachten: Energiezufuhr über Proteine: 4 kcal/g Energiezufuhr über Kohlenhydrate: 4 kcal/g Energiezufuhr über Lipide: 9 kcal/g

428

eines Tages hinausgehen. Parenterale Lösungen sollten jedoch maximal drei Tage gelagert (Kühlschrank), niemals gefroren oder erhitzt werden, und unbenutzte Restmengen sind zu verwerfen (Campbell et al. 2006; Freeman & Chan 2006). Die Arbeitsblätter der Tabellen 13 und 14 dienen als Leitfaden für die Herstellung von Lösungen, die für eine Applikation über einen Zeitraum von 24 Stunden per Dauertropfinfusion konzipiert sind. Bei Zimmertemperatur sollten Beutel mit parenteralen Ernährungslösungen über einen Zeitraum von maximal 24 Stunden gelagert werden.

Applikation Parenterale Ernährungslösungen müssen über einen eigens dafür vorgesehenen und aseptisch gelegten Katheter (zentral oder peripher) appliziert werden (Tabelle 15). Eine strikte Asepsis und eine regelmäßige Katheterpflege minimieren das Risiko einer bakteriellen Besiedlung und katheterbedingter Infektionen. Die Wahl des Katheters richtet sich nach der gewünschten Lösung (Osmolarität und Zusammensetzung), der Blutungsneigung der Katze und der Zugängigkeit der in Frage kommenden Venen. Für die zentrale parenterale Ernährung werden häufig zentrale Dreiwege-Katheter verwendet. Der erste Port ermöglicht die Entnahme von Blutproben und intermittierende Arzneimittelgaben, der zweite Port dient der kontinuierlichen Medikation und Flüssigkeitsapplikation, und der dritte Port wird ausschließlich für die Zufuhr der parenteralen Ernährungslösungen verwendet (Campbell et al. 2006; Delaney et al. 2006). Zentral verabreichte Lösungen sollten stets über einen zwischengeschalteten 1,2 µm-Filter fließen und in Form einer Dauertropfinfusion über Infusionspumpen appliziert werden (Chan & Freeman 2006). Störungen des Hydratationsstatus, Elektrolytstörungen und SäureBasen-Imbalanzen sollten stets vor der Einleitung der parenteralen Ernährung korrigiert werden, da die nutritive Unterstützung Veränderungen induzieren kann, die diese Homöostasestörungen zusätzlich verstärken. Generell sollte eine zentrale parenterale Ernährung schrittweise über einen Zeitraum von 24 bis 48 Stunden eingeführt werden. Treten keine Komplikationen auf, kann die Applikationsrate alle vier Stunden erhöht werden, bis schließlich die Zielrate erreicht ist (Campbell et al. 2006). Die meisten Katzen vertragen eine Zufuhr von 50 % des Gesamtbedarfs am ersten Tag und 100 % am zweiten Tag. Bei über längere Zeiträume anorektischen Katzen muss die Steigerung unter Umständen etwas schonender erfolgen (33 % am ersten Tag, 66 % am zweiten Tag und 100 % am dritten Tag). Bei der partiellen parenteralen Ernährung auf peripherem Weg ist eine schrittweise Einführung nicht erforderlich, so dass bereits am ersten Tag 100 % des errechneten Bedarfs appliziert werden können. Wichtig ist eine Anpassung der intravenösen Flüssigkeitstherapie der Katze parallel zur Einleitung der parenteralen Ernährung, um eine Volumenüberladung zu vermeiden (Campbell et al. 2006, Delaney et al. 2006; Freeman & Chan 2006). Alle kritisch kranken Patienten unter parenteraler Ernährung müssen routinemäßig klinisch untersucht werden. Wichtige Kriterien sind die Körperinnentemperatur, die Herz- und die Atemfrequenz, die Bestimmung des Körpergewichts zweimal täglich, die Beurteilung des Hydratationsstatus und das Allgemeinbefinden der Katze. Um potenzielle Komplikationen im Zusammenhang mit der parenteralen Ernährung rechtzeitig zu erkennen, erfolgt alle vier bis sechs Stunden eine labordiagnostische Überwachung folgender Parameter: Hämatokrit, Gesamtprotein, BUN, Serumelektrolyte (Natrium, Kalium, Chlorid, ionisiertes Kalzium), venöse Blutgasanalyse und


6 - Parenterale Ernährung

TABELLE 14 – ARBEITSBLATT ZUR BERECHNUNG DER VOLLSTÄNDIGEN PARENTERALEN ERNÄHRUNG (TPN) AUF ZENTRALEM WEG BEI DER KATZE nach Freeman & Chan 2006

1. Berechnung des Ruheenergiebedarfs (REB) 70 x (Körpergewicht in kg)0,73 = kcal/Tag 2. Berechnung des Proteinbedarfs Standard 6 g/100 kcal Geringerer Bedarf (Nieren- oder Leberinsuffizienz) 3-4 g/100 kcal (REB ÷ 100) x g/100 kcal = g Protein/Tag 3. Berechnung des Tagesbedarfs der einzelnen Nährstofflösungen Elektrolythaltige Aminosäurelösung 8,5 % = 0,085 g Protein/ml = 0,34 kcal/ml g Proteinbedarf /Tag ÷ 0,085 g/ml = ml Aminosäurelösung/Tag Nicht-Proteinkalorien Die über Proteine gelieferten Kalorien werden vom REB abgezogen, um den Gesamtbedarf an Nicht-Proteinkalorien zu erhalten g Proteinbedarf/Tag x 4 kcal/g = kcal geliefert über Proteine REB – kcal geliefert über Proteine = benötigte Nicht-Protein kcal/Tag Die Nicht-Proteinkalorien werden im Allgemeinen über eine 50/50 Mischung aus Dextrose und Lipiden geliefert. Je nach vorbestehender Erkrankung (Diabetes mellitus, Hypertriglyzeridämie) muss dieses Verhältnis modifiziert werden. Um 50 % der Nicht-Protein-kcal über Lipide zu liefern: Erforderliches Volumen Lipidlösung= ( erforderliche Nicht-Protein kcal/Tag x 0,5) ÷ 1,8 kcal/ml = ml einer 20%igen Lipidlösung Um 50 % der Nicht-Protein-kcal über Dextrose zu liefern: Erforderliches Volumen Dextroselösung = ( erforderliche Nicht-Protein kcal/Tag x 0,5) ÷ 1,7 kcal = ml einer 50 %igen Dextroselösung 4. Gesamtvolumen der Lösung Gesamtvolumen der TPN-Lösung = Dextroselösung= ml

ml der 8,5%igen elektrolythaltigen Aminosäurelösung +

ml der 20%igen Lipidlösung +

ml der 50%igen

5. Berechnung der Höhe des Zusatzes von Kalium und Phosphor mEq/l. Gewünschte Kaliumkonzentration im Serum = Eine 8,5%ige elektrolythaltige Aminosäurelösung enthält 60 mEq Kalium /l. Berechnung der mit der Aminosäurelösung zugeführten Kaliummenge: mEq in ml Gesamtvolumen der TPN-Lösung = mEq/l. = ( ml Aminosäurelösung x 60 mEq/l) ÷ 1000 = Das der parenteralen Lösung zuzusetzende Volumen, um die gewünschte Kaliumkonzentration zu erreichen = (erwünschte Kaliumkonzentration mEq/l – aktuelle Kaliumkonzentration mEq/l) ÷ ml Gesamtvolumen der TPN-Lösung x 1000 = mEq Kalium müssen zugesetzt werden. Erwünschte Phosphorkonzentration im Serum = mM/l. Eine 8,5%ige elektrolythaltige Aminosäurelösung enthält 30 mM/l Phosphor. Berechnung der mit der Aminosäurelösung zugeführten Phosphormenge: = ( ml Aminosäurelösung x 30 mM/l) ÷ 1000 = mM. Berechnung der mit der Lipidlösung zugeführten Phosphormenge: = ( ml Lipidlösung x 15 mM/l) ÷ 1000 = mM. Die mit der parenteralen Lösung gelieferte Phosphormenge = mM/l über die Aminosäurelösung + mM/l über die Lipidlösung ÷ ml Gesamtvolumen der TPN-Lösung x 1000 = mM/l. Das der parenteralen Lösung zuzusetzende Phosphorvolumen, um die erwünschte Phosphorkonzentration zu erreichen = (erwünschte Phosphorkonzentration mM/l – aktuelle Phosphorkonzentration mM/l) ÷ ml Gesamtvolumen der TPN-Lösung x 1000 = mM Phosphor müssen zugesetzt werden. 6. Zusatz von Vitaminen des B-Komplexes in Betracht ziehen 7. Applikationsrate Tag 1 : ml/Stunde Tag 2 : ml/Stunde Tag 3 : ml/Stunde

Intensivmedizin

TABELLE 15 – ZENTRALE UND PERIPHERE INTRAVENÖSE KATHETER FÜR DIE PARENTERALE ERNÄHRUNG BEI DER KATZE nach Campbell et al. 2006

Katheter

Material

Anzahl der Lumina

Stärke

Länge

Jugularvenenkatheter für die zentrale TPN

Polyurethan

2-3

4-5,5 Fr

8-13 cm

Zugsang über V. saphena lateralis für die zentrale TPN

Polyurethan

3

5,5-7 Fr

30 cm

Katheter für die periphere PPN

Keine spezielle Empfehlung

1

-

Keine spezielle Empfehlung

TPN: Total parenteral nutrition – PPN: Partial parenteral nutrition 429


nach Freeman & Chan 2006

Art der Komplikation

Methoden zur Risikominderung

beschädigter Infusionsschlauch zerbissener Infusionsschlauch Infusionsschlauch abgekoppelt perivaskuläre Entzündung Obstruktion des Katheters Phlebitis Thrombose

aseptisches Legen des Katheters aseptischer Umgang mit Katheter und Infusionsschläuchen Anlegen eines Halskragens Verbandswechsel und tägliche Kontrolle der Kathetereintrittsstelle auf Schwellung, Erythem, falschen Sitz des Katheters

Metabolisch

Hyperglykämie Hypoglykämie (nach Absetzen/Stopp der PN) Hyper-/Hypokaliämie Hyper-/Hypochlorämie Hyper-/Hyponatriämie Hyper-/Hypophosphatämie Hyper-/Hypomagnesämie Hyperbilirubinämie Hypertriglyzeridämie Hypercholesterinämie Refeeding-Syndrom

konservative Berechnung des Energiebedarfs (REB) Einleitung und Absetzen der parenteralen Ernährung langsam und schrittweise tägliche Kontrolle von Blutzucker und Serumelektrolyten

Septisch

Klinische Symptome einer Sepsis in Verbindung mit einer positiven Kultur der Katheterspitze oder des Blutes

speziell für die PN reservierter Katheter Kathetermaterial mit geringer Thrombogenität aseptisches Legen und Handling von Katheter und Infusionsschläuchen rechtzeitiger Katheterwechsel Überwachung von Körpertemperatur, Kathetereintrittsstelle und Allgemeinbefinden bei Verdacht auf Sepsis: Kultur der Infusionslösung und der Katheterspitze

Mechanisch

Blutzuckerspiegel (Tabelle 16). Einmal täglich wird eine Harnuntersuchung auf Glukosurie durchgeführt, und ebenfalls einmal täglich wird die Triglyzerid- und die Ammoniakkonzentration im Serum überprüft.

Komplikationen Bei Katzen unter parenteraler Ernährung können metabolische, mechanische und septische Komplikationen auftreten. Studien zufolge liegt die Rate metabolischer Komplikationen bei kritisch kranken Patienten unter parenteraler Ernährung zwischen 28 und 32 % (Tabelle 16). Die Komplikationsrate scheint geringer, wenn weniger als 100 % des theoretisch berechneten Energiebedarfes zugeführt werden (Crabb et al. 2006). Die häufigsten metabolischen Komplikationen bei der Katze sind Hyperglykämie, Glukosurie, Hyperlipidämie, Hypernatriämie, Hypokaliämie, Azotämie, Hypokalzämie, Hyperchlorämie, Hypertriglyzeridämie, Hypophosphatämie, Refeeding-Syndrom und Thrombozytopenie (Lippert et al. 1993; Chan et al. 2002; Pyle et al. 2004; Campbell et al. 2006; Crab et al. 2006). Potenzielle therapeutische Gegenmaßnahmen sind eine individuelle Anpassung der Nährstoffverhältnisse, eine Verlangsamung der Infusionsrate oder die Applikation von Insulin, Kalium oder Phosphat. Bei der Hyperglykämie scheint es sich um die häufigste metabolische Komplikation zu handeln (Crab et al. 2006). Infolge von Flüssigkeitsverschiebungen kann sich darüber hinaus eine kongestive Herzinsuffizienz entwickeln (Freeman & Chan 2006). Verschiedenen Untersuchungen zufolge liegt die Rate mechanischer Komplikationen bei parenteral ernährten kritisch kranken Patienten zwischen 9 und 56 % (Lippert et al. 1993; Chan et al. 2002; Pyle et al. 2004; Crab et al. 2006). Beschrieben werden Dysfunktionen und Verlagerungen des Katheters, Thrombophlebitis, beschädigte, undichte oder verlegte Infusionsschläuche und Fehlfunktionen des Infusionsinstrumentariums. Diese mechanischen Komplikationen lassen sich jedoch meist leicht korrigieren und haben auf den Krankheitsverlauf und die Prognose in aller Regel keinen Einfluss (Campbell et al. 2006).

Die Häufigkeit septischer Komplikationen liegt zwischen 3 und 16 % (Lippert et al. 1993; Chan et al. 2002; Pyle et al. 2004). Die bei länger anhaltender parenteraler Ernährung auftretende Atrophie der Darmzotten gilt als eine Erklärung für die bei ausschließlich parenteral ernährten Tieren zu beobachtende bakterielle Translokation aus dem Magendarmtrakt und die erhöhte Sepsisneigung (Campbell et al. 2006). Das Risiko einer bakteriellen Kontamination des Infusionsinstrumentariums und einer Sepsis kann durch strikt aseptisches Legen des Katheters, die aseptische Herstellung der parenteralen Ernährungslösungen, sowie eine regelmäßige Überwachung und Pflege des Infusionsequipments durch speziell hierfür ausgebildetes Personal gemindert werden (Campbell et al. 2006). Besteht der Verdacht, dass der Katheter zu einer lokalen oder systemischen Infektion beiträgt, sollte dieser so schnell wie möglich entfernt werden. Hinweise auf mögliche septische Komplikationen sind positive Blutkulturen, infektiöse Kathetereintrittsstellen bei febrilen Patienten, positive Kulturen der Katheterspitze oder der parenteralen Lösung bei febrilen Patienten und/oder eine abnorm hohe Konzentration neutrophiler Granulozyten (Campbell et al. 2006).

Intensivmedizin

6 - Parenterale Ernährung

TABELLE 16 – POTENZIELLE KOMPLIKATIONEN DER PARENTERALEN ERNÄHRUNG

Die Gesamtmortalitätsraten bei parenteral ernährten felinen Intensivpatienten liegen Berichten zufolge zwischen 19 und 52 %, sie dürften aber nicht nur auf die genannten Komplikationen zurückzuführen sein, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von der zugrunde liegenden Erkrankung beeinflusst werden (Lippert et al. 1993; Chan et al. 2002; Pyle et al. 2004; Campbell et al. 2006). Chan et al. (2002) fanden keine Unterschiede bei den metabolischen, mechanischen oder septischen Komplikationsraten zwischen zentral und peripher parenteral ernährten Katzen. Dieselbe Studie zeigt, dass eine begleitende enterale Ernährung während der parenteralen Ernährung zu verbesserten Überlebensraten führt. 430


Schlussfolgerung

Absetzen der parenteralen Ernährung Die Umstellung auf eine orale Nahrungsaufnahme oder eine „künstliche“ enterale Ernährung sollte so schnell wie möglich erfolgen, um das bei anhaltender parenteraler Ernährung auftretende Problem der Darmzottenatrophie zu vermeiden. In der veterinärmedizinischen Praxis wird die parenterale Ernährung in der Regel über Zeiträume von weniger als einer Woche eingesetzt. Bevor die parenterale Ernährung vollständig abgesetzt werden kann, muss zunächst sichergestellt werden, dass der Patient die orale Nahrungsaufnahme beziehungsweise die „künstliche“ enterale Ernährung per Sonde verträgt und ausreichende Mengen Nahrung aufnimmt (mindestens 75 % des REB). Sobald der Patient in der Lage ist, selbständig zu fressen, sollte man regelmäßig Futter anbieten, um seinen Appetit zu testen. Beim anorektischen Patienten wird zunächst eine enterale Ernährungssonde gelegt. Empfohlen wird, die zentrale parenterale Ernährung über einen Zeitraum von 12 bis 24 Stunden schrittweise zurückzufahren, um eine allmähliche Anpassung des endokrinen Systems zu ermöglichen und die Entstehung einer Hypoglykämie zu verhindern. Eine periphere parenterale Ernährung kann dagegen abrupt abgesetzt werden (Campbell et al. 2006; Freeman & Chan 2006). Die parenterale Ernährung kann sich als Teil der Strategie zur nutritiven Unterstützung bei ausgewählten Patienten als unschätzbar wertvolle Ergänzung erweisen. In Anbetracht des einzigartigen Nährstoff- und Energiebedarfs und der metabolischen Besonderheiten der Katze sollten zukünftige Studien zur Entwicklung von für Katzen besser geeigneten und mit geringeren Komplikationsraten einhergehenden parenteralen Ernährungslösungen führen.

Schlussfolgerung Die intensivmedizinische Ernährung bzw. Diätetik ist ein sich rasch entwickelndes Fachgebiet. Heute ist klar, dass die lange Zeit gültige Regel des „Abwartens“, bis die Katze wieder von allein zu fressen beginnt (einhergehend mit hochgradigem Verlust an Körpermasse) als obsolet zu betrachten ist. Bei kritisch kranken Katzen gilt es vielmehr, nach der initialen Stabilisierung lebensbedrohlicher Zustände so schnell wie möglich eine proaktive nutritive Unterstützung einzuleiten.

Intensivmedizin

Die Folgen einer kritischen Erkrankung sind signifikante pathologische Veränderungen, die nicht nur den Metabolismus zahlreicher Nährstoffe modifizieren, sondern darüber hinaus auch das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko des Patienten erhöhen. Wichtige Schritte bei kritisch kranken Katzen sind das frühzeitige Erkennen der Notwendigkeit einer nutritiven Unterstützung, die kontinuierliche Anpassung der Nährstoffund Energiezufuhr an die aktuelle Stoffwechselsituation des Patienten und die kontinuierliche Überwachung mit dem Ziel einer ständigen Optimierung der diätetischen Maßnahmen und einer Minimierung des Komplikationsrisikos. Eine aggressive und entschlossene nutritive Behandlung erhöht nicht nur die Überlebenschancen des kritisch kranken Patienten, sondern unterstützt darüber hinaus auch eine schnelle Erholung und Entlassung in die heimische Umgebung.

431


Häufige Irrtümer

Häufige Irrtümer bei der Ernährung feliner Intensivpatienten F

A

„Die Ernährung spielt keine große Rolle. Verglichen mit anderen Behandlungsmaßnahmen besitzt sie keine Priorität, insbesondere nicht in der Notfall- und Intensivmedizin.”

Die diätetische Unterstützung ist zweifellos kein Ersatz für die Notfallbehandlung zum Erhalt der Vitalfunktionen, sie darf aber dennoch nicht vernachlässigt werden. Die tägliche Beurteilung des Ernährungsstatus und des Ernährungsbedarfs eines Intensivpatienten ist ein integraler Bestandteil einer vollständigen Untersuchung, und die gezielte nutritive Unterstützung muss fester Bestandteil eines jeden Behandlungsprotokolls sein. In der Intensivmedizin ist die Zeit ein ganz entscheidender Faktor, und der Zeitraum, in dem die Katze nicht richtig frisst, wird häufig unterschätzt. Die nutritive Unterstützung nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und verlangt unter Umständen invasive Maßnahmen (z. B. Ösophagostomie oder Gastrostomie), die nicht selten hinausgeschoben werden, in der vagen Hoffnung, die Katze möge wieder beginnen, selbst zu fressen. Anorexie ist eines der bei Katzen auf Intensivstationen am häufigsten zu beobachtenden Probleme. Die wichtigsten anorexigenen Faktoren sind die Behandlung selbst, eine Anästhesie, chirurgische Eingriffe und der Stress der Hospitalisierung.

„Die Katze wird nach ein bis zwei Tagen schon wieder selbst fressen.”

„Die Katze wird über die Infusion ernährt.”

„Will die Katze nicht freiwillig fressen, wird sie einfach auf parenteralem Weg ernährt.” „Die von einer parenteralen Ernährung induzierte Hyperglykämie ist kein größeres Problem. Zumindest bekommt die Katze ausreichend Energie“.

Auch wenn Glukose (Dextrose) per Infusion zugeführt wird, kann die Flüssigkeitstherapie zur Erhaltung des Patienten nicht als eine vollwertige Form der nutritiven Unterstützung betrachtet werden. Das primäre Ziel der Flüssigkeitstherapie ist eine Korrektur des Blutvolumens, der Dehydratation und der Säure-Basen- und Elektrolytimbalanzen, nicht jedoch die Ernährung der Katze. Dies kann ausschließlich eine nach einem präzisen Protokoll verabreichte partielle oder vollständige parenterale Ernährungslösung leisten. Die Ernährung auf parenteralem Weg ist stets eine sehr verlockende Option, da sie eine hundertprozentig genaue Berechnung und Zufuhr des Nährstoff- und Energiebedarfs der Katze ermöglicht. Die parenterale Ernährung ist jedoch nicht risikofrei und verlangt eine intensive Überwachung des Patienten durch qualifiziertes Personal. Septische Komplikationen treten häufig auf, und die zahlreichen erforderlichen Labortests sind sehr kostenintensiv. In der humanen Intensivmedizin korreliert Hyperglykämie mit einer negativen Prognose, und bei der Katze korreliert Hyperglykämie mit dem Grad der Erkrankung. Bislang fehlen bei dieser Spezies Studien zur Untersuchung des Einflusses der Hyperglykämie auf die Prognose und zur Beurteilung der Notwendigkeit einer Kontrolle mittels Insulintherapie. Empfohlen wird deshalb gegenwärtig, Behandlungen oder nutritive Maßnahmen zu vermeiden, die eine Hyperglykämie induzieren können.

„Katzen, die per Sonde ernährt werden, sind nicht hungrig. Es ist also sinnlos, ihnen Futter auf normalem Wege anzubieten.”

Es ist im Gegenteil sehr wichtig, auch einer per Sonde ernährten Katze immer wieder normales Futter anzubieten. Nur so kann beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für das Absetzen der Sondenernährung gegeben sind, das heißt, ob sich die Katze wieder für Futter zu interessieren beginnt und ob ihr Appetit zurückkehrt.

„Ernährungssonden eignen sich besonders gut für die Eingabe von Arzneimitteln.”

Die Arzneimittelgabe per Sonde ist eine auf den ersten Blick sehr verlockende Option, die jedoch aufgrund verschiedener Risiken nach Möglichkeit unterbleiben sollte. So kann zum Beispiel das Pulverisieren von Tabletten zu Veränderungen ihrer Absorptionseigenschaften und der Verdauungsverträglichkeit führen. Darüber hinaus wird die Absorption einiger Arzneimittel auch durch die Zusammensetzung der Nahrung verändert (insbesondere durch den Fettgehalt). Schließlich können verschiedene Arzneimittel bei gleichzeitiger Applikation per Sonde untereinander interagieren.

Intensivmedizin

Das Ziel der parenteralen Ernährung ist die Zufuhr von Nährstoffen und Energie unter Umgehung des Verdauungstraktes, und nicht die Korrektur von Elektrolytimbalanzen. Letztere sollten unabhängig von der parenteralen Ernährung auf dem Wege der traditionellen Flüssigkeitstherapie ausgeglichen werden. „Parenterale Ernährungslösungen können Elektrolytimbalanzen korrigieren.”

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Dennoch ist es ratsam, auch den Elektrolytgehalt üblicher parenteraler Ernährungslösungen zu kontrollieren. Enthalten sie Elektrolyte, sollten sie nur bei Tieren mit physiologischem Elektrolythaushalt eingesetzt werden. Das Elektrolytgleichgewicht bei betroffenen Katzen muss regelmäßig überwacht werden, um etwaige Störungen infolge der parenteralen Ernährung rechtzeitig zu erkennen. Bei Katzen mit gestörtem Elektrolythaushalt sollten stets elektrolytfreie parenterale Ernährungslösungen zum Einsatz kommen, um den Elektrolythaushalt des Patienten individuell und gezielt korrigieren zu können.


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Intensivmedizin

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Diätetische Informationen von Royal Canin

Die nutritive Unterstützung ist ein integraler Bestandteil der stationären Behandlung kritisch kranker Katzen.

Schlüsselpunkte zum Thema:

Die Vorteile der nutritiven Unterstützung kritisch kranker Katzen Zu nennen sind in erster Linie vier Risikofaktoren für eine Fehl-/Mangelernährung, auch wenn es zweifellos weitere potenziell relevante Aspekte gibt: - Die spontane Nahrungsaufnahme der Katze geht tendenziell zurück oder sistiert vollständig während einer Erkrankung; - Traumata oder Erkrankungen im Bereich der Maulhöhle können zu einem Sistieren der Nahrungsaufnahme führen; - Einige ergänzende Untersuchungen oder chirurgische Eingriffe verlangen eine länger andauernde Nahrungskarenz; - Der Nährstoff- und Energiebedarf steigt bei akuten/febrilen Erkrankungen.

Zu erwartende Vorteile einer nutritiven Unterstützung Es gibt heute einen allgemeinen medizinischen Konsens über die Vorteile einer frühzeitigen nutritiven Unterstützung, unabhängig von der Ursache der Inappetenz. Wenn immer möglich, sollte die Ernährung auf enteralem Weg den Vorzug erhalten („Wenn der Darm arbeitet, gibt ihm zu tun“). Die Fütterung per os unterstützt den Erhalt der intestinalen Barriere. Bei fehlender spontaner Nahrungsaufnahme kann die nutritive Unterstützung über eine nasoösophageale Sonde erfolgen. Eine frühzeitig eingeleitete nutritive Unterstützung hat folgende Vorteile: - klinische Besserung und schnellere Rekonvaleszenz, - kürzere Hospitalisierungszeiten, - geringere Komplikationsraten bei chirurgischen Eingriffen, - höhere Überlebensraten bei kritisch kranken Katzen.

INDIKATIONEN FÜR EINE NUTRITIVE UNTERSTÜTZUNG DURCH EINE REKONVALESZENZNAHRUNG BEI HUNDEN UND KATZEN IN TIERÄRZTLICHEN PRAXEN/KLINIKEN %

Quelle: Erhebung von Royal Canin (Juni bis September 2006)

24 % Diarrhoe / Erbrechen 16 % postoperative Nachsorge 11 % Entzündung / Infektion 11 % Traumata 11 % Malnutrition / Anorexie 8 % wechselnder Appetit 19 % Sonstiges

Intensivmedizin

„Malnutrition“: Prädisponierende Faktoren

Die Anwenderfreundlichkeit von Nahrung für hospitalisierte Katzen ist eines der wichtigsten Auswahlkriterien, das zu einem in der Intensivsituation wichtigen Zeitgewinn führen kann.

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Diätetische Informationen von Royal Canin

Praktische Kriterien für die Auswahl einer Nahrung für kritisch kranke Katzen Die Anwendung von Futtermitteln, die speziell zur Ernährung von Tieren in intensivmedizinischen Einrichtungen formuliert sind, erleichtert die Arbeit von Tierärzten und intensivmedizinischen Pflegeteams.

weisen (> 40 % der Gesamtkalorien über Fett). Kontraindikationen für fettreiche Futtermittel bestehen bei Katzen mit akuter Pankreatitis oder Hyperlipidämie. Hoher Proteingehalt

Maximale Akzeptanz Kranke Katzen zeigen im Allgemeinen einen reduzierten Appetit und Gewichtsverlust. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, muss das Futter eine möglichst hohe Akzeptanz besitzen. Anpassung der Zusammensetzung an einen erhöhten Nährstoff- und Energiebedarf Hohe Energiekonzentration Eine hohe Energiedichte ist wichtig, um eine möglichst hohe Kalorienmenge mit einem möglichst geringen Futtervolumen zuführen zu können. Dies kompensiert zum einen den reduzierten Appetit bei Katzen, die noch spontan fressen, und erhöht zum anderen die Verträglichkeit der enteralen Ernährung per Sonde.

Intensivmedizin

Um die Energiedichte zu erhöhen, muss die Nahrung für kritisch kranke Katzen einen hohen Fettgehalt auf-

Pathologische Zustände führen zu einer generellen Aktivierung des Metabolismus. Es kommt zu einem Anstieg des Gewebekatabolismus, der auf dem Weg einer verstärkten Gewebesynthese kompensiert werden muss. Um dem Verlust an fettfreier Körpermasse effektiv entgegenzuwirken, sollten 30-50 % der mit der Nahrung zugeführten Gesamtenergie in Form von Proteinen zugeführt werden. Diese Proteine müssen folgende Eigenschaften haben: - hohe biologische Wertigkeit zur Deckung des Bedarfs an essenziellen Aminosäuren - hohe Verdaulichkeit zur Minimierung stickstoffhaltiger Abfallprodukte und damit Vermeidung einer Überlastung der Leber- und Nierenfunktion. Relative Kontraindikationen für proteinreiche Futtermittel bestehen bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie oder chronischer Niereninsuffizienz des Grades III/IV.

Hoher Antioxidanziengehalt Hypovolämie und Reperfusionsschäden sind für eine vermehrte Entstehung freier Radikale verantwortlich. Ein synergistischer Antioxidanzienkomplex (Vitamin E, Vitamin C, Taurin, Karotinoide etc.) wirkt oxidativem Stress entgegen und fördert die Immunabwehr. Anwenderfreundlichkeit Katzen in der Intensivpflege oder rekonvaleszente Katzen mit reduziertem Appetit bevorzugen in der Regel Feuchtfuttermittel. Zur weiteren Verbesserung der Akzeptanz können Feuchtfutterprodukte unmittelbar vor den Mahlzeiten auf Körpertemperatur angewärmt werden. Feuchtfuttermittel eignen sich zudem besser für verschiedene Fütterungsmethoden, das heißt, über den Napf, per Hand oder über enterale Ernährungssonden. Die Textur des Produktes muss eine Futtereingabe per Spritze ermöglichen, entweder in verdünnter oder unverdünnter Form. Zudem sollte das Futter unabhängig von der Art der Verabreichung einfach zu handhaben sein und sich problemlos in präzise Portionen aufteilen lassen.

Feuchtfuttermittel eignen sich für verschiedene Fütterungsmethoden: aus dem Napf, aus der Hand oder über enterale Ernährungssonden.

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Diätetische Informationen von Royal Canin

Rationsberechnung für rekonvaleszente kritisch kranke Katzen Schritt 1 • Berechnung des Ruheenergiebedarfs (REB) REB = 70 x (Körpergewicht in kg)0,73 kcal/Tag = = kcal/Tag Schritt 2 • Charakteristika der Rekonvaleszenznahrung Bezeichnung des gewählten Futters: Energiedichte : in kcal/g : [oder kcal/ml] : • Bei Verwendung verdünnten Futters*: Berechnung der Energiedichte Futter: kcal/g x Volumen des gemixten Futters: ml = kcal der fertigen Mischung Wasser: ml + Volumen des gemixten Futters: ml = ml der fertigen Mischung ÷ Gesamtvolumen: ml = kcal/ml der fertigen Mischung Fertige Mischung: Energie in kcal *zur Erleichterung der Passage durch eine Spritze oder Ernährungssonde Schritt 3 • Berechnung der Tagesration (in Gramm [g] oder in Milliliter [ml]) Feste Nahrung, Bestimmung des Gewichts (g) REB: kcal/Tag ÷ Futter: kcal/g = g Futter/Tag Flüssignahrung, Bestimmung des Volumens (ml): REB: kcal/Tag ÷ Futter: kcal/ml = ml Flüssigfutter/Tag Flüssige Mischung, Bestimmung des Volumens (ml) ÷ Mischung: kcal/ml = ml Mischung/Tag REB : kcal/Tag Schritt 4 • Festlegung des Anfütterungsplans Fall A: Anorexie < 3 Tage => Ziel: Deckung des REB innerhalb von 3 Tagen: Tag 1: 1/3 des REB = Futter/Tag: g (oder ml) x 0,33 = g (oder ml) Tag 2: 2/3 des REB = Futter/Tag: g (oder ml) x 0,66 = g (oder ml) Tag 3: 100 % des REB = Futter/Tag: g (oder ml) x1= g (oder ml) Fall B: Anorexie > 3 Tage ==> Ziel: Deckung des REB innerhalb von 5 Tagen: Tag 1: 1/4 des REB = Futter/Tag: g (oder ml) x 0,25 = g (oder ml) Tag 2: 1/2 des REB = Futter/Tag: g (oder ml) x 0,5 = g (oder ml) Tag 3: 2/3 des REB = Futter/Tag: g (oder ml) x 0,66 = g (oder ml) x 0,75 = g (oder ml) Tag 4:: 3/4 des REB = Futter/Tag: g (oder ml) x1= g (oder ml) Tag 5: 100 % des REB = Futter/Tag: g (oder ml) Schritt 5 • Wahl der Anzahl der Mahlzeiten pro Tag In der Regel 4-6 Mahlzeiten, gleichmäßig über den Tag verteilt (je nach Volumenverträglichkeit des Patienten und Verfügbarkeit von Personal) Anzahl Mahlzeiten pro Tag:

Intensivmedizin

Schritt 6 • Berechnung der Mahlzeitengröße Fall A: Deckung des REB nach drei Tagen (Anorexie < 3 Tage) Tag 1: [g (oder ml) für Tag 1 ÷ Anzahl Mahlzeiten pro Tag] = g (oder ml) pro Mahlzeit Tag 2: [g (oder ml) für Tag 2 ÷ Anzahl Mahlzeiten pro Tag] = g (oder ml) pro Mahlzeit Tag 3: [g (oder ml) für Tag 3 ÷ Anzahl Mahlzeiten pro Tag] = g (oder ml) pro Mahlzeit Fall B: Deckung des REB nach fünf Tagen (Anorexie > 3 Tage) Tag 1: [g (oder ml) für Tag 1 ÷ Anzahl Mahlzeiten pro Tag] = g (oder ml) pro Mahlzeit Tag 2: [g (oder ml) für Tag 2 ÷ Anzahl Mahlzeiten pro Tag] = g (oder ml) pro Mahlzeit Tag 3: [g (oder ml) für Tag 3 ÷ Anzahl Mahlzeiten pro Tag] = g (oder ml) pro Mahlzeit Tag 4: [g (oder ml) für Tag 4 ÷ Anzahl Mahlzeiten pro Tag] = g (oder ml) pro Mahlzeit Tag 5: [g (oder ml) für Tag 5 ÷ Anzahl Mahlzeiten pro Tag] = g (oder ml) pro Mahlzeit Wichtig: Anpassung der Flüssigkeitstherapie an die mit der Nahrung zugeführte Flüssigkeit.

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