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tHeobaLd o.j. FucHs: Die beiDeN herberts

Wir hatten ja einen echten Verbrecher in der Familie. Als ich ein Bub war, da war mein liebster Verwandter mein Onkel Herbert. Der Mann von meiner Tante Bärbel. Später freilich: Der Ex-Mann. Der Onkel Herbert war ein echter Verbrecher, und ich fand das super. Weil ich dachte, der schenkt mir bestimmt zum fünfzehnten Geburtstag einen echten Revolver. Und ich darf später mit seinem Cadillac herumfahren und Schnaps trinken mit seinen Gangster-Kumpeln. In einer finsteren Kneipe in der Südstadt, und stinkende Zigarren rauchen wie der Opa und kartenspielen. Dem Herbert hat nämlich bald nach dem Krieg ein Grundstück in der Vorderen Sterngasse gehört, wo er einen Parkplatz darauf betrieben hat. Die Leute haben dem Onkel Herbert Geld gezahlt, dass sie dort ihr Auto abstellen dürfen. Und während die Leute in der Stadt einkaufen waren, hat der Herbert von anderen Leuten Geld dafür genommen, dass er ihnen erlaubt hat, die geparkten Autos aufzubrechen und auszuräumen. Und wenn die dann nicht gewusst haben, wo sie hin sollen mit dem Zeug, das sie geklaut haben, hat ihnen der Herbert auch geholfen. Gegen eine gewisse Gebühr freilich. Und weil auf dem Parkplatz auch noch Platz für zwei Wohnwagen war, hat der Herbert die dort aufgestellt und vermietet. An Damen mit besonderen Spezialkenntnissen. Die haben in den Wohnwägen ihre Kunden behandelt und der Herbert hat Geld abbekommen. Die Tante Bärbel hat nichts davon gewusst. Sie hat bloß gewusst, dass der Herbert Geld hat wie Heu und dass er todschicke Autos fährt. Und dass er recht cholerisch war, vor allem beim Einparken. Wo er gerne mal das Auto davor und das Auto dahinter gerammt hat,

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weil er wütend darüber war, dass die Parklücke zu klein ist für seinen Cadillac. Und weil er natürlich immer gedacht hat, zu Hause hat er einen riesigen Parkplatz, wo er den Cadillac zehn mal abstellen könnte, und jetzt klemmt er in Rimini zwischen zwei verbeulten Fiats und muss hinter die Scheibenwischer von jedem ein paar Hunderter stopfen, die auch erst einmal mit dem Parkplatz wieder herein gebracht werden müssen. Weil leicht war das Geld ja wirklich nicht verdient. Dass er ein regelrechter Loddel ist, das hat die Tante Bärbel erst später rausgekriegt, nämlich im Krankenhaus, wo sie sich behandeln lassen hat müssen, wegen einer Syphilis. Weil der Herbert hat ja die Angewohnheit gehabt, dass er die jungen Pferdle erst einmal selber ausprobieren hat müssen, ehe er sie in einem von den Wohnwägen eingestellt hat. »Einreiten« hat das meine Mutter immer genannt wie sie davon erzählt hat, und ich war schon ein ausgewachsenes Mannsbild, als ich schließlich kapiert hab, dass es nicht wirklich um Pferdle ging. Der Herbert war also eigentlich nur sehr sorgfältig herangegangen, an seine Arbeit, aber wie‘s die Bärbel rausgekriegt hat, hat sie sich scheiden lassen. Und deswegen hab ich nie einen echten Revolver zum Geburtstag gekriegt und ich bin nie mit einem Cadillac durch die Südstadt gefahren, obwohl mein Onkel ein echter Verbrecher gewesen ist. Die Tante Bärbel hat sich aber dafür später einen Hund zugelegt, den hat sie Herbert genannt. »Herbert, du Frecker! Kommst etzd sofort her!«, hat sie immer geschrien, und es hat ihr große Befriedigung bereitet. Die Tante Bärbel hat nämlich eine riesige Schlebbern, hat mein Onkel immer gesagt, die muss man einstmals extra erschlagen, so viel Gschmarri redet die die ganze Zeit. Als der Hund alt geworden war, hat er meistens unter dem Tisch gelegen und gefurzt. überall hat er gefurzt, im Wirtshaus, im Auto, und wenn Tante Bärbel zu Besuch bei uns war, draußen auf dem Dorf. »Der Hund stinkt ja wieder bestialisch«, hat meine Mutter jedesmal wieder gesagt. Und Bärbel hat zum Hund gesagt: »Herbert, du Frecker! Hörst, was mei‘ Schwester sagt? Du stinkst abscheulich, sagt sie, du nichtsnutziger Frecker!« Und mein Vater hat dann immer den alten Schraubenschlüssel aus dem Keller geholt, den er noch vom Herbert hatte – also dem MenschenHerbert, der meinen Vater immer großzügig mit gestohlenem Werkzeug versorgt hat. Dann hat er dem Hund den Schraubenschlüssel gezeigt und gesagt: »Wennsd nedd aufhörst mit‘m Stinken, dann stell ich dein Gashahn damit aus.« Bis dann die Tante gesagt hat: »Etz erschrick halt des arme Vieh nedd a so, der gricht ja no Durchfall weger dir. Gell, Herbert? Mussd kei Angst haben, der meint‘s nedd so.« Und ich fand das immer ganz toll, dass ich einen Vater hab, der einen Hund mit einem Schraubenschlüssel reparieren kann. Das hat halt auch nicht jeder.

theobald o. j. fuchs Und was treibt er so im Juni und Juli? Suhlen in Luxus und Ausschweifung, Errichtung komplexer Gedankengebäude, Publikationen in Vorbereitung, maximale Entspannung. Das übliche.

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