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fIlMhaus
1 jahr kino3 oktober in rimini
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filmhaus: poetiscHes und poLtiscHes
rund 12.000 menschen haben sich eingewählt und in einem jahr gut 400.000 minuten lang gestreamt. das sind beeindruckende zahlen – insbesondere für ein angebot, das ohne blockbuster daherkommt und sich ganz cineastisch auf die kleinen, feinen produktionen konzentriert, gerne mal was experimentelles oder filme aus ländern, aus denen man als normaler curt-redakteur noch nie einen film sah. das kino3, die streamingplattform des filmhauses ist also eine erfolgsgeschichte und bleibt uns deshalb natürlich auch weiterhin erhalten.
Und trotzdem wollen wir, nach einem Jahr Streaming-Angebot, unseren Blick zuerst wieder dorthin richten, wo die Projektoren rattern und die Vorhänge flattern: Das Filmhaus mit seinen echten Sälen aus Holz und Stein feiert planmäßig am 10. Juni seine Wiedereröffnung. Die Bestuhlung im Kino 1 ist frisch erneuert worden. Mit einer bis hierhin verschobenen Retrospektive befriedigt das Filmhaus nun nicht nur unsere Kinosehnsucht, sondern das Fernweh gleich mit: Valerio Zurlini gilt mit seinem schmalen Werk von nur acht Filmen als der große Unbekannte aus der goldenen ära des italienischen Films. Die 35mm-Kopien dieser poetischen Geschichten stehen im Filmhaus-Archiv und warten nur auf ihren Einsatz. Unter anderem Zurlinis bekanntester Film: die tatarenwüste, über eine Festung, in der die Soldaten immerzu vergeblich auf den Feind warten. Neue italienische Filme folgen im Juli im Zuge des Schwerpunkts cinema! italia. Noch im Juni wird es im Filmhaus außerdem das beeindruckende Debüt der vietnamesischen Regisseurin Ash Mayfair geben, die in may, die dritte frau auch ihre eigene Familiengeschichte verarbeitet und von einem patriarchalen System erzählt, über dessen finstere Traditionen hier wenig bekannt ist. Der Dokumentarfilm zustand und gelände von Ute Adamczewski richtet den Blick auf die finstere deutsche Vergangenheit. Adamczewski erzählt, ausgehend vom Phänomen der „wilden Konzentrationslager“ von Orten, deren Bedeutung in den Jahrzehnten nach dem Dritten Reich immer wieder neu überschrieben wurde. Mindestens einmal geht das Filmhaus in diesem Sommer auch an die frische Luft – am 22. Juni in St. Katharina mit einem Film von hier über ein wichtiges Thema von hier: Für projekt freiraum – ein ort verschwindet sprach Regisseurin Zoë Jungmann anlässlich des Auszugs des Projekt 31 mit Aktivist*innen und Stadträt*innen und Kulturschaffenden: Warum ist das Projekt wichtig und warum ist es so schwierig, Freiräume in dieser Stadt zu finden? Das Thema wird im Rahmen der Veranstaltung mit den Protagonist*innen weiter diskutiert werden.
Im kino3, das weiterhin wertvoll bleibt, läuft ab Anfang Juni derweil die erste kuratierte Werkschau des Streaming-Dienstes zu Ehren des georgischen Filmemachers Otar Iosseliani, dessen gesellschaftskritische Filme in der Sowjetunion wiederholt zensiert wurden. Ende Juni freuen wir uns dann online über eine schwarzhumorige Komödie typisch britischer Art: Mit the party hat Sally Potter ein eskalierendes Kammerspiel über den alleszerfressenden Karrierismus ihrer Landsleute geschrieben. Den deutschen Karrieristen mimt Bruno Ganz. Ein kleiner Ausblick noch in Richtung Juli, weil da schon der Berlinale 2021-Gewinner ums Eck schielt: bad luck banging or loony porn von Radu Jude ist eine irrwitzige Studie über die Feindseligkeit, und erzählt am Beispiel einer Lehrerin, deren privater Porno in die öffentlichkeit gelangte. Ausgerechnet kurz vorm Elternabend.
filmhaus nürnberg Königstraße 93, Nürnberg. www.kunstkulturquartier.de/filmhaus