schauspiel
DER LETZTE SCHNEE ARNO CAMENISCH
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« HÖRST DU WIE SCHÖN DAS UNTER DEN SCHUHEN KNIRSCHT, DAS IST WIE DAS LIED AUS UNSERER KINDHEIT. »
Jonathan Loosli
DER LETZTE SCHNEE NACH DEM ROMAN VON ARNO CAMENISCH Uraufführung
PREMIERE 08. November 2019, Vidmar 1
DAUER DER VORSTELLUNG ca. 1 h 45 min, keine Pause
BESETZUNG regie Jonas Knecht bühne & kostüme Markus Karner musik (live) Anna Trauffer sounddesign Albrecht Ziepert licht Hanspeter Liechti dramaturgie Michael Gmaj regieassistenz & abendspielleitung Jonas Junker bühnenbildassistenz Kim Zumstein kostümassistenz Melanie Häusler soufflage Sabine Bremer inspizienz Hasan Koru
technischer direktor Reinhard zur Heiden leiter bühnenbetrieb Claude Ruch leiter werkstätten Andreas Wieczorek leiterin kostüm und maske Franziska
Ambühl produktionsleiterin bühnenbild Konstantina Dacheva produktionsleiterin kostüm Maya Däster Bühnenmeister Bernhard Spielmann Tontechnik Urs Haller, Valentin Mayans requisite Cora Liechti Maske Anja Wiegmann Die Ausstattung wurde in den Werkstätten und Ateliers von Konzert Theater Bern hergestellt. co-leitung malsaal Susanna Hunziker, Lisa Minder leiter schreinerei Markus Blaser leiter schlosserei Marc Bergundthal leiter dekoration Daniel Mumenthaler leiterin maske a.i. Martina Jans gewandmeisterinnen Mariette Moser, Irene Odermatt, Gabriela Specogna leiter requisite Thomas Aufschläger leiter beleuchtung Bernhard Bieri leiter audio und video Bruno Benedetti leiter vidmar Marc Brügger
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paul Jonathan Loosli georg David Berger spezialisten der vergänglichkeit Luka Dimic, Mathis Künzler musikerin Anna Trauffer
Partner Maske
Gerda Spillmann Swiss Cosmetics
merci WARLOMONT-ANGER-STIFTUNG
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ÜBER DIE TRAGIK UND DAS GLÜCK DES WARTENS Das Motiv des Wartens hat in der Literatur eine lange Tradition. Schon in Homers Odyssee wartete Penelope zwanzig Jahre auf ihren Ehemann, Elektra jahrelang auf ihren Bruder Orest, um sich gemeinsam mit ihm an der Mutter und deren Liebhaber, für den Mord am Vater rächen zu können. Thomas Mann lässt im Zauberberg seinen Protagonisten Hans Castorp sieben lange Jahre im Sanatorium auf seine Genesung warten. «Rêver c’est le bonheur, attendre c’est la vie», schrieb einst Victor Hugo, «träumen ist Glück, warten ist das Leben». Und auf den Theaterbühnen war neben Maeterlinck natürlich Beckett der grosse Künstler, der meisterhaft über das Warten erzählen konnte und es in fast all seinen Stücken zum vordergründigen Thema machte. Auch Paul und Georg, die Protagonisten in Arno Camenischs Roman, sind Wartende. Ihnen bleibt auch nichts anderes übrig. Mit dem Klimawandel und dem ausbleibenden Schnee, bleiben auch die Gäste weg, die ihren Skilift nutzen könnten. Trotzdem hoffen und warten die beiden stoisch auf Kundschaft. Mit dieser Setzung schuf Camenisch eine Erzählung über die Folgen des Klimawandels in der Schweiz. In kurzen, kleinen Erzählungen erfahren die Lesenden, wie mit dem Schnee auch die ersten Läden verschwinden, die Töchter und Söhne aus den Dörfern Graubündens wegziehen und Ältere nach und nach zu Grabe getragen werden. Die Protagonisten Paul und Georg fragen sich zwar, warum der Gletscher über ihnen schmilzt, gelangen aber erst spät zur Erkenntnis, dass sie aufgrund dessen mittlerweile zu den Überflüssigen gehören. Es geht um die «Consequenzas» dieser Naturkatastrophe, die schleichend über uns hereinbricht, um den Strukturwandel, der sich
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so leise angebahnt hat, dass wir viel zu spät realisiert haben, dass er bereits in vollem Gange ist. Der erste Schweizer Gletscher wurde bereits zu Grabe getragen. Der letzte Schnee ist ein zeitloses kleines Werk, in dem Camenisch den Sinn des Lebens befragt und mit der Handlung des geduldigen und gewissenhaften Wartens einen solchen findet. Georg handelt und agiert, bereitet den Skilift und die Billette vor und hält sich so am Leben in einer ansonsten sinnlosen Existenz. Paul erinnert sich an vergangene Zeiten, erzählt von kuriosen Geschehnissen und befragt seinerseits den Sinn des Lebens anhand der Dorfgemeinschaft innerhalb derer er sein Leben verbracht hat. Er erzählt, um zu überleben, zu überdauern. Beide drohen akut zu verschwinden, vergessen zu werden, im Archiv einer längst vergangenen Zeit abgelegt zu werden – abgespielt, aussortiert. Es ist ihre grosse Naivität, aber auch ihr Glaube an das Unveränderliche und Beständige, was sie am Leben hält. Warten kann eine einsame Angelegenheit sein. Während sich um uns herum die Welt verändert, stecken wir als Wartende in einer Zeitblase fest, die uns von der Aussenwelt isoliert. Eine separierte Existenz. Oft warten wir aber auch zusammen mit anderen. Dem Ungeduldigen wird die Unterstützung durch die Gruppe das Warten in der Regel erleichtern; der Geduldige hingegen hat in der Gemeinschaft zusätzliche Anfechtungen zu bestehen. Das Warten ist plötzlich nicht mehr nur ein Warten, sondern wird zu einem sozialen Spiel. Im Theater sind die grossen Spezialisten des Wartens Wladimir und Estragon aus Becketts Warten auf Godot. Keiner von ihnen wartet alleine. Wie Paul und Georg bilden sie eine Art Wartegemeinschaft. Das Besondere dieser Paare ist die Tatsache, dass sie nicht warten würden, wäre einer von ihnen nicht mehr anwesend. Sie existieren und warten nur, weil einer den andern dazu bringt mitzuwarten. Sie erinnern sich wechsel-
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« DIE ALTEN LEUCHTEN VOR DEM TOD, DANN WERDEN SIE FAST DURCHSICHTIG IM SCHNEE, SIEHST SIE BEINAHE SCHON DAVONSCHWEBEN. »
DAS KOMPLETTE PROGRAMMHEFT IST FÜR CHF 3,– AM VORSTELLUNGSABEND ODER AN DER BILLETTKASSE ERHÄLTLICH.
Luka Dimic, Mathis Künzler, Jonathan Loosli, David Berger
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