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F E B R UA R | M Ä R Z
D 7,50 € A 8,50 € L 8,70 € I 8,80 € CHF 13,20
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Alain Keler Thomas Keydel Ulrich Grill Cédric Viollet
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L E I C A F OT O G R A F I E I N T E R N AT I O N A L
Holger Sà
Lfi 2. 2019
Mehrfacher Gewinner des TIPA-Awards – 2013/2017
po rt f o l i o der Welt“ „Das beste Fotolabor Ausgezeichnet von den Chefredakteuren 29 internationaler Fotografie-Magazine
l i gh t b ox
F / s to p
104 | Lfi . Galerie
9 0 | m 1 0 - P Sa fa r i
Über 23 000 Fotogafen präsentieren in der LFI-Galerie mehr als 300 000 Bilder. In diesem Heft: ein äthiopischer Friseursalon, Sandalen in Portugal und eine Hotellobby in Singapur
Das nächste Mitglied der M10Familie ist da: die Leica M10-P „Edition Safari“. Gleichzeitig erscheint auch eine olivgrüne Version des Summicron 1:2/50
Ph oto
94 | M - O b j e k t i v e Anfang des Jahres hat Leica neue Designvarianten des ApoSummicron-M 1:2/50 Asph, des Summilux-M 1:1.4/28 Asph und des Summaron-M 1:5.6/28 vorgestellt 9 8 | Au k t i o n w i e n
All rights reserved. We reserve the right to change prices and correct errors. Avenso Photo Art Inc. © Photo by Sam Sommer
Die 33. WestLicht Photographica Auction war die letzte – ein nostalgischer Rückblick auf die Highlights und ein Ausblick auf zukünftige Auktionen im Leitz-Park Wetzlar
114 | Leica Galerien
Cédric Viollet: aus der Serie Gallops of Morocco
1 1 8 | A u ss t e ll u n g e n
Alain Keler 6 | L e i c a Kl a ss i k e r
Seit Jahrzehnten berichtet er aus den Krisengebieten dieser Welt: Der französischen Fotojournalist ist ein unermüdlicher Augenzeuge
Cédric Viollet 3 4 | G a llops o f Mo r o c c o
Harmonisches Design mit Abenteuerflair: die neue M10-P „Edition Safari“
Die neuen Leica Galerien in Taipeh und London sowie eine umfassende Übersicht über das Ausstellungsprogramm der Leica Galerien weltweit
Endlose Dünen, wilde Mähnen, Luxuslabel: Die ungewöhnliche Modestrecke entstand während eines Pferderennens in Marokko
Holger Sà 5 0 | Z w i s c h e n d e n W e lt e n
Inmitten des Gewusels von Models, Stylisten und Garderobieren: seltene und diskrete Eindrücke vom Treiben jenseits des Laufstegs
Ulrich Grill 62 | Da r k S h a p e s o f I c e la n d
Alec Soth und Joachim Brohm, Düsseldorf; Lauren Greenfield, Hamburg; Manfred Willmann, Wien; Food for your Eyes, Erfurt 120 | Bücher Neue Publikationen von: Joshua Dudley Greer, Laia Abril, Alexa Vachone, Vivian Maier und Annie Leibowitz 1 2 2 | I n t e rv i e w Von der Begegnung mit dem Material – Thomas Seelig, der neue Leiter der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang in Essen, im Gespräch 126 | mein Bild End- und zeitlos: nach langer Schifffahrt durchs Nirgendwo erreichte Clara Vannucci die Polarlandschaft Spitzbergens 1 2 6 | i m p r e ss u m
Spannungsreiche Kontraste: Islands monu-
Ihre schönsten Momentementale in einzigartiger Landschaften,Galerie-Qualität. eingefangen als poetische Miniaturen in Schwarzweiß
Ihr Motiv hinter Acrylglas, gerahmt oder als großformatiger Foto-Abzug. Unsere Produkte
Thomas Keydel
sind „Made in Germany“ – vertrauen Sie mehr als 100 Testsiegen und Empfehlungen!
Einfach Ihr Foto hochladen und das Wunschformat festlegen, sogar vom Smartphone aus. 72 | LA da k h
WhiteWall.de
Der indische Manali-Leh-Highway ist gefährlich. Lkw-Fahrer passieren ihn ebenso unter Einsatz ihres Lebens wie Nomaden und Ziegenherden
Stores in Berlin / Düsseldorf / Hamburg / Köln / München
Cover: Holger Sà – backstage in der Fashionwelt
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L FI App
LFI au f D e m S m a rt p h o n e J e tz t au c h f ü r A n d r o i d
Alle LFI-Ausgaben und Sonderhefte in einer App
Nachdem im Dezember 2018 die Version 3.1 der LFI-App für iOS erschienen ist, folgt nun die Version 1.5 für Android-Geräte mit der Möglichkeit, die LFI auf Android-Smartphones downloaden, kaufen und lesen zu können. Die neue Version der App enthält neben aktuellen Heften die bisher verfügbaren LFI-Ausgaben der Jahrgänge 1949-1979, alle M und S Magazine, Sonderhefte, den LFI Blog sowie die LFI. Gallery. Die App ist ab sofort im Google Play Store kostenlos verfügbar. Apropos LFI.Gallery: Kennen Sie schon unseren „In Fokus“-Bereich? Dort finden Sie temporäre Kategorien, die von unseren Bildredakteuren gepflegt werden, darunter Wettbewerbe (Live on Stage) und auch thematische Sammlungen (Leitz-Park, Available Light etc.). Besuchen Sie uns in unserer Online-Galerie, lassen Sie sich von den zahlreichen neuen Fotos inspirieren und reichen auch Sie Ihre besten Bilder ein. Wir freuen uns auf Ihre Einsendungen. lfi-online.de
Co n t r i b u t o r
Dass der französische Bildjournalist immer wieder neue Wege in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk geht, zeigt sich auch an dem Projekt Reisen zu den Roma. Was er in mehr als zehn Jahren zu dem Thema zusammengetragen hat, veröffentlichte er gemeinsam mit dem Comiczeichner Emmanuel Guibert und dem Gestalter Frédéric Lemercier als Graphic Novel. Aus seinem aktuellen Fotobuch Journal d’un photographe – einer Retrospektive in eigener Sache – zeigen wir eine Auswahl. 4 |
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Cédric Viollet Bei der Arbeit für sein Projekt Gallops of Morocco hatte der französische Fotograf Cédric Viollet täglich mit Sandstürmen zu kämpfen – egal ob er sich im Zelt befand oder draußen aufhielt. Auf der von seiner Stylistin gemachten Aufnahme ist zu sehen, wie er versucht hat, sich des Sandes zu erwehren. Das Objektiv an seiner Kamera hat er gar nicht gewechselt, damit kein Sand ins Gehäuse gelangte. Glücklicherweise hatte er auf der Reise das universelle Summilux-SL 1:1.4/50 Asph im Gepäck.
Th o m as K ey d e l
Ganz im Sinne des Slow Journalism hatte Thomas Keydel ursprünglich die Idee, den Highway zwischen Manali und Leh auf mehreren tausend Höhenmetern zu Fuß zu bereisen. Starker Schneefall und extreme Kälte machten die abenteuerliche Route jedoch unpassierbar und dem Fotografen einen Strich durch die Rechnung. Gereist ist er trotzdem: Auf dieser Lebensader im äußersten Norden Indiens war Keydel auf einem Motorrad und als Beifahrer in einem Lkw unterwegs.
Fotos: © Élodie Richesse; © Clemence Cahu; © Esra Klein
Alain Keler
Tomas van Houtryve mit der Leica M10-D
leica m10-D Digitales Herz. Analoge Seele. Tief versunken in der Gegenwart: Ohne Display und mit einem absoluten Minimum an technologischen Ablenkungen führt Sie die neue Leica M10-D zurück zur Essenz analoger Fotografie. Kombinieren Sie die Leica M10-D mit der Leica FOTOS App und entdecken Sie die verborgene Kraft des Augenblicks – genau hier, genau jetzt. Mehr Inspiration unter www.m.leica-camera.com Laden Sie die Leica FOTOS App
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Aug e n
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L e i c A Kl a ss i k e r
Alain Keler Vor allem seine Leica-Fotografien in SchwarzweiĂ&#x; haben ihn international berĂźhmt gemacht. Alain Keler gilt als einer der renommiertesten franzĂśsischen Bildjournalisten seiner Generation. Seit vier Jahrzehnten berichtet er aus Kriegs- und Krisengebieten, dokumentiert das Leid der Welt. Wir zeigen eine Auswahl aus seinem Werk und stellen seinen aktuellen Bildband vor.
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Die Wahrheit zeigen, als Augenzeuge mit der Kamera objektiv auf die Missstände und Ungerechtigkeiten der Welt hinweisen: die Berufung des Bildjournalisten ist ein zutiefst menschlicher Auftrag. Mit Blick auf sein Werk wird deutlich, mit welcher Energie und Ausdauer Alain Keler sich in seiner Fotografie in über vier Jahrzehnten an diesen Aufgaben abgearbeitet hat und vor allem wie nahe er dabei den Menschen war und ist. Ohne den politischen und gesellschaftlichen Kontext aus den Augen zu verlieren, war Kelers Interesse immer auf die Menschen gerichtet, die er während seiner vielen Reisen und Aufträge traf. Seine Bilder sind direkt, emotional und sie lassen in ihrer Unmittelbarkeit den Betrachter kaum unberührt, egal, ob das Bild vor vielen Jahrzehnten entstand oder aus einer aktuellen Serie stammt. Er stellt den abstrakten Zahlen und Daten der Nachrichten die Zeitgenossen entgegen, zeigt deren Schicksal. „Die vielen Gesichter, die er während seiner Reisen fotografiert hat, sind die von bestimmten Individuen, mit komplexen Geschichten, nicht mehr einfachen Archetypen, die für die Veranschaulichung einer vereinfachten Medienerzählung nützlich sind“, so beschreibt es Dominique Versavel, Leiterin der Abteilung für Fotografie an der Bibliothèque nationale de France, in ihrer Einführung in den aktuellen Bildband Kelers. Die Ende 2018 veröffentlichte Monografie Journal d’un photographe ist ein vielschichtiger Rückblick, eine intime Reflexion seiner Arbeit als Agenturfotograf und Selbstbeobachtung in seiner Rolle als freier Fotograf. Eine neuerliche Auswertung seiner Kontaktbögen führt ihn zu einer sehr persönlichen Bildauswahl, die mit Tagebuchnotizen, aber auch mit der Thematisierung des Abschieds und Sterbens seiner Eltern zu einem ungewöhnlich intimen Werk verwoben wird. Die Aufrichtigkeit, mit der Keler
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immer wieder seine Rolle als Fotograf hinterfragt, wird ebenso nachvollziehbar, wie die Rückkehr – nach seiner jugendlichen Flucht und der Arbeit weltweit – zu seinen eigenen familiären Wurzeln. So verbindet sich sein Interesse an den Eltern mit Bildserien aus Lodz oder Israel über die Spuren seiner polnisch-jüdischen Vorfahren sowie seiner Arbeit an anderen ausgeschlossenen und verfolgten Minderheiten in Europa. „Keler brach zur Flucht auf und machte eine lange Reise, eine innere Reise, die ihn zu seiner eigenen Geschichte führte, eine geografische und mentale Reise, einen Umweg durch die Welt, um zu sich selbst und seiner Familie zurückzukehren“, so Versavel. Geht man an den Anfang zurück, so zeigt sich, dass die Fotografie für Keler das Tor zur Welt wurde: „Als ich etwas älter war, begann ich zu reisen und interessierte mich für die Nachrichten. Ich schnitt Zeitungsartikel und -fotos aus. Ich war anderthalb Jahre lang in Asien unterwegs und habe fotografiert. Auf dieser Reise traf ich eine junge Amerikanerin, in die ich mich verliebte. Zurück in Frankreich arbeitete ich als Kurier und sparte das Geld, um mir 1971 ein Flugticket nach New York zu kaufen. Mehrere Jahre lang habe ich jede Arbeit angenommen, bis ich schließlich meinen ersten Auftrag von einem Verlag erhielt. Ich reiste drei Monate durch Lateinamerika und fotografierte für Sprachlehrbücher“, berichtet der Fotograf in einem Interview mit dem Leica Camera Blog. Die Leica kam schon früh ins Spiel: Von seinem ersten Gehaltsscheck kaufte Keler in New York das Buch The World of Cartier-Bresson und kurze Zeit später erwarb er seine erste Leica, eine M3 mit 35-mm-Objektiv. Fortan sollten ihn Leica-Kameras begleiten, ebenso wie er der Schwarzweißfotografie treu blieb und nur in Ausnahmefällen auf Wunsch der Auftraggeber in Farbe fotografierte. „Ich trug immer eine Leica um den Hals“, so das Bekenntnis des Fotografen. „Die Leica ist ein kleines Gerät, das es mir ermöglicht, diskret zu bleiben, weil es leise ist und mit meiner Hand verschmilzt. →
Seite 6 / 7: Eine Versammlung ehemaliger Deportierter. Jerusalem, Israel, 14. Juni 1981 Seite 9: Caracas, Venezuela 1973 Seite 10/11: Tag des Frauenbesuchs vor dem Hauptsitz von Ayatollah Khomeini. Teheran, 3. Februar 1979 Seite 12: Der „Jungle“. Calais, Februar 2016 Seite 13: Gaza, April 2004 Seite 14/15: Evakuierung von Siedlern aus der Stadt Yamit durch die israelische Armee. Sinai, Ägypten, 21. April 1982 Seite 16: Äthiopier verlassen das Flüchtlingslager Gondo in Korem. Kilometer 10, Äthiopien, August 1985 Seite 1 7: Ismaël Ahmed, Rajasthan Gästehaus. Zakaria Street, Kalkutta, Dezember 1968 Seite 18: Beerdigung eines Polizisten, der an der Front nach Wiederaufnahme der Kämpfe mit Aserbaidschan getötet wurde. Stepanakert, Berg-Karabach, April 1994 Seite 19: Hauptquartier der russischen Armee. Grosny, Tschetschenien, Januar 1995 Seite 20 / 2 1: Israelische Panzer auf den Höhen von Beirut, Operation Frieden in Galiläa. Libanon, Juni 1982 Seite 22: Ein Hubschrauber bringt den Leichnam Jassir Arafats zurück. Ramallah, November 2004 Seite 23: Beerdigung von Jassir Arafat. Ramallah, Westjordanland, November 2004 Seite 24 / 2 5: Die Verhaftung eines Guerilleros. Chajul, Guatemala, 3. März 1982 Seite 26/27: An einem Sonntag bei Greenville. Mississippi, USA, Oktober 1986 Seite 28 / 2 9: Der katholische Bezirk der Divis Flats. Belfast, Nordirland, Juli 1988 Seite 31: Der katholische Bezirk der Divis Flats. Belfast, Nordirland, Juli 1988 Seite 32: Ein Kind wartet mit einer Granate auf die russische Armee. Grosny, Tschetschenien, Dezember 1994
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Fotos: © Alain Keler; Zitate von Dominique Versavel und Brigitte Bègue aus dem Buch: Alain Keler, Journal d’un photographe; Interview-Zitat aus www.leica-camera.blog vom 24.12.2018
Alain Keler wurde am 20. September 1945 in Clermont-Ferrand geboren. Mit 17 Jahren beginnt er zu reisen, Anfang der 1970er-Jahre lebt er in New York, kauft dort seine erste Leica und übernimmt erste Fotoaufträge. 1975 Rückkehr nach Paris, Start der Karriere bei den französischen Nachrichtenagenturen Sygma und Gamma. In den 1990ern entscheidet Keler sich für die Unabhängigkeit als freiberuflicher Fotograf. 1989 Gründungsmitglied der Agentur Odyssey, 2008 Eintritt in das Fotografenkollektiv MYOP. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. World Press Award (1985), Grand Prix Paris Match du photojournalisme (1986) und W. Eugene Smith Foundation Prize (1997).
A la i n Ke l e r : Jou r n a l d ’ u n ph oto g ra p h e
Mit Texten von Alain Keler, Brigitte Bègue, Dominique Versavel, 364 Seiten, 21,5 × 29 cm, französisch, Les Editions de Juillet A la i n Ke l e r .co m
Mit ihr bin ich fast unsichtbar, ich greife niemanden an. Der Mensch steht im Mittelpunkt meiner Fotografie, er ist mein Motiv und ich nehme mich so weit wie möglich zurück, um ihm diesen Platz zu geben. Ich arbeite hauptsächlich mit einem 50-mm-Objektiv, einer Optik, die dem menschlichen Sehen entspricht und eine sehr nüchterne Herangehensweise an die Fotografie ist, ohne die Realität zu verformen. Ich fand den richtigen Abstand. Die Leica gibt mir eine Flexibilität bei der Arbeit, die ich mit anderen Geräten nicht habe. Sie verlässt mich nie“, so Keler im Interview mit der Journalistin Brigitte Bègue in seiner Monografie: „Was die Wahl von Schwarz und Weiß betrifft, so kann ich damit direkter auf das Wesentliche eingehen. Ich kann im Chaos des Visuellen leichter Ordnung schaffen, alles ist in meinem Sucher eingerichtet. Mit der Farbe habe ich ein Gefühl der Zerstreuung. Das bedeutet nicht, dass ich keine guten Farbfotos gemacht habe, aber sie waren nicht auf die gleiche Weise belebt. Schwarzweiß ist für meine Arbeit als Autor besser geeignet.“ Die Karriere des rastlosen Bildjournalisten begann 1975, als er nach Paris zurückkehrte und Mitglied der Agentur Sygma wurde. Von nun an reiste er in zahllose Kriegsgebiete und Krisenherde. Die Chronologie des Bildbands führt auf, an wie vielen Orten Keler war, dabei mehrfach in Lebensgefahr geriet oder entführt wurde, so auch 2002 bei einer Reportage über die kolumbianische Politikerin Íngrid Betancourt, die in seiner Gegenwart von Farc-Rebellen verschleppt wurde. Als Fotograf wollte er vor allem frei sein, die Arbeit als Bildjournalist ermöglichte ihm Erfahrungen in unterschiedlichen Ländern und Kulturen. Welche Zumutungen und Entbehrungen, auch Gefahren, dieses Leben für ihn bedeutete, wird vor allem in der Rückschau sichtbar. Auch als er 1987 den Entschluss fasste, die Arbeit als Agenturfotograf für eine freie Tätigkeit aufzugeben, verlief sein Leben nicht weniger wechselvoll, aber er kann sich fortan besser auf Langzeitprojekte konzentrieren. Insbesondere doku-
mentierte er das Leben der Roma, der größten Minderheit Europas. Er besuchte Lager in Osteuropa, fotografierte aber auch ihre Lebensbedingungen in Italien und Frankreich. Ein treffendes Resümee für die Kraft der Bilder Kelers und die Empathie für seine Mitmenschen hat Versavel gezogen: „Vor allem achtet der Fotograf darauf, was Einzelpersonen gemeinsam haben. Unter den Launen des Schicksals und den Singularitäten der Erscheinungen konzentriert er sich auf ihren prekären Zustand als Sterbliche, ihre tiefe und gemeinsame Verletzlichkeit. Dieser universalistische Ansatz macht ihn zu einem Mitglied der Familie der sogenannten humanistischen Fotografen.“ Gerade in Zeiten starker Anfeindungen, die der Journalismus auch in demokratischen Ländern derzeit erlebt, ist die politische Bedeutung des Bildjournalisten nicht zu unterschätzen, wie Keler im Interview für den Leica-Blog noch einmal betont: „Die Presse hat eine Informationspflicht, die oft nicht im Einklang mit der jeweiligen Regierungspolitik steht. Daher ist die Presse ein unglaublich wichtiges Element in jeder Demokratie, die sich selbst respektiert und ein System der Kontrolle und des Ausgleichs bietet.“ Die Arbeit der Journalisten wird nicht leichter und doch vertraut Keler auf die Kraft des individuellen Blicks: „Jetzt und in Zukunft glaube ich, dass sich jeder Fotograf von anderen Medien abheben und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann, indem er an sehr persönlichen Projekten arbeitet und sich stark auf den Inhalt seiner Bilder konzentriert.“ Sein Lebenswerk steht als Beweis für die notwendige Arbeit, aber auch die Verantwortung eines Bildjournalisten, der mutig und engagiert die Welt dokumentiert – oder in den Worten Kelers: „Der Fotograf ist ein Bote. Selbst wenn seine Botschaft ignoriert wird, hat sie den Verdienst, dass sie existiert.“ Ulrich Rüter
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Cédric Viollet G a l l o p s o f M o r o cc o
Warme Farben, poetische Bilder. Wer diese Modestrecke betrachtet, wird kaum glauben, dass sie unter widrigen Umständen während eines Pferderennens in der marokkanischen Wüste entstand.
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Die Protagonisten der Strecke sind ausschlieĂ&#x;lich Teilnehmer oder Mitarbeiter des Pferderennens. Bei den Pferden handelt es sich um Araber-Berber, eine Kreuzung arabischer und nordafrikanischer Linien
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CĂŠdric Viollet fing mit der Leica SL Momente voller Ruhe und Poesie ein
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Der Kenzo-Mantel (oben) und die Versace-Bluse (links unten) in einem ungewรถhnlichen Setting
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Sein Gefühl für Licht und Schatten erwarb Viollet als Fotograf von Skateboardern
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Cédric Viollet Aufgewachsen in der französischen Provinz, kam Viollet über das Skateboardfahren zur Fotografie. Zusammen mit Fred Mortagne dokumentierte er bald die Tricks und Flips seiner Freunde und porträtierte sie mit einer Leica M6. Nach einem Aufenthalt in London, bei dem er sich binnen eines Jahres als Modefotograf etablierte, kehrte er wieder nach Frankreich zurück. Viollet arbeitet an kommerziellen wie an freien Projekten. Er lebt in Paris.
ced r i cv i o l l e t.co m LFI -O n l i ne .DE/ B log : Portfolio mit Bildern aus Viollets Serie Eastern Exposures
Equipment: Leica SL mit
Summilux-SL 1:1.4/50 mm Asph
Cédric Viollet geht gern nah an die Menschen heran. Seinen fotografischen Ansatz beschreibt er als dokumentarisch. So hält er es auch in seiner Modefotografie: Porträts wechseln sich mit Landschaftsaufnahmen und Stills ab. Für die Strecke, die er während des Pferderennens Gallops of Morocco fotografierte, engagierte er weder Models noch briefte er Assistenten oder suchte nach passenden Locations. Er arbeitete mit den Umständen und Mitteln, die bereits vorhanden waren. Der französische Fotograf hatte eigentlich den Auftrag erhalten, das einwöchige Rennen zu dokumentieren, das 200 Kilometer durch die Wüste führt. Zusätzlich hatte er aber die Aufgabe, in den Rennpausen Teile aktueller Luxuskollektionen vor seiner Kamera zu inszenieren. Sein Gefühl für Licht und Schatten erwarb Viollet als Fotograf von Skateboardern. Aus dieser Zeit kennt er auch die Situation, auf sich allein gestellt zu sein und mit Widrigkeiten wie dem Wetter, der Polizei oder unwirschen Passanten zurechtkommen zu müssen. Also konnte der vielgereiste Franzose auch in Marokko mit dem täglichen Wüstensturm, der brütenden Hitze und dem allgemeinen Chaos um sich herum umgehen. Auch andere Fähigkeiten aus dieser Zeit konnte er zum Einsatz bringen: „Als Skateboard-Fotograf musst du schnell sein und mit dem Licht arbeiten, das es draußen gerade gibt.“ Bei sonstigen Kleinigkeiten wie dem Vorhersehen der Windrichtung oder überhaupt dem Umgang mit den erratischen marokkanischen Winden half ihm seine langjährige Erfahrung als Surfer. Generell scheint Viollet dem Risiko nicht abgeneigt: Die Leica SL, die er für diesen Auftrag zum ersten Mal benutzte, nahm er als einzige Kamera mit nach Marokko. Dazu ein einziges Objektiv, das Summilux-SL 1:1.4/50 mm Asph, um zu vermeiden, dass bei einem Objektivwechsel Sand in die Kamera gerät. Über diese Wahl war er am Ende sehr glücklich, da die wetterfeste Kamera die erhofften Resultate lieferte und auch unter den extremen Bedingungen einfach zu bedienen war.
Modefotografie ist für den Autodidakten, der nach einem abgebrochenen Studium der Kunstgeschichte erst einmal nach London ging, mehr als nur das Ablichten aktueller Kollektionen. „In jeder Modesaison muss man eine neue Geschichte zu den Kleidern erzählen. Dabei lasse ich mich von verschiedenen anderen fotografischen Genres wie der Landschafts-, Reportage- und Porträtfotografie, von der echten Fotografie sozusagen, inspirieren.“ Sein erstes Fotobuch war von Josef Koudelka, der ihm bis heute fotografisch, aber auch menschlich ein Vorbild ist: „Mir gefällt, wie er sein Leben im Exil gestaltet hat, wie er nur mit dem Rucksack und einem Notizbuch die Welt bereist hat.“ Viollets persönliche Leica-Geschichte begann 2004, als er eine M6 geschenkt bekam und sechs Monate lang für ein 35-mm-Objektiv sparte. Von da an fotografierte er nur noch mit dieser Kamera. Später kam eine M7 dazu, die er für die meisten freien Projekte genutzt hat. Es ist ihm wichtig, eine gute Balance zwischen kommerziellen und persönlichen Projekten zu finden. Letztere führen ihn oft an vergessene Orte wie Transnistrien für die Serie Eastern Exposures oder in das lesothische Dorf Mokepe. Ein weiterer Schwerpunkt besteht darin, die Vereinzelung der Menschen in der Masse darzustellen. Zu diesem Thema veröffentlichte er kürzlich sein erstes Buch Ringxiety, in dem er die Straßen Hongkongs und die Isolation der dort lebenden Menschen erkundet. Aber auch in seinen kommerziellen Projekten legt Viollet Wert darauf, die eigene Handschrift zu bewahren und für seine Ideale zu kämpfen. So setzte er sich dafür ein, die Strecke Gallops of Morocco nicht zu retuschieren, da es sich ja um „echte“ Menschen handele und nicht um professionelle Models. „Ich habe hart dafür gekämpft und mich schließlich durchgesetzt“, berichtet er stolz. Es dürfte nicht das letzte Mal gewesen sein. Denise Klink
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Holger SĂ Z w i s ch e n d e n W e lt e n
Mit seiner SL dokumentiert SĂ das aufgeregte Treiben hinter den Kulissen von Fashion Shows. Eine diskrete Nabelschau des produktiven Chaos aus Hektik, Hochdruck und Haute Couture.
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Oben: backstage bei einer Modenschau des Coutouriers Julien Fournié in der Pariser Kirche L’Oratoire du Louvre; unten: Szene von einer Fournié-Show im Teatr Wielki, Warschau; rechts: Fourniés Muse, das rumänische Model Catrinel Marlon
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Oben: Chefschneiderin und Designer Julien Fournié beim Fitting; unten: Close-up eines Models bei Givenchy; links: Taschendesignerin Olympia Le-Tan tritt in der Show „Hommage to Hitchcock“ von Julien Fournié als Model auf
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Holger Sà Der 1968 in Hanau geborene Autodidakt ist in einer italienisch-deutsch-französischen Familie aufgewachsen. Sà ist sein Künstlername. Nach dem Tod des Vaters führte er zunächst die familieneigenen Modegeschäfte. Ende der 1980er-Jahre tingelte er zwei Jahre durch die USA und fotografierte unter anderem auch Arnold Schwarzenegger am Muscle Beach. Von 2000 bis 2015 lebte Sà in Rio de Janeiro. Seit 2017 ist er offizieller Teamfotograf des Bundesligaclubs Eintracht Frankfurt. ho lg e r sa .xyz LFI -O n l i ne .DE/ B log : Slideshow mit weiteren Bildern von holger sà
Equipment: Leica SL mit Vario-Elmarit-
SL 1:2.8–4/24–90 mm Asph und Apo-VarioElmarit-SL 1:2.8–4/90–280 mm
Von vorn, am Laufsteg, wirkt alles perfekt. Der Stoff flattert nur dort, wo er soll. Federn, Pailletten, Kopfbedeckungen sitzen an der richtigen Position. Licht und Dekoration bilden den perfekten Rahmen. Die Models defilieren nach Choreografie mit betont teilnahmsloser Mine und coolem Blick an den Stuhlreihen mit Käufern, Konkurrenz, Influencern und sonstig Interessierten entlang. Niemand ahnt – und soll schon gar nicht sehen – was vor dem Auftritt hinter den Kulissen los war: Das unkontrollierbare Hin und Her von Models ist in etwa das Gegenteil von dem, was ein paar Minuten später im Rampenlicht vor der Trennwand Eindruck macht. Um die Models herum wuseln ihre Satelliten wie Haarund Make-up-Artists, Stylisten, Näherinnen, Garderobieren – ein Ameisenhaufen. Und mittendrin der Designer, der noch schnell die gewünschten Posen vormacht. Alle arbeiten auf die Bestleistung hin, denn schließlich geht es um etwas: die glanzvolle Präsentation der Entwürfe, die Käufer überzeugen soll. Das Letzte, was an dieser Stelle gebraucht wird, ist jemand, der das hektische Treiben auf dem engen Raum unnötig unterbricht, blockiert, behindert. Genau dort liegt das Terrain von Holger Sà: „Dort möchte ich intime Momente schön fotografieren. Der sensibelste Bereich ist backstage, denn dort kocht alles hoch, es geht um viel, um alles. Dort gibt es Gesetze, an die man sich halten muss: keine Nacktbilder, nicht stören, alles muss diskret ablaufen“, umreißt der Fotograf sein Tun, für das man ein besonderes Talent haben muss: das Arbeiten auf allerkleinstem Raum, der die eigene Körpergrenze kaum überschreitet. Vorsicht, Rücksicht und Bedacht sind neben Intuition, Verve und der Fähigkeit, sich am besten unsichtbar zu machen, geboten. Perfektioniert hat Holger Sà sein Vorgehen bereits an anderen Stellen, das Thema Backstage zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk: In Brasilien, wo er 15 Jahre lang lebte, fotografierte er backstage in den renommiertesten Sambaschulen von Rio de Janeiro. Das minutiöse Training der Choreografien, die Anproben der aufwendigen
Kostüme. Auch hier finden Proben und Anpassungen in unspektakulären Hinterzimmern statt, auch dort geht es extrem hektisch zu und kurz vor der Parade liegen die Nerven blank. Die Sambaschulen waren die optimale Vorbereitung für den Fashionzirkus. Über eine Stylistin bekam er Zugang zu dem Pariser Coutourier Julien Fournié, einer von 15 beachteten Koryphäen seiner Kunst. In seinem Auftrag fotografiert Sà backstage bei den Modeschauen des Designers, die hier gezeigten Bilder stammen aus den Jahren 2016 bis 2018. Die protestantische Kirche L’Oratoire du Louvre, 1621 durch Ludwig XIII. erbaut und eine der ältesten Kirchen der Stadt, dient als Kulisse für Fourniés Modenschau. Der Chor fungiert als Maschinenraum des Spektakels, das im Kirchenschiff gegeben wird. Eine provisorische Trennwand schirmt die beiden Bereiche voneinander ab. Sà nennt das treffend „zwischen den Welten“: „Vorn auf dem Laufsteg fotografierst du die Models, backstage die Menschen“, stellt er fest. „Ich liebe Available-Light-Fotografie, alles Vorhandene versuche ich im Kreativprozess in das Bild einzubinden. Ich bin kein Freund von künstlichen Sets. Das schon Vorhandene macht das Bild echt.“ Wenn mal ein paar Sekunden Zeit sind, kommt Sà vom Dokumentieren ins Inszenieren. „Ich bringe gerne zwei Models zusammen, Kontraste sind dabei gut. Catwalk-Models, die auch Fashionshootings machen, setzen meine Ideen schnell um.“ Backstage sei für ihn wie eine Droge: „Es passiert ständig etwas Neues.“ Jüngst hat er einen weiteren Hotspot zwischen den Welten erobert: Seit 2017 ist er offizieller Teamfotograf des Bundesligaclubs Eintracht Frankfurt. Auch dort herrschen backstage ähnliche Bedingungen wie in Sambaschulen oder bei Fashionshows. Es geht um noch mehr Geld und es ist mehr Testosteron im Spiel. „Dort bin ich mal nicht der einzige Hetero.“ Carla Susanne Erdmann
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Ulrich Grill Da r k s ha p e s o f Ic e l a n d
Der österreichische Fotograf beweist, dass Islands Natur auch ohne Farbe bestens wirkt. Und er geht noch einen Schritt weiter: Mit viel Liebe zum Detail hebt Grill oft übersehene Aspekte am Wegesrand hervor und haucht der surrealen Landschaft neues Leben ein.
„Mich fasziniert der direkte Blick in die Erdgeschichte und wie das Erdinnere auf die äußeren Elemente trifft. Das hat eine brutale Kraft, der man sich nicht entziehen kann.“
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Islands Kontraste von Schwarz zu Weiß, von scharf zu weich. Von li. o. im Uhrzeigersinn: B east, Reynisfjara Beach; Animals, Jökulsárlón Beach; Awestruck, Reynisfjara Beach; Spume, Reynisfjara Beach lFI
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Lost, Reynisfjara Beach: Wo andere Naturfotografen das GroĂ&#x;e und Ganze in den scheinbar endlosen Landschaften Islands sehen, verzichtet Grill auf Totale und Panoramen. Er nimmt poetische Miniaturen der Elemente in sämtlichen Abstufungen zwischen hell und dunkel auf
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Von links oben im Uhrzeigersinn: Painter 3, Stokksnes Beach; Fear, Vatnajökull National Park; Success, Vatnajökull National Park; Approach, Stokksnes Beach. Nächste Seite: Bare, Landmannalaugar lFI
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U l r i ch g r i l l Grill, 1969 in der Steiermark geboren, entdeckte bereits im Alter von zehn Jahren seine Leidenschaft für die Fotografie. Während er in den 1990erJahren auf Flugsportfotografie spezialisiert war, ist er aktuell in der ganzen Welt unterwegs, um sich neuen fotografischen Projekten zu widmen. Wenn er nicht zwischen seiner Heimat Fuschl am See, Tokio und Los Angeles pendelt, verbringt er seine Freizeit mit seiner Frau und seinen drei Kindern.
www.u l r i chg r i l l .co m LFI -O n l i ne .DE/ B log : Slideshow mit weiteren Bildern von ulrich grill
Equipment: Leica SL mit Vario-
Elmarit-SL 1:2.8–4/24–90 mm Asph
Man stelle sich vor: azurblaue Fjordlandschaften, saftig grüne Hügel, ein Vulkan, der leuchtend rote Lava spuckt – alles wunderschöne, jedoch nur allzu oft wiederholte Motive. Islands Natur ist einzigartig, aber mittlerweile wohlbekannt durch unzählige Publikationen in Form von Bildbänden, Reiseberichten und Dokumentationen. Wie so viele andere Fotografen, war auch Ulrich Grill fasziniert von der Insel und wollte ihre Schönheit fotografisch festhalten. Er entschied sich im Gegensatz zu Kollegen aus seinem Metier für einen eher unkonventionellen fotografischen Ansatz: Für sein Projekt Dark Shapes of Iceland begab er sich im Juli 2018 mit dem Ziel in den Norden Europas, auf Farbe komplett zu verzichten und neue Perspektiven auf die nordeuropäische Flora zu eröffnen. „Mich haben schon immer Formen und Grauabstufungen interessiert“, erzählt der Österreicher. „Mit einem Blick für das Kleine und einer Vorliebe für Motive, an denen man sonst vielleicht einfach vorbeiläuft, fand ich es spannend, hier einmal etwas Anderes zu suchen.“ Grill wurde schnell fündig: Die Aufnahmen von Dark Shapes of Iceland räumen Licht wie Schatten gleichermaßen Raum ein. Die durch akribische Beobachtung entstandenen Motive lassen das Große und Ganze außer Acht und richten das Augenmerk auf die Feinheiten am Wegesrand. Als Vorbild hat sich Grill den US-amerikanischen Fotografen Ansel Adams genommen: „Ich war schon immer fasziniert von seinen Detailaufnahmen, die vielleicht nicht so berühmt sind wie seine großen Landschaften, aber für mich eine ungeheure Spannung haben.“ Dessen Landschaftsminiaturen getreu erschafft auch Grill flüchtige Wunderwelten, die ohne seine Anwesenheit zum rechten Zeitpunkt vom Lauf der Natur schon wieder verändert worden wären. Auf Island ließ sich der Fotograf einfach rund um die Vulkaninsel und über das zugige Hochplateau treiben – ohne Ziel, ohne Richtung. Auf Island gibt es schließlich immer und überall Motive, wenn man nur an den richtigen Stellen die Augen öffnet. Den gemeinsamen Nenner seiner Entdeckungen
bilden dabei fast immer die vier Elemente, die auf Island allgegenwärtig sind. Sie formen den Charakter einer Insel, die zu den Ländern mit der weltweit geringsten Bevölkerungsdichte gehört, aber so viel mehr zu bieten hat als die Ödnis, die man mit diesem Wissen im Hinterkopf vermutet. „Wenn die Elemente aufeinanderprallen, hat das eine brutale Kraft, der man sich nicht entziehen kann“, schwärmt Grill. Immer dann, wenn das Innere mit dem Äußeren kämpft und sich wieder verträgt, wenn die Natur gleichzeitig unberechenbar und harmonisch wirkt, wenn Chaos und Ordnung koexistieren, kommt die Kamera von Grill ins Spiel: „Feuer, Wind und Wasser sind Urgewalten, die schon immer eine große Anziehungskraft und Faszination auf die Menschheit ausgeübt haben. Da ergeht es mir nicht anders.“ Das lustvolle fotografische Spiel mit dem Unberechenbaren birgt auch ein gewisses Risiko: Schlechtes Wetter hat schon so manchem Fotografen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Mit seiner Leica SL samt Vario-Objektiv war Grill jedoch bestens gerüstet und konnte sich flexibel durch die endlosen Landschaften bewegen. Er konzentriert sich ohnehin lieber ohne viel Equipment auf seine Motive – da konnte ihn das schnell wechselnde Wetter nicht aus der Ruhe bringen. Obwohl der Fotograf seine Faszination für Island mittlerweile mit unzähligen Menschen teilt, ist das Land noch immer verhältnismäßig wenig besucht; lediglich an den bekannten Orten tummelten sich mittlerweile die Touristen, bemerkt Grill. Deshalb lautet seine Empfehlung an alle, die eine andere Seite der Insel erleben wollen: „Geht zu den weniger bekannten Plätzen, dort kann man ganz in Ruhe fotografieren“. Ein Tipp, den man auch über die Fotografie hinaus öfter beherzigen sollte. Denn häufig macht man die faszinierendsten Entdeckungen abseits der ausgetretenen Pfade. Man muss nur genau hinschauen. Danilo Rössger
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Thomas Keydel
L A DA K H
Im Norden Indiens überwindet der Manali-Leh-Highway auf einer Länge von fast 480 Kilometern mehrere tausend Höhenmeter. Erdrutsche und Unfälle machen die manchmal einspurige Straße zu einer der gefährlichsten der Welt. Dort begleitete Thomas Keydel über mehrere Wochen LkwFahrer, Straßenarbeiter und Nomaden.
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Lkw-Fahrer warten darauf, dass sie die Fahrt fortsetzen können. Die unberechenbaren Wetterbedingungen sorgen in diesen Höhenlagen regelmäßig für Unterbrechungen. Oben: Im letzten Tageslicht überqueren Lkw den Taglang-La-Pass. Mit einer Höhe von 5328 Metern über dem Meeresspiegel ist er der höchstgelegene Streckenabschnitt des Manali-Leh-Highways. Links: Busse stehen für die beschwerliche Fahrt durch den Himalaja bereit. Entfernungen, die bei mitteleuropäischen Straßenverhältnissen in wenigen Stunden zu absolvieren sind, dauern im nordindischen Ladakh mehrere Tage
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Straßenarbeiter bereiten vor ihren Zelten eine Mahlzeit zu. Sie werden als Tagelöhner beschäftigt; viele von ihnen kommen aus Südindien, da die Bezahlung in Ladakh besser ist. Sie verbreitern den engen Weg, räumen Schutt weg und tragen Hänge ab, um Erdrutschen vorzubeugen
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Was für die Bewohner von Ladakh zum Alltag gehört, gestaltete sich für Thomas Keydel zur Herausforderung. „Es war oft sehr kalt, bis zu minus 21 Grad. Hinzu kamen Schneestürme, gefrorene Pässe und ständige Wetterumschwünge“, berichtet der Fotograf. Unten: Während des Saga Dawa Fests tragen Bewohner von Leh Schriftrollen aus dem Kloster in die Stadt und wieder zurück. Rechts, oben: Straßenarbeiterinnen ruhen sich in der Nähe von Leh auf einem Lager aus Steinen aus. Sie wärmen sich gegenseitig gegen die extreme Kälte
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Bewohner von Leh ziehen beim Saga Dawa Fest mit Weihrauch durch die Stadt. Saga Dawa ist der wichtigste Feiertag in der tibetischen Kultur – an ihm soll geboren, gestorben und erleuchtet worden sein. Das Fest wird einen Monat lang um den Mai-Vollmond herum gefeiert 80 Buddha lFi
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Entlang der Straße leben Nomaden ein Leben abseits der Städte und Dörfer. Sie züchten Ziegen und Yaks, aus deren Schur Kaschmirwolle, dort Pashmina genannt, entsteht. Unten: Eine Frau entlässt Ziegen am Morgen aus ihrem Gatter am Tso Kar („Weißer See“). Links, oben: ein Nomadenzelt bei Nacht. Da es keinen Stromanschluss gibt, benutzen die Nomaden kleine Solarmodule oder Autobatterien, um Licht zu haben. Links, Mitte: Frauen aus Leh trennen schlechtes Getreide von gutem. Links, unten: eine der Frauen beim Melken der Yaks. Die Milch wird zur Herstellung von Butter und Buttertee verwendet
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Manali: Angehörige zweier Familien kochen ein Festmahl für eine Hochzeit. Seit der Öffnung Ladakhs für den Tourismus steigen die Besucherzahlen der Dörfer entlang des Highways nach und nach
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Überreste eines Lkw. Einige der Wracks können nicht abgeholt werden oder bleiben als Warnung entlang der Straße liegen. Oben: Ein Lkw-Fahrer wartet an einem gesperrten Straßenabschnitt darauf, weiterfahren zu können. Wer die Tour zwischen Leh und Manali auf sich nimmt, ist dem Wetter unterworfen
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Langsam und schnaufend schieben sich tonnenschwere, hoffnungslos überladene Lkw durch die Haarnadelkurven nach oben. Dort, im indischen Himalaja, wächst abseits der Straße nichts mehr – wobei schon das Wort „Straße“ eine gutgemeinte Umschreibung für diese teils einspurige und von Eis und Schutt bedeckte Schotterpiste ist. Doch es gibt keine Alternative: Die knapp 480 Kilometer lange Strecke ist die einzige Möglichkeit, um von Mai bis Oktober die Stadt Leh nahe der Grenze zu China mit Waren zu versorgen. Leh gehört zu den höchstgelegenen ständig bewohnten Städten der Erde und ist der wichtigste Ort der Region Ladakh im Bundesstaat Jammu und Kashmir. Der Manali-Leh-Highway trägt seinen Namen zu Recht: Er beginnt auf rund 2000 Höhenmetern im touristisch beliebten Manali und schraubt sich bis auf über 5000 Höhenmeter, bevor er auf 3500 Höhenmetern durch die Stadt Leh führt. Motorisierte Fahrzeuge benötigen für die Strecke mehrere Tage. In den Wintermonaten ist der Highway gesperrt, im Frühjahr muss er dann mehrere Wochen instandgesetzt werden. Entlang der Strecke riskieren Straßenarbeiter ihr Leben, leben Nomaden ihren Alltag inmitten von Schaf- und Ziegenherden und legen Lkw-Fahrer Pausen ein, wenn es einmal für einige Stunden nicht weitergeht. Dörfer gibt es nur wenige, der schneidende Wind und die frostigen Temperaturen führen die menschliche Belastbarkeit bis an die Grenze – aber wer hier lebt, hat sich an die harten und widrigen Umstände gewöhnt. Geopolitisch ist Ladakh von großer Bedeutung: Chinesische und pakistanische Gebietsansprüche sowie der tibetische Unabhängigkeitskampf machten die Region in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Schauplatz vieler Kämpfe, die sich verheerend auf die wirtschaftliche Situation
auswirkten. Erst nachdem sich Ladakh im Jahr 1974 für den Fremdenverkehr öffnete, wurde der Highway zwischen Manali und Leh langsam, aber stetig ausgebaut und mit Tunneln verbunden, um Infrastruktur, Militär und Wirtschaft zu stabilisieren. Keine leichte Aufgabe also, eine solch geschichtsträchtige und von Krisen geschüttelte Region umfassend zu beleuchten. Thomas Keydel hat diese Herausforderung angenommen. Nachdem er bisher auf Borneo, in Israel und an anderen Orten des indischen Subkontinents fotografiert hat, hielt er sich nun mehr als sieben Wochen im Himalaja auf, um das Leben entlang des Highways zu dokumentieren. Dazu fuhr er die Strecke zweimal mit dem Motorrad und einmal in Begleitung eines Lkw-Fahrers ab. LFI: Die Gegend zwischen Manali und Leh wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein Touristenmagnet. Was hat Sie gereizt, Ladakh zu bereisen? Thomas Keydel: Als ich vor einigen Jahren in Südindien war, wollte ich der Hitze entkommen und bin in den Norden gereist. In Manali angekommen, dachte ich zunächst, ich wäre in den Alpen. Die Menschen erzählten mir aber, dass es hinter dem Rho-TangPass, knapp 50 Kilometer hinter Manali, völlig anders aussähe. Also fuhr ich weiter. Hinter dem Pass war es tatsächlich fast wie auf dem Mond: Mich erwartete eine Weite und Leere, die ich so noch nie erfahren hatte und die mich sofort in ihren Bann zog. Fast 480 Kilometer Weite und Leere klingt so, als ob es nichts zu sehen gäbe – und doch spielt sich auf ihren Bildern einiges ab … Ja, es gab auf diesem Highway hinter jeder Kurve etwas Neues zu entdecken – nicht nur die Dorfbewohner und Nomaden entlang der Strecke, sondern auch die Lkw-Fahrer, die diese Straße im Sommer nutzen, um die Bewohner von Leh mit Nahrungsmitteln und Waren zu versorgen, oder die Straßenarbeiter, die diese Strecke jedes Jahr wieder reparieren. Nicht zu verges-
sen die unendlich scheinenden Landschaften aus Hochebenen und schneebedeckten Gipfeln. Wie sieht der Alltag der Nomaden in den Siedlungen entlang der Straße aus, wovon leben sie? Die Nomaden leben nicht in festen Siedlungen, sondern in jurtenartigen Zelten. Sie züchten Ziegen, Schafe und Yaks, sie produzieren Milch, Butter, Felle und Kaschmirwolle. Ihre Produkte verkaufen sie in Leh oder tauschen sie gegen Dinge ein, die sie nicht selbst herstellen können. Zweibis dreimal im Jahr suchen sie neue Weideflächen und Zonen, die besser vor dem Wind geschützt sind. Sie selbst haben einige Zeit mit den Nomaden verbracht. Inwiefern unterscheidet sich ihr Alltag von unserem Alltag in den westlichen Industriestaaten? Ihr Tag beginnt bereits gegen 5 Uhr. Um diese Zeit ist es noch sehr kalt, sodass das Feuer in der Jurte neu entzündet werden muss. Nach einem Tee geht es hinaus zu den Tieren, die sich nachts in aus Steinen gebauten Pferchen zum Schutz gegen Fressfeinde aufhalten. Die Tiere werden gemolken und anschließend auf die Weideflächen geführt. Das machen die Männer, sie sind den ganzen Tag unterwegs und führen die Herden von einer Weide zur nächsten. Aufgrund der kargen Flora sind diese Gebiete riesig. Die Frauen kümmern sich unterdessen um den Haushalt und die Kinder. Einige spinnen Wolle und häkeln Kleidung, zumeist für den Eigenbedarf. Leh am Ende des Highways liegt isoliert im Westen des Himalaja. Welchen Eindruck haben Stadt und Bewohner bei Ihnen hinterlassen? Die Einwohner gehören indischen und tibetischen Volksgruppen an. Hier leben Hindus, Buddhisten und Muslime eng beieinander. Die Stadt ist im Aufbruch: Auf der einen Seite →
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bringen die Inder westliche Kulturgüter in die Stadt, während die Ladakhis an ihren Traditionen festhalten. Zudem wird Leh zunehmend touristisch und verliert langsam seinen alten Charme, den man aber noch immer in der Altstadt erleben kann. Welche Rolle spielt die tibetische Kultur in Leh und Ladakh? Viele Kinder und Familien kommen als Flüchtlinge aus dem besetzten Tibet nach Leh, deshalb ist die tibetische Kultur überall spürbar. Trotz des starken Wachstums der Stadt leben viele Bewohner noch immer in Einklang mit den Tieren und den Jahreszeiten. Die Bewohner sind tiefgläubig, zelebrieren jahrhundertealte Riten und Bräuche – und dennoch habe ich sie als offen für neue Einflüsse erlebt. Wie reagierten die von Ihnen porträtierten Personen, als Sie von Ihrem Vorhaben erzählt haben? Gab es Kommunikationsschwierigkeiten? Als ich das erste Mal die Nomaden am Tso Kar („Weißer See“) besuchte, erntete ich ungläubige Blicke und musste viele Fragen beantworten. Ich erzählte, dass ich fotografieren möchte und sie ein Teil meiner Geschichte sein sollen. Ich glaube, sie haben verstanden, was ich machen wollte – ihnen war wohl nur nicht klar, warum ich den ganzen Stress auf mich genommen hatte. Zudem sprach nur einer der Nomaden etwas Englisch und musste für alle Anwesenden übersetzen, die mit ihren Fragen auf mich einstürmten. Anders war es bei den LkwFahrern, ihr Englisch war sehr gut und die Kommunikation war deshalb einfacher. Dennoch war ich auf die sprachliche Hilfe der Einheimischen angewiesen. In vielen Fällen reichten aber auch Blicke und Gesten. Welche fotografischen Herausforderungen mussten Sie meistern? Fotografische Herausforderungen gab es keine, ich hatte mein Equipment
klein gehalten: In meinem Gepäck führte ich nur eine Leica M240, ein 35-Millimeter-Objektiv, ein Stativ und viele Akkus mit. Die Hürden lagen eher an meiner physischen Kondition und meinem Durchhaltevermögen. Es war oft sehr kalt, bis zu minus 21 Grad. Hinzu kamen Schneestürme, gefrorene Pässe und ständige Wetterumschwünge. Zudem hatte ich zwei kleine Unfälle mit dem Motorrad und kam einmal gar nicht weiter, weil die Straße gefroren war. Ihren Aufnahmen wirken manchmal so, als ob die Zeit in manchen Gebieten stehen geblieben wäre … Tatsächlich kann von Stillstand überhaupt keine Rede sein. Die gesamte Region erlebt derzeit einen großen Wandel, es werden Tunnel unter den Pässen gebaut, Straßen werden betoniert, es gibt einen Flughafen in Leh und die Stadt wächst rasant. Der Markt in Leh wurde erneuert und es eröffnen mehr und mehr Geschäfte im westlichen Stil, während die traditionellen Viertel der Stadt langsam verschwinden. Im Grunde genommen sind die extremen Witterungsverhältnisse die einzige Bremse für eine noch schnellere Entwicklung. Hat Sie das Projekt motiviert, ähnliche Themen zu betrachten oder vergleichbare Gegenden zu bereisen? Absolut, gerade das Nomadenleben hat mich sehr berührt, denn ich konnte erfahren, wie sich ihre einfache Lebensweise stark durch das neue Klima und den wachsenden Drang nach Profit verändert. Es fällt weniger Schnee im Winter und damit gibt es weniger Wasser im Sommer. Kaschmirwolle ist ein begehrtes Produkt und wird von den Nomaden hergestellt. Das heißt, es gibt immer größere Herden, die immer größere Flächen beweiden. Und die entwickeln sich dann zu Wüsten, da dort ohnehin nicht viel wächst. Das brachte mich auf meine neue Geschichte, die über die weltweite Desertifikation berichten wird. Ein Teil beschäftigt sich eingehender mit dem Leben der Nomaden von Ladakh. Interview: Danilo Rössger
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Th o m a s K e y d e l Die Bilder des Fotografen spiegeln seine Erlebnisse auf Reisen nach Indien, Borneo, Israel und in die USA wider. Tatsächlich ist Keydel über das Reisen zur Fotografie gekommen und hat von 2011 bis 2017 Fotojournalismus in Hannover studiert. Seine Bilder wurden bisher in Magazinen wie Der Spiegel, Vino und Go veröffentlicht. Keydel arbeitet als freier Fotograf in Frankfurt am Main.
Th omas key de l.com LFI-On lin e .DE /Blog: Audiovisuelle Eindrücke Aus Ladakh
Equipment: Leica M240
mit dem Summicron-M 1:2/35 mm
f/ s top – M 1 0 - p „ E d i t i o n Sa fa r i “ – M - O b j e k t i v e – L e i ca - auk t i o n –
Die neue M 10-P „ E d i t i o n Sa fa r i “ : S tat e o f th e Art, b e s o n d e r s R o b u s t u n d e i n ha r m o n i s ch e s D e s i g n
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D i e s a fa r i -t ra d i t i o n M 1 0 - P u n d 5 0 e r - S u m m i c r o n a u f S a fa r i
Die Ursprünge der olivfarbenen M-Leica liegen im Militärischen, doch das ist seit rund 50 Jahren Geschichte. „Safari“ weckt freundlichere Assoziationen als „Olive“ – jetzt hat Leica unter diesem Signet eine M10-P und ein 50er-Summicron vorgestellt.
Wenn Leica ein neues MModell vorstellt, dann wird daraus im Laufe der Zeit eine Kamerafamilie. Zu der im Januar 2017 präsentierten Leica M10 gesellten sich im August des folgenden Jahres die ProfessionalVersion M10-P (LFI 7/2018, Seite 86) und schon zwei Monate später die displaylose M10-D (LFI 8/2018, Seite 78). Wie die Familienplanung im Einzelnen aussieht folgt nicht unbedingt vorhersagbaren Regeln. So lässt sich etwa zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt nicht prophezeien, ob es jemals eine M10 Monochrom geben wird oder ob eine neue MonochromKamera erst auf Grundlage der nächsten M-Inkarnation erscheinen wird. Was wir aber heute schon wissen ist, dass das vierte Mitglied der M1090 |
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Familie die M10-P „Edition Safari“ ist. Die olivgrünen Safari-Modelle nehmen in Leicas Modellpolitik eine Sonderstellung ein. In der Regel handelt es sich nicht um streng limitierte Special Editions wie etwa die Leica M10 „Edition Zagato“, aber auch nicht um normale Serienmodelle, von denen man vorher nicht weiß, wie viele Exemplare letztlich einmal gefertigt werden. D i e J u bi läu msst rat eg i e . Leica-Experte Erwin
Puts hat es in seiner „Leica Chronicle“ so formuliert: „Das Gehäuse der Leica M ist modular aufgebaut: Transporthebel, Filmrückspulung, Deck- und Bodenkappe, Messsuchervergrößerung und Rahmenauswahl, Belederung – all das lässt sich beliebig verändern und mischen. So ist es
nicht verwunderlich, dass die regulären Kameragehäuse in einer großen Vielfalt von Optionen angeboten wurden, darunter die Versionen Schwarzchrom und Silberchrom. Auch schwarze Lack- und Titanausführungen sind üblich, bei denen der Begriff „Titan“ titanbeschichtete Standardbauteile meint. Leitz und später Leica feiern seit jeher bedeutende Jahrestage und Jubiläen mit Kameras in limitierter Auflage. Dieser Ansatz hat einige der schönsten M-Gehäuse hervorgebracht.“ D i e T ra d i t i o n sli n i e.
Die olivgrüne Sonderlackierung „Safari“ besitzt bei Leica respektive Leitz eine lange Tradition. Die ersten Leica-Kameras mit einer solchen Lackierung waren für militärische Zwecke
konzipiert und haben ihren Ursprung in den späten 1950er-Jahren. Seinerzeit war allerdings der Begriff „Safari“ noch nicht üblich, die entsprechenden Kameras waren mit dem Zusatz „Olive“ gekennzeichnet. So gab es eine M3 „Olive“ (vermutlich 1957 bis 1968), eine M1 „Olive“ (1960) und eine M4 „Olive“ (1970). Die Bezeichnung „Safari“ tauchte wohl erstmals bei der R3 „Safari“ inklusive den passenden Safari-R-Objektiven aus dem Jahre 1977 auf. Die erste Safari-M war die M6 TTL von 2000, ihr folgte 2008 die erste digitale Safari-Kamera, eine M8.2, die in einer Auflage von 500 Exemplaren erschienen ist. Die bisher letzte Kamera aus dieser Reihe war 2015 die Leica M-P (Typ 240), von der 1500 Exemplare gefertigt wurden. →
Die M10-P „Edition Safari“ und das Summicron-M 1:2/50 mm „Safari“ werden nicht als Set verkauft, sondern einzeln vermarktet. Für die Kamera sind 1500 Stück geplant, für das Objektiv 500. Das Design wirkt sehr harmonisch, bei der olivgrünen Textur handelt es sich um einen besonders robusten Einbrennlack
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D i e M 1 0 - P „ E d i t i o n Safa ri “. Schon bald hatten
sich die olivfarbenen LeicaKameras den Ruf erworben, besonders zuverlässige, robuste Werkzeuge für extreme Gegebenheiten zu sein, eine Tradition, die die Leica M10-P „Edition Safari“ nun fortsetzt. Ihr hochwertiger Berluran-Einbrennlack
schützt die Kamera vor äußeren Einflüssen. Sie ist kratz- und fingerprintbeständig und widersteht Lösungen, Chemikalien sowie UV-Licht. Von der Lackierung und der Belederung einmal abgesehen, unterscheidet sich die M10-P „Edition Safari“ weder technisch noch optisch vom
Objektiv und Kamera sind baugleich mit den entsprechenden Serienmodellen. Bis auf die Feet-Skala und die Brennweitenziffer in Rot sind die Gravuren des Summicron-M 1:2/50 mm „Safari“ weiß ausgelegt
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subjektiv pancake
Serienmodell. Sie verzichtet also auf den auffälligen roten Punkt, verfügt über den gleichen besonders leisen Auslöser und ein Touchdisplay mit zusätzlichen Funktionen. Zum einen lässt sich die Position der Lupen-Fokussierhilfe im Live-ViewBetrieb nun per Fingertipp beliebig setzen. Das ermöglicht insbesondere bei Stativaufnahmen eine sehr bequeme Feinsteuerung der selektiven Scharfstellung jenseits der Bildmitte. Zum anderen lässt sich der Messkreis ebenfalls nach Belieben per Touch auf die gewünschte Bildstelle legen, wenn als Belichtungsmessmodus die Spotmessung aktiviert ist. Auch das ist eine große Erleichterung, wieder vor allem bei der Arbeit mit
Stativ, aber auch grundsätzlich für das gezielte Messen von Motiven mit großem Kontrastumfang. Das Su mmi c ro n - M 1 : 2 /5 0 „Sa fa r i “. Mit der
M10-P „Edition Safari“ hat Leica auch das Summicron-M 1:2/50 „Safari“ vorgestellt, das erste M-Objektiv in der Safari-Farbgebung überhaupt. Technisch betrachtet ist es ebenfalls baugleich mit dem entsprechenden Serienmodell, ist aber wie die Kamera mit dem gleichen robusten Einbrennlack versehen. Bis auf die Feet-Skala und die Brennweitenziffer in Rot sind die Gravuren weiß ausgelegt. Während die Kamera eine Auflage von 1500 Exemplaren haben soll, werden
Die M10-P „Edition Sa fa r i “ u n d das Su m m i c ron - M 1:2/50 „Safari“ s i n d n i ch t n u r Robust, s on der n auch u n t er D es i g n as p ekt en einfach nur eine Aug en w ei de.
vom Objektiv zunächst nur 500 Stück gefertigt. So wird es sicherlich ein begehrtes Sammlerstück, denn nicht nur Käufer der neuen „Edition Safari“ dürften daran Interesse haben, sondern auch die Besitzer früherer Safari-Kameras mit M-Bajonett. Die M10-P „Edition Safari“ und das Summicron-M 1:2/50 „Safari“ – die nicht als Set angeboten werden, sondern einzeln in den Verkauf gehen – werden aber vermutlich nicht nur im Sammlermarkt auf Aufmerksamkeit stoßen, haben sie doch durch ihre Robustheit nicht nur einen hohen Gebrauchswert, sondern sind auch unter Designaspekten eine harmonische Augenweide. bernd luxa
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drei neue outfits M-Objektive
Bei keinem der M-Objektive, die Leica Anfang 2019 vorgestellt hat, handelt es sich um eine technische Neuheit, doch alle drei sind reizvolle Designvarianten und Sondermodelle bereits existierender, auch ikonischer M-Objektive.
Gleich drei neue Varianten bereits existierender MObjektive hat Leica im Februar vorgestellt. Die drei neuen, ganz unterschiedlichen Designs interpretieren besondere Objektive neu. Die einfachste Variante ist sicherlich das Summilux-M 1:1.4/28 in der jetzt erhältlichen silbernen Version. Während es das moderne Objektiv bislang nur in Schwarz gab, verhält es sich beim Summaron-M 1:5.6/28 genau umgekehrt: Die Wiederauflage des Schraubleica-Klassikers für das M-Bajonett gab es bisher nur in Silber, nun stellt Leica auch das schwarz lackierte Modell vor. Und eine echte Design-Variante, die über die bloße Farbe hinaus geht, ist das moderne und optisch nahezu perfekte Apo-Summicron-M 1:2/50 Asph im klassischen Look. 94 |
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Su mmi lux-M 1 : 1 .4 /28 asp h. Das Summilux-M
1:1.4/28 mm ist ein modernes Objektiv, das mit seiner für diese Brennweite extrem hohen Lichtstärke den Bereich der Weitwinkelund Reportagefotografie um die Möglichkeit bereichert, mit sehr kleinen Schärfenebenen zu arbeiten. Das 2015 vorgestellte Objektiv erfüllt die höchsten Qualitätsansprüche und leistet sich keine erkennbare Schwäche. Quasi nebenbei zeigt das Topmodell unter den 28ern Smartphone-Fotografen, die mit ähnlichen Bildwinkeln unterwegs sind, wie Bilder aussehen können, wenn Schärfe und Unschärfe auf optische, also natürliche Weise zustande kommen. Wie üblich hatte Leica das Objektiv zunächst in der gewohnten schwarzen Version präsentiert, die unver-
ändert im Programm bleibt. Für die Anhänger silberner Kameras gibt es nun aber zusätzlich eine silbern eloxierte Variante mit schwarz und rot ausgelegter Schrift. Summaron-M 1:5.6/28.
Ein deutlich anderes Kaliber ist das schwarze SummaronM 1:5.6/28, dessen silberne Version schon seit einiger Zeit erhältlich ist. Die Wiederauflage des klassischen Objektivs für Schraubleicas mit M-Bajonett ist im Vergleich zu modernen Rechnungen weit entfernt von optischer Perfektion, vielmehr sind es gerade die Schwächen, die hier den Reiz ausmachen: Die nach heutigen Maßstäben undenkbare Vignettierung von rund zweieinhalb Blendenstufen und das leichte Überstrahlen der starken Kontrastkanten sorgen für einen einzig-
artigen Look, den man nur von früheren analogen Aufnahmen kannte. Vor allem aber ist das Summaron einfach winzig: Wenn es je ein Objektiv gab, das das „Pancake“-Label zurecht trug und die als Jackentaschen-kompatibel durchging, ist es sicher das Summaron. Jede Kamera wirkt im Vergleich zu diesem Objektiv riesig, doch da es bisher nur eine silberne und damit entsprechend auffällige Variante gab, gelang insbesondere Besitzern schwarzer Kameras das unauffällige Abtauchen in der Menge mit diesem klassischen Reportage-Objektiv nicht immer ganz perfekt. Nun gibt es das Summaron auch in Schwarz und damit in einer besser getarnten Version. Das matte Schwarz des Lacks, der bereits die Leica Q-P ziert und →
Das Summilux-M 1:1.4/28 mm gibt es ab sofort auch für die Freunde silberner Objektive. Sein modernes Innenleben bleibt unverändert und verbindet die klassische Weitwinkelund Reportagebrennweite mit sehr hoher Lichtstärke und der Möglichkeit, sehr bewusst mit der Schärfe zu spielen
Mit ihrem unterbrochenen Rändel und den Fingermulden sieht die Sonderedition des Apo-Summicron-M 1:2/50 mm Asph beinahe wie ein historisches Objektiv aus den 1950erJahren aus – dabei steckt im technisch unveränderten Inneren das vielleicht perfekteste M-Objektiv aller Zeiten
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der als besonders widerstandsfähig gilt (siehe LFI 8/2018, S. 74). Damit sollte das schwarze Summaron nochmals robuster ausfallen als die silberne Variante. Apo -Su m m i cro n - M 1 :2/5 0 Asp h . Und eine
In silberner Bauweise gibt es das winzige Summaron-M 1:5.6/28 schon länger, die noch unauffälligere schwarze Variante des Klassikers ist dagegen neu. Starke Vignettierung und überstrahlende Kontrastkanten verhelfen den Bildern zu einem einzigartigen Look aus vergangenen Zeiten
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spezielle Variante gibt es auch von einem sehr besonderen Objektiv im M-Programm: Das Apo-Summicron-M 1:2/50 Asph entstand aus dem Wunsch heraus, schlicht das perfekte Objektiv zu schaffen, ohne dabei gleichzeitig Superlative bei der Lichtstärke und anderen Parametern erreichen zu wollen. Das Ergebnis ist eine mehr als beeindruckende Leistung, die mehr noch als bei jedem anderen LeicaObjektiv an den Begriff der Perfektion herankommt. Optische Schwächen sind für diese Objektivrechnung schlicht ein Fremdwort. So gesehen ist das ApoSummicron-M ein moderner Klassiker, dem ein Platz in der Leica-Geschichte ohnehin sicher ist. Nun würdigt Leica das Objektiv mit einer Sonderedition, die der vergriffenen Sonderedition für die Leica Historical Society
of America ähnelt, nun aber für alle zur Verfügung steht. Das auffälligste Merkmal ist der unterbrochene Rändel am Fokussierring, den man bei Leica-Objektivdesigns aus den 1950er- und 60er-Jahren häufiger findet. So kann man beim schwarz verchromten Apo-Summicron-M von einem echten Retrodesign sprechen. Das Objektiv verbindet gekonnt die Leistungsfähigkeit moderner Objektivrechnungen mit einer Reminiszenz an die Vergangenheit, in der Normalobjektive mit ihrer getreuen Darstellung der Perspektive stets eine große Rolle für das M-System gespielt haben. Man kann das Sondermodell des Apo-Summicron-M tatsächlich mit einem historischen Objektiv verwechseln. Der Fokusring mit seinen Vertiefungen mag zunächst zwar etwas altbacken wirken, erweist sich in der Praxis aber als überaus griffig. Das macht das Objektiv nicht nur für Sammler interessant, zumal das Apo-Summicron-M 1:2/50 Asph genauso wie die beiden anderen neuen M-Objektive für die Vitrine doch viel zu schade ist. holger sparr
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Ärger mit Persil L F I v o r 5 0 J ah r e n
I n d e r D u n k e l ka m m e r : W i e m a n stö r e n d e s P e r s i l-W e i S S au s d e r Au f n a h m e e n t f e r n t
Abhalten und Nachbelichten ist der zweite wichtige Punkt im Positivprozeß. Dadurch gewinnt das fertige Bild unbedingt an Kraft und Abrundung, denn man kann damit Wichtiges betonen und Unwichtiges unterdrücken. Die Dosierung des Abhaltens und Nachbelichtens ist Übungssache. Man darf der fertigen Vergrößerung aber nicht anmerken, daß man einen dieser Kunstgriffe angewandt hat. Das ist – besonders am Anfang – keineswegs leicht! Ein Bild sollte geschlossen und konzentriert wirken. Wenn z. B. weiße und helle Partien aus dem Bild „herauslaufen“, stört das sehr. Ich habe dann immer das Gefühl, daß ich irgendetwas außerhalb des Bildes nicht mehr wahrnehmen kann. Deshalb belichte ich die Bildränder gern etwas nach, besonders am Himmel, bei Wasserflächen oder hellen Kleidern. Noch ein praktisches Beispiel dafür, wo das Nachbelichten erforderlich sein mag: beim Herrenporträt, wenn der Dargestellte ein weißes Hemd trägt. Durch die heutigen Waschmittel ist der weiße Kragen im Negativ oft so stark gedeckt, daß er beim Vergrößern strahlend weiß bleibt. Das ist beim fertigen Bild störend, weil diese hellste Stelle des Bildes das Auge unwillkürlich anzieht. Ich helfe mir dann durch Nachbelichten mit einem durchlöcherten Karton, bis das Persil-Weiß etwas gebrochen erscheint.
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wo d e r ha m m e r hä n g t 3 3 . W e s t L i c h t P h o t og r a p h i c a A u c t i o n
Am 24. November 2018 wurde in Wien zum 33. und letzten Mal die WestLicht Photographica Auction durchgeführt. Bei der Eröffnung kündigten Matthias Harsch, Vorstandsvorsitzender der Leica Camera AG, und Alexander Sedlak, Geschäftsführer der Leica Camera Austria, an, dass die nächste Auktion im Juni 2019 im Leitz-Park Wetzlar unter dem neuen Namen Leitz Photographica Auction stattfindet. Die Leitung übernimmt das langjährig bewährte Team aus Wien. Genau 555 fotografische Raritäten standen zum Verkauf: Kameras, Prototypen, obskure Erfindungen und Objektive von Leica, Zeiss, Voigtländer, Nikon, Eastman Kodak und vielen anderen. Erwartungsgemäß erzielten auch bei dieser Auktion LeicaProdukte den höchsten 98 |
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Alexander Sedlak ist seit April 2018 Geschäftsführer der Leica Camera Austria. Gemeinsam mit LeicaCEO Matthias Harsch gab er die Umbenennung der WestLicht Photographica Auctions in Leitz Photographica Auctions bekannt (s. Interview ab Seite 100)
Zuschlag – unter den teuersten zehn Artikeln fanden sich sieben Leica-Kameras und -Objektive. Die teuerste Kamera an diesem Tag war eine der seltensten Leicas überhaupt: eine schwarzlackierte Leica MP, von der nur 141 Stück produziert wurden. Die meisten Exemplare erwarben professionelle Fotografen. So auch dieses Stück, das 1957 in New York an den französischen Bildjournalisten Gérard Bois ausgeliefert wurde und über 50 Jahre in seinem Besitz blieb. Die Kamera mit der Nummer MP-47, ausgestattet mit dem ebenfalls seltenen, schwarzlackierten Summicron-M 1:2/50mm (#1468967) fand für 156 000 Euro einen Käufer (alle Preise verstehen sich inklusive Premium). Weitere Highlights der Auktion waren eine sehr
frühe Leica Ia, eine Anastigmat-Export-Version von 1925 mit der Seriennummer 207 in sehr gutem Zustand, die mit 120 000 Euro weit über dem Schätzpreis von 60 000 bis 80 000 Euro lag, sowie eine schwarzlackierte Leica M2 von 1965 mit Summilux-M 1:1.4/35 mm, die dem 1970 in Kambodscha verschollenen Fotografen Sean Flynn, Sohn der Hollywood-Legende Errol Flynn, gehörte und für 72 000 Euro den Besitzer wechselte. Eine Besonderheit stellte Los 143 dar – eine schwarzlackierte Leica M9-P aus dem Jahr 2012 mit einem SummiluxM 1:1.4/35 mm – die dem berühmten Magnum-Fotografen Ian Berry gehörte. Die Kamera mit dem eingravierten Namen des Fotografen, der bei der Auktion anwesend war, fand für 18 000 Euro einen Käufer. →
Porträt: Michael Lebek
Die 33. WestLicht Photographica Auction war auch die letzte. Aber keine Sorge: Im Juni 2019 feiert sie als Leitz Photographica Auction in Wetzlar Premiere. Ein Rückblick auf die Highlights und ein Interview über neue Perspektiven.
Das Highlight der 33. WestLicht Camera Auction: eine Leica Ia als Anastigmat-Export-Version von 1925 mit der Seriennummer 207
Eines von lediglich 427 Exemplaren der Leica IIId. Die Kamera mit der Seriennummer 360002 kam für 31 200 Euro unter den Hammer
Die ehemals schwarz lackierte MP des französischen Bildjournalisten Gérard Bois fand für 156 000 Euro einen neuen Besitzer
Die M2 des 1970 in Kambodscha verschollenen Kriegsreporters Sean Flynn, Sohn der HollywoodLegende Errol Flynn
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Die teuersten Kameras der Welt: Im Mai 2012 erzielte die Kamera Nr. 116 aus der berühmten LeicaNullserie bei WestLicht 2,14 Millionen Euro (oben), im März 2018 die Nr. 122 sogar 2,4 Millionen
So fanden etwa eine M3 von 1955 (#748896) mit der Gravur „Leitz-Eigentum“ für 1800 Euro oder ein Summaron 3.5/3.5 cm (#1107353) aus der Vorserienproduktion für 720 Euro neue Besitzer.
Zu den teuersten Objektiven zählte ein auf 100 Exemplare limitiertes, rot eloxiertes Apo-Summicron-M 1:2/50 mm von 2017, das mit 33 600 Euro zu Buche schlug. Auch ein Noctilux 1:1.2/50 mm aus der ersten Generation von 1967 landete mit einem Preis von 19 200 Euro deutlich über den geschätzten 14 000 bis 16 000 Euro. Doch auch für den schmaleren Geldbeutel war die letzte WestLicht Photographica Auction wie immer von Interesse:
LFI: Herr Sedlak, wie bewerten Sie die 33. WestLicht Kamera-Auktion? Und welches Ergebnis hat Sie dabei ganz besonders überrascht? Alexander Sedlak: Die Auktion lieferte wieder ein Spitzenresultat für historische Leicas und ist für mich erneut ein Beweis für die große Wertbeständigkeit der Marke. Am meisten überrascht hat mich das Los Nr. 4, eine Leica I Anastigmat, die gleich zu Beginn für
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eine tolle Überraschung sorgte: Von 30 000 steigerte sie sich auf den Preis von 120 000 Euro. Es ist immer ungemein spannend, wenn ein Los so sehr gefragt ist, dass es um ein Mehrfaches hinaufgesteigert wird. Mit welcher Erwartungshaltung sind Sie in die Auktion gegangen? Wir wussten, dass diesmal vermutlich keine Kamera mit Weltrekordpotenzial unter den Losen sein würde. Aber mit einem sehr guten Auktionsergebnis haben wir natürlich schon gerechnet. Allein die großartige Verkaufsquote von 88 Prozent hat uns und das Vertrauen in uns bestätigt. Erstmals wurde auch die Marketingund Kommunikationsab-
teilung der Leica Camera AG mit eingebunden, was sich zusätzlich sehr positiv ausgewirkt hat. Unterrichten Sie uns ein wenig über die Hintergründe – wie kam es dazu, dass Leica jetzt die Auktionen übernommen hat? Leica hat mit Erwerb von Anteilen an der Peter Coeln GmbH im Jahr 2014 den ersten Schritt getan, um seinen Kunden eine herstellerbetriebene globale Vintageund Auktionsplattform anbieten zu können. Seit dem vergangenen Jahr ist die Peter Coeln GmbH zu 100 Prozent im Besitz der Leica Camera AG. Die VintageKamera-Spezialisten in Wien haben sich über die Jahre ein profundes Know-how er-
Der innovative, r e vo lu t i o n ä r e G ei st der l ei ca i st b i s h eu t e ei n z i ga rt i g . V i el e Aufnahmen sind zu ei n em T ei l u n s er er kol l ekt i v en E r i n n eru n g g ewor den .
worben und eine exzellente Reputation für historische Kameras und Sammlerstücke aus dem foto-optischen Bereich aufgebaut. Diese Expertise will die Leica Camera AG in Zukunft noch weiter ausbauen. Ist die Änderung des Markennamens von WestLicht Photographica Auction zu Leitz Photographica Auction auch in diesem Sinne zu verstehen? Ebenso, dass die nächste Auktion 2019 nicht mehr in Wien, sondern im Leitz-Park Wetzlar stattfinden wird? Ja, mit dem an eine große Tradition anknüpfenden neuen Namen wollen wir unsere Auktionssparte weiter internationalisieren. Mit der Leica Camera AG, →
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Schnäppchen oder die Preise steigen in Rekordhöhen, es ist ein Nervenkitzel und es warten große Überraschungen. Einzigartig ist aber natürlich der Enthusiasmus und die enorme Leidenschaft, welche die Bieter und Sammler dabei zeigen. Das Unternehmen Leica Camera kann bei der Leitz Photographica Auction auf ein jahrelang aufgebautes Know-how zurückgreifen. Wie sehen Sie dabei Ihr Verhältnis zur Konkurrenz, die dem Hause Leica ja oft durchaus eng verbunden ist? Seit Jahren führen auch Mitbewerber weltweit Kamera-Auktionen durch, was uns motiviert, uns ständig weiterzuentwickeln und unseren Service für die Auktionskunden stetig zu verbessern. Natürlich möchten wir dabei gern ein gutes Verhältnis zu anderen Auktionshäusern pflegen. Denn immerhin teilen wir alle dieselbe große Leidenschaft für Leica-Kameras!
Von oben: Summicron 2/35 (1959, Hammerpreis 22 800 Euro/Schätzung 12 000 bis 14 000 Euro), Noctilux 1.2/50 mm (1967, 19 200/14 000 bis 16 000), Summilux-M (1988, 15 600/12 000 bis 14 000), Prototyp des Summicron 2/5 cm (1953, 10 200/3000 bis 3500)
die global agiert und vernetzt ist, kann viel Potenzial genutzt werden, um noch mehr Interessenten auf der ganzen Welt großartige Sammlerstücke und Raritäten in spannenden Auktionen präsentieren zu können. Mit Museum, Leica Galerie, Leitz Park Hotel und Leica Store bietet der Leitz-Park eine ideale Kulisse für eine 102 |
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Auktion historischer Kameras. Dennoch schließen wir für die Zukunft auch Auktionen in Wien oder anderen Metropolen nicht aus. Was ist das Besondere an einer Kamera-Auktion? Eine Auktion hat immer etwas Spielerisches und besitzt Erlebnischarakter. Man hat Chancen auf
Warum interessieren sich so viele Sammler gerade für Leica-Produkte? Das ist der Mythos Leica. Der innovative, revolutionäre Geist dieser Kameras ist bis heute einzigartig. Die berühmtesten Fotografen haben ihre Fotos mit Leicas gemacht. Viele ihrer berühmten Bilder sind schon längst ein Teil unserer kollektiven Erinnerung geworden. Vintage-Leicas strahlen Individualität aus, sie sind exklusiv und wertbeständig. Die spektakulären Auktionsrekorde wurden daher nicht umsonst vor allem mit Leica-Kameras erzielt. Der Weltrekord-
preis von 2,4 Millionen Euro macht die Kamera Nr. 122 aus der Leica-Nullserie bis heute zur teuersten Kamera der Welt. Worin besteht die Kunst einer guten Auktion? Eine gute Auktion ergibt sich aus mehreren Faktoren. Essenziell ist eine gute Zusammenstellung und Mischung des Angebots, mit herausragenden Raritäten, die das Potenzial zu tollen Bietergefechten und Ergebnissen besitzen, genauso wie mit günstigeren Losen, damit möglichst alle Interessenten auf ihre Kosten kommen können. Das Wissen der Experten und das Vertrauen in sie spielen eine zentrale Rolle. Seriosität und Diskretion, denn viele Einbringer und Sammler wollen gerne anonym bleiben, sind ebenfalls Voraussetzung. Und nicht zuletzt gehört auch ein guter Auktionator, der das „Spiel“ spannend am Laufen hält, dazu. Der Auktionsmarkt in diesem Segment ist sicherlich ein eingeschworener Kreis. Woher kennen sich Anbieter und Bieter? Woher kennen Sie sie? Zumeist durch langjährigen Kundenkontakt. Man trifft sich auf Veranstaltungen und Börsen, die zum Teil fast schon einen familiären Charakter besitzen. Aber natürlich betreiben wir auch aktiv Kundenakquise, um neue Kontakte zu knüpfen und Sammler für unsere Auktion zu gewinnen. text und interview: david rojkowski & inas fayed
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DIE COOPH PHOTO VEST Leicht, beheizbar, smart: COOPH’s Neuinterpretation der klassischen Fotoweste ist der ideale Begleiter für die Übergangszeit. Die neue COOPH Photo Vest ist genau das richtige für all jene, die den berühmten „Schritt weiter” auf ihrer Jagd nach dem Außergewöhnlichen gehen wollen. Denn wer als Fotograf einen besonderen Moment einfangen möchte, der muss es oft über längere Zeit im Freien aushalten und bei wenig Bewegung niedrigen Temperaturen trotzen. Fotowesten sind seit Jahrzehnten fixer Bestandteil der Garderobe jedes Fotografen. Doch was sie an Funktionalität zu bieten haben, lassen sie leider nur allzu oft an Stil und Ästhetik vermissen. Das COOPH Design Team hat es sich daher zum Ziel gemacht
eine stylische, simple Weste zu entwerfen, die Fotografen bei allen erdenklichen Abenteuern unterstützt. Mit ihren vielen Taschen bietet die praktische COOPH Photo Vest viel Stauraum um Objektive, Brieftasche, Sonnenbrille oder Pass jederzeit griffbereit direkt am Körper zu tragen. Aufgrund der extra leichten Konstruktion ist die platzsparende, mit Schafwolle isolierte Photo Vest besonders leicht zu transportieren und bietet mit ihrer Wende-Funktion die Möglichkeit den eigenen Look ganz nach Lust und Laune zu verändern. Der Clou ist jedoch das integrierte Heizsystem von Thermic, dem global führenden Hersteller für beheizbare Textilien, das für warme Hände in den Seitentaschen und kuschelige Temperaturen im Nieren-, Rücken- und Bauchbereich sorgt. Die COOPH Photo Vest kann mit jedem wiederaufladbaren 5V Akku betrieben werden,
der über eine USB-Schnittstelle verfügt. Für bis zu 5 Stunden wohlige Wärme sorgt man jedoch am besten mit der THERM-IC 5000 mAh Batterie, die im Bundle mit der Photo Vest und dem THERM-IC Bluetooth Adapter erhältlich ist. Ein mit dem THERM-IC Bluetooth Adapter gekoppeltes Smartphone wird im Handumdrehen zum intelligenten Steuerungssystem für die Temperaturkontrolle, erkennt die Bewegungsaktivität und passt die Temperaturen sogar automatisch daran an. So ausgerüstet wird in der Übergangszeit bei jedem Foto-Shooting aus Verdruss ganz schnell Genuss. Lust auf Ihre eigene COOPH Photo Vest bekommen? Na dann los, auf zum store.cooph.com!
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C o o l Du d e „Ich war auf dem Weg zu meinem Leica-Händler in Montreal, als sich mir diese Szene offenbarte: Der Jugendliche sah aus, als posierte er für ein professionelles Shooting, aber es war kein Kamerateam in Sicht. Also drückte ich ab, während er einfach so dastand und sich kaum bewegte.“ Arturo Pianzola Leica M10 mit Summicron-V 1:2/35 mm
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Unter der H au b e „Das Foto ist Teil meines neuen Buchs, für das ich durch tropische Gebiete gereist bin, um die Intimität von Friseursalons einzufangen. Während einer Reise nach Äthiopien brachte mich ein einheimischer Fahrer in entlegene Gebiete von Addis Abeba, wo ich die spannendsten Salons fand.“ Laurent Muschel Leica M240 mit Summilux-M 1:1.4/35 mm Asph
U lt r a Mu s i c F e s t i va l „Das Ultra Music Festival zieht jährlich Zehntausende Besucher nach Miami. Mit meiner Leica CL spazierte ich durch die Umgebung des Festivalgeländes und suchte nach spannenden Motiven. Wegen der Gesichtsausdrücke der beiden Damen zählt dieses Bild zu meinen Favoriten.“ Charles Gandji Leica CL mit Vario Elmar-T 1:3.5-5.6/18-56 mm
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Wearing Pu r p l e „Während ich mich in einem überfüllten Bahnhof in Estoril, Portugal, aufhielt, fielen mir diese Schuhe auf. Ich kam mit der Trägerin ins Gespräch und flunkerte, dass ich diese Schuhe auch sehr gerne hätte – daraufhin erklärte sie sich bereit, sich fotografieren zu lassen.“ Reza Hosseini Leica M9-P mit Summilux-M 1:1.4/50 mm
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Mode ohne Glamour „Das Bild entstand während der Milan Fashion Week und ist Teil meines Reportageprojekts Fashion in Street. Es soll den Fokus weg von den typischen Glamourshots rücken. Damit versuche ich, die 90 Prozent zu zeigen, die unter dem Eisberg namens ‚Modeindustrie‘ stecken.“ Giuseppe Pons Leica M10 mit Summicron-M 1:2/28 mm Asph
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Wa l k i n g S i l h o uE t t e
R e c yc l e d Fa s h i o n
„Ich habe das Foto in einer Hotellobby in Singapur aufgenommen und bin nach den Prinzipien der Street Photography vorgegangen: Während ich den wunderschönen, geometrischen Hintergrund im Auge behielt, wartete ich auf den perfekten Moment.“
„Für mich hat dieses Foto einen sentimentalen Wert, da es eine der letzten Aufnahmen ist, die ich in L. A. gemacht habe, bevor ich nach Japan gezogen bin. Die ‚Kleidung‘ auf dem Foto ist Verpackungsmaterial, das zum Verschiffen von Glas verwendet wird.“
Vadim Krisyan Leica M Monochrom mit Summilux-M 1:1.4/35 mm
John Lou Miles Leica SL mit Vario-Elmarit-SL 1:2.8-4/24-90 mm Asph
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Back in the 30s „Dieses Bild ist in Sydney während eines Werbeshootings entstanden. Das Kleid dieser Frau hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, es schaut aus wie aus den 1930er- oder 1940er-Jahren. Sie passte ideal in das Setting dieser alten Bahnstation.“ Haoming Wang Leica M Monochrom mit Noctilux-M 1:0.95/ 50 mm Asph
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p h oto – b ü ch e r – Au s s t e l l u n g e n – f e s t i va l s – Awa r d s –
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Am 25. Januar 2019 öffnete die erste Leica Galerie auf Taiwan ihre Pforten. Für die Galerie wurde ein traditionelles Haus zu einem „Leica-Haus“ umgebaut, das Platz für die Galerie, den Verkaufsbereich, einen Multifunktionsund einen VIP-Raum bietet. Die erste Ausstellung ist dem Magnum-Fotografen Patrick Zachmann gewidmet, der seit über 40 Jahren mit seinen Leicas durch die Welt reist und in Langzeitprojekten religiöse, ethnische oder soziale Gruppen porträtiert. So beschäftigte er sich zehn Jahre mit seiner jüdischen Identität, über
30 Jahre mit der chinesischen Bevölkerung und derzeit mit Flüchtlingen. In Taipeh sind in erster Linie Aufnahmen aus China, Hongkong und Taiwan zu sehen. Sie stammen aus mehreren Phasen: einerseits die klassischen, 1982 als Auftragsarbeit entstandenen Filmset-Porträts, andererseits die Bilder von den Protesten auf dem Tian’anmenPlatz 1989 und das moderne China aus der Farbserie Chinese Nights. Der französische Fotograf beschäftigte sich intensiv mit der chinesischen Diaspora in verschiedenen Teilen der Welt. 1995 veröffentlichte er dazu das Buch W.
or the Eye of a Long Nose, das augenzwinkernd auf die eigene Perspektive anspielt und nun der Ausstellung in Taipeh ihren Namen gibt. In Taipeh sind jährlich drei bis vier Ausstellungen geplant. Monatliche Veranstaltungen mit internationalen und heimischen Fotografen sowie Workshops der Leica Akademie wird es ebenfalls geben: Eine schönere Location ist kaum vorstellbar. 25. Januar 2019— 31. März 2019, Leica Galerie Taipeh, Songren Road, 28, 110 Taipei City, Taiwan
Pat r i ck Z Ach m a n n : t h e e y e o f a l o n g n o s e
Fotos: © Patrick Zachmann/Magnum Photos
L e i c a G Al e r i e Ta i p e h
In der Leica Galerie Taipeh werden Werke aus Patrick Zachmanns 30-jähriger Auseinandersetzung mit China gezeigt. Dazu gehören Werke aus den Serien So long, China, Chinese Nights und W. or the Eye of a Long Nose über die chinesische Diaspora in aller Welt
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Die neue Leica Galerie London startet am 1. März 2019 mit einer Gruppenausstellung illustrer britischer Fotografen, die die visuelle Sprache der Modefotografie von den 1960er- bis in die 1980er-Jahre maßgeblich prägten. Dass auch sie sich in dieser Zeit weiterentwickelt haben, zeigen die Aufnahmen von Terence Donovan, Brian Duffy, Terry O’Neil und John Swannell deutlich. Von den monochromen, fast grafischen Anfängen bis zu den späteren glamourösen, farbenfrohen Inszenierungen spiegeln die Bilder den Londoner Zeitgeist dieser Jahre wider.
Die in True Glamour/True Grit präsentierten Fotografen veränderten die Titelseiten von Zeitschriften und Zeitungen für immer und brachten ein zeitgenössisches Film-noir-Feeling und eine Portion Furchtlosigkeit mit. Einige, Brian Duffy etwa, fassten später erfolgreich in der Werbung Fuß. Zusammen gehen diese Fotografen als wichtige Künstler in die Geschichte Großbritanniens ein – sie bahnten den Weg für die wahrscheinlich kreativsten Jahrzehnte in der Modefotografie und schufen Bilder, die ihren Reiz bis heute nicht verloren haben.
Schwerpunkte der neuen Leica Galerie in der Duke Street sind die Präsentation und der Verkauf von Arbeiten neuer Talente aus aller Welt und zeitloser Ikonen der Leica-Fotografie. Die nächste Ausstellung ist auch schon geplant: Zur Photo London im Mai werden seltene Werke und Vintage-Prints der Leica-Legende Ralph Gibson, der am 16. Januar seinen 80. Geburtstag feiern konnte, aus den 1960er-Jahren zu sehen und zu erwerben sein. 29. Februar — 26. April 2019, Leica Galerie London, 64-66 Duke Street W1K 6JD, London
True Glamour / True Grit
Im Uhrzeigersinn von links: Brian Duffy, Paulene Stone Colour Gels #3, Town Magazine 1963; John Swannell, Barbara 9, Vogue UK 1970; Brian Duffy, White Coat, Elle 1975; Brian Duffy, Girls with Alphasud Car, Henley On Thames 1974; Brian Duffy, Guinness Factory, Dublin 1962
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Fotos: © John Swannell; © Brian Duffy
L e i c a G Al e r i e L o n d o n
L e i ca G a l e r i e n Ba n gk o k
Porto
Thomas Hoepker: Wanderlust
Robert Nil Reed: Code of Silence
Boston
P r ag
Stella Johnson: ZOI
Kata Sedlak
THA | 10330 Bangkok, 2nd Floor Gaysorn Village, 999 Ploenchit Road 12. Dezember 2018 — 25. März 2019
8. März — 21. April 2019
Frankfurt
Sa l z b u r g
Holger Sà: Eintracht Frankfurt – Eine neue Ära
Emanuele Scorcelletti: Das Glück der Erde …
i s ta n b u l
Bruno Barbey
TUR | 34381 Şişli/İstanbul, Bomontiada – Merkez, A Birahane Sk. No:1 6. März — 15. Mai 2019 Kyoto
Herbie Yamaguchi: Atlas of the Time
JPN | Kyoto, 570–120 Gionmachi Minamigawa, Higashiyama-ku 23. Februar — 23. Mai 2019 Los Angeles
Michael Muller: An Odyssey
USA | West Hollywood, CA 90048, 8783 Beverly Boulevard 28. Februar — 8. April 2019 Ma i l a n d
Aktuelle Ausstellung stand bei Redaktionsschluss nicht fest
TCH | 110 00 Prag 1, Školská 28
AUT | 5020 Salzburg, Gaisbergstr. 12 1. Februar — 6. April 2019 S ã o Pau l o
Aktuelle Ausstellung stand bei Redaktionsschluss nicht fest BRA | 01240–000 São Paulo, Rua Maranhão, 600 Higienópolis Sch l o s s A r e n b e r g
Josef Pausch: Sichtbares und Unsichtbares
AUT | 5020 Salzburg, Arenbergstr. 10 17. November 2018 — Mai 2019 S i n ga p u r
Thomas Hoepker: Wanderlust
SIN | Singapur, Raffles Hotel Arcade, #01-20/21, 328 North Bridge Rd., 188719 7. Dezember 2018 — 5. März 2019 Tokio
Leslie Kee: Bookish
JPN | Tokio, 6-4-1 Ginza, Chuo-ku 7. Februar — 14. Mai 2019
ITA | 20121 Mailand, Via Mengoni 4
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ME l b o u r n e
Sonia Szóstak: Fortune Teller Told Me
Manfred Baumann: The Collection AUS | Melbourne, VIC 3000, Level 1 St Collins Lane, 260 Collins Street 7. Februar — 1. Mai 2019 NRW
Lars Beusker: Maasai Land
GER | 59302 Oelde-Stromberg, Mies-van-der-Rohe-Weg 1 6. Oktober 2018 — 30. März 2019 Nürnberg
Michael Fackelmann: Don’t Stop the Dance
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manfred willmann
Der Österreicher bricht mit einer idyllischen Darstellung des Landlebens und hält alltägliche Szenen aus seinem Lebensumfeld in Graz und der ländlichen Südsteiermark fest. Mit sechs Werkgruppen widmet die Albertina dem Fotografen eine umfassende monografische Ausstellung.
F o o d f o r yo u r e y e s
8. Feb. — 26. Mai 2019; Foto: Manfred Willmann: Ohne Titel, aus der Serie Die Welt ist schön, 1981–1983
K u n s t h a ll e , E r f u r t
Das Ablichten von Speisen zählt zu den großen Herausforderungen in der kommerziellen Fotografie. Das Auge isst mit. Und so wirken auch manche Kochbücher beinahe wie Kunstwerke. Ähnlich der Modefotografie geht es heute in der Foodfotografie nicht mehr nur um eine kommerzielle Abwicklung. Essen ist Kunst, also faszinieren auch den Fotografen künstlerische Aspekte, unerwartete Ansichten und abstrakte Details von Essen und Lebensmitteln. Der deutsche Foodfotograf Günter Beer hat diesem Genre ein eigenes Festival gewidmet: Das alle zwei Jahre stattfindende Food Photo Festival in Vejle, Dänemark, ist Treffpunkt der besten Foodfotografen und -stylisten, Artdirektoren, Kochbuchautoren und Foodjournalisten. Es vereint Vorträge, Konferenzen, Workshops und Ausstellungen. Zur Food Photo Festival Biennale lud Beer 2017 über 200 Foodfotografen aus 26 Ländern zu einer großen Werkschau ein. Aus den Präsentationen dort ist nun die Ausstellung Food for your eyes – Internationale Food-Fotografie heute entstanden, die die Kunsthalle Erfurt zeigt. Kuratiert von Günter Beer selbst, umfasst die Schau Arbeiten von 18 Fotografen, darunter auch Arbeiten der US-amerikanischen Fotografin Carmen Troesser. Sie gewann vor zwei Jahren den Foodphoto-Preis mit einer einfachen, minimalistischen Aufnahme von einem rohen Stück Fleisch, das in einer Stahlkiste im Wasser schwimmt. Die Aufnahme trägt den poetischen Titel Der Tau. 20. Januar — 31. März 2019, Foto: Michael Crichton & Leigh MacMillan: Breakfast in America
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Lau r e n G r e e n f i e l d D e i c h t o r h a ll e n , H a m b u r g
Nicht die Reichen sind Thema der Schau, sondern der Wunsch, um jeden Preis reich zu sein. Generation Wealth vereint über 150 Fotografien aus den USA bis Russland und zeigt das allgegenwärtige Streben nach Status, Schönheit, Prominenz und Geld. 30. März — 23. Juni 2019; Foto: Lauren Greenfield, Jackie, 41, und Freundinnen mit Versace-Handtaschen im Versace Store, Beverly Hills, 2007
J oach i m B r o h m A l e c S ot h NRW- Fo r u m , DÜss e l d o r f
Zwei Fotografen, zwei Flüsse: In einer Weltpremiere zeigt die Ausstellung Two Rivers Werke aus zehn Serien des deutschen Künstlers und des amerikanischen Dokumentaristen. Im Mittelpunkt der Schau stehen Alec Soth’ berühmte Serie Sleeping by the Mississippi und Joachim Brohms Reihe Ruhr. In beiden Serien porträtieren die Künstler Menschen an der Peripherie des Flusses, der ungeachtet der räumlichen Trennung,
das gemeinsame Leitbild der Fotografen und ihrer Protagonisten ist. Brohm und Soth verbindet der sensible Blick, mit dem sie ihre Umgebung wahrnehmen und festhalten. 29. März — 7. Juli 2019; Fotos: Alec Soth, Charles, Vasa, Minnesota; Joachim Brohm: Essen, 1982
Fotos: © Michael Crichton; © Manfred Willmann; © Lauren Greenfield/Institute; © Alec Soth/Magnum Photos; © Joachim Brohm/ G Bild-Kunst, Bonn 2018; © Frank Horvat, courtesy In Camera Galerie; Marino Parisotto, courtesy the artist; © Jean-Daniel Lorieux, courtesy the artist; © The Guy Bourdin Estate 2018, courtesy Louise Alexander Gallery & Chaussee 36; © Ellen von Unwerth, courtesy the artist
Al b e r t i n a , W i e n
Wo m e n o n V i e w C h a u ss e e 3 6 , B e r l i n
Sex sells, so die häufig vertretene Meinung in der Werbung, wenn das Produkt nur Beiwerk und die leicht bekleidete Dame ein strategisches Mittel ist. Kaufen, kaufen, kaufen! Nackte Körper gehören zur medialen Dauerware. Die Gruppenausstellung Women on View. Eine Ästhetik des Begehrens in der Werbung thematisiert die Erotisierung des weiblichen Körpers in der Werbefotografie – angefangen bei der frühen Produktreklame der 1940er-Jahre bis hin zu zeitgenössischen Positionen. Präsentiert werden Plakate und Fotografien von Künstlern wie Frank Horvath, Guy Bourdin, Horst P. Horst, Irving Penn, Ellen von Unwerth oder Herb Ritts. „Einerseits zeigt die Ausstellung verschiedene Darstellungsweisen der Frau in der Werbung“, teilt die Galerie Chaussee 36 mit. „Andererseits hinterfragt sie die wechselseitigen Einflüsse der modischen und kommerziellen Fotografie bei der Schaffung ästhetischer Standards.“ So erzählt Women on View nicht nur eine Geschichte über Rollenbilder, Schönheitsideal und Sexualisierung, sondern auch über die Entwicklung der Werbefotografie zur vollendeten Kunstform. 2. Feb. — 27. April 2019; Fotos: Frank Horvat: Chantelle Lingerie, Paris, 1958 (oben); Marino Parisotto, La Perla, 1998; Jean-Daniel Lorieux: Bridgeston Calender, Tunisia, 1985; Guy Bourdin: Charles Jourdan, French Vogue, Jan. 1980; Ellen von Unwerth: Absolut Vodka, New York, 2009 (unten, von links)
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J OS H UA D U DLEY G REER
Ein Roadtrip durch die USA: Von Mai 2011 bis Oktober 2017 hat der USamerikanische Fotograf (*1980) einem amerikanischen Mythos nachgespürt. Fast beiläufig fand er Bildmotive, die davon berichten. Das kollektive Bewusstsein über die Landschaften seiner Heimat ist durch die vielen Vorbilder aus Geschichte, Literatur und Film geprägt. Die Weite, die Freiheit, das Abenteuer: Um die USA zu verstehen, muss man sich ins Auto setzen und das Land erfahren. Doch Greers Ausbeute ist ernüchternd, denn es sind keine großartigen Landschaftsszenarien, 120 |
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die er zeigt. Bei ihm sind es meist banale, oft heruntergekommene Gegenden, Ausfallstraßen mit der Tristesse der Zwischenzonen in Vorstädten, öde Verkehrsschneisen im Nirgendwo. Auch die wenigen Menschen, die in seinen Bildern auftauchen, scheinen eher gestrandet als unterwegs zu sein wie die Familie in Barstow, Kalifornien (oben). Und doch kann man sich der Faszination dieser Bilder nicht entziehen. Fast vier Millionen Meilen Straße durchziehen das Land, haben es wie keine andere Infrastruktur geformt. Das Versprechen von Mobilität und
die Inbesitznahme des Landes durch die Straße prägen nicht nur das Selbstverständnis der USA, sondern auch, wie die Landschaft zwischen den Städten erlebt werden kann. In dem durch eine Kickstarter-Kampagne ermöglichten Projekt hat der Fotograf dafür ein spannendes Kaleidoskop unterschiedlicher Bilder gefunden. Manchmal kurios erzählend, manchmal erschreckend verwahrlost und doch überraschend vielfältig. 144 Seiten, 62 Farbabbildungen, englisch, 34 × 27 cm, Kehrer
Foto: Joshua Dudley Greer
so m e w h e r e a lo n g t h e l i n e
A l e xa Vach o n Rise
La i a A b r i l
Fotos: © Laia Abril; © Alexa Vachon; © Vivian Maier: John Maloof und Howard Greenberg/courtesy Schirmer/Mosel; © Annie Leibovitz
On abortion
Die spanische Künstlerin und Fotografin (*1986) hat mit ihrem Bildband eine überzeugend informative und gleichzeitig sensible Form gefunden, das Thema Folgen von Abtreibungen zu untersuchen. Zusammen mit dem Gestalter Ramon Pez hat Abril ihre Fotografien mit Texten und Bildmotiven aus unterschiedlichen Quellen ergänzt. So dokumentiert sie eindrücklich die Gefahren, die für Frauen durch den Mangel an legalem, sicherem und freiem Zugang zur Abtreibung entstehen. Heute gibt es zwar sichere und effiziente Mittel zur Abtreibung, doch viele Frauen sind gezwungen, weiterhin alte, illegale oder riskante Methoden anzuwenden. Jedes Jahr sterben weltweit 47 000 Frauen an verpfuschten Abtreibungen. Das Buch berührt Fragen der Ethik und der Moral, befragt dabei soziale Bedingungen und lenkt den Blick auf Stigmata und Tabus, die das Thema Abtreibung weitgehend unsichtbar machen. Über Abtreibung und die Folgen des fehlenden Zugangs, so der vollständige Titel, ist der erste Teil von Abrils Langzeitprojekt zur Geschichte der Misogynie. Erstmals 2016 auf den Rencontres in Arles präsentiert und mit dem Prix de la Photo Madame Figaro und dem Fotopress-Stipendium ausgezeichnet, gehört dieses forschungsbasierte Buch heute zu den gefeierten Neuerscheinungen der letzten Zeit: So gewann es u. a. den Paris Photo-Aperture First Book Award, wurde für das Kassel PhotoBook Festival und den Photo España Best Book Award nominiert. 196 Seiten, 114 Farb- und Duotone-Abbildungen, englisch, 24,5 × 18,8 cm, Dewi Lewis Publishing
Die in Berlin lebende kanadische Fotografin porträtiert Frauen der „Champions ohne Grenzen“, Fußballerinnen mit Migrationshintergrund. Die Fußballleidenschaft, die in Berlin frei ausgelebt werden kann, ist in vielen Ländern ein Tabu und bedeutet Gefahr. Zwei Jahre begleitete Vachon das Team und den Prozess der öffentlichen Wahrnehmung. 272 S., Farb- und Schwarzweißabb., engl./dt., 17,5 × 23,5 cm, Selbstverlag
V i v i a n Ma i e r DIE FARB P H O T O G RA P HIEN
Das Werk der US-amerikanischen Fotografin (1926–2009) wurde zufällig entdeckt; posthum wurde sie zu einer der großen Vertreterinnen der Street Photography. Stand bisher das Schwarzweißwerk im Vordergrund, werden jetzt ihre Farbaufnahmen gewürdigt, die meist mit einer Leica entstanden. Die Einführung schrieb Joel Meyerowitz. 240 Seiten, 153 Farbabb., deutsch, 26,9 × 32,3 cm, Schirmer/Mosel
A n n i e L e i b ov i tz T h e E a r ly Y e a r s , 1 9 7 0 – 1 9 8 3
Sie fotografiert seit rund 50 Jahren und gehört zu den bekanntesten Fotografinnen unserer Zeit. Ihre ausdrucksstarken Porträts von Stars, Sportlern oder Politikern haben oft Geschichte geschrieben und sind in das popkulturelle Gedächtnis eingeflossen. Viele Motive von Annie Leibovitz (*1949) sind „so ikonisch geworden, dass mancher schon vergessen hat, wem wir sie verdanken“, so der Online-Kunsthändler Artnet. Der neue Bildband
erinnert an ihre Anfänge, als Leibovitz noch Kunst studierte und eher zufällig zur Fotografie fand, dann aber schnell anfing, für den Rolling Stone zu arbeiten. Heute ist ihr Frühwerk zugleich auch das Porträt einer bewegten Ära. 180 Seiten, englisch/deutsch/französisch, 21,6 × 27 cm, Taschen
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„ J e d e Z e i t hat i h r e Mög l i chk e i t e n .“ i n t e rv i e w
Fotos: © Nachlass Germaine Krull, Museum Folkwang Essen; © Marge Monko
Seit Juni 2018 leitet Thomas Seelig die Fotografische Sammlung im Museum Folkwang in Essen. Wir sprachen mit ihm über die neue Aufgabe, seine Pläne, die Präsentation von Werken und seinen Blick auf die Fotografie.
Die Fotografische Sammlung wurde 1978 als eigenständige Abteilung im Museum Folkwang eingerichtet. Sie umfasst heute rund 65 000 Objekte und gehört zu den bedeutendsten Fotografiesammlungen in Deutschland. Als Leiter der Abteilung folgte Thomas Seelig Florian Ebner, der an das Pariser Centre Pompidou wechselte. Seelig war zuvor am Fotomuseum Winterthur tätig. LFI: In welcher Weise unterscheiden
sich das Fotomuseum Winterthur und die Fotografische Sammlung im Museum Folkwang? THomas Seelig: Einer der größten Unterschiede im Museum Folkwang ist die unmittelbare Nachbarschaft zu anderen Gattungen der Kunst, die es in einem Museum, das ausschließlich der Fotografie gewidmet ist, nicht gibt. Die Sammlungen, und vielleicht auch die Ausstellungsprogramme, leiten sich aus den jeweiligen Gründungsideen ab. Im Museum Folkwang schreibt
sich die Geschichte fort, die Otto Steinert bereits Anfang der 1960-Jahre begann, als er für die damalige Folkwangschule eine recht breite Schausammlung mit Originalfotografien zusammenstellte. Nach seinem Tod ging daraus 1978 die Fotografische Sammlung hervor, die in den folgenden Jahren von Ute Eskildsen und später von Florian Ebner erfolgreich etabliert und weiterentwickelt wurde. Jede Zeit hat ihre Möglichkeiten und so freue ich mich, die Sammlung in diesem Sinne weiter ausbauen zu können. LFI: Welche Sammlungsbestände interessieren Sie dabei besonders? Seelig: Ich entdecke gerade die umfangreichen Konvolute und Nachlässe, wie beispielsweise von Germaine Krull oder Aenne Biermann, die den größten Teil der 65 000 Objekte der Fotografischen Sammlung ausmachen. Dabei versuche ich die Entstehungsgeschichte zu verinnerlichen, die ich zu lesen beginne, indem ich die Zugänge von heute in die Vergangenheit zurückverfolge. Aktuell beschäftigen mich Neuerwerbungen, die das Haus im Nachklang der Ausstellung Das rebellische Bild getätigt hat. →
Oben: Marge Monko, WoW (Women of the World), 2018 (Video, 3-D-Animation, 16:32 min). Die estnische Künstlerin thematisiert die Beziehungen von Kunst und Design; links: Germaine Krull, deren Nachlass das Museum Folkwang pflegt, Porträt Jean Cocteaus (1929)
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experimentellen Formaten wie 6 ½ Wochen, die auf 30 Quadratmetern stattfinden, über den Studienraum, der von Wissenschaftlern für ihre Forschungen an Originalabzügen genutzt wird, bis zu Ausstellungen in der großen Halle, in der fast 2000 Quadratmeter zur Verfügung stehen.
Bildautorinnen und -autoren aus der Region, die vor gut 30 Jahren in Ausstellungen wie Reste des Authentischen zu sehen waren, und die mich nachhaltig geprägt haben, konnten erst heute erworben werden. Es ist aus meiner Sicht schon sehr bemerkenswert, wie durch das Museum Folkwang, die Folkwang Universität der Künste, das Ruhrmuseum, aber auch durch das Engagement der Alfried von Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, in Essen über Jahrzehnte hinweg eine breite und lebendige fotografische Kultur gepflegt wurde.
Unten: Marge Monko, Ten Past Ten 5, 2015, aus der aktuellen Ausstellung Diamonds Against Stones; oben: Installationsansicht der Ausstellung Project Iceworm, 2018, von Anastasia Mityukova in der Reihe 6 ½ Wochen, Museum Folkwang, Essen
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LFI: Wie möchten Sie das Verhältnis von historischen und zeitgenössischen Positionen austarieren? Seelig: Unsere Sammlung mit Schwerpunkten in den 1920er- und 30er-, den 1950er-Jahren und der Gegenwart lädt in idealer Weise dazu ein, sowohl historische wie zeitgenössische Positionen zu präsentieren. Wir möchten diese Positionen nicht gegeneinander ausspielen, sondern in spannende Dialogsituationen bringen. Das Museum Folkwang hat dafür unterschiedliche Präsentationsflächen, von kleinen
LFI: Gab es rückblickend eine besondere Initialzündung für Ihr Interesse an dem Medium Fotografie? Seelig: Ursprünglich war mein Berufswunsch, Bildjournalist zu werden. Ich habe dann relativ schnell lernen müssen, dass die Chancen, seine Fotografien auch zu veröffentlichen, mehr und mehr schrumpften. Ein Praktikum bei Aperture in New York City hat mir dann ein wenig den Weg gewiesen, indem ich die Vielzahl der Akteure und die Vielfalt der angewandten und künstlerischen Ausdrucksformen in der Fotografie kennenlernen durfte. Manchmal passierte das eher ungewollt. Eines Abends wollte ich beispielsweise mit meinen Kollegen in der Armory einen Vortrag zur Postmodern Photography besuchen. Wir merkten bei der Ankunft schnell, dass wir die Jüngsten im Raum waren. Als der Vortrag von Dr. Stanley Burns begann, realisierten wir, dass er ein ausgewiesener Spezialist der PostmortemFotografie war. Diese fotografische Begegnung war damals eher dem Zufall geschuldet, hat meine Neugier
Fotos: © Marge Monko; © ECAL/Anastasia Mityukova
„W i r g e h e n au f d i e s i ch v e rä n d e r n d e n Au s d r uck s f o r m e n e i n . “
LFI: Was sind Ihre eigenen Vorlieben in der Fotografie? Welche Fotografen oder Epochen schätzen Sie besonders? Seelig: Während meines Studiums Anfang der 1990er-Jahre habe ich mich intensiv mit den damals aktuellen Positionen der Pictures Generation auseinandergesetzt. Ihr reflektierender Umgang mit den Gebrauchsweisen von Fotografie und der dahinterstehenden Rhetorik der Bilder, den Kontexten ihrer Entstehung, hat mich nachhaltig geprägt und in vielen meiner Ausstellungsprojekte begleitet. Mit dieser Perspektive schaue ich auch heute auf historische wie zeitgenössische Positionen, auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
an den unterschiedlichsten Ausdruckformen aber sicherlich bestärkt. LFI: Haben Sie eine Idealvorstellung zur Präsentation von Fotografie? Seelig: Aus meiner Sicht sollte Fotografie im Museum auf verschiedene Weisen sichtbar werden. Die Begegnung mit Originalfotografien des 19., 20. und 21. Jahrhunderts kann in klassischer Form als Ausstellung inszeniert werden, aber auch in Präsentationen, in denen Bildautoren, Spezialisten und Wissenschaftler die Fotografien zur Hand nehmen und sie einer kleinen Gruppe von Interessierten zugänglich machen. In beiden Situationen ist die Begegnung mit der Materialität entscheidend. Sie erlaubt ein unmittelbares, manchmal fast haptisches Erlebnis des Werks, das in digitaler Form so natürlich nicht möglich ist. Und doch kann die Digitalisierung der Bestände heute eine andere Form des Zeigens und des Zugangs sein.
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LFI: Wie gehen Sie insbesondere mit neuen Präsentationsformen um? Seelig: Es ist unsere Aufgabe, in den Ausstellungen und bei Ideen für die Sammlung auf die sich verändernden Ausdrucksformen der Bildautorinnen und -autoren einzugehen. Die Digitalisierung führt dazu, dass Werke nicht mehr gezwungenermaßen nur eine verbindliche Form haben müssen, sondern in verschiedenen Zuständen gezeigt und damit auch gesammelt werden können. Ich begreife diese Veränderungen eher als Herausforderung und nicht als Hindernis. Durch fachliche Expertise kommt uns da zukünftig als best practice vielleicht eine besondere Rolle zu. Interview: ulrich rüter
Th o m as s EE l i g 1964 in Köln geboren. Er ist Leiter der Fotografischen Sammlung am Museum Folkwang in Essen. Von 2003 bis 2018 war er als Kurator und Sammlungskurator für das Fotomuseum Winterthur in der Schweiz tätig, 2013 bis 2016 als Co-Direktor und bis Ende 2017 als Direktor ad interim. Aus st e l lu n g : Marge Monko: Diamonds
Against Stones, 22. Februar bis 5. Mai 2019; www.museum-folkwang.de
j e tz t B e st e lle n:
l f i - onl i ne. d e/Sho p
L e i c a Fo t og r a f i e I n t e r n at i o n a l
C l a ra Va n n ucc i mein Bild
Als die Fotografin nach einer langen Reise durchs Nirgendwo die verlassene Bergbausiedlung Pyramiden auf Spitzbergen erreichte, schien die Zeit still zu stehen.
71. Jahrgang | Ausgabe 2 . 2019
LFI PHOTOGR A PHIE GMBH Springeltwiete 4, 20095 Hamburg Telefon: 0 40/2 26 21 12 80 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 ISSN: 0937-3969 www.lfi-online.de, mail@lfi-online.de Chefredaktion Inas Fayed A rt Direction Brigitte Schaller REDA KTION Michael J. Hußmann, Denise Klink, Bernd Luxa, Danilo Rößger, David Rojkowski bildredaktion Carol Körting layout Thorsten Kirchhoff MITA RBEITER DIESER AUSGA BE Carla Susanne Erdmann, Katja Hübner, Ulrich Rüter, Holger Sparr, Katrin Ullmann Geschäftsführung Steffen Keil A nzeigenleitung & M arketing Kirstin Ahrndt-Buchholz, Samira Holtorf Telefon: 0 40/2 26 21 12 72 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 E-Mail: buchholz@lfi-online.de holtorf@lfi-online.de Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 47 vom 1.1.2019
Pyramiden, Spitzbergen, 2017
Die ehemalige Bergarbeitersiedlung Pyramiden in Spitzbergen erreichte ich nach einer langen Schifffahrt durchs Nirgendwo. Es war eine Reise durch eine Eiswüste. Als ich zum ersten Mal wieder Boden unter meinen Füßen spürte, bemerkte ich schnell, dass es kein Boden war, sondern Eis. In der Geisterstadt Pyramiden leben sechs Menschen, die in dem einzigen Hotel arbeiten. Ein Eisbär war dort vor Kurzem zu Gast, er enterte die Bar und spielte mit den Wodkaflaschen. Genauso faszinierend wie die leerstehende Sowjetarchitektur dort ist die umwerfende, makellose Polarlandschaft, die sie umgibt. Mein Besuch in Pyramiden war wie eine Zeitreise. Seit der Schließung der letzten Kohlengrube im Jahr 1998 ist die Stadt verlassen. Allein die Spuren von sowjetischer Kultur, Architektur und Politik sind dort noch sichtbar – von der Blockbauweise bis zur Leninstatue. Clara Vannucci, 1985 in Italien geboren, studierte Architektur, bevor sie sich der Fotografie widmete. Neben ihrer Tätigkeit als Fotografin für internationale Publikationen arbeitet sie als Dozentin für Fotografie im Hochsicherheitsgefängnis in Mailand.
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