EINZELKINDER | 69
Einzelkinder Kinder ohne Geschwister Es gibt immer mehr Familien mit Einzelkindern. Die Kinder können die Tatsache unterschiedlich erleben: Die einen genießen es, im Zentrum der Aufmerksamkeit ihrer Eltern und Großeltern zu stehen, andere verspüren den Wunsch, stärker mit anderen gleichaltrigen Kinder zusammen zu sein. Einzelkinder und ihre Eltern werden öfters mit Vorurteilen konfrontiert: Einzelkinder seien egoistisch, würden nicht streiten können, wären als Erwachsene weniger beziehungsfähig. Fachleute können diese Vorurteile nicht bestätigen. Sie konnten feststellen, dass Einzelkinder sich häufig gut alleine beschäftigen können und häufig Freizeitaktivitäten wählen, bei denen sie sich alleine beschäftigen: lesen, basteln, musizieren oder Haustiere pflegen und versorgen. Andere besondere Charaktereigenschaften lassen sich wissenschaftlich nicht belegen. Wichtig ist es für Einzelkinder, dass sie die Möglichkeit haben, Kontakt zu anderen Kindern zu pflegen. Kinder, die Freunde und Freundinnen haben, sind in der Regel ausgeglichener und zufriedener. Mit Gleichaltrigen zu sein, ermöglicht es ihnen, soziale Fähigkeiten einzuüben: Teamfähigkeit, Rücksichtnahme, Toleranz, Verlässlichkeit. Und sie lernen die Regeln des Miteinanders kennen: Wie viel Nähe ist gut und angemessen? Wann gilt es Grenzen einzufordern oder zu respektieren? Wie können Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte gelöst werden? Außerdem gibt es Kindern Kraft und es stärkt ihr Selbstbewusstsein, wenn sie zu einer Gruppe Gleichaltriger gehören. Sie lernen durch die Rückmeldung der anderen, sich selbst besser einzuschätzen, die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Dass Ihr Kind ein Einzelkind ist, kann viele Gründe haben. Sollte es sich mit dieser Situation schwertun oder öfters den Wunsch nach Geschwistern äußern, ist es vielleicht möglich, in einem Gespräch den Grund oder die Entscheidung dafür zu erklären. Dann fällt es ihm vielleicht auch leichter zu antworten, wenn es danach gefragt wird, ob es nicht eigenartig sei, ohne Geschwister aufzuwachsen. Im Wunsch nach Geschwistern steckt vielleicht auch der Wunsch nach engem Kontakt zu anderen Kindern,
nach einer intensiven Beziehung, die auch außerhalb der Kleinfamilie aufgebaut werden kann, etwa indem man gemeinsam mit anderen Vätern und Müttern und deren Kindern Zeit verbringt. In manchen Familien ergeben sich unter Cousins geschwisterähnliche Beziehungen, die so intensiv sein können, dass Kinder oft in der anderen Familie übernachten oder miteinander Ausflüge unternehmen.
Buchtipp: Mein Bruder aus dem Gurkenglas, Aurélie Guillerey und Emilie Chazerand, Knesebeck, 2017. Hieronymus ist ein Einzelkind – und das genau sind seine beiden Probleme: keine Geschwister und ein doofer Vorname. Er beschließt eines Tages, sich selbst einen Bruder zu kaufen – in einem Konservenglas beim Lebensmittelhändler. Ob das gut geht?
Wir danken Martina Koler, www.martina-koler.com, für den Buchtipp.