Der Arzneimittelkult ‌und die Politik macht lustig mit Dr. John Virapen
Mein besonderer Dank ‌ Dieses Buch ist den Opfern der Pharmakonzerne gewidmet, meiner Familie, die nichts von mir hatte, da ich immer unterwegs war, und meinem lieben Freund, Dennis. Dr. John Virapen
Dieses Buch soll dazu beitragen, dass Medizin und Pharmazie in erster Linie der Gesundheit des Menschen dienen. Es geht NICHT darum, Ärzte, Medikamente, Firmen oder Wissenschaftler anzuschwärzen, sondern Korruption und Profitgier beim Namen zu nennen.
Der Arzneimittelkult …und die Politik macht lustig mit Dr. John Virapen
Copyright © 2012 – Verlag: Das Neue Licht Verlag 1. Auflage November 2012 Das Neue Licht / Jim Humble Verlag Postbus 276, 5900 AG Venlo www.JimHumbleVerlag.com Layout und Umschlaggestaltung: Leo Koehof Übersetzung: Melanie Jebauer Englischer Orginaltitel: The Cabal of Big Pharma
ISBN: 9789088790393
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Herausgebers zur ersten Auflage ......................... 7 1. Der Anfang ........................................................................... 9 2. Emotionale Fesseln............................................................. 14 3. Momente, an die wir uns erinnern müssen ......................... 20 4. Das Ende einer Liebesgeschichte ....................................... 28 5. Die politische Dimension ................................................... 34 6. Treu und Glauben ............................................................... 40 7. Propaganda ......................................................................... 49 8. Wenn die Regierung lügt .................................................... 55 9. Der Tod eines Imageberaters .............................................. 61 10. Politische Verleumdungen und Propaganda ..................... 66 11. Wer besitzt wen? .............................................................. 73 12. Im Namen von… .............................................................. 78 13. Eine Kultur der Angst....................................................... 85 14. Die Geburt von Schall und Rauch .................................... 97 15. Die Personen hinter dem Schleier .................................. 102 16. Ein netter Überblick, und…?.......................................... 105 17. Und der Verstand kann es nicht glauben ........................ 107 18. Dann sind da noch… ...................................................... 113 19. Andere Beschuldigte … ................................................. 118 20. Der Himmel ist die Grenze ............................................. 124 21. Klinische Studien ........................................................... 132 22. Kinder, die Paxil® einnehmen ........................................ 143 23. Die Schweinegrippe-Impfung ........................................ 151 24. Klarstellung .................................................................... 160 25. Warum die Eile? ............................................................. 161 26. Den Hasen aus dem Hut ziehen ...................................... 167 27. Ein Handel, den man nicht ausschlagen kann ................ 175
27. P.S. .….. .......................................................................... 183 28. Glossar ............................................................................ 183 29. Literaturverzeichnis ........................................................ 189
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Vorwort des Herausgebers zur ersten Auflage Bestechung und Bezahlung von Ärzten sind schon lange kein Tabu-Thema mehr. Warum wohl? Sind wir alle so „unehrlich“ oder „unanständig“ geworden, dass es uns nicht mehr angeht was andere, die eine große Verantwortung in der Öffentlichkeit tragen, tun? Eli Lilly wurde Ende des 19. Jahrhunderts von einem Apotheker in Indiana gegründet. Heute ist Eli Lilly einer der größten Pharmariesen mit Niederlassungen in 18 Ländern, der seine Produkte in mehr als 125 Ländern verkauft. Jährlich werden schätzungsweise über 20 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Das Geschäft mit der Krankheit hat gewaltige Formen angenommen. Fusionen von Pharmaunternehmen lassen undurchschaubare Machtstrukturen entstehen. Expansion und Umsätze sind wichtiger als die Gesundheit von Menschen. Die Pharmariesen haben ein gewaltiges Instrumentarium entwickelt, wodurch sie imstande sind, über politische Einflüsse die Weltbevölkerung zu ihrem Absatzmarkt umzuwandeln; hierbei werden ältere Menschen und nun sogar Kinder nicht mehr geschont. Die Politik macht lustig mit. Wer kennt sie nicht: Prozac, Cialis, Cymbalta. Jeder, der regelmäßig seinen Arzt besucht, oder die Schlagzeilen in der Zeitung liest, kennt diese Medikamente. Es war unter den Pharmariesen ein gut gehütetes Geheimnis, aber nun müssen sie ab 2012 in die USA offen legen, wie viel sie jährlich an Werbung ausgeben. So zahlte Eli Lilly im vergangenen Jahr 200 Millionen Dollar an Ärzte und andere 7
im Gesundheitssektor, um ihre Medikamente an den „Mann“ zu bringen. John Virapen hat als Verkaufsmanager die Praktiken aus der Pharmabranche hautnah erlebt. Über Jahre hat er Strategien entwickelt, um die Umsätze seiner Mitarbeiter permanent zu erhöhen. Hierbei hat er sich nicht gescheut Ärzte und viele „Meinungsträger“ zu kaufen. Ein berühmter Satz von ihm ist:“ Wenn Sie nun meinen, dass das nur mit viel Geld geht, dann täuschen Sie sich. Sie müssen wissen, wie man die Menschen „richtig“ anspricht“. In dem Buch „Medizinkult“ packt John Virapen erneut aus und zeigt auf, wie die Politik indoktriniert ist. Politiker werden systematisch mundtot gemacht. Damals, als Abteilungsleiter bei Eli Lilly in Schweden, fing er damit an Karteikarten von Ärzten in ganz Schweden anzulegen, wo er genau vermerkte, wo die bestechlichen Schwächen eines jeden Arztes lagen. Heute sind es nicht mehr die Ärzte, die kategorisiert werden, sondern eine Gruppe von Menschen, die noch viel wichtiger als die Ärzte sind, nämlich die Politiker. Unterstützt von mächtigen Organisationen wie WHO, FDA und die Weltbank, genießen die Weltgiganten, oder „worldplayers, wie John Virapen sie nennt, einen gewaltigen Schutz. Unter einen Deckmantel von Wissenschaft wird alles, was nicht wissenschaftlich genannt werden kann, so wie die Naturheilkunde, plattgewalzt und aus der Geschichte gelöscht. Ein böses Spiel wird auf Weltebene gespielt. Die Spieler sind die Mächtigen, die Opfer, Sie und ich. Leo Koehof
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1. Der Anfang Es ist schwierig, einen Anfang zu finden, wenn es so vieles gibt, was gesagt werden muss. Daher möchte ich damit anfangen, Ihnen zu erzählen, wer ich bin, soweit es für das, was ich hier sagen möchte, relevant ist. Meinen Namen können Sie auf dem Umschlag des Buches lesen, es ist mein echter Name. Ursprünglich komme ich aus Britisch Guayana, bin aber jetzt schwedischer Staatsbürger und lebe in Deutschland. Ich habe für die pharmazeutische Industrie gearbeitet, die vielen als Pharmariesen bekannt sind. Vor allem arbeitete ich für Eli Lilly und Co. in Schweden, Puerto Rico und für Novo Nordisk in der Karibik. Beide Firmen sind Schwindler, wenn auch in unterschiedlichem Maße,1 und ihr respektables Image unterschiedet sich darin, wie oft sie dabei erwischt wurden, negative Dinge zu tun.2 Und beide, als Teil der Pharmakonzerne, oder umfassender der chemischen Industrie, bedrohen einen ganz persönlich. Aber bevor ich mich damit befasse, gibt es einige Themen, Fragen usw., die ich stellen möchte: Politik zum Beispiel. Zunächst war ich mir nicht sicher, ob dies in das Vorwort einfließen sollte, da es nicht wirklich etwas mit der Pharmaindustrie zu tun hat, um die es hier ja hauptsächlich geht. Aber ich denke, es zeigt Ihnen, dem Leser und der Öffentlichkeit, was vor sich geht, und trägt dazu bei, die Pharmaindustrie, über die ich hier reden möchte, besser zu verstehen. Dies ist das erste Kapitel mit der Überschrift „Der Anfang“, 9
gemeinsam mit einigen Definitionen von Begriffen, von denen wir jeden Tag hören, und im Grunde habe ich nie aufgehört, darüber nachzudenken, was sie bedeuten. Anschließend könnte eine andere Überschrift, zum Beispiel Korruption kommen. Wir werden darüber reden, was Korruption ist, was in Bezug auf Korruption in den verschiedenen Industrien so vor sich geht und werden sehen, wie viel die Pharmaindustrien mit unserem Leben zu tun haben, ihren falschen Versprechungen, allen Kranken, ja der ganzen Bevölkerung auf diesem Planeten zu helfen und ähnlichen Nonsens. Was sie uns versprechen ist ein Haufen Müll, denn im Grunde versuchen sie, durch Korruption Geld zu verdienen, und das hat wenig damit zu tun Menschen retten zu wollen, geschweige ihnen zu helfen. Tatsache ist, dass sie Menschen töten.3 Auch möchte ich Ihnen Einblicke in die Industrie selbst geben. Ich werde erklären, worum es in der Pharmaindustrie eigentlich geht. Wie es vor 30 Jahren war, vor 40 Jahren und zu was es sich mittlerweile entwickelt hat. Vergleichen Sie doch mal die Menge der unterschiedlichsten Medikamente, die heutzutage erhältlich sind, mit denen, die vor 40 Jahren erhältlich waren. Natürlich kann man sagen, dass es seit den letzten 40 Jahren enorme Fortschritte in der Medizin und der pharmazeutischen Wissenschaft gab. Ja und nein. Die Anzahl der wirksamen, nicht verschreibungspflichtigen Analgetika oder Schmerzmittel beispielsweise sind in etwa gleich geblieben. Achten Sie darauf, ich sagte wirksam. Einige der neueren Schmerzmittel, 10
wie z.B. Ibuprofen sind nur in hohen Dosierungen wirksam. Trotzdem ist die Anzahl von wirksamen, niedrig dosierten Schmerzmitteln nahezu gleich geblieben. Lediglich die Anzahl der verschiedenen Marken ist nach oben geschossen. Das ist nun wahrlich keine Reflektion von Fortschritt in der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft; es ist lediglich ein Fortschritt der Werbestrategien in der heutigen Konsumgesellschaft. Man braucht nur das Wort „neu“ und die „Idee von etwas Neuem“ aus unserer Sprache und aus unserem Bewusstsein herausnehmen, der Konsum würde zusammenbrechen und würde auf seinen fetten, überfütterten Hintern fallen. Und hier erkennt man auch die politische Verbindung. Normalerweise würde ich mich nicht mit Politik und Religion abgeben, aber ich glaube, mir bleibt nichts Anderes übrig. Ich habe mir überlegt, darüber zu sprechen, wie ich zur Medizin kam und wann ich anfing in dieser Industrie zu arbeiten. Das war vor fünfunddreißig Jahren. Damals glaubte ich, so wie viele andere auch, die ich kennengelernt habe, dass dies eine ehrliche Industrie wäre. Meine Meinung basierte auf dem, was ich gelernt hatte, als ich in der Apotheke meines Schwagers arbeitete. Er ist wirklich wunderbar. Er ist einer dieser Pharmazeuten, der wie ein barfüßiger Doktor, wie es sie früher in meinem Land gab, praktiziert. Er mischt seine eigenen Tinkturen, um den Menschen zu helfen. Und das, was ich bei ihm sah, davon wollte auch ich ein Teil sein. 11
Im Jahre 1985, als die Globalisierung begann, fing es an, oder nein, eigentlich begann es schon früher. Lassen Sie mich eine Firma herausgreifen: Eli Lilly & Co. Der Gründer dieser Firma schien, zumindest von dem was ich gelesen und man mir erzählt hatte, jemand zu sein, der den Menschen tatsächlich helfen wollte. Man erzählte mir, dass er Medikamente herstellte, die auf Chinin in hoher Qualität spezialisiert waren, ein Medikament zur Behandlung von Malaria, an dem seine Frau gestorben war. Und ich vertraute dem, was ich gehört hatte, bis eines Tages vor fünf oder sechs Jahren, nachdem ich angefangen hatte, bei dieser Firma zu arbeiten, während eines Vortrags etwas passierte. Ich werde darauf noch einmal zurückkommen. Damals glaubte ich, dass sie anderen Menschen helfen wollten, doch leider machte auch dort die Moderne nicht halt. Diese auf Erfolg getrimmten Führungskräfte - sie scheinen übrigens immer von Harvard zu kommen oder von einer der anderen Eliteuniversitäten und geben sich gern als Senkrechtstarter aus – entwickeln während ihrer Ausbildung auch ihre Gier und das macht diese Leute zu Kriminellen. Es sind kriminell denkende Menschen, die dort draußen andere Menschen um ihr Geld bringen. Für mich liefen die Dinge damals gut und ich konnte mich nicht über sie beschweren. Ich dachte ja immer noch, in einer Industrie zu arbeiten, die ich mag, denn ich liebe die Medizin. Ein Teil dieser Liebe hat mir auch mein Vater vermittelt, den jeder in dem Dorf, wo wir lebten, „den Doktor“ nannte. Er war 12
ungebildet, aber gleichzeitig ein unglaublich intelligenter Mann.
Meine Schwester war eines Tages in einen Graben gefallen und sie hatte sich einen tiefen Riss zugezogen, da dort zerbrochene Glasflaschen lagen. Alle im Dorf fingen an zu schreien: „Bringt sie ins Krankenhaus.“ Aber mein Vater sagte nur, dass sie ihren Mund halten sollten. Er nahm ein bisschen Rum und meine Mutter musste Nadel und Faden bringen, er begann sofort, die Wunde zu nähen. Seit damals wurde er nur noch „der Doktor“ genannt. Er hatte ihr geholfen. Er hatte alles mit dem Alkohol desinfiziert, den er normalerweise trank und es ist erstaunlich, dass ein Mann, der weder lesen noch schreiben konnte, dazu fähig war.
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2. Emotionale Fesseln So war das, was ich über die Pharmaindustrie dachte, recht positiv. Ich dachte, sie helfen den Menschen. Und das tat sie auch, bis zu dem Zeitpunkt, als diese neuen Führungskräfte auftauchten. Es gibt nur zwei Aspekte, die bei diesen Senkrechtstartergeschäftsführern zählen. Einer davon ist es, Geld zu machen und der andere, den Fluss ihrer Karriere aufrechtzuerhalten. Die Firmen fingen zu dieser Zeit an, Personen, die als talentiert galten, zu benutzen, sie sollten ihre Arbeit tun und dann wollte man sie wieder loswerden: sogenannte Wegwerfmitarbeiter. Dann gibt es noch die Verkaufsleute, die Abzocker. Nun, diese Leute taten das einzige, was sie tun können und das ist, andere auf dem Weg durch ihre Karriere hindurch zu betrügen. Und um das tun zu können, muss man in Korruption verwickelt sein. Diese Leute, die sich an oberster Stelle befanden, rekrutierten also Leute wie mich, und ließen uns die Drecksarbeit machen. Was das betraf, war ich wirklich blind, weil ich ein gutes Gehalt hatte und alle paar Jahre ein neues Auto bekam, ich verfügte über Spesenkonten und lebte in extravaganten Hotels. Alles lief sehr gut - ein Jet-Set Leben. Ich genoss diese Jahre, sie machten mich allerdings blind für das Leiden der Menschen, in das ich involviert war, wenn 14
auch nicht direkt. Aber wenn ich etwas an jemanden verkaufe, und derjenige nicht weiß was es ist und Schaden erleidet, ist es dennoch mein Fehler. Ich erkannte das alles aber erst Jahre später. Die Pharmaindustrie geriet immer mehr in ein Fahrwasser der Täuschungen. Und während sie das tat, hatte die Gier so um sich gegriffen, dass es keinen Weg mehr zurückgab. 1968 hatte ich angefangen, in dieser Industrie als Vertreter zu arbeiten und kletterte immer weiter auf der Karriereleiter. In den ersten zehn Jahren habe ich die Firmen öfter gewechselt, weil mir dies die Gelegenheit gab, Erfahrungen in verschiedenen Bereichen dieser Industrie zu machen, wie Verkauf und Marketing, Supervision und Management, klinische Untersuchungen, Medizin und Marketing. Daher wanderte ich von Firma zu Firma, wenn sich die Gelegenheit ergab. Entweder bewarb ich mich bei einer Firma oder man warb mich ab. Einige, die von mir gehört hatten, warben mich ab, so auch Eli Lilly im Jahr 1979. Sie wollten mich als ihren skandinavischen Produktmanager, was bedeutete, dass ich mich auf bestimmte Produkte spezialisieren musste. Seit meine Karriere als Pharmavertreter begonnen hatte, hat nicht eine der Firmen, für die ich arbeitete, mir oder anderen, die auf der obersten Ebene als Verkaufsleute arbeiteten, jemals mitgeteilt, dass es möglicherweise zu Nebenwirkungen bei den Medikamenten kommen könnte, die verkauft wurden.
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Wir bekamen nur das Positive mitgeteilt und wir wurden genau darauf trainiert. In den Verkaufsseminaren wurde uns gesagt, niemals die negativen Seiten zu erwähnen. Eine Woche lang wurden wir über die Entwicklung, die Eigenschaften, die Vorteile und den Nutzen weitergebildet. Es wurde allerdings nichts darüber gesagt, dass diese Medikamente vielleicht zu Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Bluthochdruck oder ähnlichem führen könnten. Dies sollte, laut dieser Typen, alles beiseitegelassen werden. An einem Punkt meiner Karriere bei Eli Lilly & Co., der zum Hauptteil meiner Karriere gehört, sagten mir diese Typen, dass ich der bestausgebildete Angestellte in der Firma in Europa, in Schweden, sei. Und das war ich auch; ich wurde zu allen möglichen Kursen nach England, Rom, Amerika usw. geschickt. Das wurde in diesem Job als eine Art Vergütung gesehen. Es war natürlich aufregend, klar. Wer wollte nicht eine Woche lang mit anderen Idioten und Betrügern in Rom in einem tollen Hotel verbringen, die sich vor uns stellen und uns erklären: Wenn du es so und so machst, dann bist du ein Erfolg? Und so machte ich eben weiter. Dann, während eines Trainingsseminars bei Lilly passierte etwas. Ich werde übrigens nicht über die Kollegen in diesen Firmen, in denen ich arbeitete, reden, denn sie waren genauso wie ich, sie arbeiteten an der Basis, und versuchten ebenso etwas Neues zu lernen. Ich war damals Verkaufsleiter der Tochtergesellschaft in Schweden, der Lilly Tochtergesellschaft - in diesem Trainingsseminar jedenfalls zeigte man uns ein Video, das wir mit 16
in unsere jeweiligen Länder nehmen und das wir dazu verwenden sollten, um Vertreter und ähnliche Mitarbeiter zu trainieren. In diesem Video schwebte der Gründer von Lilly vom Himmel herunter und versuchte, uns zu motivieren. Er war zwar schon lange tot, aber er machte eine erinnerungswürdige Aussage. Diejenigen, die diesen Film zusammengestellt haben, müssen Idioten gewesen sein, oder sie haben nicht nachgedacht. Sollten sie es mit Absicht gemacht haben, dann wäre das ziemlich traurig. Jedenfalls sagte der „Colonel“, wie er genannt wurde: „Oh, ich habe da ein paar Nigger, die für mich arbeiten…“ Als ich das hörte, rief ich: „Stoppt das Video! Was soll das? Wer hat dieses Video gedreht?“ Und alle lachten. Ich sagte: „Passt mal auf, ihr mögt lachen, aber für mich ist das nicht zum Lachen.“ Und ging raus. Das Video verschwand. Es wurde nie wieder gefunden. Ich war verstört und zum ersten Mal fing ich an, meine Umgebung und die Menschen um mich herum genauer anzusehen und zu beobachten. Und dann erinnerte ich mich an all die Dinge, die ich gerade erzählt habe: beispielsweise die Nebenwirkungen zu verschweigen. Ich fing also an, Dinge aufzunehmen und sie in meiner Erinnerung abzuspeichern. Ich weiß nicht, warum ich das machte, aber ich hatte das Gefühl, dass ich begreifen musste, was hier vor sich ging. Noch verkündete ich nicht, dass ich mich in der falschen Branche befand, oder dass ich etwas falsch machte. Nein, ich 17
machte erst einmal weiter, ich hätte auch gar nicht gewusst, was ich sonst machen sollte. Mittlerweile befand ich mich an einem Höhepunkt meiner Karriere, also machte ich weiter und speicherte alles in meinem Kopf ab. Daher kann ich jetzt auch hier sitzen und all dies schreiben. Ich kann mich an vieles gut erinnern. Ich machte also weiter und befand mich bald ganz oben. Je höher man allerdings kommt, desto größer wird auch der Druck, vor allem in dieser Position, in der ich die gesamte Verantwortung als Generalmanager innehatte. Obwohl ich in meiner Abteilung dreißig Angestellte hatte, die in den verschiedensten Bereichen arbeiteten, hatte ich das Gefühl, dass ein drohende Schwert über meinem Kopf schwebt: „Wenn du nicht funktionierst, hast du nichts zu erwarten.“ Obwohl ich schon so weit gekommen war, sollte in meinen Augen der nächste Schritt eine internationale Aufgabe sein, was ich auch äußerte. Denn das sind die Dinge, die sie einem versprechen, wenn man gut ist. Also sagte ich ihnen, dass ich eine internationale Aufgabe für meine Karriere bräuchte, da ich in Schweden schon alles erreicht hatte. Da fing ich dann an, mehr über die etwas ausgeklügelten und größeren Korruptionsaktivitäten zu erfahren. Das Schmieren von Regierungen mit Cash beispielsweise. Das Kaufen von Meinungsmachern wie Professoren und ähnlichen Leute. Um die Welt reisen, Kongresse besuchen, Lobbyarbeit eben. Damals dachte ich nicht, dass man in Washington etwas über Lobbyarbeit hören würde. Die Pharmafirmen verfügen über 100.000 US $-Repräsentanten, die zu den Menschen im Kon18
gress sprechen, den Senatoren, und mit den Leuten bei den Barbecues am Wochenende. Und diese Politiker sind gekauft, sie fressen den Pharmafirmen aus der Hand und bemerken es selbst nicht einmal. Denn wenn diese Trottel ihre Korruptionsarbeit für die Pharmaindustrie durchführen, machen sie das durch die Ratifizierung eines neuen Gesetzes oder bringen Vorschläge zur Änderung von Gesetzen ein. Und wir alle wissen, dass Politiker Immunität genießen. Sie können nicht verurteilt werden. Es ist egal was sie tun, denn es hat keine Konsequenzen - außer vielleicht, wenn sie es übertreiben, ein Rücktritt - bei Bezug der vollen Pension versteht sich. Das geschieht natürlich nicht nur in der Pharmaindustrie, sondern auch bei allen anderen Branchen der Industrie. Aber ich möchte mich hier auf die großen Pharmafirmen konzentrieren, denn dort kenne ich mich aus. Sie machen immer noch weiter mit ihrer dreckigen Arbeit und verdienen Geld damit. Der Grund, weshalb Präsident Obama Schwierigkeiten hat, ein Gesundheitssystem in Amerika zu etablieren, hat mit der Pharmaindustrie zu tun. Sie werden es nur schwer schaffen, dort ein System zu errichten, in dem jeder selbst versichert ist, denn die Pharmaindustrie hat viele Politiker fest im Griff. In Europa gibt es bezüglich der Preisgestaltung eine andere Struktur, es ist wesentlich humaner. Aber die Amerikaner mit ihrem kapitalistischen System würden das nie freiwillig zulassen.
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3. Momente, an die wir uns erinnern müssen Ich kann noch genau sagen, wann ich mir das erste Mal einen Maßanzug machen ließ. Es dauerte eine Woche und ich hatte mehrere Anproben. Ich war nach Rom zu einem Kurs für Managementtrainer geschickt worden. Ich liebte diese ewige Stadt, denn dort konnte ich bekommen, was ich schon immer haben wollte: einen handgeschneiderten Anzug. Das war in den Zeiten meines hochfliegenden Erfolgs, in den Tagen, als ich Manager von Eli Lilly in Schweden war. In den 80er Jahren kam ein Medikament mit dem Wirkstoff Benoxaprofen heraus. In England wurde es unter Opren® vertrieben. Dieses Medikament sollte der erste Blockbuster werden. Das war das neue Modewort, das man von Hollywood aufgegriffen hatte und sich auf die hohen Einspielzahlen von Kinofilmen bezieht. Sie waren mit ihren Umsätzen von 100.000 oder einer halben Million US-Dollar nicht zufrieden. Sie wollten das große Geld. Das war übrigens zur gleichen Zeit, als die auf Erfolg getrimmten Führungskräfte an der Wall Street auftauchten. In Erwartung des einen großen Fangs setzten sie all ihr Geld auf dieses neue Medikament, welches ein Mittel gegen Entzündungen war, um Arthritis, rheumatische Arthritis, Arthrose und all diese Krankheitsbilder zu behandeln. Bis dahin gab es nichts, was den betroffenen Menschen wirklich half. Benoxaprofen sollte „das“ Medikament werden.
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Wie ich schon sagte, war ich zu dieser Zeit ihr Generalmanager in Schweden und ich sollte das Vormarketing des Medikaments vorbereiten. Ich war sehr erfolgreich in meinem Job in Schweden. Die Vorbereitung einer Marketingstrategie für ein Medikament wie dieses bedeutete, dass ich mehr Geld brauchte. Ich sagte der Firma also, dass das kosten würde. Sie antworteten: „Das macht nichts, gib aus, was du brauchst.“ Also gab ich Geld aus, sehr viel Geld sogar. Verglichen mit dem Budget meiner Tochtergesellschaft war es wirklich eine wahnsinnige Summe. Das meiste davon wurde für Meinungsmacher in Schweden ausgegeben, hochrangige Physiker und Spezialisten, vor allem Schmerzspezialisten. Ich hatte eine Menge hochwertiger Geschenke vorrätig, die die Ärzte auf den verschiedenen großen Konferenzen erhielten, die wir für sie abhielten. Ich engagierte sogar berühmte Künstler, die zu den Abendessen ihre Vorstellungen gaben. Alles war so exklusiv, dass sogar die Franzosen aufmerksam wurden. In der Zwischenzeit machten sich auch verschiedene andere Länder für die Einführung bereit, England zum Beispiel. Sie hatten sogar die Zulassung für Deutschland und fingen an, das Medikament dort zu verkaufen. Wir machten klinische Evaluationen in Dänemark. Dann wurde ich nach Rom geschickt, wo ich mir meine Anzüge machen ließ.
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Nach dem Kurs, der am Freitag beendet war, flog ich über Kopenhagen zurück nach Stockholm. Als mein Flug an diesem Nachmittag in Kopenhagen landete, stiegen zwei Angestellte der Fluglinie ein und eskortierten mich in die VIP-Lounge. Als ich dort ankam, erhielt ich eine Nachricht von Lilly Headquarters in den USA, die mich dazu aufforderten, mit niemandem über Benoxaprofen zu sprechen, nicht mit der Presse, nicht mit den Fernsehreportern oder mit sonst jemandem. Ich war etwas besorgt, denn das war mir noch nie passiert, in keiner Firma, in der ich bisher gearbeitet hatte. Ich dachte also, ich hätte etwas Falsches gesagt oder getan und fürchtete um meinen Job. Ich war wie erstarrt. Von Kopenhagen flog ich dann nach Stockholm und sagte zu niemandem ein Wort. Am Montagmorgen, als ich ins Büro kam, waren dort jede Menge Reporter und andere Leute, die auf mich warteten. Ich war ziemlich erschrocken; es war eine einzigartige Situation für mich. Schließlich verließ ich mein Büro durch die Hintertür, ging in die Tiefgarage, wo mein Auto stand, und fuhr nach Hause. Später fand ich heraus – nicht sofort, denn dies alles geschah noch bevor es das Internet gab – dass einige Patienten in England aufgrund der Nebenwirkungen gestorben waren. Das Medikament war nur einige Wochen lang auf dem Markt und hatte schon ziemlich hohe Verkaufszahlen erreicht; ich kann mich zwar nicht mehr so genau erinnern, aber es müssen etwa 1 Million £ in der Woche gewesen sein.
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