Schuld und Sühne

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schauspiel

SCHULD UND SÜHNE FJODOR M. DOSTOJEWSKIJ

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Marie Popall, Nico Delpy

«ICH GLAUBE, ICH BIN NICHT IM DELIRIUM, ICH GLAUBE, DAS IST DIE WIRKLICHKEIT …»


SCHULD UND SÜHNE NACH DEM ROMAN VON FJODOR M. DOSTOJEWSKIJ In der Übersetzung Verbrechen und Strafe von Swetlana Geier

PREMIERE

DAUER DER VORSTELLUNG

27. Februar 2020, Vidmar 1

3 h 10 min, inkl. Pause


BESETZUNG regie Henri Hüster bühne Lea Burkhalter kostüme Marie Sturminger musik Florentin Berger-Monit, Johannes Wernicke choreografie Vasna Aguilar licht Patricia Zwahlen dramaturgie Lea Lustenberger bühnenfassung Henri Hüster, Lea Lustenberger regieassistenz & abendspielleitung Sophia Aurich bühnenbildassistenz Junda Dietze kostümassistenz Jasmine Lüthold soufflage Sabine Bremer inspizienz Hasan Koru regiehospitanz Zohra Briki bühnenbildhospitanz Philippe Spangenberger leitung statisterie Irène Bürgi

technischer direktor Reinhard zur Heiden leiter bühnenbetrieb Claude Ruch leiter werkstätten Andreas Wieczorek leiterin kostüm und maske Franziska Ambühl produktionsleiterin bühnenbild Konstantina Dacheva produktionsleiterin kostüm Maya Däster bühnenmeister David Glöckner, Bernhard Spielmann tontechnik Valentin Mayans, Peter Teszas requisite Barbara Salchli maske Anja Wiegmann Die Ausstattung wurde in den Werkstätten und Ateliers von Konzert Theater Bern hergestellt. co-leitung malsaal Susanna Hunziker, Lisa Minder leiter schreinerei Markus Blaser leiter schlosserei Marc Bergundthal leiter dekoration Daniel Mumenthaler leiterin maske Martina Jans gewandmeisterinnen Mariette Moser, Irene Odermatt leiter requisite Thomas Aufschläger leiter beleuchtung Bernhard Bieri leiter audio und video Bruno Benedetti leiter vidmar Marc Brügger

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rodion romanowitsch raskolnikow / alexandr grigorjewitsch samjotow / aljona iwanowna / ein handwerker Grazia Pergoletti rodion romanowitsch raskolnikow / katerina iwanowna ­marmeladowa / ilja petrowitsch / ein student / ein kleinbürger Marie Popall rodion romanowitsch raskolnikow / sofja (sonja) semjonowna marmeladowa / nikolaj dementjew / nikodim fomitsch / eine frau David Brückner rodion romanowitsch raskolnikow / dmitrij prokofjitsch ­rasumichin / semjon sacharytsch marmeladow / lisaweta iwanowna / pestrjakow Nico Delpy rodion romanowitsch raskolnikow / porfirij petrowitsch / koch / ein offizier / ein hausknecht Jonathan Loosli

statisterie Eveline Gabaldon, Martha Zöllig

Partner Maske

Gerda Spillmann Swiss Cosmetics

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Entscheidend ist, dass Dostojewski Literatur aus dem machte, was wirklich wichtig ist. Er schrieb ­Romane über Identität, moralische Werte, den Tod, den Willen, sexuelle vs. spirituelle Liebe, Gier, ­Freiheit, Besessenheit, Vernunft, Glaube, Selbstmord. Und das tat er, ohne dass seine Figuren je zu Sprachrohren oder seine Bücher zu Traktaten verkommen wären. Seine Grundfrage lautete immer: Was bedeutet es, Mensch zu sein? – das heisst, wie wird man jemand, dessen Leben sich aus Werten und Prinzipien speist, statt bloss ein besonders schlaues, selbsterhaltendes Tier zu sein? David Foster Wallace

«Nadryw». Es ist ein unübersetzbares Wort, ein Neologismus, den Dostojewskij aus einem ver­breiteten Verb, «nadrywat’», abgeleitet hat: Ein Gewebe ­können Sie dehnen, bis es einreisst. Und so lange die Spannung bleibt, steht es in der Gefahr, gleich weiter zu reissen. Das ist dieser Zustand. Swetlana Geier

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ENTSCHULDIGUNG Zum Stück

Schuld und Sühne erscheint erstmals 1866 in der Zeitschrift Der Russische Bote. Jeden Monat wird ein Kapitel veröffentlicht. Publikum und Kritik sind begeistert. Der Kriminalroman entwickelt sich zum Hit. Der Erfolg ebnet Fjodor Michailowitsch Dostojewskij den Weg in die Garde der bedeutendsten russischen Literaten. Bereits in den 1840er-Jahren kann er erste literarische Erfolge verzeichnen – etwa mit dem Roman Arme Leute –, doch seine politischen Interessen machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Er bewegt sich in revolutionären Kreisen und wird dafür 1849 zum Tode verurteilt. Die Exekution steht unmittelbar bevor, als der Urteilsspruch vom Zar zurückgezogen und in eine andere Strafe umgewandelt wird: die Verbannung. Insgesamt acht Jahre verbüsst er seine Strafe: vier Jahre im Zuchthaus in Omsk, vier Jahre beim Militärdienst in Semipalatinsk. Seine Aufzeichnungen aus einem Totenhaus sind Zeugnis der Zeit in Omsk. Auf der Fahrt dorthin bekommt er ein Buch geschenkt: das Neue Testament. Es ist das einzige Buch, das in der Verbannung erlaubt ist, und begleitet ihn bis an sein Lebensende. Noch kurz vor seinem Tod liest er seinen Kindern daraus vor. Das JohannesEvangelium, besonders die Geschichte der Auferweckung des Lazarus, spielt in Schuld und Sühne eine zentrale Rolle. Sie steht für den Glauben an Gott, aber auch für den Glauben an die eigene Auferstehung, nachdem man sich selbst zugrunde gerichtet hat. Zurück aus der Verbannung in Sibirien greift Dostojewskij eine Idee auf, die ihn schon Jahre zuvor gereizt hatte: das Psychogramm eines Mörders. Zunächst plant er eine berichtartige Erzählung aus der Ich-Perspektive. Schliesslich entscheidet er sich

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dafür, die Geschichte in der dritten Person zu erzählen und mit einer anderen literarischen Skizze, Der Trinker, zu verschränken; die Hauptfigur dieser Skizze findet sich in der Figur des Marmeladow wieder. Es entsteht Schuld und Sühne. Der Roman erzählt mit atemloser Intensität die Geschichte des niedergeschlagenen und mittellosen Studenten Rodion Romanowitsch Raskolnikow, der zum Mörder wird und am Ende selbst nicht mehr genau weiss, warum. Sein Vorhaben lässt ihn schaudern, trotzdem zieht er seinen Plan durch. Es herrscht eine drückende Hitze, als er im St. Petersburger Sommer 1865 zwei Menschen umbringt – der eine Mord ist geplant, der andere folgt im Affekt. Raskolnikow ekelt sich vor seiner Tat und hält sich an der Hoffnung fest, den Schrecken, in den er sich versetzt hat, zu überwinden. Aber dieser Moment tritt nicht ein. Er schwankt zwischen Selbstverachtung und Selbstüberhöhung, Lebensdrang und Lebensmüdigkeit. Und immer wieder bewegt er sich zwischen Wirklichkeit und Delirium.

DAS KOMPLETTE PROGRAMMHEFT IST FÜR CHF 3,– AM VORSTELLUNGSABEND Zur Seite stehen Raskolnikow verschiedene Figuren, die allesamt ODER AN DER Facetten seiner selbst widerspiegeln: so etwa der gutgläubige BILLETTKASSE Freund Rasumichin, der gewiefte Ermittlungsrichter Porfirij Petrowitsch und die tiefgläubige Prostituierte Sonja. Sie ist die TochERHÄLTLICH. ter des Alkoholikers Marmeladow, dem Raskolnikow kurz vor

seiner Tat begegnet. Als sie in sein Leben tritt, bekommt dieses einen neuen Glanz. Was dieser Wandel für ihn bedeuten wird, ist ihm da noch nicht bewusst. Raskolnikow schwebt weiterhin zwischen zermürbend widersprüchlichen Zuständen und findet keinen Halt. Glaubt man zunächst noch, er begehe den ersten Mord, weil er zu Geld kommen will und ihn ein diffuser Weltekel im Griff hat, offenbart sich in einem Gespräch mit Porfirij ein theoretischer Überbau zu seiner

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