Kult MAG 12

Page 1

Winter Special 2015 Ausg ab e 2015 K u lt model agen cy

By Gregor Hohenberg Stefan Armbruster Sandro B채bler




K U LT M AG

2 KU LT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015


2015

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 3


8 32

der

Nebel am

See

David Balheim, Jakob Scheich, Lennard Haskamp. Fotograf: Gregor Hohenberg

30 12 Fakten zum Kรถnigssee Text: Nadine Wenzlick

4 KU LT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015

h otel

Wald l u st

Jack Vanderhart, Florian Van Bael, Sacha Legrand, Julian Schneyder. Fotograf: Stefan Armbruster

53 Das goldene Leuchten Text: Florian Zinnecker


56

I N H A LT von

Menschen und

Tieren Craig Le Roux, Calle Strand, Carlo Nestler, Jannik Knopp. Fotograf: Sandro B채bler

77 Winter is coming Interview: Silvia Tyburski

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 5


ED I TORI A L

6 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015


ch wäre gern am Anfang des 20. Jahrhunderts Gast in diesem Hotel gewesen. Die Weltstars der 20er-Jahre machten hier keinen Urlaub; sie lebten und feierten über Wochen. Als sei der Schwarzwald New York – und das Leben eine nicht enden wollende Silvesternacht. Das Haus mit seinen 140 Zimmern war bekannt für seinen unfassbaren Luxus und für exzessive Partys – umgeben von unberührter Natur. Heute ist das Hotel „Waldlust“ ein leer stehendes Gemäuer, in dem aber noch die alten Möbel zu finden sind und der Eiswind durch die Flure geht. Dort hat Stefan Armbruster die zweite der Strecken produziert, die Sie in diesem Magazin – unserem Winterspecial – finden. Etwa zur gleichen Zeit entstand am und auf dem bayrischen Königssee eine Bilderstrecke, für die unsere Modelle an Wasserfällen entlangfuhren, durch Wirtshäuser zogen und auf einer Alm pausierten. Auch in diesen Bildern von Gregor Hohenberg scheint die Zeit angehalten, die silbrige Düsternis der Alpen schwebt über allem, und ein feiner Winternebel liegt über dem See. Und noch weiter nach Süden: Auf einem Bauernhof eine Stunde außerhalb von Zürich, auf dem ein Tierpräparator unter anderem für Quentin Tarantino arbeitet, inszenierte Fotograf Sandro Bäbler unsere Modelle. Mir haben diese Bilder besonders gefallen. Weil ich die Mode, die hier vorgestellt wird, sehr mag. Und weil Model Carlo Nestler Teil dieser Produktion war. Vor zehn Jahren begann er seine Arbeit bei Kult. Ihn und alle weiteren 350 Kult-Modelle können Sie jetzt auf eine besondere Art kennenlernen: über unsere neu gestaltete Website, auf der Sie zu vielen Modellen Videos finden und neben vielem anderen auch von unseren Modellen geführte Instagram-Accounts. Letztere sollen helfen, unseren Modellen zu folgen, sie besser kennenzulernen und auch Einblick zu erhalten in die Welt jenseits von Shootings und Terminen. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie frohe Weihnachten und alles Gute fürs neue Jahr.

Herzlich Ihr Marco Cordes

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 7


Nebel See

Modelle: David Balheim, Jakob Scheich, Lennard Haskamp Fotograf: Gregor Hohenberg, www.kathrin-hohberg.de Assistent: Nicolas Schwaiger Styling: Saskia Schmidt, Bigoudi; Grooming: Sina Velke, Agentur Kathrin Hohberg

8 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015



Lennard: Jacke, Uniqlo and Lemaire Hoodie, Nike Poloshirt, Porsche Design Sport by adidas Hose, Herr von Eden Str端mpfe, Emporio Armani Schuhe, Porsche Design Sport by adidas 1 0 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015




Jakob: Lederjacke, Meindl Jacke, Porsche Design Sport by adidas Pullover, Uniqlo

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 1 3


Lennard: Jacke, Uniqlo and Lemaire Hoodie, Nike Poloshirt, Porsche Design Sport by adidas Hose, Herr von Eden Str端mpfe, Emporio Armani Schuhe, Porsche Design Sport by adidas David: Lederjacke, Model's own Jacke, Nike Hose, Y-3 Str端mpfe, Calvin Klein Schuhe, Dr. Martens

14 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015


20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 1 5



Lennard: Bomberjacke, Y-3 Anzug, Herr von Eden Schuhe, Dr. Martens

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 1 7


David: Mantel, Pal Zileri Blousonjacke, Y-3 Pullover, Calvin Klein Jeans Hose, Y-3



Lederhosen, Lederhosen Aigner, Berchtesgaden Engelbert Aigner

20 KU LT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015


20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 21



David: Anzug, Herr von Eden

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 23


Jakob: Anzug, Herr von Eden


20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 25



Jakob: Anzug, Herr von Eden Lennard: Jacke, Herr von Eden Hose, Calvin Klein Jeans David: Anzug, Herr von Eden


Besonderer Dank an: Gasthaus Neuhaus Berchtesgaden, Location Gasthausbilder Ursula Wischgoll und Isabel Stöckl, Berchtesgadener Land Tourismus GmbH Uwe Möller, Königsee, Bayerische Seenschifffahrt GmbH Elisabeth Rambichler, Rossfeld Panoramastraße, Staatliches Bauamt Traunstein Trachtenträger: Engelbert Aigner, Georg Renoth, Sebastian Angerer KNIV GbR Berlin, www.knivretouching.com

28 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015


Fakten Kรถnigssee 20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 29


MYSTERIÖSER GOLDFUND

Im August 2015 hat eine 16-jährige Urlauberin beim Schwimmen im Königssee einen 500 Gramm schweren Goldbarren im Wert von etwa 16.000 Euro entdeckt. Ersten Spekulationen, es handle sich um „Nazi-Gold“, widersprach die Polizei. Doch bis heute ist unklar, wie das Gold in den See kam und wem es gehört. Falls bis zum 6. Februar 2016 kein Eigentümer ermittelt wird, ist die 16-Jährige um 16.000 Euro reicher.

Wimbachschloss GANZ SCHÖN STEIL

Am östlichen Fuß des Königssees liegt der Watzmann, der zentrale Gebirgsstock der Berchtesgadener Alpen. Dessen Ostwand gilt mit 1.800 Metern als höchste Wand der Ostalpen. Seit der Erstdurchsteigung im Jahr 1881 fanden dort mehr als 100 Menschen den Tod. Die Watzmann-Ostwand hat damit mehr Todesopfer gefordert als die Eiger-Nordwand.

KAPELLE AUS EIS

Unterhalb der Watzmann-Ostwand liegt das tiefstgelegene permanente Eisfeld der deutschen Alpen. Der Wissenschaftler Alexander von Humboldt war begeistert, als er dort 1797 die sogenannte Eiskapelle erblickte: Der Eingang dieses Hohlraums im Inneren des Eisfelds gleicht einem Gletschertor. Die Schächte und Gänge sind im Sommer über 30 Meter breit und 15 Meter hoch. Betreten darf man sie jedoch auf keinen Fall – es herrscht absolute Lebensgefahr.

Watzmann

*

LECKER SCHNITZEL

EINSAMER FISCHER

SEHR ANZIEHEND

Männer in Lederhosen gehören zum Berchtesgadener Land wie Schnee zum Winter. Allerdings gibt es nur noch ein Dutzend Betriebe, die das Säckler-Handwerk beherrschen – so nennt sich das Herstellen der Lederhosen. Einer der besten: „Lederhosen Stangassinger“ aus Berchtesgaden. Schon das bayrische Königshaus ließ sich dort einkleiden. 25 bis 30 Stunden Arbeitszeit stecken in einer Hose. Kosten: ab 800 Euro. Aber bei 18 Monaten Lieferzeit bleibt genug Zeit zum Sparen.

30 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015

*

Der Königssee ist zwar reich an Forellen und Saiblingen, allerdings gibt es nur einen Mann, der dort angeln darf: Berufsfischer Thomas Amort. Seine Spezialität sind „Schwarzreiter“: kleine Saiblinge, die höchstens 24 Zentimeter lang werden – eine Spezialität aus dem Königssee. Sie werden auf dünnen Holzspießen über einem Haselnussrost geräuchert und erhalten so ihren unvergleichlichen Geschmack.

Früher diente die um 1700 erbaute Gaststätte St. Bartholomä den Pröpsten und Chorherren von Berchtesgaden als Jagdschloss; heute kehren hungrige Wanderer dort ein. Auch Sandra Bullock hat dort schon ein Schnitzel verspeist. Und wo wir gerade bei Hollywood sind: Kellner Holger ist Richard Gere wie aus dem Gesicht geschnitten.


S C H AT T E N S E I T E D E R I DY L L E

Die Gemeinde Obersalzberg war von 1923 an Feriendomizil von Adolf Hitler und wurde ab 1933 zum „Führersperrgebiet“ und zweiten Regierungssitz des Dritten Reiches ausgebaut. Fast ein Drittel seiner Regierungszeit verbrachte Hitler dort. Danach kamen die Amerikaner: Von 1947 bis 1995 nutzten sie Teile des Obersalzbergs als „Armed Forces Recreation Center“. Sie legten Tennisplätze, Skilifte sowie einen Golfplatz an. Das Atelier Albert Speers diente unter dem Namen „Evergreen Lodge“ als Unterkunft für höhere Offiziere, und das ehemalige Haus des Hitler-Vertrauten Dietrich Eckart wurde zur „Hinterbrand Lodge“.

RODELN WIE HACKL-SCHORSCH

Die 1968 erbaute „Deutsche Post Eisarena Königssee“ war die erste Kunsteisbahn der Welt. Georg („Schorsch“) Hackl lernte dort Rodeln, und Stefan Raab machte hier schon zweimal mit seiner Wok-WM halt. Wer wissen will, wie es sich anfühlt, mit 130 Stundenkilometern durch den 1.200 Meter langen Eiskanal zu jagen: Von Oktober bis März kann man als Co-Pilot im Original-Rennbob mitfahren.

PROMINENTE EINWOHNERIN

Romy Schneider, bekannt für ihre Rolle als österreichische Kaiserin „Sissy“, ist in Schönau am Königssee aufgewachsen. Später verbrachte sie dort oft ihre Auszeiten vom stressigen Filmgeschäft – und ging mit ihrer Mutter Magda oder ihrem Freund Alain Delon ins Kino in Berchtesgaden. Das Kino gibt es heute noch, und in Schönau erinnert seit Mai 2015 die Dauerausstellung „Ein Weltstar kehrt heim“ im Alten Bahnhof an die prominente ehemalige Einwohnerin.

Königssee VERSUNKENER KÄFER

Wegen seiner Größe (5,2 Quadratkilometer) und Tiefe (190 Meter) friert der Königssee im Schnitt nur alle zehn Jahre zu. Im Winter des Jahres 1964 ließ sich ein Einheimischer zu einer übermütigen Aktion verleiten: Er fuhr mit seinem VW Käfer über das Eis – und versank samt Auto. Erst 1997 entdeckte ein U-Boot in 120 Meter Tiefe das Wrack. Dort liegt es heute noch. Weil der Königssee im Nationalpark Berchtesgaden liegt, ist eine Bergung nicht erlaubt.

Schönau am Königssee

*

HALLO ECHO

Zwischen den steilen Felswänden der Berge Jenner und Watzmann liegend, ist der Königssee für sein Echo bekannt. Bis in die 30er wurde bei Touri-Bootsfahrten über den See regelmäßig mit Böllern geschossen, um deren Klang siebenmal von Wand zu Wand zu schicken – bis Sicherheitsexperten vor Brand- und Explosionsgefahr warnten. Heute gibt’s stattdessen eine Fanfare aus einem Flügelhorn und ihren Widerhall zu hören.

SEEFESTE KÜHE

Früher wurden sie über den Königssee gerudert, seit 100 Jahren bringt sie ein Elektromotorboot: Rund 30 Kühe werden jedes Frühjahr auf dem Seeweg zu den saftigen Weideflächen am Ostufer gebracht, gut drei Monate später geht es dann zurück in den Stall. Seekrank ist dabei noch keine Kuh geworden. Ob sie in einen Viehtransporter oder in ein Boot steigen, scheint den Tieren egal zu sein.

T EXT: N A DI N E W EN ZL I CK

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 31


Wald Modelle: Jack Vanderhart, Florian Van Bael, Sacha Legrand, Julian Schneyder Fotograf: Stefan Armbruster, www.schierke.com Assistenten: Benni Werner & Stefan Klitzsch Styling: Nina Petters, Ballsaal; Grooming: Tricia Le Hanne, Kult Artists Illustration: Ingeborg Schindler

32 KULT MAG W IN TE RS P ECI AL

2 015


20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 33


Julian: Pullover, Maerz Hose, Odeur Schuhe, Scarosso Sacha: Pullover, Maerz Anzug, Antony Morato


20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 35


36 KU LT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015


Jack: Pullover, Cos Trenchcoat und Hose, Brachmann Schuhe, Scarosso Florian: Bademantel, Herr von Eden

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 37


Sacha: Pullover, Maerz Hose, Antony Morato Julian: Pullover, Maerz Hose, Brachmann



Jack: Pullover, Massimo Dutti Jackett, Brachmann Hose, Boss


20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 4 1


Julian: Tanktop, Zimmerli by Zigerli Hose, Brachmann Sacha: Tanktop, Zimmerli by Zigerli Hose, Herr von Eden

42 KU LT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015



Florian: Pullover, Man Made by Friendly Hunting Hose, Loewe

44 KU LT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015



Julian: Total Look, Antonio Marras Jack: Hemd, Odeur

46 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015




Sacha: Pullover, Maerz Hose, Antony Morato


Jack: Hemd und Jackett, Brachmann Hose, Herr von Eden Florian: Pullover, Maerz Hose, Odeur

50 KU LT MAG W IN TE RS P ECI AL

2 015



Julian: Pullover, Iris von Arnim Hose, Brachmann Besonderer Dank an: Denkmalverein Freudenstadt e.V. www.denkmalfreunde.de

52 KU LT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015


Leuchten Geister und Stummfilmstars. Der verhallende Klang knallender Champagner­korken. Das Hotel „Waldlust“ ist eine Ruine, durch die der Eiswind des 20. Jahrhunderts weht. Kommen Sie ruhig näher.

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 53


Das Haus steht da wie aus einem Roman gefallen. Die Fassade weiß, die Griffe an der Pforte golden, der Samt der Polstermöbel in der Lobtby dunkelrot. Das Holz der Bar so verkratzt und zerfurcht, ein Zeuge unendlich vieler, unendlich langer Nächte. Hier saßen sie alle: der König von Schweden, der Prince of Wales, der Geiger Fritz Kreisler. Und die Stummfilmstars Douglas Fairbanks und Mary Pickford. Es waren goldene, rauschhafte Zeiten. Das 20. Jahrhundert war noch jung. Auch der Name des Hauses klingt, als hätte ein Schriftsteller ihn erfunden: Schlosshotel „Waldlust“ in Freudenstadt, gelegen am Fuß des Kienbergs im Schwarzwald. Bei gutem Wetter kann man vom Balkon aus die Schwäbische Alb sehen. Aber ins „Waldlust“ kamen die Gäste nicht nur wegen der schönen Aussicht. Es war ein It-Place, bevor es das Wort überhaupt gab. 1902 eröffnete das „Waldlust“ und schloss rund 100 Jahre später. Es wurde vom Nobelhotel zum Kriegslazarett, noch mal zum Hotel und dann: zum Geisterhaus. Doch dazu später. Es gibt ein Foto aus den ersten Jahren, es zeigt den Hotelier Ernst Luz im Hotelrestaurant, zwischen Kellnern und Gästen, mit prachtvollem Schnauzer und verbindlichem Blick. Er war Hausherr der besten Adresse im Schwarzwald, eines Geheimtipps der Weimarer Republik; gelegen auf halbem Weg zwischen Stuttgart und Straßburg – weit genug weg von der großen Welt und trotzdem gut zu erreichen. 140 Zimmer auf vier Etagen, davon 16 Suiten mit Himmelbett, mit fließend Wasser auf allen Etagen – Komfort, den sonst nur noch das

54 KU LT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015

„Adlon“ in Berlin zu bieten hatte. Das „Waldlust“ gehörte zu der Sorte Hotels, in denen man nicht Tage blieb, sondern Wochen, einer besonderen Zeitrechnung folgend: Der Tag begann, wenn der Duft von Bohnenkaffee aus dem Speisesaal durch das Treppenhaus strömte, und er endete, wenn die Kapelle im Tanzsaal die letzten Takte spielte. Nachts knallten die Champagnerkorken, der Festsaal des Hotels war der größte Saal im Schwarzwald. Seinen Architekten hatte Ernst Luz aus Baden-Baden geholt, das Design der Lobby – mit verborgenen Sitzecken und kleinen Lampen an den Säulen – war abgeschaut aus England. Das

Luxus wie

im Berliner Adlon machte Eindruck: Im Gästebuch und auf Ansichtskarten lobten die Gäste das „feine Ameublement“, die Pflanzenarrangements und die „lauschigen Kojen“. Der Boom des Hotels „Waldlust“ währte bis in die späten 30er-Jahre. Dann kam der Krieg und die Gäste gingen, das Haus überlebte unverletzt. In den Nachkriegsjahren diente es als Lazarett; in den Betten und auf den Gängen lagen verletzte Soldaten; ein Nobelhotel brauchte in Freudenstadt jetzt keiner mehr.


Erst mit dem Wirtschaftswunder kam ein Hauch des alten Glanzes zurück, die goldenen Zeiten gingen weiter, doch das Exzessive und Rauschhafte der 20er wich

Kellner hörten nachts

ein Baby schreien

der Biederkeit der 50er. Die Gäste kamen jetzt wegen der guten Luft und des guten Wassers. Und wurden beäugt von den Gemälden an der Wand, die wieder dort hingen, wo man sie im Krieg abgehängt hatte. Eines der Gemälde zeigte die einstige Hausherrin, die alle nur „Adi“ nannten, ein anderes einen Geistlichen mit dem Spitznamen „der Bischof“. Schon bald behaupteten Gäste, die Gesichter auf den Bildern änderten von Tag zu Tag ihre Miene und verfolgten die Beobachter mit den Augen. Köche und Kellner hörten nachts ein Baby schreien, auch dann, wenn gerade keine Familie mit Kleinkind zu Gast war. In der Bar fielen Gläser aus dem Regal, Lampen brannten, obwohl niemand sie angeknipst hatte, im Keller waren fest verschlossene Bierflaschen nur noch halb voll. Für die Einheimischen war der Fall klar: Im „Waldlust“ spukt es. Ein Ehepaar reiste plötzlich ab, als die Frau sich nach dem

Baden von hinten umarmt fühlte, während ihr Mann nebenan auf dem Bett döste. Nachdem die letzten Gäste gegangen waren, kamen die Forscher. Wissenschaftler des Freiburger Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene durchleuchteten das Haus drei Monate lang und führten Interviews mit ehemaligen Gästen und Bediensteten. Ihr Gutachten: Ein Teil der Beobachtungen lasse sich mit der morschen Haustechnik erklären. Aber nicht alle. Seit zehn Jahren ist das „Waldlust“ verlassen. Das Flair der goldenen Jahre hat sich gut erhalten, die Lampen an den Säulen funktionieren noch, die Jugendstiltreppe neben dem Fahrstuhl hat auch nach einem Jahrhundert noch Kraft genug, Gäste mit Gepäck für ein paar Wochen zu tragen. Nur die Temperatur passt nicht ins Bild. Es ist kalt im alten Grandhotel; wenn auf den Fichten neben der Auffahrtsstraße Schnee liegt, kann man in der Lobby den eigenen Atem sehen. Und es ist still – man hört durch die undichten Fenster die Elstern scharren. Die Möbel, die hier stehen, haben viel erlebt, aber es ist niemand da, der von früher erzählen kann: von Königen, Stummfilmstars, Geistern. Aber so sind gute Hotels: Sie können schweigen.

VON: FLORIAN Z INNEC KE R

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 55


Menschen Tieren Modelle: Craig Le Roux, Calle Strand, Carlo Nestler, Jannik Knopp Fotograf: Sandro B채bler, www.sandrobaebler.com Assistentin: Anja M체ller Styling: Patrick H채usermann, Styling-Assistenz: Nico Vetsch; Grooming: Hauke Krause using Less is More, Kult Artists; Grooming-Assistenz: Annina Steinseifer, Style Agent

56 KULT MAG W IN TE RS P ECI AL

2 015


Craig: Jacke, Dries van Noten Pullover, NN07 Hose, Dsquared2

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 57


Craig: Veston, L.M.B 1911 Hemd & Pullover, AP Avant Premiere Hosen, Maddison Calle: Veston, Gabriele Pasini Pullover & Hosen, Maddison Hemd, AP Avant Premiere Hosen, Maddison Jannik: Mantel, Hevo Pullover, Adrian Reber Hemd, AP Avant Premiere Hosen, Maddison Alle Schuhe, Navyboot


20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 59


60 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015


Calle: Veston, Gabriele Pasini Pullover, Maddison Hemd, AP Avant Premiere Tuch, Stylists own

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 6 1


Craig: Mantel, Rad Hourani Shirt, Nico Vetsch


20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 6 3


Craig: Veston, L.M.B 1911 Hemd & Pullover, AP Avant Premiere

64 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015





Jannik: Wollmantel, Hevo Pullover, Adrian Reber Calle: Veston, Gabriele Pasini Pullover, Maddison Hemd, AP Avant Premiere Tuch, Stylists own

68 KU LT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015




Jannik: Mantel, Marc O'Polo Veste & Pullover, Universal Works Hose, Selected Homme Schuhe, Navyboot Craig: Mantel, Harris Wharf 20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 7 1


Carlo: Jacke, Brown's Beach Pullover, Universal Works

72 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015



Calle: Mantel, Nico Vetsch Pullover, A.P.C. Apartment Hose, Suitsupply



Carlo: Hemd, Neil Barrett Hose, AMI by Alexandre Mattiussi Brille, Manifesto Schuhe, Romain Sochon Craig: Veston & Regenjacke, Folk Hemd, A Kind of Guise Calle: Bomberjacke, A.P.C. Pullover, Stephan Schneider Hose, Officine GĂŠnĂŠrale Boots, Navyboot Jannik: Pullover, Roberto Collina Hemd, Wooyoungmi Hose, Dsquared2

Besonderen Dank an: Apartment, Fidelio, Grieder, Manor, On y Va, Opia, Qwstion, Roma


Winter Craig Le Roux wuchs auf einer s체dafrikanischen Farm zwischen Orangenb채umen, Affen und Papageien auf. In einem endlosen Sommer. Jetzt lebt er in Hamburg. Und das erste Mal in seinem Leben: f채llt Schnee.

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 7 7


Kult Mag: Sie wurden auf einer südafrikanischen Farm geboren. Wie startet man von dort aus eine Modelkarriere? Craig Le Roux: Tatsächlich hätte ich gern auf der Farm meiner Eltern gearbeitet. Früher hatten wir sogar drei Farmen, doch dann kamen mehrere schwere Dürren, die die Ernten vernichteten. Mein Vater sagte, dass er mich nicht weiter bezahlen könne. Da musste ich mir einen anderen Job zum Leben suchen – und habe ein paar Jahre als Finanzanalytiker gearbeitet. Der Job hat mich fast umgebracht, ich bin überhaupt kein Bürotyp. Deshalb fiel es mir nicht schwer, etwas Neues auszuprobieren, nachdem eine Modelagentur mich angesprochen hatte. Was sagten Ihre Eltern dazu? Für meinen Dad war es ein Schock. In ländlichen Gegenden haben die Leute viele Vorurteile gegenüber meiner Branche. Aber mit dem Geld, das ich jetzt verdiene, kann ich auch meine Familie unterstützen. Das hat buchstäblich unsere Farm gerettet. Neulich sagte mein Vater zu mir: „Ich bin stolz auf dich.“ Sie sind für das Kult Mag mit Pferden und einem lebenden Falken fotografiert worden. Hat es Ihnen geholfen, dass Sie mit Tieren groß geworden sind? Ja, zumal eines der Pferde beim Shooting sehr nervös war und ich ihm lange gut zureden musste. Wir hatten immer Pferde zu Hause – es sind majestätische Tiere. Ich reite, seit ich neun bin. Das klingt nach einer Kindheit wie aus einem Film. Das stimmt. Meine Familie hat vor allem Orangen, Granatäpfel und Kartoffeln angebaut. Ich besaß einen Affen und einen

78 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015

Papageien – und mein Vater hat meinen Brüdern und mir beigebracht, zu jagen. Da war ich zehn. Ich habe einen Buschbock geschossen, das ist eine Antilopenart. Sehr gutes Fleisch. Ich will aber nicht den Eindruck erwecken, ein großer Outdoor-Experte zu sein. Wenn ich Feuer ohne Streichhölzer machen müsste, brauchte ich eine Youtube-Anleitung. Sind Sie mit Ihrem Leben zufrieden, auch wenn Sie jetzt kein Farmer sind?

Schießen, seit ich

zehn bin

Ja, das Modeln macht viel Spaß. Ich lerne eine Menge interessanter Leute kennen, reise nach Asien, Sansibar, London, Paris. Man muss aufpassen, dass man bescheiden bleibt. Es macht etwas mit dir, wenn du ständig im Mittelpunkt stehst und alle sagen, wie toll du aussiehst. Auch Geld verändert dich, das finde ich gefährlich. Deshalb fahre ich regelmäßig zurück nach Hause, nach Jeffreys Bay. Das hilft, runterzukommen. Das hier ist Ihr erster Winter in Europa – beeindruckt? Als es gestern in Hamburg anfing, zu schneien, war das der erste Schnee meines Lebens. Sie hätten mich sehen sollen,


Zur Person: Craig Le Roux, 28, wuchs mit seinen Eltern und zwei Brüdern auf einer Farm

Ein Segen, so

aufzuwachsen

in Jeffreys Bay am südlichen Zipfel Südafrikas auf. Nach einer Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer arbeitete er zwei Jahre als Finanzanalytiker, bevor ein Fotograf einer Lokalzeitung ihn 2011 fragte, ob er bei einem Modelwettbewerb mitmachen wolle – und den gewann Le Roux. Seit 2013 ist er bei Kult und arbeitet unter anderem für Boss, Tom Tailor und Calvin Klein. Craig Le Roux lebt in Hamburg.

als diese dicken Flocken vom Himmel segelten und nach 20 Minuten alles weiß war. Ich sagte zu den Fotografen: „Lasst uns die Fotos draußen machen!“ Das ging leider nicht, aber als ich freihatte, habe ich mit einem Kumpel einen Schneemann gebaut und mir mit ihm eine Schneeballschlacht geliefert, bis ich vor Kälte meine Zehen kaum noch gespürt habe. Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an die Winter in Südafrika denken? Unser Winter ist ja im Juni und Juli, wenn die Orangenernte beginnt. Insofern spielt eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen im Winter: Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinen Brüdern in den Bäumen gesessen habe, jeder hat Orangen geschält, oder wir haben uns auch mit den Dingern beworfen – bis unser Dad rauskam und uns verjagte. Es war ein Segen, so aufwachsen zu dürfen. Seit ich in Deutschland lebe, schickt mein Vater mir jeden Freitag ein Video von der Farm – wie sie die Kartoffeln ernten oder in der Baumschule arbeiten. Das ist der beste Moment meiner Woche.

I NTE RVIE W: S ILVIA TYBURS KI

20 1 5 K ULT MAG WI N TERSP ECI AL 79


IMPRESSUM V. i. S. d. P.: Marco Cordes, Kult Model Agency, Hopfensack 19, 20457 Hamburg, www.kultmodelagency.com Fotografie: Stefan Armbruster, Sandro Bäbler, Gregor Hohenberg Making Of: Liam Back Projektmanagement: Kult Model Agency Konzept und Gestaltung: Christian Tönsmann, www.est-agentur.de Redaktion: York Pijahn Autoren: Silvia Tyburski, Nadine Wenzlick, Florian Zinnecker Grafik/Illustration: Frizzi Kurkhaus Illustrationen Hotel Waldlust: Ingeborg Schindler Druckvorstufe: Alphabeta; Druck und Verarbeitung: Wehmeyer + Heinrich GmbH

80 KULT MAG WI N TER S P EC IA L

2 015



kultmodelagency.com


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.