Iztok Osojnik Kosovel und die sieben Zwerge Archaische Gedichte
Literarische Reihe des Pavelhauses, 16 | Reihe Das Goldene Boot, 5 Iztok Osojnik Kosovel und die sieben Zwerge Titel der slowenischen Originalausgabe: Kosovel in sedem palčkov Copyright by Iztok Osojnik, 2015 Copyright for German edition by Kulturno-umetniško društvo Police Dubove & Artikel-VII-Kulturverein für Steiermark – Pavelhaus, 2020 Copyright for translation by Klaus Detlef Olof, 2020 All rights reserved./Alle Rechte vorbehalten. Kofinanziert durch das Programm Kreatives Europa der Europäischen Union. Die Übersetzung wurde mit Unterstützung der Slowenischen Buchagentur (Javna agencija za knjigo Republike Slovenije) ermöglicht.
CIP - Kataložni zapis o publikaciji Narodna in univerzitetna knjižnica, Ljubljana 821.163.6-1 OSOJNIK, Iztok, 1951Kosovel und die sieben Zwerge : archaische Gedichte / Iztok Osojnik ; aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof. - 1. izd. = 1. Ausg. - Vnanje Gorice : Kulturno-umetniško društvo Police Dubove ; Laafeld : Artikel-VII-Kulturverein für Steiermark - Pavelhaus, 2020. - (Zbirka Zlati čoln = Reihe Das Goldene Boot ; 5) (Literarische Reihe des Pavelhauses = Literarna zbirka Pavlove hiše ; 16) Prevod dela: Kosovel in sedem palčkov ISBN 978-961-7020-59-5 (Kulturno-umetniško društvo Police Dubove) ISBN 978-3-903699-00-7 (Artikel-VII-Kulturverein für Steiermark - Pavelhaus) COBISS.SI-ID 44710915 www.pavelhaus.at | www.policadubova.org | www.knjigarna-bookshop.eu
Archaische Gedichte Aus dem Slowenischen von
Klaus Detlef Olof
Kongo
blas meine Flöte, Schwester Blaž Božič schreibt: Sammeln und Häufen sind legitime Tätigkeiten der Sprache lass die Fantasie auf die Weide eine Art Dampfmaschine, ziemlich konservativ, der Vergangenheit geschuldet, jene blutigen Nägel, eine Missgeburt aus quasi Märchenfilmen ein Kloß sehniger Sülze aus ungesunden Farben etwas wimmert in der Ecke, ein schwindender oder nicht schwindender Geist, verdammt hartnäckig, der große eckige komprimierte Horizont des Symbolischen vergiftet meine ranzige Schrift. ich bin weder der Erste noch der Letzte warte, lass mich zurücktreten, und dann lies, mit dem Messer in der Hand leidenschaftlich zustechend immer zwischen den Zeilen verschwunden, wenn die Sprache wütend wird, Flammen unterschiedlicher Farben, sie zischen oder schmeicheln sich ein aus den Schränken fallen Gerippe oder Gott und ihr seid eine Kongregation, Geblöke über das Weltethos und die Notwendigkeit der Bruderschaft von Moral und Politik, als wären Moral und Politik nicht ein und dasselbe, zwei rhetorische Techniken, um die Massen an der Nase herumzuführen oben am Himmel unsichtbare Drohnen und Hornissen ein Stich, du drückst auf den roten Knopf und bumm, die Hochzeitsprozession fliegt durch die Luft wie Bela auf einem Bild von Chagall mehr als hunderttausend Mal Bela auf dem unsichtbaren Bild auf keinem TV-Schirm unsichtbare blutrote Bilder auf keinem TV-Schirm Welt-Ethos, kommt, Schwestern!, fassen wir uns an den Händen, umarmen wir uns, 7
haben wir zusammen Schweine gehütet oder was, akademische Kollegen der Philosoph nimmt Eintritt für den Auftritt, was erwartest du denn, Tennistrikot und Schnurrbart im Zeitalter der Superenergien in den Zyklotronen, und genau hier eine Dampfmaschine, schlecht abgedichtet, puff, puff, die Elektrik tritt an allen Ecken und Enden aus, meine Zen-Schule was soll ich sagen, unsichtbare Nachfolger schleifen die Luft, aber dort ist mein Moped, warum sollte ich darüber sprechen, ich steige auf wir fahren nach Vič, sie brauchen einen geistesgegenwärtigen Dichter, so ein schwedischer Schilanglaufmarathon, tausend Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen laufen Marathon durch ein Spalier von Terroristen, Dichter und Alkoholiker, Manager, Direktoren kultureller und öffentlicher Institutionen und Stiftungen, Museen und Galerien, Rats- und Kommissionsmitglieder und -präsidenten eine fitte Population durchbluteter Hirne und die Fantasie von Mäusen Aggregate mit jeweils mehreren hundert Pferdekilos und ich auf dem Moped und die alten Goiserer und das lädierte Knie, ich sage nicht, implantierter blutiger Wunsch, ohne übertriebene Auflehnung und das Kreisen von Büchermotten um den Kopf ein winziges kosmisches E-Werk irgendwelche Schreie zerreißen das Gewebe des komprimierten Horizonts, der sich erstreckt nach Genf und Hongkong und Barcelona und in Harvard studiert. Die alte Dampfmaschine treibt das an mit Marionettenschnüren ein unzerstörbarer Kleingeist, Tante Filomena haut ihn mit dem Pantoffel, pok, pok, nichts ist verkehrt mit der Geistesschärfe zum Beispiel die psychotischen Bräutebilder von Gabrijel Stupica oder ein paar Gedichtzeilen von Blaž Božič der Bluteifer der Hirne zügelt die Fantasie, damit sie 8
die Motten fressen, sie kreisen um den Kopf, eine Illustration im Kopf des Menschen wenn er bei großer Geschwindigkeit auf Skiern mit dem Kopf aufs Eis knallt juchej, wer sind Sie, guten Tag, die verdoppelte Linie der gezackten Berge, verdoppelt, verdreifacht, Kristallisation des Nebels, Glasaugen, ein wenig sind wir delogiert, versetzt ins parallele Weltall durchs parallele Weltall zu schreiten ist keine solche Sache, eher Standard vor allem ohne Panik, ist der Hirnboden ganz, ist der Kopf abgerissen und steckt auf einem Schneehaufen, guten Tag, wo ist der Kopf, wer sind Sie, wer bin ich, was ist das, ich, bin das ich, ich stehe auf Schiern ich liege im Gras neben dem Bach, jemand fragt etwas, ich frage etwas kein Problem, durch das parallele Weltall zu kurven ein Lächeln im Gesicht, ein großes Loch Wachheit, Lächeln im Gesicht, nichts Schlimmes, Buchschwemme jeden Tag große Freude des Schweigens die aufgedrehten Ventile der Geistesgegenwart pfeifen, der Hund da knurrt und wartet, um anzufallen, die Lunge auszuspucken, geduldiges Zügeln des unbewussten Hundes, des Heizers, des Maschinisten heute muss der Finanzbericht abgegeben werden, aber wen kümmert das, der Hund knurrt sehr überzeugend, zieh die Leine straff, Klara ist der Name meiner Katze überaus sichtbar sein ist die Unsichtbarkeit selbst, glühende eisige Luft ein wenig hinken wir, nicht wahr, ich meine, ist in letzter Zeit in Ihrem Kopf alles in Ordnung, mein Herr in meinem Kopf war nie etwas in Ordnung, mein Herr aha, dann ist ja alles in Ordnung ja, dann ist alles in Ordnung aha, dort ist mein Moped, Tomos 2x, Modell 1963 dem Menschen tut es gut, wenn alles in Ordnung ist 9
was ist alles in Ordnung ja, was ist alles in Ordnung oder sind Sie so ein Mohr, ein Mohr von den Antillen ein Spuck Lava von den Antillen das Meer ist Geschichte, das Meer Lava im Meer und Schiffbruch, Fußspuren im Sand, Dienstag und der wilde Tanz des Zuckerrohrs im Sturm des Rums ja, ein Spuck Lava von den Antillen, ein Schlag des Realen kein Schuss aus einem Rebellengewehr, sondern die Infiltration und Sprengung des feindlichen Generalstabs von innen im Herzen der Aufständischen ihr könnt noch so sehr schießen, Liquidierung der Dampfmaschinen mit Tomahawk-Raketen Lächeln auf dem Gesicht, Freude im Herzen, der unbewusste Hund am Ufer der Kleinen und Großen Antillen nach dem Orkan, haben Sie das jemals erlebt den Zug der Marathonläufer in Armani-Anzügen und Militärstiefeln ein Marathon von Verbrechern ein Marathon der Unsichtbarkeit des Verbrechens, verlangt Buddha zu viel verlangt der Nazarener zu viel verlangt der Trinker unterm Demavend zu viel verlangt die Buchagentur der Republik Slowenien zu viel, verlangt das Wirtschaftsforum (OECD) zu viel verlangt Goldman Sachs zu viel verlangt das Zuvielverlangen zu viel die Sichtbarkeit der Antwort enthüllt sich in der Unsichtbarkeit des Antwortenden,
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Zeitungen berichten, das Fernsehen berichtet, Web-Portale berichten, der Vulkan berichtet es hat meine Asche zerstreut das Atmen ist entflammt Poesie ist cool, sagt Dejan
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poetas de las dos granadas In der Anthologie von Dichtern aus beiden Granadas, dem spanischen und dem nicaraguanischen, gibt es niemanden, der 1951 geboren wäre, also in dem bedeutenden Jahr, in dem ich geboren wurde, ein Dichter, synthetisiert zu einem Ereignis aus den Ameisenhaufen vieler Welten und noch zahlreicherer Zeiten. Mein Moped befindet sich hartnäckig dort, und unweit davon erhebt sich ein Berg, der, so wie ich, einen bekannten Namen trägt. Die Schmerzen sind aus dem Knie in den Oberschenkelmuskel gewandert, wobei ein lächerlicher Sturz über einen Abhang kopfüber Pate stand. Dort gab es eine ragende Wurzel, auf die ich geknallt bin, ich habe mir Staub und Zweige vom Rock geklopft, mich umgesehen, für alle Fälle, falls jemand zusieht, sauer gepfiffen und bin weitergefahren. Es stellt sich die Frage, was das mit Dichtern zu tun hat, die nicht 1951 in Granada geboren wurden, zu denen ich auch Dichterinnen zähle, aber das weiß man schon. Es tat sich eine Perspektive auf, die Dinge wurden klar, und die unsichtbare Berliner Mauer aus der undurchdringlichen Tatsache ebenfalls. Die lebhaften Kontakte der inneren Flüssigkeiten des Menschen verführen dazu, den anderen zu überschätzen, aber die unterirdischen Ströme folgen ihrer Logik, und kein Wunsch kann das durchbrechen. Obwohl wir oft Dämme bauen und sich dann dort die Undurchlässigkeit akkumuliert, was unterschiedliche Denkbilder und unbillige Trauer verursacht. Aber was ist schon Billigkeit? Wenn sich der Mensch einem Luftloch nähert, erhöht und zugleich zernichtet, und mit Lunge und Kiemen gleichzeitig zu atmen beginnt und dazu fröhlich kreischt, obwohl du vorsichtig und aufmerksam sein müsstest, dass du nicht zu rasch der Stabilität entsagst, dann kollerst du eben hinunter, du und dein Moped und die ragende Wurzel und ein spitzes Gesicht. Ein zusätzliches Problem ist, dass nur spitze Gesichter wie auf einem Velásquez-Bild in Frage kommen. Hier muss man Granada durch Córdoba aus Lorcas Gedicht ersetzen, wo sich der berühmte Vers lejana y sola findet, was man als Ritter zu Pferde erleben muss, der aus der Ferne näherkommt, unmittelbar vor dem Sturm, der über der Stadt losbricht, wie El Greco in Toledo das so hervorragend gemalt hat. Die tausendfachen Nuancen von Grün vor dem Hintergrund der schwarzen Farbe haben später die Fauvisten übernommen. Vielleicht ist es Zeit für ein neues Bild, würde Klee sagen, allerdings jener Klee, der Afrika bereist hat. Ich habe die Peitsche bereit gelegt und sehe mich um, ich weiß nicht, woher das Gefühl, dass in der Nähe ein wildes Tier umherstreicht, das nicht außerhalb meiner Welt ist, sondern 12
eine Sache meiner inneren Objektivität. Interessant, wie diese Mauer im Zickzack verläuft, hier und da nähert sich ihm auf der anderen Seite im konvexen Spiegel das spitze Gesicht, alles zusammen duftet wie ein Abend am Meeresgestade, der Wind heult dir um die Ohren, und die Wellen branden wild an die Felsen, als wären wir in einem romantischen Thriller, das Tier mümmelt etwas, ich bin nicht ganz davon überzeugt, mit ihm zufrieden zu sein, obwohl ich – zumindest so weit wie möglich – darauf verzichtet habe, hinsichtlich dieser Dinge den Arbiter zu spielen. Trotzdem bin ich gespannt wie ein Gummiband, das weist eine undeutliche Verbindung zu Nietzsche auf, den ich im Hotel Lapad in Dubrovnik gelesen habe, als es wehte und mir die Seiten mit Gewalt umblätterte, so dass der Mensch das überzeugende Gefühl bekommt, das Leben laufe ins Leere, weil ich mich aber auf diese Dinge gut verstehe, weiß ich, dass nichts reißen wird, die Gespanntheit des Gummibandes ist kein karmischer Bund, der eine Wirkung zur Folge hätte oder ein zusätzliches Leben, wahrscheinlich aber haben Bilder dennoch ihre intentionalen Impulse im Menschen, dass ich so viel herumstrample und eines von den spitzen Fratzen mit meiner Lust nach Freiheit und einem pneumatischen Zustand des Körpers zu verbinden suche, was ein Bekenntnis des zugluftigen Geistes sein soll. Ich weiß, dass es nicht respektvoll ist, dass ich einfach so Danijel Dragojević hinschreibe, wenn es sich um den besten kroatischen Dichter handelt, mit dem mich mehr als die Texte die ontologischen Zustände verbinden, ich würde das Tier schon peitschen und so der Banalität des Bösen entsprechen, würde sie nicht meine Hand mit der Peitsche führen. Und wieder sind wir da, würde der Dichter sagen, und wieder sind wir da, das ist allerdings eine rhetorische Geste, in Wahrheit denke ich, wir sind wieder hier
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A Hunger, erregend wie das Treffen mit jemand, von dem ich mir viel verspreche, zu dem es aber nicht kommt. Eine Frage der Akkumulierung, der Verdruss ist erheblich ... Heute mag mich die Poesie einfach nicht. Im Geiste obiger Zeilen ist es auch hier (noch) zu keinem Treffen gekommen. Etwas muss man tun, die Kruste der hohlen Glocke anknabbern, sie bereit machen für einen irischen Jig mit hinreichender Einbindung unterschiedlichster inkriminierter Elemente, die die relationale Raumzeit aktivieren, und der Mensch lebt auf in jenem Beethoven‘schen Zustand der letzten Quartette, den ich so oft erwähne, dass er schon sauer geworden ist. Hier und da aktiviert eine Handvoll Verse den Menschen ebenso wie jene Litaneien, die ihren Ursprung im barocken Gongorismus des Janez Svetokriški haben, und die Kontinuität in der Sprache von Sack und Pack des Jovan Vesel Koseski. Hier zeigt sich schon ein Faden. Visuell wäre das wie ein viereckiges Rad, hüpfend auf granitenem Kopfsteinpflaster. Ich weiß nicht, warum es mich an den Platz zwischen den Gebäuden der Universität in Knoxville erinnert, gut, ich kann die Lawine an Bildern verstehen, die sich danach ergossen hat, aber die Dinge gehen sich immer nicht nach der Erwartung aus, der unterbrochene Gedankenfluss muss in anderer Richtung wiederbelebt werden, ansonsten aber geht es darum, den Wortfluss zu beleben, den reißenden Wildbach, den eine kräftige Hand kurz hält wie ein gespanntes Segel im Sturm, wobei mit dem Sturm im Gedicht der Zustand des klaren Geistes eines abgefahrenen Solo-Elektrogitarristen gemeint ist, das abgrundtiefe Rauschen der Nacht über dem Zarzer Feld einschließlich des legendären Mopeds, das selbstbewusst hangwärts hustet 14
B noch das hier schreibe ich auf, dann aber sie holen, die sich zu Recht für eine große Dichterin hält, dreimal so groß wie dieser Hund. Der Klang, der einen Menschen in Ekstase versetzt, der Klang der Trompete von Miles Davis aus den allerzerfleischtesten Zeiten. Die Straßen Tokios, das war dieses Shibuya, Andrej, über das du gesprochen hast, als wir, Helena, du und der Nämliche, Spezialitäten von Okinawa aufspießten, aber noch jetzt spüre ich unter den Füßen die Erschütterungen der Stadtbahn auf der Strecke Shibuya-Yokohama, ich weiß nicht, ob ich mir gewünscht habe, dass wir bei dieser grotesken Feuchtigkeit schlafen und am Morgen im Zazen sitzen und dem Krächzen der Krähe auf dem Schornstein lauschen, die vermutlich nicht ohne Buddha-Natur ist, ähnlich dem Hund namens mu Frau, entzünde mein Feuer! Ho, das ist aber eine verdammt schwache Übersetzung, und auch Frau, na ja, auch kein großer Mehrwert. Jetzt denken sie, es genügt, Frau zu sein, und schon kriegst du dein Doktorat, und schon dozierst du über David Harvey. Wo ist mein koffi, schrie der Dichter und mistete unten aus, es heißt aber kaffe. Wenn wir nach Kolumbien gehen, werden wir ihn bis hierher sehen. Und auch Alvarado werde ich in Cartagena besuchen, und vielleicht noch die drei Prostituierten, die Tone so begeistert haben, dass er für zehn Minuten den Tschick aus dem Maul genommen hat. Darja hat gesagt, sie habe eine Anakonda unters Haus kriechen sehen, solche Sachen erzählen sie sich
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C granada, calle de elvira, donde viven las manolas, so beginnt es gewöhnlich kompliziert zu werden, bevor du dir dessen richtig bewusst wirst, obwohl du denkst, dass du auf diese Weise ohne Probleme davonkommst, da hast aber sofort ein Problem, wer sind jetzt diese manolas, fünf Wörterbücher, zwei im Netz usw., es handelt sich um irgendwelche Frauen in Madrid, aber was hat das mit Granada zu tun, wer waren diese manolas für Lorca, waren das jene manolas, die ihm mehr am Herzen lagen als die Frauen überhaupt. Dieses linguistische Gedicht wurde schon vor Tagen verfasst, nur dass ich nicht wusste, dass es mit Lorca anfangen würde, weil ich eigentlich die Tuaregs im Sinn hatte. So geht es in der Transliteration: Imdanen, akken ma llan ttlalen d ilelliyen msawan di lhwerma d yizerfan-ghur sen tamsakwit d lâquel u yessefk ad-tili tegmatt gar asen. Und in der Übersetzung aus dem Tamazight: Alle Menschen werden frei geboren und haben die gleiche Würde und die gleichen Rechte. Begabt sind sie mit Verstand und Gewissen und sollen miteinander umgehen wie Brüder. Auf den ersten Blick scheint es sich um subalterne Poesie zu handeln vielleicht tut es das auch aber habe ich oben erwähnt, dass wir ein Erdbeben hatten und mein Bildschirm gewackelt hat
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Č ich hatte einen guten Anfangsvers über den Tod und etwas, was sich gut zu einem super Gedicht hätte auswachsen können, und dazu noch zum offiziellen Imaginarium der westeuropäischen Dichtung von Liebe und Tod und solchen Sachen gepasst hätte. Beziehungen zwischen Liebenden, eine Stunde Liebemachen, dass ein bisschen freie Luft reinkommt, danach kämen psychologische Themen, Uni und diese Sachen. Die Metaphern kollern wie Kreide, bis du drauftrittst, aber das war schon entscheidend, ich brauch dringend einen Kaffee, als ich ihn in den Keller gelassen habe, als ich diese beiden Schwarzen mit Hund und Fischernetz gemalt habe. Ich spüre einen Mangel an Leidenschaft, weil alle Modelle abgesagt, sich in Luft aufgelöst haben, die Möglichkeiten den Nullpunkt der Realisierung erreicht haben, die Verhältnisse erreichen den Höhepunkt, dann folgt noch eine Stufe, die transzendentale, das Ballönchen platzt, die Sterne leuchten hell, hier hatte Kant recht, aber sie sind metaphorisch gesprochen extrem kalt, reaktionslos, und du bist out. In der Ecke der Werkstatt liegen Mistgabeln mit abgebrochenem Griff, alltägliche Ereignisse, schade, dass mir der eine Vers entwischt ist, das wäre ein völlig anderes Gedicht gewesen, ein schönes Stück Weltenschatz
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D was erwartet ihr von einem alten Dichter, wenn ihr nicht an gewisse zügellosen Sachen denkt. Das ging mir gestern durch den Kopf. Das über Notlügen war super, ich sag ja nichts, ich hätte nicht gedacht, dass so ein kleines Mädchen solche Sachen macht. Mehr edle Gewässer: mit dem Gedanken, dass ich dem Mist schaufelnden Präsidenten der Republik Gedichte vorlese. Seine Tochter misst mich mit dem Blick, die einen Geschichten erlöschen oder ducken sich weg, noch bevor sie ins Leben treten, aber immer geht es um Entsprechung, Harmonisierung, um den gesellschaftlichen Rang. Der Erste sein unter den Sternen bedeutet noch nicht der Erste sein unter den Menschen, weil sie sich die einen Sachen, zum Beispiel den Wald, geteilt haben und dann sozial bewertet werden auf Basis der Förster-Epouletten. Die interessiert die Buddha-Natur einen Dreck, lieber haben sie, dass sie durch die Zeitungen gezogen werden wegen Waffenhandel, der Mensch kann nicht anders, als Arges wähnen, dass hier trotzdem was dran sein muss, weil sich alle so zurückhalten. Was die Tochter angeht, muss man im Allgemeinen feststellen, dass in diesen Beziehungen keiner einem was schuldig bleibt, was das Heulen des Wolfs hervorragend veranschaulicht: uuaaaaa. Freihandel, wenn Herr x nicht zu der Diskussion kommt, zu der er geladen war, ist das sein katholisches Recht, und eine Inspiration, wie John Davies sagte, als unter uns das dunkelbraune Wasser des Shannon-Rivers floss. Ein solches Dreieck beim Kaffee: John, ich und Robert Hassss his work similarily attends to the details of quotidian life with remarkable simplicity, kann ich etwas Ähnliches für mich sagen? Kann ich nicht. Will ich nicht. Ja, ich hab ihn genervt, ob er zum workshop kommt, aber Šalamun hat ihn überzeugt, dass das nicht okay ist. Er – Bob – hat gesagt, dass er nicht kommen kann, weil die Eltern seiner zweiten Frau krank sind und er ihnen Schachtelhalm kochen muss. Im Mesozoikum waren die Schachtelhalme zwanzig und mehr Meter hoch, ein richtiges Unternehmen, so was vors Pensionistenheim zu schleppen. Der kapitalistische Blick auf die Alltagspoesie erwartet die Erwähnung einer verkehrsreichen Straße in Chicago, ich weiß nicht, ob die Globalisierung okay ist, Cathy Wagner hat sich von Facebook gelöscht, oder nur von meinem, ich bin kein Experte für diese Sachen, dann habe ich noch Adam Ondra zugesehen, der zwei Richtungen geklettert 18
ist, change und move, beide mit 9b+ gewertet, und zwischendurch habe ich mich gefragt, obwohl das von dem ursprünglich geplanten Gedicht über Bob Hass völlig abgekommen ist, wenn vielleicht gerade dieses Gedicht ein unsterbliches Meisterwerk ist, es aber vermutlich nicht ist. Wer kann das wissen, ich habe mich in den Wolken unklarer Emotionen verloren, wo Tiflis ist, geb ich zu, interessiert auch mich, es ist mir nicht egal, dass ich den Kontakt zu Cathy verloren habe, vermutlich eine lokale Affäre, vor den Leuten stehen, sich abschinden und dann vor der Welt geschunden dastehen wie ein blutiger Rindskadaver, und das bedeutet erst den Anfang, was immer das bedeutet, im Durchzug wütender Verrücktheit runtergefahren auf Null, ein blutiger Violinist bin ich mit noch einer Saite auf geborstener Violine, krächze, Mensch, mit zusammengebissenen Zähnen, schieb Wache, no pasaran, und dann Überschlag rückwärts ins Leere
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