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Lehrveranstaltungen Texte Projekte DiplomandInnen B | Bildhauerei DR/ID | Design und Raum & Interdisziplin채re Klasse CA | Comic und Animation GD | Grafik Design G | Graphik | Keramik und Produktgestaltung MP | Malerei und prozessorientierte Kunstformen
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Vorwortgedanken Im Juni 2010 wurde ich von einer Journalistin der Presse interviewt, die mit mir die immer noch aktuellen Probleme der kunstschule.at erörterte. In der Überschrift des Artikels war zu lesen: „Die Wiener Kunstschule kämpft an mehreren Fronten: um Anerkennung, um Subventionen, aber vor allem um Platz.“ Als mitten im Studienjahr die Werkstättenräume der alten Expositur gekündigt wurden, ergab sich ein dramatisches Raumproblem. Erst mit Sommerende und mit Studienjahresbeginn konnten wir geeignete Unterrichtsräume in der Nobilegasse anmieten, wodurch zumindest dieses Problem gelöst werden konnte. Allerdings ist aufgrund der zeitlich begrenzten Nutzung für ein Jahr dieses Problem auch zukünftig nicht vom Tisch. Im kommenden Jahr wird der gesamte Studienplan der kunstschule.at neu eingereicht werden. Das bedeutet, dass auch neue Studienrichtungen wie Comic und Animation oder Design und Raum einen Lehrplan bekommen. Daneben soll auch der curriculare Anspruch dem Wunsch der Akademisierung der kunstschule.at gerecht werden. Beide genannten Punkte, die Raumsituation oder Verortung der kunstschule.at und die öffentliche Anerkennung der Institution stehen unmittelbar in Bezug auf die Finanzierbarkeit. Derzeit ist die Stadt Wien der Subventionsgeber. Sofern es zu einer Besserstellung der kunstschule.at in den angeführten Punkten kommen soll, ist klar, dass auch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und kulturelle Angelegenheiten als Ansprechpartner zur Verfügung stehen müsste. Meine persönliche Schlussfolgerung daraus lautet: Der Schulerhalter der kunstschule.at erkennt diesen Handlungsbedarf, unterstützt die beteiligten und handelnden Lehrbeauftragten bei der Umsetzung und positioniert die kunstschule.at in der Ausbildungslandschaft dieser Stadt. Gerhard Hermanky | Wien, im Dezember 2010
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Anstelle eines Vorwortes Im Jahre 2010 ist viel geschehen – und der Schrecken nimmt kein Ende. Zwar haben wir, die kunstschule.at, nicht nur unsere Pflicht erfüllt, sondern auch unsere Leistungen gesteigert, obwohl wir nicht mehr finanzielle Mittel, nicht mehr öffentliche Aufmerksamkeit, nicht mehr Unabhängigkeit und nicht mehr Raum bekommen haben. Wir leben in Österreich und hier sind Leistungssteigerungen, Selbstkritik und eine Erhöhung der Qualität und des Bildungsniveaus nicht erwünscht! Wir werden in unserer Existenz bedroht und uns wird jeder Stein, der nur groß genug ist, in den Weg gelegt. Die Verantwortlichen denken gar nicht daran, uns für unsere gute Arbeit wenigstens friedlich existieren zu lassen, geschweige denn wird unsere Leistung als solche registriert. Im April haben wir unsere Expositur verloren, wir mussten unter prekären räumlichen Gegebenheiten alle in der Lazarettgasse arbeiten, ohne dass für die Studierenden Nachteile entstehen, – bei schönem Wetter fand der Unterricht teilweise auf der Straße statt! Nach langem Hin und Her und zähen Verhandlungen mit dem Vorstandspräsidenten wurde mit Beginn des neuen Schuljahres ein Ersatz geschaffen: die Nobilegasse. Unsere Träume vom Fliegen, von der guten Atmosphäre und dem kreativen Neubeginn waren allerdings von kurzer Dauer: mit den ersten Spänen wurde uns das Hobeln verboten. Es handelt sich wohl um einen Wink mit dem Zaunpfahl: Wir sollten das tun, was in Öster-
reich die beliebteste Tätigkeit ist (Politiker machen es vor und alle, die sich beliebt machen oder beliebt sein wollen, machen es nach), nämlich nichts! Daher steht hier anstelle eines Vorwortes eine Satire des Studierenden der Werkstätte Malerei und prozessorientierte Kunstformen Dr. Manfred Lipska. Herzlichen Dank für die Erstabdrucksgenehmigung. Dr. Daniela Schmeiser | Öffentlichkeitsarbeit
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Kein Kaffee für den Präsidenten eine Satire von Dr. Manfred Lipska
Eine leere Bürohalle, ein älterer Mann in Purpur kommt durch den Eingang. Werkstattfaktotum 1: Werkstattfaktotum 2: Präsident:
Gegrüßet seist Du, Großer Weiser. Du Sirius der abendländischen Kultur. Mehr Respekt, wenn ich Sie bitten darf!
P. entdeckt eine kleine Verfärbung an den kilometerlangen weißen Wänden. Präsident (brüllt erregt): Was müssen Wir sehen? Werkstattfaktotum 1: Da … da … das ist tierischen Ursprungs. Präsident: Egal, Wir mahnen Ihnen ab. In Unserem Panoptikum dulden Wir keinerlei Abweichungen vom Weißheitsgebot, nicht die geringsten. P. schreitet schnüffelnd entlang der Mauern. Präsident: Werkstattfaktotum 2: Werkstattfaktotum 1:
Außerdem müssen hier MENSCHEN gewesen sein, Wir lassen uns nicht täuschen. Das wird Folgen haben, dramatische, grausame Folgen. … aber ein Panoptikum ohne Menschen ist irgendwie … unmenschlich. Es waren … weiße Menschen.
P. erspäht eine Kaffeemaschine. Präsident (tobt): Werkstattfaktotum 1: Werkstattfaktotum 2: VORHANG
SCHWARZER KAFFEE!!!!! Nur zu Studienzwecken. Die Milch ist im Eiskasten.
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Über Raum
oder: Die räumliche Verfassung der kunstschule.at Aufgrund der langjährigen Raumproblematik der kunstschule.at richtet sich der Fokus auf das Thema „Freiräume“ und „Leerstellen“. Die allgemeine Unzufriedenheit, bedingt durch die räumliche Situation, lässt die Sehnsucht nach mehr Freiraum stärker werden. Doch was genau begründet diese Sehnsucht nach mehr Raum? Dieser Text versteht sich als Annäherung an das Thema und dessen Vielschichtigkeit. Der Begriff des Freiraums ist kein klar definierter Terminus. Er beschreibt nicht nur eine/n räumliche/n Gegebenheit/Umstand (wie es in der Architektur der Fall ist), sondern wird im modernen Sprachgebrauch auf mehrere Ebenen umgelegt. Häufig begegnen wir ihm in Metaphern, als Synonym für Bewegungsraum bzw. Spielraum, für die Möglichkeit zur Entfaltung eigener Kräfte und Ideen. Grundsätzlich impliziert „Freiraum“ im konkreten Zusammenhang mit „Leerstelle“, dass es einen Raum geben muss, der nicht frei ist; ein besetzter Raum, der eine bestimmte Funktion erfüllt. Diese Räume sind meist – im Gegensatz zu Freiräumen – klar definiert und fixiert. Freiraum existiert demnach neben oder eher zwischen „besetzten“ Räumen. Ein entscheidendes Merkmal, das die beiden Begriffe voneinander unterscheidet, ist der Status ihrer Verfügbarkeit. „Leerstelle“ suggeriert eine örtliche Bestimmtheit und ein Nicht-Vorhandensein von etwas. Diesbezüglich heißt es auch bei Brockhaus: Leerstelle ist u. a.
eine zu besetzende Position. Währenddessen ist „Freiraum“ nicht unmittelbar lokalisierbar und weist nicht auf ein Fehlen hin, sondern vielmehr auf seine Autonomie. Das Pendant zu Freiraum bildet nun der „besetzte“ Raum. Während man dem Freiraum Eigenschaften zuschreibt wie flexibel, beweglich, offen, werden mit dem besetzten Raum Begriffe wie starr, begrenzt und unbeweglich in Verbindung gebracht. Die positive Besetzung des Freiraums – im Sinne seiner Zwanglosigkeit, die ihm zugrunde liegt – ist unbestritten, aus diesem Grund möchte ich gerne einen Perspektivenwechsel vorschlagen, der den Fokus auf den besetzten Raum und seine Qualitäten richtet. Nicht nur der Freiraum bietet Handlungsraum für Interaktion, auch im Rahmen der besetzten Räume eröffnen sich Möglichkeiten, die das menschliche Handeln in verschiedenen Formen gestalten. Zuvor noch eine Überlegung von Otto Friedrich Bollnow, Philosoph und Pädagoge. Dieser beschäftigt sich mit „der räumlichen Verfassung des menschlichen Daseins“1. Bollnow beschreibt darin verschiedene Aspekte des erlebten Raums, ausgehend davon, dass der Raum kein nur mathematischer/euklidischer Raum ist, sondern über die Wahrnehmung des Menschen definiert wird. In diesem Zusammenhang liefert das Grimmsche Wörterbuch einen sprachgeschichtlichen Verweis; „räumen: einen Raum, d. h. eine Lichtung im Walde schaffen, behufs Urbarmachung oder Ansiedlung …“ Raum ist in diesem Sinne nicht an sich schon
9 vorhanden, sondern wird erst durch eine menschliche Tätigkeit gewonnen. Die vorhin erwähnten Aspekte des Raums beziehen sich auf Umweltbedingungen, aber auch auf die Beziehungen des menschlichen Zusammenlebens, die sich typologisch niederschlagen und somit einen starken Einfluss auf das menschliche Verhalten ausüben. Einer dieser Aspekte ist der hodologische Raum (abgeleitet von hodos = griech. Weg / Pfad), der sich im Gegensatz zum rein geometrischen Raum nicht nur aus der mathematischen Distanz zweier Punkte ( A und B) ergibt, sondern sich auch aus faktisch-topologischen, physischen, sozialen und psychologischen Bedingungen erschließt. So neigen wir auch dazu, Umwege auf uns zu nehmen, um z. B. bestimmten Menschen oder auch Orten, die negativ behaftet sind, nicht zu begegnen. Einen weiteren entscheidenden Einfluss nimmt die architektonische Beschaffenheit des Raums auf das menschliche Gefühlsleben einer Person. Je nach Raumcharakter kann diese Stimmungen fördern oder sogar auslösen. Dabei handelt es sich um eine wechselwirkende Beziehung, denn auch der seelische Zustand der jeweiligen Person ist ausschlaggebend, wie ein Raum wahrgenommen wird. Weiters misst Bollnow dem Haus als Mitte der Welt eine bedeutende Rolle zu. Das Haus versteht sich als fester Bezugspunkt, zu dem der Mensch immer wieder zurückkehren kann und ihm somit auch Halt gibt. Wie der Mensch in seinem Haus lebt, wird als wohnen bezeichnet und nach Bollnow zur existenziellen Aufgabe des Menschen – die Erfüllung seines Wesens. Der Philosoph geht noch weiter und spricht vom Haus als erweitertem Leib, mit dem sich der Mensch in ähnlicher Weise identifiziert wie mit seinem wirklichen Körper. Unter diesem Gesichtspunkt bekommt auch das Gestalten des „Eigen-
raums“ eine neue Bedeutung. So wie wir uns kleiden, um unsere Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen, so ist die Gestaltung des Raumes, in dem wir leben, arbeiten und wohnen von ähnlicher Wichtigkeit. Ebenso wird auch das unbefugte Eindringen in den Wohnraum (der Ort der Intimität) oft auch als persönlicher Angriff empfunden. Das soziale Verhalten ist immer auch ein räumliches. Einen ähnlichen Gedankengang verfolgt auch Georg Simmel, Soziologe im frühen 20. Jahrhundert. Er geht davon aus, dass die Grenze keine räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkungen, sondern eine soziologische Tatsache ist, die sich räumlich formt: „ […] immer fassen wir den Raum, den eine gesellschaftliche Gruppe in irgendeinem Sinne erfüllt, als eine Einheit auf, die die Einheit jener Gruppe ebenso ausdrückt und trägt, wie sie von ihr getragen wird. Der Rahmen, die in sich zurücklaufende Grenze eines Gebildes, hat für die soziale Gruppe sehr ähnliche Bedeutung wie für ein Kunstwerk. An diesem übt er die beiden Funktionen, die eigentlich nur die zwei Seiten einer einzigen sind: das Kunstwerk gegen die umgebende Welt ab- und in sich zusammenzuschließen; der Rahmen verkündet, dass sich darin eine nur den eigenen Normen untertänige Welt befindet, die in die Bestimmtheiten und Bewegungen der umgebenden Welt nicht hineingezogen ist; indem er die selbstgenügsame Einheit des Kunstwerks symbolisiert, verstärkt er zugleich von sich aus deren Wirklichkeit und Eindruck. So ist eine Gesellschaft dadurch, dass ihr Existenzraum von scharf bewussten Grenzen eingefasst ist, als eine auch innerlich zusammengehörige charakterisiert und umgekehrt: Die wechselwirkende Einheit, die funktionelle Beziehung jedes Elementes zu jedem gewinnt ihren räumlichen Aus-
10 Die räumliche Positionierung einer sozialen Gruppe bietet derselben durch die Abgrenzung nach Außen Stabilität und Klarheit. Eine Investition in Grenzen ist gleichzeitig eine Investition in Sicherheit. Eine weitere Qualität, die Simmel dem Raum zuschreibt, ist die Fixierung seiner Inhalte. Diese Komponente der sozialen Gestaltung ermöglicht unter anderem, die Gruppierung wirtschaftlicher Wechselwirkungen um diesen fixierten Drehpunkt. Die örtliche Verwurzelung unterstützt die Knüpfung weiterer Beziehungen und stärkt das Bewusstsein der Dazugehörigkeit der einzelnen Mitglieder. Die räumliche Fixierung kommt einer Individualisierung des Ortes gleich. Simmel und Bollnow beschreiben Raum als soziologisches Phänomen, dessen Wesen erst in der Wechselbeziehung – vielmehr noch in der Einheit mit dem Menschen seine Bestimmung findet. „Freiraum“ ist in diesem Zusammenhang der Raum, der nicht durch eine menschliche Tätigkeit in Anspruch genommen bzw. „besetzt“ wird. Dieser ist als neutraler Boden zwischen den Grenzen der „besetzten“ Räume von entscheidender Wichtigkeit für das menschliche Zusammenleben. Er gewährleistet eine Art Pufferzone, eine Möglichkeit, um auszuweichen. „Weil aber Menschen in der Enge des Zusammenlebens sich den vorhandenen Lebensraum teilen müssen, entsteht zwischen ihnen das Verhältnis der Rivalität … Der eine kann nur Raum gewinnen, in dem er diesen dem anderen wegnimmt.“1 Wenn es also keine klaren Grenzen zwischen zwei Interessensgemeinschaften und somit auch keinen Freiraum gibt, kommt es vermehrt zu Konflikten. Weder der Eine, noch der Andere kann den Raum für sich ganz einnehmen, da dies nur durch die Einschränkung des Anderen gesche-
hen kann. Somit wird auch der Prozess der Identifizierung mit dem Raum erschwert, da die Gestaltung nach den eigenen Bedürfnissen nicht erfolgen kann. Ebenso ist es mit der „Fixierung“ der Inhalte, die durch die räumliche Überlagerung schwer auseinander zu halten sind und im weiteren Verlauf den Aufbau von Netzwerken verkomplizieren. Die „räumliche Verfassung“ (wie es schon Bollnow sagte) ist für den Menschen, so wie für eine Gruppe, ein existenzielles Thema, das sich in vielerlei Hinsicht im sozialen Handlungsraum widerspiegelt. Die Sehnsucht nach mehr Raum ist daher keine Sehnsucht nach Raum, der sich im geometrischen Sinne anhand von Quadratmetern messen lässt. Es ist die Sehnsucht nach Eigenraum. Rosemarie Benthen | Diplomandin 2010
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Otto Friedrich Bollnow (1963): Mensch und Raum,
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exHIBitION 2010
Diplomausstellung der kunstschule.at Agnes Peschta
Diplom – Ausstellung – präsentieren – zur Schau stellen – exhibitionieren Die öffentliche Diplomprüfung und -ausstellung stellt für alle DiplomandInnen eine Zurschaustellung der eigenen Arbeit, der Herangehensweise und der künstlerischen Identität dar. Diese Situation wird durch die Ausstellungsorte verstärkt. Abhängig von der Auswahl, die von den Studierenden getroffen wird, ist die Situation intensiver oder ruhiger. Im Studienjahr 2009/10 wurde ein Großteil der Abschlussarbeiten in einem hoch frequentierten Raum in einem U-Bahnstationsausgang gezeigt. Derartig öffentliche Orte und Räume provozieren oft Situationen des Sich-Zur-Schau-Stellens, gewollt oder ungewollt, mehr oder weniger entblößend. Diese Exhibitionierung im Alltag steht im Gegensatz zur einmaligen Prüfungs- und Ausstellungssituation und auch neben jener. In der Ausstellung liegt der Fokus auf den Kunstwerken, die DiplomandInnen geben ihre Arbeiten bewusst preis, bereiten sich monatelang darauf vor und haben ein klares Ziel: den Abschluss der kunstschule.at, den exit. Für BesucherInnen kann die Ausstellung der exit einen funktionellen, unruhigen Raum darstellen. Die Gestaltung der Ausstellungssituation ist den DiplomandInnen überlassen, so fanden parallel unterschiedlichste Präsentationen in Wien statt. Der Inhalt von künstlerischen Arbeiten fordert mitunter spezielle Präsentationen vor einer spezifischen Öffentlichkeit, 2009/10 zum Beispiel in den Ringstraßengalerien oder auf der Donauinsel. Die Ergebnisse waren in ihrer Vielfalt erstaunlich.
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Drucksorten Exit 2010 Studierende der Werkstätte Grafik Design gestalteten die Drucksorten für die diesjährige Diplomausstellung. Logo: Mirjam Schweigkofler Plakat und Flyer: Raphael Holczek Ausstellungskatalog: Nicole Fürst Mirjam Schweigkofler, Lukas Gülcher Graffiti: Jeremias Altmann Werkstätte Graphik
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Die Diplompreisverleihung 2010 Wie schon im letzten Jahr versammelte sich eine Jury, bestehend aus Präsident Mag. Rudolf-Michael Maier, Direktor Gerhard Hermanky, dem ehemaligen Direktor Mag. Günter Povaly, Dr. Daniela Schmeiser (Öffentlichkeitsarbeit), Matthias Moser und Jeremias Altmann (Studierendenvertretung), um aus einem Kreis von Einreichungen eine Diplomarbeit mit dem Diplompreis auszuzeichnen. Die primäre Frage, die sich bei der Bewertung und Auszeichnung künstlerischer Entäußerungen stellt, ist die nach dem Kriterium, nach welchem beurteilt werden soll. Im Falle des Diplompreises musste sich die Jury mit dieser Frage mehrfach auseinandersetzen, da die Abschlussarbeiten nicht tatsächlich, sondern mit Dokumentationsmitteln verschiedener Art präsentiert wurden. Die Schwierigkeit der Dokumentation von künstlerischen Arbeiten ist unterschiedlich. Fest steht jedoch, dass sie heute einen unerlässlichen Beitrag zum Gesamtwerk darstellt. Im Zeitalter digitaler Vernetzung besteht ein überbordendes Angebot an Informationsmaterial. Nur durch herausragende Qualität in Aus- und Eindruck, gewonnen durch die notwendige Reflexion, lässt sich dies überwinden. Die Prämie von € 500,– soll vor allem motivieren, sich intensiv mit der Aufbereitung und Präsentation des eigenen Schaffens zu befassen, um den Anforderungen an das Berufsbild KünstlerIn gerecht werden zu können. Die Arbeit und deren Dokumentation von Rosemarie
Benthen gewann den Diplompreis 2010. Inhaltlich behandelte sie aktuell herrschende Probleme an der kunstschule.at, welche sich jedoch mit Leichtigkeit auf die Kunstproduktion im Allgemeinen übertragen lassen. Wie viel Raum darf Kunst in Anspruch nehmen und wie viel davon wird ihr tatsächlich zugesprochen? Ihre kritische Auseinandersetzung erfolgte mit viel Feingefühl und auf mehreren parallelen Ebenen. Jede Projektstufe kann als logische Fortsetzung gelesen und verstanden werden, verbunden durch einen visuellen Leitfaden individueller Ästhetik. Kurz: eine wunderbare Leistung. Als Mitglied der diesjährigen Jury will ich meine Begeisterung für die institutionalisierte Unterstützung unserer jungen AbsolventInnen hervorheben. Unter den uns bekannten Umständen, bedingt durch Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft und Markt ist es wichtig, kreative Fähigkeiten zu fördern. Die jahrelange Begleitung durch die Werkstätten-Leitung, die zur Verfügung stehende Infrastruktur der Schule und die weitreichende Freiheit in der Gestaltung der eigenen Ausbildung sind letztlich nur Werkzeuge, derer sich die KunstschülerInnen bedienen können, um zu ihren jeweiligen künstlerischen Positionen zu finden. Diese können seit dem letzten Jahr im Rahmen der Diplomarbeit präsentiert, argumentiert und – ordentlich dokumentiert – belohnt werden. Ich bin dafür.
Jeremias Altmann | Studierender G
Video: Kunstschule braucht Raum, Termin mit Christian Oxonitsch, Stadtrat f端r Bildung; Kamera und Schnitt: Stefan Polster
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Rosemarie Benthen
Keramik und Produktgestaltung Kunstschule braucht Raum eine Intervention
„… die Freiheit … einen Gedanken fallen lassen und ihn erst am nächsten Tag aufheben zu können …“ Andrea Hubin
Seit der Gründung ist der räumliche Zustand der kunstschule.at nur ein provisorischer. Die gemeinsame Nutzung des Schulgebäudes mit der KVH führt oft zu Verwechslungen oder gar zu Vermischungen der beiden Institutionen, die in weiterer Folge die Identitätsbildung der kunstschule.at stark beeinträchtigen. Obwohl eine räumliche Veränderung seitens der Studierenden und Lehrenden erwünscht ist, scheint dieses Anliegen nicht über Vorstandssitzungen hinaus zu gehen. Um das Anliegen in eine Form zu bringen, die der Gewichtigkeit der Botschaft gerecht wird, bedarf es eines Mediums, das seine Beständigkeit über Jahrtausende unter Beweis gestellt hat. Die keramische Arbeit richtet sich an politische Entscheidungsträger, die letztverantwortlich sind für die Frage, ob und wie hoch die Subventionen der kunstschule.at ausfallen.
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Max Cruder / Kerstin Halm Design und Raum / Grafik Design maxcrude Webshop www.maxcrude.com
maxcrude ist ein Online-Portal für Graffiti. Sprayer aller Länder können Fotos ihrer Graffiti virtuell ausstellen. Fans können ihr Lieblingsmotiv auswählen und ein T-Shirt damit bedrucken lassen. Gezeigt werden ausschließlich Graffiti aus dem öffentlichen Raum. maxcrude macht Graffiti mobil.
Laura Jäggle
Design und Raum Liniert SS10 Rauminstallation jaela@gmx.net
Präsentation der Spring Summer Collection 2010 des Modelabels LINIERT in den Wiener Ringstraßen Galerien vom 23. 4. bis 21. 5. 2010
Idee verdichtet. So wie Stoff verwebter, verdichteter Faden ist, so verdichten sich in den immer neuen Kreationen von ModedesignerInnen ihre kreativen Energien, Ideen greifen ineinander, überlagern und formen sich zu Konzepten, Skizzen, Kleidungsstücken – zu Objekten mit unterschiedlichsten und vielfältigen Schichten und Ebenen. Diese Verdichtung von Kreativität wird in der Präsentation des Modestudios LINIERT aufgegriffen. Durch Überlagerung und Verdichtung werden Kleidungsstücke aus der Kollektion SS10 zu einem verdichteten, vielschichtigen Objekt und verweisen so auf die Einzigartigkeit jedes einzelnen Stückes und die grundlegende Essenz jedes Entwurfes.
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Viktoria Kühn Grafik Design Foucher Kurzfilm, digital, 20 Min.
… eine poetische Reise ins Unterbewusstsein N. Fouchers Lebensgeschichte führt auf märchenhaft-abgründigem Wege in die Räume des Unterbewusstseins. Die Konfrontation mit den Schatten der Seele und den Konventionen der Realität ist eine düstere, aber auch befreiende Erfahrung. Die verstörte Suche nach der eigenen Wahrheit, der ureigenen Natur, findet auf einer weiteren Ebene Ausdruck: im Joik-Gesang. Regie und Idee: Viki Kühn; Produktionsassistent: Kristof Kepler; Kamera: Benjamin Fercher; Schnitt: Viki Kühn; Musik: Julia Noa Fischer, Viki Kühn, David Sporrer, Christopher Tupy; Darstellerin: Nicole Foucher
Regina L辰ngle Bildhauerei Einstellung Bemalen, fotografieren, filmen regina_laengle@hotmail.com, www.flickr.com/photos/regina_laengle
Wie gut kennen wir unser Gegen端ber wirklich? Wie fragmentarisch ist unser Wissen 端ber den Anderen und uns selbst? Wie viel unseres vermuteten Wissens ist ein Zusammenreimen der Einzelteile, die f端r uns ein Gesamtbild ergeben?
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Lila Lee
Design und Raum Kommunikation mit dem Raum Rauminstallation run1820@hotmail.com
In der Stadt werden wir Menschen durch die Dinge, die wir gestaltet haben, beeinflusst. Die Wahrnehmung unserer Umgebung wird durch Abgrenzung eingeschränkt, zum Beispiel durch die Fenster, die Innen und Außen verbinden, oder die Wege zwischen den Gebäuden. Durch diese Abgrenzung werden Ansichten kommuniziert. Aktive Bewegung im Inneren beeinflusst den Raum im Äußeren passiv, diese Aktion wirkt auch umgekehrt. Der Raum, in dem wir leben, bekommt, beeinflusst durch den Menschen, vom Menschen seine Gestalt. Durch diesen Raum reagieren wir. Und durch unsere Reaktion wirkt der Raum zurück. Dieser Bezug zwischen dem Raum und dem Menschen ist mit der Rauminstallation künstlerisch ausgedrückt.
Guanwei Liu Grafik Design Die Erinnerung Glasbläserei, Ei-Gravierung
Glaskuppeln mit darin aufgehängten Eiern werden kreisförmig aufgestellt. Jedes Ei zeigt ein Porträt eines Lehrbeauftragten oder Studierenden, welches in die Eierschale geritzt und gezeichnet wurde und den betroffenen Personen geschenkt werden soll. In Süd-Korea wird die Glocke angeschlagen, wenn ein neuer Abschnitt beginnt und so auf den kulturellen Aspekt hingewiesen. Die Glaskuppeln wurden in Tschechien anlässlich eines EUProjekts selbst erzeugt. Guanwei verschenkt „Die Erinnerung“ an vier Jahre kunstschule.at als Erinnerung weiter. G.H.
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Caspar Macke Grafik Design
Der Donaulandler Kreation einer Weinmarke, Corporate Identity
Der Weinbau sowie der Landler haben im Donauland eine lange Tradition. Der Donaulandler vereint diese beiden zentralen Themen. Er steht f체r die Perfektionierung des Weinbaus durch moderne Mittel und f체r den Erhalt traditioneller Werte und Br채uche.
Katharina Mahel Design und Raum
Raum – Fotografie – ? Mundgeblasene Glaskugel, camera obscura weiße Fläche: 100 × 100 cm, Kugel: ca. 15 cm Ø katharina_mahel@gmx.net
Was sieht das Auge, wenn wir nicht hinsehen? Oder, anders gefragt, sieht das Auge für sich selbst, ganz ohne uns? In Katharina Mahels Arbeit bildet eine Glaskugel den sie umgebenden Raum nach Art der camera oscura in ihrem Inneren ab und macht diese Abbildung in abstrakter Form erneut sichtbar. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit den Problemen der Ästhetik als Fragen der Wahrnehmung.
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Krzysztof Nemec Design und Raum
Denken und Wirklichkeit computergenerierte Installation absentis@gmx.net
Sprachelemente und Zeichen werden entfremdet. Ich reiße sie aus ihren gewohnten Funktionen als Informations- und Bedeutungsträger heraus und nutze sie als Gestaltungselemente. Das Lesbare wird unlesbar, das sonst klar Wahrgenommene wird unklar. Die neuen Strukturen ermöglichen eine andere Wahrnehmung, sie verlieren und gewinnen für eine andere Wirklichkeit an Bedeutung. Als Betrachter habe ich die Möglichkeit, mit dieser Wirklichkeit zu agieren und selbst zum Zeichen zu werden.
Veronika Birer
Malerei und prozessorientierte Kunstformen Ja Druckgraphik
Die Auseinandersetzung mit Musik hat zu mehreren großformatigen Radierungen geführt. Einzelne Blätter wurden durch farblich zeichnerische Eingriffe ergänzt und verweisen auf die Spontaneität des Zeichnens und auf die Frage, wann eine Zeichnung fertig ist. Zeichnen ist ein permanentes Auswählen aus unserer Dingwelt und ein stets neuer Anfang, wodurch das künstlerische Produkt auch eine temporäre Positionierung der Kunstschaffenden aufzeigt. G.H.
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Petra Schwarz Grafik Design raumzeit. Leuchtkasteninstallation, Buchgestal-
Was geschieht, wenn die Kunst die ihr zugewiesenen Handlungsräume verlässt und in einem fremden sozialen Feld agiert? raumzeit. ist ein Projekt von Katrin Cebul, Linnéa Jänen und Petra Schwarz in Kooperation mit den Bewohnerinnen des Pensionistenwohnhauses Liebhartstal II. Im Mittelpunkt stand das Gespräch. Durch Diskussionen wurde eine Kommunikationsplattform geschaffen, in der Gesprächs- und Handlungsmöglichkeiten erkannt wurden. Der Entwicklungsprozess fand mit den überlagerten
Erinnerungsfragmenten in Bild und Text seinen Abschluss. Ausstellungsort der daraus entstandenen Leuchtkästen war das Café im Pensionistenwohnhaus. Den räumlichen Gegebenheiten der Diplomausstellung angepasst entstand eine Rauminstallation, welche die Gesprächssituation mit den Pensionistinnen visualisierte. Das Buch beinhaltet die Projektpräsentation mit den Gesprächsprotokollen, persönlichen Notizen und Illustrationen.
Ruth Veres Grafik Design
Ich seh‘ etwas, was du nicht siehst … Grafisches Tagebuch, Illustrationen (Kugelschreiber, digital koloriert), DIN A5, 112 Seiten mail@ruthveres.at, www.ruthveres.at
Eine Auseinandersetzung mit dem Sich-Zuhausefühlen, dem Vertrauten und dem Sich-Bewegen in anderen Räumen, dem Unvertrauten, dem Fremden. Es geht ums Wahrnehmen, Sehen/Gesehen-Werden, Hören/Gehört-Werden, nonverbale Sprache, Körpersprache und zwischenmenschliches Mit-/Gegeneinander, um Verhaltensmuster und die Auseinandersetzung mit Ängsten und Unzulänglichkeiten. Auf der Suche nach mir selbst wird bruchstückhaft mein Innenleben (wie Gedanken, Gefühle, Erinnerungen) mittels Farbcode (Rot und Blau) den von außen einwirkenden Impulsen und Erwartungen gegenübergestellt und visualisiert. Das Selbstbild steht dem Fremdbild gegenüber, das Ich und Du bekommt Raum.
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Corinna Wrana Design und Raum
!!!Run away, go sailing!!! Performative Installation im öffentlichen Raum, Donauinsel, unter der Nordbrücke
Thematisiert wird eine Lebensweise. Das Segeln im lila Tümpel ist eine gedankliche Transportation der Idee von „go sailing go go go, renn weg, running away is the best solution u can do run away, or go sailing, go sailing for run away and find yourself“. Mit „run away, go sailing“ ist nicht das tatsächliche Wegrennen gemeint, sondern das Sich-Lösen von Strukturen, die einen daran hindern, sich selbst zu finden, sich frei von Dingen zu machen, die einem bei der Selbstverwirklichung im Weg stehen. Das Gedankengut des Reisens ist das zentrale Thema der Installation. Mit Seilen werden Autobahnbrücke, Segel und See miteinander verbunden und interagieren. Die Autobahn ist Zeichen für die Bewegung, aber auch für die Einschränkung; alles ist innerhalb der Bewegung des Reisens beinhaltet. Die Umsetzung der Arbeit geschah im öffentlichen Raum unter einer Autobahnbrücke auf der Donauinsel. Dieser Ort wurde bewusst gewählt, da er draußen, an einem Ort der jedem zugänglich ist, eine Struktur und eine spezielle Räumlichkeit bietet.
Anita Zecic
Malerei und prozessorientierte Kunstformen Portrait eines Landes Tuschestifte auf grundierter Leinwand, 100 × 120 cm anita.zecic@hotmail.com
Du fragst mich, Fremder, wo meine Heimat liegt. Hiermit antworte ich, meine Heimat ist der blaue Fluss, der so plätschert und rauscht und in den schösten Farben versinkt. Meine Heimat ist dieser große Berg, verziert mit den herrlichen grünen Wiesen und dem Vogel am Ast sowie den Fischen in dem Fluss Sana, das alles ist meine Heimat. Verehrter Fremder, die Schönheit meiner Heimat ist sehr schwer zu beschreiben, denn was das Auge an Schönheit erfassen kann, können Worte nicht beschreiben. Am besten ist es, Fremder, wenn ich dich durch die Städte meiner Heimat führe, dass du dann das siehst, was ich dir nicht erklären kann. Folge mir über die alte Brücke von Mostar und dein Blick wird in den Tiefen des schönen Flusses Neretva versinken. Machen wir einen Spaziergang über die Bascarsija in Sarajevo, halten eine Weile an und hören, wie der Klang von Klopfen und Pochen des Zinks die Straßen durchströmt, schau dir an, was alles die menschliche Hand erschaffen kann. Setze dich mit mir zu den Wasserfällen der Una, trinken wir da einen Café und ich werde dir die Geschichte der zwei Flüsse Una und Sana, die sich an der Mündung küssen, erzählen. Wie sie ineinander verschmelzen und in ihrer Schönheit versinken. Steh auf, Fremder, wir gehen zum Wasserfall der Bliha, dass du das Rauschen der Perlen tropfen hörst, wie sie schlagen und plätschern. Siehst du, Fremder, das Mädchen, das neben dem Wasserfall nachdenklich sitzt, siehst du ihre grünen Augen, wie sie verliebt schauen, siehst du, wie der Wind ihr Haar zart streichelt, dieser Wind wie dieses Rauschen ist meine Heimat. Das sind die Schönheiten meines Landes, es gibt noch sehr viel Sehenswertes, Fremder, du wirst es selber sehen, du wirst es in dem Lächeln der vorbeigehenden Menschen sehen, die dich willkommen heißen und
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Lela Alexandra (Lena Stritter)
Malerei und prozessorientierte Kunstformen Cellar door Mischtechnik auf Leinwand, 120 × 130 cm lalealexandra@gmail.com
Es wird der Galerieraum Dreitausend bespielt, wobei Bilder und Objekte gemeinsam eine Rauminstallation ergeben. Tote Vögel und Glühbirnen irritieren die BetrachterInnen und verweisen auf den Titel „Kellertür“. Diese einmal durchschritten, hofft man, dass das Licht funktioniert und den Blick auf eine malerische Welt der Gegensätze und Zwischenräume eröffnet. Vielfältige Assoziationen werden spürbar. G.H.
Anna Watzinger Bildhauerei 01 Intervention
something between space and time investigation of inner and outer space Der Ausgangs- und Ankerpunkt meiner Diplomarbeit (Bildhauerei) verkörperte der am Karlsplatz gelegene, weitgehend nicht genützte Kiosk K…0, welcher sich im Laufe meines Diplomarbeitsprozesses als permanente, extrem wandelbare und schöpferische Projektionsfläche entpuppte und verwirklichte. In seiner Eigenschaft als Zwischenraum („Prozess“) und Unort („Anarchist“) in urbanen Strukturen entzieht er sich immer wieder klaren Zuordnungen und erweist sich somit als mein idealer, erweiterter Kopfraum, indem „Alles“ und „Nichts“ möglich erscheint. Die Diplompräsentation (26. 5. 2010, 15:30 bis 16:30) als temporäre Intervention im öffentlichen Raum, dokumentierte meinen, fortwährend vom unerschöpflichen K…0 Potential gespeisten, Wahrnehmungs- und Arbeitsprozess als transmediale, temporäre Rauminstallation am Kioskgebäude. Wobei der Prozess als Indikator meiner gesamten Arbeit als Momentaufnahme in der Raumzelle K…0 bei sich selbst angekommen zu sein scheint (Prozessgestalt), da die abstrakte Bewegung meines Diplomarbeitsprozesses von „Alles“ zu „Nichts“ mittels der ersten (RS_01 1) und letzten (RS_12 2) Raumstation als formale, räumliche, zeitliche und inhaltliche Verdichtung/Transformation der Raumzelle aufleuchtete.
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Geliebte Kunst
Wer geht um der Kunst willen ins Museum? „Knapp sind nicht die Güter, sondern die Neigung sie zu konsumieren, knapp ist ein ‚kulturelles Bedürfnis‘, das, anders als die ‚Grundbedürfnisse‘, Ergebnis von Erziehung bleibt. Dies heißt, dass die Ungleichheit im Angesicht kultureller Werte nur ein Aspekt der Ungleichheiten gegenüber einer Bildung sind, die das ‚kulturelle Bedürfnis‘ ebenso weckt wie sie gleichzeitig die Mittel an die Hand gibt, es zu befriedigen.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 67) Um die Mitte der 1960er Jahre versuchte eine namhafte Anzahl von SoziologInnen und StatistikerInnen unter der Leitung von Pierre Bourdieu und Alain Darbel die Liebe zur Kunst messbar zu machen. Dazu wurden am Eingang von 123 ausgewählten französischen Kunstmuseen tausende von Fragebogen ausgefüllt, Interviews geführt und deren Ergebnisse mittels Vergleichsuntersuchungen in den Niederlanden, Polen und Griechenland überprüft. Die Schlussfolgerungen aus dieser bisher umfangreichsten europäischen Breitenuntersuchung über den gesellschaftlichen Zugang zu kulturellen Gemeingütern der „schönen Künste“ waren, kurz gesprochen, ernüchternd: Generell fanden vor allem gut gebildete und einkommensstarke Gesellschaftsschichten Zugang zu Kunstmuseen und das Wissen um die „Liebe zur Kunst“ wurde fast ausschließlich in privaten und familiären Praktiken eingeübt. Im Herbst 2010 widmete sich das Ästhetik-Seminar an der Kunstschule der Debatte dieser Studie und begann, eigene gegenwartsbezogene Fragen an diesen „heim-
lichen Klassiker der Kunstsoziologie“ zu stellen: Wie charakterisiert sich der gesellschaftliche Zugang zu Kulturgütern heute? Was suchen aktuelle BesucherInnen in österreichischen Kunstmuseen? Ist die Liebe zur Kunst eine Eingebung des Herzens oder beruht sie vielmehr auf der Einübung „vornehmer Sitten“? Zur wissenschaftlichen Beantwortung dieser und weiterer Fragen des „guten Geschmacks“ schien es zweckmäßig, eine Stichprobenerhebung vor österreichischen Kunstmuseen zu unternehmen. Das primäre Interesse bestand nun darin, fast 45 Jahre nach der französischen Studie mittels stichprobenartiger Vergleichsdaten festzustellen, ob und wie sich der Zugang zu Kunstmuseen in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Um dies adäquat zu ermitteln, wurden zunächst die Fragebögen der Befragungen I + II von Bourdieus Studie über europäische Kunstmuseen und ihre BesucherInnen sorgfältig aktualisiert und behutsam reduziert. Daraufhin bildeten sich Kleingruppen, die im Zeitraum vom 23. 10. 2010 bis zum 12. 11. 2010 am Eingang von österreichischen Bundesmuseen in Wien (Kunsthistorisches Museum, Albertina, Belvedere, MUMOK) insgesamt 125 MuseumsbesucherInnen (60 Frauen und 65 Männer) zu ihrem Besuchsverhalten und ihren Kunstvorlieben befragten. Zuletzt wurden die Ergebnisse gründlich diskutiert und gemeinsam ausgewertet: Eine besondere Schwierigkeit der Auswertung bestand darin, dass die von uns erhobenen Stichprobendaten im Wesentlichen die unveränderte Gültigkeit der zentraler Erkenntnisse von 1966 nahe legten. Eine
solche generelle Bestätigung vorliegender Ergebnisse muss in einer ernstzunehmenden Sozialstudie zumindest Anlass zu Skepsis geben – hatten wir mit der Formulierung der Fragen bestimmte Antworten suggeriert oder mit der Auswahl der Untersuchungsmethoden andere Antwortmöglichkeiten ausgeschlossen? Ein kritischer Vergleich mit einer 2004 vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Auftrag gegebenen Evaluierung österreichischer Bundesmuseen unterstrich jedoch manche unserer Ergebnisse. Die Überraschung der Stichprobe von 2010 besteht demnach vor allem darin, dass sich – trotz eines im Vergleich zu den 1960er Jahren weitgehend veränderten Museumsangebots ( man denke nur an die Anstrengungen von Museumspädagogik oder Museumsvermittlung, nicht zuletzt den jüngst festgelegten Gratiszugang zu Bundesmuseen für Jugendliche unter 19 Jahren, etc.) – das allgemeine Profil der BenutzInnen von Kunstmuseen kaum verändert hat. Im Folgenden werden einige Eckpunkte unserer Stichprobenerhebung von 2010 den Ergebnissen der Breitenuntersuchung von 1966 schematisch gegenübergestellt. Detaillierte Diagramme sowie die Dokumentation der verwendeten Fragebögen finden sich auf der Homepage der kunstschule.at. Bildungsprofil „Museumsbesuche sind – ausgesprochen markant zunehmend mit höherem Schulabschluss – nahezu ausschließlich eine Sache der gebildeten Klassen.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 33) Aus den nebenstehenden Diagrammen wird ersichtlich, dass 91% aller 2010 befragten MuseumsbesucherInnen über Matura oder Hochschulabschluss verfügen, während nur 18% der österreichischen Bevölkerung eine vergleichbare Schulbildung haben.
Bildungsprofil MuseumsbesucherInnen
Pflichtschule 3% Ohne Abschluss 3%
Lehre 3% Matura 37%
Akademische Ausbildung 54%
Abb. 1 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)
Bildungsprofil österr. StaatsbürgerInnen
Akademische Ausbildung 7%
Pflichtschule 41%
Matura 11%
17% Berufsbildende Schule
Lehre 24%
Abb. 2 (Quelle: Statistik Austria, Volkszählung 2001)
43 Abb. 3 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)
Sozialisierung und Kunstmuseen „Das Vorhandensein einer derart starken Beziehung zwischen Ausbildungsniveau und kultureller Praxis darf nicht verschleiern, dass sich angesichts der stillschweigenden Voraussetzungen, die sie bestimmen, die Wirkung des traditionellen Schulwesens nur entfalten kann, solange sie sich auf Personen richtet, die durch die familiäre Erziehung mit der Welt der Kunst bereits in gewissem Maße vertraut sind.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 50) Die Bedeutung des familiären Umfeldes für die kulturellen Praktiken spiegelt sich deutlich in der Art der ersten Bekanntschaft mit Kunstmuseen wieder, die in der Regel viermal häufiger durch die Familie als durch Bildungseinrichtungen (Schule, Kindergarten, etc.) erfolgt.
Begleitung Erstbesuch
82
Mit wem haben Sie zum ersten Mal ein Kunstmuseum besucht? weiblich männlich gesamt 44
Kunstsozialisation und Schule „Die Schule, deren spezifische Funktion es ist, Neigungen zu schaffen und zu entwickeln, die den gebildeten Menschen ausmachen und Grundlage einer permanenten und, quantitativ wie qualitativ, intensiven kulturellen Praxis sind, könnte (zumindest zum Teil) den anfänglichen Nachteil derer wettmachen, die in ihrem familiären Umfeld keine Anregung für eine kulturelle Praxis und Vertrautheit mit Kunstwerken finden, welche der pädagogische Diskurs voraussetzt – allerdings nur unter der Bedingung, dass sie alle verfügbaren Mittel einsetzt, um die Spirale der kumulativen Prozesse zu zerbrechen, zu denen jede Kulturbildung verurteilt ist.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 106) Den Ergebnissen der Stichprobe nach zu schließen, ist es der Schule in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen, „die Spirale der kumulativen Prozesse zu zerbrechen, zu denen jede Kulturbildung verurteilt ist.“ Obwohl mehr als 90% aller Erstbesuche in Kunstmuseen in den Zeitraum der schulischen oder universitären Ausbildung fallen (und mehr als die Hälfte davon im Alter von 6 bis 14 Jahren erfolgen), so geschehen sie doch in den allermeisten Fällen in Begleitung der Familie und nicht der entsprechenden Bildungseinrichtung.
38
24
15 10
9
7 3
Familie
FreundInnen
4
5
1
1
0
Alleine
Tourismus
5
4
2
2
Bildungs einrichtung
k.A.
Altersprofil „Die Tatsache, dass die jüngsten Altersgruppen in den Museen am stärksten vertreten sind – die Besuchsquote bleibt nach einem Einbruch um die 25 Jahre herum bis 65 stabil – erklärt sich ganz offensichtlich durch den Einfluss der Schule.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 40) Im Hinblick auf das Altersprofil der BesucherInnen von Kunstmuseen lassen sich einige Verschiebungen gegenüber den Daten von 1966 feststellen: Die gegenwärtig
am stärksten vertretene Altersgruppe liegt zwischen 18 und 25 Jahren, auch hier ist nach 25 ein Einbruch zu beobachten, der sich allerdings nicht stabilisiert, sondern gegen das Pensionsalter hin einen neuerlichen Anstieg verzeichnet. Insgesamt überrascht, dass der BesucherInnengruppe von 14 bis 18 Jahren nicht dieselbe Bedeutung zukommt, wie in der Studie von 1966. Dies mag teilweise darauf zurückzuführen sein, dass unsere Stichprobenerhebungen im Herbst 2010 ausschließlich an Nachmittagen durchgeführt wurden und daher die Besuche von Schulklassen nicht adäquat erfasst werden konnten. Altersprofil der BesucherInnen Frauen Männer
30
Recht, hier unwissend zu sein, das Recht der Unwissenden, hier zu sein, und tragen so dazu bei das Gefühl der Unzulänglichkeit des Werkes und der Unwürdigkeit der Betrachter zu mindern […]“ (Bourdieu/Darbel 2006: 83) Im Hinblick auf die Einschätzung von orientierenden Pfeilen und erklärenden Tafeln ergibt die Auswertung der Stichprobe von 2010 folgendes Panorama: Für beide Arten von Hinweisen lässt sich eine allgemeine Bejahung des „Rechts, hier unwissend zu sein“ feststellen, eine Bejahung, die Orientierungspfeilen gegenüber einen deutlichen Anteil an Indifferenz aufweist, Erklärungstafeln gegenüber jedoch umso eindeutiger positiv ausfällt. Dies erstaunt insbesondere angesichts der bereits ausgewiesenen Tatsache, dass das Bildungsniveau der BesucherInnen der Stichprobenerhebung äußerst hoch liegt.
Gesamt 70
Besuchswunsch
25
Wie würden Sie gerne ein Museum besuchen?
20
weiblich
15
männlich 10
gesamt 43 39
5
6
14
18
25
35
45
55
65
32
Alter
Abb. 4 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)
Orientierung in Kunstmuseen „Tatsächlich aber können Pfeile, Tafeln, Kunstführer und Museumspersonal dem Mangel an schulischer Bildung nicht wirklich abhelfen, sondern verkünden durch ihr schlichtes Vorhandensein das Recht, nicht zu wissen, das
31
20 15
23
17 15 10 5
Führung
FreundIn
Alleine
Anderes
45 Abb. 5 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)
Besuchsart Mit wem haben Sie heute das Museum besucht? weiblich
54
männlich gesamt
34 31
29 25
18
17
17
13
1
Alleine
folgendes feststellen: Bei BesucherInnen mit hohem Bildungsniveau überwiegt der Wunsch, ein Museum alleine zu besuchen. Dabei überrascht allerdings, dass die Art, wie das Museum tatsächlich besucht wurde, diesem Wunsch nicht entspricht, sondern vielmehr jenen Besuchsformen ähnlich ist, die 1966 für BesucherInnen der unteren Klassen festgestellt wurden.
3
4
Kinder
1
Familie
FreundInnen
2
3
Gruppe
Abb. 6 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)
Art des Besuchs „Und wenn die Besucher der unteren Klassen es vorziehen, mit Eltern oder Freunden ins Museum zu gehen, dann sicher auch deshalb, weil die Gruppe ihnen helfen soll, ein Gefühl des Unbehagens zu vertreiben, während der Wunsch, ein Museum alleine zu besuchen, immer häufiger ausgedrückt wird, je höher man sich in der sozialen Hierarchie befindet.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 85) Unter Berücksichtigung der bereits festgestellten Einschränkungen der Stichprobenerhebung im Hinblick auf Aussagemöglichkeiten über BesucherInnen mit niedrigem Bildungsniveau, lässt sich für die Vergleichsstudie
Informationsquellen „Es ist nur ein scheinbares Paradox, dass die Klassen, denen es weniger an persönlichen Hilfsmitteln wie Kunstführern oder Katalogen mangelt (weil das Wissen um diese Hilfsmittel und die Kunst sie zu handhaben, eine Sache von Kultur ist), am häufigsten institutionalisierte und kollektive Hilfestellungen ablehnen.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 87f) Neben der generellen Bestätigung der entsprechenden Folgerungen von 1966 ist für die Stichprobe 2010 festzuhalten, dass der verschwindend geringe Anteil an tatsächlich in Anspruch genommenen Museumsführungen, sei dies in Form von Museumspersonal oder von Publikationen auch im Widerspruch zum bedeutend häufiger genannten Wunsch nach einer qualifizierten Museumsführung (vgl. Abb. 5) steht. Anregung „Diejenigen, die an die Wunderwirkung einer Politik der Förderung des Museumsbesuchs glauben, insbesondere an die Öffentlichkeitsarbeit in Presse, Rundfunk oder Fernsehen, ohne zu sehen, dass dies nur den Überfluss an Informationen vermehrt, die Reiseführer, Fremdenverkehrsämter oder Hinweistafeln am Ortseingang von Touristenstädten schon reichlich erteilen, sie ähneln den Leuten, die glauben, um sich einem Ausländer besser
verständlich zu machen, genüge es, einfach noch lauter zu sprechen.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 147f) Die Daten der Stichprobe 2010 situieren die Werbung wohl ins Spitzenfeld der angegebenen Beweggründe ein Museum zu besuchen, ihr Einfluss wird jedoch übertroffen von der Motivation, die Museen einer Stadt zu besuchen, die man bereist. Werbung ist ähnlich bedeutend wie nicht näher angegebene andere Gründe. Darauf folgen mit geringem Abstand persönliche Empfehlungen, durch die BesucherInnen veranlasst wurden, ins Museum zu gehen. Künstlerische Vorlieben „Die Verwirrung im Angesicht der ausgestellten Werke nimmt ab, sobald sich die Wahrnehmung mit typischen Kenntnissen ausstatten kann, möge sie noch so verschwommen sein. Die erste Stufe der rein ästhetischen Kompetenz bestimmt sich durch die Beherrschung eines Arsenals an Wörtern, die es erlauben, Unterschiede zu benennen und dadurch bilden zu können.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 89) Das hoch gebildete Publikum der Stichprobe von 2010 vorausgesetzt, ist festzustellen, dass von einer insgesamt großen Anzahl genannter KünstlerInnen (68) etwas weniger als die Hälfte davon (26) mehrfach genannt wurde. Dem Bildungsniveau des Stichprobenpublikums entsprechend wurde ebenso eine beträchtliche Anzahl an Stilrichtungen genannt (37), von denen wiederum etwas weniger als die Hälfte (16) mehrfach angeführt wurden. Schlussfolgerungen „Investitionen in kulturelle Einrichtungen sind wenig rentabel, solange es an Investitionen in die Schule fehlt, denn sie allein ist dazu in der Lage, die Nutzer solcher
Einrichtungen zu ‚produzieren‘.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 157) Der Stichprobenvergleich bestätigt diese allgemeine Schlussfolgerung; trotz eines weitgehend veränderten Museumsangebots hat sich das Profil seiner NutzerInnen kaum verändert. Es ist nahe liegend, die Gründe dafür in der bestehenden Schul- und Bildungspolitik zu suchen.
Anmerkungen „Damit die Kultur ihre Aufgabe der Legitimation ererbter Privilegien erfüllen kann, braucht und genügt es, dass das gleichzeitig offenkundige und versteckte Band zwischen Kultur und Erziehung vergessen und geleugnet wird.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 164) Alle Zitate stammen aus: Pierre Bourdieu und Alain Darbel, Die Liebe zur Kunst. Europäische Kunstmuseen und ihre Besucher, Konstanz: UVK 2006. Infografik: Christoph Tripes.
Tom Waibel Dr. Tom Waibel ist Kunst- und Kulturphilosoph und unterrichtet an diversen Universitäten und der kunstschule.at.
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Thomas Fatzinek Geboren 1965 in Linz Abschlussjahrgang: 2004 Abschlussklasse: Druckgraphik Lebt und arbeitet in Wien
Illustrator und „G’schichtldrucker“ Wie das mit Leidenschaften oftmals so ist, entwickelt sich auch Thomas’ Begeisterung für Comics bereits in seiner Kindheit. Als gelernter Lithograf beginnt er 2000 ein Studium an der kunstschule.at. Seine Studienzeit hat er nach eigenen Angaben sehr genossen. Gut gefallen hat Thomas neben der Ausbildung der seiner Ansicht nach starke Zusammenhalt an der kunstschule.at, vor allem innerhalb der Werkstätte. Auch einen Lehrgang in Medienillustration bei Mag. Nana Swiczinsky hat Thomas erfolgreich absolviert. Seine häufig historischen Comics zeichnet er zuerst als Vorlage und arbeitet sie dann als Linolschnitt aus. Eine intensive Recherche und Auseinandersetzung mit Vergangenem ist dabei natürlich Standard. Die Charaktere dafür findet Thomas unter anderem in Zeitungen. Nebenbei jobbt Thomas in diversen Branchen, bleibt jedoch immer seiner Leidenschaft treu und arbeitet und zeichnet kontinuierlich an seinen Bildgeschichten weiter. Sein nächstes Projekt ist eine Ausstellung Anfang Februar 2011 am Renner-Institut in Wien. Thomas im Netz: www.tomfatz.net
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Ausstellungen / Projekte (Auswahl): Comic „now“ (Serie „Faces“) | Gruppenausstellung | Galerie der Freischaffenden | 2009 | Wien 1. Wiener Comic-Tag | Gruppenausstellung | WUK | 2009 | Wien Linz09 | Gruppenausstellung | Kulturzentrum Kapu | 2009 | Linz „Als die Nacht begann …“ | Einzelausstellung | AK-Bildungshaus Jägermayrhof | 2007 | Linz
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Philipp Müller Geboren 1972 in Rosenheim, BRD Abschlussjahrgang: 2002 Abschlussklasse: Bildhauerei Lebt und arbeitet in Wien
Selbstportrait – Hommage an Robert Adrian X, © Philipp Müller
Kultur, Kunst, Gesang Philipp Müller beendete seine Studienzeit in der Werkstätte Bildhauerei an der kunstschule.at im Sommer 2002. Vor der Beschäftigung mit der Bildenden Kunst war die Musik sein zentrales künstlerisches Betätigungsfeld und das ist sie seit 2006 wieder. Deswegen widmet er seiner Band funkenflut dieses Portrait. funkenflut wurde im Dezember 2006 gegründet. In den ersten zwei Jahren wurde in der Wohnung von Philipp mit einigen befreundeten Musikern gejamt, geprobt und in Eigenproduktion die Demo-CD „nikodemos“ ( sechs Titel ) aufgenommen.
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Bandlogo und Schriftzug funkenflut
Bandfoto funkenflut, 2009, Foto © funkenflut
Im April 2009 wurden mit Peter Zirbs, dem Kopf der Konsorten™ , vier Titel aufgenommen, doch wegen einer schweren Erkrankung, konnte der Gitarrist Speed I.O., nicht mehr mit der funkenflut weiter spielen und die Band entschloss sich, die Fertigstellung der CD aufzuschieben. Im Herbst und Winter wurde gemeinsam mit Felix Metzner – einem befreundeten Filmemacher – aus dem Auftritt beim Connect-Festival im August 2009, bei dem unter anderem B Seiten Sound und Ganjaman spielten, die Drei-Lieder-Demo-DVD „Die Sonne gibt es doch!“ produziert. Im September 2010 wurde dann endlich die vier Titel umfassende EP „Die Sonne“ auf Mouvement Records veröffentlicht. funkenflut sind: Philipp „fil“ Müller: Stimme, Aron Tompa: E-Piano, Rainer Kudrna: Gitarre, Michael „mi:kesh“ Weitz: Schlagzeug, Andreas Gattermayer: Bass und der Dauer-Gastmusiker: Emanuel „Mani Marillo“ Toifl: Saxophon. Mehr zu funkenflut: www.funkenflut.at | Mehr zu Philipp Müller: www.kunstkartei.at
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Birgit Lichtenberger Geboren 1970 in Eisenstadt Abschlussjahrgang: 2002 Abschlussklasse: Interdisziplinäre Klasse
Conditio humana Installation, 2002 Objekt: Latex, Schaumstoff, Leder, Stoff, Gel, Heizkissen, 40 × 50 × 40 cm Schneiderpuppe, Reifrock, Glaskörper, Monitor Video, 10 Min, Loop; Farbe
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Birgit Lichtenberger lernte über einen Modellierkurs an der VHS die kunstschule.at kennen. Sie arbeitete bereits seit zehn Jahren als Hebamme. Durch klassisches Modellieren in der Bildhauereiklasse wurde ihr Blick beängstigend gesprengt und die Vorlesungen der Interdisziplinären Klasse machten sie froh und beschwingt. Erst in den Jahren nach dem Abschluss wurde ihr langsam bewusst, wie viel an hochwertigem Input ihr in der kunstschule.at geboten wurde. Sie hatte das Glück, in einer wunderbaren Klasse zu sein. Sie hat Seelenverwandte gefunden, mit manchen ist der Kontakt noch immer innig. Es war eine wunderbare Zeit. Getan – im Verhältnis zu heute – hat sie nicht so viel. Damals fand sie das Hervorgebrachte schon genug, erst mit der Zeit stellte sich dann heraus, dass es eigentlich erst der Anfang war. Mit manchen Kommentaren zu ihren damaligen Ansätzen kann sie heute erst etwas anfangen. Auch sie war in ihrem Denken und Tun sehr an Konventionen gebunden, die es zu hinterfragen galt und noch immer gilt. Unmittelbar nach dem Abschluss an der kunstschule.at gewann sie den ersten burgenländischen Frauenkunstpreis. Es folgten eine Einzelausstellung in Wien und eine Auftragsarbeit für die Landesgalerie Eisenstadt. Weitere Auftragsarbeiten führten zur Ernüchterung. Ihr zentrales Thema, erkennbar oder weit unter der Oberfläche versteckt, war der menschliche Leib. Zu diesem Thema hat sie nach der kunstschule.at Vor-
lesungen an der Uni Wien in Kunstgeschichte und Philosophie besucht. Sie wollte eigentlich noch „weiter unterrichtet werden“ und versuchte es an der Angewandten. Sie interessierte sich für ein Studium bei Erwin Wurm, um bei einem seiner Assistenten Steine behauen zu lernen, leider ließ sich soviel Arroganz nicht kommentarlos ertragen. 2006 bis 2009 bastelte sie an kleinen Welten mit Dekormaterial und Alltagsgegenständen, um die räumlichen Verhältnisse für sich zu verschieben und sich die Welt verständlicher zu machen. 2009 hatte Birgit „im Dorf“ (1030 Wien) die Einzelausstellung „ Kleine große Welt“. Im Nachhinein lesen sich die Arbeiten wie ein Tagebuch. Dies war der Beginn, aus ihrem Inneren zu schöpfen und nicht ständig nur im Außen nach Anregungen zu suchen. Heute dauern die begonnenen Arbeiten viel länger an. Einerseits hat sie gelernt, länger und konsequenter daran zu arbeiten. Seit einem Jahr stellt Birgit Lichtenberger menschliche Zähne aus Fimo her. Die Zähne sind nun mit ihr ins Burgenland auf einen Bauernhof übersiedelt und warten schon auf ihren Einsatz.
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Leerstelle Geschlechter- und Migrationsverhältnisse. Ein Beitrag zur Wahrnehmung von Differenzen Die Grundformel, nach der die Welt seit Jahrzehnten funktioniert, ist nach wie vor in Kraft: Frauen leisten, global gesehen, zwei Drittel der Arbeit, verfügen über zehn Prozent des Einkommens und ein Prozent des Vermögens. (Hamann, Linsinger) Frauen – Realitäten Die Verbesserung der Lebenslage für Frauen hängt auch in Europa von Herkunft (Milieu, Migration) und Bildungschancen ab. Das Argument, dass der Strukturwandel in der Moderne mit einer zunehmenden Individualisierung der Gesellschaftsmitglieder und einer Ent-Traditionalisierung der Geschlechterverhältnisse verbunden ist, gilt nicht für alle Frauen gleichermaßen und ist von Widersprüchlichkeiten und neuen Ungleichheiten durchwachsen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts befinden sich Frauen in einem Zustand des ‚Nicht-mehr‘ und ‚Nochnicht‘ (Wilz, 2008, 11). Ihre Lebenschancen haben sich vervielfältigt und müssen nicht mehr familienzentriert sein, doch andererseits sind Arbeitsmärkte nach wie vor geschlechtssegregierend organisiert, was nichts mit den Fähigkeiten von Frauen und alles mit Geschlechtsstereotypen und von Männern besetzten Hierarchien zu tun hat. Vor über sechzig Jahren wurde von Simone de Beauvoir „der bis heute berühmteste Text der feministischen Theorie, der eine umfassende Analyse der Situation der weißen, westlichen Frau der Mitte des 20. Jahrhunderts vorlegt“ verfasst (Konnertz, 2005, 32), dessen Aktualität
viel zu wünschen übrig lässt. Die Feststellung, dass die Frau in der Geschichte des Geschlechterverhältnisses immer die untergeordnete, unwesentliche ‚Andere‘ des Mannes war, wurde zwanzig Jahre später von der zweiten Frauenbewegung aufgegriffen und es wurde mit unterschiedlichen Strategien und Theorien um tiefgreifende gesellschaftliche und individuelle Befreiung von Frauen gekämpft. Dieses Engagement hat in Relation zu anderen sozialen Bewegungen umfassenden mentalen und faktischen Einfluss gehabt, aber keine (massenmediale) Macht, sodass heute wieder von einem maskulinistischen Backlash – in neoliberalistischer Prägung – gesprochen werden kann. Es gibt verschiedene Motive und Einschätzungen zur Phase des so genannten postmodernen Feminismus. – „Das Stereotyp von der glücklichen Ehefrau wurde vom schlanken, jugendlichen Supermodel ersetzt. Mit dem Effekt, dass die Ernährungs- und Kosmetikindustrie die soziale Kontrolle darüber ausübt, wie Frauen sich zu verhalten haben“ (Haas, 2006, 10). – Das rechtskonservative Spektrum sieht die Frauen als Opfer der Emanzipation, da diese die Frauen von ihrer eigentlichen Bestimmung, der Reproduktion, entfremdete (nach: Haas, 2006, 11). – Die Rede von den überflüssigen Gleichstellungspolitiken, da für Frauen ohnehin inzwischen alles erreichbar sei, existiert als Medienkonstrukt, „etwa wenn die Frauenemanzipation von durchaus renommierten FeuilletonistInnen, FilmemacherInnen, BuchautorInnen implizit oder explizit
55 für alle persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Probleme in den modernen Gesellschaften und selbst im globalen Maßstab haftbar gemacht wird … “ (Kurz-Scherf et al, 2010, 8). Da jedoch fundamentale strukturelle Unterschiede noch immer bestehen, ist eine kritische feministische Bewusstseinsbildung (wieder) notwendig. Von den Vereinten Nationen wurde 1979 ein Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, kurz CEDAW) getroffen, dem das einfache Ziel zugrunde liegt, dass Grund- und Menschrechte weltweit auch Frauen zugestanden werden müssen. Die Wirklichkeit ist weit davon entfernt. Selektive Abtreibungen, Vernachlässigungen bei Ernährung und medizinischer Versorgung in großen Teilen Asiens, Mordepidemien an Frauen in Mittelamerika (wofür ein Wort kreiert wurde: Femizid), die ‚Ehrverbrechen‘ an muslimischen Mädchen und Frauen, Genitalverstümmelungen in Afrika und anderswo, Vergewaltigungen als Kriegswaffe, um nur einige Phänomene zu erwähnen (vgl. Ockrent, 2008). Gewalt an Frauen ist universell; z. B. in Deutschland und Frankreich hat jede vierte Frau Gewalterfahrungen. Jenseits von akklamierter Gleichberechtigung landet Österreich im letzten Drittel der EU-Staaten, wenn die Bruttolöhne zwischen Frauen und Männern verglichen werden.1 „Mit dem Equal Pay Day soll auf die bestehende Einkommensschere aufmerksam gemacht werden. Dieser Tag, heuer war es der 29. September, ist rein rechnerisch gesehen der Tag, ab dem Frauen im Vergleich zu Männern bis Jahresende ‚gratis‘ arbeiten“ (Ostermann, 2010, K2). Die britische Equal Opportunities Commission macht ironisch darauf aufmerksam: „Bereiten Sie Ihre Tochter auf die Arbeitswelt vor. Geben Sie Ihr weniger Taschengeld als Ihrem Sohn“ (Hamann, Linsinger, 2008,
25). In den europäischen Ländern ist vor allem die Ausbreitung von Teilzeitjobs verantwortlich für die ungleichen Verdienstmöglichkeiten. Einer Statistik (Eurostat 2008) ist zu entnehmen, dass fast die Hälfte aller in Österreich erwerbstätigen Frauen, also 41,5% teilzeitbeschäftigt sind – in Differenz zu 92% vollerwerbstätigen Männern. Das heißt, von den 955.000 Teilzeitarbeitenden sind 81% Frauen (Frauenbericht, 2010, 130f). Die unbezahlten reproduktiven Arbeiten werden nach wie vor zu 75 – 90% von der weiblichen Bevölkerung geleistet, egal, ob sie erwerbstätig sind oder nicht; und wenn sie in gut bezahlten Positionen arbeiten, so wird die dadurch entstehende Versorgungslücke von migrantischen Dienstbotinnen ersetzt. „Im Jahr 2007 verdienten Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit …nur 68,2% des Bruttojahreseinkommens der Österreicherinnen“ (Frauenbericht, 2010, 344).2 Migrantinnen – Realisieren Die westliche weiße männliche durchschnitts-wohlhabende Dominanzkultur – die viele westliche weiße Frauen hier adaptiert haben – zeichnet sich durch die Definitionsmacht über Zugehörigkeit, Abhängigkeit und Unterordnung aus. MigrantInnen haben sich zu integrieren, d. h. sie sollen sich an unsere ‚Normalität‘ assimilieren, was eine Exklusion voraussetzt: Verwaltungs- und Bildungsorgane institutionalisieren sie als ‚Problem‘, als ‚Objekte‘ der Behandlung. Diese Marginalisierungsprozesse haben oft Identifikationen mit der Ausgegrenztheit zum Effekt, die in Überanpassungsdynamiken an hiesige Normen wie auch zu überbetonten Rückgriffen auf die Herkunftskultur führen können. Dies sollte in Zusammenhängen, die mit Migrantinnen zu tun haben, bewusst sein. Steht bei uns der Individualismus als Freiheit jeder Einzel-
56 z. B. eher familiäre oder geschlechtssegregierte Verbindlichkeiten und Verbindungen ein ‚ich‘ ausmachen können. So gerinnen dann – auch unter dem Aspekt der westlichen Weise die Hausfrau und Mutter gesellschaftlich zu isolieren – die Existenzbedingungen von vielen Migrantinnen zur Eiskammer. „Die Frauen werden in der Fremde krank, weil sie isoliert sind, weil sie abgelehnt werden, weil sie die Diskriminierungen, die Fremdenfeindlichkeit bis auf die Knochen fühlen. Durch den Wegfall der im Heimatland vorhandenen Frauengemeinschaften, durch die soziale Isolierung, eine fremde Sprache und Umgebung und die oftmals vorhandene Entfremdung von den sich schneller anpassenden Kindern werden die eigenen vier Wände zu einem Gefängnis, in dem das besondere Festklammern an traditionelle Werte oft zum letzten Halt, aber auch zur besonderen Fessel werden. Viele erfahren nun Einschränkungen, die sie bisher nicht kannten. Sie müssen sich mühsam, ohne den vertrauten Kontakt zu anderen Frauen, eine fremde Umwelt aneignen. Erst jetzt werden sie wirklich abhängig vom Ehemann, der ihnen nicht erlaubt und zutraut, sich in der neue Umgebung alleine zu bewegen . Sein Leben außer Haus spielt sich weiterhin in Männergruppen ab. Seine Frau erlebt Vereinzelung und Einsamkeit“ (Akashe-Böhme, 2000, 66). Die Lebenslage von Migrantinnen besteht also nicht nur aus ‚race‘ – auch wenn dies oft den sichtbarsten Diskriminierungsgrund darstellt –, sondern auch ‚sex‘ als Identitätsdeterminante ist in jedem Handlungsraum und Vermittlungskontext mitzudenken. Die Vergegenwärtigung der Situation von Frauen in der Migration ist nicht nur „wegen der Feminisierung als eines Grundzuges der gegenwärtigen Migration notwendig, sondern weil sich in der Existenz von Frauen das Fremdsein gewissermaßen potenziert. Migrantinnen leben nicht nur unter der Bedin-
gung einer ihnen fremden, sondern auch unter Bedingungen einer vom Patriarchat geprägten Kultur, die für Frauen im öffentlichen Leben … zunächst keinen Platz vorgesehen hatte“ (Akashe-Böhme, 2000, 20). Neben der Diskriminierung und – deren Spiegelverhältnis – der Tolerierung ist seitens der Mehrheitsgesellschaft die gewöhnlichste Platzierung für Migrantinnen eine der Viktimisierung oder Exotisierung. Doch sind sie weder als zu bevormundende Mängelwesen noch als Projektionsfläche für hybride Subjektivitäten anzusehen. Die grundsätzliche Problematik hierbei lässt sich als „Differenz-Dilemma“ benennen. Wenn Unterschiede von diskriminierten Gruppen ignoriert werden, führt dies zu einer Pseudoneutralität und umgekehrt können Konzentrationen auf diese Differenzen zur Wieder(ein)holung von Stigmatisierungen verleiten. Die Gratwanderung besteht in dem Gelingen, einerseits die vielen un/sichtbaren Unterschiede in der Gesellschaft zu erkennen, sie als produzierte zu bezeichnen, sowie andererseits nicht wieder die herkömmlichen Hierarchisierungen zu verfestigen. Idealiter bleiben dann Migrantinnen nicht länger (gute oder böse) Objekte von Mainstreamdiskursen, sondern können zu Sprecherinnen ihrer selbst werden. Partizipation – Füllen Zu den „gespensterhaften Menschen … die durch das Raster der für jede noch so kleine Anerkennung erforderlichen sozialen Wahrnehmung fallen, zählen jene, deren Alter, Geschlecht, Rasse, Nationalität und Status der Arbeitskraft sie … disqualifizieren. Wesentlich ist, dass sie – auf je unterschiedliche Weise – innerhalb der Polis als deren interiorisiertes Außen einbehalten sind.“ (Butler, 2007, 15). Diesen subalternen Gruppen3 ist der Zugang zu
57 den hegemonialen Teilen der Gesellschaft verschlossen und sie haben kaum die Mittel, sich politisch öffentlich einzumischen. Als Paradigma für dieses eingeschlossene Ausgeschlossensein kann die nicht existierende Geschlechterdemokratie gelten. Die Entstehung der Demokratie in der Moderne beginnt mit der Köpfung einer Frau (Olymp de Gouges in der französischen Revolution), die gleiche Rechte für Frauen forderte. Der Slogan ‚Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‘ bringt das ungewusst zum Ausdruck. Die Geschichte des Versammlungs- und Wahlrechts für Frauen erzählt genauso von der politischen Partizipationsproblematik, wie die Gegenwart einer von Männern dominierten politischen und ökonomischen Elite (vgl. Krondorfer et al, 2008). Zusätzlich lässt sich heute von einer Refeudalisierung der sozialen Strukturen sprechen, da eine ungeheure Reichtumsproduktion von einer Minderheit auf Kosten der globalen Mehrheit ungestört statthaben kann. Bislang zumindest formell demokratisch gewählte Regierungstätigkeit verliert ihre Macht bei der Gestaltung des Gemeinwesens. „Die Klasse, die ohnehin die Ökonomie beherrscht, dominiert nun auch den politischen Bereich“ (Crouch, 2008, 60) – ohne von der Allgemeinheit dazu legitimiert, noch dieser verpflichtet zu sein. Reichtum und Macht sind in globalen Unternehmen konzentriert, was neue Abhängigkeiten und Interessensmanipulationen zum Effekt hat. Dieses mit dem Neoliberalismus eng verknüpfte Phänomen wird auch als Pseudo- oder Postdemokratie bezeichnet. Trotz – oder gerade wegen – dieses negativen Horizonts ist die Bemühung um politische Partizipation nicht aufzugeben. ‚Partizipation‘ heißt Teilhabe und Teilnahme an einem Ganzen, über das niemand alleine verfügen kann. 4
Partizipation ist ein auf eine Gemeinschaft/Gesellschaft bezogenes Handeln, das individuelle Selbstbestimmung voraussetzt. „Wenn die Selbstbestimmung die Quelle aller gesellschaftlichen Eigentätigkeit ist, ohne die es nicht zu bewussten gemeinsamen Aktivitäten kommen kann, ist die Mitbestimmung die spezifische Bedingung einer jeden politischen Organisation. Aus der von der Selbstbestimmung her gedachten Mitbestimmung erwächst und besteht die Politik“ (Gerhardt, 2007, 24). Für die meisten Frauen (und so genannten Minderheiten) ist das Spannungsfeld zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen noch völlig unausgelotet, da es mit Selbst- und Mitbestimmung kaum Erfahrung und Wissen gab und gibt. In all diese unterschiedlichen und widersprüchlichen Rahmungen und Perspektiven von weiblichen, insbesondere migrantischen Lebenszusammenhängen ist die Bildungs/ Arbeit mit Frauen involviert. „Ziel ist es … Handlungsspielräume zu erweitern. In den Gruppen und Lernsituationen sind die Voraussetzungen zu schaffen, dass … alternatives Verhalten erfolgreich erprobt werden kann“ (Schwanzer, 2008, 77). Das impliziert einen Begriff von Vermittlung, der die Dialektik zwischen Einzelnen und Kollektivität oder Selbstbewusstsein und Solidarität versteht. Und das impliziert allererst eine differenzierte Wahrnehmung von Unterschieden. Birge Krondorfer Mag. Dr. Birge Krondorfer ist Lehrbeauftragte an der kunstschule. at und an verschiedenen Instituten und Universitäten. Vortragstätigkeit, Erwachsenenbildung, Gruppentraining, Supervision, Interkulturelles Training. Veröffentlichungen zur Theorie- und Praxisbildung der Geschlechterdifferenzen. Vorstand und ehrenamtlich
58 tätig in der feministischen Bildungsstätte Frauenhetz, Wien. 1
Vollzeitbeschäftigte Arbeiterinnen verdienen € 18 700,– ,
Arbeiter € 27 632; weibliche Angestellte bekommen € 27 651,– , männliche € 42 497; Rechtsanwälte verdienen bis zu 77 Prozent mehr als ihre Kolleginnen; Architekten erhalten 2,5 mal mehr als Architektinnen (Hamann/Linsinger, 2008, 26). 2
Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. In: Löw, Martina; Mathes, Bettina (Hg.): Schlüsselwerke der Geschlechterforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 26 – 58. Krondorfer, Birge; Wischer Miriam; Strutzmann, Andrea (Hg.) (2008): Frauen und Politik. Nachrichten aus Demokratien. Promedia.
Migrantischen Global Players mit ihren Verbindungen zur
Kurz-Scherf, Ingrid; et al (2010): Über formale Gleichheit und
(ökonomischen High-) Society mangelt es nicht an Akzep-
Gleichstellung hinaus: Feministische Herausforderungen des
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tanz. Um diese geht es hier nicht.
21. Jahrhunderts. In: Kurz-Scherf, Ingrid; Lepperhoff, Julia;
lat. subaltern: von niedrigerem Rang
Scheele, Alexandra (Hg.): Feminismus: Kritik und Interventi-
altgriech. Hegemonie: Vorherrschaft, Überlegenheit
on. Westfälisches Dampfboot, S. 7 – 22. Ockrent, Christine (Hg.) (2007): Das Schwarzbuch zur Lage der Frauen. Eine Bestandsaufnahme. Pendo. Ostermann, Gudrun (2010): „Alles, was mehr Klarheit bringt, ist hilfreich“. In: Der Standard 2./3. Oktober. Schwanzer, Susanne (2008): Gendersensibel trainieren und
Literaturnachweis
unterrichten. In: Buchmayr, Maria (Hg.): Geschlecht lernen.
Akashe-Böhme, Fardeh (2000): In geteilten Welten. Fremd-
Gendersensible Didaktik und Pädagogik. StudienVerkag,
heitserfahrungen zwischen Migration und Partizipation.
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Brandes & Apsel.
Wilz, Sylvia Marlene (Hg.) (2008): Geschlechterdifferenzen –
Frauenbericht 2010. Bericht betreffend die Situation von
Geschlechterdifferenzierungen. Ein Überblick über gesell-
Frauen in Österreich im Zeitraum von 1998 – 2008. Bundes-
schaftliche Entwicklungen und theoretische Positionen.
kanzleramt Österreich.
VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Butler, Judith; Spivak, Gayattri C. (2007): Sprache, Politik, Zugehörigkeit. Diaphanes. Crouch, Colin (2008): Postdemokratie. Suhrkamp. Gerhardt, Volker (2007): Partizipation. Das Prinzip der Politik. C.H. Beck. Haas, Birgit (Hg.) (2006): Der postfeministische Diskurs. Königshausen & Neumann. Hamann, Sibylle; Linsinger, Eva (2008): Weißbuch Frauen Schwarzbuch Männer. Warum wir einen neuen Geschlechtervertrag brauchen. Deuticke. Konnertz, Ursula (2005): Simone de Beauvoir: Das andere
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Kraftausdruck
Projektleitung | Alfons Nebmaier Kunst im öffentlichen Raum. Raus aus der Schule. Rein ins Leben, um den Horizont zu erweitern. Leben heißt für die StudentInnen der Bildhauerei in diesem Fall „Aktivspielplatz Rennbahnweg“. In einer gemeinsamen Aktion von StudentInnen, Kindern und Jugendlichen entstanden vier Totempfähle, je sechs Meter hoch. Der Tradition der indigenen Bevölkerung Nordamerikas entlehnt, wurden Motive gemeinsam erarbeitet und umgesetzt. Ein produktives Miteinander, ein Heranführen der BesucherInnen an künstlerische Praxis durch Menschen, die selbst gerade am Beginn ihrer kreativen Laufbahn stehen – das schafft auf beiden Seiten weitreichende Erfahrungen. Ein Feedback von Jugendlichen an Studierende, das in dieser Form selten ist. Der Umgang ist von gegenseitigem Respekt und Spaß an der Arbeit geprägt. Weithin sichtbar zeugen die Willkommenspfähle am Aktivspielplatz (Rennbahnweg 29, Wien-Donaustadt) vom guten Gelingen der Zusammenarbeit.
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Neues Logodesign für den Aktivspielplatz Rennbahnweg Projektleitung | Brigitte Ammer, Birgit Kerber, Alfons Nebmaier
Der Aktivspielplatz Rennbahnweg bietet Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und sechzehn Jahren einen Freiraum, Lebensraum und Erfahrungsraum, in dem sie aktiv und schöpferisch spielen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernen und erproben, sich vielfältig bewegen und soziales Verhalten üben können. Das neue Logo sollte vor allem auf die Aktivitäten, aber auch auf den sozialen Auftrag des Spielplatzes eingehen. Es sollte zeitgemäß sein und auf diversen Printprodukten in unterschiedlichen Größen zum Einsatz kommen. Wichtig war auch, dass es bei Kindern, Jugendlichen und BetreuerInnen für eine verstärkte Identifikation mit der Einrichtung sorgen sollte, und nach außen – etwaigen Sponsoren gegenüber – für den Aktivspielplatz und seine Ideale stehen kann. Neben einer farbigen Variante soll auch eine Schwarz/Weiß-Variante zum Einsatz kommen. TeilnehmerInnen: Tanja Gahr, Lukas Gülcher, Matthias Moser, Jennifer Payr, Jakob Ritt, Mirijam Schweigkofler, Alexander Zech
Bis zum Drucktermin ist noch keine Entscheidung getroffen worden.
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1 Alex Zech 2 Matthias Moser 3 Jennifer Payr 4 Mirjam Schweigkofler 5 Jakob Ritt 6 Tanja Gahr 7 Lukas Gülcher
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Videolabor
Lehrbeauftragter | Carlos Katastrofsky „Wie die Tangente den Kreis flüchtig und nur in einem Punkte berührt und wie ihr wohl diese Berührung, nicht aber der Punkt, das Gesetz vorschreibt, nach dem sie weiter ins Unendliche ihre gerade Bahn zieht, so berührt die Übersetzung flüchtig und nur in dem unendlich kleinen Punkte des Sinnes das Original, um nach dem Gesetze der Treue in der Freiheit der Sprachbewegung ihre eigenste Bahn zu verfolgen.“ Walter Benjamin Ähnlich einer Übersetzung berührt das Medium Video die (sichtbare) Realität in einem unendlich kleinen Punkt, um anschließend weiterzuziehen. Die Berührungspunkte sind vielfältiger Natur: sinnliche Stimulation (wie etwa Schwimmen in kaltem Wasser zu Beginn des Wintersemesters), politisch-emotionale Auseinandersetzung (Beobachtung und Dokumentation im besetzten Audimax) bis hin zu intellektuell-strukturellen Experimenten. Die Ergebnisse sind Zeugnisse von Übersetzungsversuchen in das Medium Video.
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1 Schwimmexkursion: Donauinsel, Oktober 2009 2 Audimax: Dokumentation der Ereignisse, 28. Oktober 2009
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Alex Zech | Speedy Gonzales | Video
Krzysztof Nemec | Ghosts | Video
Lisa Rindberger | Ausschnitte | Video
68 Eva Eiweck | Schwachheit | Video
Nouria Arpagaus | Ohne Titel | Video
Marie-Therese Amtmann | Loop | Video
69 Krzysztof Nemec | Ohne Titel | Video
Alice Frewat | Himmel und Hรถlle | Video
Patrick Lins | Zweitausend Menschen | Video
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Foto B
Wie kann man Leere darstellen? Lehrbeauftragter | Nikolaus Korab
Die Studierenden von Foto B haben sich an verschiedenen Orten – Filmstudios Rosenhügel, Semperdepot, Ottakringer Brauerei, Kunstraum Exnergasse/WUK, Wasserturm am Wienerberg auf die Suche gemacht und festgestellt: das ist gar nicht so einfach – die Leere ist gefüllt mit Raum.
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1 Daniel Karner 2 Elias Berner 3 Regina L채ngle
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4 Alex Zech 5 Nicole F端rst
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China – Studienreise
8. bis 31. 5. 2010 –– 23 tage in einer anderen welt shanghai, expo, bund, kolonialbauten, essen, teehäuser, wolkenkratzer, finanzcity, reichtum, rmb, fotoshootings, komplimente, im „auge des taifuns“, lichtermeer, kitsch, menschenmassen, nanjing lu, volkspark, yu-garten, fuyou road, morgenübungen, mao, kommunismus, shanghai museum – bronze, keramik, kalligraphien, stein, malerei, fuzhou road, literatur- und künstlergasse, manieren, rülpsen, spucken, freundlich, hilfsbereit, beijing, smog, lamatempel, farbenpracht, mönche, drachen, harmonie, ditanpark, anstarren, verbotene stadt, tian’anmen-platz, himmelstempel, himmels-altar, rosengarten, verdreckte öffentliche toiletten, enormer straßenverkehr, hupen, antiquitätenmarkt, ritanpark, ming-gräber, große mauer, jade, seide, galerie, sommerpalast, guilin, li-flussfahrt, yangshuo, shangri-la, armut, landschaft, landleben, karstgebirge, felswände, vielfältige pflanzenwelt, bambusboote, kormorane, regenzeit, erschöpft, müde, for lake, xishan-park, teiche, wasserfälle, quixing-park … Madlen Lopatka | Studierende B
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EU-Austauschprojekt Projektleitung | Jitka Plesz Teilnehmerinnen: Szilvia Göttlicher, Guanwei Liu, Janine Kälble, Elisabeth Loibner, Madlen Lopatka
Im April 2010 waren fünf Studentinnen im Zuge des von der EU geförderten Leonardo-da-Vinci-Projektes einen Monat lang in Svetlá nad Sázavou, Tschechien, an der Umeleckoprumyslová Akademie, wo hauptsächlich mit Stein, Keramik und Glas gearbeitet wird. Die Studentinnen sollten Auslandspraxis bekommen und einen Einblick in die Arbeit mit Glas erhalten. Besonders begeistert waren die Studentinnen von der vielfältigen Bearbeitungsweise von Glas wie Glasblasen, Glasmalen, Glasfiguren herstellen und Glasritzen. Im Großen und Ganzen haben die Studentinnen auch ihrer eigenen Ansicht nach großen Nutzen aus dem Austausch gezogen.
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1 Elisabeth Loibner 2 Szilvia Gรถttlicher 3 Madlen Lopatka 2
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4 Szilvia Göttlicher 5 Guanwei Liu 6 Janine Kälble
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Malerei an der Ruskin School of Drawing and Fine Art, Oxford und Architektur an der London Metropolitan University. Klangkünstler, Musiker, Sound Designer und Komponist. Freischaffender Künstler und Autor. Bildende Künstlerin, arbeitet mit den Mitteln von Installation, Fotografie und Konzeptkunst. Freier Regisseur und Choreograph, dabei auch Land- und Forstwirt. Philosophin und Autorin zu Fragen von Ästhetik und Lebenswelt. Kunsthistoriker am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Berufsbild KünstlerIn Lehrbeauftragter | Tom Waibel
Die öffentliche Vortragsreihe der kunstschule.at in Zusammenarbeit mit der künstlerischen Volkshochschule, jeden Mittwoch ab 17:30, kuratiert von Dr. Tom Waibel. In der Vortragsreihe berichten geladene Kunst- und KulturproduzentInnen in Vorträgen und Gesprächen über ihre Arbeiten und Forschungen, vor allem aber über die sozialen und ökonomischen Begleitumstände, die ihre Arbeit bestimmen.
Arbeitet am europäischen Institut für progressive Kulturpolitik (eipcp.net) in Wien.
78 Lisbeth Kovacic Fotografin, Medien-, Perfomance- und Objektkünstlerin. Hadwig Kräutler Beauftragte für museologische und konzeptuelle Fragen an den Österreichischen Galerien Belvedere. Wolfgang Mittelberger Verein zur Förderung von Kunst und Leben im Urbanen Raum und Cinema Picobello in Ottakring. Klaus Neundlinger Philosoph, Übersetzer und Lehrer für Deutsch als Fremdsprache in Wien. Rosa Reitsamer Soziologin mit Forschungsschwerpunkt auf der Repräsentation von Frauen in den visuellen Künsten und der Popularkultur. Thomas Renoldner Bildender Künstler und Lehrbeauftragter an der kunstschule.at. Raoul Schmidt Photographie und Visuelle Kunst an der Akademie der Bildenden Kunst in Wien.
der Viennale. Karin Standler Landschaftsarchitektin; Freiraumentwicklung und -gestaltung. Elisabeth Steger Bildende Künstlerin und Autorin, „njet-workerin“. Susanne Toth Poetin, Wortkomponistin und process artist.
Gerda Schorsch Tänzerin, Choreographin und Tanzpädagogin.
Claudia Walkensteiner-Preschl Vize-Rektorin der Universität für Darstellende Kunst in Wien.
Catrin Seefranz Medienverantwortliche der Dokumenta in Kassel und
Christoph Wiala Architekt und Diplomingenieur.
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Buchworkshop
Lehrbeauftragte | Babsi Daum Zum einen geht es um das Handwerk Buchbinden, zum anderen um den Einsatz der Buchform als k端nstlerisches Mittel. Was kann ein Buch, wof端r ist ein Leporello gut, wie kann ich mit Bindetechniken experimentieren? 2
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1, 2 Sarin Baghdoyan | Buchexperiment, ca. 20 x 25 cm 3 Jeremias Altmann | Vier Leporelli, aufgefaltet; ca. 5 x 7 cm 4 Jeremias Altmann | Acht Leporelli, ca. 5 x 7 cm 5 Jeremias Altmann | Vier Leporelli, aufgefaltet; ca. 5 x 7 cm
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Lange Nacht der kunstschule Am 23. Februar 2010 fand die „Lange Nacht der kunstschule“ statt, zu der Studierende und Lehrende eingeladen haben. Zu Beginn um 18 Uhr wurde zunächst das aktuelle Jahrbuch 365/09 „Peepshow“ präsentiert. Die Studierenden der Werkstätte Grafik-Design stellten ihr Konzept vor. Anschließend wurde die beste Diplomarbeit des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Diese erstmalige Prämierung einer von elf eingereichten Arbeiten stand bei der diesjährigen Jahrbuchpräsentation im Vordergrund. Der Preis von € 500,– wurde an Linda Gaisbauer vergeben. Linda Gaisbauer gewährte aus der Perspektive betroffener, dort wohnender Menschen mit Guckkästen einen Blick in verschiedene Sozialeinrichtungen der Stadt Wien. Man sah in den entsprechenden Raum und hörte mittels Kopfhörer die Stimme der dort lebenden Person. Von allen eingereichten Diplomarbeiten hat diese sozialkritische Arbeit die Kommission schließlich am stärksten beeindruckt. Anschließend an die Jahrbuchpräsentation hatten die ca. 300 BesucherInnen die Möglichkeit, sich 25 Werke, die von Studierenden und Lehrenden der kunstschule.at für die Versteigerung zur Verfügung gestellt wurden, anzusehen und sich ein Werk auszusuchen, das sie ersteigern wollten. Die darauf folgende Auktion wurde ein voller Erfolg. Der Erlös kam dem Verein „Samara“ zugute. Frau Raina Rushmann, der Vertreterin des Vereins zur Prävention von (sexualisierter) Gewalt an Kindern und Jugendlichen, konnten € 3.435,– übergeben werden.
Nach einem guten Buffet wurden alle Räume mit LiveMusik beschallt und zu Dancefloors umgestaltet. Die gelungene „Lange Nacht der kunstschule“ endete schließlich in den frühen Morgenstunden. Andrea Freissler und Philipp Birkmayer | Studierende MP
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Die Lange Nacht – Das Buffet Gerochen hat man es schon von Weitem. Doch in den Saal mit dem Buffet durfte man leider noch nicht, zumindest glaubten wir das. Die Eröffnung des Buffets sollte um 19 Uhr sein. Doch weil die Auktion länger dauerte, traute sich niemand in den Saal hinein. Auch das Reinigungspersonal dürfte das falsch verstanden haben. Beim kurzen „In-den-Saal-Schauen“ erwischt, wurde ich gleich wieder weggeschickt. Schlussendlich kamen der Direktor und der Präsident der kunstschule.at. Völlig verzweifelt schaute der Präsident in die Menge, die schon seit über einer Stunde vor der Türe stand. Mit einer hektisch winkenden Bewegung gab er endlich das Zeichen, das Buffet zu stürmen. Schön platziert und üppig – so sah das Buffet aus. Das Schnitzel und das Hühnchen, die ich schon vor der Tür über eine Stunde lang roch, waren keine Einbildung. Es gab hunderte belegte Brötchen und Semmeln, sogar Vollkornsemmeln und Kornspitz, mit allen möglichen Sachen gefüllt. Auch für die VegetarierInnen gab es eine große Auswahl. Zum Trinken gab es Mineralwasser, Säfte und einen speziellen Wein, der beim Direktor, dem Präsidenten, dem Ex-Direktor und anderen hohen Gästen gerne gesehen war. Essen konnte man, so viel man wollte, es war genug da. Durchprobiert habe ich fast alles und alles davon war gut. Das Hühnerfleisch war schön pikant und knusprig, das Faschierte gut durch und saftig, das Gemüse frisch und knackig. Alles war auf Tellern und Platten appetitlich serviert.
Die BesucherInnen ließen es sich nicht dreimal sagen, dass man so viel nehmen konnte, wie man wollte. Während sich hauptsächlich Studierende, deren Freunde und Eltern dem Buffet widmeten, waren der Direktor, der Präsident und dessen Begleitschaft stets in der Nähe der Getränke und des Weines. Natürlich wurde auch vom Buffet gekostet, aber nur in Maßen. Auch in Maßen waren leider die Sitzmöglichkeiten, die sofort vergeben waren, aber das konnte die Stimmung im Saal nicht trüben. Patrick Guth | Studierender CA
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Kooperation mit dem technischen Museum Wien
„Bitte nicht berühren“… nein nicht das Ding, das daneben ist gemeint! Ein Problem, dem man im Museum üblicherweise nicht begegnet. In einem „normalen“ Museum darf man doch sowieso nichts angreifen – und wenn man das tut, dann kreischt die Alarmanlage oder die AufseherIn. Im Technischen Museum Wien steht die Interaktivität als eine Form der Kulturvermittlung hoch im Kurs. Diese Form der Wissensvermittlung wird gerne von Vätern dafür verwendet, um ihren Liebsten (klein oder weiblich) allwissend die Welt der Technik zu erklären. Für Jugendliche ist es leider oft auch nur ein beliebtes Sportgerät. BesucherInnen sollen über interaktive „Hands On“ technische Phänomene und Prinzipien ausprobieren und aktiv begreifen. Dafür ist es aber notwendig, die einen, die man berühren soll, von den anderen, die man auch im Technischen Museum Wien nicht berühren darf, zu unterscheiden und klar zu kennzeichnen. Nun haben wir das mit Verbotsschildern, auf denen Buchstaben – Verbotswörter – stehen, getan. Vor lauter Schildern sieht man nun die Wörter nicht mehr. Interaktives „Hands On“ … bitte berühren – Originalexponat aus dem 18. Jahrhundert … bitte nicht berühren – Texttafel … ist egal, weil das ohnehin keiner berührt. Verbotsschilder, die man lesen muss, haben einen großen Nachteil: wenn es zu viele sind, nimmt sie keiner mehr ernst und sie werden nicht gelesen. Daher wurde
die Idee geboren, die Textschilder durch Zeichnungen zu ersetzen, über die man schmunzeln muss. Wer setzt sich schon gerne einer Lächerlichkeit aus? Gemeinsam mit Studierenden der kunstschule.at wurde ein Projekt begonnen und erste Entwürfe wurden gestaltet. Wir im Museum haben viel darüber gesprochen … bis zur Frage, ob das wirklich der richtige Weg ist. Ich bin überzeugt, dass er zielführender sein wird … es kommt nun auf einen Versuch an. Die Studierenden Raphael Holczek und Patrick Guth wurden Ende 2010 ausgewählt, an ihren Entwürfen weiterzuarbeiten. Wir haben im Museum seit Beginn dieses Projekts viel gelernt: über den Umgang von angehenden GrafikerInnen mit dem Museum, über die Notwendigkeit, eigene Vorstellungen klar zu kommunizieren und über die Wirkung von Text und Bild. Ich freue mich, wenn wir im nächsten Jahrbuch über die Umsetzung und die Reaktionen auf die gezeichneten Verbotsschilder berichten können – und freue mich darauf, dass dann alle BesucherInnen schmunzelnd durch das Technische Museum Wien gehen werden. Wolfgang Tobisch | Kfm. Leiter des Technischen Museums Wien
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1 Raphael Holczek | GD 2 Patrick Gutth | CA
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3 Katharina Rosenbichler | CA 4 Christoph Tripes | CA 5 Daniel Wyrobal | CA 6 Alex Zech | GD 7 Caroline Taschler | CA 8 Lukas G端lcher | GD 9 Raffaela Bartik | CA
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Keramischer Digitaldruck Lehrbeauftragte | Helene Avramidis
Ein neues Digitaldruckverfahren mit keramischen Tonern wurde auf einem umgebauten Ricoh-Drucker erprobt. Dieses Verfahren ermöglicht schnelle und individuelle Lösungen für Einzelstücke oder Kleinserien, für die der herkömmliche Siebdruck zu aufwändig und daher auch zu teuer wäre. Ein Transferdruckverfahren mit keramischen Pigmenten aus Metalloxyden, das nach der Montage bei 800° in die Glasur eingebrannt wird und daher spülmaschinen- und säurefest ist.
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Plastisches Gestalten Lehrbeauftragter | Leslie De Melo
Veronika Birer
Igor Gazic
Plastizität verleihen zu können – diese Vorstellung nahmen sich die Studierenden zu Herzen und schufen Werke, die tiefer gehende Erkenntnisse für sie selbst und die BetrachterInnen ermöglichten. Veronika Birer setzt in ihrer Arbeit „Hühnerbein“ Gipsbinden und Knochen in Szene. Das Werk ist zart und eine Klage. Igor Gazic bedient sich der Welt der Blumen. In seinen Kollagen kreiert er eine anziehende und gleichermaßen bedrohliche Welt. Sandra Beck lenkt den Blick auf einen
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Würfel, der erst über Begreifen – im wörtlichen Sinn – auf seinen Inhalt aufmerksam macht. Je nach Inhalt werden unterschiedliche Sinne angesprochen. Eine ausgezeichnete Arbeit in Modellform hat Marlene Hachmeister geschaffen. Sie setzt sich mit der Philosophie der Sprache auseinander, im Besonderen mit dem Werk von Gerhard Roth. „Die Wortmaschine“ kreiert spontan neue Worte, die zu Dichtung werden. Die Studierenden haben begleitend an einem Schmiedeseminar teilgenommen.
Marlene Hachmeister
Sandra Beck
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Laurent Nostitz
Die Specksteinkönigin | geformt, rundgemacht, loch gemacht – abgestemmt – abgetragen – in form gebracht – gesichtslos – kopf – schwer und nach vorn gebuckelt – kalt statt warm – hart statt weich – struktur aber farblos – die specksteinkönigin ganz aus stein – sonnenstrahlloch
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Friedrich Brandstetters Bleisatz-Werkstätte Von der Erfahrung zur Idee
Im Winter 2009 besuchte ich im Rahmen einer Exkursion der Graphikklasse der kunstschule.at zum ersten Mal die Werkstatt von Herrn Friedrich Brandstetter. Friedrich Brandstetter ist wohl einer der letzten Menschen, der sien ganzes Leben dem analogen Buchdruck verschrieben hat. In seiner Werkstätte befinden sich neben original Heidelberger-Druckmaschinen aus dem 19. Jahrhundert auch zwei Linotype-Bleisatzmaschinen aus dem Jahr 1967, welche in der Lage sind, ganze Schriftzei-
len aus wieder verwendbarem Blei zu gießen. Die traditionsreichen Apparaturen sind alle noch in Betrieb und somit europaweit nahezu einzigartig. Friedrich Brandstetter beherrscht aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung sowohl die Bedienung, als auch die notwendige Wartung und Reparatur. Er trägt das Wissen und die Raffinesse mehrerer Generationen des Buchdrucks in die Gegenwart. Als Neffe eines Sägewerkbesitzers bin ich seit meiner frühen Jugend mit Maschinen vertraut, die eine nicht zu unterschätzende Faszination auf mich ausüben. Deshalb
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ist es auch nicht verwunderlich, dass ich Herrn Brandstetter fragte, ob ich zeichnerische Studien seiner Bleisatzmaschinen anfertigen dürfte. Seine freundliche Zustimmung hatte zwei konkrete Folgen: Zum einen meine regelmässigen Besuche, bei welchen ich technische Studien und Skizzen der Gerätschaften anfertigte; zum anderen mein persönliches Eintauchen in die geschichtlichen Hintergründe und in die Zukunft dieser Werkstätte. Abgesehen von Herrn Brandstetters fortgeschrittenem Alter bereitet seit Jahren Probleme, dass der Betrieb finanziell kaum
aufrecht erhalten werden kann. Sollte kurzfristig keine Veränderung geschehen, muss Herr Brandstetter seine Werkstätte innerhalb der nächsten beiden Jahre aufgeben, seine historischen Maschinen verschrotten lassen und die großteils unwiederbringlichen Blei-Schriftsätze zum Kilopreis an Metallwarenhändler verkaufen, um sich den Abtransport der Maschinenteile leisten zu können. Mit seiner Werkstatt geht neben einem weiteren Meister-Handwerk auch ein greifbares Stück Geschichte verloren, da zu seiner Zeit Buchdruck ohne die Hingabe
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und Leidenschaft von Experten wie Friedrich Brandstetter nicht denkbar gewesen wäre. Jeremias Altmann (Druckgraphik), Jakob Liu Wächter De Zordo (Klanginstallation) und David Auner (Fotografie) rücken mit ihren Arbeiten die Friedrich Brandstetter GesmbH in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und initiieren kritische und kontroverse Diskussionen rund um analoge Medien und ihren Ausdruck. In der Ausstellung ist die foto-/grafische Auseinandersetzung mit dem Thema ‚analog-maschineller Buchdruck‘ zu sehen. Zusätzlich bereichert wird der visuelle Eindruck durch eine Klanginstallation, bei welcher Originalaufnahmen der arbeitenden Apparaturen zum Ausgangspunkt der Komposition verschmelzen. Auf einem Monitor wird, neben einem bereits ausgestrahlten Fernsehbeitrag aus der Serie „Aussterbende Berufe – Wie geht das?“ , der Videobeitrag von Ursula Pelczar und Sabine Stastny gezeigt.
1 Jeremias Altmann 2 David Auner
Jeremias Altmann | Studierender G
3 Ursula Pelcar und Sabine Stastny
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BeSt 2010
4. bis 7. März 2010 Der Stand der kunstschule.at war schlciht und sachlich in Schwarz-Weiss gehalten und hebte sich damit deutlich vom Farbenmeer der Umgebung ab. Die sitzende Position der Beteiligten erlaubt eine andere Ebene der Kommunikation. So wurden eine entspannte Atmosphäre und ein Ruhepol geschaffen, der ein gedankliches Ausklinken aus dem BeSt-Geschehen ermöglichte. Durch Kommentare von Studierenden über die kunstschule.at, welche vorab auf Post-its geschrieben wurden und einem stetigen Wechsel unterlagen, wurde dem Stand ein weiterer Anknüpfungspunkt hinzugefügt, welcher bei BesucherInnen Neugierde und Interesse wecken sollte. Überdies erhielten Interessierte nach einem Gespräch das Jahrbuch sowie die Infobroschüre. Eine räumliche Ausdehnung durch flexible Sitzgelegenheiten über die Fläche des Standes hinaus, gewährleistete ein breites Forum für Diskussion. Der Stand, das Jahrbuch und die Infobroschüre warenProdukte der Studierenden der kunstschule.at. Diese standen den BesucherInnen für Fragen zur Verfügung.
Max Cruder | Studierender DR
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Kunstgeschichte
Lehrbeauftragter | Tom Waibel
„Why have there been no great women artists?“ Eine Arbeit von Stefanie Hempel | Studierende MP Wo sind sie, die großen Meisterinnen, wegen derer die Leute ins Museum pilgern und vor Ehrfurcht erschaudern, die Michelangelas und Paula Picassas? Wenn „es Giotto mit seinen Schafen und van Gogh mit seinen Anfällen schaffen konnten, warum nicht die Frauen“ 1 fragt 1971 Linda Nochlin in ihrem Aufsatz, um Licht in einen dunklen Bereich der Kunstgeschichte zu bringen. Sind Frauen zu Größe nicht fähig? Es muss gar nicht tief gegraben werden, um zu erkennen, dass ‚Genie‘ alleine nicht reicht, um in das Lexikon bedeutender KünstlerInnen aufgenommen zu werden. Die Geschlechtszugehörigkeit einer Person legte bis ins letzte Jahrhundert fest, ob, womit und in welchem Ausmaß sie sich mit etwas zu beschäftigen hatte oder eben nicht und wie dies zu beurteilen sei. Künstlerisch ambitionierte Frauen arbeiteten in einem Setting, in dem Auftraggeber, Mäzene, das kaufkräftige Publikum, Rezensenten, Vereinsvorstände, Juroren, die Mitglieder beim Künstlerhaus – der Markt bestimmenden Wiener Institution – Männer waren. Daher wurden ihnen auch viele Vorurteile und Ressentiments in den Weg gestellt und sie
waren geringerer gesellschaftlicher bzw. fachspezifischer Wertschätzung ausgesetzt. Dies lag aber nicht etwa an geringerer Begabung, sondern an Wert- und Normvorstellungen, die sich in Aussagen wie „das höchststehende Weib steht noch unendlich tief unter dem tiefst stehenden Manne“ 2 von Otto Weininger sowie so genannten Erklärungsmodellen der ‚Natur der Frau‘, aus denen, die weibliche Rolle und ihre gesellschaftliche Funktion abgeleitet wurde, widerspiegeln. Die Ehe galt als unvereinbar mit einer künstlerischen Laufbahn, da Frauen dabei entweder die Kunst oder die Familie vernachlässigten. Einerseits sollten sie also den Schein von künstlerischer Arbeit vermeiden, andererseits den Vorwurf von oberflächlicher Beschäftigung und Dilettantismus entkräften. 3 Auf der Ausbildungsebene hatten Frauen gegen institutionelle Ausschlussmechanismen anzukämpfen: Erst 1920 wurden 14 Frauen in die 1692 gegründete Akademie der Bildenden Künste in Wien (im Verhältnis zu 250 männlichen Studierenden) aufgenommen. Die seit 1872 gestellten Anträge auf Zulassung wurden bis dahin mit der Begründung abgelehnt, Frauen seien nur „selten mit
99 schöpferischem Geist auf dem Gebiet der großen Kunst ausgestattet, weshalb im Falle der Zulassung von Frauen zum Studium an der Akademie ein ‚Überhandnehmen des Dilettantismus und ein Zurückdrängen des männlichen Elementes’ zu befürchten sei“ 4. Eine Ausbildungsmöglichkeit bot die 1897 gegründete „Kunstschule für Frauen und Mädchen“, die trotz sechsfacher Schulgeldkosten schon bald jährlich 200 bis 300 Schülerinnen ausbildete. In solch privaten Ausbildungen wurde Frauen teilweise auch das Studium des menschlichen Körpers ermöglicht, wohingegen dies bis 1937 in der Akademie problematisch blieb 5. Eine Frau, von ‚niederem Stand‘ versteht sich, konnte sich einer Gruppe von Männern ‚als nacktes Objekt’ zeigen, aber es wurde den Frauen an den Akademien nicht gestattet, am Studium und an der Aufzeichnung des nackten männlichen Körpers aktiv teilzunehmen, ihnen stand nicht einmal ein weibliches Aktmodell zur Verfügung 6. Darin spiegeln sich die zu dieser Zeit den Menschen eingeprägten binären Oppositionspaare wider: Geist – Fleisch, Mann – Frau, Subjekt – Objekt, aktiv – passiv etc.: männliche Wunschvorstellungen, die der Frau aufzwangen, Fleisch zu sein. Entscheidend ist, dass das Studieren der menschlichen Anatomie von einem lebenden menschlichen Modell als unabdingbare Voraussetzung ‚hoher Kunst‘, der Historienmalerei, gewertet wurde. Frauen mussten sich gezwungenermaßen auf Sujets wie Stillleben, Portrait oder Landschaften beschränken, ihnen wurden große Fähigkeiten und Intellekt abgesprochen. Künstlerinnen, die sich in diesen ‚niedrigeren‘ Genres betätigten, wurden daher als weniger talentiert betrachtet. Für Frauen bedeutete dies, dass sie automatisch in eine niedrigere Stellung bzw. Unterlegenheit aufgrund der von Männern initiierten hegemonialen Strukturen gezwungen wurden 7. Diese Fakten brachten Linda Nochlin
zur Formulierung der These: „In der Tat wurde es Frauen von institutioneller Seite her unmöglich gemacht, auf der gleichen Basis wie Männer besondere künstlerische Leistungen oder auch Erfolge zu erzielen, unabhängig davon, wie es um das sogenannte Talent oder Genie bestellt war“ 8. Neben der Verbreitung von Vorstellungen von der Künstlerin als ‚unleidliches Zwittergeschöpf‘ 9 wurden diese selten ermutigt, vielmehr ermahnt, zurechtgewiesen, belächelt und herabgesetzt 10, wie diese Äußerungen einiger Kunsttheoretiker bezeugen: „die Frau�������������������������������������������� … ����������������������������������������� sollte sich������������������������������ … ��������������������������� nicht mit einem problematischen Tun abmühen, das sie im günstigsten Fall eine mittelmäßige Mannesleistung erreichen lässt.“ 11 „die Malerin [ist] im Wesentlichen auf Nachahmung und Nachempfindung der Männerwerke angewiesen, auf Naturalismus, Dilettantismus und Formalismus. Immer aber fehlt es ihr an Originalität.“ 12 „Der Mangel an Vermögen zu kombinieren, d. h. in der Kunst der Mangel an Phantasie, macht die weibliche Kunstausübung im großen und ganzen [sic!] wertlos.“ 13 Künstlerinnen sahen sich mit einem männlichen Darstellungs- und Deutungsmonopol konfrontiert, das alles ‚Nicht-Männliche‘ unterordnet und ausgrenzt 14 und eigentlich noch mehr: They are … excluded … from the idea of the artist. 15 Beispielhaft dafür ist das Gemälde „Academicians of the Royal Academy“ von Johann Zoffany 1772: unter der Schar männlicher, angehender Künstler sind Angelika Kauffmann und Mary Moser vertreten – als �������������������������������� is thus represented as obPortraits an der Wand. Woman ject for art rather than art producer. 16 In der Kunstgeschichtsschreibung als ‚Erzählung von Vätern und Söhnen‘ 17 manifestierten sich die Vorstellungen von der Frau als Künstlerin in Form von Marginalisierung und Ausschluss. Oder haben Sie schon einmal eine Ausstel-
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Broncia Koller-Pinell: Sitzende (Marietta), 1907
lung von Olga Wisinger-Florian (1844 –1926), Marie Egner (1850 –1940), Tina Blau (1845 –1916), Broncia Koller-Pinell (1863 –1934) oder Elena Luksch-Makowsky (1878 –1967) gesehen oder von ihnen gelesen? Gemeinsam haben die ersten drei Freauen, dass sie jener ersten in Österreich tätigen Generation angehören, „die den Schritt hinaus in das Leben als autonome Künstlerin vollzogen“ 18, die mit dem Genre der Landschaftsmalerei im Stil des Stimmungsimpressionismus regelmäßig und auch international erfolgreich ausstellten, von Kritikern beachtet wurden, sowie Ehrungen und Medaillen erhielten. Im Kreis der Wiener Secession reüssierten Künstlerinnen wie Elena Luksch-Makowsky, Broncia Koller-Pinell, Hermine Heller-Ostersetzer, Charlotte Andri-Hampel, Emilie Mediz-Pelikan, Teresa Feodorowna Ries oder Ilse Twardowski-Conrat. Der Zugang zur Secession war für die
vorwiegend figurativ arbeitenden Frauen fast ausschließlich über Lehrer oder Ehegatten (die selbst Künstler oder Mäzene waren) möglich. Als „Teil eines größeren Systems kultureller und ideologischer Praktiken“ liegen der Kunstgeschichte wie auch der Kunst Werte und Normen vermittelnde Diskurse zugrunde, in denen Machtverhältnisse produziert und reproduziert werden 19. “On the one hand, art history takes as its object of study a form of cultural production and ideology – art. On the other hand, the discipline itself is a component of cultural hegemony maintaining and reproducing dominative social relations through what it studies and teaches and what it omits or marginalises, and through how it defines what history is, what art is, and who and what the artist is.” 20 Als Teil einer kulturellen Ideologie impliziert Kunstge-
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Louise Bourgeois: Temper Tantrum, 2000
schichte, dass es sich nicht um ein statisches Gebilde handelt, sondern um eine variable, gemachte, die jeweilige Zeit und Kultur widerspiegelnde und in ihren Ausformungen daher entsprechend männlich dominierte und orientierte Konstruktion. Elfriede Jelinek in einem Interview 1998 dazu: „Es ist nicht so, dass Frauen keine Machtstellen besetzen könnten, aber der Diskurs ist ein männlicher. Frauen bestimmen nicht, wer spricht. Die Norm sind sie nicht. Sie sind immer das andere, das sich an der Norm abarbeiten muss. Und sie besitzen auch nicht die Regel, wonach ein Kunstwerk als Kunstwerk zu gelten hat.“ 21 Erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts begann eine Korrektur des herrschenden Blicks, eingeleitet von feministischen, dekonstruktivistischen u.a. Theorien und Ansätzen, welche weit über eine nachtragende, die Kunstgeschichte mit Künstlerinnen ergänzende Praxis hinaus-
Lida Abdul: The White House, 2005
gingen. Zuletzt noch ein Blick auf die gegenwärtige Situation: Derzeit stehen 570 Studentinnen der Akademie der Bildenden Künste 936 Studenten gegenüber, sowie neun Universitätsprofessorinnen 29 männlichen Kollegen 22. 33% der Künstlerinnen in Österreich müssen trotz üblicherweise hoher Qualifikation (47% Akademikerinnen) mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 720 Euro auskommen (Bundesvernetzung), mit 20% weniger als ihre männlichen Kollegen 23. Zur Deckung des Lebensunterhaltes müssen weitere Tätigkeiten angenommen werden, wodurch Frauen wieder weniger Zeit für ihre künstlerische Arbeit bleibt, die durch familiäre Verpflichtungen oder als Alleinerzieherin ohnehin schon eingeschränkt ist. Auch bei der Förderung durch öffentliche Stellen bzw
102 dem Ankauf von Kunstwerken durch das Bundesministerum für Unterricht und Kunst sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert bzw. in niedrigeren Förderungskategorien zu finden. Hier gilt die Regel der ‚umgekehrten Proportionalität‘: Je mehr Ehre oder je höher das Preisgeld, desto niedriger der Frauenanteil 24.
Anmerkungen: 1
Nochlin 1996: 37
2
Berger 1982: 77
3
Ebd. 175f
4
www.akbild.ac.at/…frauenfoerderung/egermann_studie-
ren_in_wien.pdf 5
Daher fordert die ‚Bundesvernetzung Frauen in Kunst und Kultur‘ neben einer geschlechter-paritätischen Besetzung aller Entscheidungsgremien die „Entwicklung von Richtlinien für die Vergabe von Kulturfördermitteln in Zusammenarbeit mit Frauennetzwerken und kulturellen Interessenvertretungen. Fördergelder sollen grundsätzlich an Gender-Kriterien gebunden sein und Effekte dieser Maßnahme regelmäßig erfasst und offen gelegt werden“ 25. Zur Herstellung von Symmetrie in allen Bereichen und auf allen Ebenen des künstlerischen und kulturellen Lebens sind die Schaffung von Netzwerken 26, die Verbesserung der berufsspezifischen Rahmenbedingungen (soziale Absicherung, Aus- und Weiterbildung), aktive Gleichstellungspolitik notwendig, um nur einige zu nennen. Dabei sollen aber nicht die diskriminierenden Implikationen einer Geschlechtszugehörigkeit ins Zentrum der Abschaffung gerückt und alle anderen Diskriminierungsachsen marginalisiert werden, sondern ebenso die mit sozialer und nationaler Herkunft, Konfession, sexueller Ausrichtung, Alter, ökonomisch bzw. sozial bedingten Unterschieden und individuellen Beeinträchtigungen verbundenen Ungleicheiten 27.
Ebd.
6
Nochlin 1996: 41
7
Parker/Pollock 1987: 216
8
Nochlin 1996: 56
9
Vgl. Berger 1982: 68
10
Vgl. Feiner-Zalac 2000: 191
11
Arthur Roessler 1922: 64, zit. nach Brugger 1999: 47
12
Karl Scheffler, zit. nach Brugger 1999: 48
13
Paul Julius Möbius 1853-1907, zit. nach Dollen 2000: 21
14
Vgl. Frübis 2000: 268
15
Pollock 1987: 217, (16) Ebd.
17
Vgl. Frübis 2000: 269
18
Brugger 1999: 9
19
Vgl. Frübis 2000: 266
20
Pollock 1987: 205
21
Elfriede Jelinek, Interview in der Süddeutschen Zeitung
vom 10. März 1998 zit. nach Feiner-Zalak 2000: 207 22
www.akbild.ac.at/Portal/intern/gleichstellung/netzwerk-fuer-
frauenfoerderung/frauenforderung/egermann,_studieren_in_ wien.pdf 23
Vgl. Scherke 1999: 15
24
Ebd.
25
Bundesvernetzung Frauen in Kunst und Kultur
http://kulturrat.at/debatte/zeitung/rechte/koweindl 26
Siehe dazu etwa: www.frauenkultur.at;
27
Vgl. Geschlechtergerechtigkeit:
http://kulturrat.at/zeitung/rechte/benzer
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1
UM:DRUCK
Edition„jugendfrei“ Projektleitung | Eric Neunteufel und Eliane Huber-Irikawa Die Grafikfachzeitschrift UM:DRUCK, die vier Mal pro Jahr erscheint, bringt als Beilage eine Edition der Graphikwerkstätte heraus. Auf dem Papierformat A4 wird in frei wählbarer Technik eine Arbeit in einer Auflage von 50 Exemplaren veröffentlicht. Im Jahr 2009/2010 sind Arbeiten von Martin Bischof (Zwei-Farben-Lithografie), Irene Amberger (Siebdruck in fünf Farben) und Jeremias Altmann (Kupferdruck Grau und Schwarz) erschienen.
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3
1 Jeremias Altmann 2 Martin Bischof 3 Irene Amberger
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Kooperation mit der Universität für Bodenkultur Produktdesign und Marketingstrategie
Projektleitung | Brigitte Ammer, Birgit Kerber, Tom Thörmer Für einen Buchweizen-Snack, der von DI Julian Zwerenz im Rahmen seiner Diplomarbeit am Institut für Lebensmitteltechnologie der Universität für Bodenkultur entwickelt wurde, haben die Studierenden der Werkstätte Grafik Design Verpackungsdesign und Marketingstrategie entwickelt. Wichtig dabei war, den Österreichbezug hervorzuheben und die gesunden Inhaltsstoffe zu betonen. Elf Konzepte wurden präsentiert. Drei davon wurden ausgewählt und bildeten die Basis für die Weiterentwicklung des Erscheinungsbilds. Die ausgewählten Arbeiten stammten von Eva Mogg, Matthias Moser, Lisa Rindberger und Jakob Ritt, die gemeinsam aus ihren unterschiedlichen Ideen und Konzepten das Verpackungsdesign und die Marketingstrategie des Bio-Snacks realisierten. Das Endergebnis wurde bei der „Trophelia“ (internationaler Studierenden-Wettbewerb für Lebensmittel-Produkte) eingereicht. Die Endausscheidung des Wettbewerbs fand im Rahmen der SIAL, der weltgrößten Messe der Lebensmittelindustrie statt. Die Gruppe präsentierte ihr Konzept und Verpackungsdesign vor einer internationalen Jury in Paris.
Impulsreferat zu Marketing und Werbepsychologie: Gerald Kotschwar KooperationspartnerInnen: ao. Univ. Prof. DI Dr. Emmerich Berghofer, DI Katharina Hanz, Ute Innerkofler, DI Julia Schmidt, Franz Gaisbauer
TeilnehmerInnen: Sarin Baghdoyan, Tanja Gahr, Melanie Kasper, Jürgen Korntheuer, Eva Mogg und Lisa Rindberger, Matthias Moser Ines Rauter, Jakob Ritt, Mirjam Schweigkofler, Benedikt Skorpik, Christoph Tripes
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2
2 Melanie Kasper 3 Christoph Tripes
1
3
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4 J端rgen Korntheuer 5 Mirjam Schweigkofler 6 Benedigt Skorpik
6
5
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8
109 7 , 8 Matthias Moser 9 Eva Mogg und Lisa Rindberger 10 Tanja Gahr 11 Jakob Ritt
10
11
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In Paris wurde die Verpackung von Eva Mogg, Matthias Moser, Lisa Rindberger und Jakob Ritt pr채sentiert.
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Two nights in Paris Im Sommersemester 2010 trat die Universität für Bodenkultur – kurz Boku – mit dem Vorschlag an die StudentInnen der Werkstätte Grafik Design heran, ein Verpackungsdesign für das soeben entwickelte Produkt „Xundis“ zu erstellen. Es wurden drei Designs ausgewählt, um eins zu werden, und sowohl den Vorstellungen der Boku StudentInnen, als auch den Vorstellungen des generösen Geldgebers zu entsprechen. Langer Rede kurzer Sinn: Bei einem unserer Treffen wurde uns der Vorschlag unterbreitet, unsere Verpackung im Zuge des „Trophelia Europe Awards“ auf der SIAL in Paris zu präsentieren. Solch eine Möglichkeit lässt man sich selbstverständlich nicht entgehen. Also meldeten sich zwei waghalsige KunstschülerInnen – Eva
und Jakob – Frau Mogg und Herr Ritt, um die kunstschule.at auf diesem Wettbewerb zu vertreten. Gesagt getan: Bald waren wir in Paris in unserer Bleibe angelangt und ich freundete mich, mit flauem Magen, mit dem Gedanken an, am nächsten Tag eine Präsentation vor einer internationalen Jury abhalten zu dürfen. Es stellte sich heraus, dass sich die Präsentationen der MitbewerberInnen vor allem mit den Produkten und deren Markttauglichkeit beschäftigten. Unsere Präsentation rückte das Produkt und das Designkonzept in den Vordergrund. Also brauche ich kaum erwähnen, dass die Verpackung von Xundis im oberen Bereich der eingereichten Arbeiten angesiedelt war. Nichtsdestotrotz reichte es nicht für einen der ersten drei
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Plätze, doch unsere gemeinsame Arbeit mit der Universität für Bodenkultur in Wien erhielt viel positives Feedback. Den Rest des Tages verbrachten wir in der Metro und deren Stationen, da die Franzosen mal wieder einen Streik eingelegt hatten und die Wartezeiten dementsprechend ausgedehnt waren. Trotz der widrigen Umstände schafften wir es noch in ein nettes Bistro und erquickten
uns an diversen Nationalgerichten. Für jeden, der sich die Frage schon einmal gestellt hat: Schnecken schmecken vorzüglich und sind nicht im Geringsten schleimig. Jakob Ritt | Studierender GD
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Labor Kritik
Lehrbeauftragter | Tom Waibel Das Lehrfach „Labor Kritik“ ist aus einer Studierendeninitiative entstanden und bietet Gelegenheit für eine umfassende kritische Auseinandersetzung im Bereich des künstlerischen Schaffens innerhalb sowie außerhalb der Institution kunstschule.at. Lehrinhalte und Ziele der Lehrveranstaltung werden von den TeilnehmerInnen sowie Lehrbeauftragten gemeinsam erarbeitet und beschlossen. Insbesondere soll ein Bewusstsein für kritisches Denken entwickelt werden. In der Lehrveranstaltung geht es vor allem darum: • den sozialen Raum auf die Möglichkeiten einer künstlerisch-kritischen Auseinandersetzung hin zu untersuchen; • Verbindungen zu analysieren, die sich auf den Alltag eines jeden Individuums auswirken; • gesellschaftliche Mechanismen zu verorten und deren Auswirkungen innerhalb und außerhalb des künstlerischen Schaffensbereiches zu benennen. Labor Kritik steht allen Studierenden ab dem zweiten Semester offen, die an einer theoretisch-praktischen Herangehensweise interessiert sind, um einen Nährboden für künstlerisch-kritische Auseinandersetzungen zu schaffen. Rock ‘n’ Roll Baby!
An den Vorstand Verein Wiener Kunstschule ZVR-Zahl 101995590
Wien, am ………………
Antrag um Aufnahme in den Verein Wiener Kunstschule als ordentliches Mitglied
Ich, ………………………………………………..,
geb. am ………………,
wohnhaft in ……………..……………..………....
…………………………………………..…….......,
bin seit ………………………. Schüler/in der kunstschule.at.
Ich kenne die Schule daher sehr gut von innen, möchte mich voll an der Vereinsarbeit beteiligen und ersuche, meinem Antrag zuzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Antragsformular zur Aufnahme in den Verein Wiener Kunstschule
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Grundlagen des Zeichnens
Lehrbeauftragte | Babsi Daum und Martin Huber
„Zeichne das Gleiten der Füße, das Liegen der ruhigen Hand, das Zittern der Mundwinkel, das Biegen der Knie und die Wärme des Stuhls. Zeichne das Stückchen Raum, welches von deinem Rücken verdeckt wird; zeichne einen Raum aus deiner Erinnerung und ziehe einen Faden von einer Ecke zur anderen. Zeichne ein Ding fünf Meter entfernt von dir; zeichne den Weg von dir zum Ding. Zeichne die übersprungenen Rückseiten der Gegenstände auf den Wegen. Dann zeichne eine dichte Überlappung deines Blicks zu dem Ding mit seinem Blick zu dir. Nach all dem Zeichnen verlierst du Distanz und siehst Blicke sich endlos kreuzen und schwärzen.“
Aus: „Kehren und Zeichnen“, Suse Wiegand, Post Texte 1, Kulturforum Alte Post Neuss, 1998
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Erste groĂ&#x;formatige Zeichnungen am Boden aufgelegt
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Experimente mit Haushaltsgummis und Karton
Zeichnen und Fahrrad fahren Zeichnen im Raum
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Thomas Albert | Torso Gips, PU-Schaum, Schmiedeantik
Formenbau
Lehrbeauftragter | Hermann Seiser Formen-, Modell-, und Prototypenbau sind Fachgebiete, die in der Umsetzung und Herstellung von Modellen für die Bildhauerei, Keramik, Produktgestaltung, Architektur und in den verschiedensten Bereichen der Industrie eingesetzt und praktiziert werden. In den künstlerischen Bereichen dient der Formenbau und das damit verbundene Modelldenken dazu, Entwürfe, Mechanismen oder darzustellende Objekte einer dreidimensionalen Präsenz zuzuführen.
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Madlen Lopatka | Ohne Titel | Porzellan, Holz / lasiert, Gips
Das sogenannte Modelldenken entwickelte sich weit vor Beginn der Steinzeit, in der Biologie der Realität, aus der evolutionär jungen Fähigkeit des Menschen, Abstraktionen zu denken und zu verwenden, aus den Fähigkeiten, Modelle für Lichtungen, Felder, Ansiedlungen, Wege, Figuren, Gefäße, Maschinen usw. zu denken und zu „machen“. Der Formenbau mit dem Beginn in der Kupferzeit hat uns Reibplatten, Klopfsteine und Schleifsteine, also Steinnegative überliefert, die zum Schmieden von Speer-
spitzen und Schmuck dienten. Die Kupfermetallurgie und der damit verbundene Formenbau entstanden im 6. Jahrtausend v. Chr. im anatolisch-kaukasischen Raum. Die Lehrveranstaltung Formenbau sieht sich immer mehr als Zentralwerkstätte der kunstschule.at, in welcher das projektorientierte Arbeiten mit einer großen Auswahl an Materialien die Umsetzung der Entwürfe ermöglicht.
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Orientierungsjahr 2010 Animation
Lehrbeauftragter: Thomas Renoldner „Comic und Animation“ ist der jüngste Studienzweig an der kunstschule.at. Im Bereich Animation gestalteten die ersten StudentInnen des Orientierungsjahres im Sommersemester sieben kurze Trickfilme, in denen sie ohne Themenvorgabe ihre ureigensten Vorstellungen vom Medium Animation formulieren konnten. In der Zusammenschau dieser sieben Filme zeigte sich ein unbekümmerter Gestaltungswille, eine überraschend hohe handwerkliche Qualität und eine erstaunliche Bandbreite unterschiedlichster Zugänge.
Raffaela Bartik | Cat & Katta | 30 Sec
Handwerklich äußerst präzise ausgeführte Interaktion zwischen zwei Lebewesen, stilistisch zwischen Manga und Disney angesiedelt. Sweet!
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Stefan Petroczy | Der Wurm wird kommen | 2 Min 24 Sec
In durchdachten Kamerapositionen beobachten wir einen recht naturalistisch animierten Plastilin-Wurm, der sich durch die menschenleere Wohnung hinaus ins Freie windet. Dort schlüpft er in einen Kübel mit schwarzer Farbe, die als übergroße Malerei den Betonpfeiler einer Autobahnbrücke überwuchern wird: die Darstellung einer gigantischen Schlange. Hommage an den italienischen Street Artist Blu.
122 Ruth Felicitas Zimmermann, Mark Reiter | Ninja Battle | 1 Min 25 Sec
Handwerklich aufwändige Puppenanimation (inkl. Kulissenbau), die diverse Spielarten des Genre-Kinos unterhaltsam auf die Schippe nimmt. Kämpfer und Kämpferin stürzen sich zuerst in einen wüsten Schlagabtausch; nachdem sich der „Ninja-Kämpfer“ am Kopf verletzt, beschließen die beiden die gefährlichen Waffen zur Seite zu legen, um sich exzessivem Break Dance zuzuwenden. Auch diese Freizeitbeschäftigung stellt sich als recht gefährlich heraus, die weibliche Figur verletzt sich dabei schon bald das Knie. Die beiden verlassen in entgegen gesetzten Richtungen das Bild, um sich keinen weiteren Gefahren zwischenmenschlicher Interaktion auszusetzen.
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Claudia Lampl, Reinhard Trinkler, Katharina Rosenbichler, Alexander Stamenov | Waldtiere | 1 Min
Im Wald tummeln sich die unterschiedlichsten putzigen Tierchen, die in teils slapstickartigen Interaktionen aufeinander treffen. Der mit zeichnerisch erstaunlicher Finesse gestaltete Film erinnert stilistisch an Disney’sche ‚full animation‘ und bildet gleichzeitig eine Verbindungslinie zwischen den beteiligten ZeichnerInnen, die jeweils eine eigene Figur und die entsprechende Szene entwerfen mussten, wobei die Übergänge zwischen den Szenen in Absprache mit dem/der nächsten ZeichnerIn erfolgen musste.
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Sonja Berger, Asami Takahashi, Haruka Nishijima, Jasmin Karle | Happy Chibi Friends | 1 Min 38 Sec
Ähnlich wie im Film „Waldtiere“ entwirft und zeichnet jede beteiligte Zeichnerin ihren eigenen „Charakter“. Die sehen zwar „süß“ aus, stürzen sich aber nach wenigen Sekunden ins erbarmungslose Massaker. „Happy Tree Friends“ steht hier zweifelsfrei für die Story Pate, stilistisch sind die Vorbilder im gezeichneten Manga unverkennbar. Dramatische Musik sorgt für die entsprechende schweißtreibende Stressatmosphäre und logischerweise überlebt keine der Figuren die gegenseitige Vernichtungsorgie.
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Rebecca Gutleben, Daniel Benkö, Lea Runggaldier, Martina Rosenthal | Schlangenfilm | 2 Min 42 Sec
Die humoristische Wirkung des Filmes basiert in erster Linie auf der Kombination von Tonebene und Bildebene, wenn die – diesmal etwas trashig animierten „Schlangen“ – unterschiedlichste Orte der Welt bereisen und dabei tief in die Klischeekiste gelangt wird. Kitschige Postkartenhintergründe werden mit trashigen Muzak-Collagen kombiniert, die Schlangen winden sich in farblich passenden Outfits durch die absurden Klischeewelten.
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Mineheart Ablaza, Caroline Taschler, Songhay I. Toldon | Overkill | 1 Min
Auch bei „Overkill“ wenden die GestalterInnen das Prinzip der individuellen Identifikation mit jeweils einer Filmfigur an, allerdings geht das – so wie bei allen Filmen – perfekt eingespielte Team einen Schritt weiter, wenn sie sich zuerst in einer Realfilmsequenz zeigen, in der sie bereits die Filmfiguren verkörpern, bevor sie in die ‚fantasy world‘ des Trickfilms eintauchen. Alle drei sind heroische Figuren mit übernatürlichen Kräften und magischen Fähigkeiten und besiegen klarerweise ihre Feinde. So wie im richtigen Leben. ;-)
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media extended
Lehrbeauftragter | Carlos Katastrofsky Das Pendeln zwischen Form, Technologie und Inhalt kennzeichnet eine Arbeitsweise, die im künstlerischen Feld sehr stark verankert ist. Betrachtet man diese Aspekte einzeln, so fällt auf, dass Form und Inhalt bereits eine sehr lange Beziehung zueinander pflegen, die auch intensiv diskutiert wurde und wird. Die Frage nach der Technologie ist in der Beurteilung von Kunst aber normalerweise nebensächlich. Lediglich in Randnotizen wird auf manche Gegebenheiten eingegangen: Material, Technik, Maße. Dabei ist es – so-
Patrick Lins | hunter‘s street | Video
wohl für die Ausgestaltung der Form wie auch des Inhalts – nicht unerheblich, welche Technologie in der Umsetzung zum Einsatz kommt, denn auch die Technologie kann in der künstlerischen Anwendung als Teil des Inhalts verstanden werden. Die Lehrveranstaltung „media extended“ behandelt Grundlagen neuerer Technologien, um Studierenden jenes Basiswissen zu vermitteln, das nötig ist, um Inhalt und Form nicht ausschließlich mit traditionellen Mitteln zum Ausdruck bringen zu können.
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Kerstin Halm | pacman | Programmierte Grafik, Größe variabel
Jeremias Altmann | ohne Titel | Generative Grafik, Größe variabel
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Marie-Therese Amtmann | verästelungen | Generative Grafik, Größe variabel
Myriam Fries | quastel | Generative Grafik, Größe variabel
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Krzysztof Nemec | Versuch einer Komposition | Screenshot eines Puredata-Patches, das generative Klangfolgen erzeugt
Lila Lee | ohne Titel | Detail aus ihrer Diplomarbeit. Selbst programmiertes Arduino-Board und Elektronik zur Ablaufsteuerung einer interaktiven Installation
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mehr alles.
Einen Hammer für die Bildhauer! Spätestens nach dem Orientierungsjahr weiß jede/r Studierende, dass die materiellen und räumlichen Ressourcen der kunstschule.at nicht mit der Qualität des Studiums/der Lehre mithalten können. Doch man schätzt das Angebot und die individuelle Freiheit, das Studium zu gestalten und arrangiert sich mit den Gegebenheiten. Im Herbst 2009 wurden aber durch administrative Entscheidungen, die sich in mehreren Abteilungen in unterschiedlichen Ausmaßen niederschlugen, das Gefühl der Mitbestimmung und die angesprochene Freiheit stark beeinträchtigt. Dies war in einer Studierendenvertretungssitzung Anstoß, nicht nur aktuelle Missstände zu diskutieren, sondern auch eine Chance, lange bestehende Probleme anzusprechen. Um auch ja kein Bedürfnis der Studierenden auszulassen, wurde in einer ersten Versammlung (zu der alle Studierenden eingeladen waren) jedes Anliegen notiert und protokolliert. So konnte man auf der Liste der Forderungen neben dem Wunsch nach mehr Raum (Arbeitsraum/ Gemeinschaftsraum/Lagerraum/Archiv/Bibliothek) und mehr transparenter Kommunikation auch den Vermerk eines eigenen Hammers für die Bildhauerei-Werkstatt finden – „mehr alles“ lautete die Devise bei der Erstellung der Forderungen. Voller Tatendrang wurde auch ein Communiqué (siehe Beitext) verfasst, bei dem man sich wieder auf das Wesentliche konzentrierte. In der Hoffnung auf Zustimmung zu stoßen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, wurde das Communiqué, zusammen mit der Liste der For-
derungen, dem LehrerInnenkollegium und der Direktion vorgetragen. Die Vorgehensweise der Gruppe unter dem Arbeitstitel „mehr alles“ wurde jedoch vorwiegend mit Skepsis betrachtet, so blieb das ersehnte Echo aus. Nach der anfänglichen Euphorie, Veränderungen herbeizuführen, zeichnete sich der weitere Verlauf der „Bewegung“ durch die minimale Begeisterung für aktive Beteiligung aus. Konfrontiert mit der vermeintlich neuen Situation, nahm „mehr alles“ einen weiteren Anlauf für ein Gespräch mit dem Vorstandspräsidenten – in dem Verständnis gezeigt wurde, doch auch an dieser Stelle schienen die Hände gebunden zu sein. Im Zuge der Gespräche konnte man kleine Errungenschaften verzeichnen, so wurde der Vorschlag, den fehlenden Raum durch Zeit zu kompensieren, von Daniela Schmeiser aufgegriffen. Durch die Verlegung ihrer Bürozeiten, konnten Studierende die Werkstätten auch abends nutzen. Bestätigung fanden die Anliegen von „mehr alles“ durch die wieder zum Vorschein gelangten Videos der Studierendenbewegung „Vormerz“(2003). In Interviews von Studierenden mit Lehrenden wurden die schon damals langjährigen Probleme der kunstschule.at dokumentiert. So ging es um Themen wie die unbefriedigende Raumsituation der kunstschule.at, aber auch Leslie DeMelo musste sich über das Fehlen eines Hammers in der Bildhauerei Werkstatt beklagen. Mit dem Gefühl der Bestätigung kehrte auch ein Gefühl von Ohnmacht ein, da anscheinend schon vor sechs Jahren die gleichen Probleme
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Communiqué zur Bildungsreform der kunstschule.at November 2009
Wo Sklaven knien, Despoten walten, wo sich die eitle Aftergröße bläht, da kann die Kunst das Edle nicht gestalten. Friedrich Schiller
Die momentane räumliche Situation an der kunstschule. at ermöglicht eben diese Gestaltung des Edlen nicht. Diese Einschränkungen, die wir auf diversen Ebenen erfahren, lässt kein freies künstlerisches Arbeiten zu. Raum ist die Grundlage menschlicher Interaktion.
gener Räumlichkeiten für die kunstschule.at. Diese räumliche Notwendigkeit ist grundlegende Voraussetzung für die Klärung aller anderen Missstände, da diese damit alle in direkter Verbindung stehen. Die mangelnde Transparenz der Kommunikation, respektive der Mangel an Kommunikation, sowohl der internen als auch der externen, muss verändert und geltend gemacht werden. Kunst ist eine Art Aufruhr. Pablo Picasso
Die herrschenden Mängel und Missverhältnisse bestimmen unseren Schulalltag. Obwohl die kunstschule.at eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht ist, haben wir gegenüber den öffentlichen Institutionen keine prägnanten Vorteile. Dem Aspekt des künstlerischen Arbeitsprozesses wird in dieser Institution zu wenig Aufmerksamkeit und Interesse geschenkt. Denn die Kunst ist die Tochter der Freiheit. Friedrich Schiller
So ergibt sich für uns nicht nur die Notwendigkeit einer allgemeinen Bildungsreform, sondern vor allem eine individuelle Umwälzung unserer Schulstruktur. Fokus muss die Abkapselung räumlicher Konkurrenz zweier Institutionen sein. Konkret heißt das, dass die Koexistenz der kunstschule.at und der Künstlerischen Volkshochschule unter den gegebenen Umständen nicht möglich ist. Dadurch ergibt sich die unausweichliche Notwendigkeit ei-
Aufruhr bedeutet in diesem Sinne Umwälzung – nicht die blinde Zerstörung der gegebenen Umstände, sondern die Erschaffung neuer Möglichkeiten. Rosemarie Benthen | Diplomandin 2010
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Projektwoche 2010 Freiraum Leerstellen
Während der Projektwoche setzt an der kunstschule.at der reguläre Unterricht zugunsten von werkstättenübergreifenden Kooperationen aus. In Projektgruppen, die sich aus WerkstättenleiterInnen, Studierenden, LehrveranstaltungsleiterInnen und externen Kulturinstitutionen oder geladenen Personen zusammensetzen, finden zuvor erarbeitete Themen und Fragestellungen Raum und Umsetzung. Die Projektwoche findet im Sommersemester statt. Auch Studierende bilden selbständig Projektteams und reichen Themenvorschläge ein.
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( Themenseminar
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Lehrbeauftragte | Agnes Peschta
Am 8. März 2010, Weltfrauentag, wurde der Augartenspitz in Wien gerodet. Jahrelang kämpften AnrainerInnen um den Erhalt des barocken Gartens. Zur selben Zeit hielt Dr. Dieter Schrage (Kulturwissenschaftler, Universität Wien) im Depot im Rahmen des Themenseminars der kunstschule.at einen Vortrag über Hausbesetzungen vor dutzenden Studierenden und Lehrenden und eröffnete damit ein zweitägiges Seminar mit dem Thema Freiraum Leerstellen. Wenige Wochen danach verlor die kunstschule.at ihre Expositur im 12. Wiener Gemeindebezirk. Drei Klassen mussten ihre Räume verlassen und nach knappen sieben Jahren zurück in die Lazarettgasse ziehen, ohne dort annähernd adäquaten Platz vorzufinden. Die Themenseminare der kunstschule.at.at stellen eine theoretische Annäherung an das jeweilige Thema der
darauf folgenden Projektwochen dar. Erstmals wurde dieses Seminar im Rahmen der Lehrveranstaltung Koop, von Studierenden erarbeitet und organisiert. Recherchen, sowie Gastvorträge, etwa von Willi Hejda, Verein Kukuma, schufen ein interessantes Spektrum. Nach Dieter Schrage folgte Alexander Scheer, Rechtsanwalt. Er klärte über die rechtliche Lage bei Besetzungen und Zwischennutzungen auf. Jutta Kleedorfer, MA 18/ Stadtentwicklung und -planung, berichtete von der städteplanerischen Seite im Bezug auf verschiedenste Nutzungsformen. Barbara Jeitler und Manfred Schwaba, beide Gebietsbetreuung Stadterneuerung, Wien 16, gaben Einblick in ihre Arbeit. Ursula Taborsky, Verein Gartenpolylog, stellte Konzepte von interkulturellen Gemeinschaftsgärten anhand internationaler Beispiele vor. Dienstag, 9. März 2010, stand im Zeichen konkreter künstlerischer Projekte. Stefanie Sandhäugl stellte das Projekt „Mobile Initiative Kultur“ am Genochmarkt in Kagran vor. Die KünstlerInnengruppe Kampolerta zeigte Videos von Projekten ungewöhnlicher Nutzung öffentlicher Räume. Sie übergaben den Studierenden ein Geschenk, um damit ein neues Projekt zu initiieren. Sissa Micheli erläuterte künstlerische Strategien im Umgang mit Raum, speziell Offspaces. Die Raumnot der kunstschule.at ist zum Zeitpunkt der Publikation dieses Textes hoffentlich beendet. Der Bedarf nach Freiräumen in der Stadt Wien vermutlich nicht!
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Wenn die Cevapcici und der Leberkäs’ mit dem Kebab … eine Kunstaktion für Soho in Ottakring „Kick The Habit“ Projektleitung | Eric Neunteufel und Eliane Huber-Irikawa Aktion ab 8. Mai und Ausstellung vom 15. bis 22. Mai 2010 ORF -Berichte in AVISO, Kulturmontag und Radio Wien Leberkäsesemmel, Kebab und Cevapcici koexistieren nun schon seit ca. 25 Jahren friedlich in der Fastfood-Szene und vereinen sich in österreichischen und nicht-österreichischen Mägen – ohne Bauchweh zu verursachen. Dies ist der Ausgangspunkt einer multilingualen Cartoon-Serie, die auf Deutsch, Serbisch und Türkisch die Abenteuer der drei Protagonisten Cevapcici, Leberkäs’ und Kebab im Wien des Jahres 2010 erzählt. Diese Geschichten sollen sich in kritischer bis provokanter Form mit dem Thema Alltagsrassismus und Vorurteilen auseinandersetzen. Mit Siebdruck auf folienbeschichtetes Wursteinpackpapier gedruckt, wurden sie den im Raum Brunnen- bzw. Yppenmarkt ansässigen Würstel- oder Kebabständen zum Verpacken ihrer Produkte angeboten. Die Standbetreiber wurden im Voraus für eine Zusammenarbeit gewonnen,
also in den Entstehungsprozess einbezogen. Angaben zur Technik: Siebdruck auf einseitig beschichtetem Fleischwickelpapier 51 × 38 cm, monochrom oder schwarz/rot Ausstellung im Café Müller, 16., Yppengasse / Payergasse Eröffnung: 15. Mai 2010, Lesung: Daniela Schmeiser aus „Würstelprater“ (2002 erschienen, Herausgeber: Verein
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1 Kika Birer 2 Joan Lee 3 Laura Egger-Karlegger 4 Irene Amberger
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Freiräume & Leerstellen MIK – Zwischennutzung Genochmarkt Wer oder was ist MIK? MIK – Mobile Initiative Kultur ist ein Kulturverein, bzw. das KünstlerInnen-Duo Stefanie Sandhäugl und Helmut Preis, das seinen Fokus seit 2006 auf den suburbanen Raum (Schwerpunkt Transdanubien) richtet. Neben der Zwischennutzung des leerstehenden Genochmarktes in Stadlau setzt/e MIK weitere Projekte um, wie z. B. „Suburb Safari – oder: Wer findet die Bergziege“ im Rahmen von „Misguide – Stadtverführungen in Wien“/ Wiener Festwochen 2007, oder „Po Stadl Biskup Au“ – EU-Projekt Wien/Bratislava 2009/10. Helmut Preis und ich wurden von der kunstschule.at eingeladen, im Rahmen der Projektwoche „Freiräume und Leerstellen“ über unsere Erfahrungen im Bereich der Nutzung leerstehender Objekte zu referieren. Wer an diesem Projekt teilgenommen hat, weiß, dass es mehrere Arten der Zwischennutzung gibt. Wir gingen mit MIK den Weg der Zwischennutzung auf vertraglicher Basis – mit Einverständnis und Unterstützung der zuständigen EigentümerInnen bzw. PolitikerInnen. Wir waren ganz bewusst von Anfang an nicht an alternativen Formen der Nutzung, wie beispielsweise einer Besetzung interessiert. Erstens, weil die Besetzung eines ganzen Marktplatzes zu zweit schwer möglich ist, und zweitens, weil wir es wichtig fanden, und noch immer finden, die für die Genehmigung eines solchen Projektes Verantwortlichen zur Einsicht zu bringen, dass die Nutzung leerstehender Räumlichkeiten absolut sinnvoll und wichtig für eine lebendige Stadt ist,
und dass es nicht nur ein nettes Entgegenkommen der Stadt sein kann, eine solche Zwischennutzung zu ermöglichen und ZwischennutzerInnen zu „dulden”, sondern ihre Pflicht, engagierte Bottom-up-Projekte und ihre AkteurInnen zu unterstützen, zu motivieren und zu fördern, und ihre Arbeit, die sie freiwillig und (fast immer) unbezahlt für die Stadt leisten, zu würdigen. Und zwar auch in ihrem eigenen Interesse (was PolitikerInnen, EigentümerInnen und Verantwortlichen oftmals einfach nicht klar ist, was man ihnen aber mit pädagogischem Feingefühl beibringen muss – und manchmal auch schafft). Ich werde im folgenden Text ganz bewusst, über die Anfänge des Projekts berichten, also wie es zur Genehmigung der Nutzung kam, und weniger über das Programm, das wir dann dort umsetzen konnten, denn sowohl bei der Projektwoche, als auch bei meinem Vortrag, war die Hauptintention aus meiner Sicht, die StudentInnen dazu zu motivieren, aufzustehen und zu beginnen, Leerstellen zu füllen, und die verschiedenen Möglichkeiten, Zugänge und Strategien zur (Rück)Gewinnung öffentlicher Räume und „Zwischenräume” aufzuzeigen. Wo oder was ist der Genochmarkt? Oder, wie alles begann … Die wenigsten WienerInnen kennen den Genochmarkt bzw. kannten ihn (zum Zeitpunkt der Herausgabe des Jahrbuchs wird er wahrscheinlich schon geschliffen sein). Der Genochmarkt – ein Relikt aus der Gründerzeit, positioniert an der stark befahrenen Erzherzog-Karl-Straße im Wiener Stadtteil
142 Stadlau, 22. Bezirk. Wie viele andere Detailmärkte in Wien konnte auch der Genochmarkt seine Stellung als wichtige Nahversorgungsquelle für die Bewohner des Umfeldes nicht behaupten – die Marktstände wechselten häufig die BetreiberInnen und mussten früher oder später wegen mangelnden Zulaufs schließen. Verfall und Leerstand prägten das Bild am Genochplatz 15 Jahre lang. Obwohl ich selbst damals in Donaustadt wohnte, war mir der Markt zwar ein Begriff, aber ich hatte mich nie mit dem dortigen Zustand beschäftigt. Erst durch eine Ausgabe des Bezirksmagazins (04/2006), in dem der seit 15 Jahren still gelegte Markt als „Geisterhütten-Dorf“ beschrieben wurde, wurde ich wirklich aufmerksam auf das problematische Gebiet. AnrainerInnen forderten „endlich einen Plan für das Areal Genochmarkt zu schmieden“. Helmut Preis und ich verstanden das als Aufforderung und begaben uns vor Ort zu einer ersten Erkundung. Der Eindruck war wirklich trist – 13 Marktstände, davon nur mehr einer in Betrieb (Blumen Tilly) – der Rest stand leer. Im hinteren Bereich des Marktareals (vor dem ebenfalls leer stehenden ehemaligen Tröpferlbad) bauten Textilhändler gerade mobile Stände ab, sonst bewegte sich wirklich nichts in der „Geisterstadt Genochmarkt“. Ab diesem Moment begann unser Interesse an diesem Platz – seine Vergangenheit, sein gegenwärtiger Zustand und seine Zukunft. Wer hat was dazu zu sagen, wer bestimmt, was dort passiert? Wer plant was an diesem Ort, und welche Möglichkeiten gibt es, diese Planung mitzugestalten? Oder gibt es überhaupt irgendwelche Pläne? Wir suchten Kontakt zu den Verantwortlichen des Bezirks, von denen wir erfuhren, dass der Genochplatz demnächst ins Eigentum der WienHolding übergehen würde, die den Markt in absehbarer Zeit schleifen würde, um Platz für ein groß angelegtes Bauprojekt zu schaffen. Wir wollten uns
nicht abwimmeln lassen und fragten weiter. Seitens der Donaustädter Bezirkspolitik wurde uns von Anfang an zwar schon gewisses Interesse und Engagement entgegen gebracht, trotzdem schien die Nutzung der Marktstände bis zum Abriss vorerst hoffnungslos. Bis die erste Entscheidung fiel vergingen wertvolle Monate. Wir beschlossen in Aktion zu treten. Als gute Strategie, um einen öffentlichen Raum „auszutesten“ und einen ersten aktiven Schritt in Richtung Auseinandersetzung mit dem Ort zu machen, erschien uns ein „permanent breakfast“. Es folgte eine Einladung zum Frühstück am Genochmarkt nach den Spielregeln von permanent breakfast (www.permanentbreakfast.org) – um uns mit Leuten zusammen zu setzen, die eventuell Interesse hätten, über den Ort zu sprechen, ihn zu besichtigen, vielleicht gemeinsam Ideen zu spinnen – ganz unabhängig davon, wie unrealistisch deren Umsetzung ist, aber auch, um das Geschehen oder Nicht-Geschehen vor Ort zu beobachten – die Reaktionen, der Menschen, die vorbei kommen, um den unbenutzten Raum zu nutzen – und sei es nur durch ein Frühstück … Zu diesem permanent breakfast waren auch BezirkspolitikerInnen eingeladen, Geschäftsleute, Gebietsbetreuung und Beschäftigte öffentlicher Einrichtungen rund um den Markt (Jugendzentren, etc.). Das Interesse war gering, aber immerhin brachten die zwei „InsiderInnen“, die unserer Einladung gefolgt waren, Ideen und Bedenken ein, die neue Blickwinkel ergaben. „InsiderInnen“ aus dem Umfeld wissen auch oft, an wen (im Bezirk) man sich mit welchem Anliegen am besten wenden sollte – wer in welchen Bereichen an den „Hebeln“ sitzt. Eine Ideensammlung entwickelte sich zu einem Konzept, mit dem wir in Form eines Folders weiter gingen und an viele Türen im Bezirk klopften. Wir begannen ein Netzwerk von Leuten zu spinnen, die auf
143 „unserer Seite“ waren … Weitere Verhandlungen, Besprechungen, Präsentationen unseres Konzeptes folgten. Die Grundidee der Intervention am Genochmarkt war von Anfang an keine Nutzung der Räume als Privat-Ateliers für einzelne KünstlerInnen, die aus wirtschaftlichen Gründen Gratis-Arbeitsraum suchen, sondern die Schaffung eines belebten, auf Partizipation beruhenden Kulturzentrums. Den Bezirkspolitikern war langsam bewusst, dass dieses Projekt eine Aufwertung des Stadtteils und eine Bereicherung für den Bezirk Donaustadt bedeuten könnte, der ohnehin mit dem Image „Kulturwüste“ zu kämpfen hat. Als wir im Zuge unserer beginnenden Netzwerkarbeit schließlich Gabi Schrack von der MA18, Projektkoordination für Mehrfachnutzung, kennen lernten und ihr von unserer Idee erzählten, schienen sich die Dinge endlich tatsächlich in Bewegung zu setzen. Sie stellte den Kontakt zur Wien Holding (zukünftige Eigentümerin des Grundstücks) her, die wir schließlich auch von der Sinnhaftigkeit einer künstlerischen Zwischennutzung überzeugen konnten. Mit Wien Holding, MA18 und Bezirksvorstehung im Rücken gab es nur noch eine – allerdings die härteste – Nuss zu knacken: die Beamten der MA59 – Marktamt. Die MA59 zeigt sich wenig begeistert über die Tatsache, dass der Markt wiederbelebt werden sollte, aber nachdem nun Bezirk/Bezirksvorsteher, WienHolding und MA18 nach unzähligen Terminen und Besprechungen endlich voll und ganz hinter dem Projekt standen, hatte die MA59 keine andere Wahl, als mitzuziehen. Wir (als Verein MIK) schlossen schließlich Verträge über acht Stände mit der MA 59 ab, die für eine „karitative“ Zwischennutzung frei gegeben wurden. „Karitativ“ hieß, keine Nutzung der Stände zu wirtschaftlichen oder privaten
Zwecken, wie Privat-Ateliers, Verkaufsräume, Lager, etc. Unglaublich … es hatte über ein Jahr (!) gedauert, aber wir hatten die Schlüssel in der Hand, und konnten ENDLICH beginnen. Wir begannen, mit Aufräumarbeiten, Entrümpelung, Reinigung, kümmerten uns um die Errichtung einer Infrastruktur (die Wien Holding veranlasste die Stromzufuhr und sponserte sowohl die Installation der Stromkästen und Leitungen, als auch den Verbrauch) und gaben Passanten, Neugierigen und eingeladenen Gästen aus dem 22. und anderen Bezirken Auskunft über die Pläne und Möglichkeiten zur zukünftigen Nutzung des Marktes. „Frisch gestrichen“ – das Einzugsspektakel im Rahmen der Donaustädter Bezirksfestwochen, das vom Bezirk finanziell (über die Kulturkommission) unterstützt und in den Bezirksmedien angekündigt wurde, ging nicht ganz unproblematisch über die Bühne. Die Beamten des Marktamtes legten sich ständig quer, quälten uns mit völlig lächerlichen Auflagen und Regelungen, wie sie im eigentlich nicht mehr relevanten aber doch noch gültigen Marktgesetz standen (wie z. B. kein „Marktbetrieb“ am Samstag nach 17 Uhr, am Sonntag gar nicht, keine Ausgabe und Konsumation von Getränken und Lebensmitteln, auch nicht gegen Spende oder gratis …) und drohten uns ständig mit Anzeigen bei Missachtung. Nur durch die Unterstützung unserer „Verbündeten“, wie Bezirksvorsteher Scheed, Bezirksrat Piller und Gabi Schrack, konnten diese Vorgaben gelockert und gröbere Schikanen eingestellt werden. Es ist manchmal schon schwer zu begreifen, warum die Magistrate einer Stadt so gegeneinander arbeiten müssen … Wir verfassten im November 07 eine Ausschreibung zur Beteiligung an der Zwischennutzung Genochmarkt mit den vom Marktamt und uns aufgestellten Nutzungsbe-
144 dingungen. Um die 30 Projektvorschläge wurden eingereicht. Ein Kernteam von zehn Personen (StudentInnen der Angewandten) bildete sich, das sich für die Auswahl und Koordination der Projekte und der Rahmenbedingungen, die dafür notwendig waren, wie Finanzierung, Genehmigungen, etc., verantwortlich erklärte. Es dauerte allerdings nicht lange bis die romantischen Vorstellungen der Zwischennutzung von der Realität verdrängt wurden (Förderanträge wurden abgeschmettert, Dächer wurden undicht, Termine beim Marktamt unerträglich, Projektbeteiligte mühsam und unverschämt in ihren Forderungen …) und mehr als die Hälfte des Kernteams von heute auf morgen doch Lustigeres zu tun hatte. Immer dieselben Wenigen waren für immer mehr Arbeit zuständig. Trotzdem gelang es uns, einen beträchtlichen Teil der eingereichten Projekte umzusetzen und wertvolle Kontakte zu knüpfen. So war z. B. die Zusammenarbeit mit den KuratorInnen der Ausstellungsreihe „unORTnung“ eine absolute Bereicherung, ebenso die Kooperation mit dem LandschaftsarchitektInnenkollektiv „kampolerta“, die bis zum Schluss mit Projekten, wie etwa „Holiday in Stadlau“ – das fiktive Feriendorf am Genochmarkt, beteiligt waren. Einige offene Werkstätten wurden eingerichtet, wie die Textilwerkstatt und die Siebdruckwerkstatt, in denen regelmäßig Workshops angeboten wurden. Schulprojekte wurden umgesetzt, ein öffentlicher Pool aufgestellt, Konzerte am Dach gespielt, u. v. m. – siehe www.mik22.at. Doch was bleibt übrig, abgesehen von vielen schönen bunten Bildern? (Von denen jetzt übrigens plötzlich ganz viele Leute gern eines oder zwei in guter Qualität hätten – Förderstellen z. B., die uns vor kurzem noch abgewiesen haben, unsere Budgetvorstellungen für völlig lächerlich befunden haben und uns hin und her geschoben und mit falschen Hoffnungen auf Trab gehalten haben – all die
hätten jetzt gerne ein paar Bilder für ihre schönen, bunten Publikationen und Websites … um der Welt zu zeigen wie sexy die Stadt Wien ist.) Der Markt wird in drei Wochen abgerissen. Und natürlich bleiben viele Fragen offen. Hat sich die Arbeit gelohnt? Was haben wir daraus gelernt? Welche Erfahrungen haben wir gesammelt? Wie nachhaltig war das Projekt? Wer hat davon profitiert? Wo endet Idealismus, wo beginnt Selbstausbeutung? Im Jänner 2010 kam endlich die ersehnte Förderung, auf die wir seit Jahren gewartet hatten (und die wir eigentlich im April davor gebraucht hätten, um unser eingereichtes Programm umzusetzen). Im Februar 2010 kam der Räumungsbescheid. Kann sich der/die Leserin vorstellen, dass man unter solchen Umständen ein bisschen an den Rand des Wahnsinns gedrängt wird? Nun hieß es, schnell raus hier, sonst hätte die MA59 eine kostenpflichtige Räumung veranlasst. Der Zeitpunkt war optimistisch betrachtet gar nicht so schlecht, da gerade all die maroden Wasserrohre in diversen Räumen gefroren waren, und im Begriff waren, der Reihe nach zu platzen. Es war kalt, es war dreckig, durchs Dach und aus den Wänden kam das Eiswasser. Und es war niemand da, um zu helfen. Ganz ehrlich – wir hatten genug davon. Wir wollten weg. Von vielen Seiten haben wir gehört „Warum besetzt ihr nicht?“, „Warum lasst ihr euch das gefallen?“, als der Räumungsbescheid kam. Aber wie? Zu zweit haben wir angefangen und zu zweit haben wir den Markt wieder geräumt. Besetzt selbst, ihr Säcke! Stefanie Sandhäugl Mag. Stefanie Sandhäugl studierte auf der Universiät für angewandte Kunst Kunstpädagogik, Medienübergreifende Bild-,
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Tauschbibliothek Projektleitung | Sylvia Fischer | Studierende MP Grundidee: Die Anzahl der entnommenen Bücher durch die gleiche Anzahl zu ersetzen. So sollte sich die Tauschbibliothek selbst erhalten. Wer jedoch kein Buch zum Tausch zur Verfügung hat, wirft € 2,– pro Buch in die bereitgestellte Kasse. Mit diesem Geld werden dann wieder Bücher angeschafft. Das Projekt wäre aber ohne die großzügigen Buchspenden folgender Buchhandlungen nicht möglich gewesen (in alphabetischer Reihenfolge genannt):
Bücherzentrum: Wien 12, Meidlinger Hauptstraße 84 Donauland: Wien 12, Niederhofstraße 37 Kuppitsch Bücher: Wien 1, Schottengasse 4 Lese Zeit: Wien 23, Breitenfurter Straße 358 Riedl Bernhard: Wien 8, Alser Straße 39 Ich möchte mich auf diesem Weg noch einmal ganz herzlich für die Buchspenden bedanken.
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1975 – 2000: Ein Vierteljahrhundert Häuserkampf in Wien Allgemein gilt die Arena-Besetzung des Auslandsschlachthofes von St. Marx (Wien 3, Döblerhofstraße 13) im „heißen Sommer 1976“ als Beginn der HausbesetzerInnenbewegung in Wien. Doch zur ersten Hausbesetzung in Wien kam es bereits im Februar 1975 in Simmering. Simmering Die erste für mich nachweisbare Hausbesetzung fand am 9. Februar 1975 in Simmering in einem zum Abbruch bestimmten Haus Simmeringer Hauptstraße Ecke Gottschalkgasse statt. Ziel dieser Aktion, an der sich knapp 100 Jugendliche beteiligten, war die Errichtung eines selbstverwalteten Jugendzentrums. Die Freizeitangebote waren für die etwa 3000 jungen SimmeringerInnen sehr trist, vor allem nachdem das städtische Jugendzentrum geschlossen worden war. Und so wollten die BesetzerInnen in dem seit Jahren leerstehenden Haus „eine Diskothek, die nicht auf Profit aus ist, ein Jugendcafé ohne Konsumationszwang und Räume für kulturelle und sportliche Veranstaltungen einrichten.“ Und sie begannen mit Aufräum- und Umbauarbeiten. Doch das Haus wurde nach einigen Wochen von der Polizei geräumt und abgerissen. Spittelberg Am Spittelberg, einem einst anrüchigen Vorstadtviertel aus dem Spätbarock, fand im Sommer 1975 die zweite
Wiener Hausbesetzung statt. Der Spittelberg war Anfang der 70er Jahre zu einem verfallenen Sanierungsgebiet geworden und es drohte eine spekulative Nobelsanierung. Dagegen richtete sich die Interessengemeinschaft (IG) Spittelberg, in der vor allem ArchitektInnen, Studierende und Kulturschaffende aktiv waren. Aus jener IG ging die Projektgruppe Amerlinghaus hervor, die sich besonders dieses vom Verfall bedrohten barocken Hauses annahm. Die Projektgruppe führte langwierige Verhandlungen mit der Gemeinde Wien über die Errichtung eines regionalen Kulturzentrums. Die Amerlinghaus-Engagierten schritten zur Selbsthilfe und am dritten Tag eines „4-Tage-Festes“ kam es zu einer Besetzung, die zu einem „Modellbetrieb“ führen sollte. Im Oktober 1975 begannen dann die Renovierungsarbeiten des Amerlinghauses, das am 1. April 1978 als selbstverwaltetes, regionales Kulturzentrum eröffnet wurde. Arena Allgemein als Beginn der BesetzerInnen-Bewegung und der Alternativszene gilt die Besetzung des Auslandsschlachthofes von St. Marx. Diese Besetzung begann am 27. Juni 1976 nach dem Anti-Schleifer-Fest auf dem Naschmarkt. Eine wesentliche Initialzündung ging von den Aktivitäten einer ArchitekturstudentInnen-Gruppe der Peichl-Klasse aus, die für den 26. Juni 1976 unter dem Slogan „Der Schlachthof darf nicht sterben“ zu einem
148 9. Oktober dieses Jahres andauernden Besetzung war die Durchsetzung folgender vier Forderungen: • • • •
Kein Abbruch von St. Marx; Errichtung eines Kultur- und Kommunikationszentrums während des ganzen Jahres; Selbstverwaltung: alle, die mittun, bestimmen gemeinsam, was in der ARENA geschieht und Bezahlung der Betriebskosten durch die Gemeinde Wien.
In der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 1976 zogen die durch Kälte, Unnachgiebigkeit der Gemeinde Wien und interne Probleme demoralisierten BesetzerInnen nach teilweise glorreichen 15 Wochen des Zusammenlebens und einer neuen alternativen Kultur aus dem ArenaGelände aus. Wenige Tage später wurde der architektonisch sehr bemerkenswerte Auslandsschlachthof St. Marx − er war eine äußerst reizvolle kleine Stadt in der Stadt − von den Baggern zerstört. Doch gerade durch diese Tatsache wurde die Arena zu einem Mythos der Alternativszene. Noch im Jahr 1976 bildete sich aus ehemaligen ArenaBesetzerInnen eine Personeninitiative (der Autor dieses Beitrags war ihr Sprecher), die Verhandlungen mit der Gemeinde Wien über das immer noch zur Disposition stehende Alternativangebot Inlandsschlachthof aufnahm. Nach langen mühsamen Verhandlungen und manchen Magistratswiderständen, kam es − vor allem durch die Unterstützung von Gertrude Fröhlich-Sandner, der damaligen Kultur- und Jugendstadträtin − zu einer Schlüsselübergabe für den Inlandsschlachthof als nunmehrige, bis heute bestehende Arena.
Exkurs: Zwei kultursoziologische Stränge der HausbesetzerInnen Gehe ich von den ersten drei Hausbesetzungen in Wien aus, so lassen sich von ihren TrägerInnen her folgende zwei Stränge, die sich bei einigen Besetzungen wie z. B. bei der Arena ´76 immer wieder überlagert haben, nachzeichnen: a Die erste Hausbesetzung in Simmering im Februar 1975 wurde weitgehend von Jugendlichen, jungen ArbeiterInnen und Arbeitslosen aus der näheren Umgebung getragen. Beteiligt an dieser Aktion waren aber auch einige AktivistInnen der FÖJ (Freie Österreichische Jugend). b Die zweite Hausbesetzung am Spittelberg im Sommer 1975 ging vor allem von ArchitektInnen, StudentInnen, sowie von KünstlerInnen und auch AnrainerInnen aus. Beteiligt waren aber auch wieder AktivistInnen aus der linken Szene. Ziel der ersten beiden Besetzungen war die Errichtung eines selbstverwalteten, das heißt, nicht von der Gemeinde Wien, der Kirche, der Gewerkschaft oder einer Partei verwalteten Jugend- und Kulturzentrums. Es ging nicht um Beseitigung von Wohnungsnot. Auch bei der Arena-Besetzung ging es um die Errichtung eines Kultur- und Jugendzentrums, doch spielte hier die Wohnraumbeschaffung für Obdachlose und jugendliche Randgruppen schon eine Rolle. Die Besetzung von St. Marx, die sicher auch im europäischen Maßstab ein Großereignis der Szene war, wurde zunächst von studentisch-künstlerisch-politischen Gruppierungen − mit einem stärkeren KPÖlerInnen, FÖJ-lerInnen, Sponti- und MaoistInnen-Anteil und einigen ExponentInnen der SPÖ-Linken (z. B. Caspar Einem) − getragen. Doch schon in der ersten Nacht kamen zahlreiche Jugendliche aus Simmering und Favoriten hinzu. Und so war es hier zu einer fruchtbaren, wenn auch von manchen Konflikten („Wickeln”) begleite-
149 ten Durchdringung der beiden kultursoziologischen HausbesetzerInnengruppierungen gekommen. Phorushalle Eine kurzzeitige Besetzung ereignete sich am 20./21. Oktober 1979 in der Phorushalle (ehemaliger Blumenmarkt) im 5. Bezirk. Im Plenum der Burggarten-Bewegung, das nun regelmäßig im Amerlinghaus stattfand, war die Forderung nach einem autonomen Kulturzentrum (dann GasserGasse-Bewegung) aufgekommen. Als im Oktober Pro Wien (ÖVP) in der Phorushalle einen „Ideenmarkt” veranstaltete, kam es zu einer Besetzung, die aber schon am nächsten Tag durch einen brutalen Polizeieinsatz ein Ende fand. Der 2. Strang der Wiener HausbesetzerInnenszene: Gegen Spekulantentum und Wohnungsnot Der Häuserkampf gegen Spekulantentum und Wohnungsnot begann in Wien im Frühjahr 1981. Ihren Ursprung hatten diese Initiativen weitgehend in der Burggarten-Bewegung. Ab dem Frühjahr 1979 begann auch in Wien ein Kampf um „Rasenfreiheit”. Daraus entstand eine Initiative, die für das Aufkommen einer aufmüpfigen, oppositionellen Jugendszene von großer Bedeutung war. Diese Bewegung ging bald über das Konfliktobjekt „Rasen“ hinaus und richtete sich gegen Reglementierungen durch Stadtverwaltung und Polizei. Ein wichtiges Ereignis in diesem Zusammenhang war die Demonstration am 1. März 1981, bekannt als „Demo der Unzufriedenen”, später auch „Scherbendemo” genannt. Ab Anfang des Jahres 1981 waren im Kreis der AktivistInnen für Rasenfreiheit auch zahlreiche weitergehende Forderungen aufgetaucht. Beispielsweise in einem Flugblatt zur Demonstration am 1. März 1981 stand: „Weg mit der Haus-
meisterei, Lehrern und allen anderen Folterknechten, Legalisierung von Haschisch, Nulltarif für alle öffentlichen Verkehrsmittel, sofortige Enteignung aller Spekulanten und Tolerierung der Homosexualität.” Und es kamen auch Pläne für − gegen Obdachlosigkeit und Spekulantentum gerichtete − Hausbesetzungen auf. Ziel dieser Absicht waren vor allem zwei leer stehende Häuser, Spekulationsobjekte des Bauunternehmers Kallinger am Judenplatz. Um diese Hausbesetzung realisieren zu können, war von den AktivistInnen für den 1. März 1981 eine Demonstration organisiert worden, an der etwa 600 Personen teilgenommen hatten. Eine berühmt-berüchtigte Parole dieser Demo war „Frei sein, high sein, Terror muss dabei sein”. Die erste vollzogene Hausbesetzung in Sachen Wohnungsnot ereignete sich dann am 1. Mai 1981 in einem Haus in der Windmühlgasse 24 in Mariahilf. Am Vormittag drangen zunächst etwa 15 AktivistInnen in das der Firma Ilbau gehörende Abbruchhaus ein und begannen demonstrativ mit einer Instandbesetzung, das heißt mit Sanierungsarbeiten. Im Laufe des Tages versammelten sich etwa 300 SympathisantInnen vor dem „instandbesetzten“ Haus. Am späten Abend wurde die Straße geräumt und das Haus von der Polizei gestürmt. 36 Personen wurden verhaftet. Mit dem Slogan „Eins, zwei, drei – macht die Häuser frei” demonstrierten am 9. Mai 1981 mehrere hundert Jugendliche für die HausbesetzerInnen, gegen das Spekulantentum und gegen die Kriminalisierung der Instandbesetzungen. Ein weiterer Slogan dieser Solidaritätsdemonstration war „Lieber Instandbesetzen als Kaputtbesitzen”. Ziel dieser Demonstration wie auch schon der Instandbesetzung am 1. Mai 1981 war es, auf die spezifische Situation der Wohnungsnot in Wien (bis zu, zumindest zeitweise, 90.000 leer stehende Woh-
150 nungen bei einer in etwa gleichen Zahl an Wohnungssuchenden) hinzuweisen. Bei dieser Demonstration gab es auch ein Transparent: „Die Sozialdemokratie ist eine Arschpartie. Vive l’Anarchie!”. Weitere Station des Häuserkampfes in Wien war eine Besetzung des der Gemeinde Wien gehörenden Hauses Gutenberggasse 14 am 23. Mai 1981. An diesem Tag fanden in Mariahilf, Neubau und vor allem in der Josefstadt auch eine Reihe von Scheinbesetzungen statt, um auf die Abbruchsanierung durch die Gemeinde aufmerksam zu machen bzw. um die Polizei zu narren. Am 17. Oktober kam es dann zur bisher größten Hausbesetzerdemo. Unter dem Motto „Keine Schonzeit für Hausbesitzer“ demonstrierten rund 2000 Leute gegen Wohnungsnot und Spekulantentum. Am 8. Mai 1982 kam es in der Taborstraße 23 zu einer von Frauen getragenen Besetzung mit dem Ziel, ein Haus für haftentlassene Frauen zu erringen. Doch auch diese Aktion im GESIBA-Haus blieb ohne Erfolg. Und schon im Februar 1981 war es in Wien im Kampf um ein vom Abbruch bedrohtes Haus zu einer Fraueninitiative gekommen. Das Alt-Wiener Stundenhotel Weinstock war Ausgangspunkt des Konfliktes. Ende 1980 war dieses Biedermeierhaus von der Gemeinde Wien erworben worden und sollte abgerissen werden. Dagegen wehrte sich eine Gruppe von Prostituierten. Sie legte ein Konzept vor, nach dem das Weinstock in Selbstverwaltung weitergeführt werden sollte. Autonome Frauen unterstützten die Weinstock-Aktivistinnen und wollten dort ein Frauenzentrum mit einer Servicestelle für Prostituierte errichten. Doch alle Pläne und Initiativen waren vergeblich, das Haus wurde abgerissen. Weitere Hausbesetzungen gab es bis in das Jahr 1984, so im Mai dieses Jahres im 7. Bezirk, Westbahnstraße 44,
durch eine Gruppe von elf Jugendlichen, die dann die Broschüre zum Häuserkampf „Harte Realitäten“ herausgaben. In dieser Broschüre schildert die Gruppe auch ihre sonstigen Versuche, an Wohnungen zu kommen. Dabei pendelten sie mit ihren Aktivitäten zwischen Eingaben an die Gemeinde, unangemeldeten „Besuchen“ im Büro der Stadträtin Gertrude Fröhlich-Sandner und ihrem Suchen auf dem so genannten „freien Markt“. Am 22. September 1984 − es war der Tag der offenen Tür im Rathaus − kam es in einem Haus in der Tigergasse 20 durch die Westbahnstraßen-Gruppe wieder zu einer Besetzung. Die Gruppe verbarrikadierte sich in dem der Gemeinde Wien gehörenden Haus, zog aber am Abend nach Verhandlungen „freiwillig“ aus. Zu einer Spätauflage von Hausbesetzungen durch Obdachlose kam es dann noch Ende März 1988 in der Leopoldstadt, Im Werd 19. In dem ehemaligen Kinderheim war eine Notschlafstelle eingerichtet worden. Diese sollte bis zum 31. März 1988 geräumt sein, damit das Haus dem Behindertenbetreuungsverein Jugend am Werk übergeben werden konnte. Doch eine Gruppe von Obdachlosen hielt das Haus sechs Tage besetzt, ehe sie dann, nachdem man ihnen Ausweichmöglichkeiten versprochen hatte, abzogen. In dem Resümee „was wir können – was wir wollen” betonen die AutorInnen der Häuserkampf-Broschüre, dass es ihnen nicht nur um das Wohnen gehe, sondern dass sie auch auf kulturelle und politische Aktivitäten setzen (mit Beisl, Buchladen, Infostelle für Wohnungskampf u. a.). Auch wird erklärt: „für uns ist es ganz wichtig, nicht nur im häuserkampf aktiv zu sein, sondern den staat überall dort anzugreifen, wo er den menschen das denken abnimmt und wo er versucht den menschen zu unterdrücken.” Ihr Häuserkampf sollte auch
151 ein Agieren gegen Wohnungswucher und Spekulation sein und vor allem durchsetzen, dass Wohnraum keine Ware sei. Weitergeführt wurden diese Ideen dann in der GaGa und in der Aegidi/Spalo. „Wie ein unterirdischer Strom der Rebellion” Die Burggarten- und die HausbesetzerInnen-Bewegung, die sich personell und auch in ihren inhaltlichen Forderungen oft überschnitten hatten, brachten in Wien Anfang der 80er Jahre eine jugendoppositionelle Szene hervor, die teilweise als eine Szene der Autonomen anzusehen war und wesentlich über den Bereich der Ex-ArenautInnen und der in herkömmlichen Linksgruppierungen organisierten AktivistInnen hinausging. „Wie ein unterirdischer Strom der Rebellion” hatte ich 1983 einen Beitrag über die Szene im Kulturjahrbuch 2 betitelt. Nachzeichnen lässt sich aber auch eine breite, brutale Caterpillar-Spur, die sich von der Demolierung des besetzten Hauses in Simmering im Frühjahr 1975 über den Abbruch des Auslandsschlachthofes von St.Marx im Oktober 1976 und dem Räumen und Schleifen der GaGa Ende Juni 1983 bis zu dem äußerst brutalen Polizei- und Schubraupen-Einsatz bei den beiden Gumpendorfer Häusern Aegidi-/Spalowskygasse im August 1988 zieht. Neben diesem Häuserkampf durch Besetzungen gibt es auch Beispiele dafür, dass begehrte Objekte (so z. B. die Nachfolge-Arena im Inlandsschlachthof oder das WUK) nach langen, oft mühsamen Verhandlungen von der Gemeinde Wien übergeben wurden. Mit Recht schreibt beispielsweise das Netzwerk hierzu: „Die sozialdemokratische Gemeindepolitik entsprach dem ZuckerbrotPeitsche-Prinzip: mal wurden einzelne Gruppen (auch finanziell) gefördert, dann gab’s wieder Polizeiterror, bzw. kein Geld.“
Mit dem Ringen um das autonome Kulturzentrum GasserGasse (1050 Wien) kommen wir zu einer Form des Häuserkampfes, bei dem nicht die Besetzung im Mittelpunkt der Aktion steht. Die Mittel der Auseinandersetzung sind Demonstrationen, Info-Tische, FlugzettelAktionen, Sitzstreiks, Medienarbeit, Interventionen, Verhandlungen und vieles andere. Auf diesem Wege wurde auch die GaGa in einem stillgelegten Areal der Wiener Öffentlichen Küchen (WÖK) in der Gassergasse in Margareten errungen. Träger dieses Häuserkampfes war eine Gruppierung, die im Wesentlichen aus der Burggarten-Bewegung hervorgegangen war. Ein Motiv für die Stadtverwaltung, der Szene die ehemalige WÖK nach zunächst langem Tauziehen dann zügig zu überlassen, war die Sorge, die um 1980 in ganz Europa vehement ausbrechenden Jugendrevolten − die sogenannten „Zürcher Verhältnisse“ − könnten auch stärker auf Wien übergreifen. Vor allem die Demonstration vom 1. März 1981 hatte der Gemeindeverwaltung bzw. der Wiener SPÖ einen Schrecken versetzt und so kam es dann rasch zu einer Schlüsselübergabe an den Trägerverein (Verein zur Schaffung, Förderung und Unterstützung selbstverwalteter Kultur- und Kommunikationszentren). Das selbstverwaltete Kulturzentrum GasserGasse (GaGa) Über den Beginn der GaGa wurde in einem internen Papier geschrieben: „Die ersten Arbeitsgruppen (rund 15) werden vom Plenum beschlossen, u. a. Kunstwerkstätten, Fahrradverleih, Info, Bibliothek, Stadtwerkstatt, Schule, Kinderladen, Video und Foto, Druckerei, Zivildienst, Rechtsberatung, Beisl.” In der GaGa trat in Wien auch zum ersten Mal eine größere Gruppe von Punks in Erscheinung.
152 Eröffnet wurde das Autonome Kulturzentrum GasserGasse am 1. Mai 1981 mit einem dreitägigen Fest, bei dem sogar eine Polizeimusikkapelle aufspielte. Eine polizeiliche Erstürmung des Areals in der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 1983 brachte das Ende der GaGa. Es hatte von Anfang an Anrainer-Proteste gegeben, die vor allem von der ÖVP aufgegriffen wurden. Durch die Demolierung des Hauses in der Gassergasse wurde eine Reihe von Jugendlichen obdachlos. Einige zogen in ein Abbruchhaus in der Corneliusgasse, andere wichen ins WUK aus, wobei das Auftauchen der Punks in diesem „Modellprojekt Wiener Alternativkultur” zu zahlreichen Konflikten führte. Dieses eher mittelständische, im 9. Bezirk (Währinger Straße 59) gelegene Kultur- und Werkstättenhaus (WUK) im ehemaligen Technischen Gewerbemuseum (TGM) war im Sommer 1981 nach einer so genannten „gewaltfreien Besetzung“ (d. h. mit der Gemeinde Wien abgestimmten Besetzung) eröffnet worden. Aegidi/Spalo im 6. Bezirk Mit der Räumung der GasserGasse im Juni 1983 begann wieder der Kampf um ein autonomes Jugendhaus. Im Herbst des Jahres erhielt schließlich eine Gruppe von Punks, späten Hippie-Nachfahren, Autonomen, feministisch engagierten Frauen und anderen neben dem seit 1981 bestehenden Haus in der Spalowskigasse 3 (Wien 6) das ebenfalls sanierungsbedürftige Anschlusshaus Ecke Aegidigasse 13. Die verbindende Idee für beide Häuser war, als Gegenentwurf zur bestehenden Ordnung eine Einheit von Leben, Wohnen, Arbeiten und Kultur zu schaffen. Betrieben wurden die beiden Häuser, in denen sich neben den Kulturräumen und Werkstätten 42 Wohnungen befanden und etwas über 100 Personen lebten, von einem Verein für Gegenkultur. Groß waren − neben internen Span-
nungen − die von außen kommenden Probleme. Da waren einerseits die anhaltenden Attacken von Rechtsradikalen auf die beiden Häuser, was dazu führte, dass die Aegidi/ Spalos sich immer mehr einbunkerten. Andererseits kam auch eine heftige Ablehnung von der Wohnumgebung, der Bezirksvertretung (außer den Grünen) und vor allem durch den ÖVP-Bezirksvorsteher Pint. Am 11. und 12. August 1988 wurden in einer äußerst brutalen Polizei-Aktion − am 12. gab es eine richtige „Bullenprügelstraße“ − die beiden Häuser geräumt. Wieder war eine größere Zahl von Jugendlichen obdachlos, wieder begann das Ritual des Wiener Häuserkampfes: Demonstrationen, Flugblätter, Pressekonferenzen, Besetzungen, Verhandlungen und andere fantasievolle Aktivitäten. Am 15. Oktober 1988 zog ein Teil der Aegidi/Spalos in die Räume des WUK, etwa 60 Punks blieben über den Winter im Kultur- und Werkstättenhaus und es kam zu zahlreichen Konflikten zwischen dem eher mittelständischbürgerlichen und dem proletarisch-subkulturellen Strang der Wiener Szene. Doch trotz dieser WUK-Besetzung blieb die Hausgemeinschaft Aegidi/Spalo insgesamt ohne Obdach. Am 15. September 1989 kam es wiederum zu einer Demons-tration: „400 Tage seit der Aegidigasse. Täglicher Polizei-terror. Horrende Ablösen und Zinswucher; Stadtsanierung, leere Wohnungen und Wohnungsnot. Delogiert wird überall. Arm sind viele, auf der Straße sitzt man schnell.” Und trotz all der Rückschläge, gescheiterten Hausbesetzungen und ergebnislosen Verhandlungen blieb die Hausgemeinschaft − Erich Dimitz, Rainer Klein und der Autor gehörten schon längere Zeit ihrem „Siebener-Rat“ an − sehr initiativ. Das Ernst Kirchweger-Haus (EKH) Am 23. Juni 1990 kam es wiederum zu einer sehr folgen-
153 reichen, das heißt auch erfolgreichen, Besetzung. An diesem 23., dem Tag der Wiener Landeskonferenz der KPÖ, drangen die Aegidi/Spalos und TürkInnen, KurdInnen, Asylsuchende in die Wielandschule ( 1100 Wien, Wielandgasse 2 – 4 ) ein. In ihrem ersten Flugblatt zur Hausbesetzung stand: „Das Haus, das in den 20er Jahren als Schule der tschechischen Arbeitervereine erbaut wurde, ist seit 1945 im Besitz der KPÖ. Bisher wurde das Haus sporadisch als Pennplatz benützt und ist nun nichts anderes als ein Spekulationsobjekt. Während sich die KPÖ politisch gegen Wohnungsnot, Ausländerfeindlichkeit und Spekulantentum ausspricht, besitzt sie mehrere großteils ungenutzte Objekte. Darum haben wir dieses Haus besetzt und wollen es mit neuem Leben füllen: Als internationalistisches, antifaschistisches Zentrum: Ernst-Kirchweger-Haus (Ernst Kirchweger wurde auf einer Antifa-Demo Anfang der 60er Jahre von Nazis erschlagen).” Zunächst kam es zu großen Spannungen zwischen den BesetzerInnen und der KPÖ bzw. zu wenig befriedigenden Verhandlungen. Durch Vermittlung der KPÖ-nahen Elfriede Jelinek, Michael Scharang und Peter Turrini entschärfte sich die Situation. Es kam wegen der Nutzung eines Teiles der Räume zu einem Kompromiss und schließlich wurde im März 1991 ein Mietvertrag mit dem Verein für Gegenkultur abgeschlossen. Doch auch in den kommenden Jahren gab es immer wieder Konflikte um die Nutzung der in dem Mietvertrag nicht vorgesehenen Räume, bis schließlich das ganze Haus in die Nutzung der einstigen BesetzerInnen überging. Eine entnervte und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs von Geldsorgen geplagte KPÖ verkaufte im Herbst 2004 das Haus in der Wielandgasse 2 – 4 an eine Security-Firma des mit der Neonaziszene in Verbindung stehenden Christian Machowetz. Eine konfliktreiche Zeit brach an. Um eine
Eskalation um das EKH zu vermeiden, nahm der Fonds Soziales Wien Kontakt mit den EKHlerInnen auf. Mittels einer Tochterfirma der gemeindenahen Baugesellschaft PORR wurde die ehemalige Wielandschule von Machowetz − für diesen sehr gewinnträchtig − zurückgekauft, um das EKH weiterzuführen. Nach langen, aber dank des FSW-Chefs Peter Hacker reellen Verhandlungen erhielten die im EKH aktiven Gruppen, wie der Verein für Gegenkultur, die Föderation der Arbeiter und Jugendlichen aus der Türkei in Österreich (ATIGIF), und andere unbefristete Mietverträge. So wurde eine fast zwei Jahrzehnte andauernde, konfliktreiche Besetzung erfolgreich beendet. Die 1990erJahre 1990 kam es zur Schließung und Räumung des zu Beginn des Jahres 1980 in Margareten, Margaretenstraße 99, von Mitgliedern des Forum Alternativ gegründeten Rotstilzchen (zunächst Szene-Treff Treibhaus). Die weiteren 90er Jahre waren dann arm an Besetzungen. Nur am 20. Mai 1998 kam es zur Erringung eines LINK.*FrauenRaum im Rondell, zu einer modifizierten, mit dem Mieter irgendwie abgestimmten und von der Polizei zunächst tolerierten, Besetzung. Nach einiger Zeit räumten die LINK.*-Frauen das ehemalige Rondell-Porno-Kino, setzten ihre Aktivitäten aber variantenreich fort. Im Sommer 1999 ging die Meldung durch die Medien, dass die LINK.*-Frauen das Kosmos-Kino für ihren „Frauenraum” erhalten würden, was dann auch geschah und bis heute wird der Kosmos FrauenRaum mit Erfolg geführt. Doch insgesamt ist der Häuserkampf in den 1990er Jahren in Wien stark zurückgegangen. Erst im Sommer 2004 zeigten sich mit der Gruppe Freiraum (zunächst im Universitätscampus um den Narrenturm) BesetzerInnenaktivitäten. Gegen Ende des 1. Jahrzehnts im 21.
154 wobei diese lose, informelle Gruppierung sich nicht nur auf Besetzungen konzentriert, sondern ihre Projekte in den verschiedensten Formen realisiert. Nachbemerkung: Besetzung der Wiener Kunstschule Ende der 1980er Jahre gab es an der Wiener Kunstschule eine sehr aktive SchülerInnen-Vertretung. Diese organisierte auch zwei, drei Besetzungen des Gebäudes in der Lazarettgasse. Auch organisierte sie einen unangemeldeten Besuch bei der damaligen Vizebürgermeisterin und Bildungsstadträtin Ingrid Smejkal. Ziel dieser Aktivitäten war eine dringend notwendig gewordene Reform der Kunstschule, an deren Spitze ein ehemaliger Panzer-Brigadier stand, der auch so wie ein Panzer-Brigadier war. Eine der Besetzungen galt auch der Forderung, dass der Autor dieses Beitrages, der damals an der Kunstschule Kunstgeschichte unterrichtete, (Reform-)Direktor der Schule werden sollte. Die Reaktion der Kunstschule auf diese Aktion war, dass ich, sowie acht LehrerInnen aus dem Bereich Keramik und Grafik, die sich mit mir solidarisierten, von der Schule flogen und ich für Jahre Hausverbot erhielt. Dieter Schrage Dr. Dieter Schrage war ehemals Kurator des Museums moderner Kunst in Wien, Kulturwissenschaftler, arbeitet wissenschaftlich im Bereich der Gegen- und Subkultur. Er ist ein libertärsozialistischer, unbeugsamer Bildungsbürger.
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J체rgen Korntheuer besteckt Verpackung f체r Besteck, gen채ht und gestickt
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Laura Egger-Karlegger Im Spiel Kaltnadel auf Kupferplatte, Größe ca. 7 × 7 cm
Eine Kupferplatte hat 14 verschiedene Zustände erreicht. Sie zeigt ein Gesicht, das nach und nach von Linien verdeckt wird. Im Spiel ist alles möglich. In der Realität nicht. In der Wirklichkeit muss man Kompromisse schließen. Manchmal muss man Dinge verstecken oder überdecken, die man nicht zeigen möchte oder nicht zeigen kann. Man muss sich entscheiden und wissen, was man will. Aber im Spiel ist alles möglich. Die Drucke, pro Zustand drei, dienen als Grundlage für einen Animationsfilm.
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Christine Blaha Begegnung Naschmarkt Acryl auf Leinwand 70 x 100 cm
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Patrick Guth Big Honey Tusche auf Papier
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Nora Bischof Von Angesicht zu Angesicht Fotografie 36 x 120 cm
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Stefanie Hempel dürfen – sollen – wollen Fotoserie
Eine Frau darf so vieles leisten und sein: belastbar, schön, sexy, raffiniert, geheimnisvoll, Heilige, Mutter, Kind, Spielzeug … In inszenierten Fotografien von so genanntem Kinderspielzeug wird der Versuch der Subversion kultureller Geschlechtszuschreibungen durch Überaffirmation unternommen.
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Caroline Taschler Willis Tusche / Marker auf Papier
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Sylvia Fischer Begegnung von drei Farben Acryl auf Leinwand, 80 × 120 cm syfi@gmx.at
Eine Bandbreite an Gefühlen – vom extremen Schmerz bis zum größten Glücksgefühl – binnen ganz kurzer Zeit.
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Benedikt Skorpik Hedy Lamaar Poster: Transparentpapier 80 g, Postkarte: Postkartenkarton 400 g hello@thisisme.at
Poster und Rubbel Postkarten für eine fiktive Ausstellung zum Thema Hedy Lamaar, Schauspielerin und Erfinderin.
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Jean Cueto 100 Kids – Als wir uns im Wald verliefen Copic-Marker, Tusche auf Papier, 42 × 29,7 cm jean.cueto@yahoo.com
Eine Serie von neun Illustrationen. 100 Kinder verlaufen sich im Walde. Während ihres Abenteuers lernen sie viele interessante Bäume kennen.
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Karolina Preuschl Beharrung Radierungen zum Thema „Haare“, 12 × 12 cm, 21 × 29 cm
Fünf Kinder. Vier Söhne. Eine Tochter. Das Jüngste. Haare. Die Gutmütigkeit, die Fürsorge, die Pflege, das Aufziehen, das Flechten, das Geflecht vieler Gefühlsfäden verknotet und verwirrt durch Kommunikationslöcher in einem Netz. Aufgespannt und angespannt hängt es zwischen mir und meiner Mutter. Die Beschäftigung mit meiner Haarpracht, die Zucht, die Auseinandersetzung, ein Prozess und gleichzeitig eine Gewohnheit, führte zur langsam anwachsenden Verwandlung eines Steines zu einem Felsen, der auf mir lastete, unter dem ich nicht mehr glaubte, hervor krabbeln zu können. Man könnte schon sagen, ich entwickelte Kiemen aus Angst enttäuscht zu werden. Durch die Erkenntnis, um welche Absurdität es sich handelt und durch die Befürchtung, eine Assel zu bleiben, kam ich zu dem Entschluss, die eigentliche Banalität nicht aus den Augen zu verlieren, sondern auf ihr zu beharren.
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Nurdane T端rkmen Ilkili cekim Video
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Madlen Lopatka Ohne Titel Bronzeguss
Die K端nstlerin hat sich mit Bewegung, Dynamik und Kommunikation auseinander gesetzt. Ziel war es, diese Themen in einfacher Form auszudr端cken. Aus dieser Arbeit wurden am Ende f端nf extrem reduzierte, menschliche Darstellungen, die in Bronze gegossen wurden.
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Haruka Nishijima Manga Tusche auf Papier
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Lisa Rindberger Konkrete, visuelle Poesie CD Verpackung
Inspiriert vom berühmten dadaistischen Gedicht „An Anna Blume“ von Kurt Schwitters, begann ich ein CD-Cover zu gestalten, das sich vom Stil her sehr an den Arbeiten von Kurt Schwitters orientiert. Das Cover besteht aus einer Collage aus verschiedenen Papieren. Besonders fasziniert hat mich die im Gedicht wiederholt vorkommende Textzeile: „Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, – wir?“ Das gesamte Design ist in den Farben Blau, Rot, Grün und Gelb gehalten, da diese Farben im Gedicht vorkommen. Ich habe versucht, meine intensive Auseinandersetzung mit der Arbeitstechnik von Kurt Schwitters und meine Interpretation seiner Werke in der Gestaltung zu visualisieren.
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Andrea Freissler Begegnung durch Bewegung Öl auf Leinwand, 100 × 120 cm www.momentaufnahmen.at
Begegnung
Bewegung
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Sonja Stojanovic Ohne Titel Zinkplatte mit Schleifmaschine bearbeitet, Rand unregelmäßig, auf Büttenpapier, ca. 70 × 50 cm
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Katrin Albrecht Hocker Fotocollage
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Mark Reiter ohne Titel Tusche auf Papier
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Karoline Koegl Gespiegelte Welten Collage, 90 × 110 cm karolinekoegl@gmail.com, www.karolinekoegl.com
Diese Collage bringt meine Gedanken über das Thema „abstrakte Landschaften“ auf den Punkt. Mehrere Grafiken dienten als Vorlage für dieses Werk. Sie wurden mit unterschiedlichsten Zeichenutensilien angefertigt.
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Birgit Weinstabl Energy Acryl auf Leinwand, 150 x 150 cm
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Lukas Gülcher Das ist mein Ding! Stickerserie lukas.guelcher@aon.at
Die Stickerserie entstand als Werbemittel zur inszenierten Street Art Demo „Das ist mein Ding!“, die in Kooperation von Dschungel Wien und den Wiener Festwochen stattfand. Die Sticker bewerben den Event, haben aber auch interaktiven Charakter.
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Jin Yi Lee Geschäftsreise Farbholzschnitt, 60 × 80 cm
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Mirjam Schweigkofler ungeschminkt Fotoserie mirjam.schweigkoflerl@hotmail.com
Jeder projiziert und transportiert Gefühle, Einstellungen, Erwartungen. Der Körper ist Projektionsfläche.
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Magdalena Fasching Vollgestopft und Ausgehungert Buchcover
„Vollgestopft und Ausgehungert“ ist mein zweites Buch und erscheint im Frühjahr 2011. Mein erstes Buch heißt „Lebensflucht – Todessucht“ und ist beim Frankfurter Literaturverlag unter dem Pseudonym (E)lena F. erschienen. Klappentext: Es gibt zwei verschiedene Arten von Menschen. Die einen nehmen das Leben an. Es geht ihnen zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus. Das Leben macht ihnen nur wenig aus. Die anderen stopfen es gierig in sich hinein. Bis zum letzten Bissen. Und kotzen es dann wieder aus. Rein in die Klomuschel und runtergespült. Mich kotzt das Leben tagtäglich an, also kotze ich es
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Elias Berner Ohne Titel Collage
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Reinhard Trinkler Die Vampire tanzen weiter Tusche auf Papier, digital koloriert
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Laurent Nostiz ohne Titel
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Ruth Felicitas Zimmermann Ohne Titel Tusche auf Papier
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Suoyang Sheng Raumexperiment Computerprint (3D-Rendering), Dimensionen variabel
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Sarin Baghdoyan Plakat einer fiktiven Ausstellung bearbeitete Fotografie bubuk_@hotmail.com
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Manuela Buxbaum Raum 03 — RAUMauskleidung Mixed Media Installation, Dimensionen variabel
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Janin Wellbrock Lichtobjekt Porzellan, Edelstahl, gebürstet 38 × 23 cm
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Matthias Moser Rain Tintenstrahldrucker auf Folie, digital nachbearbeitet
Typographie auflösen − Texte verschmelzen − Typographie entstehen lassen Eine Arbeit zum Themenfeld „Konkrete Poesie“.
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Raphael Holczek Eierbecher, Salz- und Pfefferstreuer Illustration
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Alina Helal ohne Titel Linoldruck verschiedener Druckplatten ca. 50 × 70 cm auf Karton, collagiert
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Emylia Smokova ohne Titel Fotoserie, Dimension variabel
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Takahashi Asami Manga Tusche auf Papier
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Marie-Therese Amtmann Ohne Titel Papierarbeit
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Sandra Beck Hinter der Maske Papiermaché, Holz, Spiegel, 35 x 25 x 15 cm
Die Augen der Maske dienen als Verbindung zwischen Innen und Außen bzw. zwischen dem Davor und Dahinter. Durch sie kann man mittels eines Spiegels erkennen, was hinter der Maske liegt.
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Irene Amberger Ohne Titel Lithografie auf Büttenpapier, ca. 40 × 55 cm
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Melanie Kasper Konkrete Poesie: Strawberry Fields Drei Inserate für ein Magazin, A4, Druck in 1c, 2 c und 3 c kaspermelanie@gmail.com
Interpretation von „Strawberry Fields“, The Beatles, 1967 Spiel mit übereinander gelegten Strophen und Wörtern
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Christoph Tripes Infobrosch端re 10/11 Booklet / Cover & Innenseiten named@gmx.at
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Maria Kourakhtanova Margarita Bleistift, ca. 13 × 10 cm
Zerbrochener Himmel Kaltnadelradierung, ca. 20 × 15 cm
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Yasemin Sayici Schriftstück Tusche auf Papier, ca. 84 × 59 cm
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Stefan Polster Ohne Titel Pferdesch채del, Schrott
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Alexander Zech Klaus Keramikguss
Als Fan von Designer Toys habe ich beschlossen, mein eigenes Designer Toy zu entwickeln. Logo, Verpackung, Styletemplates und einige Keramikfiguren existieren bereits. Es werden noch weitere „Kläuse“ aus Kunstharz folgen.
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Songhay Toldon Same But Different Tusche/Bleistift auf Papier
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Myriam Fries Citywalk with Fotoserie
Ein Spaziergang durch die Wiener Innenstadt mit einer überdimensionalen Schmetterlingspuppe – Clementine – die im Rahmen einer anderen Arbeit entstand. Wer trägt hier wen?
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Philipp Birkmayer Rotaugenfrosch, sich an einen Halm klammernd Acrylfarbe auf Leinwand, 40 × 40 cm
Rotaugenfrosch auf Papageienblume sitzend Acrylfarbe auf Leinwand, 40 × 30 cm
Sich auf Blättern sonnender Morphofalter Acrylfarbe auf Leinwand, 30 × 40 cm
Ein in Mittel- und Südamerika lebender Morphofalter wärmt sich auf einem Blatt sitzend im Sonnenlicht. Der durch seine seidigen Blautöne glänzende Falter zählt zu den schönsten seiner Art und ist deshalb auch in zahlreichen bedeutsamen Zoos zu bewundern. www.mauridodo.at
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Thomas Albert „Leerstelle“ „Das ewig gleiche Blatt“, täglich etwas schaffen und wieder verwerfen, täglich schreiben und ausradieren. Transformation, Ausdruck, Sinn und Sinnlosigkeit, das Zeitliche, Abdrücke und Radiergummireste. Tag für Tag, bis das Blatt nicht mehr mag …
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Nicole F端rst Mackie Messer Illustration nfuerst@gmx.at
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Elisabeth Loibner emotions Fotografie elisabeth.loibner@gmail.com
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Yuki Kanashimi Manga Tusche auf Papier
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Janine Käble Skurriles aus der Tiefe Glasskulpturen
„Skurriles aus der Tiefe“ ist eine Sammlung von Quallenkörpern und Medusen. Die Glasskulpturen wurden mundgeblasen und mit Silikon kombiniert. Ich nehme die vielfältigen Unterwasserwelten als kollektives Wunder wahr und möchte dazu einladen, in eine Welt unterhalb der Oberfläche einzutauchen. In einem Zustand zwischen Sein und Schein schweben transparente Wesen. In Trance tanzend ziehen sie gemeinsam ihre Bahnen auf der Suche nach Licht und nach etwas, von dem wir nichts ahnen.
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Marlene Hachmeister „bis das blau zu schreien anfängt“ Objekt, Mischtechnik, 50 × 40 cm (Detail) Objekt, Mischtechnik, 150 × 80 cm (Detail) m.ene@gmx.at
das blau hüllt ein und nur einen ausschnitt zu. gewunden weil es keinen weg mehr gibt. wiederholt weil alles zweimal geschaut werden muss. schrei schrei schrei lauter. schrei bis alles violett ist. zusammengesunken fällt es die treppe hinauf und etwas bleibt liegen. jedes mal. zweimal. zweimal ist alles. und jetzt nichts. zweimal war schon. wird noch sein? gemeinsam betäubt dreht sich das grün im quadrat. bis es hinten ankommt. zweimal ist keinmal. zweimal war ja schon. muss nicht mehr sein. alles ist jetzt violett und alles flimmert grün. im zerfall noch ein zweites mal. im zweifall. jetzt ist endlich wieder alles blau. war ja schon und musste wieder sein. bis das blau zu schreien anfängt.
Zur Gestaltung Dieses Jahrbuch hat das Thema Freiraum/Leerstellen zum Inhalt. Ausgangspunkt dafür war das Themenseminar im Sommersemester 2010. Der weiße Würfel springt aus dem Buch. Er selbst oder seine Umgebung kann bespielt und genutzt werden, um freien Raum zu gestalten. Eine zweidimensionale Fläche nimmt als Würfel einen dreidimensionalen Raum ein. Die Farben der Würfel spiegeln die Vielfalt der Ideen wider. Die kunstschule.at wird als Raum definiert und bespielt. Die zur Kennzeichnung von Lehrveranstaltungen, Projekten, Texten, DiplomandInnen und Werkstätten verwendeten Gaunerzinken haben einen realen Hintergrund, sind inhaltlich verändert worden und tragen mit ihrer neuen Bedeutung dazu bei, dieses Jahrbuch zu strukturieren. Gaunerzinken findet man auf Hausmauern, Zäunen und Postkästen, gekratzt, geschmiert und gekritzelt. Die Platzierung ist unscheinbar und sie können von Außenstehenden nicht gedeutet werden. Sie sind ähnlich zurückhaltend wie ihre Präsenz im öffentlichen Raum blindgeprägt am Cover platziert. Die eigene Idee ist für Außenstehende oft schwer erfassbar, bevor man eine gemeinsame Kommunikationsbasis gefunden hat.
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Von unten nach oben / links nach rechts: Alexander Zech, Lukas G端lcher, Mirjam Schweigkofler, Raphael Holczek, Christoph Tripes, Nicole F端rst
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Impressum hule.at Her aus geb er: kunstsc 0 Wien, Österreich Lazarettgasse 27, 109 www.kunstschule.at +43 1 409 43 42
Carlos Katastrofsky, si Daum, Martin Huber, Red akt ion ste am : Bab rbeauftragte) (Leh bel Wai Tom Schmeiser, Karoline Riha, Daniela e) ander Zech (Studierend Alex fler, gko wei Sch Mirjam Hermanky ortlich: Direktor Gerhard Für den Inhalt verantw Dru ck: Janetschek ek, Daniela Lek tora t: Katharina Rac
bel
ser, Tom Wai Schmeiser, Jo Schmei . H. Wien
m. b L Verlagsgesellschaft Ver lag : SONDERZAH 8-8 9-34 544 -3-8 978 : ISBN
e Aus arb eitu ng: Lay out und tec hni sch Vis uel les Kon zep t, k Design Grafi tte kstä Wer esters der Studierende des 7. Sem Mirjam Schweigkofler, her, Raphael Holczek, Gülc as Luk t, Fürs le Nico ander Zech Thörmer Christoph Tripes und Alex er, Thomas Reinagl, Tom itte Ammer, Birgit Kerb Brig ng: leitu tten kstä Wer den AutorInnen © Texte und Fotos bei os: Fot Heidi Koubek : Seite 81 85 82, 83 (oben), 84 und Nikolaus Korab: Seite (unten) 83 e Seit her: Gülc l Axe ng der Stadt Wien För der er: hulische Jugendbetreuu für Bildung und außersc Kultur in Wien Magistratsabteilung 13 Unterricht, Kunst und für s rium iste min des g des Bun Gedruckt mit Förderun
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