Bern Ballett Spielzeit 2021/22
LE TROISIÈME SEXE Tanzstücke von Caroline Finn und Etienne Béchard
Die Natur liebt die Vielfalt. Die Gesellschaft leider nicht. ( Milton Diamond )
Merci Elisabeth Marazzi
Partner Maske
Bern BallettBern Schauspiel Spielzeit 2021/22
LE TROISIÈME SEXE Etienne Béchard – Upside Down (UA) Caroline Finn – Double You See (UA)
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BESETZUNG Upside Down Uraufführung
Choreografie Etienne Béchard Bühne Till Kuhnert Kostüme Catherine Voeffray Licht Till Kuhnert, Hans-Peter Liechti Choreografische Assistenz Eva Zmekova Probenleitung Exequiel Barreras Dramaturgie Isabelle Bischof, Bettina Fischer Musik György Ligeti, Giovanni Battista Pergolesi, Cristobal Tapia de Veer und weitere Tänzer Andrey Alves Matteo Castelletta Conner Chew Edoardo Deodati Folke Högman Toshitaka Nakamura
Bühnenbildassistenz Christos Samaras Kostümassistenz Dominique Steinegger Inspizienz Miklos Ligeti
Double You See Uraufführung
Choreografie Caroline Finn Bühne Till Kuhnert Kostüme Catherine Voeffray Licht Till Kuhnert, Hans-Peter Liechti Choreografische Assistenz / Probenleitung Exequiel Barreras Dramaturgie Isabelle Bischof, Bettina Fischer Musik Fredy Studer, Mario Batkovic, Antonio Vivaldi und weitere Tänzerinnen Momoko Higuchi Mari Ishida Marieke Monquil Saskya Pauzé-Bégin Romane Ruggiero Ana van Tendeloo Sophia Esmeralda Vollmer Viviane von Gunten
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Technischer Direktor: Reinhard zur Heiden Leiter Bühnenbetrieb: Claude Ruch Leiter Werkstätten: Andreas Wieczorek Leiterin Kostüm & Maske: Franziska Ambühl Produktionsleiterin Bühnenbild: Konstantina Dacheva Produktionsleiterin Kostüm: Maya Däster Bühnentechnik: Andy Hohl Tontechnik: Valentin Mayans, Peter Tészás Requisite: Gabriela Hess, Barbara Salchli Maske: Christine Häberli, Alexandra Lampart, Anja Wiegmann
Die Ausstattung wurde in den Werkstätten und Ateliers der Bühnen Bern hergestellt. Co-Leitung Malsaal: Jann Messerli, Lisa Minder Leiter Schreinerei: Markus Blaser Leiter Schlosserei: Marc Bergundthal Leiter Dekoration: Simon Pinter Leiterin Maske: Martina Jans Gewandmeisterinnen: Mariette Moser, Irene Odermatt, Sina Rieder Leitung Requisite: im Team Leiter Beleuchtung: Bernhard Bieri Leiter Audio & Video: Bruno Benedetti Leiter Vidmar: Marc Brügger
Premiere am 29. April 2022, Vidmar 1 Dauer der Vorstellung 90 Minuten inkl. Pause
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Romane Ruggiero, Ana van Tendeloo
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ÜBERSICHT Wer kreiert Le Troisième Sexe? Le Troisième Sexe vereint zwei Uraufführungen für Bern Ballett. Choreografiert werden die beiden Stücke von Caroline Finn und Etienne Béchard. In ihren Arbeiten beschäftigt sich die Choreografin Caroline Finn besonders mit Konflikten und Widerständen von innerer und äusserer Wahrnehmung. Bildstark und mit feinem Humor hat sie mit Double You See ein Stück für die Frauen der Compagnie kreiert. Die in Zürich lebende Britin ist die ehemalige Direktorin der National Dance Company Wales. Sie tanzte am Balletttheater München, beim Ballet Preljocaj und bei Carolyn Carlson, bevor sie selbst zu choreografieren begann. Als freischaffende Choreografin arbeitet sie für etablierte Tanzensembles weltweit. Bereits zum vierten Mal ist Etienne Béchard in Bern zu Gast. Der Franzose gab in der Spielzeit 2016/17 mit Post Anima sein vielgelobtes Debüt in Bern und begeistert seither regelmässig mit seinem breiten choreografischen Vokabular. Als Tänzer arbeitete er viele Jahre beim Béjart Ballet Lausanne unter der Leitung von Maurice Béjart, bevor er 2010 seine eigene Compagnie in Brüssel gründete.
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Wie nähern sich die Choreografin und der Choreograf dem Thema an? Ausgehend von Simone de Beauvoirs 1949 erschienenem Klassiker der feministischen Literatur Le Deuxième Sexe, in dem sie in einer schonungslosen Analyse die soziale Kon struktion von Geschlecht offenlegt, entwirft der zweiteilige Tanzabend Le Troisième Sexe eine physische Auseinandersetzung zu Debatten um verschiedene Entwürfe sexueller und gesellschaftlicher Identitäten. Etienne Béchards Ansatz greift auf ein biblisches Ereignis zurück, den Sündenfall, den er in seiner Herangehensweise – nicht nur bezüglich der dort etablierten Geschlechterkonstruktion – auf den Kopf gestellt hat. In seinem Tanzstück Upside Down erschafft er eine Utopie, in der Geschlecht und dessen soziale Prägung spielerisch ausprobiert und neu definiert werden. Béchard arbeitet hierfür mit den Männern von Bern Ballett, für die er ein polymorphes Bewegungsmaterial choreografiert, das von dynamischer Bodenarbeit über fliessende Partnering-Sequenzen bis hin zu Tanz auf High Heels reicht. Caroline Finn hat für die Frauen des Berner Ensembles das Stück Double You See kreiert. Es spielt auf einer öffentlichen Toilette, einem allgemein zugänglichen und zugleich abschliessbaren, privaten Ort. Hier finden intime, körperliche Aktionen mitten in der Öffentlichkeit statt. Die Choreografin befragt in diesem klar verorteten Setting die Ordnung und Regelhaftigkeit, der Menschen in dieser vorgegebenen Struktur zu gehorchen haben, und in denen sie gleichzeitig frei und ungeniert, abgeschottet von fremden Blicken, agieren können. Ihre Figuren durchlaufen während des Stückes individuelle Transformationen, die jenseits der Kategorien eines binären Geschlechtersystems angesiedelt sind.
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Welche Musik erklingt? Sowohl Etienne Béchard als auch Caroline Finn arbeiten mit eigenen Zusammenstellungen verschiedener Musikstilrichtungen, die von Barockmusik über elektroakustische Klänge bis hin zum französischen Chanson reichen. Sowohl für Etienne Béchard als auch für Caroline Finn waren bei der Auswahl der Musik in erster Linie die optimale Verbindung von Klang und akustischen Signalen mit ihren choreografischen Ideen wichtig. Die entstandene Wechselwirkung zwischen Bewegung und Musik wird hier bewusst eingesetzt, um die jeweils ganz eigenen Stimmungen und Atmosphären der Stücke zu transportieren. Unabhängig voneinander waren sowohl Etienne Béchard als auch Caroline Finn von der Stimmlage des Countertenors inspiriert, die akustisch zwischen den Geschlechtern oszilliert. So kommt bei Upside Down ein Ausschnitt aus dem Stabat Mater von Giovanni Battista Pergolesi zum Einsatz und in Double You See erklingt eine Arie für Countertenor von Antonio Vivaldi.
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Momoko Higuchi, Mari Ishida, Ana van Tendeloo
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AUFSTAND GEGEN DIE WIRKLICHKEIT Die Tanzstücke Double You See und Upside Down als Spielorte der Identitäten Bettina Fischer
Das komplette Programmheft ist am Vorstellungsabend oder an der Billettkasse erhältlich. Sind die Posen und die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer in Caroline Finns und Etienne Béchards Stücken weiblich, männlich, androgyn oder gar geschlechtslos? Ist ein neutraler Körper überhaupt denkbar? Oder sind es unsere Erwartungen, die sich auf mehr oder weniger klare Vorstellungen von Geschlecht beziehen und die in vorwegnehmender Reaktion klischierte Bilder vor unserem inneren Auge entstehen lassen? Wen sehen wir, wenn wir diesen Tanzabend anschauen? Double You See im Feld des Sichtbaren In Caroline Finns Double You See wird der Körper in den Mittelpunkt und gleichzeitig aus dem Blickfeld gerückt. Die Choreografin bedient sich hier einer Strategie, die zu einer besonderen Spannung führt: Durch die uniformen Kostüme und Perücken zu Beginn ihres Stückes und durch die teilweise verborgenen Körper hinter verschlossenen WC-Türen stellt sie die Tatsache des Unsichtbarbleibens von Geschlecht bzw. von geschlechterspezifischen Handlungen, zur Debatte, um im Folgenden jeder Tänzerin einen Weg zur eigenen Identität zu ebnen. Die Protagonistinnen widerstehen dem Druck, sich an gesellschaftliche Normen zu halten, und ihrer Uniformen entledigt, entwickeln sie sich individuell. Sie treten aus ihren Kabinen heraus ins Feld des Sichtbaren, wo sie sich in einem Akt der tänzerischen