24 | 6. Elternbrief - Kinder zwischen 3 und 5: Neugierig und klug
Sprachen sind ein Schatz Zwei- oder mehrsprachig aufwachsen Ob Michael mit „Schlaf, Kindlein, schlaf “ oder mit „Fra' Martino“ in den Schlaf gesungen wird, hängt davon ab, wer ihn abends zu Bett bringt. Seine Mami ist deutscher Muttersprache, sein Papi italienischer. Wenn am Wochenende Tante Elisabetta mit ihrer Familie zu Besuch kommt, reden alle „so wie Papi“; das ist für Michael die selbstverständlichste Sache der Welt. Er redet genauso wie alle Kindergartenkinder – aber in zwei Sprachen. Michaels Eltern haben bisher versucht, sich an den Grundsatz „eine Person – eine Sprache“ zu halten: Das bedeutet, dass beide mit ihm möglichst nur in ihrer Muttersprache reden. Im Alltag lässt sich dieses Prinzip aber nicht immer konsequent durchhalten. Michael hat bald gemerkt, dass Mami und Papi manchmal untereinander
„so wie Mami“, nämlich Deutsch, sprechen. Als er mit drei Jahren in den Kindergarten kam, geriet das Italienische etwas in den Hintergrund: Von Susanne, seiner Kindergärtnerin, und von seinem Freund Jonas und seiner Freundin Annika erzählte er dem Papi in Deutsch. Mit italienischen Liedern, Reimen und Geschichten versuchte „Papà“ seine Sprache wachzuhalten. Als sie dann im Sommer für drei Wochen zu den Großeltern ins Trentino fuhren, erlebten alle eine Überraschung: Nach ein paar Tagen der Umstellung plauderte Michael schon bald mit der „Nonna“, seiner italienischen Großmutter, und seinen beiden Cousins Andrea und Laura, als hätte er nie etwas anderes als Italienisch gesprochen. Wenn Kinder zweisprachig aufwachsen, entwickeln sich beide Sprachen meist nicht gleichmäßig. Für ein kleines Kind steht der Wunsch im Mittelpunkt, sich zu verständigen. In Situationen, die mit starken Gefühlen verbunden