Mit die
wahrnehmen!
Die Lebendige Bibliothek für Nature Writing im Allgäu Unser Bedürfnis, die Natur im Innersten zu verstehen, ist uralt. Im Zeitalter der Aufklärung erfanden die Wissenschaftler daher Barometer, Thermometer, Teleskope, Hygrographen, Apparate und Instrumente. So ließ sich die Natur exakt und im Detail beobachten, neue Methoden verbreiteten sich, die eifrig notierten Messungen in Tage- und Notizbüchern hielten nicht nur Ergebnisse fest, sondern ließen sich auch vergleichen – der Siegeszug der Wissenschaft hob so angespornt an. Ein breites Publikum war begierig auf die neuen Einsichten, die in Vorträgen verbreitet wurden.
Da wollten die Dichter nicht nachstehen, ihre blumige Sprache wurde konkret und genau, sie schilderte detailliert, wie sich die Welt dank der präziseren Möglichkeiten der Wahrnehmung veränderte. So gelang es Luke Howard, eine wissenschaftliche Nomenklatur der Wolken zu erstellen, der Dichterfürst Goethe arbeitete parallel dazu an seinem „Wolkentagebuch“, die Kumulus-, Stratus- oder Cirruswolken verwandelten sich in Gedichte, Poesie und Wissenschaft begeisterten die LeserInnen mit neuen erregenden Sichtweisen der Natur.
Ein Beispiel: Howard beschreibt die Cirrus- oder Federwolken als „parallele, biegsame oder divergierende Fasern, die in jede oder in alle Richtungen dehnbar sind“. Bei Goethe liest sich die Beschreibung so: „Doch immer höher steigt der edle Drang! / Erlösung ist ein himmlisch leichter Zwang. / Ein Aufgehäuftes, flockig löst sich's auf, / Wie Schäflein trippelnd, leichtgekämmt zu Hauf, / So fließt zuletzt, was unten leicht entstand, / Dem Vater oben still in Schoß und Hand.“ Die Wolken der Wissenschaft und die wolkige Poesie – der Zauber liegt in den Worten…
2021
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