Stadtportrait Hamburg - "complete" 3/2012

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Oh, du mein Hanunonia ,

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In der Elbmetropole tickt jeder Stadtteil anders: Spannend für einen Wochenendtrip! OLL MAN ALS Hamburger überhaupt über seine Heimatstadt schreiben? Da zieren sich so manche Hanseaten. Ich habe der schönsten Stadt und einer der reichsten Städte der Welt ja schon vor fast zwanzig Jahren den Rücken gekehrt. Schönste Stadt der Welt? Ja, Sie haben richtig gelesen! Dafür stehen viele Fischkopf-Einwohner und auch ich, obwohl ich mir bei meinen regelmäßigen Besuchen doch schon etwas fremd vorkomme und mich nur durch den manchmal zu hörenden "Spitzen-Stein-Slang" schnell wieder daheim fühle,

S

Speicherstadt. Altehrwürdig jung - geblieben (links) Hafenrundfahrt. Auf der Elbe (oben)

Nun denn, nach zwei Jahrzehnten lässt sich vieles jenseits der Ufer von EIbe und Alster neu entdecken. Wasser ist also das erste Stichwort. Logisch, da gibt es ja einen Seehafen, der allerdings 100 Kilometer von der Nordsee entfernt liegt. Die Fahrrinne ist bei Flut immerhin 15 Meter tief und lässt deshalb auch xt-Seeschiffe hinein und wieder hinaus. Ein schöner Punkt,um diese Riesenschiffe zu beobachten, -ist meines Erachtens die Anlegestelle "Willkommhöft"; da müssen sie alle vorbei. Da ist immer was los und an Wochenenden kann man mit der ~ . COMPlETE

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"Viele bezeichnen Hamburg als die DesignHauptstadt Deutschlands. "Peter Maly, Designer

Marco-Polo- Terrassen. Der Dreh- und Angelpunkt

Hafenfähre von den St. Pauli Landungsbrücken dorthin schippern. Jedes einkommende Schiff wird hier mit der Nationalhymne begrüßt. Liberia und Panama hörte ich öfters, das sind die Billigflaggen. Günstig und gut essen kann man übrigens im Cafe und Restaurant Schulauer Fährhaus, welches nur einen Steinwurf von der Anlegestelle entfernt liegt und auch bei schlechtem Wetter ein guter Beobachtungsposten ist. Gucken (wie der Hamburger sagt) kann man auch weiter elbabwärts ganz gut vom Stintfang. Der Stintfarig ist in Hamburg die östliche Anhöhe des Geesthanges am rechten Elbufer, oberhalb der Sankt Pauli Landungsbrücken und unweit des monumentalen Bismarck-Denkmals. Jedoch biegen die hochbeladenen Containerschiffe schon weiter oben ab. ist St. Pauli. Da geht der Hamburger aber nur hin, wenn es dunkel ist. Nicht, weil er nicht gesehen werden will, nein, denn so sündig der Ruf der Reeperbahn auch sein mag, die Realität ist in diesem weltbekannten, stetig wachsenden Vergnügungsviertel eine andere; Museen, Theater, Boutiquen, Restaurants, Bars, Tanzhallen, Discos wechseln sich mit Erotikshops, NÄCHSTES STICHWORT

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mitten in der Hafen City

Stripteasebars, Showbühnen und Cabarets ab. Letztere sind' in der knallbunten Seitengasse "Große Freiheit" zahlreicher. Und - Wunder - viele mutige Hanseaten ziehen vermehrt auf den "Kiez" und verdrängen quasi die eh immer weniger werdenden Zuhälter und Animierdamen. Medienmogule und Werber mögen es ja schließlich laut und bunt. Macht man in der Hansestadt mal eine Samstagnacht durch, kann ich am Sonntagmorgen nur den Fischmarkt empfehlen. Frische Fische vom Kutter, Zimmerpflanzen direkt aus Holland, ganze Bananenstauden und allerhand FlohmarktKrimskrams werden hier bis in den Vormittag feilgeboten, dann wird alles billiger und die Bananen fliegen schon mal durch die Luft. AUSGESCHLAFENE LEUTE sollten sich weiter elbabwärts bewegen. Von der alten Speicherstadt ist es nur ein Sprung in die moderne Hafencity. Was mich in der Hafencity immer wieder begeistert, ist die abwechslungsreiche Architektur der Apartment- und Bürogebäude, wobei sicher die bald fertig gebaute Oper das Tüpfelchen auf dem i sein wird. Hier wohnt man offensichtlich modern und die Avantgarde blickt auf die davorliegenden Wasserflächen. Cool

halt im Gegensatz zum Speckgürtel und dem Alstergebiet. Apropos Alster, von hier ist es nämlich nicht weit dorthin. Die Alster ist gleichzeitig ein Fluss und ein künstlich aufgestauter Binnensee. Hamburg ist nicht nur eine grüne Stadt, der Alstersee (182 Hektar) bringt . noch dazu allzeit frische Luft bis in die Innenstadt, Das Ufer lädt nicht nur zum Flanieren, sondern auch zum ChilIen und Grillen ein. Als al- . ter Seemann fahre ich dann gerne mit einem schneeweißen Alsterdamp- '. fer vom mondänen Jungfernstieg (Binnenalster) durch zwei Brücken hindurch über die ganze Außenalster - vorbei an unzähligen Segelbooten, Schwänen sowie hinter riesigen Weiden liegenden, weiß getünchten Villen und Penthouses tragenden Apartmenthäusern - bis zur Anlegestelle "Winterhunder Fährhaus". Das ist eine Minikreuzfahrt mitten in einer Metropolregion, wo 4,3 Millionen Menschen leben und arbeiten. Am Fährhaus, das sowohl Theater als auch Restaurant ist, schaue ich kurz auf den Spielplan und dann auf den Fahrplan, um zum Ohlsdorfer Friedhof zu kommen, .Auf der Busstrecke rauschen die in die Jahre gekommenen Backsteinbauten nur so vorbei. Bei jedem Stopp kann ich mich davon überzeugen, dass immer noch alles sehr gepflegt ist. Sie haben richtig gelesen; denn da, wo viele ihre letzte Ruhe gefunden haben, findet man tatsächlich Ruhe und sieht gleichzeitig ein Superlativ, von dem so manche Hamburger nicht mal wissen: Ohlsdorf ist der' größte Parkfriedhof der Weh. Hier fahren zwei Buslinien, es gibt 22 Straßennamen, dort stehen zwölf - architektonisch gesehen - unterschiedliche Kapellen, mächtige Brunnen, unendliche Rhododendronbüsche; der Friedhof hatte sogar mal mit einem, noch stehenden, Wasserturm seine eigene Wasserversorgung. ~ NUN OHLSDORF!



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Stadt porträt

Landungsbrücken, Hafen. Leinen los für Linienfähren und Hafenrundfahrten

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02- Die Wäscherei. Das ganz andere Möbelhaus in der City Nord

03- Elbphilharmonie, Hafencity. Die ewige Baustelle. Hamburgs neues Wahrzeichen - wenn die Baukräne weg sind 04- Die Alster. Ist gleichzeitig ein Fluss und ein künstlich aufgestauter Binnensee.

05- Toni Tbiel. Sein Slogan: besser wohnen - egal, wie groß 06~ Brücke in der Speicherstadt. Hamburg hat , mehr Brücken als Venedig und Amsterdam

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Oft hört man hier "Auf, Matrosen, ohe" von Hans Albers- das ist dann eine waschechte Hamburger Beerdigung! Weltgrößter Parkfriedhof - wer war schon mal da? steige ich dann beim altehrwürdigen Hauptbahnhof Nord aus und begebe mich in die "Lange Reihe", die hier beginnt und noch vor zehn Jahren eine Durchgangsstraße war. Der Stadtteil St. Georg war früher auch ein wenig Konkurrenz zu St. Pauli, nur eben billiger, weil die Matrosen dort nicht hinkamen. Idylle und Elend auf engstem Raum. Doch die vormals ärmliche Gegend wird hip. Die diversen, aber recht unterschiedlichen Kulturstätten, Restaurants und Kneipen bilden den Kern des neuestenSzene- Treffs von St. Georg. Zwischendurch (noch) Einzelhandelsgeschäfte vom Augenoptiker bis AUF DEM RÜCKWEG

zum Zelt- und Segelmacher. Hier lässt es sich leben. Architektonisch bietet die Lange Reihe Fachwerkshäuschen bis zu . gründerzeitliehen Etagenbauten. Jjie Parallelstraße "Koppel" gefiel mir eigentlich ein wenig besser. Auf der Nr. 66, einer früheren Maschinenfabrik, zeigen KünstlerInnen und Handwerker Innen ihre Werke von Textilmode über Schmuck bis zur Malerei. Ein kleines C;fe lädt zum Resümieren ein. Auf der Koppel wohnen auch Leute, die schon fast das Understatement der Elbvororte haben. Nicht die Nase hoch, . sondern den Kopf oben! Auch hier fällt die ungemeine Dichte von britischen, schwedischen und deutschen Cabrios auf. Cabrios eignen sich auch gut für neu erstandene Interieurs; eine hinter die Sitze geklemmte Palme oder gar eine Standuhr habe ich bei meinem letzten Besuch nicht


"Hamburg beherbergt nicht nur globales Publikum, Hamburg bedient auch kosmopolitischen Geschmack. ce Toni Thiel, Einrichter

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nur einmal gesehen. Im Norden wird übrigens ab frischen plus zehn Grad Celsius offen gefahren. Unverstaubt wohnen die Hanseaten. Nicht umsonst kam das erste IKEAKaufhaus außerhalb Schwedens vor die Tore Hamburgs. Mitten in der City segeln, oder wenn's der Winter bringt, auch mal Schlittschuhlaufen oder mit dem Boot unter 2.I23 Brücken fahren kann die "Fisch-Köpfe" nicht konservativer machen, als man sie manchmal schimpft. Gewisse, eindeutige Stilrichtungen sind hier nicht der Renner. Es ist letztendlich der Stilmix, Alt neben Neu. Exotik neben Geradlinigkeit. Die Technik bleibt immer dezent im Hinter. grund. Ein Muss gibt es aber für die Nordlichter und mich: keine dunklen Fronten oder Wände. Drinnen muss es hell sein! --'i LETZTES STICHWORT: FRISCH.

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Ein neuer Stadtteil

blüht auf: lässige Läden & Leute

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