Neue R채ume f체r Politik
o Wne r ship b esi t z e n s n e u e
f o rm en d es
a uS g a B E p rE i S
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bes i t
editorial
Liebe Leser*innen, kaum ein Thema scheint uns im Alltag so präsent wie Fragen zu Besitz und Eigentum, Besetzen und Erben. Quasi-natürlich werden Ansprüche auf Gehören und Verfügen hingenommen und mit Begriffen dekoriert, dabei handelt es sich um soziale Aushandlungsprozesse, historische Kontinuitäten und politische Festsetzungen. Unser Heft soll ausgewählte Aspekte dieser Prozesse beleuchten: so versucht es zum einen Verfügungsansprüche zu definieren, wie im Gespräch mit Hannes Siegrist, und zum anderen historisch zu fassen, wenn sich Margareth Lanzinger mit Eigentumsverhältnissen der Frühen Neuzeit beschäftigt und Sonja Niederacher über Erbpraxen um 1900 und deren genderspezifischen Auswirkungen schreibt. Ausgabe 17 macht darüber hinaus aktuelle streitbare Praxen und Prozesse sichtbar: Cordula Reuß berichtet über NS-Raubgut an der Universitätsbibliothek Leipzig und Safia Aidid appelliert im Interview für einen dringend benötigten Postcolonial Turn in den Wissenschaften. Für koloniale sprachliche Prägungen sensibilisiert Ian Malcolm im Gespräch über Aboriginal Englishes, und Katharina Döring blickt kritisch auf das Konzept der African Solutions. Während Torsten Bultmann über Gehören in der Wissenschaft schreibt, fragen Andrea Schneider und Felix Becker nach Ownership an Grund und Boden und schlussendlich zeigen uns Clara Helming und Sarah Klosterkamp Besitzansprüche auf den Anti-Garten Sachsenbrücke. Viel Freude beim Lesen über koloniale Kontinuitäten, vergangene Eigentumskonzepte und heutige Aneignungen wünscht Eur e
O W N E R S H I P
Re d a k t i o n
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i n h a lt Editorial
„B ü c h e r ,
die uns nicht gehören“
NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig K o r d u l a Re u S S
“I t ’ s t i m e f o r a p o s t c o l o n i a l t u r n , n o t o n l y i n S o m a l i S t u d i e s ! ” (Interview) Safia Aidid
Wem gehört die Wissenschaft? T o r s t e n B u lt m a n n
A f r i c a n P r o bl e m s w i t h A f r i c a n S o l u t i o n s –
The History of a Common Phrase K at h a r i n a D ö r i n g
“S c h o n B e u t e k u n s t b e t r a c h t e t ? ” – ‘Dialog der Kulturen’ im Humboldt-Forum M a r e i k e He l l e r
D i s s o l v i n g t h e s ta n d a r d v a r i e t y – The ownership of Aboriginal English in Australia (Interview) Malcolm, Ian
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p o w i s i o n
„W e n n v i e l e i r g e n d e i n w e n n a u c h n o c h s o k l e i n e s E i g e n t u m z u v e r t e i d i g e n h a b e n , d a n n f ä llt w e n i g e r a u f , d a s s d i e e i n e n f a s t a ll e s b e s i t z e n u n d d a r ü b e r v e r f ü g e n u n d d i e a n d e r e n n u r w e n i g h a b e n . “ (Interview)
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H a n n es S i e g r i s t
B e z i e h u n g s f e l d e r u n d K o n f l i k t r ä u m e
Eigentumsverhältnisse von Frauen in der Frühen Neuzeit Margareth Lanzinger
W e m g e h ö r t d e r Wa l d ? Fe l i x B e c k e r
Die Landwirtschaftliche Rentenbank –
Wem gehört die Bank der Bauern? Andrea Schneider
Die Bedeutung des Erbens
Firmenerbinnen und -erben zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien S o n j a N i e d e r ac h e r
Die besetzte Brücke – Warum hängen eigentlich alle auf der Sachsenbrücke rum? C l a r a He l m i n g /
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Sarah Klosterkamp
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Bücher, die uns nicht gehören N S - R a u b g u t i n d e r U n iv e rs i t ä t sb i b l i o t h e k L e i p z i g
Cor dul a
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icht nur Museen und Archive, sondern auch Bibliotheken haben Kunstwerke und Artefakte in Besitz, deren Rechtmäßigkeit als Eigentum in Zweifel gezogen werden muss. Dies gilt in besonderem Maße für den Besitz geraubter Güter während der Zeit des Nationalsozialismus auf dem Territorium der ehemaligen DDR, aber auch für Erwerbungen aus Enteignungen aus der Bodenreform 1945-1946 in der sowjetischen Besatzungszone sowie für Bestände aus dem unrechtmäßigen Entzug von Kulturgut bei Ausreise oder Verfolgung von Bürgern der ehemaligen DDR. Auch in den Beständen der Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) sind solche Bücher nachweisbar und wurden teilweise schon aufgespürt und restituiert. Im Rahmen des durch die Arbeitsstelle für Provenienzforschung am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin finanziell unterstützten Projektes „NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig“ wurde von 2009 bis 2012 speziell nach Erwerbungen gesucht, die in der Zeit des Nationalsozialismus Personen und Organisationen geraubt wurden. Grundlage für diese Überprüfung ist die sogenannte Washingtoner Erklärung (Washington Principles)1 vom 3. Dezember 1998 – eigentlich: „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden.”
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Text Re u S S
Die Erklärung entstand als Ergebnis der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust”, an der 44 Staaten, zwölf nicht-staatliche Organisationen – insbesondere jüdische Opferverbände – sowie der Vatikan teilnahmen. Im Rahmen der Wiedergutmachungspolitik hatte die Bundesrepublik Deutschland über Bundesentschädigungsgesetze die juristischen Grundlagen geschaffen, um berechtigte Ansprüche auf Restitution oder materielle Entschädigung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut erfüllen zu können. War eine Entschädigung an Erben im Einzelfall nicht möglich, wurde eine Ausgleichszahlung an die Conference on Jewish Material Claims2 gezahlt. Jedoch wurde bis 1998 keine kontinuierliche Provenienzforschung betrieben. Die Einrichtungen überprüften nur konkrete Fälle, die an sie herangetragen wurden. Zivilrechtlich sind diese Ansprüche längst verjährt; das Bundesrückerstattungsgesetz und das Bundesentschädigungsgesetz können wegen abgelaufener Stichtagsfristen nicht mehr in Anspruch genommen werden. Ungeachtet der fehlenden zivilrechtlichen Grundlagen
Washington Conference on Holocaust-Era Assets November 30 – December 3, 1998. Washington, 1999. [online unter: http://babel. hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015042080161;view=1up;seq=1; letzter Aufruf 30.3.2015].
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Mehr Informationen online unter: http://de.wikipedia.org/wiki/ Jewish_Claims_Conference; letzter Aufruf 13.4.2015.
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hat sich die Bundesrepublik Deutschland neben weiteren 43 Staaten verpflichtet „nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu suchen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, eine gerechte und faire Lösung zu finden.”3 Der wahre Berechtigte soll festgestellt werden; früher geleistete Entschädigungszahlungen sind gegebenenfalls zu berücksichtigen. Dabei unterscheidet sich die Suche nach NS-Raubgut in Bibliotheken im Verhältnis zur Herkunftsforschung von originären Kunstwerken in Museen in einigen Punkten. Im Gegensatz zur Einmaligkeit von Kunstwerken sind die Eigentümer von Büchern, die in zahlreichen Exemplaren erschienen und in Bibliotheken vorhanden sind, in vielen Fällen schwerer oder gar nicht mehr zu ermitteln. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Herkunftsbestimmung sind neben Archivalien nur individuelle Merkmale wie Exlibris, Stempel oder handschriftliche Eintragungen, die ein spezielles Exemplar eines Titels einer Person oder Organisation zuordenbar machen. Individuelle Merkmale in Büchern sind aber eher die Ausnahme. Zudem liegt der Wert vieler dieser Bücher nicht sehr hoch, so dass hier weniger eine finanzielle Entschädigung, sondern eine moralische oder symbolische Wiedergutmachung im Vordergrund steht. Grundlage für die Suche im Bestand der UBL waren in erster Linie Akten und Archivalien aus der Altregistratur. Zahlreiche Begleitschreiben der Geheimen Staatspolizei deuteten auf die Überweisung von beschlagnahmter Literatur an die UBL hin. Ein leider nur teilweise und unvollständig geführtes gesondertes Zugangsbuch aus den Jahren 1933-1945 verwies auf die erworbenen Bücher.4 Nach dem Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 wurde bereits am 28. Februar die Reichstagsbrandverordnung erlassen. Damit wurden die Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt und der Weg frei für die legalisierte Verfolgung der politischen Gegner der NSDAP durch Polizei und SA. Die bei diesen Verhaftungen sichergestellten Bücher wurden u.a. an die UBL überwiesen, neben Titeln, die aus Beschlagnahme aktionen zur Sicherstellung sogenannten „schädlichen und unerwünschten Schrifttums” stammten, die bereits ab Mai 1933 stattfanden. Betroffen waren u.a. Verlage, Buchhandlungen, Antiquariate und Werksbibliotheken sowie die Bibliotheken verfolgter Organisationen (Gewerkschaften, Parteien, Arbeiterbildungsvereine, religiöse Gemeinschaften, Freimaurerlogen). Beschlagnahmte Bücher wurden den für die Archivierung dieser Literatur vorgesehenen Bibliotheken oft von Polizeidienststellen, Bürgermeister ämtern und Landratsämtern zugesandt. Widmungen, Stempel und Exlibris der Eigentümer dieser Bücher spiegeln das ganze Spektrum verfolgter und dem Terror ausgesetzter Personen und Organisationen wider. Zum Beispiel gelangte ein großer Teil der beschlagnahmten
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ibliothek des Kommunisten Karl Ferlemanns in den B Bestand der UBL. Durch umfangreiche Archivstudien konnte Anett Krause im Rahmen des Projektes Ferlemanns Lebenslauf und Schicksal recherchieren. Karl Ferlemann wurde am 2.8.1901 in Heiligenhaus im Rheinland geboren. 1919 trat er in die KPD ein und wurde 1922 Ortsgruppenleiter im rheinländischen Velbert. Von April 1926 bis September 1928 besuchte er die Internationale Leninschule der Komintern in Moskau, wo er unter seinem Schulnamen „Peter Fries“ Artikel veröffentlichte. Der handschriftliche Eintrag „Fries“ oder kyrillisch „Friss“ in sechs Büchern konnte durch die Auswertung seines Erhebungsbogens der Komintern eindeutig Ferlemann zugeordnet werden. Von Ende 1928 bis März 1931 war er organisatorischer Leiter in Düsseldorf, außerdem Abgeordneter im Preußischen Landtag. 1931 übernahm Ferlemann die Funktion des organisatorischen Leiters in der Bezirksleitung Leipzig und baute hier die KPD-Organisation weiter aus. Am 17.11.1933 wurde er in Berlin verhaftet und am 4.7.1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Haftzeit verbüßte er im Zuchthaus Waldheim, wurde danach aber ins KZ Sachsenhausen gebracht. Auf dem sogenannten Todesmarsch in Richtung Schwerin brachten SS-Angehörige Ferlemann am 3.5.1945 um. In Gedenken an ihn erhielt 1945 eine Straße in Leipzig-Lindenau seinen Namen. Die Bücher aus seiner Bibliothek gelangten 1933 über die Leipziger Geheime Staatspolizei in die UBL. Insgesamt konnten 119 Bände im Bestand ermittelt werden.5 Die Suche nach Erben gestaltete sich sehr schwierig. Mit Hilfe von Mitarbeitern des Archivs der Gedenkstätte Sachsenhausen wurden unsere Recherchen den Nachfahren von Karl Ferlemann übermittelt, jedoch wünschten diese keinen Kontakt zu uns. So können die Bücher nicht restituiert werden und verbleiben, im Katalog gekennzeichnet als NS-Raubgut, im Bestand der UBL. Restituiert dagegen wurden vier Bücher an den Erben von Anni und Ewald Arnold, die als Mitglieder der Zeugen Jehovas ebenfalls Repressalien in der Zeit des National sozialismus ausgesetzt waren.
3 Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes insbesondere aus jüdischem Besitz; Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 9.Dezember 1999; online unter: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1999/1999_12_09-Auffindung-Rueckgabe-Kulturgutes.pdf; letzter Aufruf 30.3.2015. 4 Universitätsbibliothek Leipzig, Registratur, 67/68, Zugangsbuch Polizei
Krause, Anett / Susanne Seige (2011): "Kommunisten", in: Cordula Reuß (Hrsg.): NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig, Leipzig: Universitätsbibliothek, S. 28–37.
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Hermann Malkomes, der Vater von Anni, wurde am 29.11.1887 in Leipzig geboren, am 2.10.1936 wurde er als Bibelforscher verhaftet, von 1937 bis Ende Januar 1944 war er im KZ Buchenwald; ab Februar 1944 bis 29.5.1944 im KZ Lublin. Am 29.5.1944 starb er, angeblich an Lungenentzündung. Seine Tochter Anni wurde am 2.9.1910 in Paunsdorf bei Leipzig geboren und kam 1923 ebenfalls mit den Zeugen Jehovas in Kontakt. Im Oktober 1936 wurde sie inhaftiert. Ihr Ehemann, Ewald Arnold, wurde am 26.7.1905 in Deuben bei Wurzen geboren und war Maschinenschlosser. Er trat 1924 der Religionsgemeinschaft bei. Von 1935 bis 1939 war er in Sachsenburg, Freiberg, Leipzig und Buchenwald in Haft. Da beide auch nach dem Krieg in der damaligen sowjetischen Besatzungszone erneut Repressalien aufgrund ihres Glaubens ausgesetzt waren, flohen sie im September 1950 in das damalige Westdeutschland.6 Über Recherchen im Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas in Selters konnten wir Kontakt zu einem Neffen von Anni Arnold aufnehmen, der uns zahlreiche wichtige Familiendokumente, Briefe und Akten, die Familie Arnold betreffend, zur Verfügung stellte, wodurch wir in unserer Ausstellung ihren Lebensweg beschreiben konnten. Nach Prüfung der Erbberechtigung und der Aussonderung der nachweislich dem Ehepaar Anni und Ewald Arnold gehörenden Bestände, wurden diese am 4.9.2013 an Thomas Künz restituiert. Aber nicht nur in Deutschland, sondern u.a. auch auf dem Balkan wurden Bücher geraubt, die auf verschlungenen Wegen 1942-1943 nach Leipzig kamen. So z.B. 798 Bände aus der serbischen Verlagsbuchhandlung des jüdischen Verlegers Geza Kon. Da in diesem Fall keine Erben ermittelt werden konnten übergab die UBL die Bücher anlässlich des 70. Jahrestages des Angriffs der deutschen Wehrmacht auf Belgrad am 6.4.2011 an die dortige serbische Nationalbibliothek. Die UBL sah in der bei einem Bombenangriff der Deutsche zerstörten und von 2007 – 2011 renovierten Nationalbibliothek Belgrad die legitime kulturelle Adresse, um die Bücher in die Stadt Belgrad zurückzuführen.7 Bücher aus Raubzügen der Nationalsozialisten kamen jedoch nicht nur in der Zeit von 1933-1945 in die Bibliotheken. Viele beschlagnahmte Bücher, zum Beispiel aus Bibliotheken der Freimaurerlogen oder jüdische Bücher, wurden an zentralen Stellen der NSDAP und des Reichssicherheitshauptamtes gesammelt. Nach dem zweiten Weltkrieg herrenlos, wurden sie über die zentrale Verteilerstelle, die Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände der DDR (ZwA), an Bibliotheken und Antiquariate weitergegeben oder veräußert. Deshalb prüften wir in einer zweiten Phase des Projektes relevante Bestände aus dem Erwerbungszeitraum 1953-1973.
Auf ein Buch aus dem Besitz des Pianisten Arthur Rubinstein (1887-1982)8 , identifizierbar durch ein schönes Exlibris mit einem Elefanten, sei hier als Beispiel hingewiesen. Das Buch wurde 1960 über die ZwA in Berlin erworben. Rubinstein lebte mit seiner Familie in Paris, als er kurz vor dem Einmarsch der deutschen Truppen im Herbst 1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika übersiedelte und seinen Pariser Besitz zurücklassen musste. Dieser wurde, darunter auch seine Privatbibliothek, vom „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ noch im selben Jahr konfisziert. Die Bibliothek brachte man in das Reichssicherheitshauptamt nach Berlin. 1945 wurden diese Bestände als Beutegut von der Roten Armee in die Sowjetunion transportiert. Erst im Zuge der Rückführung von Teilen deutscher Kulturgüter durch die UdSSR gelangten auch die 71 Musikhandschriften 1958/1959 wieder nach Berlin und wurden der Musikabteilung der Deutschen Staatsbibliothek in Ostberlin zugewiesen.9 Dass unser Buch über diesen Weg in die Staatsbibliothek kam und dort vielleicht als Dublette ausgeschieden und der ZwA übergeben worden war, ist anzunehmen, aber nicht mehr nachweisbar. Insgesamt wurden in den beiden Projektphasen zusammen ca. 12 600 nach bestimmten Kriterien ausgewählte Bände aus den Magazinen der UBL geprüft. Bei rund 6000 Bänden bestätigte sich der Verdacht auf eine unrechtmäßige Erwerbung. Diese werden auch heute noch in unserer Projektdatenbank10 präsentiert, ergänzt durch die Scans der individuellen Spuren ihrer Vorbesitzer, wie Stempel, Exlibris oder handschriftliche Einträge. Außerdem wurden die Titel in der Lostart-Datenbank11, der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg, seit 2015 unter der neuen Struktur Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste, verzeichnet. 1455 Bücher enthielten individuelle Merkmale der Vorbesitzer. In vielen Fällen ist weitere Forschungen nötig, um endgültig zu klären, wem diese Bücher gehörten, welche Schicksale damit verbunden sind und ob es Erben gibt, mit denen faire und gerechte Lösungen für eine Rückgabe oder gütliche Einigung gefunden werden können.
6 Am 31. August 1950 wurde die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas in der DDR verboten. 7 Schneider, Ulrich Johannes (2011): „Geste der Versöhnung: UB Leipzig übergibt NS-Raubgut an Belgrad“, in: BIS - Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen 4(2011)2, S. 94 – 95. 8 Rubinstein, Arthur (1980): Mein glückliches Leben, Frankfurt am Main: S. Fischer, S. 792.
Pressemitteilung: „Stiftung Preußischer Kulturbesitz restituiert Handschriften aus der Musikbibliothek von Arthur Rubinstein“ online unter: http://hv.spk-berlin.de/deutsch/projekte/einzelfaelle/20060505_Rubinstein.pdf. Letzter Aufruf 14.7.2011.
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10 http://nsraubgut.ub.uni-leipzig.de/content/below/index.xml. Letzter Aufruf 13.4.2015. 11 http://www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/Index.html. Letzter Aufruf 13.4.2015.
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“Africans are simply objects to study and not producers o f k n o wl e d g e themselves” int er view wit h Safia Aidid conduct ed by Ul r ik e Nack
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n Spring 2015 the first issue of a newly founded Somaliland Journal of African Studies was released. It was the starting point of a widespread discussion about a necessary change in and a reappraisal of Somali Studies. Powision talked with Safia Aidid, a Harvard researcher who started the discussion about the going-ons and about what the Leipzig anthropologist Markus Höhne has to do with it. P o w i s i o n : I would like to speak with you about the newly founded Somaliland Journal of Africa Studies (SJAS). The journal is concerned “with a particular scope in East Africa and the Horn“1 and published its first issue in February 2015. Being yourself a Somali-Canadian young researcher in African History at Harvard University this journal caught your attention. Could you explain why? A i d i d : I saw the first issue of the journal in March 2015, and as a new journal I was unfamiliar with, I took
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some time to browse the website and its pages and read more about the people involved in it. I was struck by the absence of Somalis in the editorial board, international advisory board, and the authors whose work was published in the first issue. The editor-in-chief, a student at the School of Oriental and African Studies (SOAS) at the University of London, described the journal as one “put together with students and scholars of the Institute for Peace and Conflict Studies of the University of Hargeisa”, but nothing about the journal reflected or represented this. University of Hargeisa in Somaliland has since released a statement saying they have no relations with SJAS2. About the SJAS [online: http://sjasipcs.wix.com/home#!about/ c226g, last visited on May 1st 2015].
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Institute of Peace and Conflict Studies (2015): “Statement Regard to the ‘Somaliland Journal of African Studies (SJAS)”, April 3rd 2015 [online:https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid =720971991344633&id=219942591447578].
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It was deeply concerning to me to see a journal that claimed to be a collaboration with a university in the Somali region, have a primary focus on the Horn of Africa and East Africa and use the name Somaliland in its title fail to have any Somali scholars, researchers or students represented. I perceived this to be an example of a much larger issue in Somali Studies and the field of African Studies more generally, which often marginalizes Somali academics in favour of Western experts. I wanted to ask what the logic was that made it possible to exclude Somalis from academic knowledge production, which is how the #CadaanStudies hashtag emerged.
To have no Somalis represented on an academic journal called “The Somaliland Journal of African Studies” is problematic for the reasons I’ve mentioned. It is an indefensible exclusion that reinscribes the notion that Somalis are objects of academic inquiry, while the non-Somali positions himself as the expert and producer of knowledge about them. Ethiopians are not a substitute for Somalis, and the presence of three Ethiopian academics does not change this dynamic. It is also interesting to consider Ethiopia’s history with the Somali territories – it was also an empire that participated in the colonization of the Horn of Africa alongside Britain, France and Italy, and so historically it has also had a colonial relationship with the Somali region.
P o w i s i o n : What is so bad about there being no Somali members in the editorial board of this journal? A i d i d : The notion that expertise and knowledge
production in academia is the domain of the West, while Africans are simply objects to study and not producers of knowledge themselves, is something that has its roots in colonialism. Somali Studies and the academic study of the Somali territories emerged alongside the European colonization of the region, and knowledge about Somalis produced by colonial anthropologists and other social scientists helped facilitate colonial rule. SJAS, where this journal was launched, was actually one of the institutions that helped train these social scientists and colonial administrators with language and cultural information before they went to British Somaliland. To have a journal that seeks to study the Somali territories without Somali members of the journal simply rehearses a colonial dynamic, where once again Somalis are objects of the European scientific gaze. Furthermore, there are many Somali social scientists – professors, researchers, graduate students – who could have been approached to serve on the journal’s editorial boards, in the Somali region as well as in the diaspora. P o w i s i o n : You initiated a conversation on Facebook and a conversation under the hashtag #Cadaanstudies. Why did you choose to name it Cadaanstudies which means white/whiteness in Somali? There are also three Ethiopian academics on the journal board. If there weren't, what is the problem with an all-white editorial board? A i d i d : The term whiteness in the way I have used it for the hashtag is one rooted in critical theory and postcolonial studies. That is, to describe, signify and analyze a system of power where a history of colonialism is at the centre – and colonialism was a racialized process – and to think about how this system of power and its history have shaped Somali Studies. It is not a question of individuals but of the systemic level, and the power relations of Western dominance that it produces and sustains to this day.
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P o w i s i o n : You wrote an article3 about this Face-
book discussion and illustrated the shift of conversation when Markus Höhne, a German anthropologist who works at Leipzig University, joined in. Being a board member of SJAS he claims “NOT [to] come across many younger Somalis who would qualify as serious SCHOLARS – not because they lack access to sources, but because they seem not to value scholarship as such.” And in a further response4 he asked “Now, where are all the ‚marginalized‘ Somalis who do not get their share in academia?” What is your response? A i d i d : Markus Höhne’s comments were troubling and problematic for a number of reasons. He entered a conversation taking place on Facebook between Somalis about the systemic issue of exclusion, marginalization and non-Somali dominance in the field of Somali Studies, not to engage productively in the discussion, but to dismiss it. Rather than think critically about the issues identified – issues that have been raised by anthropologists, postcolonial studies and African Studies scholars for decades now – he chose to instead rationalize the absence of Somalis from SJAS’ editorial boards as a problem with Somali people. He portrayed us as overemotional and partisan for raising this issue (“look beyond your Somali navel”), claimed that Somalis are not only incapable of serious, quality scholarship but that they lack an interest in academics, and suggested that Somali social scientists do not exist. He continued to argue with over 30 Somalis on Facebook, many of whom were researchers and PhD students in the social sciences, dismissing the validity of our critique of academic knowledge production in Somali Studies. Towards the end
3 Aidid, Safia (2015): “Can the Somali Speak? #CadaanStudies”, March 30, [online: http://africasacountry.com/can-the-somali-speak-cadaanstudies/].
Höhne, Markus (2015): “Critical whiteness in Somali studies and how to improve analyses of Somali affairs”, in: Sahan Journal March 30rd 2015, [online: http://sahanjournal.com/oped-critical-whiteness-somali-studies-improve-analyses-somali-affairs/#. VT6D45PwugN].
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he even added that when we were done with discussing this, we would return to our “Somali tribalism”. P o w i s i o n : What are the reasons behind him claiming that he just does not know many Somali researchers? You named the objectification of Somali in academia, that they are seen as mere objects of science instead of being seen as subjects doing science. How does this appear in the scientific practice of Somalia Studies? How are Somali researchers marginalized? A i d i d : To go back to Markus Höhne’s comments, you can see this logic at work through the process of erasure: Somali academics simply did not exist in his view, because he believes they lack the discipline to produce scholarship and are not interested in academia. He is able to express his ignorant beliefs and opinions on Somalis as a non-Somali academic, because his words are not opinions or beliefs – as a non-Somali researcher, his views are considered authoritative, objective, scientific. He positions himself as a “gatekeeper” in the field of Somali Studies, one who can claim authoritative knowledge of the status of the academic field – which we were then told we must not understand, if we were critical of the state of things – as well as the quality of work being produced within it, which enabled him to say Somalis are not serious. In fact, even with the many names on the collective response I authored in response to his comments, including a large number of Somali professors, PhD candidates and researchers, he referred to us as “activists”, not “academics”. P o w i s i o n : Höhne is just one member of SJAS editorial board. Did the journal officially reply? A i d i d : I have not been in direct communication with SJAS, but Rodrigo Vaz, the editor-in-chief, spoke to Vice News a few weeks ago5. He said “The #CadaanStudies hashtag, Safia, and many others are completely right on this [...] reversing that is our top priority right now”, and “there has been certainly, and unfortunately – for colonialist reasons and legacies – a disproportion of white scholars on many levels of study fields, African Studies included. That should change and if SJAS can contribute to that, then I can only be glad”. He also added “I completely disagree with Markus Höhne’s remarks. Not only they are disrespectful to all Somali academics in Somalia and Somaliland [...] they were unnecessary and needlessly provocative”. P o w i s i o n : Do you think your initiative provoked
a change not only within the journal, but in Somali Studies in general? What are the questions Somalia Studies – and other sciences with a colonized history and a predominance of whites – have to face?
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A i d i d : Absolutely. The intervention made by #CadaanStudies and the conversations it has generated has opened up space to critically reexamine knowledge production in the field of Somali Studies, and to think about new ways forward. It has also revealed a new generation of critical scholars who have a background in critical theory and are entering the field and asking new questions. These questions include that of reflexivity and subjectivity in social science research, examining the colonial epistemologies underpinning Somali and the reductive concepts and lenses that have remained, and interrogating the global relationships of power that continue to shape the field. This is something not only Somali Studies has to grapple with, but African Studies and area studies programs in general. A number of these fields have already experienced their “postcolonial turn” – some people have described what is happening in Somali Studies as comparable to Subaltern Studies in South Asian studies in the 1980s. This first wave of postcolonial critique is only just now beginning for Somali Studies, over 30 years later. P o w i s i o n : How come it did not reach Somali Studies before? What circumstances made your critique and those of others possible? A i d i d : I wonder this too. But it seems to me that the reason is primarily that Somali Studies has been such a small subfield, and most of the research produced within it has not quite reached academic audiences beyond those interested in the Somali territories. Aside from a few academics like Abdi Samatar and Catherine Besteman, classical works in Somali Studies like I.M. Lewis’ book “A Pastoral Democracy”, remain important and Lewis’ reductive model of the Somali clan system is still the dominant understanding of Somali social and political life. The reason #CadaanStudies and the issues have exploded out into the open now and not earlier is a combination of the sheer ignorance of Markus Höhne’s comments and the almost unbelievable exclusions of SJAS – the issues were now so glaring and unacceptable, that they required a response and a long overdue discussion. Ahmed Ibrahim also highlighted another important dynamic of #CadaanStudies in a recent article6, that is a new generation of young Somali scholars in the social sciences who have mastered the languages of theory and Western academia, and can now speak back to problematic discourses, representations and concepts dominating Somali Studies.
5 Hassan, Huda (2015): “Somali Journal Launches Without any Somali Voices, Highlighting Another Case of White Privilege in Academia”, in: Vice, April 1st 2015, [online: http://www.vice.com/en_ca/ read/somali-journal-launches-without-any-somali-voices-highlighting-another-case-of-white-privilege-in-academia]. 6 Post, Warya (2015): “#Cadaanstudies: Is Being A Somali Not Enough To Produce Quality Work?”, April 14rd 2015, [online: ://www.waryapost.com/cadaanstudiesis-being-a-somali-not-enough-to-produce-quality-work/].
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P o w i s i o n : So what is there to do? Or to refer to your article7 published in April: what would a decolonized Somali Studies look like? Höhne seems to think that this idea would exclude all white people from this science.8 Is that what you have in mind?
P o w i s i o n : I thank you very much for your time. It was a pleasure talking to you! I wish you good luck with your future work.
A i d i d : Now that the crucial space has been created, we must continue to critique, theorize and produce new, imaginative scholarship that is critical and theoretically informed. This has never been a call for non-Somalis to vacate the field of Somali Studies, and to suggest so would be a reductive and flawed interpretation of this analysis of Western power and knowledge production. The point is to be conscious of structural positioning and self-reflexively critique how power has shaped and continues to shape Somali Studies. I’m currently in the process of planning a critical workshop tentatively titled “Reimagining Somali Studies: Colonial Pasts, Postcolonial Futures” for spring 2016 at Harvard, which will include both Somali and non-Somali academics, and there are additional projects underway. What we all share in common is a desire to formulate new, interdisciplinary thinking about Somalis and the Somali territories, and a commitment to critical and theoretical analysis. P o w i s i o n : Where else would you locate your own work in this process? A i d i d : As someone trained in the social sciences in North American institutions, I have always been exposed to theory, self-reflexivity and critical research practices, postcolonial studies and many of the critiques made of the social sciences since the 1960s. All of this has shaped my own thinking and research, as well as being surrounded by graduate students and professors and being in a vibrant intellectual environment where these discussions and debates take place. Yet this has been in tension with the academic subfield my research belongs to, Somali Studies, where a rigid methodological empiricism has dominated social science research on the Somali territories since its colonial beginnings.
In some ways, my hope is for Somali Studies to catch up to these other fields that have shaped my work and experience in academia. But at the same time, I believe that Somali Studies has the potential to go beyond this and become one of the most exciting and vibrant fields in African Studies and area studies more generally. The contemporary Somali territories have undergone radical shifts in their institutional design in the new global order – a very different place than the world the postcolonial theorists of the 1970s and 1980s analyzed – and we can make a compelling case for not only studying the Somali territories through these lenses, but for thinking about world historical processes of modernity from the vantage point of Somalis.
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7 Aidid, Safia (2015): “The New Somali Studies”, in: The New Inquiry, April 14rd 2015, [online: http://thenewinquiry.com/essays/ the-new-somali-studies/]. 8 “In my view, it is unproductive to erase all the whites in the field just because of their skin-color or structural positioning.“). Ibid. footnote 2.
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Wem gehört die Wissen schaft? Tor sten
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ormulieren wir es zunächst idealtypisch. Es ist die Aufgabe der Hochschulen, das überlieferte wissenschaftliche Wissen zu bewahren, dieses durch Forschung zu erweitern und an künftige akademische Generationen weiter zu geben. Vor diesem Hintergrund erscheint bereits die Frage nach einem besonderen Eigentumsrecht an der Wissenschaft, welches zudem gleichbedeutend wäre mit exklusiver Verfügung über sie und dem sozialen Ausschluss derjenigen, die dieses Privileg nicht haben, als absurd. Hochschulen sind daher öffentliche Einrichtungen, sie werden aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert und sind grundsätzlich im sozialen Sinne offen. Wissenschaft ›gehört‹ daher niemandem, sondern allen. Das ist zugleich ein unverzichtbarer Modus ihrer Entwicklung. Das gilt zunächst aus einer historischen Perspektive: “Wissenschaftliche Arbeitsprodukte sind, weil Resultat einer gattungsgeschichtlich akkumulierten Arbeit, allgemein, gehören damit zunächst der Gattung an und sollten wahr sein.” (Ruschig 2007: 509)
Der Wahrheitsanspruch ist universell und folglich auch grundsätzlich in seiner gesellschaftlichen Wirkung, etwa im Sinne einer Verbesserung allgemeiner Lebensbedingungen durch wissenschaftliche Innovationen, nicht einschränkbar. Die Öffentlichkeit von Wissenschaft ist zugleich die Voraussetzung für die kritische Kommunikation ihrer Ergebnisse und Aussagen, nicht nur an der Hochschule, sondern in der ganzen Gesellschaft, woraus wiederum neue Erkenntnisse entstehen können. Damit ist Wissenschaft ein klassisches
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Text Bultmann
»Kollektivgut« (Münch 2011, 42). Wird dem entgegengearbeitet, wird auch der gesellschaftlich relevante Erkenntnisprozess eingeschränkt. Das ist der tiefere Grund dafür, dass sich Wissenschaft nicht ad infinitum ›privatisieren‹ lässt, weil dann irgendwann einmal jegliche Entwicklung still steht. Dennoch wird dies ständig versucht. Die hochschul politischen Kämpfe und Konflikte der letzten Jahrzehnte lassen sich auch als permanente Auseinandersetzung darstellen, gegen gesellschaftliche Interessenwidersprüche, die auf exklusive Verfügung und Aneignung von Wissenschaft zielen, deren Allgemeinheitsanspruch – einschließlich der sozialen Öffnung der Hochschulen – durchzusetzen. Bereits seit dem späten 19. Jahrhundert bis heute etwa versucht eine bestimmte Fraktion des Bildungsbürgertums, über ein gegliedertes Schulsystem den Hochschulzugang strikt zu begrenzen (von Friedeburg 1992: 179ff.). Dem liegen rein außerwissenschaftliche Motive der Absicherung des eigenen sozialen Status zugrunde. Vor allem jedoch entwickelt sich der Kapitalismus etwa seit Ende des 19. Jahrhundert auf der Basis permanenter wissenschaftlich-technischer Innovationen. Heute reden wir vom High-Tech-Kapitalismus. Hier trat zunächst der Staat mit der Gründung und Finanzierung Technischer Hochschulen (und der Gründung technischer Fakultäten an den traditionellen Universitäten) auf den Plan, quasi als »ideeller Gesamtkapitalist« (Marx), weil die Industrie aus eigenen Ressourcen ihren Forschungsbedarf nicht decken konnte. Heute unterhält natürlich die Großindustrie eigene Forschungsabteilungen. Diese sind allerdings darauf angewiesen, dass die öffentlichen Hochschulen die erforderlichen Qualifikationen ausbilden und die – nicht unmittelbar profitable – Grundlagenforschung gewährleis-
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ten. Grundsätzlich aber gilt: Wissenschaftlich induzierte Konkurrenzvorteile setzen Patentierung und Geheimhaltung voraus, wodurch gleichzeitig Wissenschaft tendenziell der Öffentlichkeit entzogen wird. Diese Widersprüche wirken sich auch bis in die staatlichen Hochschulen hinein aus – und fördern den problematischen Umbau der Hochschulen in unternehmensähnliche Gebilde. Seit Ende der 90er Jahre wird schrittweise in den Landeshochschulgesetzen versucht, das Leitbild der ›unternehmerischen Hochschule‹ durchzusetzen. Das neue Leitbild hat zunächst Managementstrukturen an der Spitze der Hochschule gestärkt und die akademische Selbstverwaltung drastisch geschwächt. Vor allem hat es mit diesen Strukturen zu einer Verschärfung des Wettbewerbs zwischen den Hochschulen, vor allem um die Einwerbung zusätzlicher Finanzen, beigetragen. Dieser Wettbewerb zwischen den ›unternehmerischen Hochschulen‹ wird vorrangig auf dem Feld der sogenannten Spitzenforschung ausgetragen. Es zählen Zuwächse bei den Drittmitteln oder Erfolge in Forschungssonderprogrammen wie der Exzellenzinitiative (kritisch dazu: Bultmann 2012). Das Ganze spielt sich ab vor dem Hintergrund, dass die Grundfinanzierung für die gesetzlichen Aufgaben der Hochschulen, einschließlich des Studiums, seit mehr als zwei Jahrzehnten eingefroren ist. Natürlich hat es nominelle finanzielle Zuwächse gegeben, aber nicht im Verhältnis zur gesellschaftlichen Beanspruchung der Hochschulen, etwa zur Nachfrage nach Studienplätzen. Das spiegelt sich in der permanenten Verschlechterung der Betreuungsrelation der Studierenden im Verhältnis zum wissenschaftlichen Personal wider. Indem so die Qualität der Bildung ständig eingeschränkt wird, sägt sich das Wissenschaftssystem den Ast ab, auf dem es selbst sitzt: die hochwertige Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und künftiger akademischer Generationen. Stagnation hier, erhebliches Wachstum über Wettbewerbe dort. In den zurückliegenden 10 Jahren haben sich Drittmitteleinnahmen um 100 Prozent (auf 6,3 Mrd. Euro) gesteigert. Das Gros dieser Mittel konzentriert sich allerdings an einige wenige Spitzenuniversitäten, die in den einschlägigen Rankings ganz oben stehen. Die Schärfe der Konkurrenz in diesen Wettbewerben um knappe finanzielle Mittel schränkt zugleich die freie wissenschaftliche Kommunikation ein: da jeder – jeder Lehrstuhl, jede Forschungsgruppe – der erste sein will, teilt man potentielle Konkurrenten möglichst wenig über die eigenen Ideen und Projekte mit. Tendenziell erfolgreicher sind dann diejenigen, deren Projekte an dominante »gesellschaftliche Nachfragen«, (gemessen etwa an Zahlungsfähigkeit und Renditeerwartungen) anknüpfen können. Der Paderborner Sozialwissenschaftler Arno Klönne hat dafür den Begriff der »funktionalen Privatisierung« geprägt. In einem zu 95 Prozent staatlich, d.h. aus Steuergeldern, finanziertem Hochschulsystem (selbst 75 Prozent der Drittmittel stammen aus öffentlichen Quellen), wird ein
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Druck erzeugt, wissenschaftliche Angebote an dominanten gesellschaftlichen (Macht-)Interessen auszurichten. Eine reale, also eigentumsrechtliche, Privatisierung ist dann gar nicht mehr erforderlich. So lässt sich in etwa die aktuelle Symbiose von kapitalistischer Privatwirtschaft und staatlichen Hochschulen abbilden. Gesellschaftliche Probleme, die wissenschaftliche Herausforderungen darstellen können, aber sich nicht in einer zahlungskräftigen Nachfrage ausdrücken, werden tendenziell ignoriert. Der wissenschaftsethische Anspruch allgemeinwohlorientierter Problemlösung wird reduziert. Der Bamberger Wissenschaftssoziologe Richard Münch nennt dieses neue Wissenschaftsregime Akademischer Kapitalismus und entfaltet in dem gleichnamigen Buch die These, dass durch diese neuen – eher wissenschaftswidrigen – Steuerungsformen die gesellschaftlich relevante Innovationsrate des Wissenschaftssystems eher eingeschränkt wird. Ein ökonomischer Wettbewerb um finanzielle Ausstattungsvorsprünge und zugleich symbolische Prestigeaufwertung, kurz: eine »zirkuläre Akkumulation von materiellem und symbolischen Kapital« (Münch 2011, 23) verdränge den eigentlichen – zweckmäßigen und wünschbaren – wissenschaftlichen Wettbewerb um Erkenntnisfortschritt und Anerkennung. Am Ende eines solchen wissenschaftlichen Wettbewerbs würde die akademische Welt nicht in Sieger und Verlierer, auch nicht in unterschiedliche Rangplätze wie in einer Bundesligatabelle, eingeteilt, sondern die Ergebnisse, insofern tatsächlich ein Erkenntnisfortschritt erbracht wurde, kommen allen zugute: der ganzen wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Gesellschaft (ebd: 69). Die Einschränkung wissenschaftlicher Entwicklungspotentiale ergibt sich auch daraus, dass bei Dominanz des ›unternehmerischen‹ Wettbewerbsmodells Überinvestition an wenigen drittmittelstarken Exzellenzstandorten von Unterinvestition in der Breite des Hochschulsystems begleitet wird. So wird eine erhebliche Anzahl aktiver und (potentiell) leistungsstarker Forscherinnen und Forscher außerhalb der dominanten (Exzellenz-)Standorte, welche zugleich die Definitionsmacht über wissenschaftliche Relevanz monopolisieren, aus dem Geschehen ausgeschlossen und in einem entsprechendem Umfang neue Ideen und alternative Sichtweisen (ebd: 201). Die Schlussfolgerung daraus: gesellschaftlich relevanter Erkenntnisfortschritt, Allgemeinheitsanspruch und Allgemeinwohlorientierung der Wissenschaft ergeben sich weder ›automatisch‹ aus dem staatlichen Charakter des Hochschulsystems noch aus dessen öffentlicher Finanzierung, sondern müssen gegen die vorherrschenden Privatisierungstendenzen ständig politisch durchgesetzt werden. Eine Mindesterfordernis dafür ist die Demokratisierung der Selbstverwaltung der Hochschulen – selbst wenn dies kurzfristig nur in kleineren Schritten möglich ist.
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L i t e r at u r Bultmann, Torsten (2012): „Die Exzellenzinitiative – Ungleichheit als politisches Programm“, in: Forum Wissenschaft, 2/2012, 38-41. von Friedeburg, Ludwig (1992): Geschichte der Bildungsreform in Deutschland, Frankfurt a. M. Münch, Richard (2011): Akademischer Kapitalismus – Über die politische Ökonomie der Hochschulreform, Berlin. Ruschig, Ulrich (2007): „Simulierte Warenproduktion – ein akademischer Tanz ums goldene Kalb“, in: Das Argument, 272, 509-524.
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African P r o bl e m s w i t h African Solutions The History of a Common Phrase
Katharina
Introduction
When dealing with peace and security studies in relation to Africa one will soon stumble upon the expression: “African Solutions to African Problems”1. It somewhat hovers around in this domain and is often directly related to the transition from the Organization of African Unity (OAU) to the African Union (AU), with the later incorporating it as a guiding principle (Ero, 2013). It is used as an ideal towards African self-reliance and/or as a normative legitimation to dismiss unwanted external interference. Almost unanimously the notion is taken as given, used as a common phrase without further conceptual or histor ical contextualization. If, at all, it is vaguely assumed to be an African response to the international non-involvement in the crisis of the 1990s Somalia and Rwanda (Mays, 2003; Kasaija, 2013). However, its use can be traced much further and proves to be more ambiguous. The aim of the following is to point – albeit cursory – to the historical depth of this expression. In an exemplary manner I will depict some of the actors that have used it over time, in different contexts and to express different
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things. Thus showing the unclear ownership2 of a concept that at first sight seems to have a straight forward belonging, but has been diluted through the appropriation by different actors over time to convey at times even contradicting messages. The text᾽s three parts deal each with a different period in time and use of the expression in question. The first traces its origins in the years immediately after independence and during a Cold War related external interest in Africa. The second shows the changed meaning in the post-Cold War time that saw a geostrategic marginalization
The question of what the “African” in this expression actually refers to can not be answered here (see for example V. Y. Mudimbe's “The invention of Africa” (1988)). The same goes for the implied cliché that every problem has a solution as well as the co-related question of the belonging or actual origin of these “solemnly” “African” problems.
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It should be noted that “ownership” plays yet another role for the expression “African solutions to African problems”. In the peace and security policy field it represents the idea that the actors affected by an intervention or measure, should also partake in its implementation and (at best) prior conceptual formation (Hellmüller, 2012). In the following, however, I will omit this relationship.
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of the continent. The third depicts the more recent use of the slogan since the transformation from the OAU to the AU and in a wider context of re-newed, yet in its shape divergent, external interest in Africa.
sibility of Africans only” (qtd. in Aluko, 1981: 167). The idea was conceived to establish an OAU Security Council “to contain and solve all our (African) conflicts and problems in a peaceful manner and in an African spirit” (ibid.).
“T r y A f r i c a f i r s t ”
A f r i c a n p r o bl e m s
The origins of “African Solutions to African Problems” can be traced back to the early years of independence of African states from the colonial powers. Immediately after decolonization did pan-African and African nationalist sentiments frame the ideological setting. They guided the formation of the OAU in 1963 on the continental level. This regional organization was founded with the intend to strengthen its newly independent member states and fend the continent against external interference. This trajectory was enshrined in the organization through the principle “try Africa first”, which forms the origin of the present-day “African solutions to African problems” (Gelot, 2012: 47). Very soon though, not only African actors used these phrase politically. In the late 1970s international powers, while intervening or having intervened on the continent, almost trumped each other with statements affirming their support for African self-reliance. In March 1977 the Cuban leader Fidel Castro on a visit in Dar es Salaam, Tanzania, affirmed “that his country was in favor of the ‘African solutions to African problems’” (Aluko, 1981: 162). Some days later the Soviet President Nikolai Podgorny declared that “Africans should solve their own difficulties without any outside interference” (ibid.). One year later the French President Giscard d’Estaing stated “that African problems should be settled peacefully by African[s] themselves” (ibid.). And the United States (US) Under Secretary of State for Security Assistance Lucy Benson stated:
The immediate post-Cold War years are associated with a loss of interest by the former colonial powers as well as the block rivals and a certain geostrategic marginalization of the continent. In particular the US position towards its involvement in Africa and the notion of “African solutions to African problems” takes on an interesting development. Initially, after the Cold War, the US was still interested in Africa, eying the various developments in the early 1990s in terms of both chance and challenge to its own interests. This even lead to more active engagement in the beginning, as in the conflict in Somalia. This particular engagement, however, was to result in the broader dis- engagement that characterized the 1990s. The reason for this was the “Battle of Mogadishu” on 3rd October 1993, when 18 US soldiers died and 75 were heavily wounded (Franke, 2007). This had a traumatic effect on the US policy towards Africa, not only due to the losses, but more so for the gruesome footage of some of the US casualties being dragged through the streets of Mogadishu by an angry mob after the battle. When a year later in 1994 the Rwandan genocide unfolded, the US (as the United Nations (UN) and other Western nations) were reluctant to act. After the magnitude of the genocide became apparent “the international community developed a sense of collective guilt” (Franke, 2007). This, however, did not change the general reluctance of the West towards direct engagement. The notion of “African solutions to African problems” was thereafter re-appropriated by the US and Western nations like France and the United Kingdom to emphasis the prime responsibility of African states and institutions for the conflicts on the continent. Disguised as a call for African self-reliance, the slogan became an excuse to disengage from conflicts that the own population would see as too costly, both in terms of finances and casualties (Franke & Gänzle, 2012: 91). Instead of direct engagement, now various external suggestions were made for the assistance in training and equipping African troops to better deal with conflict resolution themselves. Most prominently among these initiatives was the US proposal for an African Crisis Response Force (ACRF) that was advocated by the US Secretary of State Warren Christopher. At an address at the OAU headquarters in Addis Abeba in October 1996 he reasoned that in light of the then unfolding crisis in Burundi and potential future conflicts: “[...] we must find new ways for Africans to work together and for the international community to support you.” And further:
“all African problems should be resolved within African context with help from within Africa.” (Aluko, 1981: 162)
During that time the former colonial powers as well as the Cold War block antagonists latched on to this rhetoric. At times it was used to “camouflage their own involvement” at others to “criticize that of their rivals” (Franke & Esmenjaud, 2008: 145). Despite this rhetoric, external powers did intervene in a number of conflicts in Africa during the Cold War, in particular if the affected areas where of strategic importance, like the Horn of Africa or the central African country Zaire (today known as the Democratic Republic of the Congo). In response to this an OAU summit in Khartoum in 1978 passed several resolutions that dealt with and condemned this external interference. It was proclaimed that “the responsibility for the safety of peace in Africa is the respon-
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“The time has come to build on your expertise to create a new political and military partnership. ”
old phrase with tangible meaning for the current debate on peace and security in Africa. Conclusion
(OAU, 1996: 11) Potential African solutions
The 2002 transformation from the OAU into the AU also marked a changed relationship between external and African actors in the peace and security policy field. When talking about the changing nature of peace operations on the continent, the transition from a primate of UN to a stronger African and AU involvement is framed as a strive towards finding “African solutions to African problems” (Mays, 2003). The notion is now employed to argue in favor of a more decisive action of the AU towards certain conflict situations, for example for the AU to intervene in Egypt after the “Arab Spring” (Ogbonnaya & Feim-Adebayo, 2014). Or it is used as a standard to measure the ability of the AU, as with regard to the Libyan crisis, where it was seen as not living up to this ideal, standing by watching as the North Atlantic Treaty Organization (NATO) intervened instead (Kasaija, 2013). Thus, many African observers have used the ideal of “African solutions to African problems” as a measure for the AU’s actions or to advocate a particular response. With regard to the emergence of a certain division of labour between external and African actors Adekeye Adebajo has drastically concluded: “ The battle cry of “ African solutions to African problems ” , coined during the Cold War to rid the continent of foreign meddlers, has cynically been appropriated in the c urrent era. It has been hijacked to promote an apartheid system of peacekeeping in which Africans are expected to spill most of the blood, while the West pays some of the bills in a macabre aristocracy of death. ” (Adebajo 2007)
Recently, the Addis Abeba based Institute for Peace and Security Studies has launched a workshop series under the heading of “African-centered Solutions” (AfSol). It derives from a joint initiative with the AU and aims “to define and develop the concept of AfSol in peace and security that is tailored according to the needs and realities of the continent.” (IPSS 2015). The first workshop was held in September2014 and a blog assembles some of its contributions. While acknowledging that “AfSol is still very much a political battle cry for some, and an opportunity for pot shot cynicism for others” the initiative seeks to genuinely fill an
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Tracing the expression “African solutions to African problems” revealed that the simple surface call for African self-reliance is historically far from innocent. During the Cold War it was mainly used to discredit the Africa engagement of political (or ideological) rivals. After the disastrous external involvement in the conflicts of the early 1990s it has become an excuse for international disengagement. In recent years it was often used by African observers as an ideal against which to measure the AU’s actions. While the origins of the expression “African solutions to African problems” go back to African independence, it was appropriated by different actors – leaving its ownership to be contested.
references Adebajo, A. (2007): “Tread Warily Through the Politics of Peacekeeping”, Sunday Times No. 71. Online: http://www.ccr.org. za/index.php/media-release/in-the-media/newspaper-articles/ item/321-pr-71?tmpl=component&print=1 (accessed 2015-05-14). Aluko, O. (1981): “African Response to External Intervention in Africa since Angola”, African Affairs 80 (319), 159-179. Ero, C. (2013): “The problem with “‘African solutions’”, Online: http:// blog.crisisgroup.org/africa/2013/12/02/the-problems-with-african-solutions/ (accessed 2014-10-27), International Crisis Group. In pursuit of peace blog. Franke, B. (2007): “Enabling a Continent to Help Itself: U.S. Military Capacity Building and Africa’s Emerging Security Architecture”, Strategic Insights 5 (1). Franke, B. & Esmenjaud, R. (2008): “Who owns African ownership? The Africanisation of security and its limits”, South African Journal of International Affairs 15 (2), 137-158. Franke, B. & Gänzle, S. (2012): “How “African” Is the African Peace and Security Architecture? Conceptual and Practical Constraints of Regional Security Cooperation in Africa”, African Security 5 (2), 88-104. Gelot, L. (2012): Legitimacy, Peace Operations and Global-regional Security: The African Union-United Nations Partnership in Darfur, Routledge. Hellmüller, S. (2012): “The Ambiguities of Local Ownership: Evidence from the Democratic Republic of Congo”, African Security 5, 236-254. Institute for Peace and Security Studies (IPSS) (2015): “African-centered Solutions (AfSol) Workshop Series”. Online: http:// www.ipss-addis.org/new-ipss/content/3b03ff2295f7308fafc2/?ms=1c2463147b3eddfc7607&ps=7823486jjsf687jjjkkf&ls=3b03ff2295f7308fafc2&sub=a810d1b53c3129ad3a47 (2015-05-15). Kasaija, P. A. (2013): “The African Union (AU), the Libya Crisis and the notion of ‘African solutions to African problems’”, Journal of Contemporary African Studies 31 (1), 117-138. Mays, T. M. (2003): “African Solutions for African Problems: The Changing Face of African-Mandated Peace Operations”, Journal of Conflict Studies 23 (1). Ogbonnaya, U. M. & Femi-Adedayo, O. (2014): “African Solutions to African Problems: The Necessity of African Union’s Intervention in the Crisis of DemocraticInstitutionalization in Post-Arab Spring Egypt”, Journal of African Union Studies (JoAUS) 3 (1), 105-127. Organization of African Unity (OAU) (1996): “Report of the Secretary General on the consultations he has had with the United States administration on the latter's proposal on the establishment of an African Crisis Response Force (ACRF)”, African Union Archive.
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„Schon B e u t ek u n s t betrachtet?” „ Dialog der Kulturen” im Humboldt-Forum
Mar eike
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m 12. Juni 2013 wurde in Berlins historischer Mitte im wahrsten Sinn des Wortes der Grundstein zu Deutschlands Beitrag zum friedlichen Zusammenhalt und zum gegenseitigen Verständnis der Völker gelegt: das Humboldt-Forum im rekonstruierten Berliner Schloss. Neben den Ethnologischen Museen aus Dahlem, deren Sammlungen auf zwei Stockwerken Raum finden, wird das Gebäude auch von der Zentral- und Landesbibliothek sowie von der Humboldt-Universität belegt werden. Erst unlängst sagte der Bundespräsident a.D. Horst Köhler, dass der Namensgeber Alexander von Humboldt für ihn die Hoffnung verkörpere, den deutschen Phantomschmerz über einen fehlenden Dialog der Kulturen zu heilen.1 Die zentralen Slogans heißen „Multiperspektivität“ und „Bewegung“; Kulturministerin Monika Grütters erhofft sich gar ein „neuartiges Weltverständnis“.2 Doch auch, wenn die Welt sich stetig wandelt und wir mit ihr, können wir uns nicht vor der grundlegenden Diskussion wegducken: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit in der Mitte von Berlin von einem gleichberechtigten „Dialog der Kulturen“ gesprochen werden kann? Wer bestimmt die Regeln und setzt den Gegenstand in diesem Dialog, und wer darf mitreden? Ist dementsprechend nicht auch zu fragen, welche Vision erzeugt wird, wenn ethnologische Sammlungen, die zu einem nicht unwesentlichen Teil während der (deutschen) Kolonialzeit geraubt wurden, hinter einer preußischen Fassade gezeigt werden?
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Text He l l e r
Das „Sammeln“ von Kultur- und Kunstobjekten zählte zu den Lieblingsbeschäftigungen vieler „Forschungsreisender“ und Kolonialisten. So ist ein Großteil der ethnologischen Objekte, die im Humboldt-Forum im rekonstruierten Berliner Schloss ausgestellt werden sollen, während der Kolonialzeit „erworben“ worden – ein erheblicher Anteil stammt direkt aus den ehemaligen deutschen Kolonien. In vielen Fällen wurden wertvolle Kulturgüter aber nicht freiwillig verschenkt oder verkauft. Sie wurden erschlichen, erpresst oder einfach geplündert. Im Berliner Schloss soll nun mit Hilfe dieser Objekte der „Dialog der Kulturen“ in die Mitte der Stadt gerückt werden. Mit der Kampagne „No Humboldt 21!“3 tritt eine Gruppe diasporischer, kulturund entwicklungspolitischer Verbände diesem zynischen Prestigeprojekt entgegen. Teil der Arbeit des Vereins
Vgl. Köhler, Horst (2014): „In Berlin soll jetzt das Weltgespräch beginnen“, in: Die Welt. 03.07.2014. Online verfügbar unter: http:// www.welt.de/129758634 [letzter Zugriff: 14.06.2015].
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Vgl. Kilb, Andreas: „Kulturstaatsministerin Monita Grütters im Gespräch“ in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Online verfügbar unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kulturstaatsministerin-monika-gruetters-im-gespraech-12897300.html (letzter Zugriff 15. Juni 2015).
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3 Die Kampagne „No Humboldt 21!“ wird getragen von Afric Avenir, AFROTAK TV cyberNomads, artefakte/anti-humboldt, Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag, Berlin Postkolonial, glokal, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD).
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AfricAvenir International e.V. in diesem Rahmen ist es, an Hand von exemplarischen Objekten den kolonialen Kontext von Erwerb und Eigentum zu ergründen und damit die Aufmerksamkeit auf die kolonialen Fundamente ethnologischer Sammlungen zu lenken. Poster, auf denen diese Objekte mit kritisch hinterfragenden Kommentaren abgebildet sind, bringen den Standpunkt in den öffentlichen Raum, dass vor dem Hintergrund kolonialer Enteignung die umfassende Rückgabe der Entscheidungsmacht über Verbleib und Verwendung der Objekte an die Herkunftsgesellschaften notwendige Voraussetzung für einen gleichberechtigten Dialog ist.
schlossene Rückführung.9 Doch während Ägypten immer wieder prestigeträchtige Objekte an Deutschland verleiht, erklärten die Staatlichen Museen zu Berlin in zynischer Art und Weise, dass „die Dame nach 3000 Jahren nicht reisewillig [sei].“10 So bleibt der im Nationalmuseum der Ägyptischen Zivilisation für Nofretete reservierte Platz bis heute leer. Während die übrigen außereuropäischen Schätze nun vom Schloßplatz aus den „Dialog der Kulturen“ bestreiten sollen, wird die als „schönste Berlinerin“ vereinnahmte Afrikanerin im Ägyptischen Museum auf der Museumsinsel auch in Zukunft im Ensemble der Einrichtungen mit europäischer Kunst zu sehen sein.
„ Schon Beutekunst betrachtet? ” Königinnenmutter Idia, Benin, Nigeria Weil Oba Ovonramwen, Herrscher des Königreichs der Edo, sich weigert sich den englischen Kolonialisten zu unterwerfen, überfielen die Briten 1897 die Residenzstadt Benin im heutigen Nigeria. Bei diesem kriegerischen Überfall stahlen die Briten Hunderte wertvoller Bronzestatuen aus dem Palast des Königs und verkauften diese an Interessenten in aller Welt.4 Felix von Luschan, Leiter der Afrika-Abteilung im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin, bekam davon Notiz und schickte umgehend einen seiner Assistenten nach London, wo dieser zahlreiche Bronzen erwarb.5 Zu diesem Zeitpunkt war dem damaligen Berliner Museum für Völkerkunde der prioritäre Zugang zu ethnologischen Objekten durch einen Bundesratsbeschluss zugesichert, so dass die prestigeträchtigsten Objekte in Berlin gesammelt wurden.6 Ethnologische Sammlungen waren somit nie nur ein Spleen der Wissenschaft, sondern von oberster staatlicher Stelle geregelt und überwacht. Seit vielen Jahren bitten der Oba von Benin wichtige nigerianische Kunsthistoriker wie auch das Kulturministerium von Nigeria um die Rückgabe dieser Objekte, zumal Luschan zum Zeitpunkt des Kaufes in vollem Wissen über deren unrechtmäßige Aneignung war.7 Dennoch behauptet die Berliner Landesregierung bis heute, noch nie etwas von solchen Forderungen gehört zu haben.8 „ Freedom of Movement?! ” Nofretete, Ägypten
Seit die Existenz der Nofretete-Statue in Berlin im Jahr 1923 öffentlich bekannt wurde, liegen der ägyptische Staat und Deutschland im Streit darüber, wo sie rechtmäßig hingehöre. Sie wurde 1913 in Nordafrika ausgegraben und dann unter bis heute ungeklärten Umständen heimlich nach Deutschland verschifft. Seitdem hat der ägyptische Staat unablässig auf ihre Rückkehr oder zumindest auf eine Ausstellung der Statue in Ägypten gedrängt. Während diese diplomatischen Bemühungen 1933 zu fruchten schienen, verhinderte der Aufstieg der NS-Regierung die schon be-
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„ Preu ß ischer Kulturbesitz? ” Mandu Yenu, Foumban, Kamerun Warum sollte ein König freiwillig seinen Thron verschenken? Nach Darstellung der Staatlichen Museen zu Berlin hat König Ibrahima Njoya, legendärer Herrscher der Bamum in Kamerun, jedoch genau dieses getan. 1908 übersandte er dem deutschen Kaiser Wilhelm II seinen berühmten Thronsessel „Mandu Yenu“, angeblich um
Eyo, Ekpo, “The Dialectics of Definitions: “Massacre” and “Sack” in the History of the Punitive Expedition“, in: African Arts, No. 3, 1997, S. 34-35. Eyo, Ekpo, Benin: The sack that was, o.J., online verfügbar unter: http://www.dawodu.net/eyo.htm [letzter Zugriff: 14.06.2015); Ogbechie, Sylvester Okwunodu, “The Sword of Oba Ovonramwen”, 29. 11. 2007, online verfügbar unter: http://aachronym.blogspot.de/2007/11/sword-of-oba-ovonramwen.html [letzter Zugriff: 14.06.2015].
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5 Opoku, Kwame, „Benin to Berlin Ethnologisches Museum: Are Benin Bronzes Made in Berlin?“, 2008, S. 3, online verfügbar unter: http://www.africavenir.org/fileadmin/_migrated/content_uploads/ Opoku_BeninBerlin_06.pdf [letzter Zugriff: 14.06.2015]. 6
Ebd.: S. 6.
BBC news, “Nigeria demands treasures back“, 24. 01 2002, online verfügbar unter: http://news.bbc.co.uk/2/hi/entertainment/1779236.stm [letzter Zugriff: 14.06.2015]. 7
8 So behauptet der Berliner Senat, dass „Rückgabeforderungen des ehemaligen Königreichs Benin bzw. des Nachfolgestaates Nigeria […] bislang weder ausdrücklich noch indirekt an die Bundesregierung und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz herangetragen worden sind.“ Abgeordnetenhaus Berlin, „(Postkoloniale) Auseinandersetzung mit dem Humboldt Forum“, Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (GRÜNE) vom 28. Juni 2013, Drucksache 17 / 12 360.
Paczensky, Gert: „Der Fall Nofretete” In: Paczensky, Gert von und Herbert Ganslmeyer: Nofretete will nach Hause. Europa - Schatzhaus der 'Dritten Welt'. Bertelsmann: München ,1984, S. 260ff, 286ff.
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Siehr, Kurt G.: “The beautiful one has come – to return: The return of the bust of Nefertiti from Berlin to Cairo.“ In: John H. Merryman (ed). Imperialism, Art and Restitution, Cambridge University Press: Cambridge/ New York, 2006, S. 117ff. Hilfreich ist auch die Chronologie, die die Kampagne „Nofretete geht auf Reisen” erstellt hat und hier einsehbar ist: http://www. nofretete-geht-auf-reisen.de/chronolo.htm 10 Dpa: Museum: „Nofretete ‘nicht mehr reisewillig” in: Die Welt, 13.05.2006.
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damit seine Position als Bündnispartner der Hohenzollern zu verdeutlichen. Doch diese Erzählung der Staatlichen Museen ignoriert die Machtverhältnisse in der damaligen Kolonie: Kaum war ein Bild des Throns nach Deutschland gelangt, stachelten sich die Leiter der Ethnologischen Museen gegenseitig zu einem Wettlauf um den großartigen Königsstuhl auf. Erst nach langem Drängen von deutscher Seite ließ Njoya eine Kopie erstellen, um die Deutschen zu befrieden und zugleich die Insignie seiner Macht zu bewahren. Erst als diese nicht rechtzeitig fertig wurde, übergab er schließlich den Deutschen das Original und behielt die Kopie für sich. Kaiser Wilhelm II verschenkte im Gegenzug nicht seinen Thron, sondern ein lebensgroßes Bildnis von sich selbst.11 Diese drei kurzen Geschichten geben nur einen flüchtigen Eindruck der Problemstellung von Eigentum und Enteignung im kolonialhistorischen Kontext. Sie weißen darauf hin, welche Bandbreite an kolonialen Machtstrategien hinter der Sammlung und Aneignung von ethnologischen Objekten steckt. Keines der dargestellten Objekte war ‚wertlos‘ in dem Sinne, dass es keine Relevanz für die jeweiligen Gesellschaften hatte. Jedes musste aktiv entwendet werden, mit Gewalt oder Gewaltandrohungen. Als wichtige soziale, kulturelle und religiöse Gegenstände hinterließen die Enteignungen Löcher in den jeweiligen Gesellschaften. Doch der ‚neutrale‘ Museumsraum suggeriert das Gegenteil: er lädt zu einer Betrachtung aus Interesse und Neugier auf die ‚anderen Kulturen‘ ein, ohne die eigene Beteiligung mitzuliefern. Die Herausforderung liegt dementsprechend nicht nur darin, die koloniale Enteignung aufzuzeigen, sondern auch in Richtung einer Restitution – eines Rücktransfers der Selbstbestimmung über das eigene kulturelle Erbe – zu arbeiten.
Geary, Christraud; Njoya, Adamou Ndam (1985): Mandu Yenu. Bilder aus Bamum, einem westafrikanischen Königreich. München: Trickster Verlag. Geary, Chistraud (1996), “Art, Politics and the Transformation of Meaning. Bamum Art in the Twentieth Century.” in: Mary Jo Arnoldis/Christraud Geary/Kris L. Hardin (Hg.), African Material Culture. Bloomington: Indiana Press, S. 283-307.
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Dissolving the standard variety The ownership of Aboriginal English in Australia
int er view wit h Ian Mal col m conduct ed by Monika Rohmer
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or the last decade Ian Malcolm's research and teaching has been focused on Englishes in Australia, especially Aboriginal Australian English. By studying the linguistic particularities of indigenized English, the Professor emeritus of Edith Cowan University opposes its subordination. The following interview is primarily based on his text “The ownership of Aboriginal English in Australia”1, where after studying the phenomenon of postcolonial indigenization of English, Ian Malcolm tries to elaborate a handling of the bidialectal tension between mother tongue and school taught English affecting Aboriginal Australians. P o w i s i o n : What is your definition of ownership? Why is the concept important when it comes to languages? M a l c o l m : I think ownership has both individual and corporate aspects. The protection of individuals’ privacy relates to what I would see as recognizing their ownership of aspects of their lives which they want to keep under their control and which are under threat in an age of cyber-intrusion. What I have written about relates rather to the corporate aspect of ownership. A speech community identifies itself on the basis of a commonly-held distinctive code and ways of using it. Members reaffirm their belon-
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ging as they use the common code, and in so doing they also differentiate themselves from others who do not share that common code. P o w i s i o n : In what ways differ Aboriginal concepts of ownership from western definitions – particularly when it comes to language? M a l c o l m : The kind of ownership that Aboriginal Australians identify with is corporate and mutual. They sense themselves as owning and being owned by one another and by their traditional land. The expression has been used: “The land holds us.” While western thought is comfortable with the differentiation of the individual from the group, Aboriginal thought is not, and indeed associates differentiation from the group with “shame.” P o w i s i o n : What makes English a special case?
Malcolm, Ian G.: “The ownership of Aboriginal English in Australia”. in: World Englishes, Volume 23, Issue 1, pages 42-53, March 2013
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M a l c o l m : English was brought to Australia’s shores by speakers from a range of speech communities. Dominant among the immigrants were people from the South of England and from Ireland, whose dialects differed in significant ways. There were also differences relating to social class and to identification with maritime and prison cultures. To start with, the English (or Englishes) brought to Australia did not express Australian corporate ownership. However, in time, by a process of leveling, Australian English emerged across the continent. The English which was transported to Australia is now distinctively Australian and carries for most Australians a sense of belonging and identity. Although successive waves of immigration have brought speakers of many languages and varieties of English to Australia, usually by the next generation, Australian English tends to be adopted, and this is what I would predict would continue in the future. P o w i s i o n : What role did colonialism play in the conceptualization of ownership during the Australian history? M a l c o l m : Research into Australian English in the first half of the 20th century distinguished between “cultivated” and “broad” varieties of Australian English, with the former maintaining (especially in the vowels) a fair degree of closeness to the “received pronunciation” of the colonial motherland. However there has been since then a decreasing self-consciousness about the distinctive Australian pronunciation and it is unexceptional for it to be used in public discourse. P o w i s i o n : Can an Aboriginal ownership of English be an alternative to seeing English as a mere symbol of imperialism? M a l c o l m : Aboriginal ownership of English is primarily ownership of the English which has emerged from Aboriginal speech communities. This is quite distinct from the English with colonial overtones which was imported into the country. Aboriginal English came into being by way of contact languages (pidgins and creoles) which resulted from the coming together of speakers of traditional Aboriginal languages and speakers of English. The Aboriginal speakers did not abandon the conceptual foundations of their languages but rather re-clothed them with words and structures taken (and often modified) from the Englishes they were exposed to. Aboriginal English, then, is definitely an alternative to seeing English as a mere symbol of imperialism. It is English remodeled as the product of Aboriginal speech communities and showing its Aboriginal belonging at all levels of structure (phonological, grammatical, lexico-semantic and conceptual).
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P o w i s i o n : You’re emphasizing the role of education in your work. In what ways are the concepts of education entangled with notions of ownership? Can a state education plan possibly do justice to different concepts of ownership? M a l c o l m : This is a highly relevant question in the Australian context. There is pressure within Australian education systems to subject all Australian students to standardized testing in Standard Australian English, on the assumption that this is the language that is, or should be, owned by all Australians. When this is done without reference to the different linguistic orientation of Aboriginal Australians, the result is quite predictable. Most Aboriginal students, despite being speakers of English as their mother tongue, are misrepresented as being inferior in English and literacy to other Australian students. I believe it is possible – and indeed ethically desirable – for a state education system to do justice to different concepts of ownership. Aboriginal English is a legitimate Australian dialect and needs to be given due recognition within the education system. Ideally, education should be “two-way”, recognizing that the ownership of English in Australia is not limited to the standard variety. This doesn’t mean that all students should not be given access to the standard dialect and the potential benefits it can bring, but that separate paths should be recognized for first dialect and second dialect speakers. P o w i s i o n : In what ways does research influence the relations of languages and people? Did your work raise consciousness to think differently about Aboriginal English? M a l c o l m : The idea that Aboriginal English represents an unsuccessful attempt to speak Australian English is quite pervasive in Australian society. Aboriginal people themselves sometimes accept the designation of their dialect as “rubbish English”. My colleagues and I have found one of the benefits of research has been to break down these stereotypes and to release Aboriginal people from the assumption that there is anything to be ashamed of in the way they speak. It is good to see how research findings are increasingly permeating education systems and enabling Aboriginal ownership of a legitimate variety of English to be more generally accepted.
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„Wenn viele irge noch so kle verteidigen h weniger auf, da a ll e s b e s i t verfügen und
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annes Siegrist ist emeritierter Professor für Vergleichende Kultur- und Gesellschaftgeschichte am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig. Zu den Schwerpunkten seiner Forschung gehören u.a. die Geschichte der besitzenden und gebildeten Mittelklassen im internationalen Vergleich, die Geschichte der industriellen Gesellschaft und die Funktion des geistigen Eigentums in der Institutionalisierung und Verrechtlichung der modernen Kunst und Kultur. Anstoß für das Interview gab vor allem den Band „Entgrenzung des Eigentums in modernen Gesellschaften und Rechtskulturen“1. P o w i s i o n : Warum fallen alltagssprachliche Begrifflichkeiten von Besitz und Eigentum auseinander? S i e g r i s t : … beziehungsweise entsprechen sie nicht den rechtlichen Konventionen? Es gibt verschiedene Arten des Habens, Gehörens und Verfügens, die mit unterschiedlichen Begriffen bezeichnet werden. Zuerst gibt es einen sozialen Begriff des Habens oder Verfügens, den
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Besitz. So könnten Sie und ich uns darüber verständigen, dass ich über einen Gegenstand relativ exklusive Verfügungsrechte habe, dass ich diesen Gegenstand ge- aber auch verbrauchen darf. Ich darf diesen Gegenstand auch veräußern, er wird fungibel. Während die Begrifflichkeiten in unseren sozialen und kulturellen Beziehungen relativ offen gehalten werden können, muss die Rechtswissenschaft, in ihrer Funktion, die Gesellschaft nach expliziten Regeln zu steuern und bestimmtes Verhalten zu sanktionieren, einen sehr eindeutigen Begriff von Eigentum haben. In unserer Alltagssprache werden die Begrifflichkeiten nun oft verwechselt, z.B. wenn gesagt wird: „Ich besitze meine Wohnung“. Das tue ich nämlich nur dann, wenn ich sie selber nutze. Der rechtliche Inhaber dieser Wohnung ist der Eigentümer. Das Recht des Eigentümers wiederum ist
Siegrist, Hannes [Hrsg.] (2007): Entgrenzung des Eigentum in modernen Gesellschaften und Rechtskulturen. Comparativ: 16, Heft 5/6. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag.
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endein wenn auch eines Eigentum zu h a b e n , d a n n f ä ll t ass die einen fast tzen und darüber d die anderen nur wenig haben.” int er view wit h H a n n es S i e g r i s t conduct ed by Monika Rohmer
durch die Mieterschutzgesetze begrenzt. So können Eigentümer Mieter nicht beliebig rauswerfen und auch nur unter Zustimmung des Mieters die Wohnung betreten. Faktisch ist so der Mieter Besitzer geworden, der reale Besitzer. Der Wohnungseigentümer ist immer noch derjenige, der ein paar prinzipielle exklusive Verfügungsrechte hat, so kann der Mieter die Wohnung nicht verkaufen. Aber selbst das ist nicht unumstößlich. So kann man sich z.B. in Italien durch Besetzung eines verwahrlosten Hauses dieses als Eigentum ersitzen. P o w i s i o n : Was fasst nun also der rechtliche Begriff ‚Eigentum‘ und wie ist er entstanden? S i e g r i s t : Der rechtliche Begriff des Eigentums,
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den wir in der europäischen Gesellschaft haben, bezeichnet die absolute und umfassende, d.h. jede Nutzungsform betreffende und zeitlich unbefristete Verfügung über einen materiellen Gegenstand. Die Figur des Eigentums bildete sich im Rahmen des Herrschafts-, Land- bzw. Immobilienrechts der Eliten schon in der Antike heraus. Unsere heutigen rechtlichen Konventionen gehen auf die Zeit des späten römischen Reichs zurück, als das Eigentumsrecht systematisch kodifiziert wurde. Der römisch-rechtliche Eigentumsbegriff wird ab dem 12. Jh. wiederentdeckt und von Juristen weiterentwickelt. Er verbreitet sich in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten, deren Bürger ihren Besitz (Häuser, Wiesen und Waren) mithilfe der besonderen
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rechtlichen Institution des Eigentums schützen. Dieses oft mit der eigenen Arbeit begründete Eigentumsverständnis wird dem feudalistischen verfügungsrechtlichen Anspruch entgegengesetzt. Das Feudalrecht als Personenrecht eines Personenverbandes beruhte auf der sogenannten Prärogative des Monarchen – einem absoluten Vorrecht zu bestimmen, was Eigentum ist und Verfügungsrechte zu gewähren, wie auch zu entziehen. Im modernen Recht wird der Eigentumsbegriff später vereinheitlicht und verbindlich für alle. Es wird ein Rechtsapparat geschaffen, der die Durchsetzung von Eigentumsrechten garantieren soll. Zudem werden – das ist ganz wichtig – von Anfang an auch Regeln für die rechtlich geordnete und mit einer gerechten Entschädigung verbundene Enteignung im Interesse der Allgemeinheit geschaffen. Dieses Konzept verbreitete sich im Gefolge der amerikanischen und der französischen Revolution in Europa und der Welt. P o w i s i o n : Trotz der vermeintlichen klaren Definition wird „Eigentum“ – besonders wenn ich an z.B. geistiges Eigentum denke – stark diskutiert. S i e g r i s t : Eigentum ist eine bestimmte rechtliche Form des Spezifizierens des Gehörens. Diese Form begegnet uns in der römisch-rechtlichen und der naturrechtlichen Fassung und in verwandte Formen. Im amerikanischen Eigentumsbegriff bezeichnet das Eigentum ein Bündel von Rechten, das soziale Beziehungen strukturiert und gestaltet. Diese Sozialbeziehungen beziehen sich auf ein materielles oder immaterielles Objekt. Im Fall des geistigen Eigentums handelt es sich um eine Herrschaft über sog. nicht-stoffliche Erscheinungen, eine bestimmte Ausdrucksform im Fall des Urheberrechts; oder ein darstellbares und nützliches neues Wissen im Fall von Patenten. Im Fall des Patentes wird nicht das Produkt, sondern das Wissen, wie man zu diesem kommt patentiert, d.h. rechtlich geschützt. Im Unterschied zum Eigentum an Boden und Anlagen ist das geistige Eigentum von Anfang an im Interesse des Allgemeinwohls zeitlich befristet worden.
Es gibt Juristen, die behaupten, dass es gar kein geistiges Eigentum gebe. Weil es für Sie als Anhänger römisch-rechtlicher Denktraditionen Eigentum nur bei materiellem Besitz gibt, wollen sie exklusive Nutzungsund Verwertungsansprüche für geistige Werke und technische Lehren mithilfe von Begründungen und Begriffen schützen, die – real oder angeblich – nicht auf das Eigentumsschema abheben. Sie nennen das dann Immaterialgüterrecht. Oder sie verständigen sich darüber, dass die Rechte des Autors an seinem geistige Werk keine genuinen Eigentumsrechte seien, sondern ein Bündel von pekuniären und moralischen Rechten, dem die einen monistischen, die anderen einen dualistischen Charakter
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zusprechen. Heute wollen Zeitungsverleger die unkon trollierte Wiederverwertung der ursprünglich von ihnen verbreiteten Artikel verhindern, indem sie ein exklusives „Leistungsschutzrecht“ daran beanspruchen. P o w i s i o n : Warum konnte sich der Begriff des Eigentums durchsetzen? S i e g r i s t : Eine funktionale Erklärung lautet: Der Begriff Eigentum und das formale Eigentumsrecht verbreiteten sich im 18. und 19. Jahrhundert, weil sich viele davon eine klarere und gerechtere Zuordnung von Rechten und Pflichten und mehr Verlässlichkeit in den sozialen Beziehungen erhofften. Die Eigentümergesellschaft versprach, einige Konflikte und Spannungen zu lösen, an denen die alte Feudalgesellschaft immer wieder fast zerbrach. Sie brachte einen neuen Sozialtypus hervor, nämlich den bürgerlichen Eigentümer, den sie zum Bürger im doppelten Sinne von Bourgeois und Citizen erklärte in eine starke Stellung und Position. Und sie begründet ein modernes politisches Regime, das die bürgerlichen Freiheiten sehr stark an den Besitz von Vermögen und exklusiven Rechten band. Der Eigentumsbegriff sollte sowohl für Verlässlichkeit in der Kooperation von Ungleichen als auch für die gesellschaftliche Integration sorgen. Seitdem werden vielfältige Erwartungen und Zumutungen an diesen Begriff geknüpft.
Das Eigentumsrecht gehört zusammen mit dem Vertragsrecht und den Persönlichkeitsrechten zu den zentralen Regulierungsmodi der zivilen Gesellschaft. In der modernen Verfassung wird die staatsfreie Sphäre zum Gegenstand des Privatrechts. Das öffentliche Recht wird vom privaten Herrschaftsrecht getrennt und zu einem eigenen Bereich. Ein Grund dafür, dass das formale Eigentumsrecht in der Vergangenheit relativ gut akzeptiert wird, besteht darin, dass es beim Wechsel von der ständisch-aristokratischen Gesellschaft zur bürgerlichen Gesellschaft große Gruppen der Gesellschaft einzubinden verspricht – vom Landwirt über den städtischen Immobilienbesitzer bis zum Industriellen und zum Adeligen. Nach 1815 können zum Beispiel zurückgekehrte französische Adelige einen Teil ihrer vorrevolutionären Herrschafts-, Verfügungs- und Nutzungsrechte über Ländereien als Eigentumsrechte zurückbekommen. Aber sie sind jetzt nur noch Eigentümer unter anderen Eigentümern. Die politische Oberhoheit steht ihnen nicht mehr automatisch zu. In ganz Europa kommt es im Laufe des 19. Jahrhunderts früher oder später fast überall zur sogenannten Ablösung der Feudalrechte. Um Eigentümer zu werden, mussten die früheren Pächter und Untertanen ihren Oberherrn durch jahrzehntelange Abzahlungen entschädigen. Natürlich setzt sich das Eigentumsrecht nicht widerstandslos durch. In Teilen Europas wird es durch Revo-
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lutionen durchgesetzt, in anderen Teilen durch große Reformprozesse, in dritten Gebieten schließlich im Gefolge kriegerischer Eroberungen durch Besatzungsregimes. Die „Ineigentumsnahme“ durch Besetzer und Eroberer hatte um 1800 schon eine längere Tradition: Als die Europäer nach Süd- und Nordamerika kamen, behaupteten ihre Fürsten und Könige, die „Wilden“ besäßen kein Eigentum. In der imperialen Logik diente seitdem die Figur des Privateigentums zur Unterscheidung von „Wilden“ zu „Zivilisierten“, Beherrschten und Herrschenden. Zivilisierte haben Eigentum, und können traditionelle Verfügungsrechte einfach entziehen und Territorien zu ihrem Eigentum erklären. P o w i s i o n : Der westlich-liberalen Eigentumsbegriff blieb nicht ohne Kritik. S i e g r i s t : Bis um 1900 haben alle europäischen Gesellschaften eine relativ moderne Eigentumsordnung geschaffen. Die neue Schicht der bürgerlichen Besitzer kommt an die Macht und setzt ihren Modus des Habens durch. Das begründet auch die betriebliche Herrschaft im Unternehmen. Wer nur die Arbeit als Eigentum hat, muss diese jetzt verkaufen – der Prolet entsteht. Damit beginnt die moderne Eigentumskritik als Herrschafts- und Freiheitskritik. Karl Marx kritisiert, dass wir doch eigentlich in kooperativen und gemeinschaftlichen Verhältnissen produzieren, aber faktisch der Eigentümer Oberherr ist und sich die Ergebnisse privat aneignet.
Durch Korrekturen an einem radikalen Eigentumsdenken, wird dieses früher oder später auch für größere Gruppen wieder attraktiver. Auch viele kleine Leute glauben schließlich, dass sie damit nicht nur ausgeschlossen, sondern auch eingeschlossen werden. Es werden z.B. für kleine Landwirte spezielle Eigentumsregeln formuliert. Auch sonst wird eine Art von Minimaleigentumsschutz eingeführt, der Eigentum auch für die kleinen Leute attraktiv macht. Im 20. Jh. werden bestimmte Vermögensgarantien, etwa in der Sozialversicherung, zu Quasi-Eigentumsrechten. Arbeiter werden nicht mehr nur als Arbeitskraft in den Betrieb integriert, sondern auch dadurch, dass sie einen Teil des Einkommens in den Betrieb investieren. Das ist gerade in letzter Zeit wieder vermehrt propagiert worden. Durch diese Prozesse werden Eigentümerrollen nivelliert, „demokratisiert“ und insgesamt akzeptabler. Wenn viele irgendein wenn auch noch so kleines Eigentum zu verteidigen haben, dann fällt weniger auf, dass die einen fast alles besitzen und darüber verfügen und die anderen nur wenig haben. Früher oder später verpflichten die großen Eigentümer, die ihre Anlagen und Güter gar nicht mehr selbst verwalten können, angestellte Manager, die im Auftrag der Eigentümer die alltägliche Leitung und Herrschaft ausüben.
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Schon im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert beginnen die ständigen Spannungen zwischen Eigentümern und Managern. Die Eigentümer verdächtigen die Manager, sie verfolgten kurzfristige Gewinninteressen und teilten nicht das langfristige Interesse des Eigentümers am Erhalt und stetigen Wachstum des Unternehmens. Damals entsteht eine Managerkritik, die heute wieder Konjunktur hat. P o w i s i o n : Warum konnte sich keine Alternative zum Eigentum durchsetzen? S i e g r i s t : Eigentum ist attraktiv geblieben, trotz aller Irrwege. Dagegen haben sich natürlich immer Alternativen entwickelt, die im 20. Jahrhundert auch jahrzehntelang in Teilen Europas und der Welt dominant geworden sind. Es gibt gerade in der Landwirtschaft eine historische Genossenschafts- und Gemeinschaftseigentumstradition. Es existieren kommunistische Formen von Eigentum, abgestuft nach Staatseigentum, Volkseigentum, genossenschaftlichem Eigentum und einem kleinen Restchen von Privateigentum. Zyklisch kehren Gesellschaften immer wieder zur Idee des Privateigentums zurück. Der – einmal etablierte – rechtliche und institutionelle Apparat der Eigentümergesellschaft entwickelt eine eigene Kraft und Dynamik. Deswegen bin ich skeptisch gegenüber gewissen Sharing Economy Ansätzen und gegenüber Jeremy Rifkins These vom ‚Verschwinden des Eigentums‘.2 Der Institutionenapparat, der Normenapparat und die damit verbundenen Mentalitäten sprechen weiterhin sehr deutlich die Sprache des Eigentums und des Privateigentums. P o w i s i o n : Welche Konflikte dominieren heute die Diskussion um das Eigentum? S i e g r i s t : Am Anfang war Eigentum sehr exklusiv. Danach bilden sich zwei Formen von Inklusion. Erstens, jeder kann Eigentümer werden – was immer das konkret meint. Zweitens, Nichteigentümer werden an den Rechten der Eigentümer ein Stück weit beteiligt. Es entstehen Formen von Mitbestimmung in Unternehmen, Mieterrechte, Konsumentenrechte usw. Letztlich wird das, was auf den ersten Blick vielleicht als Siegeszug des Eigentums erscheinen mag, durch Mischformen ermöglicht. Eigentum wird vieldeutig und polyfunktional. In der aktuellen Debatte steht nicht mehr so sehr, wie bis zum Zusammenbruch des europäischen Kommunismus 1990, das Eigentum an Grund, Boden und Produktionsanlagen im Vordergrund. Alle reden über geistiges Eigentum, Patente, Markenrechte, Urheberrechte und Co. Selbst die Abschrift dieses Interviews macht Sie zur Inhaberin von Urheberrechten
S. Rifkin, Jeremy (2007): Access. Das Verschwinden des Eigentums. Warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden. Frankfurt/ New York: Campus-Verlag.
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an Ihrem Artikel. Also sind Sie plötzlich geistige Eigentümerin. Eigentlich wollen Sie aber in einen Kommunikations- und Austauschprozess eintreten, nicht geistige Eigentümerin werden. Das neue an der Digitalisierung ist, dass das Fixieren von Information anspruchslos geworden ist und dass kommerzielle Unternehmen Informationen für eigentumsfähig halten. P o w i s i o n : Sie sind schon auf Eigentum als Bedingung für die Entstehung moderner Staatlichkeit eingegangen. Hat ein veränderter Eigentumsbegriff das Potential die Ideen von Staat und Bürger neu zu prägen? S i e g r i s t : Ursprünglich ist Eigentum in der liberalen Lehre mit moderner Staatlichkeit in vielfältiger Weise verknüpft. Die Eigentümer verfolgen im Ideal nicht nur ihren Privatnutzen, sondern handeln auch den Allgemeinnutzen gemeinsam aus. Das Eigentumsrecht ist in der Gründungsphase der modernen liberalen Gesellschaft die zentrale Begründung für Bürgerrechte. In der französischen Revolution war Eigentum neben Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eines der vier Grundrechte. Dieses definierte, dass nicht jeder Vollbürger ist, sondern das Wahlrecht des Mannes an sein Vermögen gebunden wird.
im Fluss und heute besonders interessant. Durch die Globalisierung, die Öffnung der Grenzen im weltweiten Maßstab für Ströme von Geld, Waren und teilweise auch Personen, kommt es zu einer Relativierung des klassischen nationalen Staatsmodells und Bürgermodells. Das Verhältnis zwischen der Staats- und Verfassungsform, der Eigentumsordnung und den Rechten der Bürger ist auch nach dem Zusammenbruch des osteuropäischen Staatssozialismus kontingenter geworden. Besonders zugespitzt wird das anhand von China mit seiner Mischung von kommunistischer Parteidiktatur, gelenkter Marktwirtschaft und privaten Eigentumsrechten deutlich. P o w i s i o n : Vielen Dank für das Gespräch.
Mit dem Durchbruch des allgemeinen und gleichen Wahl- und Bürgerrechts sind diese Eigentumsvorbehalte später abgeschwächt worden. In der modernen Massendemokratie kommt es schließlich zur Auflösung der Verbindung zwischen Eigentümerstatus einerseits und dem Status des Staatsbürgers andererseits. Aufgrund des allgemeinen und gleichen Wahlrechts kann seit dem frühen oder mittleren 20. Jahrhundert jeder politisch partizipieren, egal, was und wie viel er hat. Das alte Diktum der Besitzenden und Gebildeten, dass nur Eigentümer und geistige Eigen tümer imstande seien selbst- und allgemeinverantwortlich zu handeln, gilt so nicht mehr. Mit solchen pauschalen Unterstellungen sehen sich mittlerweile – im Zeitalter der Liberalisierung und Globalisierung von Finanz-, Warenund Personenströmen – umgekehrt nun auch vermehrt internationale mobile Vermögende konfrontiert. Während die Einen noch behaupten, sie müssten zu hohe Steuern für Sozialleistungen und Umverteilungsprozesse bezahlen, die sie nicht befürworten könnten, sind die Anderen schon dabei, ihre politische Verantwortung für ‚ihre’ Gesellschaft aufzugeben oder an professionelle und dafür bezahlte, ortlose oder ubiquitäre Lobbyisten zu delegieren. Bürgerinnen und Bürger, die wenig oder kein Eigentum haben, aber bereits sind, Steuern zu zahlen, halten sich für die besseren Bürger. Für sie gibt es weniger Alternativen zu einem eigenen, funktionierenden demokratischen Staat. Das Verhältnis von Eigentümerrechten und Eigentümerrollen auf der einen Seite und politischen Partizipationsrechten und Bürgerrechten auf der anderen ist so ständig
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Beziehungs felder und K o n f l i k tr ä u m e
Eigentums- und Verfügungsrechte von Frauen in der Frühen Neuzeit
Mar gar eth
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n der Frühen Neuzeit ist grundsätzlich zwischen Eigentumsrechten einerseits und Besitz – im Sinne von Verfügungsrechten – andererseits zu unterscheiden. Dies gilt für Grund und Boden mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, die sich im Eigentum adeliger Grundherren befanden und im Tausch um Abgaben und Dienste verliehen wurden. Ein Erbrecht an solchen Liegenschaften bildete sich regional unterschiedlich im Laufe des Spätmittelalters und der beginnenden Frühen Neuzeit gegenüber einem Modell kurzfristiger bis lebenslanger Pachtverhältnisse heraus. Die Entscheidung darüber, wer überhaupt ein Lehen bekam, folgte unter anderem geschlechtsspezifischen Kriterien: Frei vererbbare, allodiale Güter konnten auch Töchtern zugesprochen werden. Andere Lehen hingegen waren männlichen Nachkommen vorbehalten (Hohkamp, 2007: 153f). Darüber hinaus gab es so genannte „Weiberlehen“ oder „Kunkellehen“. Diese waren an die Bedingung geknüpft, dass die damit betrauten Frauen von Kriegs- und Beratungsdiensten, zu denen ein Lehensträger im Prinzip verpflichtet war, absehen würden (Röckelein, 2006). Die Unterscheidung zwischen Eigentums- und Verfügungsrechten prägte auch die Heiratsgaben. Dies betraf vor allem die rechtlich strikt regulierte Mitgift, wie sie aus dem
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Text Lanz inger
Adel und dem mediterranen Raum bekannt ist, sowie das Heiratsgut im Kontext von ehelicher Gütertrennung. Die in die Ehe eingebrachte Mitgift bzw. das Heiratsgut befanden sich weiterhin im Eigentum der Frauen, doch unterstanden sie während der Ehe der Verwaltung des Ehemannes, dem auch der daraus erzielte Gewinn gehörte. Diese Heiratsgaben wurden als Beitrag der vom Ehemann zu tragenden Lasten einer Ehe definiert und Frauen damit letztlich als reine Konsumentinnen gesehen. Solche Zuschreibungen hinderten Frauen nicht daran, als Witwen, mit Verweis auf den von ihnen während der Ehe geleisteten ökonomischen Beitrag, bisweilen einen über die Mitgift- oder Heiratsgutsumme hinausreichenden Betrag aus dem ehemännlichen Vermögen einzufordern. Ein solcher stand ihnen in einigen Mitgift- und Heiratsgutregimen prinzipiell zu, da Mitgift und Heiratsgut nach dem Tod des Mannes an die Frau zurückfallen und als Grundlage der Witwenversorgung dienen sollten. In Gütergemeinschaften erhielten sie die Hälfte des hinterlassenen Vermögens. In solche Arrangements brachten Frauen manchmal kein Geld als Heiratsgut ein, sondern ihre „Lieb und Treu“, Männer eine Handwerksausbildung (Lanzinger et al., 2015; Westphal, Schmidt-Voges & Baumann, 2011).
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Wenn sich die Frage auf Eigentums- und Verfügungsrechte von Frauen in der Frühen Neuzeit richtet, ist auf bestimmte neuralgische Momente ein besonderes Augenmerk zu legen: auf deren Zugang zu Eigentum bzw. Besitz, auf dessen Transfer, auf dessen Gebrauch, auf strukturell angelegte Konflikte und auf Schutzbestimmungen. In Hinblick auf den Zugang zu Eigentum und Besitz und dessen Transfer ist festzuhalten, dass bis in die Gegenwart das Erben als ein wesentlicher Modus anzusehen ist (Beckert, 2004); umso mehr trifft dies auf die Frühe Neuzeit zu, wenn auch nicht in allen sozialen Milieus gleichermaßen. Liegenschaften wurden entweder ungeteilt an die nächste Generation weitergegeben oder unter den Geschwistern aufgeteilt. Im ersten Fall kamen tendenziell Söhne zum Zug, der älteste oder der jüngste. Die Geschwister, die so genannten „weichenden Erben“, gingen jedoch nicht leer aus. Sie erhielten Erbteile zugesprochen, die in manchen rechtlichen Kontexten die Gestalt einer Mitgift oder – wie in Westfalen – eines an Söhne wie Töchter ausbezahlten Brautschatzes (Sauermann, 1972) annahmen oder sich aus einem Heiratsgut und einem Erbteil zusammensetzten. Hauptsächlich für den Adel, aber auch in patrizischen und manchen bäuerlichen Milieus fand bis ins 17. Jahrhundert hinein ein Prozess in Richtung der zunehmenden Favorisierung eines einzelnen Besitznachfolgers, vorzüglich des ältesten Sohnes, in Form der Primogenitur, statt (Sabean & Teuscher, 2007). Diese Vertikalisierung hatte zur Folge, dass Töchter wie jüngere Söhne nach und nach vom Erbe an Grund und Boden ausgeschlossen wurden. Im Adel sind in diesem Zusammenhang Erbverzichte dokumentiert, die Töchter auf das väterliche Erbe leisten mussten (Hufschmidt, 2001: 275f, 291). Doch auch Erbteilungen zwischen den Geschwistern konnten von Ungleichheit geprägt sein, die entweder bereits in der Norm angelegt war – wenn die Teilung etwa nur unter Söhnen vorgesehen war – oder wenn es in der realen Umsetzung zu Gewichtungen zugunsten eines Sohnes oder einer Tochter kam (Hauser, 2006: 309). Die an der sozialen Praxis des Rechts orientierte Geschlechtergeschichte hat eingefordert Erbmodelle mit den unterschiedlichen Ehegüter- und Mitgiftarrangements zusammen zu denken. Zuletzt rückten auch die vererbten Gegenstände stärker ins Zentrum des Interesses und damit die materielle Kultur (Ago 2013). Das Potenzial dessen hat Karin Gottschalk in ihrer Studie über die Gerade und deren soziale und ökonomische Alltagsrelevanz deutlich gemacht (2003). Die Gerade bezeichnete das bewegliche Eigentum von Frauen, das ursprünglich strikt nur über die weibliche Linie weitervererbt werden durfte, das heißt im Fall der Kinderlosigkeit nicht an eine Brudertochter, sondern nur an die Tochter einer Schwester. Konkret schloss die Gerade im frühneuzeitlichen Leipzig sowohl Dinge des persönlichen Gebrauchs – wie Leibwäsche, Kleidung, Schmuck oder Bücher – mit ein, als auch wesentliche Be-
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standteile der Grundausstattung eines Haushaltes: diversen Hausrat und Küchengerätschaften, Kissen, Betten und Tischwäsche, Tücher, Stoffe, Vorhänge und Garn und alles Notwendige fürs Wochenbett sowie die Truhen, die zur Aufbewahrung all dessen dienten. Konflikte darum entzündeten sich im krisenhaften Kontext des Dreißigjährigen Krieges, vor allem aus der Sicht von Witwern, die keine Tochter hatten. Denn dann kamen wesentliche haushaltstragende Dinge infolge des Todes der Frau außer Reichweite des Haushaltes. Eine entsprechende Neuregelung der Gerade folgte diesen Kontroversen, in ihrer Argumentation betonte sie das Wohl des städtischen Gemeinwesens insgesamt. Konflikte, die aus Erbansprüchen entstanden, dominierten vielfach das zivile Prozessgeschehen in der Frühen Neuzeit, so auch vor dem Jenaer Hofgericht. Hendrikije Carius (2012) hat die Prozessakten ausgewertet und die Konkurrenzachsen zwischen Geschwistern, gegenüber Schwieger-, Stief- und Seitenverwandten sowie Enkeln und Großeltern heraus gearbeitet. Frauen waren zahlreich an diesen Auseinandersetzungen beteiligt und forderten ihre Eigentumsrechte und -ansprüche ein. Dabei konnte es auch um Durchfahrtsrechte zwischen Häusern und nachbarschaftliche Abgrenzungen gehen. Geschlechtsspezifisch definiert waren schließlich Schutzbestimmungen. So genossen Mitgift und Heiratsgut bei Gütertrennung einen besonderen Status, der sie für den Fall, dass der Ehemann überschuldet war und/oder in Konkurs ging, vor dem Zugriff von Gläubigern schützte. In zahlreichen Territorien schränkte die Geschlechtsvormundschaft den rechtlichen Handlungsraum von Frauen ein (Holthöfer, 1997). Rechtsgeschäfte – etwa der Verkauf eines Hauses –, die Frauen ohne einen männlichen Beistand tätigten, konnten für nichtig erklärt werden, wenn sie sich als nachteilig für die Frauen erwiesen. Diese Form des Schutzes wurde mit mangelnder Erfahrung und unzureichenden Kenntnissen legitimiert. Handelsfrauen waren davon in der Regel ausgenommen; ihnen traute man den Umgang mit Geld und Gütern zu (Schötz, 2004). Unterschiedlich groß waren die rechtlichen Handlungsräume nicht zuletzt abhängig vom Familienstand, je nachdem, ob Frauen ledig, verheiratet oder verwitwet waren. Sichtbar geworden ist, dass die Frühe Neuzeit von einer großen Rechtspluralität geprägt war. Wie sich der Zugang und Gebrauch von Liegenschaften, Heiratsgütern und Dingen des täglichen Bedarfs gestaltete – auch die Frage, ob Verwandte, der Witwer oder die Witwe im Todesfall Anspruch darauf hatten – prägte das Machtgefüge und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern und Generationen und strukturierte den Verwandtschaftsraum. Da es sich bei der Frage des Zugangs zu Geld und Gütern, des Anspruchs auf Erbteile oder auf Unterhalt zugleich um
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wesentliche Parameter gesellschaftlicher Konstituierung und Organisation handelt, kommt den jeweiligen Gemengelagen von Eigentums-, Verfügungs- und Genussrechten politische Relevanz zu. Denn zwischen Eigentum oder weitreichenden Besitzrechten und Handlungsmacht ist eine Korrelation anzunehmen. Die zentralen Konkurrenzachsen waren zum einen davon bestimmt, ob ein Sohn zu Ungunsten all seiner Geschwister favorisiert wurde (bzw. alle Söhne gegenüber den Töchtern) und zum anderen vom Grad der Balance, in dem hinterbliebene Ehepartner, vor allem Witwen, gegenüber Kindern und/oder Verwandten des/der Verstorbenen positioniert waren. Diesbezügliche Benachteiligung und Begünstigung waren teils bereits im jeweils geltenden Recht angelegt oder konnten sich als langlebige regional- oder milieuspezifische Praxis etablieren. Als der französische Code civil von 1804 am Übergang in die Moderne gleiche Erbteile für alle Kinder vorschrieb, verbot er zugleich anderslautende testamentarische Regelungen bzw. erklärte diese vorab für nichtig. Das deutet die Schwierigkeiten einer Umsetzung eines egalitären Prinzipien folgenden Erbrechts an und lässt Umgehungsstrategien erwarten. Debatten um Testierfreiheit oder um die Abschaffung von Fideikommissen, die sich immer auch um die Frage von Ungleichheit drehten, durchzogen daraufhin tatsächlich das 19. Jahrhundert.
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Wem gehört d e r wa l d ? Fe l i x
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er Wald ist weit weg von den Zentren der Macht in den globalen Metropolen. Am Rande der Städte und außerhalb der alltäglichen Sorgen von industrialisierten Gesellschaften, ist und bleibt der Wald dennoch zentral für das Ökosystem Erde. Sei es für die biologische Vielfalt, das Klima, die Rohstoffe Holz und Papier oder als westliche Projektionsfläche, um bei einem Spaziergang raus aus Leistungsdruck, Urbanität und Entfremdung rein in die Natur und wieder zu sich selbst zu kommen. Wälder erfüllen vielfältige Funktionen von denen Staaten, Unternehmen und über 1,6 Milliarden Menschen direkt abhängig sind (Weltbank 2004: 16). Aufgrund von Industrialisierung, Kolonialismus, Bevölkerungswachstum und der globalen Ausweitung des Kapitalismus sind Wälder weltweit zunehmend von Schädigungen und Rodungen betroffen. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist die globale Waldfläche jährlich um 13 Millionen Hektar geschrumpft. Das ist mehr als die Waldfläche Deutschlands (elf Millionen Hektar) und entspricht der Fläche Griechenlands sowie 20 Prozent der zum Klimawandel beitragenden globalen Kohlendioxid-Emissionen (FAO 2010). Das ökonomische Interesse am Wald und seinem verwertbaren biologischen und genetischen Reichtum steigt. Angesichts daraus folgender, an Intensität zunehmender Konflikte, die häufig Enteignungen, Vertreibungen und Morde mit sich bringen, ist die Frage „Wem gehört der Wald?“ aktueller denn je. Koloniale Kontinuitäten im Wa l d d i s k u r s
Die Beantwortung dieser Frage hing historisch gesehen immer von denjenigen ab, die über die Entscheidungsgewalt und Deutungshoheit im Walddiskurs verfügten. Dies – so die These dieses Beitrags – ist bis heute so geblieben. Während der Diskurs in Europa vom 18. Jahrhundert an
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Text Becker
über die Bedeutung und angemessene Verwaltung des Waldes in Europan von staatlichen Apparaten und der Forstwissenschaft auf nationaler Ebene geführt wurde, verlagerte er sich ab den 1960er Jahren zunehmend auf die inter- und supranationale Ebene. Auf internationalen Foren und Konferenzen debattieren seitdem verschiedene Akteure – Regierungen, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und internationale Institutionen wie Weltbank, Food and Agricultural Organisation (FAO) und das United Nations Forum on Forests (UNFF) – darüber was Wald ist, wem er gehört und wie er geschützt bzw. vermarktet werden solle. Mit der Verlagerung auf die internationale Ebene geht die Anerkennung des Waldes als globales Gut einher: Auch Regionen in denen keine Wälder wachsen sind darauf angewiesen, dass es irgendwo auf der Welt weiterhin genug Wälder gibt. Internationale Waldverhandlungen sind wesentlich durch westliche Diskurse, Akteure und (post-)koloniale Kontinuitäten geprägt. Im Sinne Foucaults kennzeichnen vielfältige diskursive und nichtdiskursive Mechanismen den globalen Walddiskurs, welche die Machtungleichheiten zwischen globalem Norden und globalem Süden sowohl widerspiegeln als auch verfestigen und somit einen tiefgreifenden Wandel in der Waldpolitik und der Frage, wem der Wald gehört, verhindern. So sind in ihm die westlichen Doktrinen nationalstaatlicher Souveränität und des Privateigentums vorherrschend, welche den öffentlichen und privaten Waldbesitz garantieren. Diese Normen wurden im Zuge der Kolonialisierung auch in den kolonialen Gebieten etabliert. Sie rechtfertigten Grenzziehungen und Landreformen, welche Wälder zu Staatseigentum und Schutzgütern machten, und ermöglichten Kolonialherren und lokalen Eliten die Aneignung von Ländereien und Wäldern. Dies ging häufig mit Zwangsenteignungen und gewaltsamen Räumungen einher, welche mit rechtsstaatlichen Ordnungsmechanismen und der Ausübung des Gewaltmonopols durchgesetzt
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wurden. So sind hier in dieser Frage die westlichen Doktrinen nationalstaatlicher Souveränität und des Privateigentums vorherrschend, welche den öffentlichen und privaten Waldbesitz garantieren. Diese Normen wurden im Zuge der Kolonialisierung auch in den kolonialen Gebieten etabliert. Hierzu war zunächst die konstruierte Trennung von „zivilisierten Weißen“ und „primitiven Anderen“ maßgeblich, welche die Kolonialist*innen mit Gewalt durchsetzten, um sich als überlegen zu positionieren und Versklavungen und nahezu uneingeschränkte Landaneignungen zu legitimieren (Grove 1995: 5; Aikins/Franzki 2010: 13). Vor allem England verfolgte die Strategie, den chronischen Holzmangel durch die Ausbeutung seiner Kolonien in Amerika und Indien zu stillen. Bereits 1621, ein Jahr nach der Ankunft der Mayflower am Cape Cod, schickten die Siedler*innen ein mit Holzschindeln beladenes Schiff zurück nach England. Im Zuge der Verfestigung und Institutionalisierung der kolonialen Gebiete beanspruchten die Kolonialmächte die universale Gültigkeit der Prinzipien nationaler Souveränität und Privateigentum. Dadurch rechtfertigten sie Grenzziehungen und Landreformen, welche Wälder zu Staatseigentum und Schutzgütern machten, und ermöglichten Kolonialherren und lokalen Eliten die Aneignung von Ländereien und Wäldern. Dies ging häufig mit Zwangsenteignungen und gewaltsamen Räumungen einher, welche mit rechtsstaatlichen Ordnungsmechanismen und der Ausübung des Gewaltmonopols durchgesetzt wurden. In Indien, zum Beispiel, reagierte die Kolonialverwaltung auf steigende irreguläre Waldrodungen durch britische Holzhändler*innen sowie auf den zunehmenden Holzbedarf im industrialisierten England, indem es 1864 das Imperiale Amt für Waldwirtschaft und ein Forstgesetz auf den Weg brachte, um die Waldressourcen effizient auszubeuten und die bestmöglichen Landrechte zu sichern (Haeuber 1993: 55). Waldflächen wurden inventarisiert, kartiert, klassifiziert, geteilt und zu großen Teilen als Staatseigentum und als geschützte Gebiete bzw. Reservate erklärt (Kashwan 2013: 615). Anwohner*innen verloren ihr Gewohnheitsrecht der Land- und Waldnutzung und wurden zu illegalen Waldbesetzer*innen und -nutzer*innen (Banerjee et al 2010; Bose et al 2012). Nach der Unabhängigkeit setzten viele neu-entstandene Staaten die Waldpraktiken der vorigen Kolonialverwaltungen fort, um die Kommerzialisierung von Waldprodukten im Rahmen von Industrialisierungsstrategien und Entwicklungspolitiken voranzutreiben. Um die „Unterentwicklung“ zu überwinden, definierte die indische Regierung um Nehru den Waldschutz im Sinne staatlicher Industrialisierungsstrategien, welche großflächige Rechtsenteignungen, Zwangsumsiedlungen, neue Nationalparks, Großplantagen mit Importpflanzen (v.a. Eukalyptus) und die Verstaatlichung des Handels mit Waldprodukten umfassten (Bennett 2010: 39-45; Banerjee et al. 2010). Bis heute verbleiben hunderttausende indische Familien, deren
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Vorfahren ihre Landrechte verloren, ohne Aussicht auf Kompensation (Kashwan 2013: 616). Weltweit gehört der Wald heute zu 86 Prozent den unterschiedlichen Staaten, zu 10 Prozent Unternehmen oder anderen privilegierten privaten Akteuren und zu weniger als 4 Prozent Gemeinschaften und indigenen Gruppen (Agrarwal 2008). Der Großteil der 1,6 Milliarden Menschen, deren Lebensunterhalt vom Wald abhängt, verfügt über keine Eigentumstitel und ist somit der Duldung bzw. Willkür der Waldbesitzenden ausgesetzt. Bekannte Beispiele sind Dorfgemeinschaften in Palmölplantagen in Indonesien und Malaysia, deren Häuser zerstört und die mit Mord, Gewaltdrohungen und staatlicher Repression vertrieben werden (z.B. Pichler 2009; Spiegel Online 2015). Wem gehört das Wissen ü b e r d e n Wa l d ?
Die aktuelle Debatte über die Eigentumsrechte an wald bezogenem Wissen verdeutlicht auf eine andere Art und Weise, wem der Wald gehört und welche Rolle die diskursive Dominanz westlicher Akteure und Konzepte spielt. Im Diskurs über geistige Eigentumsrechte an genetischen Ressourcen, der sich vor allem auf die biologische Vielfalt der Flora und Fauna im globalen Süden bezieht, dominieren Rechtsansprüche, welche allesamt westlichen Kategorien entspringen. Der Konflikt umfasst drei Gruppen, die geistige Eigentumsrechte auf waldbezogenes Wissen beanspruchen: 1) die Regierungen, welche einen Gewinnanteil vom Gebrauch des Wissens und ihrer Wälder fordern, 2) der private Sektor, der das Wissen kommerzialisieren und patentieren will, sowie 3) indigene Gruppen, welche sich auf ihr Gewohnheitsrecht und geltende indigene Rechte berufen. Lange Zeit spielte sich der Konflikt nur zwischen Regierungen des globalen Nordens und Südens, also auf zwischenstaatlicher Ebene, ab. Zivilgesellschaftliche und betroffene Akteure waren ausgeschlossen. Beeinflusst vom privaten Sektor setzten sich die USA allen voran für Freihandel ein und dafür, dass Patente, als eine Form geistiger Eigentumsrechte, grundsätzlich auch auf Pflanzen und andere genetische Ressourcen gewährt werden. Dies geschah vor allem mit ökonomischen und wissenschaftlichen Argumenten, welche die Effizienz von Privatbesitz und Liberalisierung betonten. Solche Argumente untermauerten die Dominanz des neoliberalen und des Nachhaltigkeitsdiskurses und schlugen sich in internationalen Erklärungen wie den Waldprinzipien von 1992 nieder: Die Prinzipien 1a und 2b verdeutlichen die Kompatibilität von freien Märkten und Handelsliberalisierung mit Entwicklungszielen und Walderhaltung (UN 1992). Die Länder des globalen Südens beriefen sich vor allem auf ihre nationale Souveränität. Dies zeigt sich zum Beispiel in der 1991 von
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der Gruppe der 77 verabschiedeten Walddefinition, welche Staaten das unveräußerliche Recht zuschreibt, Wälder ihren Entwicklungsbedarfen und nationalen Politiken entsprechend zu benutzen, zu verwalten und zu konvertieren (Ahmia 2012: 95). Hierbei brachten sie schließlich das im internationalen Recht etablierte westliche Konstrukt „traditionelle Gemeinschaften und indigene Völker“ zur Anwendung, um ihren Anspruch auf das geistige Eigentum zu untermauern. Mit Unterstützung westlicher NGOs und Sozialwissenschaftler*innen setzte sich mit der Zeit eine klare analytische Unterscheidung zwischen traditionellem waldbezogenem Wissen (Traditional Forest-Related Knowledge (TFRK)) und westlicher Forstwissenschaft durch. In der Realität ist dieser Gegensatz unhaltbar, da zahlreiche Waldunternehmen und Forschungsinstitute des globalen Nordens im 19. und 20. Jahrhundert Wissen lokaler Gruppen übernommen und davon profitiert haben, während koloniale Forstwirt*innen ihr Wissen lokalen Gruppen vermittelt bzw. aufgezwungen haben (Humphreys 2006: 73). Vor allem in Asien und Afrika wurde dieses Wissen, zum Beispiel über medizinische oder landwirtschaftliche Pflanzeneigenschaften, von Generation zu Generation weitergegeben. Diese Trennung und das Konzept des TFRK diente den Ländern des globalen Südens und waldabhängigen lokalen Gruppen, da es ihnen, wie etwa im Übereinkommen 169 (Artikel 7) der International Labor Organization (ILO) und der Biodiversitäts-Konvention (Artikel 8j), bestimmte Schutzansprüche und Mitspracherechte einräumte. Diese haben aufgrund des späteren Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS)) nur geringfügige rechtliche Geltung. Westliche Regierungen setzten TRIPS in der Welthandelsorganisation (WTO) durch, in der sie diskursiv und strukturell dominieren. Als materieller Ausdruck der Forderungen der Freihandelslobby macht TRIPS Regelungen der europäischen und US-amerikanischen Patentgesetzgebung global geltend. Somit müssen alle Mitgliedsstaaten der WTO den Schutz geistiger Eigentumsrechte in ihrer nationalen Gesetzgebung umsetzen. Durch TRIPS konnten westliche Unternehmen bereits in hunderten von Fällen das geistige Eigentum an bestimmten Pflanzeneigenschaften, welches ihnen von Menschen im globalen Süden vermittelt wurde, patentieren und dadurch ihr Eigen nennen. Ein bekanntes Beispiel ist die afrikanische Teufelskralle (Harpagophytum procumbens). Ein deutscher Kolonialbeamter erfuhr durch die Gruppe der San von den Heilwirkungen der Pflanze, welche im Laufe der Zeit patentiert und kommerzialisiert wurden. Bis heute sind die San weitestgehend vom Gewinn an den in Deutschland zu den kommerziell wichtigsten Pflanzenheilmitteln zählenden
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Medikamenten ausgeschlossen (Hoering 2004). 97 Prozent aller Bio-Patente befinden sich in der Hand von Unternehmen mit Sitz in den Industrieländern (Hanano 2009). Durch das patentierte Wissen haben westliche Unternehmen aus zuvor öffentlichen Gütern ein ausschließbares Klubgut gemacht, das denjenigen vorbehalten ist, die die Patentgebühr an den rechtlichen Eigentümer bezahlen können (Humphreys 2006: 16). Diese Form der Markterschließung ist eine weitere Dimension kapitalistischer Expansion, welche das Jahrhunderte oder Jahrtausende alte Wissen über Heil- und Nutzpflanzen privatisiert und der kollektiven Nutzung entzieht (Kaiser 2008: 5f). Selten findet die Kritik von indigenen Gruppen, landwirtschaftlichen Organisationen, NGOs oder Graswurzelbewegungen Gehör, da diese vom globalen Walddiskurs weitestgehend ausgeschlossen sind. Selbst wenn sie dort Erfolge verzeichnen, hat dies geringe Auswirkungen, da der Walddiskurs vom Freihandelsdiskurs und WTORegelungen wie dem General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) und TRIPS überlagert wird. Globale Waldschutzbestrebungen stoßen schnell an ihre Grenzen, sofern sie das Freihandelsprinzip bedrohen und aus Sicht der WTO als nichttarifäre Handelshemmnisse eingestuft und somit verboten sind. Das Beispiel des ‚traditionalen waldbezogenen Wissens‘ zeigt, wie der globale Walddiskurs von diskursiv, institutionell und materiell überlegenen Akteuren des globalen Nordens dominiert und von westlichen Doktrinen wie Privateigentum, Technikorientierung, nationalstaatlicher Souveränität und neoliberalem Kapitalismus beherrscht wird. Die daraus resultierenden Abkommen erleichtern die Veräußerung von Waldnutzungsrechten, Marktausweitung und die Privatisierung des Waldes. Die Frage, wem der Wald gehört, können nur wenige beantworten, da vor allem die Betroffenen aufgrund verschiedener diskursiver und nichtdiskursiver Mechanismen vom Diskurs ausgeschlossen sind. Die ungleichen Zugangsmöglichkeiten zum Diskurs, die Normalisierung bestimmter Ideen, die Marginalisierung anderer sowie die unterschiedlichen Ressourcenausstattungen der Akteure basieren auf Macht- und Wissensunterschieden, welche im Kolonialismus wurzeln. Somit gehört der Wald weniger denen, die ihn bewohnen und zum Leben benötigen, sondern eher denjenigen, die über ihn, sein Wissen und seine Verwertung entscheiden können. Die tatsächliche Umsetzung des im ILO-Übereinkommens 169 festgeschriebenen Rechts auf die freie und vorherige informierte Zustimmung der von politischen Prozessen betroffenen Gruppen scheint ein notwendiger Schritt. Zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Akteure fordern zudem umfassende Demokratisierungsprozesse und die Minderung von Ausschlussmechanismen in der Wissenschaft.
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Die Land wirschaftliche R e n t e n b a n k Wem gehört die Bank der Bauern?
Andrea
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ie in der Öffentlichkeit kaum bekannte Rentenbank refinanziert circa ein Drittel der landwirtschaftlichen Investitionen sowie der Investitionen im ländlichen Raum. Sie ist als Förderbank konstruiert, die der Refinanzierung anderer Bankinstitute zur Vergabe von Krediten an das „Agribusiness“ dient. Durch ihren Ansatz keine direkten Bankgeschäfte zu machen, steht sie außerhalb des üblichen Wettbewerbs der Banken. Die Landwirtschaftliche Rentenbank wurde am 11. Mai 1949 per Gesetz als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet. Dies entsprach dem Modell ihrer beiden Vorgängerinstitute: der Deutschen Rentenbank und der Deutschen Rentenbank-Kreditanstalt (RAK).1 Die Deutsche Rentenbank war im Jahr 1923 gegründet worden, um erfolgreich mit der Einführung der Deutschen Rentenmark die Hyperinflation zu stoppen. Die Deutsche Rentenbank-Kreditanstalt wurde etabliert, um die Landwirtschaft mit langfristigen Geldmitteln zu versorgen, die sie zu diesem Zeitpunkt vom klassischen Banksystem nicht erhalten konnten.2 Wenngleich diese drei Rentenbanken jeweils per Gesetz gegründet wurden, ist daraus dennoch kein Anspruch auf Eigentum des Staates bedingt. Denn das Eigenkapital der Banken stammte nicht aus Mitteln des Staates,3 sondern wurde mit der sogenannten Rentenbankgrundschuld im Umlageverfahren aufgebracht. Bei der Deutschen Rentenbank waren es zunächst die Grundstücke von Industrie und Landwirtschaft, die einbezogen waren. Bei
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Text Schneider
den beiden Nachfolgern RKA und Landwirtschaftliche Rentenbank bildete nur die Landwirtschaft die Grundlage. Die Landwirte mussten zehn Jahre lang 0,15 Prozent des Einheitswertes ihrer Höfe aufbringen bis eine Summe von 200 Mio. D-Mark für die Rentenbank erreicht war und 60 Mio. D-Mark für die Deutsche Genossenschaftskasse – das zweite Refinanzierungsinstitut auf dem landwirtschaftlichen Sektor.4 Diese Eigentumskonstellation lässt die Einflussmöglichkeiten des Staates relativ gering werden. Vorhanden ist sie jedoch. Die Rentenbank ist also eine Anstalt öffentlichen
Die Gesetzte Nr. 91 „Gründung der Landwirtschaftlichen Rentenbank“, Nr. 92, „Gesetz über die Rentenbankgrundschuld“ und Nr. 93 „Gesetz über die Deutsche Genossenschaftkasse“ wurden gemeinsam am 11. Mai 1949 vom Wirtschaftsrat verabschiedet.
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Vgl. Andrea H. Schneider (2009): Immergrüner Wandel: 85 Jahre Rentenbank, Wiesbaden; Manfred Pohl/Andrea H. Schneider (1999): Die Rentenbank. Von der Rentenmark zur Förderung der Landwirtschaft, München.
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3 Ein Sonderthema sind die Marshallplan-Gelder, die der Landwirtschaftlichen Rentenbank bei ihrer Gründung zur Verfügung gestellt wurden. Die ersten Jahre hatte die Rentenbank noch keinen Möglichkeiten zur Refinanzierung am Kapitalmarkt und die Gelder aus der Rentenbankgrundschuld flossen über zehn Jahre verteilt dem Institut zu. So bildeten die Gelder aus dem European Recovery Programm zunächst das Herz der Ausleihetätigkeit des Instituts.
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Rechts, deren Eigenkapital aus einer Umlage stammt und nicht in Form von Aktien, Genossenschaftsanteilen oder aus Staatsmitteln aufgebracht wurde. Dementsprechend gibt es keine Aktionäre oder Eigentümer. Per Gesetz ist als Zweck der Rentenbank die Förderung der Landwirtschaft festgelegt. Die Gremien der Bank – die Anstaltsversammlung sowie der Verwaltungsrat – spiegeln die Interessengruppen wieder. Neben den Bundes- und Landesministerien sind dort vor allem Vertreter der Landwirtschaftlichen Verbände anwesend. Während im Vorläuferinstitut die Reichsregierung noch direkt ihre Vertreter in den Verwaltungsrat entsandte, war dies zunächst bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank nicht der Fall. Die Rechtsaufsicht hatte – der auch das öffentliche Interesse wahrte – zunächst ein Kommissar im Verwaltungsrat. Mit der Rentenbank ist auch das Thema der „Anstaltslast“ verbunden, d.h. die Bundesrepublik hat eine Instandhaltungspflicht übernommen. Diese Gewährträgerhaftung erlaubt es Gläubigern zwar nicht direkte Ansprüche gegenüber der Bundesrepublik zu erheben, zwingt jedoch den Bund bei Bedarf die Bank finanziell aufzufangen. 1982 hatte der Bundesrechnungshof wiederum auf sein Prüfungsrecht bei der Rentenbank mit dem Verweis, die Rentenbank sei „ein Sondervermögen der Landwirtschaft in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit anstaltlichen Zügen“, verzichtet.5 Im Zuge der Einführung eines Ratings in den 1990er Jahren für die Rentenbank (um auf dem internationalen Kapitalmarkt tätig werden zu können) bestätigte der Bund die Anstaltslast nochmals. Sie besteht bis heute und genießt in europarechtlicher Hinsicht eine Sonderstellung, insofern die Rentenbank primär als Förderinstitut außerhalb des Wettbewerbs mit anderen Banken (reine Refinanzierung) steht. Um die Sachlage noch weiter zu verkomplizieren sei auf ein innerhalb der Rentenbank bestehendes Zweckvermögen verwiesen, das sich aus den Mitteln speiste, die im Zuge der Auflösung der Rentenbank-Kreditanstalt auf die Landwirtschaftliche Rentenbank übertragen worden waren und die von der Bank treuhänderisch für den Bund verwaltet wurden. Zusätzlich wurde dieses Zweckvermögen aus einem festgelegten Anteil des Jahresüberschusses der Bank erhöht. Die Zinseinnahmen aus diesem Zweckvermögen, das für festgelegte Programme ausgeliehen wurde, wurden zunächst für den Absatzfonds des Bundes verwendet, ab den 1980er Jahren dann in Teilen auch direkt an den Bundeshaushalt. Lediglich aus diesem Zweckvermögen konnte der Bund 1988 30 Mio. D-Mark und 2004 45 Mio. Euro in den Bundeshaushalt direkt ausbezahlen. Es gab in der Geschichte der Bank immer wieder Versuche, auch auf andere Mittel der Bank direkt zuzugreifen. Dies konnte jedoch aufgrund der Konstruktion der Rentenbank immer verhindert werden. EU-Rechtsvorschriften (Ende des Absatzfonds) machten jedoch eine Neuausrichtung des
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Zweckvermögens nötig, das seit 2008, unter dem Stichwort „Innovation“, Modellprojekte und andere Vorhaben der Landwirtschaft als Förderungsfonds unterstützt. Daneben vergibt die Rentenbank verbilligte Kredite im Rahmen ihre Programms sowie Kredite zu marktüblichen Konditionen. Wir sehen hier eine Gemengelage aus normalen Kreditvergaben, vergünstigten Kreditvergaben sowie Förderkrediten aus dem Zweckvermögen. Die Verhältnisse, Stoßrichtungen und vor allem auch die Gegenfinanzier ung änderten sich im Laufe der Jahrzehnte. Kernaufgabe der Rentenbank blieb jedoch immer die Förderung der Landwirtschaft, was sich damit übersetzt, dass die Kredite der Förderprogramme durch die Überschusszuwendungen verbilligt werden. Interessant ist es, die Frage des Eigentums und Eigentümers mit der Frage nach der Performance des Unternehmens zu verknüpfen. Im Falle der Rentenbank lässt sich eindeutig zeigen, dass sie von einer stark nachhaltig orientierten Geschäftstätigkeit geprägt ist, die weniger risikoorientiert agiert, da sie weniger von Eigentümern auf hohe Renditen getrimmt wird, sondern zweckorientiert und sicherheitsbewusst arbeitet. Auch ohne Eigentümer ist die Rentenbank gewinnorientiert, muss und will sie doch durch die Renditen Kredite verbilligen und die Landwirtschaft fördern. Allerdings scheint sie weniger systemgetrieben und zählt daher zunächst zu den Gewinnern in der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise. Bindet man die Frage des Eigentums an das Eigenkapital, dann wäre es naheliegend die Landwirtschaft als Eigentümerin zu interpretieren. Andererseits lässt sich durch den Gesetzesakt auch ein Argument für das staatliche Eigentum vorbringen. Hingegen scheint das Argument am überzeugendsten, dass die Rentenbank schlichtweg sich selbst gehört.6 Dies untermauert auch die Praxis, insofern keiner der alternativ in Frage kommenden Eigentümer die Rentenbank unter Druck setzt, eine höhere Gewinnmarge zu erzielen. Da die Gewinnverwendung primär auf die Verbilligung der Programmkredite zielt sowie auf die Zuführung zum Zweckvermögen bzw. dem heutigen Förderungsfonds, fließen die Gelder in das eigene System der Refinanzierung zurück.
Diese Mittel wurden der Rentenbank in den 1970er Jahren zurückübertragen, so dass ein Eigenkapital mit 264 Mio. D-Mark bestand.
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Vgl. Aktenvermerk vom 17.11.1982 sowie Schreiben BMF an Rentenbank vom 26.4.1982, Archiv LR.
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Vgl. Jose Martinez (2014), „Die Organisation der Rentenbank zwischen Kontinuität und Wertewandel“, in: Christiane Gothe (Hg.), An der Seite der Bauern. Die Geschichte der Rentenbank, München 2014, S. 330.
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Vergleicht man die Konstruktion der Rentenbank und deren Geschäftsmodell mit anderen Banken und Unternehmen fällt ins Auge, dass sie letztlich in einer wenn auch historisch anders gewachsenen, aber doch ähnlichen Situation wie verschiedene Stiftungen ist. So ist beispielsweise das Eigenkapital der Zeppelin-Stiftung durch eine Spende des deutschen Volkes aufgebracht worden, das spontan nach dem Absturz des Zeppelins LZ4 in Echterdingen im Jahr 1908 die Summe von sechs Mio. Mark aufgebracht hat. Dies war die Grundlage und Eigenkapitalausstattung der Stiftung, die dann als Eigentümerin der verschiedenen Zeppelinunternehmen weiterarbeitete und bis heute arbeitet. Auch hier gibt es keinen Eigentümer mit Anteilen etc. Die Erlöse, welche die Unternehmen der Stiftung erwirtschaften, fließen gemäß der Satzung der Stadt Friedrichshafen bestimmten Zwecken zu. Verwaltet wird die Stiftung hierbei maßgeblich durch die Stadt Friedrichshafen. Wenngleich sich das Eigenkapital der Rentenbank nicht als Stiftungsvermögen sehen lässt, da es zwangsweise erhoben wurde, sind die weiteren Konstellation, die Verwaltung und die Eigentümerverhältnisse doch derartigen Unternehmensträgerstiftungen ähnlich. Auch hier sind die Stiftungen ihre eigenen Eigentümer.7
Vgl. auch Werner Plumpe (Hg.) (2014): Eine Vision – Zwei Unternehmen. 125 Jahre Carl-Zeiss-Stiftung, Verlag C.H. Beck, München 2014.
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Die Bedeutung des Erbens
Firmenerbinnen und -erben zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien.
Sonja
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amilienunternehmen und Erbschaften sind den meisten Menschen vertraute Themen, wenn nicht durch eigene Erfahrung, dann zumindest über Literatur und Fernsehen. Zu Herzen gehende Familiengeschichten reicher Leute, die um Liebe und die Erhaltung ihres Wohlstands kämpfen, gehören zum ständigen Repertoire der leichten Unterhaltung. Nüchtern betrachtet, ohne jedoch individuellen Entscheidungen von vorneherein rationale Beweggründe unterstellen zu wollen, lassen sich gesellschaftliche Strukturen und Geschlechterkonstellationen erkennen und herausarbeiten. Das im Folgenden vorgestellte Beispiel der Unternehmerfamilie Gerngroß war Teil einer größer angelegten Studie mit einer Untersuchungsgruppe von über 700 Personen und ca. 70 detaillierten Fallstudien (Niederacher 2012). Die Zielsetzung der Studie lag in der Analyse der Verteilung von Vermögen zwischen Männern und Frauen, dabei stand die Frage nach den Ursachen für unterschiedliche Vermögenszusammensetzungen im Zentrum. Es stellten sich drei Faktoren als maßgeblich heraus, um Vermögen bilden zu können: Erbschaft, Heirat und Unternehmertum, und zwar in dieser Reihenfolge. Im individuellen Fall kamen diese Faktoren jeweils unterschiedlich stark zum Tragen. Nicht zuletzt bestimmten geschlechtsspezifische Unterschiede, in welchem Größenverhältnis diese Faktoren jeweils zur individuellen Vermögensbildung beitrugen.
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Text Nieder acher
Konkret werden Erbpraktiken bei Unternehmern in ihren Auswirkungen auf die Erben und Erbinnen hinsichtlich Vermögen und beruflichen und sozialen Status untersucht. Ich betrachte sowohl die tatsächlichen Erben wie auch diejenigen, die vom Erbe ausgeschlossen oder in minderer Weise bedacht werden. Ferner analysiere ich geschlechterspezifische Erbpraktiken als Instrument, Kapital1 in einem Unternehmen zu binden. Anhand eines historischen Beispiels einer Unternehmenserbschaft als (vereinfachtes) Modell sollen Vererbungspraktiken, wie ich sie für die jüdische Wiener Unternehmerschicht zu Beginn des 20. Jahrhunderts als typisch erkannt habe, vorgestellt werden. Der Erblasser ist der Kaufhausbesitzer Alfred Gerngross. Die Erben sind seine Ehefrau Emma und seine acht Kinder, vier Töchter und vier Söhne. Ich beschränke mich dabei auf die Situation beim Ableben von Alfred Gerngross und lasse die weitere Entwicklung der Firmenbeteiligungen außen vor. Als Quellen dienen sein Testament und weitere Unterlagen, die in seinem Verlassenschaftsakt enthalten sind. Der Akt ist im Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA) archiviert und zugänglich.
Der Begriff des Kapitals bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf den Geldwert, sondern schließt auch symbolisches und soziales Kapital, im Sinne von Pierre Bourdieu, mit ein (Bourdieu 1998).
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Kaufhaus A. Gerngross, Wien
Alfred Gerngroß war zusammen mit seinem Bruder Hugo Eigentümer des Kaufhauses A. Gerngross in der Mariahilfer Straße in Wien. Die Mariahilfer Straße war damals wie heute Wiens wichtigste Einkaufsstraße. Die Brüder begannen mit einem Stoffgeschäft 1879 und expandierten sehr rasch. Das Geschäft wurde zum größten Warenhaus Wiens und schließlich der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie. Dort waren an die 1.600 Angestellte beschäftigt. Das Kaufhaus Gerngroß gehörte zu jenen berühmten Warenhäusern, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebten. Das Warenhaus galt als Symbol und Schauplatz der Moderne und stand aus genau diesem Grund auch stets im Mittelpunkt von gesellschaftlichen und ökonomischen Debatten (Lindemann 2015). Im Alter von 63 Jahren starb Alfred Gerngroß am 7. August 1908. Er hinterließ ein Testament. Indem er sein Testament aufsetzte, konkretisierte Gerngroß die Erbfolge. Während die meisten Erblasser sich auf die gesetzliche Erbfolge verließen, waren Unternehmer besonders darauf bedacht, ihr Erbe unter der Prämisse des Weiterbestandes ihres Unternehmens zu verteilen. Ein Blick ins Archiv bestätigt, dass Verlassenschaftsakten von protokollierten Kaufleuten nur in wenigen Fällen kein Testament beinhalten. Was bewegt Unternehmer im Gegensatz zur Mehrheitsbevölkerung dazu, modifizierend in die Erbfolge einzugreifen? Es ist naheliegend, dass eine Kapital- und Interessenaufsplitterung ein Unternehmen schwächen können. Doch scheint eine Testierung nicht ausschließlich ökonomischen Interessen zu folgen, sondern wollte offenbar auch gesellschaftlichen Vorgaben entsprechen, selbst wenn diese nicht deckungsgleich mit den Zielen des wirtschaftlichen Erfolges waren. Faktisch folgte Alfred Gerngroß dem österreichischen Erbrecht, das die Gleichheit beider Geschlechter von ehelichen Kindern zum Grundsatz hatte. "Wenn der Erblasser eheliche Kinder ersten Grades hat, so fällt ihnen die ganze Erbschaft zu; sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechtes; sie mögen bei Lebzeiten oder nach seinem Tode geboren sein.“ ABGB § 732
Doch verfügte Gerngroß eine geschlechterspezifische Aufteilung hinsichtlich der Verfügungsgewalt über die ererbten Werte. D a s T e s t a m e n t v o n Al f r e d G e r n g r o SS
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Alfred Gerngroß bedachte in seinem Testament alle seine acht Kinder mit gleichen Teilen seines fünf Mio. Kronen umfassenden Vermögens, von dem drei Mio. aus Anteilen an seinem Kaufhaus bestanden (der Rest waren primär Wertpapiere). 1911 wurde das Unternehmen im Zusammenhang mit der Erbteilung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Über 60 % der nunmehrigen A. Gerngross AG blieben in der Hand der Familie. Seine Ehefrau Emma Gerngroß, geb. Sichel, erhielt keine Firmenteile, sondern die gemeinsame Villa und eine Jahresrente. Hier folgte der Erblasser ebenfalls dem ABGB, wonach der überlebenden Ehefrau bzw. dem Ehemann nur das Fruchtgenussrecht an einem Viertel des Nachlasses zustand. Nur wenn keine gesetzliche Erben der ersten und zweiten Linie sowie keine Großeltern vorhanden waren, erhielt die Ehefrau bzw. der Ehemann die gesetzliche Erbschaft (ABGB § 757). Mit der Teilnovelle von 1914 erhielt schließlich der überlebende Teil ein Viertel des Nachlasses und nicht nur das Fruchtgenussrecht daran (Neuwirth 2007). Die Führungsnachfolge und je 1/8 seines Unternehmensanteils legte er in die Hände von dreien seiner Söhne: Albert, Robert und Paul. Die vier Töchter Rosa, Minna, Lilly und Margarethe erhielten ebenfalls je einen Achtelanteil an dem Unternehmensanteil, allerdings wurden die erhaltenen bzw. noch zu erhaltenden Heiratsgüter als Vorausempfang vom Erbe abgezogen. Eine Funktion im Unternehmen war in ihrem Erbe nicht enthalten. Ferner erhielten sie die Auflage, ihr Erbe im Unternehmen zu lassen. "Da ich wünsche, dass das Gesellschaftsge schäft auch nach meinem Ableben mit mög lichst ungeschwächter Kapitalskraft fort geführt werde, so sind meine gesamten vier Töchter verpflichtet, ihre Erbteilskapitals beträge gegen Entrichtung der gesetzlichen Zinsen im Geschäfte zu belassen, ohne deren Sicherstellung beanspruchen zu können.“ Testament § 4
Lediglich aus Anlass der Verehelichung der beiden noch ledigen Schwestern, Lilly und Margarethe, wären die Geschäftsführer zur sofortigen Auszahlung der hierfür vorgesehenen Summe von je 250.000 K für das Heiratsgut verpflichtet gewesen. Wieder unter anderen Voraussetzungen trat der ebenfalls nicht im Unternehmen tätige Sohn Otto sein Erbe an. Otto arbeitete als Chemiker in Berlin und konnte sich einen Teil seines Erbes aus dem Firmenvermögen unter
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der Bedingung auszahlen lassen, dass er das Geld für den Aufbau eines Unternehmens verwendete.2 Dies zeugt von Alfred Gerngroß‘ Denken in unternehmerischen Kategorien. Es setzt das Unternehmertum als männlich gedachte Konzeption fort was darauf hinweist, wie sehr solche unternehmerischen Grundsatzentscheidungen entlang von Geschlechtergrenzen verlaufen. Ein eigenmächtiges Abweichen von den im Testament getroffenen Entscheidungen erlaubte der Erblasser nur denen im Kaufhaus tätigen Söhnen. Sie konnten das Kapital der anderen Erben auch ohne deren Willen auszahlen.3 Wer mit den Bedingungen nicht einverstanden war, wurde auf den niedrigeren Pflichtteil gesetzt. F ü h r u n g s n ac h f o l g e
Die Führungsnachfolge regelte wer den Betrieb weiterführen sollte, während die Beteiligungsnachfolge sich auf die rein finanzielle Beteiligungen am Unternehmen bezieht. Sie müssen nicht deckungsgleich sein. Führungs- und Beteiligungsnachfolge sind als Begriffe dem Vokabular heute tätiger Berater für Familienunternehmen entnommen. Sie eignen sich aber auch als Instrument, um historische Erbpraktiken zu analysieren.
Das Hochhalten einer praxisorientierten Ausbildung wäre an sich auch Frauen zu Gute gekommen, die zu dieser Zeit noch Einschränkungen in Bezug auf ihre Ausbildung ausgesetzt waren. So konnten Frauen erst ab 1872 als Externistinnen die Matura an Knabengymnasien ablegen, ab 1897 berechtigte die Reifeprüfung Frauen zum Hochschulstudium, zunächst an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Als nächste öffneten 1900 die Medizinische und 1919 die Juridische Fakultät sowie die Technische, Montanistische und Tierärztliche Hochschule weiblichen Hörerinnen ihre Türen (Heindl/Tichy 1993). Doch folgten die Unternehmer bei der Erziehung ihrer Töchter sehr oft den gesellschaftlichen Vorgaben und bereiteten sie auf ihre Rolle als Ehefrau vor. Andere Beispiele zeigen aber auch, dass es gleichzeitig sehr wohl Spielraum gab und dieser manchmal genützt wurde, um Töchter studieren zu lassen oder als Nachfolgerin im Unternehmen zu etablieren (Niederacher 2012, 58). Ein Vergleich von verschiedenen Unternehmerfamilien zeigt aber im Grunde recht deutlich, wie stark kulturelle Wertmaßstäbe den letzten Willen eines Unternehmers im Gegensatz zu wirtschaftlichen Überlegungen oder rechtliche Rahmenbedingungen zu beeinflussen vermochten (Harven 1997, 25). B e t e i l i g u n g s n ac h f o l g e
Es kann nicht behauptet werden, dass Alfred Gerngroß lediglich versuchte, die Anzahl der Erben für die Führungsnachfolge niedrig zu halten, da gleich drei Söhne die Führungsnachfolge antraten und Generaldirektor (Robert Gerngroß) bzw. Mitglieder des Verwaltungsrates wurden. Auch eine Rangordnung nach dem Alter ist nicht zu erkennen. Vielmehr schloss er schlichtweg die weiblichen Erben von der Firmennachfolge aus. Die Führungsnachfolge an sich ist nicht niedergeschrieben, sondern ist dem österreichischen Industrie- und Handelskompass, einem zeitgenössischen Branchenbuch, zu entnehmen. Die Söhne sind wohl, so weiß man es aus Familienbiographien anderer Unternehmen (die Familie Gerngroß selbst hat keine biographischen Schriften hinterlassen), im eigenen oder verwandten Unternehmen auf ihre Rolle vorbereitet worden. Sie begleiteten den Vater bei wichtigen Geschäften und übernahmen schon zu Lebzeiten des Vaters Teilbereiche des Unternehmens. Eine spezielle Ausbildung, ein Universitätsstudium etwa, spielte hierbei eine untergeordnete Rolle. In meiner Untersuchungsgruppe hatte kein einziger Unternehmensnachfolger ein Studium abgeschlossen (Niederacher 2012, 57). Allgemein kann daher der Ausbildung in der Unternehmerschicht ein hoher Praxisbezug, vor allem durch das Lernen im eigenen Unternehmen, attestiert werden; auch Frauen qualifizierten sich durch die Praxis und nicht durch eine spezifische Ausbildung (Eifert 2004, 75).
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Neben der Führungsnachfolge, die bei Gerngroß nur drei der Söhne betraf, steht die so genannte Beteiligungsnachfolge. Sie betraf die vier Töchter und in abgewandelter Form den weiteren Sohn. Für die Beteiligungserbinnen bedeutete die Gerngroß’sche Erbaufteilung, dass sie Firmenwerte gleichwertig derer ihrer Brüder erhielten. Doch blieb ihr Erbe im Unternehmen zwangsweise veranlagt. Sie konnten nicht frei darüber verfügen. Die Verteilung, wie Alfred Gerngroß sie vornahm, bedeutete für die ihm im Unternehmen nachfolgenden Söhne, dass sie mit dem gesamten Kapital ihres Vaters rechnen konnten und ihnen auch die Erbanteile ihrer Schwestern gegen Auszahlung von Renditen zur freien Verfügung standen. Auch die Ergebnisse aus den anderen Erbschaften meiner Untersuchungsgruppe legen nahe, dass darin die
„Auch mein Sohn Otto soll seinen Erbteil im Gesellschaftsgeschäfte belassen, und soll im (sic) derselbe gleichfalls nach dem gesetzlichen Zinsfuße verzinst werden. Nur im Falle, als er ein selbständiges Geschäft gründen, oder sich an einem solchen beteiligen wollte, wäre ihm von seinem Erbteile die Summe von 100.000 K flüssig zu machen.“ (Testament § 5)
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3 „Dagegen sind meine Söhne berechtigt, die Legatsbeträge meiner Töchter und deren Erbteilsbeträge, wie auch den Erbteilsbetrag meines Sohnes Otto ganz oder in durch 10.000 teilbaren Beträgen jederzeit zurückzuzahlen und sich hiedurch von der weiteren Verzinsungspflicht der zurückgezahlten Beträge zu befreien.“ (Testament § 6)
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Ursache für eine später ungleiche Vermögensverteilung zwischen den Geschlechtern zu finden ist. Weil den Töchtern die Möglichkeit fehlte, durch unternehmerisches Handeln ihr Vermögen zu mehren, wiesen sie einige Jahre nach dem Erbanfall ein niedrigeres Vermögen auf als die ursprünglich in Summe gleich bedachten Söhne.
Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhang ist die Studie Gerhard Neumeiers, die für jüdische und christliche Unternehmer in München um 1900 eine deutliche Endogamie in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht aufzeigt und einen Zusammenhang zwischen Unternehmensnachfolge und -erfolg feststellt (Neumeier 1999).
In anderen Fällen, vor allem wenn die Unternehmen zu klein für eine Aufteilung waren, tendierten Erblasser dazu, den Söhnen das gesamte Unternehmen und den Töchtern andere Vermögensarten, wie etwa Immobilien, zu überlassen. Dabei setzte nicht das Erbrecht die Reproduktion sozialer Ungleichheit voraus bzw. fort, sondern vielmehr die Erblasser selbst, welche die Zusammensetzung der Erbteile festschrieben und dadurch die an sich geschlechterneutrale Vorgabe des Gesetzes modifizierten.
Laut ÖkonomInnen zeichnen sich Familienunternehmen vor allem dadurch aus, dass sie weniger von Fremdfinanzierungen abhängig sind, weil sie ihren Kapitalbedarf zu größeren Teilen durch ihre verwandtschaftlichen Netzwerke aufbringen können, was ihnen aufgrund günstigerer Kreditkonditionen Vorteile im wirtschaft lichen Wettbewerb bringt. Dementsprechend ist auch nach Pierre Bourdieu eine Heirat nicht als selbständige Einheit, sondern als ein Teil von mehreren Tauschvorgängen zu betrachten, deren Ziel die Maximierung von ökonomischen und symbolischen Profiten ist (Bourdieu 1987, 265).
Erbinnen als Investorinnen
Neben dem Wegfall von Einkünften aus unternehmerischem Handeln wurden den Schwestern Gerngroß die Mitgift abgezogen. Das Heiratsgut ist anlässlich der Vermählung an den Ehemann zu übergeben, die Braut erhält es erst nach dem Ableben ihres Mannes zurück – unverzinst. In der Regel wurden Heiratsgüter in das Unternehmen des Mannes investiert. Vom Standpunkt des Unternehmens aus gesehen war das Heiratsgut eine durchaus sinnvolle Investition, für einige Betriebe war das Heiratsgut sogar die wichtigste Finanzierungsquelle, gleich einem zinsfreien lebenslangen Kredit für den Unternehmer.
Auch dafür bietet die Familie Gerngroß ein anschau liches Beispiel. Robert Gerngross heiratete die Tochter eines Textilfabrikanten und Uniformherstellers. Seine zwei im Jahr 1908 bereits verheirateten Schwestern waren ebenfalls mit Unternehmern verheiratet, eine davon mit einem Krawattenerzeuger. Studien aus anderen historischen Kontexten bestätigen die Tendenz zu sozio-endogamen Tendenzen in der Unternehmerschaft (Lanzinger 2003; Löther 1991; Mosse 1989).
An dieser Stelle ist der Grundsatz der vollen Rechtsfähigkeit der Frau im österreichischen Ehegüterrecht zu erwähnen. Während der Ehe behielten beide EhepartnerInnen das Eigentumsrecht und die Verfügungsgewalt über ihr in die Ehe eingebrachtes und nachher erworbenes Vermögen – es herrschte vollständige Gütertrennung (Bandhauer-Schöffmann 2002). Diese Regelung unterscheidet das österreichische Recht von dem anderer europäischer Länder, in denen das Vermögen der Frau bei der Verehelichung ganz oder teilweise auf den Mann überging (Beth 1925, 82).
Der Erblasser Alfred Gerngroß begründete die geplante Erbteilung mit seiner Sorge über die drohende Zersplitterung des Firmenkapitals und den damit zusammenhängenden Befürchtungen eines Bruches der Kontinuität des Familienunternehmens, für die gerade die Kapitalstreuung eine besondere Herausforderung darstellte (Colli 2003, 35). Dem wurde mittels einer Umwandlung des Unternehmens in eine AG entgegengewirkt. Nur so war es möglich, alle acht Kinder als Beteiligungserben einzusetzen und gleichzeitig das Kapital im Unternehmen zu belassen.
Als Beteiligungserbinnen am väterlichen Unternehmen waren die Töchter Gerngroß somit wichtige Investorinnen des Kaufhauses, und als Ehefrauen wurden sie zu wichtigen Investorinnen im Unternehmen ihres Ehemannes. Indem Alfred Gerngroß alle seine Kinder durch ihr Erbe an das Unternehmen band, verschaffte er diesen zudem auch Anteil am sozialen Netzwerk, das jedes der Kinder, vor allem die Töchter mit ihren Eheschließungen, aufbauten. Familiengründungen gingen wohl oft mit unternehmerischen Interessen Hand in Hand, trug doch das Akquirieren von Finanz- und von sozialem Kapital abseits von Bankgeschäften wesentlich zum Geschäftserfolg bei.
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Schluss
Trotz der prinzipiellen Gleichheit bei der Aufteilung des Erbes, hatte das Testament für die jeweiligen Erben und Erbinnen unterschiedliche Auswirkungen auf die weitere individuelle Vermögensentwicklung. Die Söhne erhielten neben ihrem Anteil am Unternehmen eine mit der Führungsnachfolge verbundene Vergütung. Zusätzlich konnten sie mit den Erbteilen ihrer Schwestern und eines Bruders wirtschaften, da diese an das Unternehmen gebunden waren. Ein Teil des Erbes der Töchter ging anlässlich ihrer Verehelichung an deren Ehemänner über und bildete eine Investition in deren Unternehmen.
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Aus der Perspektive der individuellen Person minderte das Heiratsgut das Vermögen von Frauen und mehrte das ihrer Ehemänner. In diesem historischen Kontext und dessen Betrachtungsweise stand das Individuum jedoch nicht für sich allein, sondern war in Herkunftsfamilie und angeheiratete Familie eingebettet, samt den dazugehörigen Unternehmen. In der gesellschaftlichen Konstitution des beginnenden 20. Jahrhunderts hatten aus unternehmerischer Sicht Frauen wie Männer bestimmte, nicht austauschbare Funktionen inne. Während Männer Unternehmen gemeinhin repräsentierten, hatten Frauen, auch wenn sie öffentlich nicht als Unternehmerinnen in Erscheinung traten, für die Finanzierung von Familienunternehmen eine große Bedeutung. Eheliche Verbindungen wiederum bildeten die Grundlage von unternehmerischen Allianzen. Sowohl die Position im sozialen Gefüge, wie auch die Gelegenheit, Vermögen aufzubauen, waren letztlich von der Möglichkeit zu erben abhängig.
lit erat ur Irene Bandhauer-Schöffmann (2002): „Finanz- und Wirtschaftsautonomie österreichischer Frauen im 19. und 20. Jahrhundert“, In: Gabriele Michalitsch/Erna Nairz-Wirth (Hg.): Frauen – Außer Konkurrenz?, Frankfurt a.M./u.a., S. 13–53. Marianne Beth (1925): Neues Eherecht. Eine rechtsvergleichende Studie mit besonderer Berücksichtigung der Gesetzgebung von Deutschland, der Schweiz, Österreich u. a., Wien/Leipzig. Pierre Bourdieu (1987): Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft, Suhrkamp: Frankfurt a. M.. Pierre Bourdieu (1998): Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Suhrkamp: Frankfurt a. M. Andrea Colli (2003): The History of Family Business 1850-2000, Cambridge. Christiane Eifert (2004): „Eroberung einer Männerdomäne? Unternehmerinnen in der Zwischenkriegszeit“, In: Susanne Elpers/Anne-Rose Meyer (Hg.): Zwischenkriegszeit. Frauenleben 1918–1939, Berlin, S. 59–90. Waltraud Heindl/Marina Tichy (Hg.) (1993): „Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück …“. Frauen an der Universität Wien (ab 1897), Wien. Margareth Lanzinger (2003): Das gesicherte Erbe. Heirat in lokalen und familialen Kontexten. Innichen 1700-1900, Wien. Uwe Lindemann (2015): Das Warenhaus. Schauplatz der Moderne, Wien/Köln/Weimar. Andrea Löther (1991): „Familie und Unternehmer. Dargestellt am Beispiel der Wuppertaler Textilunternehmer während der Frühindustrialisierung bis 1870“, In: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 36, S. 217–244 Werner E. Mosse (1989): Jews in the German Economy. The German-Jewish Economic Élite 1820–1935, Oxford. Gerhard Neumeier (1999): „Jüdische Unternehmer in München um 1900: Der Einfluss von Heiratsverhalten sowie geografischer und sozialer Herkunft auf den Unternehmenserfolg“, In: Alice Teichowa (Hg.): Business History: wissenschaftliche Entwicklungstrends und Studien aus Zentraleuropa,Wien, S: 157–172. Karin Neuwirth (2007): „Die lieben Erben – Verwandtenerbrecht in Österreich im 19. und 20. Jahrhundert“, In: Margareth Lanzinger/Edith Saurer (Hg.): Politiken der Verwandtschaft. Beziehungsnetze, Geschlecht und Recht, Göttingen, S. 199-223. Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), Handelsgericht A 11/172.
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Die besetzte Brücke W a r u m h ä n g e n e i g e n t l i c h a l l e a u f d e r S a c h s e n b r ü c k e rum?
Text C l a r a He l m i n g Sar ah Kl osterk amp
"Ein Ort zum Glücklichsein. An lauen Sommerabenden wird der Verkehr hier w eniger. Man könnte sagen, es staut sich. Musikanten machen von sich hören. Künstler, Gaukler und Spontane proben, tanzen und gebärden sich im Sonnenuntergang. Die Brückeng eländer scheinen aus Fahrrad gestängen geschweisst zu sein, so dicht reiht hier ein Zweirad am nächsten. Auf den Bord steinen sitzen bunt gekleidete Völker. Jeder kennt jeden, zumindest [sic!] auf Facebook.“ www.Leipzig-leben.de, abgerufen am 04.07.2014
So oder so ähnlich wird sie gegenwärtig auf unzähligen Onlineblogs beschrieben: Die Sachsenbrücke in Leipzig. Asphaltiert und funktional, lediglich zur Überquerung des Elsterflutgrabens gedacht, lädt sie auf den ersten Blick nicht zum Verweilen ein. Dennoch wird sie gerade hierfür in den vergangenen Jahren zunehmend genutzt. Trotz des sie umgebenden Clara-Zetkin-Parks ist die Brücke so attraktiv, dass viele ihre harten Bordsteinkanten den Wiesen vorziehen. Dieses ‚Sitzen auf der Straße’ lässt sich in einen Trend einordnen, der auch in anderen deutschen Städten beobachtet werden kann (z.B. am Ostkreuz in Berlin oder am Brüsseler Platz in Köln). An all diesen Orten eignen sich Menschen den öffentlichen Raum neu
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an und verleihen ihm durch ihr von den Stadtplanerinnen nicht vorgesehenes Verweilen neue Funktionen und Attribute. In Leipzig machen sich diese Gruppen die Brücke außerdem zu Eigen, indem sie Geländer und die Brückenpfeiler bemalen und verzieren. Während etwa in Berlin Verweilende vertrieben werden, stört sich die Stadt Leipzig anscheinend nicht daran. Stattdessen stellte sie Müllcon tainer auf und wies der Brücke Gewerbeflächen zu, so dass mobile Händler, die Eis und Kaffee verkaufen, mittlerweile zum gewohnten Bild gehören. Die illegal angebrachten Verzierungen werden nicht entfernt. Zeitungen und Blogs werten das Verweilen auf der Brücke als einen Beleg für die ‚Angesagtheit’ der Szene-Stadt Leipzig – das lässige Rumhängen auf der Sachsenbrücke passt wunderbar zum Trend um ‚Hypezig’ (siehe z. B. DIE ZEIT 23.09.2013). Das
Andere
im
Anderen
Warum sitzen so viele mitten in einem grünen Park auf Beton und Stein? Warum wählen sie trotz der verfügbaren Natur einen rauen, städtischen Ort zum Verweilen? Was macht diesen gewöhnlichen Fleck Straße so viel attraktiver als alles andere in seiner Umgebung? Im Zuge einer teilnehmenden Beobachtung, die wir im Sommer 2014 durchführten, hat sich die These erhärtet, dass das Verweilen auf der Sachsenbrücke keineswegs zufällig oder rein pragmatisch ist, sondern mit einer Umdeutung des öffentlichen Raums einhergeht. Mit ihrer funktionalen
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Ästhetik unterscheidet sich die Sachsenbrücke so sehr von der sie umgebenden ‚naturnah’ gestalteten Parklandschaft, dass sie in dem Moment, in dem sie trotzdem als Ort des Verweilens gewählt wird, zu einem foucaultschen ‚Gegenraum’ des Parks wird (Kaspar 2012: 13). Wie Heidi Kaspar (2012) zeigt, erfüllt der Park in der Stadt bereits die Funktion eines Gegenraums – er repräsentiert die Natur in der Stadt. Der Park ist künstlich erschaffene ‚Natur’ und ein Produkt der Stadt. Losgelöst von einer städtischen Kulturlandschaft würde ein Park ohne Bedeutung sein. Die Sachsenbrücke unterbricht diese künstliche Naturlandschaft des Parks. Ihre Funktionalität, die eben nicht ‚künstlich’ durch ‚Naturelemente’ versteckt wird, wirkt ähnlich gegensätzlich wie sonst ein grüner Fleck mitten in der urbanen Betonwüste. Aufgrund ihrer nur funktionalen und nicht an ästhetischen Maßstäben orientierten Gestaltung symbolisiert die Brücke die ‚Stadt’ in der geformten ‚Natur’. Dadurch wird sie zum ‚Anderen im Anderen’, zum Urbanen in der Landschaft, also zu einem ‚Nicht-Park’ oder ‚Anti-Garten’ im Garten. Diese Eigenschaft wohnt der Sachsenbrücke nicht inne, sie gilt schließlich erst seit Kurzem als etwas Besonderes. Erst indem die Brücke auf bestimmte Art und Weise genutzt und gestaltet wird, also erst durch das Handeln und die Interpretation von Akteuren, erhält sie den Charakter des ‚Anderen im Anderen’. D i e
S ach se nbrü c ke u nd ih re Ane ignu ng
Doch auch unabhängig von der aktuellen Umdeutung der Sachsenbrücke ist sie ein wichtiger Treff- und Knotenpunkt im Clara-Zetkin-Park. Aufgrund ihrer prominenten Lage wählen Touristen sie häufig als intuitiven Orientierungspunkt, um ihre Karte zu studieren, sie dient als Sammelplatz für Verabredungen, ist zentraler Verkehrsknotenpunkt für Fahrradfahrerinnen und Startpunkt für Demonstrationen und wird zunehmend zum Marktplatz, an welchem sich immer mehr formelle und informelle Verkaufsstände ansiedelten. Sie ist die größte und meist genutzte Brücke zur Überquerung des Elsterflutgrabens im Clara-Zetkin-Park. Spaziergänger bleiben hier gerne kurz stehen, um den sich öffnenden Ausblick über den Kanal zu genießen, der einen Gegensatz bildet zu dem durch Bäumen und Sträuchern begrenzten Horizont im restlichen Park. Inzwischen ist sie jedoch nicht nur aufgrund ihrer zentralen Lage bekannt, sie fällt zusätzlich durch ihre ‚wilde’ Gestaltung auf: Die Geländer wurden von Unbekannten bunt gestrichen und sind mit Werbeplakaten für kulturelle Veranstaltungen, Demonstrationsaufrufen und Graffitis geschmückt. Quer über den Bodenasphalt der Brücke hat jemand ‚refugees welcome’ gesprüht. Immer wieder tauchen neue Verzierungen auf. Die Stadt Leipzig scheint diese ‚Schmierereien’ nicht sehr zu problematisieren, auch wenn sie die Geländer gelegentlich überstreichen lässt. Vielmehr schei-
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nen sowohl die Behörden als auch die Mehrheit der Parkbesucherinnen sich nicht besonders daran zu stören. Für die Personen, die verweilen, gehört die Gestaltung offensichtlich zum Besonderen der Brücke und verstärkt ihre Attraktivität. Die Sachenbrücke ist hierdurch zu einer Attraktion geworden, zu einem Kulturraum, den Lifestyle-Blogs empfehlen und zum dem Stadtführer ihre Gruppen führen. Während diese Beobachtungen v.a. zeigen, wie sehr die Sachsenbrücke im Park heraussticht, rechtfertigt erst das Handeln der Verweilenden ihre Bezeichnung als ‚Anti-Park’. Die Personen, die vor allem nachmittags und abends lange auf der Brücke bleiben, suchen nicht die ‚Natur’, die der Stadtpark den Städterinnen bieten soll. Sie bleiben offensichtlich auf der Brücke, weil sich dort andere, ihnen sozio- ökonomisch und kulturell ähnliche Menschen aufhalten. Sie suchen weder Weite noch Rückzug und wollen sich auch nicht sportlich betätigen. Stattdessen geht es um ein ‚Sehen und Gesehen Werden‘, um das Teilen eines urbanen Raums mit Unbekannten, die einem ähnlich sind. Der selbstangeeignete öffentliche Raum konkurriert also eher mit Kneipen, Cafés, Clubs und Veranstaltungsorten als mit gewöhnlichen Grünanlagen. In Zuge unserer teilnehmenden Beobachtung zeigte sich, dass die Verweilenden zwar kaum mit Personen außerhalb ihrer eigenen Kleingruppe in Kontakt traten, die Anwesenheit anderer trotzdem zu schätzen schienen. Dies zeigt sich etwa daran, dass das Niederlassen einer kleineren Gruppe schnell weitere Personengruppen nach sich zieht, die nicht den weitesten Punkt wählen, um sich zu setzten, sondern eher kleine ‚Cluster’ auf der Brücke bilden. Attraktiv ist die Sachsenbrücke zudem, weil der Aufenthalt kostenlos ist. Dies ist ein Vorteil im Vergleich zu Kneipen und Cafés. Allerdings könnten man auch auf einer Lichtung im Wald oder einer Wiese zusammenkommen; Dass die Verweilenden die Sachsenbrücke vorziehen, zeigt, dass es sich hierbei um eine Gruppe von Personen handelt, die das urbane Lebensgefühl schätzt und sich hierin von anderen auffälligen Gruppen im Park – etwa den Slacklinern und Diabolo-Spielern auf den Wiesen – unterscheidet. Gerade das ‚Selbstgemachte’ und nicht Vorgegebene, für das kein Geld ausgeben werden muss und dass zudem in Gemeinschaft erlebt wird, macht die besondere Stimmung auf der Sachsenbrücke aus. Im Zuge unserer teilnehmenden Beobachtung konnten wir feststellen, dass abends die Verweil-Gemeinschaften auf der Sachsenbrücke besonders homogen waren.1 An Wochen
Bei der Kategorisierung der Verweilenden orientierten wir uns an der Methode der Grounded Theory. Da Interviews unsere Kapazitäten übersteigen hätten, waren wir auf die Beobachtung der äußeren Erscheinung und des Verhaltens der Verweilenden angewiesen. D.h. eine Rückkopplung zwischen unserem subjektiven Erleben und der Selbstwahrnehmung der Beobachteten war daher leider nicht möglich. Zugewiesene Labels wie ‚Studierende‘, ‚Familie‘ etc. gelten daher nicht unmittelbar für die beobachtete Person, sondern für das Vorkommnis ihres Verweilens auf der Sachsenbrücke.
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tagen und am Sonntag bestanden sie hauptsächlich aus Studierenden und jungen Berufstätigen, während am Samstag zusätzlich viele Schülerinnen die Stimmung prägten – die teilweise laute Musik spielten und die Stimmung dadurch grundlegend veränderten. Anders als aufgrund der ‚Hypezig‘-Berichterstattung in Zeitungen und Blogs vermutet, ist die Mehrheit der Verweilenden nicht besonders ‚hip‘. So gehören zur größten Gruppe der Verweilenden vorrangig Studierende, bei denen ein bewusstes ‚In–Szene–Setzen‘ durch besondere Kleidungsstile und eine damit einhergehende Kommunikation bestimmter Einstellungen nicht beobachtet wurde. Im Gegenteil zeichnen sich die meisten Studierenden eher durch eine ‚unauffälliges‘ Auftreten aus. Nachmittags war das Publikum auf der Brücke in Bezug auf Alter, Gruppenzusammensetzung und vermuteten sozioökonomischen Hintergrund besonders heterogen. Dies lag nicht zuletzt an den Eiswägen, die vor allem nachmittags anwesend waren und viele Familien anzogen. Allerdings war dies auch die Zeit, in der der Park generell besonders gut besucht war. Obwohl die Sachsenbrücke das Kriterium der „allgemeinen Zugänglichkeit“ (Kaspar 2012: 44) erfüllt und sich somit als öffentlicher Ort qualifiziert, blieben große Teile der Leipziger Bevölkerung, vor allem aus den niedrigeren Einkommensgruppen, zu allen Zeiten auffällig abwesend. Die Homogenität der Verweilgemeinschaften (junge Menschen mit akademischen Hintergrund) am Abend bestätigt die These Martina Löws, dass vor allem sozial sich Nahestehende gemeinsam an einem Ort verweilen (2001: 154). Es hat also wahrscheinlich ein – meist unbewusster – Segregationsprozess stattgefunden, anhand dessen einige die Wahl getroffen haben, zu bleiben, während andere alternative Aufenthaltsorte im Park oder anderswo präferierten. Teilweise konnten wir auch offen konflikthafte Aushandlungsprozesse beobachten. In einem Fall stellte sich eine Getränkeverkäuferin, die regelmäßig auf der Brücke verkaufte, mit ihrem als Bar dienenden Fahrradanhänger direkt neben einen anderen informellen Händler, der neben selbstgemachten Krapfen ebenfalls Bier anbot. Es kam daraufhin zu einem Gespräch über die Standortwahl zwischen den beiden, welches allerdings nicht in einem Standortwechsel endete. Der Stellplatz hinter dem Krapfen-Mann entsprach nicht dem Stammplatz der Getränkeverkäuferin, die für gewöhnlich auf der anderen Seite der Brücke stand. Dies belegt, dass die Sachsenbrücke ein Ort ist, an dem Nutzungsansprüche durch Wiederkehr und Beständigkeit zunächst offen ausgehandelt werden. Privilegierte Nutzungsansprüche wurden auch uns gegenüber geltend gemacht. So wurden wir beim Erheben von einer jungen Frau recht aggressiv nach unseren Motiven befragt, da sie davon ausging, dass wir im Auftrag der Stadt herausfinden sollten, ob sich mehr kommerzielle und verstetigte Einrichtungen auch auf der Brücke lohnen würden.
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Offensichtlich fühlte sie sich als Mitbesitzerin der Brücke und wollte sie vor ‚unrechtmäßiger‘ Nutzung schützen. Die Sachsenbrücke wird zudem als Ort wahrgenommen, an dem (bestimmte) politische Botschaften Gehör finden. Dies äußert sich in Form der am Brückengeländer befestigten Plakate mit Demonstrationsaufrufen sowie in Graffitis mit politischem Inhalt. Sie dient auch als Start- und Treffpunkt für verschiedene politische Veranstaltungen. Insofern lässt sich das Potenzial für das spontane Entstehen von politischer Öffentlichkeit erkennen. Diese Öffentlichkeit ist allerdings eine sich jeweils verändernde Teilöffentlichkeit, da zu keinem Zeitpunkt das gesamte Spektrum der Gesellschaft auf der Brücke anwesend ist. Zudem wurde beobachtet, dass nur bestimmte, eher ‚linke‘ Botschaften stillschweigende Akzeptanz auf der Brücke erfahren. Die Sachsenbrücke ist also kein hierarchiefreier Raum, sondern ein Raum in dem verschiedene Gruppen ihre Nutzungsansprüche durchsetzen wollen. Es entstehen vor allem in den Abend- und Nachmittagsstunden Verweilgemeinschaften, die Gewohnheitsrechte beanspruchen und diese unterschiedlich gut durchsetzen können. Die dominante Gruppe beeinflusst die Stimmung auf der Brücke dabei soweit, dass andere Gruppen, die etwa an anderen Tagen der Woche zu einer ähnlichen Zeit verweilen würden, in deutlich geringeren Zahlen anzutreffen sind. Die ‚Besetzerinnen‘ fühlen sich als (Mit)besitzerinnen der Brücke. Und sie machen ihren Anspruch auf ownership gegenüber Nicht-Besitzerinnen geltend.
lit er at ur Löw, Martina (2001): Raumsoziologie. Frankfurt am Main (Suhrkamp). Kaspar, Heidi (2012): Erlebnis Stadtpark. Nutzung und Wahrnehmung urbaner Grünräume. Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften). Partzsch, Dieter (1970): Daseinsgrundfunktionen. In: Akademie für Raumforschung und landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung, Band 1, 2.Auflage. Hannover, S. 424–430. „Hipp, hipper, „Hypezig“ – Alle liebe Leipzig“: dpa, in: DIE ZEIT am 23. September 2013, Online: http://www.zeit.de/news/2013-09/23/ kommunen-hipp-hipper-hypezig---alle-lieben-leipzig-23091006 (abgerufen am 09.08.2014).
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Foto: Kirsten Nijhof
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Musikalische Leitung
ULF sCHiRmeR
Inszenierung / Choreografie
mARio sCHRöDeR
LeiPziGeR bALLeTT soLisTeN, GäsTe UND CHoR DeR oPeR LeiPziG GeWANDHAUsoRCHesTeR
Ab Juni 2015
im oPeRNHAUs
WesT siDe sToRY Nach einer idee von Jerome Robbins buch von
ARTHUR LAUReNTs musik von LeoNARD beRNsTeiN Gesangstexte von sTePHeN soNDHeim
Deutsche Fassung der Dialoge von Frank Thannhäuser und Nico Rabenald
Die Uraufführung wurde inszeniert und choreografiert von
JeRome RobbiNs
original broadway Produktion von Robert e. Griffith und Harold s. Prince nach Übereinkunft mit Roger L. stevens
www.oper-leipzig.de
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autor*innen infos
Fe l i x B e c k e r
studierte Politikwissenschaft in Bremen und Santiago de Chile. Vor Kurzem schloss er den Master Internationale Beziehungen an der TU Dresden ab. Seine Masterarbeit beleuchtet die Entwicklungen und Ausschlussmechanismen globaler Waldpolitik aus postkolonialer Perspektive.
T o r s t e n B u lt m a n n
ist politischer Geschäftsführer des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) mit dem Arbeitsbereich Bildungs- und Wissenschaftspolitik.
K at h a r i n a P . W . D ö r i n g
studierte den Master of Arts Global Studies in Leipzig, Addis Abeba und Roskilde und promoviert derzeit zu militärischen Interventionsmechanismen in Afrika. Sie ist im Internet zu finden unter: www.kpwd.de.
M a r e i k e He l l e r
studiert Sozialwissenschaften in Berlin, Paris und Kapstadt. Sie koordinierte das Projekt "Dekoloniale Einwände gegen das Humboldt-Forum" von AfricAvenir International e.V. Die Posterkampagne und Teile des Textes wurden erstmals auf africavenir.org publiziert.
C l a r a He l m i n g ,
studiert derzeit Politikwissenschaft im Master in Leipzig.
sarah klosterkamp
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Politische Geographie an der Universität Münster.
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Margareth Lanziger
habilitierte 2013 an der Universität Wien im Fach „Geschichte der Neuzeit“ und ist derzeit Mitglied im Leitungsteam und Mitarbeiterin im Projekt „Rechtsräume & Geschlechterordnungen als soziale Prozesse – transregional. Vereinbaren und Verfügen in städtischen und ländlichen Kontexten des südlichen Tirol vom 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert“ an der Universität Innsbruck.
S o n j a N i e d e r ac h e r
ist Historikerin und Provenienzforscherin in Wien. Sie spezialisierte sich auf Themen, die in Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Vermögensentzug und seiner historischen Aufarbeitung nach 1945 stehen. In den letzten Jahren arbeitete sie an zahlreichen Studien für österreichische Unternehmen und Organisationen.
C o r d u l a Re u S S
ist stellvertretende Bereichsleiterin Medienbearbeitung an der Universitätsbibliothek Leipzig und war Leiterin des Projekts „NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig.
Andrea H. Schneider
ist Geschäftsführerin der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) und seit 2006 Mitglied im Council der European Business History Association. Zuletzt veröffentlichte sie als Mitautorin das Buch „An der Seite der Bauern. Die Geschichte der Rentenbank“.
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differenzen “[...] scientifically there is nothing to be le arned from “them” unless it is already “ours” or comes from “us”.” (Mudime, The Invention of Africa, S. 15)
In den letzten Jahren lässt sich ein Erstarken von Gruppierungen beobachten, die sich in Diskursen gegenüber Migration und Europa ablehnend positionieren und Begriffe wie „Islamisierung”, „Überfremdung” und „Volk” verwenden. Was aber ist gemeint, wenn Menschen auf die Straße gehen und deklarieren „Wir sind das Volk!”? Vor allem: Wen meinen sie damit nicht und warum? Im Fokus der Postcolonial Studies stehen, seit Edward Saids Orientalism, Prozesse der Differenzierung, die nicht nur wissenschaftlich erfasst werden, sondern darüber hinaus dekonstruiert werden sollen. Auch nach positiver und negativer Dialektik, Jacques Derridas Begriff der Différance und mannigfaltigen Formen der Diskursanalyse, bleibt Wissenschaft unbewusst oder gewollt durch die Schaffung von Differenzen geprägt. Die Frage nach eben diesen Differenzen ist dabei häufig auch eine Frage nach Gegensätzen: Nature vs. Nurture, Bourgeoisie vs. Proletariat, Europa vs. Nicht-Europa, Mann vs. Frau, die-da-oben vs. die-da-unten u.s.w.
Die Fragen, die eine Untersuchung der Schaffung von Differenzen und „Alltäglichkeiten“ aufwirft, sind vielfältig: Warum hat die Suche nach (kollektiven) Identitäten nach wie vor solche Relevanz? Wie wird das „Gleiche“ definiert und konstituiert? Welche Konsequenzen ergeben sich aus einer Definition von „normal“ und „anders“? Wer definiert dies überhaupt? In Ausgabe 18 der Powision wollen wir deswegen nicht bei zweigeteilten Weltsichten stehen bleiben, sondern kritische Analysen von Differenzierungsmechanismen neben neue Formen des (Nicht-)Unterscheidens stellen. Wer schafft Differenzen und wem nutzen sie? Wann institutionalisieren sich Unterscheidungen? Welche Hierarchien werden produziert? Welche Beispiele gibt es, in denen Empowerment über Differenzierung erreicht wurde? Wie kann sich Wissenschaft in diesen Debatten positionieren? Die Artikel sollten ca. 10.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen und Fußnoten) lang sein und die Harvard zitierweise nutzen. Geschlechtergerechte Sprache ist ausdrücklich erwünscht. Weitere Hinweise zu Form und zum Magazin finden sich auf www.powision-magazin.de. Redaktionsschluss ist der 15. Dezember 2015. Gerne stehen wir für weitere Nachfragen zur Verfügung und schicken auf Wunsch auch ein PDF der letzten Ausgabe zu.
Selbst dort, wo Differenzen keinen Kampf symbolisieren, sondern als harmonische Vielfalt dargestellt werden – kann eine Vielfalt ohne Hegemonie auskommen und wie ist diese zu bewerten? Im Diskurs um Gender – ebenso wie um „Rasse“, „Klassenzugehörigkeit“, „Herkunft/Nationalität?“ etc. – werden die diskriminierenden Auswirkungen dichotomer Normen sichtbar. Es zeigt sich, wie binäre Kategorien nicht-eindeutig Zugeordnetes oder Verortbares ausschließen, seien es nun Trans*menschen, aus-dem-„sozialen-Netz“-Gefallene oder „Staatenlose“. Und doch misst, wiegt, erfragt und beobachtet die medizinische, psychologische oder sozialwissenschaftliche Forschung weiter absolute Unterschiede, erhebt „Andersartigkeit“ und postuliert Differenzen – eben nicht erst im Ergebnis, sondern schon als Grundlage.
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He r a u s g e g ebe n v o n P o w i s i o n e . V .
Jahrgang IX, Heft 17 Erscheinungstermin
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Sedruck KG Beethovenstraße 10 04107 Leipzig Das Magazin Powision, herausgegeben von Studierenden der Universität Leipzig, erscheint einmal pro S emester. Seine Tätigkeit versteht sich als Beitrag zu einem demokratischen Wissenschaftsverständnis und einem interdisziplinären Gedankenaustausch, der nicht nur Hochschulangehörige, sondern die Gesellschaft als Ganzes ansprechen soll. Die Beiträge von Professor*innen, Praktiker*innen und Studierenden stehen gleichrangig nebeneinander. Um den wissenschaftlichen Diskurs in aller Vielfalt zu repräsentieren, wird eine Geschlechtergleichheit angestrebt. Geschlechtergerechte Sprache ist ausdrücklich erwünscht. Verantwortlich für den Inhalt sind die jeweilig aufgeführten Autor*innen. Die Entscheidung hinsichtlich der Rechtschreibregeln unterliegt ebenfalls ihrem Ermessen. Das nächste Magazin erscheint voraussichtlich im Wintersemester 2015/16. ISSN 1864-9777 D a n k g i lt d e n F ö r d e r e r n d i ese r A u s g a be
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