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RELIGIÖSE VIELFALT UND FAMILIENKULTUR
Bildungspartnerschaft mit Familien
Birgit Pardatscher
Eine gelingende Bildungspartnerschaft zwischen Kindergarten und Familie ist wesentlich für die Identitätsentwicklung der Jungen und Mädchen. Das Bild, das sich ein Mensch im Laufe des Lebens von sich selbst macht, basiert auf der Wahrnehmung von sich selbst als eigenständige Person mit individuellen Merkmalen und Besonderheiten, ist aber auch untrennbar mit der sozialen Identität verbunden. In diesem Zusammenhang sind die Bezugsgruppen, denen er*sie angehört von zentraler Bedeutung. Für ein Kind ist die eigene Familie ganz klar die wichtigste Bezugsgruppe, zu der er*sie sich zugehörig fühlt. Aus diesem Grund kann es sich negativ auf die Identitätsentwicklung auswirken, wenn die Familie gesellschaftlich nicht anerkannt beziehungsweise wenn sie diskriminiert wird. Mädchen und Jungen nehmen genau wahr, wie den Eltern im Kindergarten begegnet wird. Daraus leiten sie direkt ab, welchen Stellenwert sie selbst im Kindergarten und in der Gesellschaft haben. Daher werden die Mädchen und Jungen darin gestärkt, ein positives Bild von sich selbst zu entwickeln, wenn die pädagogischen Fachkräfte ihren Familien mit Wertschätzung und Respekt begegnen. So unterschiedlich die Kinder sind, so verschieden sind auch ihre Familien. Jede hat ihre eigene Lebensrealität, lebt eine ganz persönliche Familienkultur, welche die pädagogischen Fachkräfte oft nur am Rande kennen und deren Vorstellungen und Haltungen sie auch nicht immer nachvollziehen oder gar teilen können. Dennoch gehört es zu ihrem professionellen Auftrag, allen Familien eine grundsätzliche Akzeptanz und Wertschätzung entgegenzubringen. Das kann in manchen Situationen gewiss auch herausfordernd sein, da auch pädagogische Fachkräfte – wie alle Menschen – nicht gänzlich frei von Vorbehalten und Vorurteilen sind. Dennoch: Wenn pädagogische Fachkräfte sich ausschließlich davon leiten lassen, was ihrer Meinung nach das Beste für die Kinder ist, ohne den Dialog mit den Familien zu suchen, so handeln sie – unabhängig von ihrer guten Absicht und stichhaltigen Argumenten – nicht im Sinne jener Kinder, deren Familien ihre Ansichten nicht teilen (vgl. Gonzales-Mena 2008, S. 6). Daher gilt es, die eigenen Vorstellungen immer wieder zu überdenken und im Dialog mit Familien darauf zu achten, dass sich Einseitigkeiten nicht verfestigen. Eltern sind Expertinnen und Experten für ihr Kind und daher bei der Gestaltung von Bildungsprozessen wichtige Partner für die pädagogischen Fachkräfte. Es gilt Begegnungsräume zu öffnen und eine Gesprächskultur zu entwickeln, die auf Wertschätzung und Respekt basiert. Die Formen der Zusammenarbeit können von Kindergarten zu Kindergarten, von Jahr zu Jahr unterschiedlich aussehen. Wichtig ist, dass die Bedürfnisse der Familien wahrgenommen werden und darauf eingegangen wird. Sind Familien und pädagogische Fachkräfte verschiedener Meinung, ist es entscheidend, wie mit diesen Differenzen umgegangen wird. Begegnen sie sich mit Wertschätzung und sehen Konflikte als Chance zur Entwicklung, so kann man gemeinsam daran wachsen. Einander Wertschätzung und Respekt entgegenbringen heißt nicht zwingend, einer Meinung zu sein, und es bedeutet nicht, alles hinzunehmen, was Eltern sagen. Besonders in Situationen, in denen jemand beleidigt oder herabgewürdigt wird, ist es wichtig, dass die pädagogische Fachkraft Stellung bezieht und sich klar gegen Diskriminierung ausspricht.
„Das Dilemma besteht darin, sich für Veränderungen einzusetzen und dennoch Menschen zu akzeptieren, wie sie sind.“ (Gonzales-Mena, 2008, S. 24).
Literaturangabe: Gonzales-Mena, Janet (2008): Diversity in Early Care and Education. Honoring Differences, (Fifth Edition). Boston: McGraw-Hill.