sommer 2014
erdmannpeisker / Robert Bösch
österreichisches kuratorium für alpine sicherheit
sommer 2014
Prüfstein. Je spektakulärer der Plan, desto wichtiger die Qualität der Ausrüstung. 28 Top-Alpinisten wurden eingeladen, am Ago del Torrone das Equipment live zu prüfen. Fazit: Qualität und Funktionalität top. Selbst unter härtesten Bedingungen vereint das umfangreiche alpine Angebot von Mammut Sicherheit und maximalen Komfort. Mehr entdecken: www.mammut.ch
Tec Step Bionic 2
Trion Light 28+, 40+, 55+
Rock Rider
Ridge High GTX® Men
Inhalt Stimmen
4
Gesamtstatistik
6
wandern Statistik
14
Absturz auf Schneefeld
20
Plötzlicher Herztod
23
hochtouren
28
64
Statistik
66
Notlage am Kaiserschild
69
Befragung am Klettersteig
71
canyoning Statistik
78 80
Bericht Unfall Auerklamm
82
Statistik
30
Unfallanalyse Auerklamm
84
Felssturz am Pfaffennieder
34
Alles ist möglich
90
Felsstürze im Permafrost
38
ÖAMTC-Flugrettung: Ausgeflogen
94
klettern
© PAUL MAIR, MC2ALPIN.AT
12
klettersteig
44
Statistik
46
Abseilunfall Kaiser
51
Abseilunfall Zillertal
53
Unfallanalyse Abseilunfälle
55
Absturz an den Seeköpfen
58
Gespräch mit Stefan Jungmann
60
International
100
Impressum
104
gesamtstatistik — analyse:berg
Überblick Alpinunfälle
ALPINUNFÄLLE ÖSTERREICH NOVEMBER 2012 BIS OKTOBER 2013 Österreichweit gesamt
6
Nachdem wir im Vorjahr einen Rückgang bei Verletzten und Unfalltoten verzeichnen konnten, stiegen die Zahlen in der Betrachtungsperiode 2012 bis 2013 wieder über den langjährigen Durchschnitt an.
Z
wischen November 2012 und Oktober 2013 ereigneten sich 7.734 registrierte Alpinunfälle in Österreich. Insgesamt wa ren 11.635 Personen involviert, davon verletzten sich 6.955 und 309 Personen verunglückten tödlich. Die Zahl der Alpinunfälle und verunglückten Personen beschränkt sich auf die alpinpolizeilich erfassten Ereignisse. Unfälle mit tödlichem Aus gang und schweren Verletzungen werden übli cherweise lückenlos erfasst. Im Gegensatz dazu
werden leichte Verletzungen oder Unfälle ohne Verletzungsfolgen nicht zur Gänze erfasst, weil sie nicht immer gemeldet werden. Daher kom men diese in der Unfallstatistik auch nicht zum Tragen. Bei der Interpretation der Daten sollte dies berücksichtigt werden. Die Anzahl der Unfallopfer im Betrachtungs zeitraum November 2011 bis Oktober 2012 hat im Vergleich zum Zeitraum November 2012 bis Oktober 2013 zugenommen. Waren es im Vor jahr „nur“ 287 Unfalltote, so stieg die Zahl im letzten Jahr auf insgesamt 309 Todesopfer an.
ALPINUNFALLTOTE 2010/11 BIS 2012/13, VERLETZTE UND VERUNFALLTE 2012/2013 Disziplin
Tote 2010/11
Tote 2011/12
Tote 2012/13
Verletzte 2012/13
Verunfallte 2012/13
Klassische Sommerdisziplinen Canyoning
1
2
2
19
28
Flugsport
14
12
7
145
238
Hochtour
9
3
4
38
98
Höhlenunfall
0
0
0
1
1
Klettern, Klettersteig
24
20
16
185
418
Mountainbiking
4
4
3
366
392
Rafting, Kajak
1
3
1
11
19
Seilgärten
0
0
0
11
13
110
101
82
1.030
1.855
Eisklettern
1
0
1
11
24
Langlauf
3
5
3
12
16
Wandern, Bergsteigen Klassische Winterdisziplinen
Liftunfall
0
2
0
225
293
Piste, Skiroute
51
29
38
3.625
6.038
Rodeln
2
1
1
242
337
Skitour
10
19
43
332
654
Variante
8
10
13
363
691
65
76
89
205
494
Nicht klassische Bergsportdisziplinen Atypische Alpinunfälle, sonstige Unfälle Jagd Gesamt
3
5
6
18
26
304
287
309
6.955
11.635
*Differenzen können sich aufgrund fehlender Angaben bei der Erfassung ergeben
Tote 309 Verletzte 6.955 7.734 Unfälle
17 800 884
19 312 391
16 503 557
41 1.274 1.342
131 3.176 3.501
51 518 617
34 370 440
Dies entspricht einer Zunahme von mehr als 7 %. Betrachtet man die unterschiedlichen Diszipli nen, dann fällt auf, dass die Zahl der tödlich Ver unglückten in den klassischen Winterdisziplinen um rund 44 % zugenommen hat. Ebenso, aber nur um 16 %, wurden auch mehr Todesfälle in den nicht klassischen Bergsportdisziplinen ver zeichnet. Dies betrifft vor allem die atypischen Alpinunfälle. Indessen ist es erfreulich, dass in den klassischen Sommerdisziplinen die Zahl der Unfallopfer um mehr als 17 % gesunken ist. In der Gruppe der klassischen Winterdiszipli nen ergab sich eine drastische Steigerung bei den Unfalltoten auf Pisten und Skirouten sowie im Bereich Skitouren. Die restlichen Disziplinen verzeichneten nur geringe Veränderungen. Ge naue Analysen und Unfallberichte zum Winter 2012/2013 können der 6. Ausgabe analyse:berg, Winter 2013/2014, entnommen werden. In der Gruppe der klassischen Sommerdiszi plinen stieg die Zahl der Unfalltoten nur bei den Hochtouren leicht an. Beim Canyoning stagnier ten die Zahlen. Im Vergleich zum vergangen Betrachtungszeitraum nahm die Zahl der Unfalltoten im Flugsport, beim Klettern (inkl. Klettersteige), Mountainbiking, Rafting, Kajak und Wandern/Bergsteigen ab. In der Disziplin Wandern und Bergsteigen war die Abnahme (mit 25 Unfalltoten weniger als im vergangen Betrachtungszeitraum) am stärksten.
© PAUL MAIR
1. November 2012 bis 31. Oktober 2013
Die atypischen Alpinunfälle mit tödlichem Aus gang im diesjährigen Betrachtungszeitraum machten 28 % aller registrierten Unfälle im alpi nen Gelände aus. Nicht nur, dass auf atypische Alpinunfälle ein beträchtlicher Anteil an den gesamten Unfalltoten zurückgeht, sie sind in den letzten Jahren auch mehr geworden. In dieser Kategorie sind enthalten: Arbeitsunfälle im al pinen Umfeld (29 Tote), Suizide (32 Tote), Ver kehrsunfälle (5 Tote) und sonstige Unfälle (23 Tote), die nicht direkt einer angeführten Tätigkeit zuordenbar sind.
0 2 2
7
analyse:berg — gesamtstatistik
wandern — bericht/analyse : ABSTURZ AUF SCHNEEFELD
ABSTURZ AUF SCHNEEFELD : bericht/analyse — wandern
BI HERIBERT PATTERER Polizeibergführer, Diplomskilehrer und Leiter der Alpinen Einsatzgruppe Hermagor Flight- und Flir-Operator bei den Hubschraubern des BM.I
Übersichtsaufnahme Kollinkofel mit Anstiegsverlauf und Sturzweg.
Kollinkofel (2.691 m)
ABSTURZ AUF SCHNEEFELD
21
20
Spätherbstliche Bergtour endete mit Tragödie
3
Trotz Steigeisen rutschte eine erfahrene Bergsteigerin auf einem hart gefrorenen Schneefeld aus und stützte in den Tod.
A
m Vormittag des 18. No vember 2012 unternah men zwei erfahrene Berg steiger gemeinsam mit einer ebenso bergerfah renen 33-jährigen Kollegin eine Bergtour auf den Kollinkofel (2.691 Meter) in den Karnischen Alpen. Die drei starteten die Tour am Plöckenpass und stiegen vorerst über italienisches Staatsgebiet zur Grünen Schneid auf. Von dort folgten sie dem markierten Ostwandsteig (Schlüsselstelle Schwierigkeitsgrad II) entlang der Staatsgrenze Richtung Gipfel. Nach Bewältigung eines Drit tels der Ostwand entschlossen sich die Berg steiger, Steigeisen anzulegen, weil der weitere Anstieg fast durchgehend über hart gefrorene, bis knapp 40 Grad steile Schneefelder führte. Zusätzlich verwendeten sie ihre Teleskoptouren stöcke für die Fortbewegung. Der Gebrauch der mitgeführten Eispickel schien allen dreien nicht notwendig zu sein. Auf einer Seehöhe von 2.480 Metern querten sie eine durchschnittlich 35 Grad steile und ca. 100 Meter breite Schneeflanke leicht anstei gend in Vertikalzackentechnik (Ecksteintechnik) in südliche Richtung. Die zwischen den beiden Kollegen gehende Bergsteigerin rutschte plötz
lich, ohne vorher erkennbare Unsicherheit mit dem bergseitigen (rechten) Steigeisen seitlich nach unten weg. Sie stürzte in weiterer Folge mit der rechten Körperhälfte zum Hang und rutsche in seitlicher Position ab. Trotz eindringlicher Zurufe ihrer Bergfreunde schaffte sie es auf der 33 Meter langen, leicht aufgefirnten Schneeflanke nicht, die Rutschfahrt abzubremsen. In weiterer Folge stürzte sie über felsdurchsetztes, teilweise senk rechtes Gelände 400 Höhenmeter tödlich ab.
2
1
Unfallanalyse Alle drei Bergsteiger trugen steigeisenfeste Le derbergschuhe. Die Männer verwendeten bei de zwölfzackige Bindungssteigeisen der Marke Petzl Charlet (Vertikalzackenlänge 3 bis 3,5 cm). Die Bergsteigerin war mit zehnzackigen Bin dungssteigeisen (Alu-Leichtsteigeisen) der Marke Black Diamond „Neve“ ausgerüstet. Die durchschnittliche Vertikalzackenlänge betrug 2 cm, alle Zacken waren sehr stumpf. Die zu querende Schneeflanke war an der Un fallstelle 38 Grad steil, nach unten verflachte sich das Gelände. Aus der relativ dünnen, aber kompakten Schneedecke ragten zahlreiche Stei ne und kleinere Felsen hervor. In deren unmit telbarer Nähe war auch Blankeis sichtbar. An der Unfallstelle war die aufgefirnte Schneede cke nur ca. 2 cm dick, darunter befand sich eine Eisschicht.
4
1 Einstieg in Kollinkofel-Ostwand 2 Ungefährer Verlauf des Anstiegs © ALPINPOLIZEI
FACTS • 18.11.2012 • Kollinkofel, 2.691 m Karnische Alpen • Ostwandsteig • Unfallstelle: 2.480 m, ca. 38° Steilheit, Schneeflanke, hartgefroren • 1 Tote, 33 Jahre, aus Österreich
3 Unfallstelle 4 Endlage der Verunfallten
40
das in der Sprödigkeit des Stoffes begründet ist. Plastische Deformationen finden vor dem Bruch kaum statt, weshalb die Vorhersage eines Ereignisses de facto nicht möglich ist. Nur mit hochsensiblen Messinstrumenten gelingt es heute, die plastische Verformung einer Bergflanke zu erkennen und daraus den Zeitpunkt eines möglichen Sprödbruches abzuleiten. Die geologische Beschaffenheit des Gebirges ist der grundlegende Parameter für die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Felssturzes. Vor allem die Raumlage und die geotechnische Charakteristik der Klüfte, Schicht- und Schieferungsflächen sowie Störungen schaffen die Voraussetzungen für ein potenzielles Versagen. Oft ist auch das Modell „Hart auf weich“ zu beobachten, bei dem sprödbrüchiger Fels auf einem weicheren Gestein liegt, dieses durch die Auflast deformiert und dabei selbst in Bewegung gerät.
© SCHOBER
Wasser als wesentlicher Faktor
Frische Gebirgs entfestigung durch die Wirkung von Permafrost und zurückweichendes Gletschereis
Über den Einfluss der Klimaerwärmung auf den Permafrost geben die Ergebnisse von langjährigen Bohrlochmessungen im Rahmen des Schweizer Permos Netzwerkes Auskunft. Generell ist hier eine sehr langsame Erwärmung des Untergrundes zu beobachten, die Mächtigkeit der Auftauschichte nimmt zu. In den Bohrlöchern wird auch die elektrische Leitfähigkeit gemessen, woraus sich Hinweise ergeben, dass auch der Eisgehalt abnimmt. In der Schweiz werden auch 14 Blockgletscher vermessen. Diese zeigen eine leichte, wenn auch nicht einheitliche Zunahme der Fließgeschwindigkeit. Die minimale Beschleunigung kann mit einer Zunahme des Anteiles an flüssigem Wasser und einer damit einhergehenden Verringerung der Scherfestigkeit interpretiert werden. Als primäre Ursache von Felsstürzen ist naturgemäß die Gravitation zu nennen, die bewirkt, dass sich alle Körper auf der Erde nach unten bewegen, sofern sie nicht durch andere Kräfte daran gehindert werden. Felsstürze (wie übrigens auch Schneebrettlawinen) sind durch schlagartig auftretendes Materialversagen gekennzeichnet,
Neben der geologischen Disposition wirkt Wasser als ganz wesentlicher Faktor für die Auslösung von gravitativen Sturzprozessen. In Klüften eingeschlossen kann Wasser je nach Höhe seiner Säule ungeheuren und vor allem anhaltenden Druck ausüben. Aus diesem hydrostatischen Druck resultieren Spannungen, die das Gebirge mechanisch beschädigen und große Felskörper in Bewegung versetzen können. Das Wasser sickert durch Regen oder Schneeschmelze in den Untergrund, es kann aber auch im Innern des Gebirges durch das Auftauen von Permafrost, welcher hier oft als Klufteis erscheint, entstehen. Dieser Vorgang ist besonders gefährlich, wenn die Abflusswege noch durch Eis verschlossen sind und sich dadurch Wasserdruck aufbaut. Eine Gebirgsentfestigung kann auch durch Segrega tion von Eis entstehen. Dabei wird bei Wanderung von Porenwasser oder Wasserdampf in kalte Bodenzonen Eis gebildet. Als Resultat vergrößern sich Felsspalten oder neue Risse entstehen, selbst kompakter Granit kann durch dieses Phänomen mechanisch zerstört werden. Im Hochgebirge werden Felsstürze – ergänzend zu den Auswirkungen von Wasser und Permafrost – oft auch durch den Rückgang der Gletscher aktiviert. Die glaziale Erosion bewirkte in der jüngsten geologischen Vergangenheit eine maßgebliche Übersteilung vieler Wände und Karflanken. Mit dem Abschmelzen der Gletscher wird deren stabilisierende Auflast eliminiert, wodurch sich das Gebirge entspannen kann und der Schwerkraft folgend nach unten
SONDERTHEMA PERMAFROST : hintergrund — hochtouren
41
hochtouren — hintergrund : SONDERTHEMA PERMAFROST
drängt. Landläufig wird auch der oberflächennahen Frostsprengung eine hohe Bedeutung beigemessen. Eine Frostsprengung, die darauf beruht, dass das Volumen von Wasser beim Gefrieren um 9 % zunimmt, ist jedoch nur für kleinere Steinschläge von Bedeutung. Auch stellen häufig genannte Ursachen wie Wurzeldruck oder Erdbeben nur zufällige Auslösetrigger für Felsmassen dar, welche schon im zeitlichen Vorfeld mechanisch geschwächt und dadurch in einen Zustand nahe dem Grenzgleichgewicht gebracht worden sind. Der Einfluss des Wassers auf die Stabilität des Gebirges ist jedoch auch differenziert zu betrachten. Untersuchungen im Labor haben gezeigt, dass Eisfüllungen in Klüften zu maßgeblicher Kohäsion beitragen und damit die mechanische Festigkeit des Gebirges erhöhen. Nimmt die Temperatur jedoch zu und schmilzt das Eis, schaut die Sache gänzlich anders aus. Am kritischsten ist der Zustand knapp vor vollständiger Auflösung des Eises bei –0,5 °C, weil dann ein spezielles Gemisch aus Fels, Wasser und Eis für eine minimale Reibung verantwortlich ist. Durch den Verlust der zementierenden Eigenschaft des Eises kann sich die Festigkeit des zerklüfteten und wassergesättigten Felsmaterials um ein Mehrfaches reduzieren.
Zusammenhang zu Hitzesommern Eine Studie in der Mont-Blanc-Gruppe bestätigt den Zusammenhang zwischen hohen Sommertemperaturen und Felssturzaktivität. In dieser Statistik ist der Hitzesommer 2003 gut abgebildet, die durchschnittliche Seehöhe der Ausbrüche liegt bei 3.130 Metern und damit in dem
Bereich, in dem die stärkste Degradation des Permafrostes stattfindet. Exponierte Wandteile, wie Pfeiler oder Rippen sind von Erosionsprozessen stärker betroffen, was durch den geringeren statischen Verbund dieser Geländeteile, aber auch durch ihre höhere Temperaturanfälligkeit zu erklären ist. Auch der aktuell erschienene Bericht des IPCC enthält die Aussage, dass seit den 1990ern die Abnahme des Permafrostes und extreme Hitzeereignisse zu vielen hochalpinen Bergstürzen beigetragen haben. Die Aussage wird mit einem mittelgroßen Vertrauen in die Rolle des Klimawandels wiedergegeben. Mit hoher Sicherheit haben nach diesem Bericht die Bergstürze in den Westalpen zugenommen, mit mittlerer Sicherheit die in Neuseeland und mit geringer Sicherheit gibt es auch eine globale Zunahme von Bergstürzen. Die Analyse der globalen Fakten wird jedoch durch das Fehlen geeigneter und in der Nomenklatur vergleichbarer Datensätze erschwert. So gibt es zum Beispiel keine Aussage etwa zur wichtigen Rolle von Extremniederschlägen als auslösendem Faktor für Bergstürze.
Das Eis schmilzt Im Vergleich zu den im Durchschnitt 1.000 Meter höheren Bergen der Westalpen zeigt sich der Permafrost in südexponierten Felswänden der Ostalpen oft schon aufgetaut. In weniger besonnten Wänden ist der Permafrost hingegen noch intakt. Doch auch hier schmilzt das Eis. Mit der Eisschmelze werden Klüfte offengelegt – Regen und Schmelzwasser können leichter in den Untergrund eindringen. Dieser Prozess verstärkt die Degradation des dauerhaft gefrorenen Bodens und die Labilität der Felswand. Mit der
Oben links: Zusam menhang zwischen Temperatur von Klufteis und Stabi litätsindex von Fels (Bommer C. et al, an gepasst nach Davies et al., 2001) Oben rechts: Ver gleich zwischen der Klimaentwicklung in Chamonix und der Aktivität von Felsstürzen an den Aiguilles de Chamo nix (Deline P. et al., 2013)
klettern — bericht : ABSEILUNFALL KAISER
ABSEILUNFALL ZILLERTAL : bericht — klettern
GI FLORIAN BAUERNFEIND Polizeibergführer, Diplomskilehrer Leiter der Alpinen Einsatzgruppe Schwaz Flight-Operator bei den Hubschraubern des BM.I
Die Abseilstände am Herrweg sind historisch gewachsen und wurden nachträglich mit Ketten verbessert.
Der abgestürzte Bergsteiger erlitt bei dem Sturz einen Schädelbasisbruch und verstarb noch an der Unfallstelle.
Unfallstelle
S 1 S
2
S Standplätze zum Abseilen 1 Abseilstrecke bis zum Absturz 2 Endlage des Verunfallten
Auf dem Herrweg sind die Abseilstände mittels Klebehaken eingerichtet und der Weg sowie die Stände mit roten Markierungen und Pfeilen zur Orientierung versehen. Insgesamt sind fünf Abseilstände (zwei Klebehaken mit Kette verbunden) grundsätzlich für 50-Meter-Einfachseile eingerichtet. Bei Verwendung eines 50-MeterSeils (Abseillänge 25 Meter) müssen bei der ersten Länge die letzten Meter allerdings abgestiegen werden. Die Gesamtlänge beträgt 31 Meter, wobei nach ca. 22 Metern auf der talwärts rechten Seite ein AV-Sicherheitsverbundhaken angebracht ist, der zum Sichern oder auch zum Abseilen bis zum nächsten Abseilstand verwendet werden kann. Am Abseilstand des Unfallgeschehens waren ein älterer, größerer Ringverbundhaken und ein redundant mit einer Kette verbundener AV-Sicherheitsverbundhaken angebracht. Der nächste Abseilstand befand sich 13,20 Meter weiter talwärts und war aufgrund des teilweise senkrechten sowie leicht überhängenden Geländes darüber vom oberen Abseilstand nicht einsehbar. Auch der übernächste Abseilstandplatz, weitere 20,10 Meter talwärts, war nicht einsehbar.
Ausrüstung Zum Abseilen wurde ein Halbseil der Marke Mammut mit ca. 9 mm Durchmesser und einer Länge von 61,08 Metern verwendet. Das Seil hatte eine Mittelmarkierung, wobei diese 17 cm von der gemessenen Mitte abwich (Mitte zwischen den beiden Farbmarkierungen).
Todlicher Irrtum Aufgrund eines seiltechnischen Fehlers stürzte eine 30-jährige Kletterin 70 Meter ab.
A
m 12. August 2013 gegen 8:30 Uhr stiegen zwei befreundete deutsche Frauen im Alter von 23 und 30 Jahren von Ginzling im Gemeindegebiet von Mayrhofen vorerst zur 1.445 Meter hoch gelegenen Maxhütte auf. Die ältere der beiden hatte sich die Route im Kletterführer zu Hause ausgesucht und ihrer Freundin vorgeschlagen, die dem Vorhaben zustimmte. Beide waren bzw. sind als sehr erfahren und leistungsstark einzustufen, was das Sportklettern betrifft, und hatten auch schon an mehreren Sportkletterwettkämpfen teilgenommen. Gegen 11:30 Uhr gelangten sie zum Klettergebiet Jägerwand, wo sie in die Route „Jungschütz“ (Bewertung UIAA 6) einstiegen. Sie waren mit einem 70-Meter-Einfachseil, Kletterschuhen, Helm, Hüftgurt und den notwendigen Sicherungsmitteln (Expressschlingen, Bandschlingen etc.) ausgerüstet. Sie durchstiegen die Route in überschlagender Führungsweise problemlos und gelangten gegen 16:00 Uhr zum Ende der Klettertour, die mit einem Kettenstandplatz ausgestattet ist. Dort sicherten sich beide mit einer Selbstsicherungsschlinge, fädelten das Seil durch den Stahlring des Kettenstandplatzes und machten an einem Seilende einen Sackstichknoten. Das zweite Seilende wurde, ohne einen Knoten am Seilende zu machen, nach unten geworfen. Die Jüngere der beiden begann mit dem Abseilvorgang am Doppelseil. Nach dem Erreichen des Standplatzes sicherte sie sich mit der Selbstsicherungsschlinge und gab das Seil frei. Anschließend seilte sich auch ihre Freundin am Doppelseil mittels Reverso-plus-Prusik als Ab-
sturzsicherung bis zu ihrer Freundin ab und sicherte sich dort mittels Selbstsicherungsschlinge am Kettenstandplatz. In der Folge wurde das Seil abermals durch den Stahlring gefädelt, auf einer Seite das Seilende mit einem Sackstichknoten abgesichert und anschließend gemeinsam vom oberen Abseilstand bis zur Mittelmarkierung des Seiles (farblich gekennzeichnet) abgezogen. Bei der zweiten Seilhälfte (vom oberen Standplatz ausfädelnd und am Standplatz vorbeifallend) wurde jeweils darauf verzichtet, dieses Seil einzuholen und das Seilende mit einem Knoten abzusichern. Diese Abseiltaktik bzw. Vorgehensweise wurde auch beim sechsten Abseilstand (von oben gesehen) von den Freundinnen praktiziert. Zu diesem Standplatz gelangte die Jüngere als Erste, sicherte sich abermals mit ihrer Selbstsicherungsschlinge und gab anschließend das Seil vom Abseilgerät frei. Nachdem auch ihre Freundin am Standplatz war, sicherte sich diese ebenfalls wieder mit der Selbstsicherungsschlinge am Kettenstandplatz. Ein Seilende wurde wieder, wie schon bei den vorigen Abseilständen, durch den Stahlring gefädelt und anschließend auf einer Seite das Seilende mit einem Sackstich abgesichert. Das Seil wurde bis zum Bereich der Mittelmarkierung abgezogen und beim herabfallenden Seil wurde darauf verzichtet, dieses zum Standplatz einzuholen und das Seilende mit einem Knoten abzusichern. An diesem Abseilstand hängte sich die Ältere der beiden mittels Reverso-Sicherungsgerät plus Prusiksicherungsschlinge in das Seil ein und begann mit dem Abseilvorgang, während ihre Freundin den Vorgang die ersten Meter
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© ALPINPOLIZEI (3)
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ABSEILUNFALL ZILLERTAL
FACTS • 12.8.2013 • Jägerwand, Route Jungschütz, UIAA 6 • Abseilvorgang • 1 Tote, 30 Jahre, aus Deutschland
klettersteig — bericht/analyse : NOTLAGE AM KAISERSCHILD
BEFRAGUNG : hintergrund — klettersteig
Kaiserschild (2.084 m) ANDREAS WÜRTELE Geschäftsführer des Kuratoriums für Alpine Sicherheit, Sachverständiger
BEFRAGUNG
70
Die örtliche Bergrettung und die Alpinpolizei hatten vor Inbetriebnahme des Klettersteiges Kaiserschild umfangreiche Einsatzpläne erstellt, da aufgrund der Klassifizierung mit D/E, der teilweisen Exponiertheit des Steigverlaufs und der besonderen Einsatzcharakteristik besondere Einsatztaktiken erforderlich waren. Die Notwendigkeit dieser Vorbereitung bestätigte sich leider in den nachfolgenden Jahren. Im Tourenverlauf des Klettersteiges wurden gekennzeichnete Rettungsstände und Notabseilstrecken errichtet und Bergemaßnahmen in zahlreichen Bergrettungsübungen trainiert. Diese Maßnahmen wurden auch nach Errichtung weiterer Klettersteige im näheren Umkreis gesetzt. Speziell im Kaiser Franz Joseph Klettersteig am Hochblaser – Seemauer wurde der Klettersteigverlauf in so genannte Sicherheitsabschnitte, ziffernmäßig von 1 bis 10, für die Kletterer ersichtlich, eingeteilt. Im Falle eines Notfalls und nach Bekanntgabe des entsprechenden Sicherheitsabschnitts können die Einsatzkräfte die für diesen Abschnitt festgelegten taktischen Rettungsmaßnahmen schnellstmöglich durchführen. Ausgezeichnete Kondition und vollständige Klettersteigausrüstung, Tourenplanung und grundlegenden alpine Kenntnisse sind für derartige Bergabenteuer und Klettersteigtouren unabdingbar. Damit sollte man auch anspruchsvolle und extremere Klettersteige unfallfrei genießen können.
Kaiserschild (2.084 m)
1
2
1 Verlauf des Klettersteigs 2 Unfallstelle
© ALPINPOLIZEI (2)
Links • www.bergsteigen.com/klettersteig/steiermark/ ennstaler-alpen/kaiserschild-klettersteig • www.bergfex.at/sommer/steiermark/touren/ klettersteig/6841,kaiserschild-klettersteig
Homo Via Ferrata Klettersteige sind gefragter denn je und das Begehen der Eisenwege boomt, was die Herzen (und Kassen) von Tourismus und Bergsportindustrie erfreut.
G
leichzeitig ist das Thema Klettersteig auch in der alpinen Unfall- und Sicherheitsbranche in Bewegung: Während man einerseits an einer europaweiten Norm für den Klettersteigbau feilt, wird andererseits die bestehende Norm für Klettersteigsets heiß diskutiert, da Kinder bzw. leichtgewichtige Personen, aber auch schwerere Bergsteiger in den derzeit gültigen Normanforderungen nicht berücksichtigt werden und Labortests gezeigt haben, dass Stürze für diesen Personenkreis trotz einwandfreien Klettersteigsets scherwiegende Folgen haben können. Alles schön und gut, doch bei der vermeintlich banalen Frage über eine Beschreibung des Homo Via Ferrata, also des typischen Klettersteiglers, mussten alle w. o. geben – egal ob Touristiker, Hersteller oder auch wir vermeintlichen Alpinunfallexperten. Ein Projekt des Instituts für Sportwissenschaften (ISW) der Universität Innsbruck zusammen mit dem österreichischen Kuratorium für alpine Sicherheit hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Manko zu beheben und zu schauen, wer, wie und was alles auf einem Klettersteig unterwegs bzw. im Einsatz ist. Insgesamt wurden dazu 332 Klettersteigler intensiv befragt, wobei vom talnahen, anspruchsvollen Sportklettersteig bis zum eher leichteren hochalpinen (Gipfel-)Steig alle Steigtypen vertreten sind. Somit sollte also ein gewisser repräsentativer Querschnitt gegeben sein.
Demografische Merkmale Im Schnitt ist der typische Klettersteiggeher 37 Jahre alt – wobei der größten Anteil der Befragten aus der Altersklasse zwischen 41 und 50 Jahren kam (27 %), erstaunlicherweise dicht gefolgt von den 21- bis 30-Jährigen (26 %). Insgesamt ist die überwiegende Mehrheit (77 %) un-
71
Vorbereitende Maßnahmen
serer Klettersteigler zwischen 21 und 50 Jahre alt und männlich (64 %). Gerade mal ein Drittel der Befragten waren Frauen, was aber generell den Frauenanteil am Berg gut widerspiegeln dürfte. 64 % waren Inländer, rund ein Viertel waren deutsche Staatsbürger und die restlichen 10 % verteilten sich auf viele Länder, sodass keine weitere Nation merklich hervorstach. Dieses Ergebnis ist insofern verwunderlich, als vier der insgesamt acht Klettersteige, auf denen die Befragung stattgefunden hat, in tourismusstarken Regionen (je zwei im Ötztal und im Zillertal) liegen. Zudem befindet sich einer der gewählten Steige im deutsch-österreichischen Grenzgebiet (Wilder Kaiser), das traditionell von den Südbayern als „Hausgebiet“ bezeichnet wird. Hier ist auch der Anteil der Nicht-Öster reicher mit 45 % etwas höher als im Studienschnitt, die Inländer bilden aber immer noch eindeutig die Mehrheit.
ALTERSVERTEILUNG 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
<8 Jahre
8–15 Jahre
16–20 Jahre
21–30 Jahre
31–40 Jahre
41–50 Jahre
51–60 Jahre
> 60 Jahre
canyoning — analyse : ERTRINKUNGSTOD
ERTRINKUNGSTOD : analyse — canyoning
ALEXANDER RIML Berg- und Skiführer, Canyoningführer Alpinsachverständiger
85
Entscheidung mit fatalen Folgen Die Analyse nach einem Unfall im alpinen Umfeld ist für alle Beteiligten immer eine sehr schwierige Herausforderung und man muss mit sehr viel Fingerspitzengefühl an die Arbeit gehen, um die Hintergründe aufzuklären.
E
ine Unfallanalyse sollte in keiner Weise eine Schuldzu weisung oder Verurteilung von beteiligten Personen sein, sondern wir alle können aus den Unfällen, die anderen widerfahren sind, nur lernen. Aus diesem Grund sollte eine Analyse grundsätzlich dazu dienen, bis dato unbekann te oder oft auftretende Fehler aufzuzeigen, um dadurch Personen vor größerem Unheil zu be wahren oder alpine Ausbildungsrichtlinien an zupassen und sogar neue Verhaltensregeln in diesem Bereich aufzustellen, die die Sicherheit erhöhen. Wenn man einen Unfall von dieser Sei te betrachtet, kann die Aufarbeitung von Fehlern trotz der Tragik dahinter einen Sinn für andere Alpinisten haben. Der tödliche Canyoningunfall vom 25. Mai 2012 in der unteren Auerklamm im Ötztal zeigt lei der auf tragische Weise, welche Folgen die im Vorfeld getroffenen Entscheidungen und die anschließende Hilfeleistung für einen Verun fallten für einen Führer haben kann. Oft ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar, warum Menschen dieses extreme Risiko eingehen, um eine Person aus einer lebensbedrohlichen Situ ation zu retten, die sie vielleicht erst kurze Zeit zuvor kennen gelernt haben, und dabei alle Si cherheitsaspekte für sich selbst außer Acht las sen. Aus diesem Grund verstehe ich auch Kol legen oder außenstehende Personen nicht, die
im Nachhinein behaupten: „Das hätten wir nicht gemacht oder dieser Fehler bei der Bergung wäre uns mit Sicherheit nicht passiert.“ Grund sätzlich kann keiner von uns wirklich wissen, wie man in einer Notsituation reagiert, um einen Menschen aus einer lebensbedrohlichen Situa tion zu retten.
Die Canyoningtour Die Auerklamm am Anfang des Ötztals ist eine der am häufigsten begangenen Canyoning touren in Tirol. Der Grund dafür ist, dass diese Tour von den umliegenden kommerziellen An bietern in verschiedene Teilabschnitte unterteilt wird und Personen dadurch in den Genuss eines Abenteuers kommen, dem sie teilweise nicht wirklich gewachsen sind. Viele der Gruppen teilnehmer wissen vor Tourenbeginn kaum, was Canyoning bedeutet, da vielleicht ein Teilnehmer der Gruppe die Tour übers Internet gebucht hat, ohne die anderen über die geplante Aktivität zu informieren. Aus diesem Grund wurden auch schwierige Stellen mit kurzen Stahlseilen fixiert, um ein Umgehen von einzelnen Stellen bei viel Wasser oder bei Überforderung der Teilnehmer zu ermöglichen. Auch die Unfallstelle ist seit Jahren aus diesem Grund mit einer versicher ten Umgehungsmöglichkeit ausgestattet. Diese trügerische Sicherheit verleitet aber auch immer wieder Anbieter und erfahrene Canyoningführer dazu, gewisse Sicherheitsstandards, an die sich der Großteil der Veranstalter und Canyoningfüh rer hält, zu übertreten.
© ALEXANDER RIML (2)
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ERTRINKUNGSTOD
Auf diesen beiden Bildern kann man erkennen, dass der Wasserfall auf der orografisch rechten Seite (Foto oben, Bildrand oben) sofort auf eine Felswand trifft und dadurch die Hauptenergie des Wassers in eine Kreisbewegung abgelenkt wird. Je höher der Wasserstand, umso schneller wird die Fließgeschwindigkeit des Wassers, wodurch auch die Kreisbewegung deutlich erhöht wird. Bei dem im Bild zu sehenden Wasserstand bleibt dem Canyoningbegeher genügend Zeit, aus dem Becken zu schwimmen. Die roten Pfeile zeigen die abfließende Strömung, die gelben Pfeile zeigen die rücklaufende Strömung. Wenn an dieser Stelle gesprungen wird, dann müssen alle Canyoningbegeher von der orografisch linken Seite (Foto unten, Bildrand unten) in die Mitte des Beckens springen.
analyse:berg — öamtc flugrettung
öamtc flugrettung — analyse:berg
Taubergung
Variante Seilbahnassistenz
Variante Lawineneinsatz
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© ÖAMTC/ILLUSTRATION: GEORG SOJER
Im Einsatzgebiet erfolgte die Kontaktaufnahme mit der Melderin durch TETRA-Handyfunktion über die angegebene Rückrufnummer und gleichzeitige optische Suche nach der abgestürzten Patientin. Die Kommunikation mit der Melderin und Einweisung erwies sich als sehr schwierig (Sprachbarriere zwischen Melderin und Crew aufgrund einer Fremdsprache). Nach kurzem Suchflug erfolgte die Sichtung der abgestürzten Patientin im steilen Waldgelände. Zum Glück trug diese Kleidung, die sich auffallend von der Umgebung abhob, sodass sie auch zwischen den Bäumen entdeckt werden konnte. Da eine Landung vor Ort nicht möglich war, entschied sich die Crew, eine Taubergung durchzuführen. Situationsangepasst wurde ein 60-Meter-Fixtau gewählt. Der NAH leitete die Information zur aktuellen Situation und über den Fund der Patientin an die Leistelle weiter. Diese fragte wiederum, ob die ebenfalls alarmierte Bergrettung Wörgl noch benötigt wird. Von Seiten des NAH wurde rückgemeldet, dass diese nicht mehr erforderlich sei. Die Leistelle stornierte das Bergrettungsteam. Der Einsatzleiter des Bergrettungsteams (selbst erfahrenes und langjähriges Crewmitglied in der Flugrettung) setzte den Einsatz trotz Stornierung weiter fort, nachdem das Bergrettungsteam ohnehin schon auf dem Weg war und unterstützte mit seinem Team die NAH-Crew sowohl am Zwischenlandeplatz als auch später am Notfallort. Am Zwischenlandeplatz auf einer großen Wiese im Bereich des Gasthauses Eisstein wurde der NAH zur Taubergung mit 60 Metern vorbereitet. Nach Abschluss der Vorbereitungsarbeiten erfolgte der Anflug zum Notfallort mit Flugretter, Flugrettungsarzt und Bergesack am 60-Meter-Tau. Das Absetzten der beiden Crewmitglieder erfolgte ca. 30 Meter östlich des Notfallortes, da ein Anflug direkt zur Patientin aufgrund des dichten Waldgeländes nicht möglich war. Der Flugretter und der Flugrettungsarzt begaben sich samt Ausrüstung zu Fuß zur verunfallten Patientin. Dies war erschwert durch steiles, laubbedecktes und sehr rutschiges Waldgelände. Nachdem man die ansprechbare Patientin erreicht hatte, erfolgte eine kurze Lagebeurteilung. Die Patienten klagte über starke Schmerzen am Unterschenkel, der zum Teil mit Laub bedeckt war.
Taubergeverfahren sind in vielen Fällen die Ultima Ratio in der alpinen Flugrettung – zum einen für Patienten, die aus unwegsamen Gelände gerettet werden müssen (Bergung aus dem Gefahrenbereich), zum anderen für verletzte Personen, die im alpinen Einsatzgelände einzig und alleine auf diese Art einer schonenden und zeitlich kurz gehaltenen Bergeaktion unterzogen werden können. Bei schwierigen Einsätzen kommt es auf die Leistung jedes Einzelnen in der Rettungsmannschaft an. In stresserzeugenden Situationen ist es häufig wichtig, unklaren Situationen auf den Grund zu gehen und sich nicht zu leicht zufriedenzugeben. Dies kann durch Teamwork gelingen. Vor allem das Zusammenspiel der Teams in der Rettungskette ist von besonderer Bedeutung, wie unser Fallbeispiel sehr deutlich zeigt.
Während der Versorgung trafen das Team der Bergrettung und ein Polizist ein. Diese unterstützten das Flugrettungsteam bei der Versorgung. Die Frage nach der alarmierenden zweiten Person wurde aus der Runde mit „Die ist im Tal“ beantwortet. Somit war diese augenblicklich aus dem Fokus aller Einsatzkräfte gerückt. Nach der Erstversorgung, die unter Zeitdruck aufgrund der bald einsetzenden Dämmerung/ Dunkelheit erfolgte, wurde die Patientin unter Mithilfe der Bergrettung in den Bergesack gelagert und die Bergung mittels Notarzthubschrauber und 60-Meter-Tau durchgeführt. Die Versorgungszeit am Notfallort betrug ca. 38 Minuten. Der Abflug am Tau erforderte nochmals die vollste Konzentration aller Beteiligten, da das „Ein- und Ausfädeln“ im dichten Waldgelände sehr vorsichtig und aufmerksam erfolgen muss. Am Zwischenlandplatz wurde die Patientin weiter versorgt und in den Notarzthubschrauber eingeladen. Nach Anmeldung an die Universitätsklinik Innsbruck erfolgten der Anflug nach Innsbruck und die Übergabe der Patientin im Schockraum um ca. 17:45 Uhr. Nach dem Rückflug zum Stützpunkt und beim Nachbereiten des Einsatzes riefv sich die NAH-Crew mit dem Einsatzleiter des Bergrettungsteams zusammen. Dabei erfuhr man, dass diese zur Rekonstruktion des Unfallherganges nach Abflug des NAH noch hangaufwärts (zum Ausgangspunkt des Absturzes) gegangen waren und dort (ca. 300 Meter oberhalb der verunfallten Patientin) kurz vor Einbruch der Dunkelheit die auf Hilfe wartende Melderin gefunden hatten, die nicht wie ursprünglich vermutet im Tal war. Glücklicherweise konnte diese durch die Bergrettung terrestrisch abtransportiert werden.
Die Systembeschreibung und statistischen Kennzahlen in diesem Beitrag beziehen sich auf die ÖAMTC Flugrettung und die Heli Ambulance Team GmbH & Co. KG, die gemeinsam 17 ganzjährige und fünf saisonale Notarzthubschrauberstandorte zur flächendeckenden Versorgung in ganz Österreich betreiben und 2013 18.461 Notarzthubschraubereinsätze durchgeführt haben. Da die angeführten Betreiber nicht die einzigen Anbieter für Flugrettung in Österreich sind, kann diese Analyse nicht als Gesamtbeschreibung gesehen werden, sondern ist begrenzt auf die angeführten Organisationen und kann darüber hinaus bestenfalls Trends und Schwerpunkte aufzeigen.
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Variante Kaperbergung
Conclusio
Die Patientin drohte, am Bauch liegend weiter abzurutschen. Der Unterschenkel war stark verdreht und wies eine blutende Wunde auf. Auch hier war die Kommunikation aufgrund der Fremdsprache erschwert. Der Flugrettungsarzt versorgte die Patientin mit Schmerztherapie, während der Flugretter die Patientin sicherte und einen Platz für die Lagerung im Bergesack vorbereitete. Die Patientin wurde mehrmals gefragt, ob noch jemand mit ihr unterwegs ist. Dies wurde bestätigt, der momentane Aufenthaltsort ließ sich jedoch aus dem Gespräch nicht abklären.
© ÖAMTC
Fixtau oder variables Tau
GPS-Koordinaten/Bereichskoordinaten: 12° 4.262‘ Ost, 47° 28.420‘ Nord, Melder nicht Vorort, Rückrufnummer +49/XXXXXXXXX.“ Der Notarzthubschrauber startete von seinem Stützpunkt aus zum angegebenen Notfallort.