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Zeitinsel Adámek

Einatmen, Ausatmen

Die Zeitinsel für den tschechischen Komponisten Ondřej Adámek bringt viel frischen Wind ins klassische Instrumentarium und auf die Konzerthaus-Bühne.

Ondřej Adámek spricht eine ganz eigene musikalische Sprache – und eigentlich nicht nur eine. Für seine Werke, die eine lebendige Kommunikation zwischen allen Beteiligten erfordern, verleibt er sich verschiedenste musikalische Elemente entfernter Kulturen ein. Der Kosmopolit dirigiert, komponiert, singt und tritt bei uns in den offenen Dialog mit wirklich allen Interessierten: klein und groß, Profimusiker und Laien. Bei einem so innovativen, facettenreichen Künstler sprühen schnell auch die Ideen der Konzerthaus-Planer. So entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten ein Programm aus seinen Hauptwerken und eigens für das KONZERTHAUS DORTMUND konzipierten Projekten, die Adámek in direkten Dialog mit dem Dortmunder Publikum bringen. Neue Musik ganz nah und intuitiv erlebbar machen – nur wenige Komponisten sind dafür so gut geeignet wie der sympathische Ondřej Adámek.

Geboren 1979 in Prag, studierte Adámek Komposition in seiner Heimatstadt und am Konservatorium in Paris. Er komponiert Orchester-, Kammer-, Vokal- und elektroakustische Musik und arbeitet mit zeitgenössischen Tänzern zusammen. 2010 kam er als DAAD-Stipendiat nach Berlin, wo er bis heute ein Zuhause gefunden hat. Im Gefüge der Zeitinseln mit Musik des 20./21. Jahrhunderts ist Adámek nach den Festivals für György Kurtág und Sofia Gubaidulina (verschoben auf die Saison 2022/23) vielleicht ein »Junger Wilder«. Vergleichsweise jung ist er tatsächlich, aber kein Newcomer, sondern einer der Großen. Auftragswerke etwa für

das »Festival d’Aix-en-Provence« und die »Münchener Biennale« hat er geschrieben und selbst geleitet, und auch die Region ist ihm bekannt: 2019 war ihm ein großes Porträt bei den »Wittener Tagen für neue Kammermusik« gewidmet. Dass seine Musik nicht nur etwas für die Aficionados bei solchen Festivals, sondern für Neue Musik ziemlich eingängig ist, liegt vor allem an seinem spielerischen und gleichzeitig natürlichen Umgang mit Text, Sprache und Gesang. Der Komponist und Dirigent sieht die Musiker als aktiven Teil einer Geschichte, deshalb müssen Instrumentalisten bei ihm oft sprechen oder singen und Sänger Instrumente spielen bzw. Objekte bedienen – alle sind hundertprozentig präsent, eine direkte, fast greifbare Energie entsteht.

»Wenn ich Vokalmusik schreibe, arbeite ich mit dem Text auf mehreren Ebenen, von der globalen Bedeutung bis zu jedem Laut: Alles wird Musikmaterial.« Ondřej Adámek

Adámek experimentiert gern mit Instrumenten, erfindet selbst neue, haucht Gegenständen Leben ein, wenn ihn deren Klang reizt, und hört im tradierten Instrumentarium Neues, bisher Unerhörtes durch. »Ich habe oft Ideen oder entwickle Klänge, die auch Nicht-Musiker oder nicht spezialisierte Musiker umsetzen können«, erklärt der Komponist. »Spezielle Instrumententechniken

etwa, die auch Sänger schnell lernen können und die trotzdem gut klingen.« Eindrucksvoll und fast schon sein Markenzeichen ist sein installatives Musikinstrument Airmachine. Diese mechanische Apparatur aus Handschuhen, Partytröten, Hupen und anderen »Blasinstrumenten« erzeugt in ihrem beständigen Atempuls Geräusche, die verblüffend menschlich klingen. Außerdem sieht sie fantastisch abgefahren aus – eine Zierde für jeden Ausstellungsraum und natürlich auch im Konzerthaus dabei. Bereits im September 2021 erklingt, prominent besetzt mit dem London Symphony Orchestra, Magdalena Kožená und Sir Simon Rattle, Adámeks brandneuer Liederzyklus – ein Vorgeschmack auf das Kernfestival, das vom 27. bis 30. Januar 2022 stattfindet und Adámeks Klangkosmos in einer Intensität und Vielfalt erleben lässt, wie es in Europa in dieser Form kein zweites Mal möglich ist. So ist die Oper »Seven Stones« in Dortmund semi-konzertant als Deutsche Erstaufführung und zweite Aufführung überhaupt zu hören. Im Januar geht es dann Schlag auf Schlag: Über einen Salon im Aufbau der »Seven Stones«, eine Uraufführung (initiiert vom Konzerthaus) mit dem Ensemble Resonanz und Cellist Jean-Guihen Queyras sowie Workshops mit der Dortmunder Community gibt die Zeitinsel tiefere Einblicke in Adámeks Werke und seinen intuitiven Kompositionsprozess. Beim Finale ist sie schließlich dabei, die Airmachine, und verlangt dem Schlagwerker Roméo Monteiro höchste Raffinesse und Präzision ab. Humor-, aber auch höchst kunstvoll, atmet dieses Geräusch- und Installationsobjekt die Wissbegierde und Spielfreude, die Adámeks gesamtes Schaffen antreibt.

Zeitinsel Adámek

Alle Konzerte im Abo erleben: Infos im Abobuch

Fr 24.09.2021 20.15 Uhr

Auftakt – Sir Simon Rattle & London Symphony Orchestra

Magdalena Kožená Mezzosopran Ondřej Adámek »Where are you?« Liederzyklus Gustav Mahler Sinfonie Nr. 10, vervollständigte Fassung

Do 27.01.2022 19.00 Uhr

Salon – Im Gespräch mit Ondřej Adámek

Ondřej Adámek Komponist, Raphael von Hoensbroech Gastgeber Der Komponist Ondřej Adámek im persönlichen Gespräch

Fr 28.01.2022 20.15 Uhr

Ondřej Adámek: Seven Stones

Solistenensemble, Chor Accentus, Léo Warynski Dirigent, Éric Oberdorff Regie, Choreografie, Éric Soyer Licht, Bühne Ondřej Adámek »Seven Stones« Oper für vier Solisten und zwölf Chorsänger (halbszenische Aufführung)

Sa 29.01.2022 20.15 Uhr

Ensemble Resonanz – Freiheit

Ensemble Resonanz, Ondřej Adámek Dirigent, Jean-Guihen Queyras Violoncello, Éric Oberdorff Regie, Licht Von Strauss’ »Metamorphosen« über ein Cellokonzert von Carl Philipp Emanuel Bach bis zu einer Uraufführung Adámeks erzählt das inszenierte Konzert eine Geschichte des Ausbruchs und der Emanzipation.

So 30.01.2022 11.00 Uhr

Workshop Community Music

Ondřej Adámek Leitung, Éric Oberdorff Warm-up Einblick in das Schaffen Ondřej Adámeks mit Improvisation, Bewegung und Gesprächen

So 30.01.2022 18.00 Uhr

Airmachine

Roméo Monteiro Perkussion Adámeks Werk für Airmachine und weitere Kompositionen und Improvisationen für Schlagwerk unterschiedlichster Kulturen

Alle Infos zum Rahmenprogramm unter konzerthaus-dortmund.de/adamek

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