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Curating Artist András Schiff
Wenn er ins Konzerthaus kommt, schlagen die Herzen der Fans gleich um einiges schneller: András Schiff, mit vollem Titel eigentlich Sir András Schiff, ist seit Jahren ein klingender Name in der großen weiten Welt der Klaviermusik und ihrer Interpreten. Schiff ist ein Star, wenn auch ein bescheidener, er macht kein besonderes Aufheben um sich und seine Person, sondern nimmt einfach am Flügel Platz und beginnt mit dem Spiel. Und gleich beginnt der Zauber in ihm und mit der Musik zu wirken, wenn er etwa den Werken seiner Lieblingskomponisten Beethoven oder Schumann auf seine unverwechselbare Art und Weise neues Leben einhaucht. Und dieser Zauber überträgt sich unvermeidlich aufs Publikum.
Sir András Schiff
András Schiff wurde 1958 in Budapest geboren und studierte dort an der Franz-Liszt-Akademie unter anderem bei dem berühmten ungarischen Komponisten György Kurtág, der seinerseits in Paris von Darius Milhaud und Olivier Messiaen unterrichtet worden war. Bald wurde die zyklische Wiedergabe der Klavierwerke von Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Chopin und seines Landsmanns Béla Bartók zur Spezialität Schiffs. Pianistisch, musikalisch ist er eine eigene Liga. Doch darüber hinaus hat der Pianist auch über Musik und die Gepflogenheiten ihrer Aufführung viel zu sagen. Legendär ist seine ausgeklügelte Flügelauswahl für jedes Programm, die in einer dezidierten Klangvorstellung wurzelt. Intendant Raphael von Hoensbroech ist ein erklärter Schiff-Fan. Die Planung der beiden beim gemeinsamen Frühstück stieß Gespräche an, die sie im Salon auf der Konzerthaus-Bühne fortsetzen können und werden. Dabei haben sie nicht die großen »Brecher« ausgewählt, sondern ein dialogisches, musikalisch von Beziehungen geprägtes Programm für einen Klavierabend, Kammermusik, eine Masterclass und sinfonische Konzerte. Regelmäßig leitet András Schiff Konzerte vom Klavier aus – und sieht keinen Nachteil darin, die Hände vorwiegend an den Tasten und weniger in der Luft zu haben. Voraussetzung dafür ist ein Ensemble, mit dem er kammermusikalisch musizieren kann. Die von ihm gegründete Cappella Andrea Barca ist so ein Orchester, mit dem Schiff seit vielen Jahren in dieser Doppelfunktion arbeitet. Andrea Barca – das klingt nach einem alten venezianischen Meister... Fast! Tatsächlich ist dieser erfundene Namenspatron der Schalk im Nacken des András Schiff und eine Übersetzung seines Namens. Zu seinem Hintergrund teilt Schiff Folgendes mit: »Über das Leben des Andrea Barca wissen wir sehr wenig, trotz eifriger Bestrebungen der modernen Musikwissenschaft. Er wurde – vermutlich – zwischen 1730 und 1735 in Marignolle bei Florenz geboren, seine Eltern und Vorfahren waren ›contadini‹ [Bauern]. Er hatte eine enge Verbindung zu Wolfgang Amadeus Mozart, bei dessen Privatkonzert am 2. April 1770 in der Villa Poggio Imperiale bei Florenz er als Umblätterer mitgewirkt haben soll. Von seinen zahlreichen Kompositionen muss vor allem sein Hauptwerk ›La ribollita bruciata‹ erwähnt werden, eine Oper, die als Höhepunkt der toskanischen Musikgeschichte angesehen werden kann. Der Tod des Andrea Barca – wann, wo, und unter welchen Umständen er gestorben tst (wenn er überhaupt starb) – sollte hinfort ein geheimnisvolles Rätsel bleiben.«
Das Wirken als Musiker im Verborgenen, in Vergessenheit zu geraten – das ist ein Schicksal, das András Schiff seinen Schülern ersparen möchte. Mit dem Projekt »Building Bridges« unterstützt er jedes Jahr drei junge Pianisten, deren Spiel ihn interessiert und überzeugt. Und er wählt sie nicht etwa durch einen Wettbewerb aus: »Musik und Musizieren kann man nicht mit einer Sportart gleichsetzen. Deswegen bin ich gegen Wettbewerbe in der Musik, die versuchen, Talent, Begabung und Können zu messen«, erklärt Schiff. Bis zu 100 Pianisten hört er an und investiert viel Zeit beim Zuhören und Nachfragen, bis seine Auswahl feststeht. Talente aus aller Welt pilgern zu seinen Meisterkursen. Sie finden und erarbeiten mit ihm ihr Wunschprogramm und geben Klavierabende in ganz Europa.
Für seine Dortmunder Masterclass probt Schiff mit Pianisten aus dem »Building Bridges«-Projekt je einen Satz eines Klavierkonzerts, das sie später im Konzert mit der Deutschen Kammerakademie Neuss am Rhein komplett präsentieren. Während die jungen Musiker im Konzerthaus so ihre Visitenkarte abgeben, teilt sich András Schiff gleich an sechs Tagen in Werken von Beethoven, Schubert, Mozart und Dvořák mit. So nah kommt man dem zurückhaltenden Pianisten selten.
Alle Konzerte im Abo erleben: Infos im Abobuch
Sa 23.10.2021
19.00 Uhr
Salon – Im Gespräch mit Sir András Schiff
Klavierabend Sir András Schiff
So 24.10.2021
18.00 Uhr Ludwig van Beethoven Sonate Nr. 29 op. 106 Franz Schubert Sonate D 959
Mo 25.10.2021
19.00 Uhr
Öffentliche Masterclass mit Sir András Schiff
Schiff & Friends
Di 26.10.2021
20.15 Uhr Sir András Schiff Klavier, Cappella Andrea Barca Wolfgang Amadeus Mozart Quintett KV 452 Antonín Dvořák Quintett op. 81 Franz Schubert »Forellenquintett« D 667
Mi 27.10.2021
20.15 Uhr
Bach, Mozart, Beethoven: Drei Klavierkonzerte
Deutsche Kammerakademie Neuss, Christoph Koncz Dirigent, Nathalia Milstein Klavier, Schaghajegh Nosrati Klavier, Mishka Momen Klavier Die Akademisten von Sir András Schiff mit Klavierkonzerten von Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven
Fr 29.10.2021
20.15 Uhr
Mozart Klavierkonzerte
Cappella Andrea Barca, Sir András Schiff Klavier, Leitung Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 9 KV 271 »Jeunehomme«, Sinfonie Nr. 36 KV 425 »Linzer Sinfonie«, Klavierkonzert Nr. 23 KV 488
Alle Infos zum Rahmenprogramm unter konzerthaus-dortmund.de /schiff