2 Giblinge / 2 Talente / freiwillige Spende
DAS UNABHÄNGIGE HAFENJOURNAL N°¯ 5
HERBST 2016
ÜBER_ FLIEGER
Lokales: LUST-AU, NEO-AU, Segelflugplatz / Kein Festival: Über_Flieger Die Flugunfähigen / Harbourium: Fläche als Verhandlungstisch
Impressum TREIB.GUT HERAUSGEBER:
SCHWEMMLAND Lebensräume eröffnen, vermitteln und bewahren. Estermannstr. 11 A-4020 Linz Gemeinnütziger Verein ZVR-Zahl: 849761266 Spenden an: IBAN: AT811500000751093030 BIC: OBKLAT2L VERLEGER: Christoph Wiesmayr Kandlerweg 6 A-4040 Linz
TITELSEITE: Photo: Christoph Wiesmayr SCHLUSSREDAKTION: Christoph Wiesmayr
CHEFREDAKTION: Christoph Wiesmayr
DRUCK: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH
ILLUSTRATIONEN: Hannah Kordes hnah.de
KONTAKT: SCHWEMMLAND-Zentrale Estermannstr. 11, A-4020 Linz schwemmland.net info@schwemmland.net
LAYOUT+SATZ: Daniela Waser cargocollective.com/ddd PHOTOGRAPHIE: Florian Voggeneder http://www.voggeneder.net DIE BUGSEITE: Videostill: Bernhard Pusch
VIELEN DANK AN: Diese Ausgabe wurde durch Sonderförderung Linz-Impuls 2015 unterstützt. Segelflugvereine Linz-Ost. OFFENLEGUNG: Offenlegung nach §24 Medienrecht. TREIB.GUT ist ein unabhängiges Hafenmagazin für subversive Stadtentwicklung mit regionalen und internationalen Beiträgen.
Editorial
Der Linzer Osten ist geprägt durch starke Landschaftsveränderung seit dem zweiten Weltkrieg. Einst Überschwemmungsgebiet der Donau und landwirtschaftlich geprägt, schlägt hier heute das Herz der Stahlstadt mit dem Winterhafen im nördlichen und dem Ölhafen der VOEST-Alpine im südlich angrenzenden Stadtgebiet. Fortschritt braucht Raum – der heutzutage an seine Grenzen (s. Hafenverlandung) stößt.
„Was wollt ihr da unten? … Da ist ja nichts!„1 Einige Köpfe der Stadt machen sich erste Gedanken, wie und ob der Segelflugplatz Linz-Ost trotz Grünraumnutzung bebaut werden könnte. Wohl nur eine Frage der Zeit bis es soweit ist. Was ist uns Freiraum wert? Wo liegt der Wert? Muss die Stadt total verbaut werden? Was wird uns fehlen wenn der Freiraum nicht mehr da ist? (s. Interview A. Reiter). Muss denn alles dem torkelnden Wirtschaftsmonster zum Fraß vorgeworfen werden? Es sind heute kaum mehr Freiräume im Linzer Osten, der ehemaligen Lustenau, zu finden. Hält man Freiraum in Zeiten von Immobilienblasen innerstädtisch eigentlich noch aus? Und wer sagt, wann es genug ist? Wäre das nur ein Tropfen auf dem heissen Stein um die SWAP-Schulden zu begleichen? Was gibts da schon zu verlieren? – Da ist ja eh nichts! Ja, und vielleicht gehts hier genau um dieses NICHTS und um die Luft die wir atmen, die Atmosphäre und die Thermik rundherum, welche Vögel oder die Segelclubs am Tankhafen (s. Interview H. Kopececk) nutzen, um sich in die Höhe zu schrauben. Auch gejagt wird hier, weil die Neo-Au rund um den Segelflugplatz eine ungeahnt breite Vielfalt an Arten Preis gibt. Viele zieht es hier her, um am Damm zu spazieren, den Segelfliegern zuzusehen und kurz mal von der Stadt abzuschalten, durchschnaufen zu können – auch wenn hin und wieder die Chemieluft steif entgegenbläst. NA UND? Man kann sich hier in die Wiese legen, das Heu riechen und Wildkräuter sammeln, mitten im Industriegebiet, in der NEO-AU. Welche Qualität hat dieser gezähmt-wild anmutende Freiraum in der Stadt? Ein Naherholungsgebiet mit Qualmwassergraben mit ca. 30 ha Freifläche. Diese Qualitäten am Stadtrand wären hier unwiederbringlich. Dem Kulturprojekt Über_Flieger ist diese Ausgabe gewidmet.
Wildkräuterwanderung mit Gabriele Peham, Verein Schwemmland
Und wenn schon bebaut werden sollte – wie soll das ablaufen? Die große Schwester und Parallele „Berlin Tempelhof“ mit ca. 90 ha Fläche könnte da eine Richtung vorgeben. Hier werden seit Jahren genau jene Themen ausgefochten, die auch am Segelflugfeld in Linz bald Thema sein könnten. Viel Spass beim Lesen dieser Ausgabe! & Treib.Gut lentos benthos
Peter Androsch, im Sommer 2009. Vor privater Akustikwanderung (im Zuge der Diplomarbeit von Wiesmayr-Gilli) ins Hafenviertel mit Raymond Murray Schafer, (kanadischer Soundscapespionier) und Justin Winkler (Geograph).
1
TREIB.GUT MAGAZIN #5
3
Luftaufnahme Segelflugplatz Linz-Ost; Photo: Bernhard Stadlbauer
Inhalt TREIB.GUT MAGAZIN #5
6
Lokales – Lustenau Interview mit Alois Reiter, „Schneller Fuß“ in der Lustenau
6
12
Segelflugplatz – Polderlandschaft Intro von Christoph Wiesmayr Interview mit Harald Kopececk
13 17
Die Bug-Seite rurban papergano, Christoph Wiesmayr, Videostill: Bernhard Pusch
24 25 &
26
Kein Festival – Über_Flieger Intro von Christoph Wiesmayr 27 Repräsentanz, Tanja Brandmayr + Pamela Neuwirth 28 Flugversuch, Tanja Brandmayr 30 Orakel, Tanja Brandmayr + Pamela Neuwirth 32 the rurban papergano, Christoph Wiesmayr 34 Satellitenkonzert, ESC-Labor Graz 36 Seeds On Soil, Simone Schwaiger + Melanie Leitner 38 Abflug: Asphaltbiest, Tanja Brandmayr + Christoph Wiesmayr Die Flugunfähigen
40
41
Harbourium Industriegebiet, Segelflugplatz, Fläche als Verhandlungstisch Tanja Brandmayr; Gekritzel von Hannah Kordes
Stadtbild-Hafen Ehemaliges Zollamtsgebäude in der Schiffswerft am Winterhafen, Photo: Florian Voggeneder
42 47
Blick auf den Hollaberergraben mit Pfenningberg im Hintergrund, 1952; heute Industrie- und Gewerbegebiet
6
Zeitzeuge Alois Reiter
Biogärtner, Akkordeonist, Dichter, im Gespräch mit Christoph Wiesmayr. Zeitraum 7/2014 bis 8/2016
„Schneller Fuß“ in der Lustenau Am 16. Mai 1933 wurde Alois Reiter in Linz geboren. Sein Elternhaus im Linzer Hafenviertel wurde 1956 abgebrochen. Danach wohnte er acht Jahre in ärmlichen Verhältnissen einer Wehrmachtbaracke. Das Akkordeon wurde zu einem unverzichtbaren, hilfreichen Wegebegleiter, schon in frühen Jahren, aber auch später, als Alois Reiter - als Musiklehrer - damit sein Geld verdienen sollte. Eine Kindheit im Zweiten Weltkrieg, mit Bombenangriffen und langen Stunden im Luftschutzkeller.
Alois Reiter mit Akkordeon am Hollabererhof – Gelbes Haus im Sommer 2016, Photo: Franz Lahmer
Alois Reiter arbeitet - nach dem Konkurs des väterlichen Betriebs als Brotausführer für eine Bäckerei. Er heiratet, ein erstes Kind ist unterwegs, er muss zusätzlich Geld verdienen. Wieder erweist sich das Akkordeon als hilfreich - er spielt in Nachtbars, hat Auftritte mit einem Trio. Er arbeitet als technische Hilfskraft im Linzer Stadtmuseum, ist dort in der Werkstatt für Restaurierungen tätig. Schließlich macht er die Musik zu seinem Hauptberuf.
kleinen Gemeinde nahe Rohrbach biologischen Gemüse- und Obstbau. Alois Reiter gilt heute als Spezialist für die Erzeugung von Kompost. Neben der Handarbeit ist ihm auch die Kopfarbeit wichtig. Alois Reiter hat zahlreiche Polemiken, Gedichte und Geschichten geschrieben, die in mehreren Büchern veröffentlicht wurden.
Nach einem Studium am Brucknerkonservatorium in Linz und sechs Semestern Akkordeon und Blockflöte an der Hochschule in Wien arbeitet er zunächst als Musiklehrer an der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz, daneben unterrichtet er an der Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik. Alois Reiter und seine Frau Hildegard haben Ende der 1970er Jahre die Stadt verlassen und sind aufs Land gezogen um - auch beruflich ganz neu anzufangen. Sie betreiben nun im Mühlviertel - in einer
C.W.: Herr Reiter; sie sind im Hafenviertel, in der ehemaligen Lustenau aufgewachsen. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
IM INTERVIEW
A.R.: Ich bin am Reiterhof (ehem. Stiegl-Michl) in der Lustenau aufgewachsen. Der Reiterhof war Wohnhaus und Sitz des Fuhrunternehmens meines Vaters. Nachdem das Haus 1927 abgebrannt war, wurde es wieder errichtet. Unser Haus war nicht versichert und ging in den Besitz der Stadt Linz über.
TREIB.GUT MAGAZIN #5
Das Fuhrunternehmen meines Vaters florierte in den Jahren des „Aufschwungs“ der NS-Zeit durch Schottertransport für den Ausbau der Stadt. Von Pferdefuhrwerk wurde auf Maschinen umgestellt. Jedoch ging die Firma eines Tages, 1954 in Konkurs. Die Landschaft, nahe der Donau, war naturbelassen und für meine Ausflüge mit dem Wolfshund „Bitzi“ bestens geeignet. Allerdings wäre mir (dreijährig) der Donaustrom beinahe zum letalen Verhängnis geworden. Meine Mutter war mit meinem Onkel und mit einem Arbeiter mit Schotteraufladen beschäftigt, während ich vorerst am Strand mit Steinchen spielte, dann aber ins fließende Wasser geriet. Ich trieb in Richtung Schwarzes Meer, als mich Mutter doch noch herausholte. Ein zufällig anwesender Badegast leistete Erste Hilfe, doch der Lastwagen, damals noch mit Kurbel zu starten, wollte nicht anspringen. -Dann endlich! - Doch wir kamen nicht weit, das
7
Benzin war ausgegangen. Ein vorbeikommender Ringbrotwagen brachte mich ins Kinderspital.
wieder nach Hause. Sie schenkten mir eine Schachtel Bananen, Zigaretten, Schokolade, Konserven… Für mich so viel, dass ich einige Päckchen Zigaretten verschenkte. Auch Zuhause war ich plötzlich eine „angesehene“ Person.
1940 kam es von mir unbemerkt zur Scheidung meiner Eltern. Umsomehr traf mich Mutters Abgang, über Nacht, ohne Abschied. Als eine Art Mutter- Ersatz blieb mir das Akkordeon, Weihnachtsgeschenk 1939, während mein Vater als Sanitätsfahrer im Polenfeldzug diente und nun als Fuhrunternehmer (Spediteur) freigestellt war. Leider für mein Aufkommen gänzlich überfordert, kam ich vom Regen in die Traufe, als er im Oktober 1942 wieder heiratete, denn die Stiefmutter konnte mich nicht annehmen. Da blieb wieder nur das Akkordeon. Feinhörige vernehmen noch heute, nach einem Dreiviertel Jahrhundert, den melancholischen Einschlag meiner Musik. C.W.: wo sind Sie zur Schule gegangen? A.R.: Ich ging im Posthof 1939 in die Volksschule. Der Posthof war damals Schule und Armenhaus zugleich. Ich erinnere mich da noch an eine Aussage meiner Lehrerin: „Schauen sie sich diesen Reiter an, wie der schön grüßen kann“. Mein Vater war Nazi und war in der Familie stets darauf bedacht, wie man den Hitlergruß richtig ausführen muß. C.W.: Wie war Ihre Kindheit im Zweiten Weltkrieg, mit Bombenangriffen und langen Stunden im Luftschutzkeller. A.R.: Gegenüber vom Prielmayrhof gab es einen Luftschutzbunker, der als bombensicher galt. Als in der Nähe eine Bombe hochging, fiel aus einer Ablage ein Stahlhelm auf meine linke Schulter, draussen brannte eine Baracke… Ab 1944 waren wohl alle Menschen verängstigt und an Parolen wie: „ …in der Oberdonau wird stehen geblieben“ glaubten nur mehr Fanatisierte. Eine bedrückende Stimmung breitete sich aus, „Fremdarbeiterinnen“ steckten die Köpfe zusammen.
8
C.W.: Wie lange haben Sie zuhause gewohnt? A.R.: Bis 1956. Nach dem Abbruch unseres Hauses 1956, wegen Bau eines Bahngleises, war ich quasi mittellos. Ich wohnte danach in einer ehemaligen Wehrmachtsbarracke in der „Siedlung 70“. Ich habe dort mit Kriegsflüchtlingen des ehemaligen Sudetengaus unter ärmlichen Zuständen gehaust und gelitten.
Lustenau Nr. 10, Posthofstr. 61 im Hochwasserjahr 1954, Photoscans: Stiegl-Michl
8.Mai 1945; Kriegsende: A.R.: Hitler hatte zuvor medial verkündet: „Wenn der Feind kommt werden wir erschossen“ In der Stadt war es still. Plötzlich kamen die Amerikaner. An diesem Tage klopfte bei uns der Feind an die Tür. Ein Weisser (Hr. Eisenbeiss, heute FA. Eisenbeiss, Enns, eine Verwandtschaft) und ein Schwarzer traten ein, der Weisse in vertrauter Sprache „Griaß euch, wie geht’s?“ der Schwarze schenkte mir einen Kaugummi, ich wusste nicht was es war, und schluckte es hungrig hinunter… der Schwarze ergriff mein Akkordeon, ich nahm ihm jedoch sofort mein Instrument wieder weg und begann zu spielen; ROSAMUNDE*, ein damaliger Hit, den man auch in Übersee kannte. Die beiden waren begeistert und luden mich am selben Abend zu sich ins Quartier ein. Zu Mitternacht brachten sie mich
C.W.: Wie war das?– wie kann man sich das heute vorstellen? A.R.: Die Siedlung 70, ehemals Wehrmachtsbaracken, lagen auch etwas unterhalb vom Prielmayrhof, international bewohnt von Vertriebenen, Befreiten, Geflüchteten, dem Nazi-Terror Entkommenen…. So auch von mir und meiner Frau, die mit ihren Eltern als Sudentendeutsche aus Kaplitz, mit Handgepäck, ausgewiesen worden waren. Das Essen war karg und eintönig. Wertsachen waren Tauschmittel am Schwarzmarkt. Der größte Trost war das Kriegsende. Langsam kam wieder Farbe ins Leben und mancher Liebschaft mag ich tröstlich zum Tanz aufgespielt haben: so auch mit dem Trompeter Heinrich, an einem schönen Sommerabend auf dem Hügel des Luftschutzbunkers, den er nur schwer erklimmen konnte, da seine angefrorenen Zehen in Rußland verblieben. Um den Hügel, in aufkommender Dämmerung, lagerten die dankbaren Zuhörer vieler Nationalitäten. C.W.: Sie haben in ihren Gedichten über Maulbeerbäume und einer alten Eiche geschrieben. Kommen da bei Ihnen besondere Erinnerungen an damals an die damalige Aulandschaft der Lustenau hoch? (Angst, Flucht, Liebe?) A.R.: Hier standen damals damals viele Maulbeerbäume. Heute sehe
Lokales – Lustenau ich in der ganzen Stadt keinen einzigen mehr.. Ja, meine Kindheit war häufig von Angst überschattet. Nicht nur die Kälte der Stiefmutter, auch der Bruderzwist am Reiterhof machte mir zu schaffen. Mein Vater und sein Bruder Leopold, einst geschäftlich vereint, betrieben nun im gemeinsamen Haus ihr eigenes Fuhrunternehmen. Es gab Streit und oft flüchtete ich mit „Bitzi“ in die Au, war dort vertraut mit dem Krähenschrei und dem sanften Gebräusel der Donau. – Und plötzlich war die Welt ganz anders. - ILONKA! „Fremdarbeiterin“ aus der Ukraine, 17-jährig, kam als Hausmagd. Ich, 11 und gerade dabei die Mär vom kinderbringenden Storch zu widerlegen, ich, Gelegenheitsraucher, Au-Läufer und Häuptling „Schneller Fuß“, ich: mir lächelt sie zu. Potz-Blitz, bevor ihr Lächeln verebbt, bin ich verliebt. Bin dem Lächeln ja so entwöhnt. Und was soll die Mahnung des Lehrers, ich soll nicht aus dem Fenster sehen und die Wolken zählen, ich zähle die Stunden um ILONKA zu sehen. Ich weiß im ganzen Haus keinen Leckerbissen. Woher zaubert sie nur die kleinen Gaben, heimlich durchs Küchenfenster gereicht. 1945, irgendwann im Mai ist ILONKA verschwunden. Ohne Abschied. C.W.: Sind Ihre Gedichte direkt/ indirekt auch eine Art Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit? Beziehungsweise in wie weit bewegt Sie die aktuelle politische Landschaft? Flüchtlingsdebatte? A.R.: Nein, vorerst waren der Mensch und die Landschaft mein Thema. Erst ab 1985 befasste ich mich eingehend mit der Hitler-Zeit. So auch in der Vierteljahreszeitschrift „Der Saurüssel“, mit „Geschichtlicher Abriß eines Österreichers“. In der täglichen Turbulenz sich überschlagender Ereignisse sehe ich einen Rückschlag in eine finstere Zeit. Es gereicht der gesamten Menschheit zur Schande, diesen Planeten und damit sich selber der Verwüstung preiszugeben. In „erden“ - Gedichte und Aphorismen (Bibliothek
der Provinz) befasse ich mich mit diesem Totalversagen der Menschen. Die Afgahnen Hamed und Nabi besuche ich seit Herbst 2015 immer wieder in einem Quartier in Haslach/Mühl, kleine Geschenke immer dabei. Beide halfen auch schon im Garten (5Euro/Stunde). Sie machten große Augen als ich ihnen erklärte dass unsere Staatschuld beinahe 300 Milliarden beträgt. Dass wir global vor einer Kopernikanischen Wende stehen, konnte ich Ihnen noch nicht verständlich machen. C.W.: Denken Sie heute noch oft an Ihre Jugendzeit in der Lustenau. Was vermissen Sie da am meisten? (Landschaft, Donau, Baden, Freunde, sonstiges..) A.R.: Ich habe Mühe, einige schöne Erlebnisse aus der Vielzahl bedrückender Begebenheiten herauszufiltern. - Baden im 3er Becken, über die Donau schwimmen (die Kirschen am anderen Ufer!). Und natürlich die Musik. „Bitzi“, mein treuer Streuner, manchmal auch solo unterwegs und eines Tages nicht mehr heimgekehrt. Unvergessen auch meine Ausritte mit dem Island-Pony „Rih“, gesattelt mit englischer Prietsche, von mir gefüttert und gepflegt - und dann im Nachkriegschaos verschwunden, einfach so… Der rollende Wagon beim Verschub im Hafen, davor ein alter Mann auf den Schwellen. Amerikanische Soldaten, bei denen ich musizierend zu Gast war, riefen ihm warndend zu, doch er hörte sie nicht. Ich lief ihm zu und pfiff durch die Zähne. Er torkelte vom Gleis. Es war sehr knapp. Freunde? - Über die Musik waren mir viele Leute zugetan. Doch eine anhaltende Freundschaft gab es kaum. - Wer sollte auch Freunde haben mit so einem traurigen Gesellen. Und doch will ich dem Schicksal danken. Ich konnte mir, trotz aller Widernisse, ein humanistisches Weltbild erkämpfen und leben.
TREIB.GUT MAGAZIN #5
-WURMANBETUNGGekrümmter Du speisest sparsam dich Den Menschen schenkst du Reich die Frucht der Erde Wer um dein Wirken weiß Tritt sanfter auf den Boden Gepriesen sei dein Segen in stiller Dunkelheit. (Alois Reiter, noch unveröffentlicht)
9
Lokales – Lustenau
Alois Reiter
10
Stieleiche gegenĂźber dem unteren Prielmayrhof, ca 400 Jahre alt, unter Naturschutz, Photo: Florian Voggeneder
Qualmwasserbecken neben Segelflugplatz, Photo: Tom Mesic
Lokales – Neo-Au
Segelflugplatz – Polderlandschaft Intro von Christoph Wiesmayr
Der Linzer Osten kann grundsätzlich als Poldergebiet bezeichnet werden, weil durch Wasserhaltungsmaßnahmen der Grundwasserspiegel kontinuierlich abgesenkt bzw. konstant gehalten werden muss. Im Bereich des gesamten Gebiets wird Grundwasser im Ausmaß von rund 200 l/s entnommen. Diese Wasserhaltungsmaßnahmen wurden im Zuge der Errichtung des Donaukraftwerkes Abwinden-Asten (1976-79) notwendig, da der Wasserspiegel der Donau durch die Aufstauung deutlich über den natürlichen Grundwasserspiegel angehoben wurde und dadurch die natürliche Kommunikation zwischen Grundwasser und Donau durch eine Schmalwand (Donaudamm) unterbrochen wurde. Das kontinuierlich vom Umland Richtung Donau strömende Grundwasser würde sich sonst auf der Außenseite des Donaudamms langsam aufstauen und den ganzen Stadtteil unter Wasser setzen. Das abgepumpte Grundwasser wird zum Teil für Nutzwasserzwecke (z.B. Kühlwasser für Maschinen) eingesetzt. Das erwärmte Kühlwasser wird dann wiederum an manchen Stellen in die Donau eingeleitet, wo es Tiere anlockt, die sich in der Wärme wohler fühlen oder hier mehr Futter finden. Das Qualmwasserbecken
zwischen Segelflugplatz und Donau ist ein künstlich errichtetes bachartiges Gerinne. Gleich einem Schotterteich tritt das Grundwasser hier zu Tage. Es ist eine Art Drainage, aus der das Grundwasser hinauf in die Donau gepumpt wird. Hier haben sich bald Pionierpflanzen angesiedelt und im Laufe der Zeit hat sich weitgehend unbeachtet wieder eine idyllische auwaldähnliche Natur breit gemacht, in der unterschiedliche Vögel wie z.B. Elstern nisten oder sogar ein Biber seinen Bau errichten konnte.
Zentralistische Entwässerung
Spaziert man entlang des Donaudamms, so kann man an gewissen Stellen – z.B. am Ende der Landzunge des Segelflughafens oder auf Höhe des Pleschingersees und des Jachthafens – auf seltsam anmutende Gebäude stoßen. Sie besitzen eine besondere technische Ästhetik, doch noch bevor man sie selbst wahr nimmt, steigt einem schon stark riechender Fäkalgeruch in die Nase. Es sind die Anlagen der Düker unter der Donau,
riesige Rohranlagen in denen die Abwässer der Stadt von der einen Uferseite unter den Fluss oder das Hafenbecken, hindurch auf die andere Uferseite und dort wieder hinauf in einen Hauptsammelkanal in Richtung Hauptkläranlage Abwinden/Asten gepumpt werden. Linz ist stolz auf seine riesige computergesteuerte High-Tech-Abwasseranlage. Nicht nur die Stadt selbst und 39 Umlandgemeinden, auch sämtliche biologisch abbaubaren Abwässer der Schwerindustrie werden damit gesammelt und geklärt*. „Entwässerung im großen Stil“ nennt es die Linz AG in ihrer Festschrift zum 150-Jahrjubiläum. „Eine ganze Region wird entwässert“
Ruderal-Landschaft „Grausliche Gstättn“ oder lebendige Paradiese? Am Ende des Heckendickichts geht die Hecke in Brachland über. Bei diesem handelt es sich um das eigentliche Juwel des Industriegebietes! Überall dort wo Land sich selbst überlassen bleibt und der Mensch nicht ordnend oder nutzend eingreift, setzt eine
TREIB.GUT MAGAZIN #5
13
Lokales – Neo-Au
Vegetationsentwicklung ein, die im Fachbegriff als „Sukzession“ bezeichnet wird. Je nach Bodenverhältnissen (nährstoffarm/-reich), Wasserverfügbarkeit (trocken/ feucht/nass), Mikroklima (warm/kühl/luftfeucht) etc. bewachsen sich solche Flächen ganz charakteristisch mehr oder weniger schnell, bis sich dann am Ende dieser Entwicklung irgendwann ein bodenständiger Wald bildet. Sämtliche Stufen dieser Reihe lassen sich im Industriegebiet quasi lehrbuchmäßig verfolgen. Besonders nährstoffarme Rohböden auf Schotter, Steinen oder Schlacke sind dabei interessant... (aus: Schwarz / Sokoloff, 2007, S.60) Die heutige Lustenau ist neben der dominierenden industriellen Nutzung auch Lebensraum einer vielfältigen Vegetation und Tierwelt, die hier ein vielfältigeres Angebot an Nahrung und Brutflächen findet, als es ihr das freie Land, mit seinen riesigen Monokulturen – Naturwüsten – bieten kann. Die unbeachteten Rückseiten und Restflächen diese Stadtteils sind Rückzugsort für Getier aller Art, selten genutzte Eisenbahntrassen sichere Verbindungswege, wo kaum ein Mensch zur Gefahr werden könnte. Karge Schotterböden wurden zu einem sonst kaum vorhandenen Reservat vielerlei seltener Ruderalpflanzen. Die kontinuierlichen, massiven Bodenveränderungen z.B. im Bereich der Schlackeberge der VOEST, aber auch durch zahlreiche Baustellen, die aufgrund immer neuer Investition immer neue Veränderung bewirken, geben vielen Pionier-Spezies immer neuen Sukzessions-Raum. Mit diesen andauernden Veränderungen ist die Industrie an die Stelle der Veränderungskraft der alten, unregulierten Donau mit ihren jährlichen Überschwemmungen getreten. Ein ganz besonderer Bewohner konnte trotz der strengen Regulierung des Flusses nur hier genau deshalb überleben. 14
Die von der Industrie gebauten Hafenanlagen wiederum ersetzen ungewollt zumindest in kleinem Rahmen die alten Seitenarme und Mäander, die der Donau durch die strikte Regulierung abhanden gekommen sind. Sowohl in den früheren Seitenarmen als auch in den heutigen Hafenbecken ist das Wasser ruhig und klar und dadurch wichtige Kinderstube für Donaufische, deren Nachwuchs im verschlammten und mit Donaublockwurf befestigten Flussgerinne kaum Überlebenschancen hat. Aber auch ganz neue Einflüsse bringt die industrialisierte Welt mit in den Linzer Osten. Durch Eisenbahn und Autobahn ist es mit ganz Europa verbunden. Donau und Rhein- Main-Donau-Kanal verbinden es mit Häfen am Schwarzen Meer und an der Nordsee und damit mit der ganzen Welt. Vielerlei Invasoren – Neophyten und Neozoen – aus fremden Ländern kommen so auf verschlungenen, unbekannten Wegen als blinde Passagiere an Schiffsrümpfen, mit Containern oder in Ballastwassertanks von Hochseeschiffen nach Linz. Kanadische Goldrute, Kesslergrundel, Asiatische Körbchenmuschel, Großer Höckerflohkrebs heißen einige von ihnen. Andere wurden ganz bewusst geholt und sind ausgebrochen, wie der Amerikanische Signalkrebs (allochthon), der im Zuge des Hochwassers im Jahr 2002 aus überschwemmten Zuchtteichen in die Donau entkommen ist. Viele dieser Invasoren bringen Probleme mit sich, weil sie meist keine natürlichen Fressfeinde haben, sich deshalb übermäßig vermehren und oft ihre einheimischen Kollegen verdrängen. Die Natur ist im Linzer Osten also mit der Industrie ganz besondere Beziehungen eingegangen und das innerhalb von nur 50 Jahren. Manche alten Bewohner sind verschwunden, haben hier nicht überlebt, andere konnten sich anpassen und neue sind gekommen. www.umweltbundesamt.at/umweltschutz/altlasten/altlasteninfo/ altlasten3/oberoesterreich1/o44/
Lokales – Neo-Au
Naturkundewanderung mit Friedrich Schwarz, Segelflugplatz, Photo: Bernhard Stadlbauer
Rurbane Nischen, Diplomarbeit Gilli/Wiesmayr
TREIB.GUT MAGAZIN #5
15
Segelflughangar am Tankhafen, Photo: Bernhard Stadlbauer
Am Segelflugplatz: Harald Kopececk im Gespräch mit Tanja Brandmayr und Christoph Wiesmayr
Harald Kopececk ist Obmann einer der drei Segelfliegerclubs am Tankhafen Linz. Er empfängt uns im Vorfeld des Projekts „Über_Flieger“ (ab S. 24) am Segelflugplatz um dann mit uns in die Luft zu gehen. IM INTERVIEW
C.W.: Lieber Harald, wie läufts in eurem Segelflugverein? H.K.: Wir tun viel, damit sich die Linzer auch an unserem schönen Fluggelände erfreuen. Täglich kommen Sportler, Hundeführer aber auch Leute aus der Kultur szene z. B. Dr. Schwarz vom botanischen Garten. Er kommt jährlich mit einer Führung, macht Musik, zeigt den Leuten die tolle Flora und Fauna und wir bringen den Menschen das Segelfliegen näher. Die haben mir immer getaugt mit ihrer Musik und ihrer Kultur, wie das miteinander verbunden ist. Dafür wollen wir uns öffnen und mich interessiert was ihr da vor habt, mit der Kunstszene. Uns ist wichtig, dass die Politik und die Linzer wissen, dass der Segelflugplatz für die Menschen aus Linz die grüne OASE und einen tollen Sport für Alt und Jung ermöglicht. Die wenigsten Linzer kennen das Areal wirklich, wie toll und einzigartig es hier ist. C.W.: Ist der Betrieb aufwändig? H.K.: Wie wir das Ganze finanzieren? Vor allem durch Eigenleistung. Wir machen alles selber, wir reparieren alles selber, was wir dürfen. Das ist klasse, dass es wirklich ein Sportverein ist. T.B.: Wir machen zwar jetzt ein Kunstprojekt auf Basis unserer Auseinandersetzung mit dem Gebiet und der Erhaltung dieser
Zonen. Dass der Segelflugplatz eine Zone ist, die recht eigenartig zwischen Industrie und Donau steht, das haben wir bereits festgestellt. Ich war vor ein paar Jahren schon ein paarmal da, es ist immer super wenn die Flieger hier so drüberfliegen. Die Atmosphäre hier hat eine große Leichtigkeit. H.K.: Das Thema Lärmemissionen: Es gibt kaum Lärmemissionen, da wir jährlich 4000–5000 Starts, und 90 % mit der Seilwinde passieren. Da steht die Winde am Boden und man zieht das Segelflugzeug hoch wie einen Drachen. Da hört keiner was. Man braucht einen Liter Sprit. Dann fliegt das Segelflugzeug mit der Sonnen- und der Windenergie. Das Segelfliegen ist überhaupt ein sehr umweltfreundlicher Sport. Wir fliegen ohne Motor nur mit Sonnen- und Windenergie. Den Rekord habe ich zusammen mit meinem Freund Horst gemacht, der ist 75 Jahre alt, der hat hier sein Leben verbracht. Da ist er hinten bei mir gesessen mit dem hier (zeigt TREIB.GUT MAGAZIN #5
Flugzeug). 14 Stunden, 1200 km sind wir geflogen, ohne einen Tropfen Benzin, ohne Schmutz, nur Segel flug von Linz zum Semmering in die Schweiz und über Tschechien wieder nach Linz. Es sind auch viele Gäste da, und es werden immer mehr, die sich über den Segelflugsport informieren oder einfach nur die Natur bei uns geniessen wollen. Wir machen auch Veranstaltungen wie das Linzer Schnupper-Fliegen oder No Limits in the air, wo wir jährlich mit 50 behinderten Kindern fliegen und ihnen ein tolles Erlebnis ermöglichen. C.W.: Es ist für den Handelshafen eine Hochwasserschutzdamm bei der Mündung geplant. Da wird eine Brücke gelegt, wo man drüber gehen könnte. Das wäre der erste Schritt einer Landverbindung über die Handelshafenmündung – wo es zur Landzuge geht, wo auch die Modellflieger sind. 17
Lokales – Segelflugplatz H.K.: Wenn man vorne bei der Autobahnbrücke rüber kommt, kann man beim Spitz rüber laufen. C.W.: Das ist der Winterhafen, da braucht es noch die Verbindung. Aber durch den Hafenmasterplan ist schon ein Hochwasserschutz in Planung. Der Hochwasserschutz ist ein Tor in der Mündung, wo man obendrüber gehen könnte. Das wäre schon eine Verbindung hierher (zum Segelflugplatz). Beim Winterhafen ist das schwierig, weil da unterschiedlich große Schiffe in die Schiffswerft rein müssen. H.K.: Ich bin zwar selber in der Bauwirtschaft, aber ich weiss nicht, welche Themen im Winterhafen Fragen aufwerfen. Ich glaube wenn der Winterhafen revitalisiert wird und Zugänge geschaffen werden, dann nutzt man dieses Areal mit. Gemeinsam mit uns ist das ja für Linz ein Vorzeigeprojekt. C.W.: Wie oft passiert ein Unfall mit dem Segelflugzeug? H.K.: Wir haben eine top Ausbildung und schauen, dass unsere Piloten im Training bleiben. Dies ist unter anderem der Grund, dass wir für die Flugstunden keine Gebühren verlangen. Es passieren zwar auch Unfälle mit Segelflugzeugen, aber die meisten davon bei Wettbewerben. Auf Linz-Ost hatten wir in der 60-jährigen Geschichte und bei mehr als 300.000 Starts erst einen schweren Unfall. Also das Fliegen ist immer noch sehr sicher. C.W.: Aus welchem Grund passiert dann etwas? H.K.: Das Problem ist Fehleinschätzung. Wenn die Hierarchie und die Führung passt und ich sage, ich habe die Leute unter Kontrolle, ein anderer sagt: „Du bist noch nicht ganz so weit, dass du dieses und jenes machen kannst.“, und es ist auch einer da, der die Leute ein bisschen steuert, dann geht das. Wenn es sich nicht ausgeht, dass wir so oft da sind, dann sind die Leute mehr oder minder auf sich selber gestellt. Dann
18
überschätzt sich der Eine oder Andere. Dann passieren solche Sachen, dass sie einfach aus dem Blickwinkel des Piloten die Situation nicht mehr kennen, oder die Wettersituation oder die Verhältnisse falsch einschätzen. Im Großen und Ganzen ist die Fliegerei sehr sicher. T.B.: Ein paar Initiativen im Hafen haben auch kein Interesse an einer totalen Kommerzialisierung oder dass alles zugebaut wird. Es gibt Befürchtungen das alles relativ geglättet wird. H.K.: Es ist wichtig, dass eine Stadt nicht nur Kommerzflächen hat, sondern auch Sport und Erholungsflächen. Aus diesem Grund ist es auch unsere Verantwortung, dass wir unsere grüne Oase im Linzer Industrieviertel für den Segelflugsport für die Zukunft sichern. Dazu wollen wir den zuständigen Stellen auch aufzeigen, dass auf dem Flugplatz Linz-Ost nicht eine kleine elitäre Gruppe aktiv ist, sondern dass unsere drei Vereine mit mehr als 300 Pilot Innen einen tollen Sport ermöglichen. Vor allem ist die Jugend bei uns zuhause, die neben der Ausbildung zum Segelflieger auch eine tolle Lebensschule bekommt. Aus den meisten der jungen PilotInnen werden später sehr erfolgreiche Persönlichkeiten. Das Segelfliegen trägt hier auf jeden Fall auch zum Erfolg bei. Vor allem die fliegerische Ausbildung, die sportlichen Ziele – aber auch das Einhalten von Regeln und die Kameradschaft sind wichtige Werte, die unsere jungen Menschen hier finden. Besucher: Ist es erlaubt bei dem Flugbetrieb zuzusehen? H.K.: Wenn du mit dem Radl in keinen Flieger reinfährst, dann schon. Da hinten ist ein gelber Bus, da sitzen ein paar, dort kannst Du Dich auch informieren. Besucher: Ich bin auch Motorflugpilot. Ich bin nur weg von der Droge aus Geldmangel und muss mir deswegen wieder einen Gusto bei den Segelfliegern holen. Macht ihr Schleppbetrieb oder Winde?
H.K.: Winde Besucher: Das ist super, Winde ist immer schön zuzuschauen. T.B.: Ich find das jetzt gut, dass sich das mit den Interessen und den Thematiken trifft. H.K.: Wenn es gemeinsame Interessen gibt, bin ich sofort dafür, dass man gemeinsam ein wenig positives Lobbying in diesem Bereich macht. Z. B. versuchen wir gemeinsam mit dem Naturschutzbeauftragten unsere grüne Linzer Oase zu erhalten. Immerhin haben wir hier auf Linz-Ost den größten Baubestand von Linz. C.W.: ... aber auch Tierbestand, es sind auch Brutvögel da, die speziell sind. H.K.: Uns Segelfliegern ist es wichtig, dass wir unseren Flugplatz mit der tollen Flora und Fauna gemeinsam mit der Politik und den Linzern sichern. Die Jäger haben ein sehr gutes Einvernehmen mit uns. Für das Niederwild lassen wir sogar einen großen Teil unserer Piste nicht mähen. Somit hat sich der Tierbestand auf Linz-Ost deutlich vergrößert und die Jäger sind sehr froh, dass es uns Segelflieger gibt – und keine Betonfläche. Wir wollen positiv aufzeigen, dass unser Flugplatz aus vielen Gründen erhaltenswert ist, ein Naturjuwel für Linz. C.W.: Das ist nur mehr da, weil es euch gibt als Hobbynutzer H.K.: Wenn es uns nicht gegeben hätte, wäre das schon lange weg. C.W.: Diese gelben Kübel, ist das eine Futterstelle? H.K.: Das können SchadstoffEmissionsmessungen sein ...
Lokales – Segelflugplatz Wir haben sogar schon Wildschweine hier drin gehabt, oder Rehe. Die Wildschweine sind über die Donau geschwommen. Das war vor 20 Jahren. Wir haben viele Rüttelfalken hier, die in 10 m in der Luft stehen und schauen, wo die Mäuse sind, Turmfalken und sehr viele Bussarde. Der Pfenningberg ist ein Bussardnest. Das funktioniert recht gut. Fasane, Rebhühner, Hasen gibt es hier viele. Und Hunde. Hundebesitzer sind auch sehr gerne da. Um fünf, sechs Uhr in der Früh machen die hier ihre Hundeabrichtungen. Das funktioniert auch recht gut. Wenn sie ihre Stecken, die sie reinstecken wieder mitnehmen, hab ich da kein Problem damit. Die sind direkt auf der Flugfläche, wenn kein Betrieb ist.
T.B.: Wir haben uns ähnliche Pläne angesehen und da sind ja auch Kulturflächen angelegt. Aber es ist etwas anderes wenn man etwas planiert oder anlegt, als Areale die schon gewachsen sind. Da geht’s darum, dass man das, was bereits da ist, schätzt – und nicht was Neues anlegt, dass dann nichts kann. H.K.: Vor allem wenn man sagt, ich nehme das jetzt her. Es wäre für die Stadt Linz wenig Aufwand, den Weg entlang der Überlaufgerinne zu rekultivieren. Es gibt da super Sportmöglichkeiten. Die Trabreiter sind z. B. immer bei uns am Gelände. In dem Gebiet hat man so viele Flächen direkt an der Donau, das hat kaum eine Stadt. Das ist eine tolle Sache, das muss man aufzeigen, auch gegenüber der Politik, dass man da ein Juwel hat.
C.W.: Ihr seid drei Vereine, wenn ich das richtig weiß? H.K.: ASKÖ, ASVÖ und UNION. Wenn es uns nicht gegeben hätte, wäre hier schon längst etwas gebaut, worden, hundertprozentig. Bis jetzt gabs noch die VOEST, mit relativ vielen Flächen, bis sie dort freigegeben waren. Jetzt muss man schauen, die Flächen werden nicht weniger.
T.B.: Dass man nicht mit Benzin oder Motor fliegt sondern über weite Strecken mit der Thermik, finde ich total faszinierend. Ich hab mich gefragt, wie das in der Entwicklung des Segelflugsports gegangen ist. War das ein Zweig den es von Anfang an gegeben hat? Waren das die Eigenbrötler? H.K.: Der Segelflug ist eigentlich entstanden aufgrund des Vertrags
C.W.: Linz ist ja gewachsen. Ab den 60er-Jahren ist ja das gesamte Gebiet, das früher eine Aulandschaft war, versiegelt worden. Mit der VOEST zusammen bis rauf zum Winterhafen sind das 9 km². Das ist sehr groß. Man sollte die Qualität ja auch sehen, die übrig geblieben ist und nicht weitertun im selben System, sondern auf die Qualitäten schauen und versuchen die besten Alternativen auszuloten. Das, was schon da ist, hat eine Riesenqualität. H.K.: Der Flugsport, kombiniert mit der grünen Oase in Linz, ist meines Erachtens nach genau die richtige Linie.
von Versailles nach dem ersten Weltkrieg. Da wurden die Deutschen und die Österreicher als Verlierer total beschnitten. Damals hieß es, die Deutschen und die Österreicher dürfen keine Flugzeuge bauen und auch nicht betreiben im Motorflug, sodass sie keine Kriegsflugzeuge haben können. Die Deutschen und die Österreicher waren eigentlich immer umtriebig und haben dann den Segelflug erfunden. Drum ist Deutschland eigentlich das Eldorado des Segel flugzeugbaus. Die ganzen tollen Geräte die ihr hier seht kommen fast alle aus Deutschland. Die Hochleistungsgeräte sind alles deutsche Geräte, weil die Deutschen hier ihr Know- How in den 20er- und 30erJahren aufgebaut haben.Das ist entstanden auf der Rhön, auf der Wasserkuppe des Mittelgebirges. Da haben sie eigentlich den Segelflug entdeckt. Mit dem hier, der Spalinger S18 (zeigt Flugzeug) sind sie in Linz mit einem Ochsenkarren auf den Pfennigberg rauf, da auf die Nordkante, da war alles Wiese. Und da gabs dieses Gummiseil. Es hat eigentlich eine ganze Mannschaft dafür gearbeitet dass einer fünf Minuten fliegen kann. Die Spalinger S18 im Hangar
C.W.: Grünraum ist nicht gleich Grünraum. Dieser Grünraum kann etwas, was der Schillerpark nicht kann.
TREIB.GUT MAGAZIN #5
19
Lokales – Segelflugplatz
Die Mannschaft bestand aus sechs Leuten rechts, sechs Leuten links. Dann mussten sie losrennen. Hinten war das Flugzeug noch aufgebockt. Wenn das Gummiseil angespannt war, hat einer draufgehaut und ist weggeschossen worden, so wie man so einen Gummiflieger wegschiesst, wie ein Pfitschipfeil. Dann ist er wie ein Stein zur Donau runter geflogen. Das war der ganze Tag. T.B.: Das find ich faszinierend. Es hat ja in den 20ern schon einige Bewegungen gegeben ... H.K.: ... eher Motorflug aber ... T.B.: ... ich meine eher diese ganzen Lebensreformbewegungen z. B. die Nacktkörperkultur, wo man schon was ganz anderes wollte. Ich hab mich gefragt ob das eine frühe Abspaltung war, die auch so von der Natur durch die Thermik inspiriert war. Aber es kommt natürlich alles wieder vom Krieg, wie meistens. H.K.: Erstens einmal haben sie nichts gehabt, es war alles zu sammengehaut, es hat kein Geld gegeben, sie haben sich nichts leisten können. Da haben sich mit Innovation und Tatendrang deutsche Techniker, hochintelligente Leute die danach im Flugzeugbau extrem Karriere gemacht haben – teilweise natürlich auch im NSRegime – alleine mit Raketentechnik oder Weltraumtechnik beschäftigt. Das erste Düsenflugzeug ist von einem Segelflieger geflogen worden zum Beispiel. Lippisch hat zum Beispiel hat ein Segelflugzeug konstruiert. Der ist derjenige, der dann in den USA den Düsenjäger
20
produziert hat. Die hatten ein extremes Know-How, durften aber nichts machen, wollten aber was machen. Sie haben das auf der Rhön, im Mittelgebirge ausprobiert, ein ehemaliges Vulkangebiet, da sieht man noch die Schlote ohne Bäume. Dort sind sie hinabgesegelt mit dem Gummiseil und es hat ihnen getaugt. Dann sind sie draufgekommen – wenn auf einmal der Wind vorn rauf bläst, das heisst „im Hangwind“ den du hast am Berg – dann kommt der Wind und der Wind wird nach oben abgelenkt. Auf einmal hast du einen Aufwind. Da sind sie draufgekommen, sie können dadurch die Flugzeit verlängern. Dann sind sie immer dem Hang entlanggeflogen. Und haben dann die Flugzeuge immer wieder verbessert und sind im Hang geflogen. Irgendwann ist einmal eine starke Front gekommen, sie haben die Vögel kreisen und steigen gesehen und haben nicht gewusst, was es ist. Das war eine Gewitterfront,da kommt die Kaltluft und hebt die Warmluft relativ – wie ein Super gau eigentlich. Dann kommt ein Gewitter und der Gstad hat danach berichten können: „Da hat mich eine Kraft gepackt, die dies überlebt haben, haben davon erzählen können – hat mich eine Kraft gepackt und hat mich die Wolke hineingesaugt.“ Da oben sind sie entweder erfroren oder erstickt weil es auf 4000– 6000 Meter hoch gegangen ist in der Wolke, oder es hat ihnen das Flugzeug zerissen durch extreme Turbulenzen. Ein paar haben es überlebt und die meinten „Da muss es etwas geben, eine Energie, die die Warmluft nach oben bringt“ Damit ist der thermische Flug entstanden, bei dem man den Aufwindschlauch erreichen muss. In der Thermik kann man kreiseln, so wie der Storch von Afrika wieder rauffliegt. Der fliegt praktisch auch nicht mit dem Motorflug, sondern im Prinzip mit dem Segelflug. Sonst käme ein Storch hier nie rauf mit der Energie, die aufzuwenden wäre. Dann sind
diese Geräte aufgekommen. Das ist ein Baujahr 1934. T.B.: Der mit der orangen Schnauze? H.K.: Das war damals ein Hochleistungsgerät, vor dem zweiten Weltkrieg. Das NS-Regime hat den Segelflug auch als vormilitärische Ausbildung gesehen. Damals, trotzdem, als junger Bursch, wenn du nichts zu essen hattest, und es gab jemand der kam und dir sagte: „Was willst tun? Willst Motorrad fahren, Panzer fahren oder Segel fliegen?“ Unsere Vereinsgründer waren damals bei den Fliegern, das ist damals mit dem Krieg entstanden, und mit diesem Flugzeug sind sie schon 300 km geflogen. T.B.: War das dann so etwas wie eine paramilitärische Ausbildung? H.K.: In der NS-Zeit ist der Flugsport vormilitärisch gesehen worden. Die Flieger selber aber haben das überhaupt nicht so gesehen. Die wollten einfach fliegen. Das ist immer so. T.B.: Die jungen Buam, die dann angelernt worden sind, die sind dann Kampfpiloten geworden? H.K.: Sehr viele. T.B.: Weil der Segelflug selber, der war nichts Militärisches. H.K.: Naja, im zweiten Weltkrieg gabs ja die Lastensegler. Kreta oder Belgien haben sie mit den Lasten seglern überfallen. Da sind sie nachts mit den Seglern reingedonnert. Das hat aber mit dem Segel fliegen nichts zu tun und sollte auch nicht das Thema sein. Auf jeden Fall ist in der NS Zeit der Segelflug stark in den Vordergrund getreten, weil sie es eben auch gebraucht haben. Und sie waren weit vor den Engländern und den Amerikanern damit. C.W.: Eine Frage zu der Thermik: hat es nicht davor schon Para gleiter gegeben? H.K.: Nein, Paragleiten ist erst in den 80ern gekommen. Das ist aus dem Fallschirmsport entstanden. Zuerst haben sie die
Lokales – Segelflugplatz Rundkappenschirme gehabt. Dann haben sie die Flächenschirme entwickelt. Dann hat einer mal die Idee gehabt und flog vom Berg runter und realisierte, wenn er den Schirm etwas größer machen würde, könnte er etwas länger segeln. So ist das entstanden. C.W.: Da erwischt es auch oft Leute, wie du erzählt hast. H.K.: Viele überschätzen sich und aufgrund mangelnder Ausbildung und Erfahrung passieren dann zahlreiche Unfälle beim Paragleiten. T.B.: Sie überschätzen sich. C.W.: Die erfrieren ja teilweise H.K.: In die Wolken darf man gar nicht rein. Du hast ja gar keine Sicht. Wenn man mit dem Segel flieger in die Wolken hineinfliegt, hat man auch keine Instrumente und man weiß nicht, ob man einen Rückenflug macht oder normal fliegt. Diese Fliehkräfte täuschen den Gleichgewichtssinn so sehr, dass du wirklich nicht weißt ob du am Rücken fliegst oder normal. Das Flugzeug hat eine gewisse Maximalgeschwindigkeit und wenn man da so reinfliegt und es kommt ein Stoß oder eine Böe, dann kann das Flugzeug daran zerbrechen. T.B.: Aber mit den kleinen Motorfliegern darf man auch nicht in die Wolken reinfliegen hab ich gehört. H.K.: Genau, es ist nur AFA – also Instrumentenflug zugelassen. Es ist genug für dich alleine, für alles andere kannst es nicht wirklich gebrauchen. C.W.: Die richtigen Flugzeuge sind auf 7000, 8000 m oben, oder? H.K.: Genau, ich fliege ja auch mit denen. Da gibt es drei Arten des Segelflugs. Wenn man sich den Pfennigberg ansieht, da hast du bei Westwind einen Hangwind und wir können fast immer fliegen. Das Thema ist, du kannst fast immer herumfliegen, es ist einfach und schön. Man fliegt da mit den Bussarden. Du kommst knapp über
den Hang, außer bei starkem Wind, sonst kommt man so 200, 300 m darüber. Dann bist du aber stationär an den Hang gebunden. In den Bergen aber, zum Beispiel im Inntal, da kann ich das ganze Inntal bis zum Arlberg hin- und herfliegen, also wirklich bei 200 km/h dem Felsen entlang und geradeaus und ohne einen Motor. Ein Segelflugzeug fliegt wie eine Boing 747 oder ein Eurofighter, wenn die einen Motorausfall haben, sinken sie. Wenn ich keinen Aufwind hab, hab ich genauso ein „Eigensinken“. Das heisst, wenn ich geradeaus fliege, habe ich mit dem Segelflieger ein Eigensinken von jeweils einen halben Meter oder einem Meter, je nach Leistungsbereich. Die Hochleistungsgeräte haben jeweils einen halben Meter Sinken pro Sekunde. Das geschieht durch die Schwerkraft, mit ca 90–100 km/h. Wenn ich einen Hang habe, dann kommt der Hangaufwind dazu und man hebt ab. Wenn der Hangaufwind sehr stark ist, kann man schneller fliegen. Das heißt, wenn er sehr stark ist, kann man 200 km/h geradeaus fliegen ohne dass man ein Sinken hat. Wenn ich ohne Aufwind geradeaus fliege, habe ich einen solchen Winkel (zeigt es mit TREIB.GUT MAGAZIN #5
Armbewegung) nach unten. Wie bei der Boeing 747, dieselben Ruder, die selbe Technik, nur dass ich nicht so schwere Triebwerke dran habe. C.W.: Was mich immer so fasziniert hat, war ein Film im Fernsehen über Segelflieger in Amerika, die neben dem Canyon den Aufwind nutzen und total knapp über dem Boden fliegen. H.K.: Das ist die Baron Hilton Ranch. Das ist der Grossvater von Paris Hilton. Er hat die besten europäischen Flieger eine Woche lang auf seine Ranch zum Segelfliegen eingeladen. Das ist ganz lässig, zwei Freunde von mir waren schon da. Die zweite Möglichkeit mit dem Segelflugzeug oben zu bleiben ist die Thermik. Das thermische Fliegen kann man sich veranschaulichen mit dem Bild eines Lagerfeuers – der Rauch ist die warme Luft, die aufsteigt und die Glut die da aufsteigt sind wir Segelflieger. Wenn die Glut aber in die Umgebungsluft rausfällt, dann sinkt sie. Im Rauch steige ich hoch – da habe ich natürlich keine Vorwärtsgeschwindigkeit, bei uns geht alles in Schrittgeschwindigkeit, Schnittgeschwindigkeit und in echt wird die Thermik von der Sonne erzeugt, in dem zuerst der Boden, dann die
21
Lokales – Segelflugplatz von einem Lagerfeuer. Die Thermik wird bei uns nicht durch Feuer angefacht. Manchmal, auch in Ungarn, zünden sie oft ganze Felder an und bei Meisterschaften fliegen die Segelflieger auf die Strohfeuer zu. Da ist die Sonnenenergie das Thema. Da heizt die Sonne in einen Wald oder in ein Getreidefeld. Wenn man im Sommer ins Getreidefeld geht, dann merkt man richtig wie die Luft flimmert und das Getreidefeld wärmer ist, als die Wiese. Diese Warmluft steigt irgendwann einmal hoch und die nutzen wir aus.
Photo: Bernhard Stadlbauer
darüberliegende Luft erwärmt wird und aufsteigt, wie beim Lagerfeuer und ich fliege von Thermik zu Thermik und kann so viele hundert bis sogar über 1000 Kilometer nur mit der Sonnenenergie fliegen. T.B.: Müsst Ihr Euch auf den Wetterbericht verlassen? H.K.: Das ist klar. Wettermässig kennen wir uns sehr gut aus. Uns fragen sogar Meterologen, um ein Feedback über ihren Wetterbericht von der Früh zu bekommen. T.B.: Im Winter macht ihr nichts oder? H.K.: Wenn Schnee ist, starten wir nicht. Thermik ist fast gar nicht vorhanden. Fönflüge im November gibt’s schon. Ein Flugzeug fliegt durch die Wölbung vom Flügel. Oben hab ich einen längeren Weg als unten. Dann gibt es zwei Luftmolekühlchen, den Franzi und den Hansi, die kommen da her. Das heisst, du fliegst mit 100 km/h, und du brauchst Geschwindigkeit. Bei Nullgeschwindigkeit fliegst du wie ein Stein. Bei 50 km/h fällt er auch noch runter. Bei 60–70 km/h fängt er langsam zum Fliegen an, in dem der Hans obendrüber fliegt und der Franz untendurch. Die haben die Aufgaben dass sie hinten gleichzeitig ankommen, Hans hat aber den längeren Weg. Was muss der obere tun? Schneller
22
fliegen. Dadurch steht oben ein Unterdruck. Das muss man sich vorstellen wie so 100–200 Glasstoppeln, die saugen die Fläche richtig in die Höhe. Wenn du zuwenig Geschwindigkeit hast, reisst dieser Strom immer weiter ab. Dadurch braucht ein Flugzeug immer eine Geschwindigkeit. T.B.: Wie ist es, wenn du nach Deinen Erfahrungen fliegst? Nach was geht das? Ob es heiß am Vortag war? H.K.: Beim Segelfliegen, wenn du einen thermischen Aufwind willst, dann brauchst du eine labile Luftschicht. Wenn es ganz heiß ist und stabil, muss die Sonne den Boden sehr stark erhitzen weil man einen Temperaturunterschied braucht. Du musst dir Luftblasen am Beckenrand ansehen – wenn du sie anstupst, geht die Luftblase im Wasser hoch. Die Thermik ist ähnlich: Die Blase der Thermik ist eine Warmluftblase, die wärmer sein muss als die Umgebungsluft, so steigt sie hoch wie ein Heissluftballon. Ein Heissluftballon steigt im Winter besser als im Sommer. Im Sommer fliegen sie nur in der Früh, wenns später 30° hat, da braucht man schon zuviel Gas bevor man raufkommt. Thermik ist die Warmluft die im Heissluftballon drin ist, nur siehst du ihn nicht. Wie die Rauchsäule
Die nächste, sehr tolle Art zu Fliegen ist der Südfön. Bei Fön bläst der Wind oft bis zu 150 km/h und über den Alpen fangen die Luftmassen zu schwingen an, ähnlich wie bei einer Wasserwelle. Der Segelflieger nützt diese Wellen oft bis auf 8.000 m aus. Natürlich ist man hier mit Sauerstoff ausgerüstet und wird von der Luftverkehrskontrolle geleitet, da man sich im gemeinsamen Luftraum mit den Airlinern bewegt. Diese Art zu fliegen ist nur wenigen erfahrenen Piloten vorbehalten. So sind wir auch dem Rekord von rund 1.200 km im Segelflug geflogen, meist zwischen 4.500 und 7.000 m in 14 Stunden. Eine echt coole Sache, wortwörtlich cool, weil in diesen Höhen kann es schon einmal Minus 30° haben und ohne Heizung muss man schon gut ausgerüstet sein. Zu den Flugzeugen selber: Es gibt Anfängerflugzeuge, wie der da hängt (zeigt Flugzeug), der Junior, sehr gutmütig und einfach zu fliegen und verzeiht auch Fehler. Man kann es mit Autos vergleichen: Es ist ein Unterschied ob ich einen VW Käfer fahre oder ein Formel-1-Auto. Wenn ich gleich in den Formel 1 einsteige, werd ich wahrscheinlich nicht mal vom Start wegkommen. Da hab ich auch keine Freude dran, wenn ich grad den Führerschein gemacht hab. Wenn ich den Führerschein hab und ich trainiere am Ring, dann kann ich auch irgendwann einmal Formel 1 fahren.
Lokales – Segelflugplatz Der Unterschied zwischen Anfänger und Hochleistungsflugzeugen liegt in der Aerodynamik, in der Wendigkeit und vor allem in der Gleitleistung: Wie weit gleitet das Flugzeug ohne einen Aufwind. Hochleister schaffen hier schon gut 50 km aus 1000 m Höhe. T.B.: Der Rekord von dem du vorher gesprochen hast, ist es ein Welt rekord oder Österreicherrekord? H.K.: Das war ein Linzerrekord. T.B.: Wie lang braucht man, dass man so weit kommt wenn man anfängt? H.K.: Wie intensiv du es eben machst T.B.: Aber das dauert doch sicher zehn Jahre, oder? H.K.: Naja, sicher. Unter zehn Jahren, wenn du es gut kannst und wenn es in diesen Leistungsbereich geht. Das ist auch das Interessante beim Segelfliegen, der Daniel zum Beispiel hat jetzt den Motorflugschein gemacht in Mooskirchen, er ist jetzt Segelflieger und er gibt jetzt richtig Gas. Wir haben sehr viele Junge die wir fördern in dem Bereich. Und das Klasse ist, es hat mit Technik, mit Meteorologie, mit Natur zu tun, du musst alles verstehen.
Freund dem Horst, der 75 Jahre alt ist.Wir sind da mal nach Frankreich raus geflogen, in Etappen von einem Flugplatz zum anderen. Voriges Jahr wollten wir nach Bosnien runterfliegen, dem Meer entlang. Dann haben wir uns kurzfristig entschieden, dass das nicht so gut wäre und sind mit dem roten Oldtimer geflogen. Der geht ganz langsam, da muss man viel kurbeln, weil er kaum einen Gleitwinkel hat. Das war so lässig, eigentlich „back to the roots“ – weg vom Hochleistungsbereich, dass du sagst, du bist ganz langsam unterwegs. Ich hab mir zum ersten Mal wirklich die Gegend anschauen können, weil wir so gemütlich unterwegs gewesen sind. Wir sind auch thermisch geflogen und bei den drei Zinnen vorbeigeflogen. Normalerweise ist man da ganz schnell vorbei, da hab ich nicht einmal Zeit, dass ich ein Photo mach. Aber dieses eine Mal haben wir drei Kurven gemacht, damit wir sie gscheit aufs Photo kriegen. Das ist die andere Art zu fliegen. C.W.: Habt ihr spezielle Photos die ihr zur Verfügung stellen könntet? HR: Davon haben wir genügend. T.B.: Ihr fliegt immer zu zweit? H.K.: Nein, es sind Einsitzer. Meistens fliegt man alleine.
C.W.: Wie lernt man jetzt zum Beispiel Segelfliegen? Da fängt man beim Motorsegler an, oder wie? H.K.: Nein, mit dem Doppelsitzer und der Winde. Da macht man so viel Starts, bis man mal alleine fliegen kann. Dann macht man noch dreissig Starts alleine und dann hat man mal den Schein. C.W.: Theorie muss man auch machen? H.K.: Ja, muss man auch machen. Wenns dich interessiert ist es auch nicht das Problem. Du brauchst ein wenig Gefühl dazu, Interesse und ein wenig Zeit, weil wir sind kein Serviceverein. Wir sagen nicht, da zahlt jemand einen Haufen Geld, und wird hofiert, sondern da muss man Leistung bringen. Das ist’s wie beim Fussballverein. Da geht’s auch nicht dass ich mal zum Training komm und dann wieder nicht, wenn man was weiterkriegen möchte. Also, macht noch ein paar Photos und dann schauen wir dass wir euch in die Luft bringen. www.segelfliegen-linz.org
T.B.: Das stell ich mir auch interessant vor weil man total aufmerksam sein muss, mit sich aber auch mit der Umgebung. Da kommt so viel dazu von der Atmophäre bis zum Boden. H.K.: Wenn du einen Langstreckenflug machst, bist du in den Alpen, und irgendwann um vier am Arlberg oder in Südtirol, und du weisst, du hast noch 300 km zum Heimfliegen. Da kommt schon Stress auf. Das ist nicht so, dass du sagst „Pah, ist das schön!“ Da schaust du nicht die Berge an, sondern du bist immer am Drücker weil du die Schnittgeschwindigkeit halten musst wenn du diese Langstrecke fliegst. Das ist jetzt der Sport. Mit dem roten da, dem Hochleistungssegler, machen wir Wandersegelflüge, eh mit meinem
TREIB.GUT MAGAZIN #5
23
rurban papergano, Videostill: Bernhard Pusch
Das Projekt ÜberFlieger wurde durch Linz-ImPuls Sonderförderung unterstützt. 26
Kein Festival – Über_Flieger
Eine „Keinfestival“ Kollaboration Intro von Christoph Wiesmayr
STADT vs. WILDNIS Ausgangssituation ist der Segelflugplatz im Linzer Osten. Mit einer Größe von ca. 30 ha ist dieser Ort ein wertvolles Naherholungsgebiet für die Linzer Bevölkerung. Der Segelflugbetrieb dominiert die Nutzung des Feldes, gleichzeitig trifft man auf Spaziergänger, Hundebesitzer und Hobbyfischer. An diesem Ort ist der Schlagabtausch zwischen Wildnis und Stadt immanent. Es scheint als ob die Wildnis täglich aufs Neue ihren Raum einfordert und der Mensch dagegen ankämpft (Sisyphosarbeit). Sei es das Mähen des Flugfeldes, das Zurückstutzen der Randvegetation, oder Rodung von über Jahrzehnte entstandenem Sukzessionswald (Neo-Auwald) zwischen Donaudamm und Segelflugplatz. Die Vielfalt dieser Ruderallandschaft ist hier besonders ausgeprägt. BEYOND THE FIELD – Stadtrand und Grenzen ausloten
RAUMSCAN und PERFORMATIVE REPRÄSENTANZ
Wo endet hier Stadt und wie weit ist hier das Land? Was existiert hier neben dem Flugbetrieb noch? Was liegt hier besonderes in der Luft, in der Atmosphäre? Was gibt es hier zu entdecken? Diesen Fragen war man auf der Spur… 2015 hat sich ein eigenständiges Projektteam „Keinfestival-Kollaboration“ mit Tanja Brandmayr, Melanie Pointner und Christoph Wiesmayr zusammengetan, um sich gemeinsam mit diversen KünstlerInnen und ProtagonistInnen mit dem Segelflugplatz im Linzer Osten auseinanderzusetzen.
Es wurden Einzelpersonen oder Gruppen eingeladen, zwischen räumlicher Auseinandersetzung, zufälligen Ereignissen, alternativer Objektorientierung und eigener performativer Repräsentanz zu produzieren. Ziel waren Aktionen vor Ort, die Vorwissen, Bedingungen und stadtraumorientierte künstlerische Potentiale aus loteten. Im Zuge dieser Auseinandersetzung sind Objekte, Photos, Filmmaterial, Textmaterial, Performances … entstanden, die im Zwischenbereich von eigenständigem künstlerischem Prozess und der performativen Repräsentanz des Ortes in Wechselwirkung mit den ProtagonistInnen stehen. Diese Ergebnisse werden somit auf den folgenden Seiten dokumentiert und ab 2017 in einem Film von Bernhard Pusch zu sehen sein.
Weitere Infos auf: schwemmland.net
TREIB.GUT MAGAZIN #5
27
Kein Festival – Über_Flieger
Repräsentanz Recherche Tanja Brandmayr
Auffälliges Verhüllen, flächiges Aussparen und ein partielles Hineinreichen als Strategie, sich zu einer anonymen und dennoch sichtbaren Repräsentanz im Gebiet zu machen. Einerseits: Performative Camouflage im roten Tuch. Andererseits: Arme und Beine als Akte des Connectings. Ein Agieren für Wind, Wolken und Wetter, für Türme, Container, Pflanzen, Natur, Flieger und Tiere.
Photos: Reinhard Winkler
28
Kein Festival – Über_Flieger
Repräsentanz 2 Pamela Neuwirth/Tanja Brandmayr
Performance: Brandmayr Photos: Neuwirth
TREIB.GUT MAGAZIN #5
29
Kein Festival – Über_Flieger
Flugversuch_Konstruktion Tanja Brandmayr
Photos: Neuwirth/Lehmann/Brandmayr
30
Kein Festival – Über_Flieger
Flugversuch_Abheben Pamela Neuwirth/Tanja Brandmayr
Videostills: Christoph Wiesmayr
TREIB.GUT MAGAZIN #5
31
Kein Festival – Über_Flieger
Raumpoesie_Orakel Tanja Brandmayr/Pamela Neuwirth
Photos: Pamela Neuwirth
32
Als Orakelnahme wurden Segelflieger beobachtet und deren Flug in Kombination mit Vogelflug oder Rauchentwicklung der umliegenden Industrie gedeutet. Medium der Ă„uĂ&#x;erung war eine Schreibmaschine, die am Feld, bzw. am Rand des Feldes platziert war, und die BesucherInnen und PassantInnen eingeladen hat, mitund weiterzuschrieben an einem potentiell unendlich langen Text: SchreiberInnen wechseln sich in vermutender Raumpoesie ab, ohne Korrekturtaste.
TREIB.GUT MAGAZIN #5
33
Kein Festival – Über_Flieger
34
Kein Festival – Über_Flieger
the rurban papergano in Auflehnung lokaler Dominanzen im Gebiet Performance Christoph Wiesmayr
ÜberFlugGesellschaft Wir heben ab Die Schnauze, steil, nach oben gerichtet klar einem fernen Ziel entgegen ohne wenn und aber Ein Pilot und viele blinde Passagiere Jedoch so mancher Passagier frägt sich: „ob der Kurs noch stimmt?“…
Kostüm: wiederverwendete Treibgut Magazine Kostümassistenz: Angelika Haas Photos/Video: Bernhard Pusch
TREIB.GUT MAGAZIN #5
35
Kein Festival – Über_Flieger
Den Blick nach oben richten Satellitenkonzert ESC-Labor Graz, Reni Hofmüller, Christian Pointner
Tagsüber kann man fast vergessen, dass “da draußen “ ja das All ist, das Weltall, weil wir ausser dem Blau nichts sehen. Ausser Wolken, wenn grad welche da sind. Oder Kondensstreifen, eventuell. Erst die Sterne in der Dämmerung machen das wieder bewußt: dass es da weeeeeiiit weiter geht. Und, dass seit ein wenig mehr als 50 Jahren auch von Menschen dorthin transportierte Geräte unterwegs sind. Auch die kann man manchmal sehen – in der Zeit nach Einbruch der Dunkelheit auf der Erdoberfläche, wenn die Objekte da oben in 300, 400, 500 km Höhe oder noch höher ihre Kreisbahnen um die Erde ziehen und dabei noch im Sonnenlicht sind. Leicht mit freiem Auge zu erkennen. Ein paar der Satelliten, deren Signale wir zu empfangen versuchen, sind kleine Würfel mit einer Seitenlänge von grade mal 10 cm, die mit der Irrsinnsgeschwindigkeit von ca. 28.000 km/h um die Erde fetzen, und mit nur ein paar wenigen Watt ihr Signal aussenden. Und wir auf der Erdoberfläche können sie hören! Klar, dazu brauchen wir im Vorfeld eine Reihe von Informationen: wo welcher Satellit gerade ist, in welchem Winkel er über den eigenen Standort drüberfliegen wird, auf welcher Frequenz er welche Art von Signal aussenden wird – aber das sind alles Informationen, die es frei verfügbar im Internet gibt. Vorbereiten sollte man sich, das schon. Und die Satellitenpositionsdaten am aktuellsten Stand haben.
Ortung von Satelliten über Segelflugfeld
Aber eben, ... tagsüber ist das mit dem Nach-obenSchauen so eine Sache. Weil wir sie nicht sehen können. Und doch sind sie da, und weil wir das wissen, und weil wir wissen, wie wir sie entdecken können, machen wir uns dennoch immer wieder auf den Weg ins Freie, mit Antennen, Laptops, Kompass und Satellitenpositionsdaten ausgestattet; und mit einer Decke und was zu essen und trinken, weil man für dieses Unterfangen, das Satellitenfischen, Geduld braucht. Wenn es denn dann gelingt, ist es allerdings jedes einzelne Mal wieder fantastisch. 36
Aber es geht. Und so stehen immer wieder mal Menschen bei schönem Wetter auf einem freien Feld, wie dem Segelflugplatz Linz, schauen abwechselnd in den Himmel und auf Laptopbildschirme, rufen sich Zahlenwerte zu und versuchen, aus dem allgemeinen Rauschen ein absichtliches Signal herauszuhören und zu entschlüsseln. Manche dieser Signale nehmen wir dann auch auf. Zum einen analysieren wir sie genauer oder wandeln sie um (wie z. B. die Signale der Wettersatelliten NOAA, die sogenannte Wetterfaxe schicken, akustische Signale, die dann in Wetterkarten dekodiert werden können).
Satellitenkonzert 2015, Videostills: Bernhard Pusch
Zum anderen nutzen einige von uns dieses akustische Material als Ausgangsbasis für Konzerte, die meist aus einer Mischung von Aufnahmen und Lifesignalen bestehen. Indem wir hinaufschauen, erweitern wir unsere Wahrnehmung um den Raum über uns, bauen eine Verbindung zum All auf, mit dem wir ohnehin verbunden sind und deklarierien ihn zum Öffentlichen Raum, in und mit dem wir existieren. Den Blick nach oben richten. PS: Am 30.8.2016 verbreitet sich eine Information auch über Aficionado-Kreise hinaus: es scheint, als hätten russische Weltraumforscher am 15.5.2015 ein Signal im All entdeckt, dass nicht natürlichen Ursprungs ist: observer.com/2016/08/not-a-drill-seti-is-investigating-a-possible-extraterrestrial-signal-from-deep-space Vielleicht erleben wir das ja tatsächlich in unserer Lebenszeit, dass es eine Bestätigung für intelligentes Leben im Weltall gibt!
TREIB.GUT MAGAZIN #5
37
Seeds On Soil – drei Rettungsringe mit Wald an Bord Simone Schwaiger und Melanie Leitner
Ein bedrohtes Stück Grün im Linzer Osten... über Jahrzehnte hinweg hat sich ein Wald zwischen Yachthafen und Segelflugplatz gebildet. Eine kleine längliche Restfläche, bleibt zwischen den beiden Nutzungen übrig. Dies hat sich die Natur zu Nutze gemacht und ein Ökosystem ausgebildet, das es sonst so nirgends gibt. Neben verbotenen Zugängen und verschlossenen Toren hat sich ein fast anarchischer Raum gebildet. Viele Vogelarten, Kleintiere und sogar ein Biber sind dort heimisch. Die Mikrobiosphäre trotzt der Umgebung und wird zur Naherholungsoase für Spaziergänger und Sportler. Nun soll der Wald aber weichen: Die Begründung dafür ist etwas, nun ja, nebulös.. Die Bäume gefährden angeblich die Festigkeit des Dammes. Ein Stück Urwald, das sich den Regeln der Umgebung entzieht ist bedroht. Das Chaos hat keinen Platz im geordneten Hafensystem. Rettungsringe sind ein Symbol für Überleben, für die Schifffahrt und hier übernehmen sie auch die Funktion eines Warnsignals: Sie schweben über den Köpfen. Wir möchten das Überleben dieses Ortes auf lange Zeit sichern. Die Rettungsringe fungieren als Speicher für Samen. Sie hängen in den Bäumen und verstreuen bei Berührung oder Wind die kostbare Fracht. 38
Kein Festival – Über_Flieger
TREIB.GUT MAGAZIN #5
39
Kein Festival – Über_Flieger
Abflug: Asphaltbiest Flug- und Schwebeversuch – Treibgutsegel auf Gewerbebrache Installation von Tanja Brandmayr und Christoph Wiesmayr
Videostills: Christoph Wiesmayr
40
Lokales
Die Flugunfähigen Wildtiererlebinsse am Tankhafen, hautnah Beitrag von Christoph Wiesmayr
Frau T. fühlt sich hier im Tankhafen auf ihrem „Logenplatzerl“ fast wie zuhause. Die frühere Lustenau, die wilde Aulandschaft mit Lianen und Wassergräben kannte sie noch gut. Stattdessen erfreut sie sich heutzutage an den diversen Gästen im Tankhafen, welche sie gerne mit etwas Futter willkommen heißt. Heute hat Frau T. hohen sechsköpfigen Besuch. Eine Schwanfamilie mit Albinoschwan „Whitey“ kommt die Böschung hoch, um wieder einmal paar Brotkrümelchen abzustauben. Höflich begrüßen sie Frau T. mit nickendem Oberhaupt. Hin und wieder schnappen sie neckisch oder schnattern, wenn sie mal zu wenig Fut ter abbekommen. Frau T. erfreut sich über die wundersamen Naturereignisse hier am Tankhafen und hat auch heute hier „herunten“ wilden Holler gepflückt, den sie am Uferbereich im Wasser gekühlt hält. Auf die Frage hin ob es denn hier im Tankhafen nicht zu sehr nach Schwefel und Chemie riecht meint sie: „Ja das ist eben so in Linz, ich bin es gewöhnt und im Franckviertel zuhause.“ Tierliebe bewies Frau T. vor ein paar Jahren für eine Graugans die ausgerechnet hier im Hafen ihr Nest errichtete. Frau T. und so mancher Sattelzug machte HALT wenn „Susi“ mal die Straße unbeirrt überquerte. Graugans Susi hatte stolze 6 Eier in ihr Nestchen gelegt, leider unbefruchtet. „Susi klopfte sogar mit ihrem Schnabel an meine Autotüre wenn sie etwas wollte.“ berichtet Frau T. mit noch etwas sentimentalem Tonfall. Die Verwunderung war sehr groß, als sie von der Graugans plötzlich nichts mehr wahrnahm. Frau T. war sehr bekümmert und erkundigte sich bei der Graugansstation in Molln. „Die Flugunfähigen suchen Deckung.“ hieß es dort. Es stellte sich heraus, dass Susi sich mauserte und dabei sämtliche Federn verlor. Sie hielt sich im Gestrüpp vor Feinden versteckt, bis ihr die Federn wieder nachwuchsen. In der Zeit verpflegte Frau T. die Graugans bis eines Tages ein Ganter Susi in südlichere Gefilde davonlockte.
TREIB.GUT MAGAZIN #5
Schwanenfamilie und Graugans Susi am Tankhafen
Susi und ihr Ganter 2011, Photos: Franz Lahmer
41
Harbourium
42
Harbourium
Hafenindustrieromantik Industriegebiet, Segelflugplatz. Texte in Annäherung an Raum und Inszenierung geschrieben von Tanja Brandmayr, Gekritzel von Hannah Kordes
1 Stichstraße_Einstieg / 2 Die Wetterstation: Surreale Geometrie / 3 Dominanzen im Gebiet / 4 Die Grundwasser-Korrektur als erste Dramatisierung des Raumes / 5 Fläche als Verhandlungstisch (Einsprengsel Theorie-Schwemmland) / 6 Der Hase im Flieger / 7 Poesie und echte Industrieromantik-Empfehlung (Einsprengsel Kritik-Schwemmland)
TREIB.GUT MAGAZIN #5
43
Harbourium
44
BEZAHLTE ANZEIGE
BEZAHLTE ANZEIGE BEZAHLTE ANZEIGE
Stadtbild~Hafen
Ehemaliges Zollamtsgebäude in der Schiffswerft am Winterhafen
Hier ist Platz fĂźr dein Linzer Stadtbild-Hafen-Motiv. Mail an: info@schwemmland.net
BEZAHLTE ANZEIGE