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La Strada sagt „Danke“ für den Mut und das Vertrauen

Trotzdem: Gemeinsam über zwei Kontinente

Circa and Urban Art Projects Cube Studies 1 (Graz)

AU AT

Bild: Leviathan / europäische Uraufführung bei La Stada 2021

Anstatt der auf 2021 verschobenen europäischen Urauff ührung von Leviathan refl ektieren die australische Compagnie Circa und La Strada mit den Cube Studies auf die derzeitige Situation.

Für einen Künstler, dessen Arbeit bis zum Frühjahr dieses Jahres in 40 Ländern auf sechs Kontinenten und vor über einer Million Menschen stattgefunden hat, ist es eine besondere Herausforderung, wenn plötzlich Grenzen und Türen geschlossen werden. Zumal dann, wenn man mitten in der Abschluss phase einer großformatigen, interkontinentalen Bühnenproduktion steckt, die eigentlich heuer bei La Strada ihre europäische Uraufführung erleben sollte. „Die Situation ist eine Herausforderung“, gibt Yaron Lifschitz, künstlerischer Leiter des australischen Circa Contemporary Circus, zu, der jetzt in Brisbane, statt wie geplant in Graz, sein muss.

Aufzu geben war für den Regisseur und Choreographen, der bereits über 60 Opern, Theaterproduktionen und Pro jekte des Neuen Zirkus inszeniert hat, aber in keinem Fall eine Option: „Selbst wenn wir hier untergehen, gehe ich lieber ‚in Action‘ unter als stillzusitzen. Denn ein Künstler, der nichts zu tun hat, ist eine Plage. Wir haben dann in enger Zusammenarbeit mit Werner Schrempf und dem La StradaTeam entschieden, einerseits weiter an den Vorbereitungen für 2021 zu arbeiten, andererseits aber auch mit den Cube 2. Satz

Circa and Urban Art Projects AU AT

Cube Studies 1 (Graz)

Oper Graz: 26.7. (UA), 27.7., 28.7. 16:00 bis 21:00 Uhr / Start der Performances für je 36 Zuseher im Halbstundentakt

Treff punkt 10 Minuten vor Beginn vor dem

Opernhaus

Empfohlen ab 12 Jahren! / Dauer: 20‘

Tickets im Vorverkauf sichern! Studies die derzeitige Situation künstlerisch zu reflektieren“, berichtet der Absolvent und spätere Dozent des National Institute of Dramatic Arts in Sydney. Was auf der Bühne des Grazer Opernhauses von den 24 jungen TänzerInnen und AkrobatInnen aus Österreich umgesetzt werden wird, die sich in einem LichtKubus mit der Beschränkung des Raums auseinandersetzen müssen. Und damit eine heuer erstmals erlebte Wirklichkeit vieler Menschen auf allen Kontinenten auf die Bühne bringen.

„Die Cube Studies sind wirklich die erste Arbeit dieser Art und La Strada leistet dabei PionierArbeit“, ist Lifschitz überzeugt. „Es ist eine spannende Kombination aus öffentlicher Kunst, Design und der Arbeit im Raum eines Würfels – die eine Lebenserfahrung aus einer Zeit abbildet, in der vieles so schwierig war.“

Er selbst kann aufgrund der Reisebeschränkungen nur virtuell bei der Eröffnungsveranstaltung anwesend sein, ganz ohne ihre internationalen Partner muss die Produktion aber auch heuer nicht auskommen. „Unsere Producerin Thea hat die Zeit des Lockdowns in Norwegen verbracht und konnte somit Anfang Juli nach Graz reisen“, freut sich Lifschitz, dass zumindest ein australisches EnsembleMitglied die ganze Produktion in Graz begleiten kann. Und steckt selbst schon wieder mitten in den Vorbereitungen für Leviathan bei La Strada 2021: „Es ist wirklich ganz unglaublich, was die moderne Technologie alles kann. Wir haben Anfang Juli schon mit den Proben begonnen – das ist per Video

konferenz überhaupt kein Problem.“ Eine La Strada Koproduktion im Rahmen von Graz Kulturjahr 2020 mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öff entlicher Dienst und Sport, Sektion Kunst und Kultur. Das Projekt entsteht in Zusammenarbeit mit: Perth Festival, Brisbane Festival und Stanford Live.

The Vigil: Tagebuch der Gesellschaft

Ob aus dem Shelter am Schlossberg oder coronabedingt von daheim: Mit dem Blick auf die Stadt geben die Menschen Einblicke in das, was sie bewegt. Persönlich, politisch und zeitgeschichtlich.

Das Jahr 2020 sollte für Joanne Leighton ganz im Zeichen von Graz stehen: In Abstimmung mit der Stadt Graz und der Fakultät für Architektur der TU Graz hat der junge Architekt Alexander Krischner in Zusammenarbeit mit den Pariser Designern Tovo+Jamil das Design des Shelters am Grazer Schlossberg umgesetzt. Am 1. Januar war es endlich so weit und The Vigil begann mit dem ersten der 732 Menschen, die nun jeden Tag bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang eine Stunde über ihre Stadt wachen würden, mit ihren Beobachtungen und Dokumentationen. Bis Corona kam. „Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich in einem Tanzworkshop in Paris den Anruf von Werner Schrempf bekam, der mir sagte, dass es einen Lockdown geben werde – und wir uns sofort gefragt haben, was wir jetzt tun können“, erinnert sich die belgisch-australische Choreographin. Aufzugeben kam für beide genauso wenig in Frage wie die Teilnehmer und Teilnehmerinnen möglichen Gefahren auszusetzen – und so entstand der Plan, die Corona-Vigils ab dem 16. März von zu Hause aus zu halten. „Das war deshalb möglich, weil das La Strada-Team, aber auch die Teilnehmer und Teilnehmerinnen so unglaublich engagiert waren, dass wir einen Weg finden konnten“, blickt Leighton zurück. „Wir allein wären nie in der Lage gewesen, das ohne die Unterstützung der Menschen in Graz zu tun; es hat sich fast angefühlt, als wenn die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Kunst in dieser Zeit der Beschränkungen verteidigen wollten“, berichtet die Künstlerin, die in Paris die viel strengeren und länger andauernden Ausgangssperren erlebt hat. In Graz stimmten die 58 Teilnehmer und Teilnehmerinnen, deren Termine in die Zeit der Ausgangssperren fielen, dann zu, ihre Stunde von zu Hause aus zu halten. „Wir haben sie gebeten, ein Foto von sich selbst vor dem Hintergrund ihres Vigils zu machen, und natürlich ihre Aufzeichnungen genau so zu führen, als wenn sie

im Shelter gestanden wären“, so Leighton. Über Online-Meetings wurde außerdem ein Austausch mit dieser ganz besonderen Community möglich, die Leighton dazu inspiriert hat, während La Strada noch einmal einen besonderen Event für die „Daheimgebliebenen“ am Shelter zu inszenieren – um ihnen noch einmal die Gelegenheit zu geben, von diesem besonderen Ort aus auf die Stadt zu blicken.

WLDN / Joanne Leighton The Graz Vigil

FR

Die Texte dieser so ungeplant entstandenen Heim-Vigils sind ein Zeugnis für diese herausfordernde Zeit und verleihen dem Projekt, das seit 2011 in mehreren Städten Europas stattfindet, eine ungeahnte weitere Dimension. „Die Aufzeichnungen sind damit noch stärker zu einer Art gesellschaftlichem Tagebuch geworden, das darüber reflektiert, was in der Welt passiert.“ Zu dem natürlich auch all jene Aufzeichnungen beitragen, die unter weniger dramatischen Vorzeichen entstanden sind. Denn seit dem 14. April konnten die Grazerinnen und Grazer dann wieder auch physisch vom Shelter aus über ihre Stadt schauen – und tun das auch mit großer Begeisterung. Termine für ein Vigil gibt es nur mehr, wenn jemand absagt. Manche haben sich lange im Voraus angemeldet, um einen besonderen Tag dort zu begehen „und jeder hat seine ganz persönlichen Gründe für die Teilnahme“, weiß Joanne Leighton von all den Orten, an denen sie ihr Vigil schon abgehalten hat. Sie selbst eingeschlossen – denn außer auf die Menschen, mit denen sie in dieser schwierigen Zeit zusammengearbeitet hat, freut sie sich vor allem auf ihr eigenes Vigil bei ihrem Besuch jetzt in Graz. „Das hat immer wieder eine berührende Wirkung auf mich und lässt mich jedes Mal demütig werden.“

»Ich habe gesehen, wie der Nebel den Berg einnimmt. Und ich habe bemerkt, dass die Herrengasse eine Biegung macht. Ich habe nur geschaut.«

Roland Pischorn, Vigil am 15.6.2020 19:55 bis 20:55 Uhr

1. Satz

WLDN / Joanne Leighton FR The Graz Vigil Aktuell sind alle Vigil-Termine vergeben. Es besteht jedoch die Möglichkeit, sich für kurzfristig freiwerdende Termine auf die Warteliste setzen zu lassen. Bei Interesse schicken Sie bitte eine E-Mail an: vigil@lastrada.at / Im Community Blog auf der Homepage www.vigil.lastrada.at lassen sich die Eindrücke der Teilnehmer und Teilnehmerinnen nachlesen. The Graz Vigil ist eine Performance von WLDN / Joanne Leigthon, koproduziert mit La Strada Graz. Im Rahmen von Graz Kulturjahr 2020

Strijbos & Van Rijswijk Signal in Graz

Bewegtes Publikum als Ko-Produzent

Die niederländischen Klangkünstler Strijbos & Van Rijswijk erschaffen in Graz eine Klanglandschaft, die Orte, Objekte und Räume neu inszeniert. Und sich mit jedem Schritt anders anhört.

Manchmal entstehen große Ideen aus einer guten Portion Neid – die landscape opera Signal ist eine solche. „Ich habe schon vor 20 Jahren die großen Landschafts-Künstler beneidet und dachte lange Zeit, dass nur visuelle Künstler so etwas erschaffen können“, erzählt Rob Van Rijswijk. „Diese kreative Beziehung zwischen den Menschen und ihrer Umgebung, die starke Reflektion des Raums – ich konnte mir nie vorstellen, wie man das als Klangkünstler realisieren, wie man eine Klang-Landschaft anstelle einer Installation erschaffen könnte.“ Inzwischen hat der niederländische TonKünstler das nicht nur herausgefunden, sondern gemeinsam mit seinem Partner Jeroen Strijbos auch in ganz großem Maßstab umgesetzt. Und ganz groß meint dabei wirklich große öffentliche Räume – darunter ein langer Strandabschnitt der niederländischen Insel Terschelling, wo Signal mit 24 Stadionlautsprechern inszeniert und hunderte Menschen durch eine berührende Klanglandschaft geführt wurden. „Das Konzept funktioniert so, dass wir mit mindestens vier, meist aber mehr Lautsprechern einen räumlichen Klang aus menschlichen Stimmen erzeugen“, erklärt Van Rijswijk. „Meist sind es die Stimmen von Sopranistinnen, die ohnehin schon große Emotionen in den Menschen erwecken. Was das Erlebnis aber ganz besonders macht, ist, dass das Publikum durch seine Bewegungen zum Co-Koproduzent wird, der mit jedem Schritt die Komposition und das

Erlebnis verändern kann.“ Eine Situation, die bei vielen Teilnehmern der Sound-Skulpturen ganz unmittelbare, emotionale Reaktionen auslöst, wie er beobachtet hat: „Manche Menschen bleiben zwei Stunden, manche setzen sich an einem Ort einfach hin“, so der Künstler. „Denn es ist das Kernelement einer Landschafts-Oper, dass jeder sein eigenes Narrativ von Emotionen und Gedanken innerhalb dieser Landschaft entwickelt.“

Wie Glocken der Stadt Dafür braucht es keinesfalls die landschaftliche Schönheit eines endlosen Strandes, auch in Städten funktioniert das bestens, was die Künstler in Graz unter Beweis stellen werden. „Die Stadt ist eine Umgebung, mit der wir ganz besonders verbunden sind, und wenn diese Klänge von den Dächern ertönen und auf einem Platz spürbar sind, hat das eine enorme Wirkung“, so Van Rijswijk. Wie sich dieses Erlebnis konkret in Graz anfühlt, kann das La Strada-Publikum an ganz unterschiedlichen Orten erfahren. „Nachdem wir ja bereits vor vier Jahren ein Projekt auf den Grazer Reininghausgründen gemacht haben und gemeinsam mit Werner Schrempf an einer Landscape-Opera auf dem DachsteinGletscher in Kooperation mit dem Festival der Regionen arbeiten, wird es nun auch ein Klangkunstwerk für Graz geben“, berichtet er. Wobei die niederländischen Künstler vor allem die Art der Zusammenarbeit mit La Strada schätzen: „Wir haben ein gemeinsames

Interesse an der Frage, wem der öffentliche Raum gehört und wie man damit arbeiten kann“, so der Künstler. „Und das gibt uns das Gefühl, dass wir nach Graz kommen, um wirklich zusammen an Projekten zu arbeiten.“ So wurden hier gemeinsam die passenden Orte in der Stadt ausgesucht, dazu gehören so verschiedene Umgebungen wie der Hauptplatz oder die Oper, wo die Klänge von den Dächern aus zu hören sein und zu einer Art künstlerischer Glocken der Stadt werden sollen. Eine Besonderheit ist dabei, dass sie nicht nur vom Band kommen, aber auch in Echtzeit vor Ort produziert werden: Bei La Strada werden drei niederländische und drei einheimische Sopranistinnen live singen.

2. Satz

Strijbos & Van Rijswijk NL Signal in Graz Ihre Sicherheit ist uns wichtig! Aus diesem Grund geben wir Ihnen folgenden Orientierungsrahmen, in welchem Sie die künstlerische Interaktion entdecken können. Die Klanginstallation wird in der Grazer Innenstadt von 26. bis 30. Juli zwischen 9:00 und 12:00 Uhr sowie 18:00 und 21:00 Uhr zu hören sein und in Intervallen durch Live-Sängerinnen bespielt.

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