ZFR 11/2021 - Schwerpunkt "Krypto-Assets"

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11/2021 S. 529–580, ART.-NR. 234–259 November 2021

LexisNexis, 1030 Wien, Marxergasse 25, ISSN 1996-2401

Herausgeber: Olaf Riss, Martin Winner, Rainer Wolfbauer

SCHWERPUNKT: BEITRÄGE

Krypto-Assets

» Oliver Völkel: Die Blockchain: Von Fehlern und Irrtümern » Ralph Rirsch/Stefan Tomanek: Von „virtueller Währung“ zum „Crypto-Asset“ » Rainer Wolfbauer: Ausgewählte Fragen zur Registrierung von Dienstleistern in Bezug auf virtuelle Währungen

JUDIKATUR

» EuGH: Missbräuchliche Wechselkursklausel im FX-Kredit » VfGH: „Lexitor“-Reparatur im VKrG unbedenklich » OGH: Überprüfung der Barabfindung nach dem GesAusG » BVwG: Unrechtmäßige Hausdurchsuchung durch die FMA Verwaltungsstrafe gegen eine KAG infolge Grenzverletzungen etc

AKTUELLES

» Neue Verordnungen der FMA, delegierte Rechtsakte und EBA-Leitlinien

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ZFR 11/2021

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ART.-NR.: 234

EDITORIAL Rechtsmischung im neuen Pfandbriefrecht » ZFR 2021/234

Im Juli 2022 soll das neue Pfandbriefgesetz (PfandBG) die drei Vorläufer ablösen. Die Reformbedürftigkeit der Rechtslage zeigt sich bereits an der mangelhaften Aufsichtsarchitektur des bestehenden Pfandbriefwesens. Ursprünglich war es ein Privileg einiger staatsnaher oder staatlicher Banken, Pfandbriefe zu emittieren. Die Kontrolle oblag vom BMF bestellten (und bezahlten) Treuhändern. Die FMA hat lediglich das Recht, Abschriften aus dem Deckungsregister zu erhalten und bei Verletzung des Bezeichnungsschutzes Strafen bis zu 30.000 € zu verhängen. Abwicklungspläne für die Sondermasse der insolventen Bank sind nicht normiert. Ebenfalls rückständig ist die Anmerkung des Kautionsbands im Grundbuch. Punktuelle Anpassungen, etwa zur Indeckungnahme von Derivaten, Konsortialgeschäften oder ausländischen Deckungswerten, sind ebenfalls knapp gehalten und bilden Flickwerk. Zum Reformbedarf auf nationaler Ebene gesellte sich die bis 8. 7. 2022 umzusetzende Covered Bond-RL. Dadurch entstand die Gelegenheit, das altehrwürdige System im europäischen Konzert neu zu gestalten. Das Pfandbriefrecht ist seit jeher Steuerungselement und Brennpunkt volkswirtschaftlicher Interessen. Wie weit es den Banken gestattet ist, durch Indeckungnahme ihrer Forderungen die allgemeine Insolvenzmasse zu reduzieren, war etwa eine zentrale Frage im Gefolge der Finanzkrise. Da Pfandbriefemissionen aufgrund ihrer Sicherheit eine günstige Refinanzierung von Krediten ermöglichen, ist auch die Auswahl der sicherungsfähigen Forderungen volkswirtschaftlich relevant. Die Indeckungnahme von Krediten (und Leasing) an öffentliche Stellen sowie von Hypothekarkrediten machen diese Kredite billig. Ein rechtssicheres Pfandbriefsystem kann außerdem ausländische Investitionen anziehen. Dass hier an großen Rädern gedreht wird, zeigen die milliardenschweren Emissionen österr Banken. Die Umsetzung der RL könnte auch Anlass dafür bieten, an einem lebendigen und ertragreichen europäischen Rechtsdiskurs teilzunehmen, in dem nationale und europäische Wertungen und Interessen verhandelt, volkswirtschaftliche Folgefragen und der Wettbewerb im Binnenmarkt diskutiert und va Unterschiede und Gemeinsamkeiten nationaler Rechtsordnungen zur Sprache gebracht werden, um eine Harmonisierung unter weitgehender Beibehaltung nationaler Rechtstraditionen zu erzielen. Dieser Prozess heißt (materielle) europäische Integration. Leider beschreitet der vorliegende ME für ein neues PfandBG einen anderen Weg: Er ist formal an den Richtlinienwortlaut angelehnt, nimmt wenig Rücksicht auf Struktur, Wertungen und Systematik im nationalen Recht, enthält aber nationale Einsprengsel. Nur zwei Beispiele wollen wir vorstellen: Das österr Pfandbriefsystem basiert auf der insolvenz- und sachenrechtlichen Wirkung von Eintragungen deckungsstockfähiger Forderungen in ein von der Bank geführtes Deckungsregister. Diese Wirkungen erstrecken sich ex lege auf akzessorische Sicher-

heiten. Surrogate, wie bspw liegenschaftsbezogene Versicherungen, sind von der pfandbriefrechtlichen Sonderanordnung im ME nicht erfasst. Vielmehr übernimmt dieser eine Passage aus der RL und schreibt vor, dass Versicherungsforderungen vom übrigen Vermögen der Bank zu trennen sind; das entspricht nach dem Wortlaut keiner Ex-lege-Erstreckung der Eintragung im Deckungsregister, wie es auch das dt Pfandbriefgesetz anordnet (§ 12 Abs 3), sondern einer Pflicht der Bank zur Vermögenstrennung. Das bedingt nach allgemeinem österr Zivilrecht die (treuhänderische) Übertragung oder Verpfändung an eine externe Person, weil das österr Insolvenzrecht auf der sachenrechtlichen Perspektive aufbaut. Hinter der Ex-lege-Zuordnung von Surrogaten steht übrigens der Schutz der Erwerber von Pfandbriefen und damit der für einen Pfandbrief gezahlte Preis, also die niedrigen Kosten für die Refinanzierung des Hypothekarkredits. Das zweite Beispiel liefert § 10 Abs 2 PfandBG. Der ME ergänzt die Deckungsanforderungen für Kredite um ein Zustimmungserfordernis des Kreditnehmers. Ein solches kennen weder das europäische noch das bestehende nationale Pfandbriefrecht. Zentralbanken oder Staaten, werden wohl eine dem künftigen österr PfandBG entsprechende Zustimmungsklausel nicht berücksichtigen. Ebenfalls schwierig wird die Beteiligung österr Banken an ausländischen Kreditkonsortien, deren Standarddokumentation nicht auf Austriaca eingehen. Hält ein Gericht eine formularhafte Zustimmungsklausel für intransparent, könnte gar die Unwirksamkeit der Zustimmung drohen; § 10 Abs 2 PfandBG ordnet dann die Unwirksamkeit der Indeckungnahme an. Pfandbriefemissionen müssen in diesem Fall getilgt oder nachbesichert werden, was bei Milliardenbeträgen an Grenzen stoßen wird. Leidtragende können auch die Pfandbriefgläubiger sein, wenn ihnen die fehlende Zustimmung im Abwicklungsfall entgegengehalten wird. Dagegen schützt § 10 Abs 2 PfandBG Verbraucher, die bei derselben Bank sowohl über ein Hypothekardarlehen als auch über ungesicherte Einlagen verfügen. Sie können weiterhin Aufrechnung erklären, wenn sie die Zustimmung zur Indeckungnahme verweigern. Das hat allerdings keinen Einfluss darauf, dass österr Verbraucherkredite auch ohne Zustimmung des Kreditnehmers in ausländische Deckungsstöcke aufgenommen werden können, wovon dt Banken in Ö und vielleicht auch österr KI-Gruppen mit Deckungsstöcken nach luxemburgischem oder dt Recht Gebrauch machen werden – ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für das PfandBG. Die Beispiele zeigen die Bedeutung dogmatischer Grundlagenarbeit, Rechtsvergleichung, Wertungs- und Interessenjurisprudenz, interdisziplinär vernetzten Denkens und vor allem gelebten Interesses an europäischer Rechtsintegration iS einer Teilnahme am europäischen Rechtsdiskurs für die Entwicklung des österreichischen Rechts und den Wirtschaftsstandort. Florian Heindler/Rainer Wolfbauer zfr.lexisnexis.at

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ZFR 11/2021 16. Jahrgang, November 2021

EDITORIAL

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BEITRÄGE Oliver Völkel: Die Blockchain: Von Fehlern und Irrtümern

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Ralph Rirsch/Stefan Tomanek: Von „virtueller Währung“ zum „Crypto-Asset“ – Die Abgrenzung zu tokenisierten Finanzinstrumenten und das vermeintliche Ende der Pseudonymität durch neue AML-Regeln

540

JUDIKATUR IM FOKUS Rainer Wolfbauer: Ausgewählte Fragen zur Registrierung von Dienstleistern in Bezug auf virtuelle Währungen

545

Abweisung eines Antrags auf Registrierung als Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen

549

JUDIKATUR EuGH Ersatz einer missbräuchlichen Wechselkurs-Klausel durch einen gesetzlich vorgegebenen Wechselkurs (Anm F. Heindler)

551

Fremdwährungskredite: missbräuchliche Klauseln, Verjährung, Transparenz des Wechselkurses

553

Fremdwährungskredite: Anrechnungsbestimmungen, Hauptleistungspflicht und Transparenzgebot

555

VfGH „Lexitor-Reparatur“ im VKrG nicht verfassungswidrig

558

Zurückweisung einer Staatshaftungsklage: Beschluss des OGH im Zusammenhang mit Multicurrency-FremdwährungsEinmalkreditvereinbarung

558

OGH »GESELLSCHAFTSRECHT Überprüfung der Barabfindung nach dem GesAusG (Anm M. Hubcheva)

560

Ordentliche Kündigung des Treuhandvertrages bei der atypischen stillen Gesellschaft

564

»BANKRECHT Zum Feststellungsinteresse bei Verweigerung der Konvertierung eines Fremdwährungskredits

566

»INSOLVENZRECHT Zur Rechtsunwirksamkeit von Handlungen des Schuldners im Insolvenzverfahren

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BVWG »AUFSICHTSRECHT Unrechtmäßige Hausdurchsuchung durch die FMA

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Verwaltungsstrafe gegen eine KAG infolge Grenzverletzungen etc

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531 INHALTSVERZEICHNIS

AKTUELLES (Rainer Wolf bauer) Aktuelle Gesetzesvorhaben

573

Änderung der Stammdatenmeldungsverordnung 2016

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FMA ändert die Kreditinstitute-Risikomanagementverordnung

574

Änderung der VERA-Verordnung durch die FMA

574

LIBOR- und EONIA-Ersatz: Delegierte Verordnungen der Kommission

575

Leitlinien der ESMA zu Marketing-Anzeigen im grenzüberschreitenden Fondsvertrieb

576

FMA ermöglicht biometrische Verfahren zur geldwäscherechtlichen Kundenidentifikation

577

Änderung der Kleine Versicherungsvereine Rechnungslegungsverordnung

577

Überarbeitete EBA-Leitlinien für die Meldung schwerwiegender Vorfälle nach der PSD2

578

Leitlinien der EBA betreffend zwischengeschaltete EU-Mutterunternehmen

578

Impressum

580

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ZFR 11/2021 ART.-NR.: 235

BEITRÄGE Oliver Völkel • Wien

Die Blockchain: Von Fehlern und Irrtümern » ZFR 2021/235

Hie und da geht auch auf der Blockchain etwas schief. Im Allgemeinen sind es allerdings nicht technische Fehler, die geschehen, sondern menschliche. Wer versehentlich seine Bitcoins an eine falsche Adresse schickt, wird dies meist rasch bereuen. Dass die Aufzeichnung einmal durchgeführter Transaktionen technisch nicht mehr rückgängig zu machen ist, zeichnet die Blockchain gerade aus. Doch auch andere Arten von Fehlern kommen in der Praxis vor. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, wie mit Fehlern und Irrtümern auf der Blockchain nach den einschlägigen Bestimmungen des ABGB umzugehen ist. Dabei beschränken sich die Ausführungen auf solche dezentralen Blockchains, die mit der Bitcoin- oder auch der Ethereum-Blockchain vergleichbar sind.

1.

Einleitung

Teilweise herrscht immer noch die Vorstellung, Transaktionen auf der Blockchain seien anonym. Ist dann die Frage überhaupt relevant, wie mit Fehlern und Irrtümern umzugehen ist? Wenn ich meinen Anspruchsgegner gar nicht kenne, was nützt mir dann mein Anspruch? Dieser Einwand übersieht, dass viele relevante Akteure in der Krypto-Landschaft bereits heute rasch identifiziert werden können. Und zwar immer dann, wenn eine bestimmte Adresse auf einer Blockchain einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Als gutes Beispiel lassen sich Adressen von Krypto-Börsen nennen. Diese sind in aller Regel öffentlich bekannt. Eine solche Adresse kann deshalb mithilfe eines Blockchain Explorers – eines Programms, mit dem sich Transaktionen nachverfolgen lassen – rasch einer bestimmten Börse zugewiesen werden.1 Deren Betreiber führen wiederum Buch über ein- und ausgehende Transaktionen auf diesen Adressen und sind zur Identifizierung ihrer Kunden verpflichtet2 oder führen eine Identifizierung freiwillig durch. Sobald jemand versucht, digitale Assets über einen sol-

chen Intermediär zu veräußern, besteht zumindest ein Ansatzpunkt, um die Identität des Gegenübers ausfindig zu machen. Auch andere Akteure, die für das Bestehen der Blockchain relevant sind, können oft einfach identifiziert werden. Gemeint sind die Miner,3 die durch das Bestätigen von Transaktionswünschen das Rückgrat der Blockchain bilden. In den allermeisten Fällen nutzen Miner beim heute noch am weitesten verbreiteten Proof-of-Work-Verfahren4 nämlich ihre Rechenleistung nicht dazu, um allein auf Block-Jagd zu gehen. Stattdessen bündeln sie ihre Rechenkraft in sog Mining Pools.5 Der Betreiber des Mining Pools stellt sicher, dass die Rechenleistung der einzelnen Teilnehmer sinnvoll eingesetzt wird. Hat der Pool-Betreiber einen Block erzeugt, so erhält zunächst auch dieser den Block Reward und die Transaction Fees.6 Von der Summe dieser Einnahmen behält sich der Pool-Betreiber einen Prozentsatz ein; der Rest wird an die Teilnehmer des Mining Pools im Verhältnis der bereitgestellten Rechenleistung verteilt. Auch hinsichtlich der Betreiber von Mining Pools gilt, dass die von ihnen verwendeten Adressen meist öffentlich bekannt sind. Somit kann über diese Adressen wiederum ein Rückschluss auf die Identität des Pool-Betreibers als potenziellem Anspruchsgegner gezogen werden. Der Einwand der Anonymität hält also oft nicht stand. Je höher der ökonomische Anreiz, desto eher lassen sich bereits heute Wege finden, den Schleier der Pseudonymität der Blockchain zu lüften. Und die Möglichkeiten dafür werden in Zukunft wohl eher zu- als abnehmen. So stehen Pläne des europäischen Normgebers zum Verbot anonymer Wallets im Raum.7 In Zukunft könnten legal in der EU verwendete Blockchain-Adressen einzelnen Personen zuordenbar werden. Doch von den oben dargestellten Beispielen ganz abgesehen, kann es natürlich auch vorkommen, dass die Identität des Anspruchsgegners von vornherein bekannt ist. Die Frage, wie mit Fehlern und Irrtümern auf der Blockchain umzugehen ist, hat also durchaus praktische Relevanz und somit ihre Berechtigung. Die Vorfrage, wann überhaupt österr Recht maßgeblich sein kann, wird im Rahmen eines Exkurses erörtert.

3 1

2

Bspw Etherscan (https://etherscan.io/) für die Ethereum-Blockchain oder der Bitcoin Explorer (https://www.blockchain.com/explorer) für die Bitcoin-Blockchain. Vgl § 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG; Art 13 Abs 1 lit a RL 2018/843/EU vom 30. 5. 2018.

4 5 6 7

Der Begriff Miner wird als Überbegriff für Miner bei PoW und Validatoren bei PoS-Blockchains verwendet. Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules (2019) Rz 1.11 ff, 13.4 ff. Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 6.6 f, 13.9 ff. Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 1.49 ff. Vgl ErwGr 39 des Entwurfs der geplanten Geldwäsche-VO.

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ZFR 11/2021 BEITR ÄGE

ART.-NR.: 235

2.

Arten von Fehlern und Irrtümern

Um welche Fehler und Irrtümer geht es konkret? Hier soll zunächst eine negative Abgrenzung erfolgen: Nicht Gegenstand dieses Beitrags sind Irrtümer iZm dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Nimmt A etwa ein Anbot des B an und leistet daraufhin ein Bitcoin, unterlag er aber bei seiner Annahme einem beachtlichen Irrtum, so kann er den geschlossenen Vertrag mit B ggf nach § 871 ABGB anfechten und das geleistete Bitcoin nach § 877 ABGB kondizieren. Da dieser und vergleichbare Irrtümer aber nicht unmittelbar etwas mit der Transaktion auf der Blockchain zu tun haben, bleiben sie in diesem Beitrag ausgeklammert. Stattdessen werden nur solche Fehler und Irrtümer behandelt, die iZm einem Transaktionswunsch auf der Blockchain stehen. Zur Erinnerung: Bei einem Transaktionswunsch handelt es sich, vereinfacht gesprochen, um die Nachricht einer Person, in der diese angibt, wie sie mit der Blockchain konkret interagieren möchte, etwa wie viele Bitcoins von einer Absenderadresse auf eine Empfängeradresse übertragen werden sollen.8 Fehler, die in technischer Hinsicht zur Ungültigkeit des gesamten Transaktionswunsches führen, werden jedoch ebenfalls ausgeklammert. Ungültige Transaktionswünsche würden ohnehin nie Teil der Blockchain. Dieser Beitrag behandelt also nur solche Fehler bei Transaktionswünschen, die auch tatsächlich Teil der Blockchain werden können. Da die Möglichkeiten zur Interaktion mit der Blockchain limitiert sind, können die vorstellbaren Fehler systematisiert und in Fallgruppen analysiert werden. Als einfachster Fall ist zunächst vorstellbar, dass ein Transaktionswunsch insg versehentlich abgesetzt wurde. Bspw wollte A gar nicht den Senden-Befehl in seiner Wallet-Software auslösen. Von diesem Transaktionsirrtum sind Fälle zu unterscheiden, in denen zwar die Vornahme der Transaktion beabsichtigt war, deren Inhalt aber Fehler aufweist. Bei solchen Inhaltsirrtümern muss weiter zwischen einfachen und komplexen Transaktionen unterschieden werden. Einfache Transaktionen sind solche, bei denen es lediglich um die Übertragung bestimmter digitaler Assets geht. A möchte bspw zwei Bitcoins an B übertragen. Als möglicher Inhaltsirrtum kommt in Betracht, dass sich der Absender A beim Ziel seiner Transaktion irrt, also bspw die zwei Bitcoins nicht an die Adresse des B überträgt. Neben einem solchen Zielirrtum kann eine Person aber auch einem Inhaltsirrtum darüber unterliegen, welchen Betrag sie überträgt. Vertippt sich A bspw und überträgt 20 statt zwei Bitcoins an B, so liegt ein Betragsirrtum vor. Doch noch ein weiterer Inhaltsirrtum ist möglich: Möchte eine Person eine Transaktion auf der Blockchain vornehmen, so bietet sie eine Belohnung als Anreiz für jenen Miner an, der die Transaktion letztlich in einem Block bestätigt (Transaktionsgebühr). Auch dabei können Fehler passieren: A möchte 20 Bitcoins an B übertragen; dafür möchte er 0,00005 Bitcoin an Transaktionsgebühr bieten.

8

Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 1.41.

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A verwechselt die beiden Beträge; er überträgt 0,00005 Bitcoin an B und bietet dafür 20 Bitcoins als Belohnung für den Miner. Neben dem Ziel- und dem Betragsirrtum ist bei einfachen Transaktionen also auch ein Gebührenirrtum vorstellbar. Komplexe Transaktionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht ausschließlich der Übertragung von digitalen Assets dienen. Stattdessen werden sie genutzt, um Funktionen von dezentralen Computerprogrammen auszulösen. Da der Programmierung dieser Smart Contracts genannten Programme kaum Grenzen gesetzt sind, ist auch die Möglichkeit für Irrtümer quasi grenzenlos. Dennoch ist zumindest eine Kategorisierung möglich, und so kommen neben den bereits diskutierten Ziel-, Betrags- und Gebührenirrtümern noch zwei weitere Kategorien hinzu. Einerseits kann der Aufruf einer Funktion des Smart Contract irrtümlich erfolgt sein. Ein solcher Aufrufirrtum kann bspw dann vorliegen, wenn A die Funktion eines Smart Contract zum Umtausch bestimmter digitaler Assets aufrufen wollte; stattdessen ruft er aber irrtümlich eine Funktion zum Vernichten dieser digitalen Assets auf. Andererseits kann ein Fehler darin liegen, zwar die richtige Funktion aufzurufen, dieser Funktion aber falsche Daten zu übergeben. Diese Datenirrtümer können sehr unterschiedlich ausfallen. Bspw könnte ein Smart Contract eine Funktion vorsehen, um bestimmte digitale Assets an eine vom Benutzer genannte Zieladresse auszufolgen; A möchte dafür seine eigene Adresse angeben, gibt irrtümlich aber die Adresse des B an. Zusammenfassend können somit Transaktionsirrtümer und Inhaltsirrtümer unterschieden werden. Bei einfachen Transaktionen sind an Inhaltsirrtümern der Ziel-, der Betrags- und der Gebührenirrtum vorstellbar. Hinzu kommen bei komplexen Transaktionen der Aufrufirrtum bei irrtümlichen Funktionsaufrufen und der Datenirrtum, wenn einer Funktion irrtümlich falsche Daten übergeben werden. Auch mehrere gleichzeitig vorliegende Irrtümer in einem einzelnen Transaktionswunsch sind vorstellbar.

3.

Anspruchsgrundlagen und Anspruchsgegner

Im Allgemeinen gilt, dass eine Sache vom Empfänger zurückverlangt werden kann, wenn diese irrtümlich und rechtsgrundlos geleistet wurde (§ 1431 ABGB).9 Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn es um die Leistung digitaler Assets auf der Blockchain geht. Diese sind Sachen10 und damit auch Gegenstand des § 1431 ABGB. Nach der vom Autor vertretenen Auffassung11 über die Anwendung eigentumsrechtlicher Bestimmungen auf bestimmte digitale Assets, wie zB Bitcoin, konkurriert die Kondiktion nach § 1431 ABGB mit der Herausgabeklage nach § 366

Mader in Schwimann/Kodek, ABGB4 (2016) § 1431 Rz 1; Koziol/Spitzer in KBB, ABGB6 (2020) § 1431 Rz 1; Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB § 1431 Rz 2 f; RIS-Justiz RS0033607. 10 Vonkilch/Knoll, Bitcoins und das Sachenrecht des ABGB, JBl 2019, 139 (141 f); Fleißner, Eigentum an unkörperlichen Sachen am Beispiel von Bitcoins, ÖJZ 2018, 437 (437 f); Völkel, Vertrauen in die Blockchain und das Sachenrecht, ZFR 2020, 492 (494 f). 11 Völkel, ZFR 2020, 492 (495 ff ). 9

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ZFR 11/2021 BEITR ÄGE

ABGB, wenn der Leistende auch Eigentümer der digitalen Assets war und es an einem gültigen Titel für den Erwerb durch den Empfänger fehlte.12 Neben dem Leistenden A und dem Empfänger B gibt es bei Transaktionen auf der Blockchain allerdings noch eine weitere Person, die es zu berücksichtigen gilt. Zur Erinnerung: Bevor eine Transaktion auf der Blockchain verewigt wird, existiert sie lediglich als Transaktionswunsch des Absenders. Bei diesen Transaktionswünschen handelt es sich um einseitig verbindliche Willenserklärungen des Absenders des Transaktionswunsches in Form der Auslobung (§ 860 ABGB).13 Damit ist ersichtlich, welche Person bisher vergessen wurde: Es ist der Miner C, der den von A gewünschten Erfolg bewirkt, indem er dessen Transaktionswunsch als durchgeführte Transaktion auf der Blockchain festhält. Auch wenn es zwischen dem Absender A und dem Miner C wegen der Qualifizierung dieser Rechtsbeziehung als Auslobung nicht zum Abschluss eines vertraglichen Schuldverhältnisses kommt,14 so ist C als Miner dennoch Erklärungsempfänger. Da auch C auf den Inhalt der Erklärung des A vertraut, kann A seine Erklärung (den Transaktionswunsch, also die Auslobung) gegenüber C nicht ohne Weiteres aus der Welt schaffen. Vielmehr lässt sich die Erklärung des A auch gegenüber C nur nach den Regeln des Irrtumsrechts beseitigen. Dessen Grundsätze sind nicht nur auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbar, sondern generell auf Erklärungen15 (§§ 871, 876 ABGB) und damit auch auf den Transaktionswunsch als Auslobungserklärung. Gab es also einen Rechtsgrund (die Auslobung; den Transaktionswunsch) für die Leistung (die Transaktionsgebühr), unterlag der Leistende aber einem beachtlichen Irrtum bei der Abgabe seiner Erklärung, die zum Entstehen des Rechtsgrundes geführt hat, so kann er – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – seine Erklärung anfechten (§ 871 ABGB), damit den Rechtsgrund für seine Leistung beseitigen und die Leistung bereicherungsrechtlich zurückverlangen (§ 877 ABGB).16 Die Irrtumsregeln des ABGB gelten somit auch im Hinblick auf jene Rechtsbeziehung, die zwischen dem auslobenden Absender eines Transaktionswunsches und dem erfüllenden Miner entsteht. Bei den in diesem Beitrag diskutierten Irrtümern ist Anspruchsgegner des Absenders A also entweder B, der Empfänger der irrtümlichen und rechtsgrundlosen Leistung (§§ 366, 1431 ABGB) oder der Miner C, der aufgrund einer irrtümlichen Willenserklärung des A die Transaktionsgebühr als Leistung empfängt (§§ 877 ABGB). Das Verhältnis Leistender – Leistungsempfänger (A und B) ist somit vom Verhältnis Auslo12 Koziol/Spitzer in KBB6 § 1431 Rz 6; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB § 366 Rz 5. 13 Völkel, Zur Bedeutung der Dezentralität von Blockchains im Privatrecht, ZFR 2019, 601 (605). 14 Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 (2014) § 860 Rz 2, 4; Bollenberger/Bydlinski in KBB6 § 860 Rz 2, 3; Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB § 860 Rz 1. 15 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 876 Rz 1; Bollenberger/Bydlinski in KBB6 § 876 Rz 1. 16 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 877 Rz 1; Bollenberger/Bydlinski in KBB6 § 877 Rz 1 f; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 (2014) § 877 Rz 1.

ART.-NR.: 235

bender – Erfüllender/Miner (A und C) zu unterscheiden. Während es sich bei Leistendem und Auslobendem stets um dieselbe Person A handelt, fallen Leistungsempfänger B und Erfüllender/Miner C in aller Regel auseinander. Somit ist selbst dann, wenn es gar keinen Leistungsempfänger B gibt, dennoch zumindest hinsichtlich der Transaktionsgebühr ein Anspruch des A gegenüber dem Miner C vorstellbar (bspw wenn A in seinem Transaktionswunsch versehentlich die Übertragung eines Bitcoins an eine nicht in Verwendung stehende Adresse auslobt). Grafisch lässt sich die Rechtsbeziehung wie folgt darstellen:

Abbildung 1: Beispiel einer einfachen Transaktion

3.1. Anspruch gegenüber dem Empfänger B Gegenüber dem Empfänger B kann A seinen Anspruch entweder auf § 1431 ABGB oder auf § 366 ABGB stützen (wenn der Leistende A Eigentümer war). Anspruchsgegner ist hier der Empfänger einer irrtümlichen und rechtsgrundlosen Leistung.17 Der Anspruch richtet sich auf die Rückübertragung des Geleisteten, also etwa eines irrtümlich geleisteten Bitcoins.18 Dass die Transaktion als solche nicht aus der Blockchain entfernt werden kann, ist unbeachtlich. Auch in der physischen Welt ist dies nicht anders: Stellt etwa B dem A eine Goldmünze zurück, so ändert dies nichts daran, dass A dem B diese Goldmünze in der Vergangenheit einmal übergeben hat.19 Mit der Eigentumsklage (§ 366 ABGB) kann der Eigentümer A seine Sache, die er nicht mehr innehat, von demjenigen herausverlangen, der sie innehat, nämlich B. Gegenstand der Eigentumsklage sind nach ganz hA nur körperliche Sachen. Wie gezeigt

17 Mader in Schwimann/Kodek4 Vor §§ 1431 ff Rz 4; Zoppel in Schwimann/ Kodek, ABGB Praxiskommentar5 (2019) § 366 Rz 5. 18 Mader in Schwimann/Kodek4 Vor §§ 1431 ff Rz 6; Zoppel in Schwimann/ Kodek5 § 366 Rz 7; Holzner in Kletečka/Schauer1.06 § 366 Rz 2. 19 Möchte man bei Registern bleiben, so wäre auch eine rechtsgrundlose Eintragung im Firmenbuch als Beispiel denkbar. Diese kann korrigiert oder gelöscht werden; der Umstand der Löschung bleibt dennoch weiterhin ersichtlich.

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wurde,20 weisen Bitcoins und vergleichbare digitale Assets einen in hohem Grad quasi-körperlichen Charakter auf, wie er sonst nur von körperlichen Sachen bekannt ist. Den genannten digitalen Assets liegt weiters kein relatives Recht zugrunde; sie zählen stattdessen zur Kategorie der sonstigen unkörperlichen Sachen nach § 292 ABGB.21 Der in hohem Grad quasi-körperliche Charakter rechtfertigt die unmittelbare Anwendung eigentumsrechtlicher Normen wie etwa der Eigentumsklage nach § 366 ABGB auch auf digitale Assets wie Bitcoin oder Ether, sofern sie individualisierbar sind (§ 370 ABGB). Das Klagebegehren ist auf die Herausgabe der Sache gerichtet und nicht bloß auf die Duldung ihrer Wegnahme.22 Auf die Möglichkeit des Eigentumserwerbs des Empfängers durch Vermengung sei lediglich hingewiesen.23 Mit der Leistungskondiktion (§ 1431 ABGB) kann der Leistende eine irrtümlich und rechtsgrundlos geleistete Sache zurückverlangen. Voraussetzung dafür ist lediglich zweierlei: die Leistung einer Nichtschuld und ein Irrtum über das Bestehen eines Rechtsgrundes für die erbrachte Leistung. Ein fahrlässiger Irrtum steht der Kondiktion nicht entgegen; es kommt damit also nicht auf dessen Entschuldbarkeit an.24 Ein Irrtum über Tatsachen ist für die Kondiktion ausreichend.25 Damit ist gegenüber dem Empfänger B sowohl die Geltendmachung des Transaktionsirrtums als auch des Betragsirrtums vorstellbar, wenn eine irrtümliche und rechtsgrundlose Leistung des A vorliegt. Beim Gebührenirrtum scheidet ein Anspruch des Leistenden A gegenüber dem Empfänger B hingegen aus, weil nicht B die Transaktionsgebühr empfängt, sondern der Miner C. Ob beim Aufrufirrtum und beim Datenirrtum – also bei Interaktionen mit einem Smart Contract – ein Anspruch nach dem hier diskutierten § 1431 ABGB gegenüber einem Leistungsempfänger vorstellbar ist, richtet sich danach, ob eine Leistung des A vorliegt und ob diese Leistung des A im Wege des Smart Contract einer bestimmten Person zukommt. Liegt eine Leistung vor und kommt diese im Wege des Smart Contract einer bestimmten Person zu, so ist ein Anspruch grds möglich. Im gegenteiligen Fall – es liegt keine Leistung vor oder es gibt keinen Leistungsempfänger – ist auch kein Anspruch auf Basis des § 1431 ABGB denkbar. S dazu den Exkurs in Pkt 4. unten.

3.2. Anspruch gegenüber dem Miner C Gegenüber dem Miner C kommt als mögliche Anspruchsgrundlage hinsichtlich der Anfechtung der Willenserklärung § 871

20 Völkel, Privatrechtliche Einordnung virtueller Währungen, ÖBA 2017, 385 ff. 21 Völkel, ÖBA 2017, 385 ff (387). 22 Winner in Rummel/Lukas4 § 366 Rz 3; Zoppel in Schwimann/Kodek5 § 366 Rz 7; Holzner1.06 in Kletečka/Schauer § 366 Rz 2. 23 Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 3.38 ff. 24 Mader in Schwimann/Kodek4 § 1431 Rz 4; Koziol/Spitzer in KBB6 § 1431 Rz 4; Lurger in Kletečka/Schauer1.07 § 1431 Rz 3; Rummel in Rummel3 § 1431 Rz 5. 25 Mader in Schwimann/Kodek4 § 1431 Rz 6; Koziol/Spitzer in KBB6 § 1431 Rz 4; Lurger in Kletečka/Schauer1.07 § 1431 Rz 3; Rummel in Rummel3 § 1431 Rz 5.

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ABGB und hinsichtlich der Kondizierung § 877 ABGB infrage. Anspruchsgegner der Irrtumsanfechtung nach § 871 ABGB ist der Empfänger einer irrtümlichen Willenserklärung, nämlich der Auslobungserklärung des A.26 Erklärungs- und Leistungsempfänger (hinsichtlich der Transaktionsgebühr) fallen beim Miner C stets zusammen. § 366 ABGB scheidet gegenüber dem Miner C aus. Bei der Beanspruchung der Transaktionsgebühren aus den einzelnen Transaktionswünschen der auslobenden Absender durch den Miner C werden diese ununterscheidbar miteinander vermischt. Es kommt damit, wie etwa auch für Buchgeld vertreten, zum originären Erwerb des Miners C an den Transaktionsgebühren durch Vermengung (§ 371 ABGB).27 § 366 ABGB muss damit als Anspruchsgrundlage hinsichtlich der Transaktionsgebühren ausscheiden. Welche Arten der oben vorgestellten Irrtümer können nun gegenüber dem Miner C geltend gemacht werden? Da bei der Anwendung des § 871 ABGB die Auslobungserklärung angefochten wird, hängt die Antwort davon ab, welchen Inhalt diese Willenserklärung aufweist. Inhalt der Willenserklärung, also des Transaktionswunsches, ist zunächst der Wunsch des Absenders, eine bestimmte Transaktion auf der Blockchain festzuhalten, bei gleichzeitigem Versprechen einer Belohnung. Um ein Beispiel aus der analogen Welt heranzuziehen: Der Transaktionswunsch ist vergleichbar mit einer Auslobung an Steinmetze, einen bestimmten Text in Stein zu meißeln. Auch der zu meißelnde Text ist Teil der Willenserklärung des Auslobenden, denn damit umschreibt der Auslobende den Inhalt der ausgelobten Leistung. Gleich verhält es sich im digitalen Raum. Der Transaktionswunsch insg stellt eine Willenserklärung dar. Sämtliche Teile des Transaktionswunsches sind Teil der Willenserklärung des Absenders. Formell bieten daher sowohl der Transaktionsirrtum als auch sämtliche Inhaltsirrtümer eine Grundlage dafür, dass der Auslobende seine Willenserklärung gegenüber dem Miner anficht. Die Nützlichkeit der Anfechtung nach § 871 ABGB gegenüber dem Miner C darf aber nicht überschätzt werden. Insb ist sie kein taugliches Mittel, um irrtümliche Transaktionen ungeschehen zu machen oder Ersatz dafür zu verlangen. Irrt sich im Steinmetz-Beispiel der Auslobende beim Text, den es zu meißeln gilt, so kann er bei Vorliegen aller Voraussetzungen die diesbezügliche Willenserklärung zwar beseitigen28 und die Belohnung zurückverlangen.29 Ein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Steines ist damit aber nicht verbunden. Ebenso wenig kann vom Miner C auf Basis der §§ 871/877 ABGB begehrt werden, dass er die Transaktion rückgängig macht. Ein solcher Anspruch bzw ein da-

26 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 877 Rz 4; Rummel in Rummel/Lukas4 § 871 Rz 1. 27 Vgl Piska/Völkel, Blockchain rules Rz 3.38 ff. 28 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 877 Rz 4; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/ Bydlinski/Bollenberger6 § 877 Rz 2. 29 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 877 Rz 4; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/ Bydlinski/Bollenberger6 § 877 Rz 3; Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB § 877 Rz 1.

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von abgeleiteter Anspruch auf Wertersatz kann allenfalls nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen gegenüber dem Miner C zustehen. Übersicht: Geltendmachung von Ansprüchen Irrtum

Empfänger (§§ 366, 1431)

Miner (§§ 871/877)

Transaktionsirrtum

Ja

Ja*

Betragsirrtum

Ja

Ja*

Gebührenirrtum

Nein

Ja*

Aufrufirrtum

S Exkurs

Ja*

Komplexer Irrtum

S Exkurs

Ja*

* beschränkt auf die Rückforderbarkeit der ausgelobten Transaktionsgebühr

Voraussetzung für die Anfechtung nach § 871 ABGB ist zunächst das Vorliegen eines beachtlichen und kausalen Irrtums. Beachtlich sind bei entgeltlichen Geschäften nur der Erklärungsund der Geschäftsirrtum.30 Einem Erklärungsirrtum unterliegt, wer aus der Sicht des Erklärungsempfängers etwas anderes erklärt, als er erklären wollte. Erklärungsirrtum liegt also vor, wenn und weil die objektive Bedeutung der Erklärung vom inneren Willen des Erklärenden abweicht.31 Der Irrtum war kausal, wenn der Irrende A bei Kenntnis der wahren Sachlage seine Erklärung überhaupt nicht oder zumindest nicht in dieser konkreten Gestalt abgegeben32 und dadurch der Miner C den Transaktionswunsch nicht oder nicht mit dem konkreten Inhalt bestätigt hätte. Bietet der Absender eines Transaktionswunsches für dessen Bestätigung eine Transaktionsgebühr als Belohnung an, so liegt ein entgeltliches Geschäft vor.33 Bei allen hier diskutierten Irrtümern erklärt der Absender weiters etwas anderes, als er erklären wollte. Beim Transaktions- und Aufrufirrtum gilt dies für den gesamten Inhalt der Auslobung; beim Ziel-, Betrags-, Gebühren- und Datenirrtum gilt dies für die jeweiligen Teile des Transaktionswunsches. Die hier diskutierten Fälle sind somit allesamt beachtliche Erklärungsirrtümer. Die allgemeinen Voraussetzungen zur Irrtumsanfechtung liegen in den hier diskutierten Fällen somit stets vor. Der Irrtum kann allerdings nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn er entweder durch den anderen veranlasst wurde (§ 871 Abs 1 1. Fall ABGB), dem Gegenüber offenbar hätte auffallen müssen (2. Fall leg cit), oder wenn der Irrtum rechtzeitig aufgeklärt wurde (3. Fall leg cit).

30 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 871 Rz 7; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/ Bydlinski/Bollenberger6 § 871 Rz 1; Pletzer in Kletečka/Schauer1.03 § 871 Rz 2; Rummel in Rummel/Lukas4 § 871 Rz 5. 31 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 871 Rz 8; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/ Bydlinski/Bollenberger6 § 871 Rz 5; Pletzer in Kletečka/Schauer1.03 § 871 Rz 7; Rummel in Rummel/Lukas4 § 871 Rz 7. 32 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 871 Rz 20; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/ Bydlinski/Bollenberger6 § 871 Rz 3; Pletzer in Kletečka/Schauer1.03 § 871 Rz 5; Rummel in Rummel/Lukas4 § 871 Rz 6. 33 Wiebe in Kletečka/Schauer1.03 § 860 Rz 2; Rummel in Rummel/Lukas4 § 860 Rz 4.

Der Irrtum ist durch den anderen veranlasst, wenn der Erklärungsempfänger/Anfechtungsgegner (der Miner C) selbst den Irrtum des Erklärenden (des Absenders A) adäquat verursacht. Eine solche Konstellation lässt sich möglicherweise konstruieren; da der Transaktionswunsch aber in aller Regel vom Absender A und ohne Zutun des Miners C abgesetzt wird, ist diese Alternative in der Praxis wohl nicht relevant. Ein Irrtum muss dem anderen Teil offenbar auffallen, wenn die ausdrückliche Erklärung des Irrenden so geartet ist, dass der Erklärungsempfänger/Anfechtungsgegner den Irrtum bei der im Verkehr üblichen und objektiv vorausgesetzten Aufmerksamkeit hätte bemerken oder wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen.34 Ob ein Transaktionswunsch versehentlich abgesetzt wurde (Transaktionsirrtum) ist für den Miner aber in aller Regel nicht erkennbar. Dasselbe gilt für die Frage, ob der gesendete Betrag korrekt ist (Betragsirrtum) oder ob die Empfangsadresse Fehler aufweist (Zielirrtum). Diese Umstände entziehen sich der Kenntnis des Miners und Fehler können diesem auch gar nicht auffallen. Der Transaktionsirrtum als solcher und auch sämtliche Umstände, die nicht das Verhältnis zwischen Absender A und Miner C betreffen, kann der Auslobende A daher in aller Regel nicht nach § 871 ABGB gegenüber dem Miner C geltend machen. Beim Gebührenirrtum kann die Sache jedoch anders zu beurteilen sein. Transaktionsgebühren notieren idR im tiefen Nachkommastellenbereich. Bei Bitcoin liegt die im Durchschnitt angebotene Transaktionsgebühr gegenwärtig etwa im Bereich der fünften Nachkommastelle (etwa 0.00005 BTC oder rund 2 €).35 Bei Ether liegt sie gegenwärtig im Bereich der dritten Nachkommastelle (0.007 ETH oder rund 20 €).36 Gelegentlich werden jedoch Transaktionen bestätigt, für die ein Vielfaches an Transaktionsgebühr geboten wird. Auf der Ethereum-Blockchain sind 100 Ether und mehr keine Seltenheit. Erst jüngst bezahlte die Krypto-Börse Bitfinex 7.676 Ether (aktuell rund 30 Mio €) für eine einzelne Transaktion.37 Den Rekord hält eine Transaktion, für deren Bestätigung der Absender 10.000 Ether (aktuell rund 42 Mio €) auslobte.38 Unterlief den Absendern in solchen Fällen ein Fehler, so ist die Frage der Rückforderbarkeit alles andere als ein akademisches Problem. Auf den ersten Blick mag allein der Umstand, dass die konkret gebotene Transaktionsgebühr um ein Vielfaches über dem Durchschnitt liegt, dafür sprechen, das Offenbar-Auffallen-Müssen zu bejahen. Dagegen könnte eingewendet werden, 34 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 871 Rz 28 f; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger6 § 871 Rz 15; Pletzer in Kletečka/Schauer1.03 § 871 Rz 49 ff; Rummel in Rummel/Lukas4 § 871 Rz 24. 35 Vgl https://bitinfocharts.com/de/comparison/bitcoin-transactionfees. html#3y (zuletzt abgefragt am 4. 10. 2021). 36 Vgl https://bitinfocharts.com/de/comparison/ethereum-transactionfees. html#3y (zuletzt abgefragt am 4. 10. 2021). 37 Transaktionshash 0x2c9931793876db33b1a9aad123ad4921dfb9cd5e59d bb78ce78f277759587115. 38 Vgl https://en.cryptonomist.ch/2020/06/10/record-breaking-transaction10000-ethereum/ (zuletzt abgefragt am 1. 11. 2021)

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dass es sich beim Mining um einen automatisierten Prozess handelt, weshalb die Anforderungen an die im Verkehr übliche und objektiv vorausgesetzte Aufmerksamkeit39 eher gering zu halten sind. Das alleinige Abstellen auf die Höhe der Transaktionsgebühr greift aber ohnehin zu kurz. Allein der Umstand, dass hohe Transaktionsgebühren versprochen werden, muss in der Praxis noch kein Indiz dafür sein, dass der Auslobende irrt. Für hohe Transaktionsgebühren kann es legitime und andere Gründe geben, denen jedenfalls kein Irrtum zugrunde liegt. Ein gutes Beispiel dafür sind Arbitragemöglichkeiten bei dezentralisierten Finanzanwendungen (Decentralized Finance – DeFi). Können bspw durch eine Arbitrage-Transaktion 110 Ether verdient werden, so kann das Versprechen von 100 Ether Transaktionsgebühr durchaus angemessen sein; va dann, wenn der Absender der Transaktion in Konkurrenz zu anderen Personen steht, die möglicherweise selbst dieselbe Transaktion durchführen möchten. Wenn im konkreten Fall nur einer der konkurrierenden Transaktionswünsche die Arbitragemöglichkeit ausnutzen kann, ist es wirtschaftlich sinnvoll, eine hohe Transaktionsgebühr zu versprechen, denn der Miner hat grds ein größeres Interesse daran, die Transaktion mit der höheren Transaktionsgebühr zu bestätigen. Hohe Transaktionsgebühren können auch Schutz vor einem relativ neuen und als Miner Extractable Value (MEV)40 benannten Phänomen sein. Bei diesem mit Frontrunning vergleichbaren Geschehen analysieren Miner die Auswirkungen von Transaktionswünschen – etwa Interaktionen mit DeFi-Anwendungen – und platzieren anstelle des Transaktionswunsches eines Absenders eine eigene gleichlautende Transaktion, um bspw die Arbitragemöglichkeit selbst auszunutzen. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein bloßer Blick auf die Höhe der Transaktionsgebühr ist nicht ausreichend; in der Praxis können eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielen. Ein Irrtum ist solange rechtzeitig aufgeklärt, als das Gegenüber noch keine rechtlichen oder wirtschaftlichen Dispositionen im Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung getroffen oder die Gelegenheit zu solchen versäumt hat, solange also noch kein Vertrauensschaden beim Erklärungsempfänger/Anfechtungsgegner eingetreten ist.41 Da es auf die Erkennbarkeit des Irrtums für den Miner nicht ankommt, ist diese Variante der Irrtumsanfechtung nicht nur beim Gebührenirrtum, sondern bei allen hier diskutierten Irrtumsarten vorstellbar. Die Aufklärung ist so lange rechtzeitig, als der Transaktionswunsch noch nicht in einem Block bestätigt wurde. Rechtliche Dispositionen wurden zu diesem Zeitpunkt noch nicht getroffen – erst 39 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 871 Rz 28 f; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger6 § 871 Rz 15; Pletzer in Kletečka/Schauer1.03 § 871 Rz 49 ff; Rummel in Rummel/Lukas4 § 871 Rz 24. 40 Vgl https://medium.com/umbrella-network/miner-extractable-value-mev101-warum-was-und-wie-bddb85dc030a#:~:text=Miner%20Extractable%20Value%20(MEV)%20ist,in%20einer%20f%C3%BCr%20sie%20vorteilhaften (zuletzt abgefragt am 4. 10. 2021). 41 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 871 Rz 30 f; Bollenberger/Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger6 § 871 Rz 16; Pletzer in Kletečka/Schauer1.03 § 871 Rz 53 ff; Rummel in Rummel/Lukas4 § 871 Rz 25 f.

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mit der Bestätigung des Transaktionswunsches erfüllt der Miner die Auslobungsbedingung und hat damit Anspruch auf die ausgelobte Belohnung. Zwar trifft der Miner bereits bei der Zusammenstellung des Blocks wirtschaftliche Dispositionen – er zieht etwa den Transaktionswunsch des Absenders A einem anderen Transaktionswunsch zur Bestätigung in einem Block vor. Solange der Block aber nicht bestätigt wurde, könnte der Miner den Transaktionswunsch jederzeit durch einen anderen ersetzen. Vor der Bestätigung eines Blocks liegt lediglich eine geringe wirtschaftliche Disposition vor, die nach der Rsp die Rechtzeitigkeit nicht ausschließen soll.42 Spätestens mit der Bestätigung der Transaktionen in einem Block ist die Aufklärung aber nicht mehr rechtzeitig, um die Irrtumsanfechtung zu rechtfertigen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Miner die Auslobungsbedingungen des Absenders A erfüllt; er hat damit eine rechtliche Disposition getroffen.

4.

Exkurs I: „Zurechnung“ von Smart Contracts zu Personen

Nur Personen, dh Rechtssubjekte, können Träger von Rechten und Pflichten sein, rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben und empfangen, Leistungen erbringen und erhalten. Wer auf der Straße einen Verkaufsautomaten bedient, der schließt den Kaufvertrag nicht mit dem Automaten, sondern mit dessen Betreiber. Erklärungs- und ggf Leistungsempfänger ist also stets eine Person. Ebenso wie durch den Einsatz physischer Verkaufsautomaten können auch Smart Contracts, Computerprogramme, die dezentral auf einer Blockchain ausgeführt werden – digitale Automaten –, dazu verwendet werden, vertragliche Schuldverhältnisse zu begründen. Dafür ist es notwendig, dass korrespondierende rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, Anbot und Annahme, zwischen zwei oder mehr Personen ausgetauscht werden. Die Interaktion mit Smart Contracts weist jedoch Besonderheiten auf, die es bei deren rechtsgeschäftlicher Einordnung zu berücksichtigen gilt. Ein Smart Contract kann – muss aber nicht – als Einladung zur Anbotslegung oder, je nach Ausgestaltung, auch bereits als das bindende Anbot einer Person verstanden werden. Die komplexe Transaktion des Absenders A zur Interaktion mit dem Smart Contract ist dann je nach Ausgestaltung entweder dessen Anbot oder eben bereits die korrespondierende Annahme. Um ein digitales Pendant zum analogen Verkaufsautomaten-Beispiel zu skizzieren, kann ein Smart Contract dienen, der nach Übertragung einer kleinen Menge Ether einen Token neu erzeugt und an den Absender der Ether überträgt. Dabei stellen sich mehrere Fragen: Wie ist die Tätigkeit des Miners C in dieser Beziehung rechtsgeschäftlich einzuordnen? Wem gegenüber gibt der Absender A im Beispiel seine Willenserklärung ab? Und an wen leistet A im Beispiel die geringe Menge Ether?

42 Riedler in Schwimann/Kodek4 § 871 Rz 30; Pletzer in Kletečka/Schauer1.03 § 871 Rz 53; Rummel in Rummel3 § 871 Rz 26.

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Zur Beantwortung der ersten Frage – Wie ist die Tätigkeit des Miners C rechtsgeschäftlich einzuordnen? – lohnt erneut ein Blick auf den Transaktionswunsch des Absenders A. Wie oben herausgearbeitet, ist Inhalt der Willenserklärung des A, also seines Transaktionswunsches, der Wunsch, eine bestimmte Transaktion auf der Blockchain festzuhalten, bei gleichzeitigem Versprechen einer Belohnung. Der Inhalt des Transaktionswunsches, also der vom Miner C auf der Blockchain festzuhaltende Umstand (zB Übertragung von Bitcoins [einfache Transaktion] oder auch die Interaktion mit einem Smart Contract [komplexe Transaktion]) ist dabei vom Transaktionswunsch selbst streng zu trennen. Der Transaktionswunsch ist immer eine einseitig verbindliche Willenserklärung des Absenders A in Form der Auslobung. Inhalt des Transaktionswunsches, also der festzuhaltende Umstand, kann hingegen entweder eine Leistung (zB Übertragung von Bitcoin) oder eine Erklärung (zB ein Anbot des A an B) sein, oder beides. Die Tätigkeit des Miners C ist jedoch stets dieselbe. Sie beschränkt sich auf das Festhalten des Transaktionswunsches als durchgeführte Transaktion auf der Blockchain. Um beim oben vorgestellten Beispiel des Meißelns von Text in einem Stein zu bleiben: Ziel ist die Herstellung eines bestimmten faktischen Erfolgs, nämlich das Festhalten des Textes im Stein bzw das Festhalten des einfachen oder komplexen Transaktionswunsches in der Blockchain. Bei diesem Vorgang bildet der Miner keinen eigenen rechtsgeschäftlichen Willen.43 Er nimmt auch keine Rechtshandlung für den Absender A vor, selbst dann nicht, wenn Inhalt des Transaktionswunsches eine rechtsgeschäftliche Erklärung ist. Der Miner hält lediglich einen tatsächlichen Umstand fest, nämlich den Umstand, dass der Absender A die Transaktion vorgenommen hat, ganz unabhängig von ihrem Inhalt. Zur Beantwortung der zweiten und der dritten Frage – Wem gegenüber gibt der Absender A bei Vertragsschluss unter Einsatz eines Smart Contract seine Willenserklärung ab und wem gegenüber leistet er? – kann somit zunächst festgestellt werden: Es ist nicht der Miner C, der den Transaktionswunsch bestätigt. Stattdessen muss es eine andere Person sein, die den Smart Contract wie einen Verkaufsautomaten einsetzt. In diesem Zusammenhang ist auf eine Besonderheit von Smart Contracts hinzuweisen, die das Blockchain-basierte Pendant vom physischen Verkaufsautomaten unterscheidet. Wurde nämlich ein Smart Contract auf der Blockchain veröffentlicht, so kann er seine Funktion grds unabhängig von vertraglichen Schuldverhältnissen verrichten. Das oben skizzierte Beispiel eines Smart Contract, der gegen Hingabe von 43 Dies ist letztlich Folge der Dezentralität der Blockchain (vgl Völkel, ZFR 2019, 601 ff ): Miner stehen nicht mit anderen Minern in schuldrechtlicher Beziehung; die Gesamtheit der Miner bildet kein eigenständiges Rechtssubjekt; es gibt niemanden, dem gegenüber vom Miner ein rechtsgeschäftlicher Wille gebildet werden könnte. Die Tätigkeit des Miners ähnelt stattdessen jener eines Boten, wobei auch dieser Vergleich nur teilweise zutrifft.

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Ether einen Token ausgibt, soll zum besseren Verständnis an dieser Stelle weiterentwickelt werden: Wurde der Smart Contract zunächst von einem Unternehmen dazu eingesetzt, um Verträge über die Ausgabe der Token zu schließen, geht das Unternehmen später aber ohne Rechtsnachfolge unter, so gibt es keine Person mehr, der gegenüber bei der Interaktion mit dem Smart Contract eine Willenserklärung abgegeben oder der gegenüber geleistet werden kann. Das Computerprogramm wird jedoch auch weiterhin Token erzeugen, wenn eine andere Person die programmierten Bedingungen erfüllt. Die Unveränderlichkeit der Blockchain gilt auch für die Funktionsweise einmal veröffentlichter Smart Contracts. Der Fall ist vergleichbar mit einem physischen Verkaufsautomaten eines rechtsnachfolgelos untergegangenen Unternehmers, der gegen Einwurf von Münzen weiterhin Produkte herausgibt, solange der Vorrat reicht. In beiden Fällen – Interaktion mit dem Smart Contract; Bedienen des Automaten – handelt es sich mangels eines Erklärungsempfängers nicht um rechtsgeschäftliche Erklärungen. Diese Eigenschaft von Smart Contracts – Verrichten werthaltiger Aufgaben ohne Begründung vertraglicher Schuldverhältnisse – hat weitreichende Auswirkungen, deren Behandlung jedoch eigenen Beiträgen vorbehalten bleiben muss.

5.

Exkurs II: Maßgeblichkeit österreichischen Rechts

Die in diesem Beitrag vorgestellten Überlegungen setzen voraus, dass österr Recht zur Anwendung gelangt. Wann aber ist dies der Fall? Es ist nicht davon auszugehen, dass sich Absender A und Leistungsempfänger B bzw Miner C bei allen Fallkonstellationen stets in Ö aufhalten.

5.1. Anwendbares Recht im Verhältnis Absender – Empfänger Im Verhältnis zwischen Absender A und Empfänger B sind der Transaktionsirrtum, der Betragsirrtum, der Aufruf- und der Datenirrtum relevant. Wegen der Limitierung dieses Beitrags auf Irrtümer außerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses sind hinsichtlich der kollisionsrechtlichen Beurteilung stets die Bestimmungen über den außervertraglichen Bereich maßgeblich. Im Anwendungsbereich der VO 864/2007/ EG (Rom II) kann Art 10 Abs 3 einschlägig sein, wonach iZm ungerechtfertigter Bereicherung das Recht jenes Staates anwendbar ist, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist. Dies ist jener Staat, in dem der Empfänger seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 2 Abs 2 iVm Abs 3 Rom II). Ist das IPRG anwendbar, so gilt mangels spezieller Norm der Grundsatz der stärksten Beziehung (§ 1 Abs 1 IPRG). Die Wertungen aus Rom II können wohl auch für Beurteilungen nach dem IPRG herangezogen werden, weshalb im Anwendungsbereich des IPRG ebenso das Recht jenes Staats maßgeblich ist, in dem der Leistungsempfänger seinen

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Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die hier angestellten Überlegungen sind also dann relevant, wenn der Leistungsempfänger in Ö ist.

5.2. Anwendbares Recht im Verhältnis Absender – Miner Im Verhältnis zwischen Absender A und Miner C sind grds sämtliche hier diskutierten Irrtümer relevant. In der Praxis wird aber nur der Gebührenirrtum eine Rolle spielen. In diesem Fall geht es um die Beurteilung des Irrtums iZm einer Auslobungserklärung, die Beseitigung dieser Willenserklärung sowie die Kondizierung der ungerechtfertigt vereinnahmten Transaktionsgebühr. Bei der Beurteilung dieses Sachverhalts kann im Anwendungsbereich von Rom II ebenfalls Art 10 Abs 3 einschlägig sein, wonach iZm ungerechtfertigter Bereicherung das Recht jenes Staates anwendbar ist, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist. Ist das IPRG anwendbar, so gilt wiederum mangels spezieller Norm der Grundsatz der stärksten Beziehung (§ 1 Abs 1 IPRG). Die Wertungen aus Rom II können wieder für Beurteilungen nach dem IPRG herangezogen werden, weshalb im Anwendungsbereich des IPRG ebenso das Recht jenes Staats maßgeblich ist, in dem der Leistungsempfänger seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die hier angestellten Überlegungen sind also dann relevant, wenn der Miner in Ö ist.

aufrufen) und der Datenirrtum (bei irrtümlicher Übergabe falscher Daten). Vom Empfänger kann der Absender beim Transaktions- und beim Betragsirrtum die Herausgabe der (zu viel) übertragenen digitalen Assets verlangen, wenn der Absender entweder Eigentümer ist (§ 366 ABGB) oder zumindest kein Rechtsgrund für die Leistung bestand (§ 1431 ABGB). Die Transaktionsgebühr kann der Absender vom Empfänger der Transaktion nicht herausverlangen, weil diese von jemand anderem (dem Miner) vereinnahmt wird. Bei Transaktionswünschen handelt es sich um Auslobungsund damit um einseitig verbindliche Willenserklärungen, die hinsichtlich ihres gesamten Inhalts einer Anfechtung wegen Irrtums nach § 871 ABGB zugänglich sind. Die Irrtumsregeln des ABGB gelten somit auch im Hinblick auf jene Rechtsbeziehung, die zwischen dem auslobenden Absender eines Transaktionswunsches und dem erfüllenden Miner entsteht. Vom Miner kann der Absender beim Gebührenirrtum die (zu viel) geleistete Transaktionsgebühr herausverlangen, wenn der Irrtum dem Miner offenbar auffallen musste (§ 871 Abs 1 2. Fall ABGB). Die Alternativen der Veranlassung des Irrtums (1. Fall leg cit) und der rechtzeitigen Aufklärung (3. Fall leg cit) sind in der Praxis bedeutungslos. Ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Transaktion oder auf Wertersatz kann nicht auf § 871 ABGB gestützt werden.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Im Ergebnis kann also festgehalten werden: Bei Interaktionen mit der Blockchain lassen sich einfache und komplexe Transaktionen unterscheiden. Einfache Transaktionen haben lediglich die Übertragung bestimmter digitaler Assets zum Gegenstand. Komplexe Transaktionen interagieren mit Funktionen von dezentralen Computerprogrammen (Smart Contracts). Bei Interaktionen mit der Blockchain können Transaktionsirrtümer und Inhaltsirrtümer auftreten. Bei einfachen Transaktionen sind an Inhaltsirrtümern der Ziel-, der Betrags- und der Gebührenirrtum vorstellbar. Hinzu kommen bei komplexen Transaktionen der Aufrufirrtum (bei irrtümlichen Funktions-

Der Autor: Dr. Oliver Völkel, LL.M. ist Partner bei Stadler Völkel Rechtsanwälte. Sein fachlicher Schwerpunkt liegt im Bank- und Kapitalmarktrecht sowie im Recht der digitalen Assets und virtuellen Währungen. Zu seinen Mandanten zählen zahlreiche namhafte in- und ausländische Unternehmen und Banken. Oliver Völkel studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und an der Columbia Law School in New York. In der Vergangenheit war er unter anderem an der Universität Wien im Bereich Strafrecht tätig sowie in namhaften international ausgerichteten Wirtschaftskanzleien. oliver.voelkel@svlaw.at lesen.lexisnexis.at/autor/Völkel/Oliver

Foto: Nadine Studeny

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Ralph Rirsch/Stefan Tomanek • Wien

Von „virtueller Währung“ zum „Crypto-Asset“ – Die Abgrenzung zu tokenisierten Finanzinstrumenten und das vermeintliche Ende der Pseudonymität durch neue AML-Regeln » ZFR 2021/236

Durch neue Regeln verfolgt die EU das Ziel, die Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu stärken. Neben einem einheitlichen und EU-weiten Verbot von Bargeldtransaktionen über 10.000 € und der Errichtung einer europäischen AML-Behörde liegt ein Schwerpunkt der neuen Regelungen im Bereich der wachsenden Kryptoökonomie. Wenngleich die bestehenden AML-Vorschriften bereits einige Geschäftstätigkeiten iZm Crypto-Assets wie Bitcoin & Co erfassen, besteht ein gewisser Auslegungsspielraum, etwa im Hinblick auf die aktuell gültige Begriffsdefinition der „virtuellen Währung“ und Abgrenzungsfragen zu regulierten Finanzinstrumenten. Mehr Klarheit für die Zukunft verspricht nun die Neudefinition des Begriffs „Crypto-Asset“, der in der kommenden Krypto-Regulierung MiCAR eingeführt und auch in den neuen Geldwäscheregeln einheitlich verwendet wird. Gleichzeitig waren in der europäischen Medienlandschaft bereits Schlagzeilen über das vermeintliche Ende der „(Pseudo-)Anonymität von Crypto-Assets“ zu lesen. Der vorliegende Artikel1 gibt einen Überblick über mögliche Auswirkungen dieser neuen Regelungen für Unternehmen und Investoren.

1.

Einleitung

Als Teil eines großen AML-Maßnahmenpakets hat die Kom am 20. 7. 2021 den Vorschlag für eine unmittelbar anwendbare VO zur Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung im Finanzsystem („AMLR“)2 veröffentlicht. Diese VO soll an die Stelle der 5. Geldwäsche-RL („5. AMLD“) treten und durch Vollharmonisierung einen einheitlichen Schutz des Binnenmarkts gewährleisten.

Neben der Vollharmonisierung und diversen Neuerungen, auch für das traditionelle Finanzsystem, insb der Errichtung einer europäischen AML-Behörde (AMLA),3 bringt das Maßnahmenpaket eine Vereinheitlichung der Begriffsbestimmungen und damit des objektbezogenen Anwendungsbereiches für das AMLRegime und die aktuell in Konsultation befindliche Markets in Crypto-Assets Regulation („MiCAR-Proposal“).4 Letztere wird sowohl prudenzielle als auch conduct-spezifische Regelungen für Anbieter von Krypto-Dienstleistungen (im Folgenden „Crypto-Asset Service Provider“ oder „CASP“) nach dem Vorbild der MiFID II sowie ein der Prospekt-VO nachempfundenes Aufsichtsregime für Emittenten und deren Krypto-Whitepapers bringen. Für bestimmte Tokenarten, deren Wert sich aus Fiat-Währungen bzw anderen Underlyings ableitet („wertreferenzierte Token“ und „E-Geld-Token“), sieht das MiCAR-Proposal überdies besonders strenge Zulassungsvorschriften und Verhaltenspflichten vor.

2.

Mit diesem Legislativpaket wird somit eine Intensivierung der Aufsicht über Geschäftsmodelle der Kryptoökonomie von einer bloßen Registrierungspflicht begrenzt auf die AML-Aufsicht hin zu einer der MiFID II nachempfundenen Zulassung vorgeschlagen. Die Vereinheitlichung des objektbezogenen Anwendungsbereichs von AMLR und MiCAR wird erreicht, indem der ohnehin problematische Begriff der „virtuellen Währung“5 als Dreh- und Angelpunkt für das AML-Regime in der Kryptoökonomie gestrichen und stattdessen ein Verweis auf den im MiCAR-Proposal geprägten Be-

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4 5 1 2

Der vorliegende Artikel spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung der Autoren wider. Kom, Proposal for a Regulation on the prevention of the use of the financial system for the purposes of money laundering or terrorist financing, COM(2021) 420 final (AMLR).

Abkehr vom Begriff „virtuelle Währung“

Kom, Proposal for a Regulation on establishing the Authority for Anti-Money Laundering and Countering the Financing of Terrorism and amending Regulations (EU) No 1093/2010, (EU) 1094/2010, (EU) 1095/2010, COM(2021) 421 final (AMLA-R). Kom, Proposal for a Regulation on Markets in Crypto-assets, and amending Directive (EU) 2019/1937, COM(2020) 593 final (MiCAR-Proposal). Der Begriff „virtuelle Währung“ in der 5. AMLD war ungünstig gewählt, da er eine Nähe zu staatlichen Währungen suggeriert, die auf Crypto-Assets unstrittig nicht zutrifft. Zudem war die Begriffsdefinition nicht eindeutig, was zu Unklarheiten bei der Auslegung geführt hat. S dazu bspw Rirsch/ Tomanek/Weratschnig, Der weite Begriff der „virtuellen Währung“ im Bereich der Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, ZFR 2019, 554.

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griff des „Crypto-Assets“ („Kryptowerte“) vorgenommen wird. Die Definition des Begriffs „Crypto-Asset“ ist wie die ihn beinhaltende VO noch nicht final. Es ist allerdings bereits jetzt erkennbar, dass der dienstleistungsbezogene Anwendungsbereich des AML-Regimes durch den Verweis auf MiCAR erweitert und über den bisherigen Anwendungsbereich der 5. AMLD (bzw § 2 Z 22 FM-GwG und die bisherige FATF-Guidance)6 hinausgehen wird, da auch der bloße Betrieb einer Handelsplattform sowie die Emission, Platzierung von und Beratung zu Crypto-Assets umfasst sind. Im MiCAR-Proposal noch nicht enthalten ist hingegen die Erbringung individueller Portfolioverwaltung in Bezug auf CryptoAssets. Angesichts der Übernahme der übrigen äquivalenten MiFID-Dienstleistungen, deren Pendants ebenfalls aus der MiFID II in MiCAR übernommen wurden, und der Tatsache, dass mit der individuellen Portfolioverwaltung vergleichbare Dienstleistungen in Bezug auf Crypto-Assets bereits in großem Umfang am Markt angeboten werden, ist uE jedoch keine sachliche Rechtfertigung für eine solche Auslassung ersichtlich. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein redaktionelles Versehen handelt, das im laufenden Konsultationsverfahren behoben werden wird. Als Ergebnis der Vereinheitlichung des objektbezogenen Anwendungsbereichs der Regime der AMLR und MiCAR wird wohl die bisherige Registrierung unter der jeweiligen nationalen Transposition der 5. AMLD (vgl § 32a Abs 1 FM-GwG) entfallen und durch die Zulassung nach der MiCAR ersetzt werden.

3.

Der neue objektbezogene Anwendungsbereich der AMLR und der MiCAR

Neben dieser Erweiterung des AML-Regimes auf alle vom MiCARProposal erfassten Dienstleister stellt sich die Frage, ob durch die Ersetzung des Begriffs der „virtuellen Währung“ durch „CryptoAssets“ weitere Änderungen des Anwendungsbereichs erfolgen. Erstere sind in der derzeit anwendbaren 5. AMLD folgendermaßen definiert (Art 3 Z 18 5. AMLD): „‚Virtuelle Währungen‘: eine digitale Darstellung eines Werts, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht zwangsläufig an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden ist und die nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert wird und die auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann;“ Der Begriff „Crypto-Asset“ bzw „Kryptowert“ ist im aktuell öffentlich konsultierten MiCAR-Proposal in Art 3 Abs 1 Z 2 folgendermaßen ausgestaltet: „‚Kryptowert‘: eine digitale Darstellung von Werten oder Rechten, die unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie

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Vgl Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), Guidance for a risk-based approach: Virtual assets and virtual asset service providers (2019) Paris, www.fatf-gafi.org/publications/fatfrecommendations/documents/Guidance-RBA-virtual-assets.html (30. 8. 2021).

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oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden können;“ Diese Definitionen überschneiden sich uE weitestgehend. Einige systematische und materielle Unterschiede fallen jedoch ins Auge: Die 5. AMLD nimmt in ihrer Definition Zentralbanken und öffentliche Stellen als Emittenten sowie staatliche Währungen aus. Diese Ausnahme erfolgt im MiCAR-Proposal systematisch erst im den Anwendungsbereich regelnden Art 2 Abs 2 und 3. Darüber hinaus bezieht sich das MiCAR-Proposal ausdrücklich auf die „Distributed-Ledger-Technologie“ (DLT) oder „ähnliche Technologien“, während virtuelle Währungen nur „auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden [können]“ müssen. Dieser Unterschied ist uE auf die Bemühungen der Kom zurückzuführen, MiCAR ausschließlich im Bereich der DLT zu etablieren und Auslegungsschwierigkeiten in anderen Bereichen, bspw Bonuspunktesystemen abseits der DLT, zu vermeiden. Dies stellt aber materiell uE keine Abweichung zur Formulierung der 5. AMLD dar, da diese ebenfalls nur die DLT bzw ähnliche Technologien als virtuelle Währungen erfassen wollte. Schließlich sollte die 5. AMLD damals entsprechend den FATF-Recommendations nur jene Fälle einschließen, die bisher nicht von den AML-Vorschriften erfasst waren.7 Darüber hinaus verweist der Terminus Crypto-Asset nicht mehr auf den mehrdeutigen Tauschmittelbegriff, sondern stellt nur noch auf die „[übertragbare] digitale Darstellung von Werten oder Rechten“ ab. Die Abgrenzung zu elektronischem bzw tokenisiertem Fiat-Geld regelt Art 2 Abs 2 lit b MiCAR-Proposal. Im Kern muss, wie uE schon im Fall der virtuellen Währung, nur ein auf der DLT übertragbarer Vermögenswert bzw ein Recht vorliegen, der/das nicht bereits dem Aufsichtsrecht unterfällt und dessen sachenrechtliche Zuordnung mit jener des Crypto-Assets verbunden ist. Das bedeutet, dass eine Übertragung des repräsentierenden Crypto-Assets sachenrechtlich einer Übertragung des Vermögenswerts bzw Rechts gleichkommt. Ist ein Token weder übertragbar noch als Finanzinstrument einzustufen (insb unverbrieftes Derivat), unterfällt es heute wie in Zukunft tendenziell nicht dem Finanzmarktaufsichtsrecht. Die 5. AMLD stellt in diesem Zusammenhang im Detail bisher auf die Akzeptanz als Tauschmittel sowie die Übertragbarkeit, Speicherbarkeit und Handelbarkeit ab, während das MiCAR-Proposal nur Übertragbarkeit und Speicherbarkeit verlangt. Aus den verfügbaren Materialien ist nicht erkennbar, dass durch diese Formulierung eine grundsätzliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs im Vergleich zur 5. AMLD angestrebt wurde. Es könnte jedoch ar-

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S die FATF-Begriffsdefinition von „Virtual Asset“: „[A] digital representation of value that can be digitally traded, or transferred, and can be used for payment or investment purposes. Virtual assets do not include digital representations of fiat currencies, securities and other financial assets that are already covered elsewhere in the FATF Recommendations. “ – vgl FATF, The FATF Recommendations 130 (2021), https://www.fatf-gafi.org/ media/fatf/documents/recommendations/pdfs/FATF%20Recommendations%202012.pdf (30. 8. 2021); vgl Rirsch/Tomanek/Weratschnig, ZFR 2019, 554 (555).

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gumentiert werden, dass die 5. AMLD nur solche Token erfassen wollte, die zwischen Dritten übertragbar sind, während die veröffentlichte Letztversion des MiCAR-Proposals potenziell auch Token erfasst, die ausschließlich zwischen Emittenten und Erwerber am Primärmarkt übertragbar sind. Fraglich ist in diesem Zusammenhang insb, ob Token, die zwar bei der Emission auf eine Adresse des Erwerbers übertragen werden können, danach aber überhaupt nicht mehr übertragbar sind – auch nicht an den Emittenten –, erfasst sein sollen. Derartige Token sind uE zwar nicht als „übertragbar“ anzusehen, eröffnen aber bspw durch „burning“ oder Zeitablauf eine Einlösung beim Emittenten auch ohne technische Übertragung. Sie schaffen damit ähnliche Anlagemöglichkeiten wie unverbriefte Veranlagungen nach § 1 Abs 1 Z 3 KMG 2019 oder OTC-Derivate, was eine Erfassung zumindest im Bereich der MiCAR nahelegt. Nicht näher beschrieben ist zudem, woraus sich der übertragbare Wert des Tokens konkret ableitet. Wie bereits im Bereich der FATF-Recommendations8 und der 5. AMLD ist klar, dass auch DLT-Token wie Bitcoin erfasst sein sollen, die keinen (greifbaren) Emittenten haben, bei dem sie eingelöst werden können oder durchsetzbare Rechte versprechen. Vielmehr ist jegliches Token erfasst, das – aus welchen Gründen auch immer – einen eigenständigen und übertragbaren Wert besitzt. Diese Ansicht entspricht dem Telos der Prävention von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung ebenso wie jenem des MiCAR-Proposals. Weist ein Token einen eigenständigen übertragbaren Wert auf, so ist es als Wertübertragungs- bzw als Wertaufbewahrungsmittel einsetzbar. Folglich kann es zur Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung, aber auch trefflich als hochriskantes Spekulationsobjekt eingesetzt werden und ist entsprechend zu regulieren. Die folgende Abgrenzung ist in diesem Zusammenhang jedoch uE unabdingbar: Auch traditionelle Waren können theoretisch für die oben beschriebenen Zwecke eingesetzt werden. Der gravierende Unterschied liegt hier in der durch die Übertragbarkeit und Standardisierung auf der DLT technisch bedingten Leichtigkeit und Vielseitigkeit der Verwendungsmöglichkeit als abstraktes9 Wertübertragungsmedium sowie dem börseartigen Handel auf DLT-Exchanges. Token, die einzigartig sind, wie NonFungible Tokens (NFTs) zu einem bestimmten Kunstwerk, aber auch Token, die gar keinen übertragbaren Wert aufweisen, wie Token zum Identitätsnachweis („Identity-Token“), sollten daher nicht von der Regulierung erfasst sein. Gerade im Bereich der NFTs bedarf es für die Abwicklung des Kaufs bspw eines digitalisierten Gemäldes schließlich ohnehin eines abstrakten Wert-

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FATF, The FATF Recommendations, Interpretive Note to Recommendation 15, 76 f (2021), https://www.fatf-gafi.org/media/fatf/documents/recommendations/pdfs/FATF%20Recommendations%202012.pdf (30. 8. 2021). „Abstrakt“, weil die Nutzung nicht abhängig vom Grundgeschäft zwischen Emittenten und Halter ist. In vielen Fällen existiert überhaupt kein solches Grundgeschäft. Bei standardisierten Token ist aufgrund der Austauschbarkeit und Marktbewertung der Einsatz als funktionelles (nicht aufsichtsrechtliches iSd BWG) Zahlungsmittel idR möglich.

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übertragungsmediums wie Bitcoin oder Fiat-Geld, die dem Aufsichtsrecht unterliegen.

4.

Mehr Klarheit bei der Abgrenzung zwischen Wertpapier und Crypto-Asset

Durch die Bezugnahme auf MiCAR wird auch das Verhältnis zwischen „virtueller Währung“ und bereits regulierten Instrumenten im Bereich der Geldwäscheprävention eindeutig geklärt: Art 2 Abs 2 MiCAR-Proposal nimmt explizit bereits regulierte Instrumente, insb Finanzinstrumente iSd Art 4 Abs 1 Nr 15 MiFID II und damit übertragbare Wertpapiere, vom Anwendungsbereich aus. Jeder Zweifel, der angesichts der offeneren Definition in der 5. AMLD dahin gehend bestanden haben mag, ob Finanzinstrumente und insb übertragbare Wertpapiere gleichzeitig auch als virtuelle Währungen einzustufen sein könnten, wird damit ausgeräumt. Eine solche Doppeleinstufung ist zukünftig expressis verbis durch die Einbeziehung der Ausnahmen des Art 2 Abs 2 MiCAR-Proposal in den AMLR-Verweis ausgeschlossen.10 Die Unterscheidung zwischen übertragbaren und tokenisierten Vermögenswerten bzw deren Darstellung in Form von Crypto-Assets einerseits und übertragbaren Wertpapieren andererseits bereitet in der Praxis oft Schwierigkeiten. Dabei ist grds ein technologieneutraler Ansatz entsprechend Art 2 Abs 2 lit a MiCAR-Proposal zu wählen. Demnach ist die Prüfung der Wertpapiereigenschaften vorrangig und unabhängig von der technischen Ausgestaltung, also der Tokenisierung, und unterfällt ein Token nur dann potenziell der MiCAR, wenn es sich nicht bereits um ein übertragbares Wertpapier iSd MiFID II handelt. Diese Einstufung hat stets im Einzelfall zu erfolgen und ist im Detail durchaus komplex. Da DLT-Token häufig standardisiert und innerhalb einer Token-Klasse fungibel bzw wirtschaftlich gleichwertig sowie leicht handelbar sind, läuft die Abgrenzung vielfach auf die Frage hinaus, ob im Token vergleichbare Rechte wie in traditionellen Wertpapieren verkörpert sind.11 Die österr hL geht davon aus, dass ceteris paribus nur solche Token vom Wertpapierbegriff erfasst sind, die Ansprüche auf Cashflows – sei es aus eigenkapital- oder fremdkapitalähnlichen Finanzierungsstrukturen – gegen den Emittenten verkörpern.12 Verspricht das Token hingegen weder eine Rückzahlung noch eine Gewinn- oder Umsatzbeteiligung bzw eine Beteiligung am Liquidationserlös, wird die Einzelfallprüfung häufig zum Ergebnis gelangen, dass kein übertragbares Wertpapier vorliegt. Die meisten klassischen Payment-Token, wie Bitcoin oder Litecoin, sowie Netzwerk-To10 Aus diesen Ausführungen soll nicht geschlossen werden, dass MICAR eine lex specialis zur AMLR ist. Beide Regularien verfolgen abseits der gemeinsam genutzten Begrifflichkeiten jeweils unterschiedliche regulatorische Zielsetzungen. 11 S bspw FMA, FinTech Navigator, ICO – Aufsichtsrechtliche Einordnung von Coins und Tokens, https://www.fma.gv.at/kontaktstelle-fintech-sandbox/ fintechnavigator/initial-coin-offering/ (30. 8. 2021). 12 Vgl Pekler/Rirsch, Ausgewählte kapitalmarktrechtliche Aspekte bei der Emission von Crypto-Assets, in Kirchmayr-Schliesselberger/Klas/Miernicki/ Rinderle-Ma/Weilinger, Kryptowährungen (2019) 357 ff; Steiner, Krypto-Assets und das Aufsichtsrecht (2019) 34 ff.

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ken, wie Ether, die keine Einlösung beim Emittenten vorsehen oder gar keinen zentralen Emittenten aufweisen, sind folglich vom Wertpapierbegriff ausgenommen und unterliegen daher aktuell nur der 5. AMLD und zukünftig der AMLR sowie MiCAR. Dasselbe gilt für die überwiegende Mehrheit der sog „Utility-Token“ am Markt, bei denen ebenfalls kein konkreter Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Emittenten besteht.

5.

Das Ende der Anonymität bzw Pseudonymität im Kryptospace?

Im Rahmen des EU-AML-Pakets wird überdies eine Änderung der Geldtransfer-VO vorgeschlagen.13 Zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zielt die Geldtransfer-VO darauf ab, die vollständige Rückverfolgbarkeit von Geldtransfers zu gewährleisten. Europäische Zahlungsverkehrsdienstleister sind daher insb verpflichtet, Informationen über den Auftraggeber und den Begünstigten von Geldtransfers über die gesamte Zahlungskette hinweg sicherzustellen.14 Bislang galten diese Verpflichtungen jedoch nur für Zahlungen in Form von Banknoten, Münzen, Giralgeld und elektronischem Geld. Für Transaktionen von unregulierten DLT-Token gab es dagegen keine vergleichbaren Anforderungen.15 Da die Übertragung von DLT-Token aber ähnliche Risiken in Bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung birgt wie elektronische Überweisungen, wird in der Neufassung der Geldtransfer-VO vorgeschlagen, sie zukünftig denselben Anforderungen zu unterwerfen.16 Auf Grundlage der FATF-Empfehlungen von 201917 soll zu diesem Zweck die sogenannte „Travel-Rule“ in das europäische Kapitalmarktrecht implementiert werden, nach der bereits bestehende Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen (VASPs) und künftig über MiCAR zugelassene Dienstleister in Bezug auf Crypto-Assets (CASPs) Informationen über die Auftraggeber und Begünstigten von Krypto-Transaktionen einholen, aufbewahren und untereinander bzw auf Anfrage mit den zuständigen Aufsichtsbehörden austauschen müssen.18 Anbieter im Bereich der Krypto-Dienstleistungen haben daher künftig über technische Echtzeit-Lösungen bzw Protokolle zu verfügen, die ihnen die Erfüllung dieser Anforderungen ermöglichen.19 Zur Gewährleistung der Kohärenz des europäischen Kapitalmarktrechts werden in der Geldtransfer-VO dazu die im MiCAR-Proposal festgelegten Definitionen von „Crypto-Asset“ 13 Vgl Kom, Proposal for a Regulation on information accompanying transfers of funds and certain crypto-assets (recast), COM(2021) 422 final (Vorschlag Geldtransfer-VO). 14 Vgl Art 1 Vorschlag Geldtransfer-VO. 15 Vgl Art 4 Z 25 RL (EU) 2015/2366 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt. 16 Vgl Vorschlag Geldtransfer-VO 2 f. 17 Vgl FATF, Guidance for a risk-based approach: Virtual assets and virtual asset service providers (June 2019), Empfehlung 15, https://www.fatf-gafi. org/media/fatf/documents/recommendations/rba-va-vasps.pdf (30. 8. 2021). Vgl auch ErwGr 2 Vorschlag Geldtransfer-VO. 18 Vgl FATF, Second 12-Month Review of the revised FATF Standards on virtual asset service providers, https://www.fatf-gafi.org/media/fatf/documents/recommendations/Second-12-Month-Review-Revised-FATF-Standards-Virtual-Assets-VASPS.pdf (30. 8. 2021). 19 Vgl Vorschlag Geldtransfer-VO 2 f.

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und „Crypto-Asset Service Providers“ (CASPs) herangezogen.20 Durch den Verweis auf MiCAR unterliegen künftig auch Betreiber von Handelsplätzen für Crypto-Assets und ein großer Teil der Dienstleister iZm Crypto-Assets den vorgenannten Verpflichtungen. Demgegenüber gelten die oben genannten Anforderungen nicht für die Übertragung von Crypto-Assets zwischen natürlichen Personen, die als Verbraucher zu Zwecken handeln, die nicht iZm einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen, solange weder ein CASP noch eine andere durch die Geldtransfer-VO verpflichtete Rechtsperson involviert ist.21 Der AMLR-Entwurf hält überdies fest, dass die Zurverfügungstellung und Verwahrung anonymer Crypto-Asset-Wallets verboten sein sollen.22 Im Zusammenspiel mit der Aufnahme der früheren VASPs und zukünftigen CASPs in die Geldtransfer-VO könnte dabei der Eindruck entstehen, dass bald jeder Nutzer in DLT-Systemen identifiziert sein muss. Derartige Bedenken oder gar Wünsche sind uE allerdings unbegründet. Beide Verordnungsentwürfe weisen nämlich eine klassische, aber kaum vermeidbare Schwachstelle des europäischen Kapitalmarktrechts auf. Sie sind nur auf Dienstleister mit Sitz im EWR anwendbar. Im Zusammenspiel mit der MiCAR wird nun eine weiter reichende Zulassungspflicht anstelle einer Registrierungspflicht geschaffen. Dienstleister, die ihren Sitz in einem Drittstaat haben, sind überdies erfasst, wenn sie sich aktiv an den europäischen Markt wenden, bspw durch gezieltes Marketing. In einem globalisierten Markt wie der Kryptoökonomie, in der der Sitz eines Unternehmens für die Dienstleistungserbringung wenig Relevanz hat, muss jedoch klar sein, dass entsprechend geneigte Nutzer problemlos auf Dienstleister und Systeme in Drittstaaten ausweichen können. Hinzu kommt, dass Transaktionen zwischen Privaten ausgenommen sind – somit also wohl alle DLT-Systeme, in denen dem Systembetreiber nicht die Rolle eines Zahlungsdienstleisters zuzuschreiben ist oder die gar keinen zentralen Systembetreiber aufweisen, wie insb Bitcoin. Im System der MiCAR gilt zudem, dass die Emittenten (und ggf Betreiber) von E-Geld-Token als Kredit- bzw E-Geld-Institute dem AML-Regime unterliegen. Die Emittenten von Asset-ReferencedToken müssten hingegen gesondert dem AML-Regime unterworfen werden, was im aktuellen AMLR-Entwurf (s Art 3) und im Entwurf zur Geldtransfer-VO bisher unterblieben ist, da sie ex lege keine CASPs iSd Art 3 Abs 1 Nr 8 bzw 9 MiCAR-Proposal23 sind. Entsprechendes gilt für die Emittenten von sonstigen CryptoAssets gem Art 4 Abs 1 MiCAR-Proposal. Diese Ungleichbehandlung der unterschiedlichen Token-Emittenten im AML-Regime erscheint nicht intendiert und erfordert uE eine detaillierte Aufarbeitung durch den Gesetzgeber. Im Ergebnis werden somit nur jene Konstellationen im Kryptospace vom neuen AML-Regime erfasst, in denen ein regulierter Intermediär auftritt. In diesem Bereich sind Kunden zu identifizieren und die charakteristische Pseudonymität der Netzwerk-

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Vgl Art 3 Z 15 f Vorschlag Geldtransfer-VO. Vgl Art 2 Abs 4 bzw Art 3 Z 10 und 14 Vorschlag Geldtransfer-VO. Proposal AMLR 10. S dazu den Verweis in Art 2 Z 14 AMLR-Entwurf.

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adressen sowie die damit verbundene vermeintliche Anonymität der Akteure gehen verloren bzw werden untersagt. Im Gegensatz dazu gelten die neuen AML-Regeln nicht für den Kernbereich der Kryptoökonomie – die desintermediierte Peer-to-Peer Economy. In Anbetracht der Tatsache, dass Personen, die diesem AMLRegime ausweichen wollen, dies verhältnismäßig einfach außerhalb des EWR tun können, haben wir gewisse Zweifel an der Effektivität dieses Ansatzes. Gleichzeitig ist einzuräumen, dass die EU mangels einer tatsächlich globalen Lösung in diesem Bereich schlichtweg kaum wirksamere Instrumentarien zur Verfügung hat. Überdies darf aber ohnehin bezweifelt werden, ob Transaktionen abseits von sog „Privacy Coins“ über öffentlich einsehbare und unveränderbare Register tatsächlich das geeignetste Vehikel für entsprechend verpönte Praktiken sind.

Conclusio

Die Autoren: Mag. Ralph Rirsch, BSc. MBA, ist Jurist im Bereich Wertpapieraufsicht der österr Finanzmarktaufsicht. Er ist in den Gebieten Prospektaufsicht, Crowdfunding und FinTech, insbesondere Crypto-Assets, tätig. Davor war er in der integrierten Aufsicht für die behördliche Aufsicht im Bereich des WAG 2018 und der PRIIP-VO zuständig. Vor seiner Zeit bei der FMA war er als Unternehmensberater im österreichischen Bankensektor mit Fokus auf Aufsichtsrecht (e.g. MiFID II, PSD2), IT-Implementierungen und Datenbankmanagement aktiv.

Publikationen (Auszug):

Durch das geplante AML-Maßnahmenpaket wird in zentralen Fragen der Anwendbarkeit des Aufsichtsregimes Klarheit geschaffen. Im Zuge der Angleichung an das künftige MiCAR-Regime werden einheitlich der zentrale Begriff „Crypto-Asset“ sowie die Ausnahmen vom Anwendungsbereich gem Art 2 Abs 2 MiCAR-Proposal anstelle der unglücklichen Bezeichnung „virtuelle Währung“ übernommen. Damit sind alle übertragbaren und speicherbaren DLT-Vermögenswerte/Rechte mit Ausnahme bereits regulierter Instrumente (insb Finanzinstrumente) erfasst. Ferner ergeben sich für Anbieter von Krypto-Dienstleistungen Neuerungen, indem insb der Anwendungsbereich der bisherigen AML-Regulierung erweitert wird. Gleichzeitig wird wohl die bestehende Registrierungspflicht für VASPs durch eine weiter reichende Zulassungspflicht nach MiCAR ersetzt. Das Ende der Pseudoanonymität im Kryptospace bringen diese Neuerungen insb im dezentralen Peer-to-Peer-Bereich zwar nicht. Anbieter von Krypto-Dienstleistungen müssen aber in Zukunft Informationen über Absender und Empfänger von Krypto-Transaktionen einholen und weiterleiten. Damit schafft das neue AMLR-Regime

Pekler/Rirsch/Tomanek, Kapitalmarktrechtliche Hindernisse für den Handel von Security Token, ZFR 2020/73; Rirsch/Dämon/Tomanek, PRIIP-VO – Der vergessene Anwendungsbereich – Veranlagungen nach KMG und Crypto-Assets, ÖBA 2020, 37. ralph.rirsch@fma.gv.at lesen.lexisnexis.at/autor/Rirsch/Ralph Dr. Stefan Tomanek, MBA ist Jurist in der Abteilung Behördliche Aufsicht Asset Management, Prospekte und Verbraucherinformation der österr Finanzmarktaufsicht. Er ist zuständig für die behördliche Aufsicht in den Bereichen AIFMG, InvFG 2011, ImmoInvFG, BMSVG und Benchmark-VO. In diesem Zusammenhang ist er inhaltlich auf Innovationen im Asset-Management, insb auf Crypto-Assets und damit verbundene Geschäftsmodelle, spezialisiert. Er vertritt die FMA bei ESMA im Rahmen des Financial Innovation Standing Committee und ist zu seinen Aufsichtsgebieten als Fachvortragender tätig. stefan.tomanek@fma.gv.at lesen.lexisnexis.at/autor/Tomanek/Stefan

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eine begrüßenswerte Angleichung zwischen dem traditionellen Finanzsystem und dem Kryptospace, ohne dessen Grundideen der gleichberechtigten Interaktion und Pseudonymität vollständig auszuhebeln.

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JUDIKATUR IM FOKUS Rainer Wolfbauer • Wien

Ausgewählte Fragen zur Registrierung von Dienstleistern in Bezug auf virtuelle Währungen » ZFR 2021/237

In einem jüngst ergangenen Erk hatte sich das BVwG1 erstmals mit einer durch die FMA versagten Registrierung eines Dienstleisters für virtuelle Dienstleistungen gem § 32a FM-GwG zu befassen. Aus der E können allgemeine Rückschlüsse nur mit einiger Zurückhaltung gezogen werden, da sie wesentliche Fragen offenlässt und wichtige dogmatische Überlegungen ausklammert. Eine endgültige Aussage über die hier angesprochenen Themen ist auch deshalb nicht möglich, weil die Bf gegen das Erk des BVwG keine Rev erhoben hat und hg Rsp daher jedenfalls aus dieser Causa nicht generiert werden wird. Umso mehr ergibt es Sinn, über die Argumente des BVwG hinausführende Überlegungen anzustellen.

1.

Dienstleistungserbringung versus Eigentätigkeit

Das BVwG verneint die persönliche Zuverlässigkeit2 des Geschäftsleiters der Registrierungswerberin mit der Begründung, die registrierungswerbende Kapitalgesellschaft habe – noch vor aktiver Einräumung einer Registrierung durch die FMA – unter der Verantwortung des Geschäftsleiters (rechtswidrig) „den An- und Verkauf von virtuellen Währungen (Kryptowährungen) in größerem Ausmaß (4–6 Mio €) betrieben“. Das BVwG stützt sich dabei auf seine im Wesentlichen gleichlautende Feststellung auf Tatsachenebene.3 Dies sei seit dem Inkrafttreten des § 32a FM-GwG4 ohne vorheriges Einräumen einer Registrierung durch die FMA illegal gewesen. Losgelöst von der sogleich näher zu betrachtenden Frage, ob eine Re-

gistrierung konstitutiv oder deklaratorisch wirkt,5 fehlt in dieser Begründungskette des Gerichts jedoch ein wesentliches Glied: Wie nicht nur aus der Benennung als „Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen“ gem § 2 Z 22 FM-GwG, sondern auch aus dem Einleitungssatz dieser Bestimmung hervorgeht, stellt das Gesetz ausschließlich „Dienstleistungen“ unter die Registrierungspflicht, sohin Tätigkeiten für Rechnung bzw im Auftrag eines Dritten, nämlich „im Dienste“ eines Kunden. Das FM-GwG unterscheidet sich in diesem Punkt substanziell bspw von § 1 Abs 1 Z 7 BWG, der (auch) den Handel „auf eigene Rechnung“, somit neben der indirekten Stellvertretung des Kunden auch den Eigenhandel, unter Konzessionspflicht stellt.6 Die Einbeziehung des bloßen Eigenhandels in die Registrierungspflicht für Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen ist indessen auch vom europäischen Gesetzgeber nicht intendiert, spricht doch auch Art 47 Abs 1 5. GW-RL7 von der Notwendigkeit einer Regulierung von „Dienstleistungsanbietern“.8 Weder der 5. GW-RL noch dem diese umsetzenden § 32a FM-GwG9 kann unterstellt werden, dass sie die von unzähligen natürlichen und juristischen Personen in Erwerbsabsicht betriebene (Eigen-)Spekulation mit virtuellen Währungen unter behördliche Aufsicht stellen wollten. Die Subsumtion von Eigenveranlagungen eines Rechtsträgers unter den Begriff des „Anbietens von Dienstleistungen“ würde den maximal denkmöglichen Wortsinn überschreiten. Die gegenständl E lässt jedoch sowohl auf Ebene der Tatsachenfeststellungen als auch auf jener der rechtlichen Begründung gänzlich offen, ob die hier bf Gesellschaft den Handel mit Kryptowährungen tatsächlich auf eigene oder fremde Rechnung betrieben hat.10 Belastbare Rückschlüsse, ob die 5 6

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BVwG 29. 6. 2021, W148 2235101-1/19E ZFR 2021/238, 549 (unten in diesem Heft). Zur Frage der persönlichen Zuverlässigkeit von Geschäftsleitern eines Dienstleisters in Bezug auf virtuelle Dienstleistungen s Farahmandnia, Die persönliche Zuverlässigkeit von Geschäftsleitern eines Krypto-Unternehmens, RdW 2021, 332. Bemerkenswert ist, dass die FMA als belangte Behörde eine solche Feststellung offenbar noch nicht getroffen hatte. Gem § 43 Abs 4 FM-GwG am 10. 1. 2020.

S unten Pkt 2. Vgl nur Waldherr/Ressnik/Schneckenleitner in Dellinger (Hrsg), BWG § 1 Rz 63a. 7 RL (EU) 2018/843. 8 Vgl im Ergebnis identisch auch ErwGr 8 und 9 5. GW-RL. 9 Vgl AB 644 BlgNR 26. GP 50 f. 10 Offen bleibt im Übrigen auch, ob der Registrierungswerber damit den Tausch von Kryptowährung gegen Fiatgeld oder von unterschiedlichen Kryptowährungen gegeneinander betrieben hat; vor dem Hintergrund, dass beide Dienstleistungen registrierungspflichtig sind (vgl § 2 Z 22 lit b und c FM-GwG), mag dieser Umstand jedoch im Ergebnis dahinstehen.

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ZFR 11/2021 JUDIKATUR IM FOKUS

bf Kapitalgesellschaft iSd § 32a FM-GwG unerlaubte Tätigkeiten ausgeübt hat und deren Geschäftsleiter daher als „zuverlässig“ anzusehen ist oder nicht, können daher bei genauer Betrachtung der Angelegenheit nicht gezogen werden. Auch hieße es wohl, die Tragweite der gegenständl E zu überspannen, wollte man ihr unterstellen, das BVwG unterstelle auch den Eigenhandel mit Kryptowährungen der Registrierungspflicht.

2.

Rechtswirkungen der Registrierung: deklaratorisch versus konstitutiv

Erhebliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus weist die in der E nur sehr lapidar angesprochene Rechtsfrage auf, ob die Registrierung des Dienstleisters durch die FMA (ex nunc) konstitutiv wirkt oder lediglich deklaratorischen Charakter aufweist. Mit anderen Worten: Ob der Registrierungswerber Dienstleistungen in Bezug auf virtuelle Währungen bereits ab Eingabe der Registrierung erbringen darf oder ob er hierfür den behördlichen Registrierungsakt der FMA abzuwarten hat. Das BVwG entscheidet sich – entgegen Stimmen in der Lit11 – mit einem wenig überzeugenden Argument für eine konstitutive Eigenschaft der Registrierung: Allein aus § 32a Abs 2 FM-GWG, dem zufolge die FMA unter bestimmten Voraussetzungen die Registrierung nicht vornehmen darf, kann nämlich, anders als das BVwG vermeint, ein verlässlicher Schluss weder in die eine noch in die andere Richtung gezogen werden, wenn man gleichzeitig den Wortlaut des § 32a Abs 1 FMGwG berücksichtigt: Letzterem zufolge hat der Dienstleister, der die näher definierten Tätigkeiten erbringen möchte, lediglich den Antrag auf Registrierung zu stellen. Dies könnte darauf hindeuten, dass bereits mit der Antragstellung eine – gleichsam auflösend bedingte – Berechtigung zur Dienstleistungserbringung besteht, die mit einer Maßnahme der FMA nach § 32a Abs 2 FM-GwG (Verweigerung der Registrierung) sodann wieder erlischt. Die Formulierung wie auch die Konstruktion des § 32a FM-GwG unterscheiden sich damit substanziell von analogen „Konzessionsbestimmungen“ in parallelen aufsichtsrechtlichen Regimes, die idR ausdrücklich festschreiben, dass das Erbringen von jeweils näher bestimmten Dienstleistungen der (naturgemäß vorherigen) Erteilung einer Konzession durch die FMA bedarf.12 Daraus könnte prima vista geschlossen werden, dass im Bereich der Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen diametral Entgegengesetztes gelten soll.13 Dennoch sprechen mE zwingende Gründe dafür, dass die hier diskutierte Frage lediglich einer legistischen Unschärfe des Gesetzgebers zuzuschreiben ist und im Ergebnis ein Tä-

11 Vgl Völkel/Farahmandnia, Registrierungspflicht von Dienstleistern in Bezug auf virtuelle Währungen, ecolex 2021, 73 (73 f). 12 Vgl etwa § 4 Abs 1 BWG, § 3 Abs 2 WAG 2018, § 4 Abs 1 WAG 2018, § 7 Abs 1 ZaDiG 2018, § 4 Abs 1 E-GeldG, § 5 Abs 1 InvFG 2011. 13 So auch Völkel/Farahmandnia, ecolex 2021, 73.

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tigwerden des Dienstleisters doch der vorherigen behördlichen Effektuierung des Registrierung bedarf: Anders als es der Wortlaut des § 32a FM-GwG indiziert, wollte der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung nämlich ein Level Playing Field hinsichtlich der Konzessionierung und Registrierung in anderen finanzmarktrechtlichen Aufsichtsgesetzen schaffen.14 Ungeachtet aller Unterschiede zum Wortlaut anderer Konzessionstatbestände intendierte der historische Gesetzgeber somit vergleichbare Rechtswirkungen, was klar für einen vorherigen Behördenakt als unabdingbare Voraussetzung für das Erbringen von Dienstleistungen in Bezug auf virtuelle Währungen spricht. Bestätigung erfährt dieser Rückschluss auch durch eine systematische Auslegung in Zusammenschau mit § 32b FM-GwG betreffend den „unerlaubten Geschäftsbetrieb“: Demnach hat die FMA jede Tätigkeit von Dienstleistern gem § 2 Z 22 FM-GwG ohne Registrierung gem § 32a Abs 1 FM-GwG zu untersagen. Diese Bestimmung unterscheidet nicht, ob eine Registrierung aufgrund einer aktiven E der FMA aus den in § 32a Abs 2 FM-GwG genannten Gründen nicht vorgenommen (respektive verweigert) wurde oder ob ein entsprechendes Prüfverfahren der Aufsichtsbehörde noch anhängig ist. Einen gegenteiligen Schluss lassen auch die Mat nicht zu.15 Auch das in § 32a Abs 2 FM-GwG zutage tretende Konzept, dem zufolge die FMA eine näher umschriebene Prüfung jener Person vorzunehmen hat, die beabsichtigt, als Dienstleister gem § 2 Z 22 FM-GwG tätig zu werden, spricht für die hier vertretene Lösung: Indem das Gesetz auf die bloße Tätigkeitsabsicht und nicht auf das Bereits-Tätigsein während des Prüfverfahrens abstellt, geht es implizit davon aus, dass in diesem Stadium Dienstleistungen noch nicht erbracht werden (dürfen). Letztlich spricht auch die vom Gesetzgeber iS eines positiven wie auch negativen Publizitätsprinzips intendierte öffentliche Überprüfbarkeit der Registrierung gegen einen „Schwebezustand“ in der Phase zwischen dem Anbringen des Registrierungsgesuchs und der behördlichen E über die Registrierung: § 32a Abs 3 FM-GwG verpflichtet die FMA zur Publikation der (erfolgten) Registrierung auf ihrer Website. Damit sollen ausweislich der Mat16 potenzielle Kunden und andere Verpflichtete leicht überprüfen können, ob ein Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen von der FMA für die Zwecke der Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung beaufsichtigt wird. Ein regulatorischer Limbus, in dem zwischen der Einreichung einer Registrierung und der E über eine solche die Berechtigung zur Dienstleistungserbringung zwar provisorisch besteht, aber diese Berechtigung (noch) nicht aus dem öffentlichen Register der FMA ersichtlich ist, widerspräche der klaren Absicht des Gesetzgebers. Dieser wollte vielmehr eine umfangreiche Transparenz und Informations14 So ausdrücklich die Mat zu dieser Bestimmung: AB 644 BlgNR 26. GP 51. 15 AB 644 BlgNR 26. GP 51. 16 AB 644 BlgNR 26. GP 51.

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sicherheit zugunsten der Bereichsöffentlichkeit schaffen. Ein Recht zum Tätigwerden ohne Registereintrag widerspräche diesem Normzweck. Aus dem unionsrechtlichen Hintergrund der bewussten Abkehr von einem wahlweisen „Zulassungsmodell“ oder „Eintragungsmodell“17 zugunsten eines ausschließlichen „Eintragungsmodells“ lässt sich indessen für die hier interessierende Frage kein zwingender Schluss in die eine oder andere Richtung ableiten:18 Zwar setzt § 32a Abs 1 FM-GwG die in Art 47 Abs 1 5. GW-RL zwingend vorgegebene Registrierungspflicht von Dienstleistern in Bezug auf virtuelle Währungen um,19 jedoch wird allein damit nichts über die Frage ausgesagt, ob der registrierungswerbende Dienstleistungsanbieter bereits vor seiner Eintragung iSd Art 47 Abs 1 5. GW-RL tätig werden darf. Die unionsrechtliche E zugunsten eines Eintragungsmodells adressiert vielmehr lediglich die Form des Berechtigungsaktes.20 Letztlich sei angemerkt, dass den einschlägigen unionsrechtlichen und innerstaatlichen Gesetzesgrundlagen, die deutlich erkennbar das Ziel erhöhter Anforderungen an die einschlägige Tätigkeitsausübung verfolgen,21 kaum der Inhalt der Duldung eines aufsichtsrechtlichen Vakuums unterstellt werden kann.

3.

Rechtsform der (Nicht-)Registrierung eines Dienstleisters in Bezug auf virtuelle Währungen

Die gegenständliche E klammert – mangels Relevanz im Verfahren – ausdrücklich die Frage aus, in welcher Form die Behörde ein Anbringen (§ 13 AVG) auf Registrierung positiv zu erledigen hat: Ob eine dem Anbringen entsprechende E förmlich mittels Bescheid, formlos mit schlichtem Informationsschreiben der FMA (als Erledigung iSd § 18 AVG) oder gar lediglich durch faktische Eintragung in ein bei der FMA geführtes Register erfolgen müsse, sohin durch ein schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln, konnte in dieser Rechtsangelegenheit dahingestellt bleiben. Im zugrunde liegenden Verfahren hatte die FMA den Registrierungsantrag jedenfalls bescheidmäßig abgewiesen, weshalb der Beschwerdeweg zum BVwG überhaupt erst eröffnet wurde (Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG). Nicht zuletzt im Lichte des rechtsstaatlichen Bauprinzips der österr Bundesverfassung, dem zufolge die Rechtsordnung dem Einzelnen ein adäquates Instrumentarium zur Verfügung stellen muss, wenn durch eine behördliche Entscheidung in seine grundrechtlich (hier: der Eigentums- und

17 S noch Art 1 Abs 16 des Vorschlags vom 5. 7. 2016 für eine RL des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der 4. GW-RL, COM (2016) 450 final. 18 AA Völkel/Farahmandnia, ecolex 2021, 73 f. 19 AB 644 BlgNR 26. GP 50. 20 Hierzu sogleich Pkt 3. 21 AB 644 BlgNR 26. GP 3, 50.

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JUDIKATUR IM FOKUS Erwerbsfreiheit) geschützten Positionen eingegriffen wird,22 ist dieser Weg jedenfalls in seiner Grundtendenz korrekt. Dennoch erscheint diskussionswürdig, ob für die abschlägige Erledigung eines Anbringens nach § 32a FM-GwG nicht vielmehr ein Feststellungsbescheid mit dem Spruchinhalt, dass die Registrierungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, konsistenter ist. Richtlinien- und Gesetzgeber haben ja in den zugrunde liegenden Rechtsvorschriften eine bewusste Abkehr von einer Konzessions- hin zu einer Registrierungspflicht vollzogen,23 der zufolge sich die Berechtigung zur Erbringung von Dienstleistungen nicht an die Zustellung eines rechtsgestaltenden Konzessionsbescheids, sondern an die Eintragung in ein (aufgrund § 32a Abs 4 FM-GwG sogar öffentlich einsehbares) bei der FMA geführtes Register knüpft. Die Zustellung eines Feststellungsbescheids würde in diesem Zusammenhang lediglich die – im Idealfall natürlich zeitgleich erfolgende – formelle Verfahrenserledigung nach innerstaatlichem Recht samt sich daran anknüpfender Rechtsschutzmöglichkeit abbilden, während die materielle Berechtigung zur Dienstleistungserbringung nach unionsrechtlichem Typus lediglich die Registereintragung erfordert. Unstrittig sollte sein, dass sich an jedes Anbringen nach § 32a Abs 1 FM-GwG die Parteistellung (§ 8 AVG) des Registrierungswerbers mit den sich daran knüpfenden Rechtsfolgen24 knüpft:25 Das konkrete rechtliche Interesse einer Person, die beabsichtigt, einer bestimmten Tätigkeit nachzugehen, und deren rechtmäßiges Tätigwerden – so wie hier – nach den zugrunde liegenden Verwaltungsvorschriften von der inhaltlichen E einer Verwaltungsbehörde abhängt, ist evident. Das Interesse des Registrierungswerbers am Ausgang des Registrierungsverfahrens geht insoweit über das nur wirtschaftliche eines bloß „Betroffenen“ hinaus, da das Schicksal seines Rechtsstatus als Dienstleister von der Tätigkeit der Behörde und in weiterer Folge vom Verfahrensergebnis abhängt. Die Parteistellung des Registrierungswerbers hängt dabei auch nicht davon ab, ob dem Anbringen letztlich entsprochen wird oder nicht, zumal sich der Ausgang des Verfahrens denklogisch erst nach dessen Durchführung herauskristallisiert. Allein aus dem Umstand, dass jedem Registrierungswerber Parteistellung iSd § 8 AVG zukommt, folgt aber nicht gleich zwingend, dass jede Finalisierung der „Verwaltungssache“ gegenüber der Partei in Bescheidform zu erfolgen hat, hat doch die

22 Vgl in diesem Zusammenhang insb VfSlg 18.747 und den mit dem Erk aufgehobenen § 4 Abs 7 BWG. Der VfGH erachtete in diesem Erk ein bloß faktisches Handeln der FMA für verfassungswidrig, mit dem eine „Warnmeldung“ ausgesprochen wurde, ohne dass dem Betroffenen ein rechtsstaatlicher Behelf zur Verfügung stand, sich gegen eine derartige Veröffentlichung zur Wehr zu setzen. 23 S oben FN 17. 24 Dies zieht insb die Beteiligung am behördlichen Ermittlungsverfahren und den damit verbundenen Anspruch auf rechtliches Gehör nach sich: vgl § 37 AVG. 25 Dementsprechend sehen auch die Mat zu § 32a FM-GwG vor, dass die FMA nach Antragstellung zusätzliche Unterlagen anfordern und entsprechende Ergänzungen vorschreiben kann: AB 644 BlgNR 26. GP 51.

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ZFR 11/2021 JUDIKATUR IM FOKUS

Erledigung der „Sache“ gem § 18 Abs 1 AVG möglichst zweckmäßig, rasch, einfach und kostensparend zu erfolgen. Dementsprechend finden Verwaltungsverfahren häufig auch dadurch ihren rechtskonformen Abschluss, dass dem beantragten Behördenakt faktisch vollinhaltlich entsprochen wird, ohne dass ein förmlicher Bescheid erlassen wird.26 Im gegenständlichen Fall wäre dieser faktische Akt eben die Registereintragung. Dabei ist es stets eine Frage der umfassenden Auslegung der materiellen Rechtsvorschriften, wie die Behörde vorzugehen hat. § 32a FM-GwG selbst bietet hierfür nur geringe Anhaltspunkte, zumal er ausschließlich den „negativen“ Fall des Nichtvorliegens der Registrierungsvoraussetzungen ausdrücklich abbildet (Abs 2 leg cit), den „positiven“ Fall aber lediglich über den entsprechenden Umkehrschluss. Dennoch sprechen allgemeine Rechtsschutzinteressen des Registrierungswerbers für eine Pflicht zur Bescheiderlassung in allen Eventualitäten: So kann im Einzelnen etwa strittig sein, welche der zahlreichen Dienstleistungen des § 2 Z 22 FM-GwG von der Berechtigung erfasst ist. Erst ein Feststellungsbescheid der FMA würde dem Registrierungswerber die Möglichkeit einräumen, sich gegen einen entsprechenden Dissens zwischen Anbringen und Registereintrag zur Wehr zu setzen. Darüber hinaus knüpft die längstens sechsmonatige Erledigungsfrist nach § 73 Abs 1 AVG stets an die Pflicht der Behörde an, einen Bescheid zu erlassen.27 Gegen eine bloß faktische Handlungspflicht der FMA bestünde daher im Instanzenzug kein verwaltungsrechtlicher Säumnisschutz – die Pflicht der FMA zum Erlassen eines Feststellungsbescheids ist daher wohl auch bei positivem Ausgang des Verfahrens unerlässlich. Eine bloße Eintragung in das Register ist nach hier vertretener Auffassung auch bei positivem Verfahrensausgang nicht ausreichend.

4.

„Entzug“ der Registrierung?

Bei Analyse des § 32a FM-GwG fällt auf, dass diese Rechtsvorschrift keinen Mechanismus vorsieht, wie die Behörde bei einem nachträglichen Wegfall der ursprünglich positiv festgestellten Registrierungsvoraussetzungen vorzugehen hat. Denkbar wäre hier etwa ein Entfall der persönlichen Zuverlässigkeit eines bestehenden Geschäftsleiters oder der Austausch eines zuverlässigen Geschäftsleiters durch einen unzuverlässigen (vgl § 32a Abs 2 FM-GwG). Insb sieht das Gesetz nicht vor, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Löschung bzw ein Widerruf der Registrierung zu erfolgen hat.28 Der Gesetzgeber scheint an solche Konstellationen nicht gedacht zu haben.

26 Vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019) Rz 375, die in diesem Zusammenhang die Ausstellung eines Reisepasses oder Führerscheins anführen. 27 Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 Rz 917. 28 Vgl hingegen etwa die ausführlichen Bestimmungen zur Rücknahme bzw zum Entzug einer Konzession nach § 6 BWG, § 6 WAG 2018, § 7 InvFG 2011 etc.

ART.-NR.: 237

Vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen29 sowie des innerstaatlichen30 Regelungszweckes, Dienstleistungsanbieter in Bezug auf virtuelle Währungen einer laufenden Überwachung bzw Beaufsichtigung zu unterstellen, und in Zusammenschau mit der Anzeigepflicht nach § 32a FM-GwG liegt dennoch die Befugnis der FMA zur Vornahme eines contrarius actus nahe: Insb die Pflicht der Dienstleister, Änderungen in den Registrierungsvoraussetzungen an die FMA zu melden, wäre unverhältnismäßig, wenn nicht sogar sinnentleert, wenn sich daran nicht entsprechende regulatorische Befugnisse der FMA knüpfen würden. Das gesetzliche Konzept geht zudem vor dem Hintergrund des Kunden- bzw Anlegerschutzes offenkundig davon aus, dass sich ausschließlich Dienstleistungsanbieter, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen und daher „zuverlässig“ sind, im Register wiederfinden sollen. Stellt daher die FMA nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens unter Wahrung der Parteienrechte des Betroffenen fest, dass die Registrierungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen, hätte dementsprechend ein Feststellungsbescheid über den Wegfall der jeweiligen Registrierungsvoraussetzung zu ergehen, auf dessen Grundlage die FMA sodann die Löschung aus dem Register vorzunehmen hätte. Insoweit schließt sich also der Kreis, an dessen Beginn nach hier vertretener Auffassung die nach Antragstellung ebenfalls bescheidmäßig erfolgende Feststellung der Behörde steht, dass die Registrierungsbedingungen nach § 32a FM-GwG vorliegen. Von einem „Entzug“ der Berechtigung kann vor diesem Hintergrund jedoch nicht gesprochen werden, basiert doch die Dienstleistungserbringung auf keiner (rechtsgestaltenden) Konzessionierung des Dienstleisters. Hiervon zu trennen ist freilich die ausdrücklich positivierte Befugnis der FMA nach § 31 Abs 3 Z 3 FM-GwG, die Registrierung im Falle von schwerwiegenden, wiederholten oder systematischen Pflichtverletzungen des Dienstleisters iSd § 34 Abs 2 und 3 FM-GwG – auch hier: nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens unter Wahrung aller Parteienrechte – zu widerrufen.31 Letztere setzt qualifizierte und schuldhaft begangene Verwaltungsübertretungen voraus, während der Wegfall der Registrierungsvoraussetzungen auf rein objektiven Tatsachen beruht. Dennoch zeigt diese Befugnis der FMA jene Schieflage auf, die entstünde, wenn die Behörde die Registrierung zwar bei Verletzung der Ausübungsbedingungen widerrufen könnte, nicht jedoch bei bloßem Wegfall der initialen Zugangsbedingungen. Auch zum Zweck der Vermeidung eines solchen 29 Vgl ErwGr 8 5. GW-RL. 30 AB 644 BlgNR 26. GP 3. 31 Zuletzt hat die FMA per Bescheid vom 10. 11. 2021 die Registrierung der ATIRA GmbH als Dienstleister gem § 32a Abs 1 FM-GwG widerrufen, da das Unternehmen keine hinreichenden und angemessenen Maßnahmen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten zur Prävention der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung implementiert und zahlreiche, schwerwiegende Verstöße bzw Pflichtverletzungen gegen das FM-GwG begangen hatte: Siehe https://www.fma.gv.at/fma-widerruft-registrierunggemaess-finanzmarkt-geldwaeschegesetz-der-atira-gmbh/ (abgerufen am 12. 11. 2021).

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ZFR 11/2021 JUDIKATUR IM FOKUS

ART.-NR.: 238

5.

Abschließende Bewertung

Die Zulassung und Regulierung von Dienstleistern in Bezug auf virtuelle Währungen unterscheidet sich in einigen Aspekten grundlegend von jener anderer Finanzmarktteilnehmer. Auch wenn der Gesetzgeber bei manchen seiner Überlegungen auf

32 Das aufsichtsrechtliche Spektrum der FMA erfährt im Übrigen seine Abrundung durch den um Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen erweiterten persönlichen Anwendungsbereich der Aufsichtsmaßnahmen gem § 31 Abs 1 FM-GwG: Da solche Unternehmen gem § 1 Abs 1 FM-GwG als „Verpflichtete“ gelten, erstreckt sich auch die Anordnungsbefugnis gem § 31 Abs 1 FM-GwG auf diese.

Abweisung eines Antrags auf Registrierung als Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen » ZFR 2021/238

halbem Weg stehen geblieben ist, bietet das juristische Handwerkszeug ausreichende Mittel, um essenzielle regulatorische Bedürfnisse zu erfüllen.

Der Autor: Mag. Rainer Wolfbauer ist als Leiter Recht, AML und Compliance bei der SIGMA Investment AG tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen seit vielen Jahren ua in den Bereichen Bankrecht, Compliance und Revision. Im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit übte er bei mehreren Banken und Finanzdienstleistern beratend die Funktion eines Compliance-Verantwortlichen aus. Bis 2001 leitete er die Rechts- und Verfahrensabteilung der Bundeswertpapieraufsicht (BWA, Vorgängerbehörde der FMA). Zahlreiche Publikationen im Kapitalmarktbereich mit Schwerpunkt öffentliches Aufsichtsrecht, seit 2014 ständiger Mitarbeiter, seit 2017 Mitherausgeber der ZFR. lesen.lexisnexis.at/autor/Wolfbauer/Rainer

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Wertungswiderspruchs ist eine Pflicht des Regulators zum Tätigwerden bei nachträglichen Änderungen der Registrierungsvoraussetzungen geradezu zwingend, und zwar ungeachtet des Mangels an einer verbalisierten Rechtsgrundlage.32

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stand, und steht daher fest, dass mangels Registrierung der An- und Verkauf von virtuellen Währungen nicht hätte durchgeführt werden dürfen, so begründet allein das Betreiben des registrierungspflichtigen Geschäfts über einen längeren Zeitraum (von mehr als fünf Monaten) und in nennenswertem Umfang (4–6 Mio €) die mangelnde Zuverlässigkeit des Geschäftsleiters.

FM-GwG: § 2 Z 22, § 32a BVwG 29. 6. 2021, W148 2235101-1/19E

Leitsätze (der Behörde) 1. Gem § 32a Abs 2 FM-GWG hat die FMA eine Registrierung eines Dienstleisters in Bezug auf virtuelle Währungen unter bestimmten Voraussetzungen nicht vorzunehmen, woraus sich ergibt, dass mit der Registrierung eine Art Konzessionserteilung bzw Bewilligung verbunden ist. Die Registrierung durch die FMA ist ein konstitutiver Rechtsakt, der erst ab Registrierung (ex nunc) zum Betrieb des beantragten Geschäftes berechtigt. Bis dahin dürfen keine registrierungspflichtigen Geschäfte betrieben werden. 2. Bei der Beurteilung der „Zweifel an der persönl Zuverlässigkeit“ des Geschäftsleiters iSd § 32a Abs 2 FM-GwG ist von der Rsp des VwGH in Bezug auf das BWG und verwandte Bereiche auszugehen, die darunter eine bestimmte „Geisteshaltung und Sinnesart“ verstehen. 3. Ergibt das Ermittlungsverfahren, dass die Registrierungswerberin durch ihren Geschäftsleiter bis 20. 5. 2020 den An- und Verkauf von virtuellen Währungen in größerem Ausmaß (4–6 Mio €) betrieben hat, obwohl ihrem Antrag auf Registrierung noch nicht entsprochen worden war und zumindest ab Inkrafttreten des FMGwG (10. 1. 2020) eine gesetzl Registrierungspflicht be-

Die Bf stellte am 5. 11. 2019 an die FMA den Antrag auf Registrierung als Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen gem § 2 Z 22 iVm § 32a Abs 1 FM-GwG, den die FMA abwies, weil ihr Geschäftsleiter („Gf“) nicht über die persönl Zuverlässigkeit verfüge. Der Gf weise keine bank- oder betriebswirtschaftl Ausbildung auf. Er beschäftige sich seit längerer Zeit mit Kryptowährungen (virtuellen Währungen); die übrigen Gesellschafter hätten keine Erfahrungen mit Bankgeschäften im Allgemeinen und auch keine Erfahrungen in Bezug auf den Handel mit Kryptowährungen. Die Bf war zu keinem Zeitpunkt registrierter Dienstleister nach dem FM-GwG und besaß eine Gewerbeberechtigung für das Pfandleihgewerbe nach der GewO. Bis zumindest 20. 5. 2020 erzielte sie mit dem „An- und Verkauf von Kryptowährungen“ einen Umsatz von insg 4–6 Mio €.

Aus den Entscheidungsgründen (...) Betrieb des An- und Verkaufs von Kryptowährungen (virtuellen Währungen) ohne vorherige Registrierung Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Bf im Zeitraum bis 20. 5. 2020 das Geschäft des An- und Verkaufs von Kryptowährungen bzw virtuellen Währungen (nach § 2 Z 22 FM-GwG) in signifikantem Ausmaß betrieben hat, ohne vorher der gesetzl Registrierungspflicht für dieses Geschäft als Dienstleister (§ 32a zfr.lexisnexis.at

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Abs 1 FM-GwG) entsprochen zu haben. Vor dem 10. 1. 2020 bestand dafür keine derartige Pflicht, weshalb die davor durchgeführten Geschäfte für die Zwecke dieses Verfahrens unbeachtlich sind. Dem Argument des Gf der Bf bzw des Rechtsvertreters der Bf (...), dass die Registrierungspflicht bedeute, dass jemand, der das Geschäft nach § 2 Z 22 FM-GwG betreiben wolle, lediglich einen Antrag bei der FMA zu stellen habe, ist zu entgegnen, dass sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der einschlägigen Bestimmungen des FM-GwG anderes ergibt. Aus § 32a Abs 2 FM-GWG ergibt sich nämlich, dass unter bestimmten Voraussetzungen „die FMA die Registrierung nicht vorzunehmen“ hat. Daraus ergibt sich wiederum, dass mit der Registrierung eine Art Konzessionserteilung bzw Bewilligung verbunden ist, wie sie auch für andere Geschäfte, etwa nach dem BWG, gegeben ist. Von einer bloßen „Meldeverpflichtung“, wie die Bf offensichtlich meint, kann nicht die Rede sein. Die Registrierung durch die FMA ist ein konstitutiver (rechtsbegründender) Rechtsakt, der erst ab Registrierung (ex nunc) zum Betrieb des beantragten Geschäftes berechtigt. Dh aber umgekehrt, dass bis dahin keine registrierungspflichtigen Geschäfte der beschriebenen Art betrieben werden dürfen. Weiters unterliegt der Betrieb der Dienstleistung ohne die erforderl Registrierung nach § 34 Abs 4 einer Verwaltungsstrafe. In diesem Zusammenhang ist auf § 32a Abs 4 FM-GwG zu verweisen, der eine Veröffentlichung aller registrierter Dienstleister (auf der Website der FMA) vorsieht. Auch daraus kann der Schluss gezogen werden, dass erst nach Abschluss eines Überprüfungsverfahrens eine erfolgreiche Registrierung und damit die Erlaubnis zum Betrieb vorliegt. Die Bf hat ab dem Zeitpunkt der gesetzl Registrierungspflicht (10. 1. 2020) den An- und Verkauf von virtuellen Währungen ohne entsprechende Registrierung bei der FMA betrieben. Zweifel an der persönl Zuverlässigkeit des Geschäftsleiters (Geschäftsführers) der Bf Ausgehend von den ErwGr (8 und 9) der 5. GW-RL (RL [EU] 2018/843 vom 30. 5. 2018, die durch das FM-GwG umgesetzt wurde) ist festzuhalten, dass Dienstleistungsanbieter für den Tausch zwischen virtuellen Währungen und Fiatgeld aufgrund des potenziellen Missbrauchs für kriminelle Zwecke (GWTF) einer verpflichtenden behördl „Überwachung“ (vgl ErwGr 8 letzter Satz) unterworfen worden sind (vgl auch die EB der Mat, 644 Blg 25. GP 44). Schon allein daraus ergibt sich der hohe Schutzzweck des § 32a FM-GwG im Hinblick auf die großen Risiken und Gefahren für das Finanzsystem. Weiters ist fallbezogen festzuhalten, dass der Gf (Geschäftsleiter) aufgrund seiner Beteiligung (iHv 40 %) an der Bf eine qualifizierte Beteiligung iSd § 32a Abs 1 Z 5 FM-GwG gehalten hat (vgl den Verweis auf Art 4 Abs 1 Z 36 CRR, wonach eine „qualifizierte Beteiligung“ ab dem Halten von 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte gegeben ist). Es ist daher zu begründen, warum der angefochtene Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) zu Recht vom „Zweifel an der persönl Zuverlässigkeit“ iSd § 32a Abs 2 FMGwG ausgegangen ist.

ART.-NR.: 238

Das BVwG geht mit dem angefochtenen Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) bei der Auslegung des Begriffes der persönl Zuverlässigkeit des Geschäftsleiters von der Rsp des VwGH aus, die darunter eine bestimmte „Geisteshaltung und Sinnesart“ versteht (VwGH 23. 4. 2009, 2008/17/0207, sowie Brandl/ Kalss, Die „erforderlichen Eigenschaften“ von Geschäftsleitern eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, ÖBA 2000, 943). Dabei ist der VwGH zwar zunächst von der GewO ausgegangen, hat dann jedoch die entwickelte Rsp auf das BWG und verwandte Bereiche (WAG udgl) ausgedehnt. Die Rsp bzw der anzulegende Maßstab kann daher auch auf die hier einschlägige Bestimmung des FM-GwG angewendet werden. Es wurde einleitend schon ausgeführt, dass dem FM-GwG wegen des hohen Risikos (GWTF) ein hoher Schutzzweck zukommt und durchaus ein ähnlich strenger Maßstab wie für die Geschäftsleiter einer Bank oder eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens angelegt werden kann. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdevorentscheidung zutreffend auch auf die „Integrität“ des Geschäftsleiters abgestellt. Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Bf durch ihren Geschäftsleiter bis 20. 5. 2020 den An- und Verkauf von virtuellen Währungen (Kryptowährungen) in größerem Ausmaß (4–6 Mio €) betrieben hat, obwohl ihrem Antrag auf Registrierung noch nicht entsprochen worden war und zumindest ab Inkrafttreten des FM-GwG (10. 1. 2020) eine gesetzl Registrierungspflicht bestand. Wenn die Bf (und ihr Gf) meint, dass mit dieser Registrierungspflicht ein bloßes „Anmelden“, also ein Absenden eines Antrages, zu verstehen ist, dann irrt sie. Spätestens mit dem Auftrag zur Verbesserung ihres Antrages vom 5. 11. 2019 hätte die Bf erkennen müssen, dass mit der Registrierung ein Überprüfungsverfahren verbunden ist, in dem die Antragstellerin nicht nur bestimmte Angaben zu machen und Urkunden vorzulegen hat, sondern auch in einem Verwaltungsverfahren ihre Zuverlässigkeit geprüft wird. Erst mit erfolgreichem Abschluss dieses Überprüfungsverfahrens kann von einer Registrierung gesprochen werden. Ob diese mittels förml Bescheid oder formlos mit schlichtem Informationsschreiben der FMA erfolgt, kann dahingestellt bleiben. Fest steht, dass keine Registrierung durch die Aufsichtsbehörde (FMA) erfolgt ist und deshalb mangels Registrierung der An- und Verkauf von virtuellen Währungen nicht hätte durchgeführt werden dürfen (zumindest ab 10. 1. 2020). Das Betreiben dieses registrierungspflichtigen Geschäftes allein, nämlich über einen längeren Zeitraum (von mehr als fünf Monaten) und in nennenswertem Umfang (4–6 Mio €), begründet die mangelnde Zuverlässigkeit des Geschäftsleiters der Bf. Insofern liegt nämlich der verbotene Betrieb eines Geschäftes nach dem FM-GwG vor (vgl § 34 Abs 4 FM-GwG) und der Gf hat eine Pflichtverletzung begangen. Im Hinblick auf die Verwaltungsstrafnorm des § 34 Abs 4 FM-GwG ist noch hervorzuheben, dass schon allein das bloße Anbieten verboten und strafbewehrt ist. Der Gf hatte überdies zu keinem Zeitpunkt – nicht einmal in der mündl Beschwerdeverhandlung – ein Unrechtsbewusstsein. Dabei hätte er wissen müssen, dass ihm bzw der Bf das Ausüben des An-

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und Verkaufs von virtuellen Währungen so lange nicht erlaubt ist, bis eine Genehmigung durch die FMA vorliegt. Von einem Geschäftsleiter eines Dienstleisters nach § 32a FM-GwG darf erwartet werden, dass er sich mit der Rechtslage vertraut macht; er hätte im Zweifel Erkundigungen bei der FMA einholen müssen. Das alles begründet den Zweifel an seiner persönl Unzuverlässigkeit [sic!]. Ergänzend ist noch anzuführen, dass es sich gegenständlich zwar um ein Administrativverfahren handelt, jedoch auch neu hervorgekommene Tatsachen zu berücksichtigen waren (§ 28 Abs 2 VwGVG). Das BVwG hat sich daher auf die hier festgestellten Tatsachen, die erst in der mündl Beschwerdeverhandlung hervorkommen sind, gestützt. Bei diesem Ergebnis konnte eine Auseinandersetzung mit dem Betrieb des Pfandleihgeschäftes (bzw Kreditgeschäftes)

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JUDIKATUR EuGH

iZm dem „Krypto-Kredit“, wie sie noch dem angefochtenen Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) als Begründung zugrunde lag, unterbleiben. Allein durch das Ausüben des Geschäftes des An- und Verkaufs von virtuellen Währungen ohne Registrierung war von einem berechtigten Zweifel an der persönl Zuverlässigkeit des Geschäftsleiters der Bf auszugehen. (...) Der Vollständigkeit halber wird noch angemerkt, dass das Beschwerdeverfahren aufgrund des Bescheides der FMA vom 19. 3. 2020 (Untersagung des verbotenen Betriebes des Kreditgeschäftes) derzeit noch bei der Gerichtsabteilung W107 des BVwG anhängig ist und mit diesem Verfahren nicht verbunden oder annex ist. Die Beschwerde war daher abzuweisen. Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

JUDIKATUR EuGH Ersatz einer missbräuchlichen Wechselkurs-Klausel durch einen gesetzlich vorgegebenen Wechselkurs* » ZFR 2021/239

RL 93/13/EWG: Art 1 Abs 2, Art 6 Abs 1 EuGH 2. 9. 2021, C-932/19, JZ/OTP Jelzálogbank Zrt ua

Tenor (des Gerichts) Art 6 Abs 1 RL 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchl Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die in Bezug auf mit einem Verbraucher geschlossene Darlehensverträge eine als missbräuchlich angesehene Klausel über die Wechselkursdifferenz für nichtig erklärt und das zuständige nationale Gericht verpflichtet, sie durch eine Bestimmung des nationalen Rechts zu ersetzen, die die Anwendung eines offiziellen Wechselkurses vorschreibt, ohne die Möglichkeit vorzusehen, dass dieses Gericht dem Antrag des betroffenen Verbrauchers auf Nichtigerklärung des Darlehensvertrags in seiner Gesamtheit stattgibt, obwohl es davon ausgeht, dass der Fortbestand dieses Vertrags den Interessen des Verbrauchers zuwiderläuft, insb im Hinblick auf das Wechselkursri*

Weitere Entscheidungsgründe finden Sie auf der ZFR-Website (zfr.lexisnexis.at) unter der Artikelnummer sowie unter dem Menüpunkt „Extras/ Spezielles/Judikatur“.

siko, das der Verbraucher aufgrund einer anderen Klausel in diesem Vertrag weiterhin trägt, soweit das Gericht demgegenüber im Rahmen seiner Beurteilungsbefugnis und ohne dass der vom betroffenen Verbraucher zum Ausdruck gebrachte Wille insoweit Vorrang hätte, festzustellen vermag, dass die Durchführung der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Maßnahmen es ermöglicht, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchl Klausel befunden hätte. Der Kl ist ein ungarischer Verbraucher mit Wohnsitz in Ungarn. Die Bekl sind drei Finanzinstitute mit Sitz in Ungarn; zwischen diesen und dem Kl bestanden Fremdwährungskredite. Der Kl macht die Nichtigkeit der Darlehensverträge geltend, und zwar insb infolge Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln, nach denen sich der Wechselkurs bei Auszahlung der Darlehensmittel von dem bei ihrer Tilgung unterschied. Das ErstG wies die Klage ab. Das BerufungsG legte die gegenständl Angelegenheit dem EuGH vor. Der ungarische Gesetzgeber hatte im Jahr 2014 Bestimmungen erlassen, mit denen Klauseln abgeholfen werden sollte, die den Wechselkurs im Rahmen von Verbraucher-Fremdwährungskrediten in missbräuchl Weise festlegen. So ist eine Klausel – mit Ausnahme einer individuell ausgehandelten Klausel – grds nichtig, die bestimmt, dass bei der Auszahlung der Mittel der Ankaufskurs der betreffenden Währung, bei der Tilgung jedoch der Verkaufskurs oder ein von dem bei der Auszahlung festgelegten abweichender Wechselkurs Anwendung findet. Nach einer ungarischen Gesetzesvorschrift wird die nichtige Klausel über die Wechselkursdifferenz durch eine Bestimmung ersetzt, nach der für die betreffende Wähzfr.lexisnexis.at

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rung ein einheitl von der ungarischen Nationalbank festgelegter Wechselkurs angewendet wird.

Aus den Entscheidungsgründen (...) 38 In der Rs, in der das Urteil vom 14. 3. 2019, Dunai (C-118/17, EU:C:2019:207), ergangen ist, hatte der EuGH in einem vergleichbaren rechtl und tatsächl Rahmen wie in der vorliegenden Rs bereits eine ähnl Frage zu beantworten. (…) 43 Alle diese Erwägungen sind auf einen Rechtsstreit wie den des Ausgangsverfahrens in vollem Umfang übertragbar und für die Beantwortung der im vorliegenden Fall gestellten Frage von Bedeutung. 44 Somit ist es, da die erhobene Klage auf die in den mit der OTP Jelzálogbank ua geschlossenen Darlehensverträgen ursprünglich enthaltene Klausel über die Wechselkursdifferenz zurückgeht, nach der in den Rn 41 und 42 des vorliegenden Urteils angeführten Rsp des EuGH Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften, durch die derartige Klauseln für nichtig erklärt und ersetzt wurden, es ermöglicht haben, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Kl des Ausgangsverfahrens ohne diese missbräuchl Klausel befunden hätte, und zwar insb durch Begründung eines Rechts dieses Verbrauchers auf Rückerstattung der von den betreffenden Gewerbetreibenden aufgrund der missbräuchl Klausel zu Unrecht vereinnahmten Beträge (vgl entsprechend Urteile vom 14. 3. 2019, Dunai, C-118/17, EU:C:2019:207, Rn 44 und die dort angeführte Rsp, sowie vom 29. 4. 2021, Bank BPH, C-19/20, EU:C:2021:341, Rn 51 und 52). 45 Diese gerichtl Kontrolle der Klausel über die Wechselkursdifferenz erfolgt unbeschadet der Kontrolle, die im Licht der RL 93/13 in Bezug auf andere Klauseln der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge, wie die über das Wechselkursrisiko, durchgeführt werden kann, wobei allerdings die in Art 4 Abs 2 dieser RL vorgesehenen Ausschlusskriterien für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln zu berücksichtigen sind. 46 Zweitens fragt das vorlegende Gericht den EuGH, ob es möglich oder sogar erforderlich ist, dass ein befasstes Gericht dem Antrag des betroffenen Verbrauchers stattgibt, den in Rede stehenden Darlehensvertrag vollständig für nichtig zu erklären, statt nur die Klausel über die Wechselkursdifferenz aufzuheben und durch eine nationale Bestimmung zu ersetzen, wie dies in den im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. 47 Insoweit ergibt sich aus der Rsp des EuGH, dass das Recht des Verbrauchers auf wirksamen Schutz seine Befugnis einschließt, auf die Geltendmachung der Rechte aus dem System zum Schutz gegen die Verwendung missbräuchl Klauseln durch Gewerbetreibende, das die RL 93/13 zugunsten der Verbraucher eingeführt hat, zu verzichten. Es obliegt daher dem nationalen Gericht, ggf den vom Verbraucher geäußerten Willen zu

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berücksichtigen, wenn dieser im Wissen um die Unverbindlichkeit einer missbräuchl Klausel gleichwohl angibt, dass er deren Nichtanwendung widerspreche, und daher dieser Klausel freiwillig und aufgeklärt zustimmt (vgl in diesem Sinne Urteile vom 3. 10. 2019, Dziubak, C-260/18, EU:C:2019:819, Rn 53 und 54, vom 29. 4. 2021, Bank BPH, C-19/20, EU:C:2021:341, Rn 46 und 47, sowie Beschluss vom 1. 6. 2021, Banco Santander, C-268/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:423, Rn 30 und 31). 48 Außerdem hat der EuGH entschieden, dass der Verbraucher, da dieses System zum Schutz vor missbräuchl Klauseln keine Anwendung findet, wenn er nicht damit einverstanden ist, entsprechend erst recht auf den nach diesem System gewährten Schutz vor den nachteiligen Folgen, die sich aus der Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags als Ganzes ergeben, verzichten dürfen muss, wenn er sich unter Umständen, wie sie im Urteil vom 30. 4. 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C-26/13, EU:C:2014:282), genannt werden, nicht auf diesen Schutz berufen möchte, nämlich falls die Streichung dieser missbräuchl Klausel den Richter zwingen würde, diesen Vertrag in seiner Gesamtheit für unwirksam zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, sodass dieser dadurch geschädigt würde (vgl in diesem Sinne Urteil vom 3. 10. 2019, Dziubak, C-260/18, EU:C:2019:819, Rn 46–48, 55 und 56). 49 Zu den Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag ohne die missbräuchl Klauseln fortbestehen kann und zu den vom Unionsrecht gezogenen Grenzen, die die MS insoweit beachten müssen, hat der EuGH jedoch klargestellt, dass Art 6 Abs 1 RL 93/13 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sich das angerufene Gericht bei dieser Beurteilung ausschließlich auf die etwaige Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung des gesamten in Rede stehenden Vertrags für den Verbraucher stützen könnte. Grds ist anhand der im nationalen Recht vorgesehenen Kriterien zu prüfen, ob in einem konkreten Fall ein Vertrag aufrechterhalten werden kann, wenn einige seiner Klauseln für unwirksam erklärt wurden, und nach dem objektiven Ansatz des EuGH ist es nicht zulässig, im nationalen Recht die Lage einer der Vertragsparteien als das maßgebende Kriterium anzusehen, das über das weitere Schicksal des Vertrags entscheidet (vgl in diesem Sinne Urteile vom 15. 3. 2012, Pereničová und Perenič, C-453/10, EU:C:2012:144, Rn 32 und 33, vom 3. 10. 2019, Dziubak, C-260/18, EU:C:2019:819, Rn 40 und 41, sowie vom 29. 4. 2021, Bank BPH, C-19/20, EU:C:2021:341, Rn 56, 83 und 90). 50 Daher kann der vom betroffenen Verbraucher zum Ausdruck gebrachte Wille keinen Vorrang haben vor der in die Entscheidungsbefugnis des befassten Gerichts fallenden Beurteilung, ob die Durchführung der in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Maßnahmen es ermöglicht, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchl Klausel befunden hätte. (...) Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

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Anmerkung: Das EuGH-Urteil ist vom Gedanken der subjektiven Äquivalenz und der Vertragstreue durchdrungen und steht auf diese Weise in der Tradition kontinentaleuropäischen Zivilrechtsdenkens. Es klärt, losgelöst vom Ausgangssachverhalt, die bedeutsame Frage, wann der Entfall einer missbräuchl Klausel zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt. Die Überlegungen gelten nämlich gleichsam für die Ergänzung entstehender Vertragslücken durch dispositives Recht. Im Ergebnis müssen die Gerichte – und das erscheint ausgesprochen praktikabel – prüfen, ob das dispositive Recht in der Lage ist, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchl Klausel befunden hätte. Dabei ist das Interesse des Verbrauchers an der Fortsetzung oder Auflösung des Vertrags nach Vertragsabschluss nicht ausschlaggebend. Dazu in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen einige in früheren EuGH-Urteilen obiter getroffene Aussagen, etwa in der Rs Dunai,2 wo der EuGH angemerkt hat, dass eine missbräuchl Klausel nur dann durch eine dispositive nationale Vorschrift ersetzt werden kann, wenn „der Verbraucher durch die Nichtigerklärung des Vertrags insg besonders nachteiligen, ihn bestrafenden Konsequenzen ausgesetzt wäre“.3 In der Rs Dziubak4 erwähnt der EuGH diesen Gedanken bereits in abgewandelter Form und verlangt für die Anwendung dispositiven Rechts, dass „die Streichung dieser missbräuchl Klausel den Richter zwingen würde, diesen Vertrag in seiner Gesamtheit für unwirksam zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, sodass dieser dadurch geschädigt würde“. Das ältere Urteil Kásler5 besagt überhaupt nur, dass zum Schutz des Verbrauchers dispositives Recht eingreifen kann. Erst im Umkehrschluss kommt man zum oben zitierten obiter dictum. Dennoch haben Teile der Lehre bereits ein Verbot des Rückgriffs auf dispositives Recht für die Lückenschließung aufgrund der Klauselkontrolle herbeigeschrieben.6 Andererseits hat ua Spitzer darauf hingewiesen, dass eindeutige Aussagen des EuGH zu dieser Frage noch fehlen.7 Das vorliegende Urteil widerspricht der Vorstellung, dass dem Verbraucher ein Wahlrecht zwischen Gesamtnichtigkeit und dispositivem Recht zukomme, um den Klauselverwender abzuschrecken und zu sanktionieren.8 Auch bislang erinnerte der EuGH allerorts an die Wiederherstellung der durch die Verwendung allgemeiner Vertragsbedingungen beeinträchtigten sub-

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jektiven Äquivalenz zwischen den Vertragsparteien.9 Das vorliegende Urteil zieht dieses obiter dictum allerdings unmittelbar heran, um eine Gesamtnichtigkeitsoption allein nach Verbraucherwahl abzulehnen. Eine einschränkende Lesart steht freilich noch zur Verfügung. In casu wurde eine Vorschrift beurteilt, die anlassbezogen in Reaktion auf die Verwendung der missbräuchl Klausel erlassen wurde. Denkbar wäre also, dem EuGH zu unterstellen, er hätte seine Ansicht ausschließlich auf eine anlassbezogene lex specialis für Auffangregelungen (bei Fremdwährungskrediten) bezogen. Es sollte jedoch nicht darauf ankommen, ob die Vorschrift bereits Bestandteil der Rechtsordnung war oder als Reaktion auf vorangehende Klauselurteile erlassen wurde, ob sie zwingend ist oder dispositiv. Eine solche Differenzierung wäre unsachlich, weil es doch für den Verbraucher weder auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Auffangregelung noch auf das vom Gesetzgeber genannte Motiv oder die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung ankommt. Vielmehr greifen die über der Klauselkontrolle stehenden Rechtsprinzipien der subjektiven Äquivalenz und der Vertragstreue in beiden Fällen. Der Verbraucher ist in die Lage zu versetzen, in der er sich ohne die rechtswidrige Klausel befunden hätte. Eine Gesamtnichtigkeit kommt nur in Betracht, wenn eine Wiederherstellung der Sach- und Rechtslage iS einer subjektiven Äquivalenz zwischen den Parteien nach dem Wegfall der nichtigen Bestandteile des Schuldverhältnisses misslingt. Florian Heindler

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S ua EuGH C-118/17, Dunai, Rn 45, 51; C-260/18, Dziubak, Rn 49; allgemein zur Beeinträchtigung der Willensfreiheit durch AGB mwN: Heindler, Volenti non fit iniuria, ÖJZ 2016, 797 ff.

Fremdwährungskredite: missbräuchliche Klauseln, Verjährung, Transparenz des Wechselkurses* » ZFR 2021/240

RL 93/13/EWG: Art 3 Abs 1, Art 4 Abs 2, Art 5, Art 6 Abs 1, Art 7 Abs 1 EuGH 10. 6. 2021, C-776/19 bis C-782/19, VB ua/BNP Paribas Personal Finance SA ua

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4 5 6 7 8

C-118/17, Rn 54. Kritisch zur fehlenden Begründetheit dieses Diktums: Spitzer/Wilfinger, EuGH: Neues zur Klauselersetzung durch dispositives Recht, ÖJZ 2020, 1002 f. C-260/18, Rn 48. C-26/13, Rn 80–85. S bspw Aichberger-Beig in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 988 Rz 12 (Stand 1. 3. 2019, rdb.at). Spitzer, Vertragslücken im österreichischen und europäischen Recht, ÖJZ 2020, 761 (767 f). Vgl etwa Praxistipp, VbR 2019, 226.

Tenor (des Gerichts) 1. Art 6 Abs 1 und Art 7 Abs 1 RL 93/13/EWG über missbräuchl Klauseln in Verbraucherverträgen sind im Licht *

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des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen, dass sie einer innerstaatl Regelung entgegenstehen, wonach die Stellung eines Antrags durch einen Verbraucher • auf Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel eines Vertrags zwischen einem Gewerbetreibenden und diesem Verbraucher einer Verjährungsfrist unterliegt; • auf Rückerstattung von aufgrund solcher missbräuchl Klauseln rechtsgrundlos gezahlten Beträgen einer fünfjährigen Verjährungsfrist unterliegt, wenn diese Frist zum Zeitpunkt der Annahme des Darlehensangebots zu laufen beginnt und es somit möglich ist, dass der Verbraucher zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von sämtl Rechten hatte, die ihm aus dieser RL erwachsen. Art 4 Abs 2 RL 93/13/EWG ist dahin auszulegen, dass die Klauseln des Darlehensvertrags, die vorsehen, dass die Fremdwährung die Verrechnungswährung und der Euro die Zahlungswährung ist, und die bewirken, dass der Darlehensnehmer das Wechselkursrisiko trägt, von dieser Bestimmung erfasst sind, wenn diese Klauseln einen Hauptbestandteil festlegen, der diesen Vertrag kennzeichnet. Art 4 Abs 2 RL 93/13/EWG ist dahin auszulegen, dass im Rahmen eines auf eine Fremdwährung lautenden Darlehensvertrags das Erfordernis der Transparenz von Klauseln dieses Vertrags, die vorsehen, dass die Fremdwährung die Verrechnungswährung und der Euro die Zahlungswährung ist, und die bewirken, dass der Darlehensnehmer das Wechselkursrisiko trägt, erfüllt ist, wenn der Gewerbetreibende dem Verbraucher hinreichende und genaue Informationen bereitgestellt hat, die es einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ermöglichen, die konkrete Funktionsweise des fragl Finanzmechanismus zu verstehen und somit die Gefahr möglicherweise beträchtl negativer wirtschaftl Folgen solcher Klauseln für seine finanziellen Verpflichtungen über die gesamte Laufzeit dieses Vertrags zu bewerten. Die RL 93/13/EWG ist dahin auszulegen, dass sie dem entgegensteht, dass der Verbraucher die Beweislast dafür trägt, dass eine vertragl Klausel klar und verständlich iSv Art 4 Abs 2 dieser RL ist. Art 3 Abs 1 RL 93/13/EWG ist dahin auszulegen, dass Klauseln eines Darlehensvertrags, die vorsehen, dass die Fremdwährung die Verrechnungswährung und der Euro die Zahlungswährung ist, und die bewirken, dass der Darlehensnehmer das Wechselkursrisiko trägt, ohne dass dieses Risiko gedeckelt ist, geeignet sind, zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebl und ungerechtfertigtes Missverhältnis der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien zu verursachen, wenn der Gewerbetreibende bei Beachtung des Transparenzgebots gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise nicht erwarten konnte, dass eine individuelle Aushandlung

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dazu führen würde, dass der Verbraucher sich auf ein unverhältnismäßiges Wechselkursrisiko, das aus derartigen Klauseln resultiert, einlässt. VB ua („Kl der Ausgangsverfahren“) schlossen mit BNP Paribas Personal Finance auf Fremdwährung lautende Hypothekendarlehensverträge mit Laufzeiten von 22 bis 25 Jahren zum Kauf von Immobilien oder von Anteilen an Immobiliengesellschaften ab. Aufgrund der Wechselkursentwicklung gerieten die Kl der Ausgangsverfahren mit der Rückzahlung der von ihnen aufgenommenen Hypothekendarlehen in Schwierigkeiten. Daraufhin erhoben sie in den Jahren 2015 bis 2018 beim vorlegenden Gericht Klage gegen BNP Paribas Personal Finance, in denen sie Missbräuchlichkeit der Klauseln geltend machten, mit denen der Finanzierungsmechanismus der Darlehensverträge eingeführt worden war.

Aus den Entscheidungsgründen (...) 39 Was zum anderen den Fall betrifft, dass dem Antrag eines Verbrauchers auf Rückerstattung aufgrund missbräuchl Klauseln iSd RL 93/13/EWG rechtsgrundlos gezahlter Beträge eine Verjährungsfrist entgegengehalten wird, ist daran zu erinnern, dass der EuGH bereits entschieden hat, dass Art 6 Abs 1 und Art 7 Abs 1 dieser RL einer nationalen Regelung, die zwar vorsieht, dass die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer missbräuchl Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher nicht verjährt, aber die Klage, mit der die Restitutionswirkungen dieser Feststellung geltend gemacht werden sollen, einer Verjährungsfrist unterwirft, nicht entgegenstehen, sofern sie die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität einhält (vgl in diesem Sinne Urteile vom 9. 7. 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale, C-698/18 und C-699/18, EU:C:2020:537, Rn 58, sowie vom 16. 7. 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C-224/19 und C-259/19, EU:C:2020:578, Rn 84). 40 Somit ist davon auszugehen, dass es für sich genommen nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt, wenn Anträgen mit Restitutionscharakter, die von Verbrauchern gestellt werden, um Rechte, die ihnen aus der RL 93/13/EWG erwachsen, geltend zu machen, eine Verjährungsfrist entgegengehalten wird, sofern deren Anwendung die Ausübung der durch diese RL verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. 41 Zweitens ist hinsichtlich der Dauer der Verjährungsfrist, der ein Antrag unterliegt, den ein Verbraucher mit dem Ziel der Rückerstattung von aufgrund missbräuchl Klauseln iSd RL 93/13/EWG rechtsgrundlos gezahlten Beträgen einreicht, darauf hinzuweisen, dass der EuGH bereits Gelegenheit hatte, sich zu der Frage zu äußern, ob mit der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verjährungsfrist vergleichbare Verjährungsfristen von drei bis fünf Jahren, die Klagen entgegengehalten wurden, mit denen die Restitutionswirkungen der Feststellung der

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Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel geltend gemacht wurden, mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar waren. Nach Auffassung des EuGH sind diese Fristen grds ausreichend, um dem Verbraucher zu ermöglichen, einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzulegen, wenn sie im Voraus festgelegt und bekannt sind. Somit sind Fristen von drei bis fünf Jahren für sich genommen nicht mit dem Effektivitätsgrundsatz unvereinbar (vgl in diesem Sinne Urteile vom 9. 7. 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale, C-698/18 und C-699/18, EU:C:2020:537, Rn 62 und 64, sowie vom 16. 7. 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C-224/19 und C-259/19, EU:C:2020:578, Rn 87 sowie die dort angeführte Rsp). 42 Folglich dürfte eine fünfjährige Verjährungsfrist wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende, die dem Antrag eines Verbrauchers auf Rückerstattung von aufgrund missbräuchl Klauseln iSd RL 93/13/EWG rechtsgrundlos gezahlten Beträgen entgegengehalten wird, sofern sie im Voraus festgelegt und bekannt ist, die Ausübung der durch die RL 93/13/EWG verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Diese Länge der Frist ist nämlich faktisch ausreichend, um dem Verbraucher zu ermöglichen, einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzureichen, um die Rechte, die ihm aus dieser RL erwachsen, insb in Form von auf die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel gestützten Restitutionsansprüchen geltend zu machen. 43 Was hingegen drittens den Beginn der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verjährungsfrist betrifft, besteht eine nicht zu unterschätzende Gefahr, dass der Verbraucher nicht in der Lage ist, die Rechte, die ihm die RL 93/13/EWG verleiht, innerhalb dieser Frist geltend zu machen (vgl in diesem Sinne Urteil vom 5. 3. 2020, OPR-Finance, C-679/18, EU:C:2020:167, Rn 22 und die dort angeführte Rsp). 44 Den vom vorlegenden Gericht gemachten Angaben ist nämlich zu entnehmen, dass die in Art 2224 des Zivilgesetzbuchs vorgesehene fünfjährige Verjährungsfrist nach der Rsp der französischen Gerichte zum Zeitpunkt der Annahme des fragl Darlehensangebots zu laufen beginnt. 45 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können (vgl in diesem Sinne Urteil vom 9. 7. 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale, C-698/18 und C-699/18, EU:C:2020:537, Rn 66 sowie die dort angeführte Rsp). Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass es möglich ist, dass die Verbraucher die Missbräuchlichkeit einer in einem Hypothekendarlehensvertrag enthaltenen Klausel nicht kennen oder den Umfang ihrer Rechte aus der RL 93/13/EWG nicht richtig erfassen (vgl in diesem Sinne Urteil vom 16. 7. 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C-224/19 und C-259/19, EU:C:2020:578, Rn 90 sowie die dort angeführte Rsp). 46 Eine Verjährungsfrist kann nur dann mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sein, wenn der Verbraucher die Mög-

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lichkeit hatte, von seinen Rechten Kenntnis zu nehmen, bevor diese Frist zu laufen beginnt oder abgelaufen ist (vgl in diesem Sinne Urteile vom 6. 10. 2009, Asturcom Telecomunicaciones, C-40/08, EU:C:2009:615, Rn 45, vom 9. 7. 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale, C-698/18 und C-699/18, EU:C:2020:537, Rn 67, sowie vom 16. 7. 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C-224/19 und C-259/19, EU:C:2020:578, Rn 91). 47 Wird dem Antrag, den ein Verbraucher mit dem Ziel der Rückerstattung von aufgrund missbräuchl Klauseln iSd RL 93/13/ EWG rechtsgrundlos gezahlten Beträgen stellt, eine fünfjährige Verjährungsfrist entgegengehalten, die ab Annahme des Darlehensangebots zu laufen beginnt, kann ein wirksamer Schutz des Verbrauchers nicht gewährleistet werden, da diese Frist abgelaufen sein könnte, bevor der Verbraucher die Möglichkeit hatte, von der Missbräuchlichkeit einer Klausel dieses Vertrags Kenntnis zu nehmen. Eine solche Frist erschwert die Ausübung der diesem Verbraucher durch die RL 93/13/EWG verliehenen Rechte übermäßig und verstößt folglich gegen den Effektivitätsgrundsatz (vgl entsprechend Urteil vom 9. 7. 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale, C-698/18 und C-699/18, EU:C:2020:537, Rn 67 und 75, sowie vom 16. 7. 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C-224/19 und C-259/19, EU:C:2020:578, Rn 91). (...) Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

Fremdwährungskredite: Anrechnungsbestimmungen, Hauptleistungspflicht und Transparenzgebot* » ZFR 2021/241

RL 93/13/EWG: Art 3 Abs 1, Art 4 Abs 2, Art 5 EuGH 10. 6. 2021, C-609/19, BNP Paribas Personal Finance SA/VE

Tenor (des Gerichts) 1. Art 4 Abs 2 RL 93/13/EWG über missbräuchl Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass Klauseln eines Darlehensvertrags, die bestimmen, dass die Rückzahlungen zu feststehenden Fälligkeitsterminen vorrangig auf die Zinsschuld angerechnet werden, und vorsehen, dass sich die Vertragsdauer verlängert und die Zahlungen erhöhen, damit der Kontosaldo ausgeglichen wird, unter diese Vorschrift fallen, wenn sie einen diesen Vertrag kennzeichnenden Hauptbestandteil festlegen. *

Weitere Entscheidungsgründe finden Sie auf der ZFR-Website (zfr.lexisnexis.at) unter der Artikelnummer sowie unter dem Menüpunkt „Extras/ Spezielles/Judikatur“.

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2. Art 4 Abs 2 RL 93/13 ist dahin auszulegen, dass im Rahmen eines auf eine Fremdwährung lautenden Darlehensvertrags das Erfordernis der Transparenz von Klauseln, die bestimmen, dass die Rückzahlungen zu feststehenden Fälligkeitsterminen vorrangig auf die Zinsschuld angerechnet werden, und vorsehen, dass sich die Vertragsdauer verlängert und die Zahlungen erhöhen, damit der Kontosaldo ausgeglichen wird, erfüllt ist, wenn der Gewerbetreibende dem Verbraucher hinreichende und genaue Informationen bereitgestellt hat, die es einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ermöglichen, die konkrete Funktionsweise des fragl Finanzmechanismus zu verstehen und somit die Gefahr möglicherweise beträchtl negativer wirtschaftl Folgen solcher Klauseln für seine finanziellen Verpflichtungen über die gesamte Laufzeit dieses Vertrags zu bewerten. 3. Art 3 Abs 1 RL 93/13 ist dahin auszulegen, dass Klauseln eines Darlehensvertrags, die bestimmen, dass die Rückzahlungen zu feststehenden Fälligkeitsterminen vorrangig auf die Zinsschuld angerechnet werden, und vorsehen, dass sich die Vertragsdauer verlängert und die Zahlungen erhöhen, damit der Kontosaldo ausgeglichen wird, der sich infolge von Schwankungen des Wechselkurses zwischen der Kontowährung und der Zahlungswährung beträchtl erhöhen kann, zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebl Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien dieses Vertrags verursachen können, wenn der Gewerbetreibende bei Beachtung des Transparenzgebots gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise nicht erwarten konnte, dass eine individuelle Aushandlung dazu führen würde, dass der Verbraucher sich auf ein unverhältnismäßiges Wechselkursrisiko, das aus derartigen Klauseln resultiert, einlässt.

Nach Zahlungsverzug stellte die Bank das Darlehen fällig, das zuständige Gericht ordnete die Zwangsversteigerung der Immobilie an. Zudem beantragte BNP Paribas Personal Finance beim vorlegenden Gericht die Genehmigung zur Pfändung des Arbeitseinkommens von VE. VE ist der Auffassung, durch BNP Paribas Personal Finance über die Natur des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Darlehensvertrags getäuscht worden zu sein, da dieser Vertrag ihn einem unbegrenzten Wechselkursrisiko ausgesetzt habe. Im Einzelnen beantragt VE, den Vertrag für nichtig zu erklären und den auf die Pfändung seines Einkommens gerichteten Antrag von BNP Paribas Personal Finance zurückzuweisen. Hilfsweise macht er geltend, dass der Forderungsbetrag herabzusetzen sei, weil eine implizite Indexklausel, die Klauseln bezügl der Kontound der Zahlungswährung, die Tilgungsklausel und die Kaufoptionsklausel, die in diesem Vertrag enthalten seien, missbräuchl seien und in diesem Vertrag ein Hinweis auf ein „Wechselkursrisiko“ fehle. BNP Paribas Personal Finance macht vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass die Anträge, mit denen VE die Missbräuchlichkeit einiger Klauseln des Darlehensvertrags geltend macht, wegen Verjährung unzulässig, jedenfalls aber unbegründet seien, und trägt vor, dass VE auf die Wechselkursschwankungen und auf deren Auswirkungen auf die Tilgung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Darlehens hingewiesen worden sei. Das vorlegende Gericht führt aus, dass der Darlehensvertrag mehrere Klauseln enthalte, die Teil eines Währungsumrechnungsmechanismus seien und bewirkten, dass das Wechselkursrisiko in die vom Verbraucher gezahlten Monatsraten einbezogen werde. Diese Klauseln beträfen die Regeln für die Verwendung der Raten zur Zahlung der Zinsen, die Funktionsweise von Konten in CHF (der Kontowährung) und in Euro (der Zahlungswährung) sowie die Verlängerung der Darlehenslaufzeit um fünf Jahre.

VE und seine Ehefrau nahmen im Zuge eines Immobilienkaufs bei der BNP Paribas Personal Finance ein Fremdwährungs-Hypothekendarlehen mit der Bezeichnung „Helvet Immo“ auf. Der Vertrag sah die Aufnahme eines mit 4,95 % verzinsten Darlehens vor, das grds in 276 festgelegten, auf CHF lautenden Raten in Euro rückzahlbar war. Die Monatsraten waren zu feststehenden Fälligkeitsterminen in Euro zurückzuzahlen, wurden aber zwecks Zinszahlung und Darlehenstilgung in CHF umgerechnet. Insb enthielt der Kreditvertrag Klauseln, wonach sich die Laufzeit des Darlehens um fünf Jahre verlängert und die in Euro zu zahlenden Monatsraten vorrangig auf die Zinsschuld angerechnet werden, wenn die Entwicklung des Wechselkurses zu einer Erhöhung der Darlehenskosten für den Darlehensnehmer führt, und die Monatsraten erhöht werden, wenn es bei Beibehaltung der Höhe der Zahlungen in Euro nicht möglich sein sollte, den vollen Saldo des Kontos innerhalb der um fünf Jahre verlängerten Restlaufzeit auszugleichen.

(...) 34 Im vorliegenden Fall führen die Klauseln des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Darlehensvertrags, die Teil eines Währungsumrechnungsmechanismus sind, dazu, dass das Wechselkursrisiko in die vom Darlehensnehmer gezahlten Monatsraten einbezogen wird. Die Klauseln, auf die sich die erste Frage bezieht, betreffen die Regeln für Anrechnung der Zahlungen auf die Zinsschuld, die Funktionsweise von Konten in CHF (der Kontowährung) und in Euro (der Zahlungswährung) sowie die Verlängerung der Darlehenslaufzeit um fünf Jahre. 35 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich der Kreditgeber durch einen Kreditvertrag in erster Linie verpflichtet, dem Kreditnehmer einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, während sich der Kreditnehmer in erster Linie verpflichtet, den Betrag – im Allgemeinen zuzüglich Zinsen – zu den vorgesehenen Fälligkeitsterminen zurückzuzahlen. Die Hauptleistun-

Aus den Entscheidungsgründen

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gen beziehen sich also auf einen Geldbetrag, der notwendigerweise unter Bezugnahme auf die im Kreditvertrag vereinbarte Währung, in der die Zahlung und Rückzahlung erfolgt, festgelegt werden muss. Somit ist der Umstand, dass ein Kredit in einer bestimmten Währung zurückzuzahlen ist, grds keine akzessorische Zahlungsmodalität, sondern betrifft das Wesen der Pflicht des Schuldners und stellt daher einen Hauptbestandteil eines Kreditvertrags dar (Urteil vom 20. 9. 2017, Andriciuc ua, C-186/16, EU:C:2017:703, Rn 38). 36 Zwar sind die Vertragsklauseln, auf die sich die erste Frage bezieht, Teil eines Finanzierungsmechanismus, in dem das Wechselkursrisiko zum Ausdruck kommt, das für ein Darlehen in Fremdwährung, das in inländischer Währung zurückzuzahlen ist, kennzeichnend ist, sie beziehen sich jedoch unmittelbar weder auf den Darlehensbetrag oder die Darlehenszinsen, die zurückzuzahlen sind, noch auf die Festlegung der Konto- und der Zahlungswährung. Diese Klauseln regeln die Folgen der Änderung des Wechselkurses, indem sie die Rückzahlungsregeln festlegen, die in Abhängigkeit von den Wechselkursschwankungen gelten, und könnten daher als akzessorische Zahlungsmodalitäten angesehen werden, die nicht zum „Hauptgegenstand des Vertrags“ iSv Art 4 Abs 2 RL 93/13 gehören. 37 Aus den vom vorlegenden Gericht übermittelten Angaben geht jedoch hervor, dass die Klauseln bezüglich der Rückzahlungsbedingungen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Darlehens das sich aus den Schwankungen des Wechselkurses zwischen der Konto- und der Zahlungswährung und dem damit verknüpften Zinssatz ergebende Wechselkursrisiko materialisieren, das dieses Darlehen kennzeichnet. 38 Das vorlegende Gericht hat somit unter Berücksichtigung der in den Rn 32–37 des vorliegenden Urteils herausgearbeiteten Kriterien zu prüfen, ob die Klauseln des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Darlehensbetrags, die bestimmen, dass Rückzahlungen zu feststehenden Fälligkeitsterminen vorrangig auf die Zinsschuld angerechnet werden, und vorsehen, dass sich die Vertragsdauer verlängert und die Zahlungen erhöhen, damit der Kontosaldo ausgeglichen wird, und die damit das Wechselkursrisiko materialisieren, das Wesen der Pflicht des Schuldners zur Rückzahlung des ihm vom Darlehensgeber zur Verfügung gestellten Betrags betreffen. (...) 45 Ob das Transparenzerfordernis im vorliegenden Fall erfüllt ist, hat das vorlegende Gericht anhand aller relevanten Tatsachen zu prüfen – wozu die Werbung und die Informationen zählen, die im Rahmen der Aushandlung des im Ausgangsverfahren

in Rede stehenden Darlehensvertrags nicht nur vom Darlehensgeber selbst, sondern auch von jeder anderen Person, die für diesen Gewerbetreibenden am Vertrieb der betreffenden Darlehen beteiligt war, bereitgestellt wurden. 46 Insb hat das nationale Gericht in Anbetracht aller den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu prüfen, ob dem Verbraucher in dem betreffenden Fall sämtl Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken könnten und ihm ua erlauben, die Gesamtkosten seines Darlehens einzuschätzen. Eine entscheidende Rolle bei dieser Beurteilung spielt es zum einen, ob die Klauseln klar und verständlich abgefasst sind und es einem Durchschnittsverbraucher iSv Rn 43 des vorliegenden Urteils ermöglichen, diese Kosten einzuschätzen, und zum anderen, ob in dem Darlehensvertrag Informationen fehlen, die in Anbetracht der Natur der Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Vertrags sind, als wesentlich angesehen werden (vgl in diesem Sinne Urteil vom 3. 3. 2020, Gómez del Moral Guasch, C-125/18, EU:C:2020:138, Rn 52 und die dort angeführte Rsp). 47 Im vorliegenden Fall führt das vorlegende Gericht aus, dass VE vor dem Abschluss des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Darlehensvertrags eine beträchtl Menge an Informationen erhalten habe. Diese Informationen hätten allerdings auf der Annahme beruht, dass der Wechselkurs zwischen dem Euro und dem CHF stabil bleibe. Das Wechselkursrisiko sei jedoch nirgendwo erwähnt. (…) 53 Somit genügt es im Rahmen eines auf eine Fremdwährung lautenden Darlehensvertrags, der den Verbraucher einem Wechselkursrisiko aussetzt, zur Erfüllung des Transparenzerfordernisses nicht, diesem Verbraucher Informationen, selbst zahlreiche, zu übermitteln, wenn diese auf der Hypothese beruhen, dass der Wechselkurs zwischen der Verrechnungswährung und der Zahlungswährung über die gesamte Laufzeit dieses Vertrags stabil bleiben wird. Dies ist insb der Fall, wenn der Verbraucher vom Gewerbetreibenden nicht auf den wirtschaftl Kontext hingewiesen wurde, der Auswirkungen auf die Schwankungen der Wechselkurse haben könnte, sodass der Verbraucher nicht in die Lage versetzt wurde, die potenziell schwerwiegenden Folgen, die sich aus dem Abschluss eines auf eine Fremdwährung lautenden Darlehensvertrags für seine finanzielle Situation ergeben können, konkret zu verstehen. (…) Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

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ZFR 11/2021 ART.-NR.: 242

JUDIKATUR VfGH „Lexitor-Reparatur“ im VKrG nicht verfassungswidrig » ZFR 2021/242

B-VG: Art 140 VKrG: § 16 Abs 1, § 29 Abs 12 VwGH Beschluss 28. 9. 2021, G 221/2021

Leitsatz (der Redaktion) Ablehnung eines Parteiantrags betreffend die vorzeitige Rückzahlung eines Kreditbetrags: Dem Gesetzgeber ist – ungeachtet der Frage, ob auch laufzeitunabhängige Kosten anteilig zu erstatten sind – von Verfassungs wegen nicht entgegenzutreten, wenn er § 16 Abs 1 VKrG, den er als möglicherweise unionsrechtswidrig erachtet, ohne Rückwirkung auf (sämtl) Altfälle novelliert.

Aus der Begründung (...) Der VfGH hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gem Art 140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003). Der Antragsteller behauptet die Verfassungswidrigkeit des § 16 Abs 1 VKrG idF BGBl I 2015/135: Aus der Rsp des EuGH (EuGH 11. 9. 2019, C-383/18, Lexitor ua) ergebe sich, dass der österr Gesetzgeber § 16 Abs 1 VKrG richtlinienwidrig umgesetzt habe, weil im Falle der vorzeitigen Rückzahlung des Verbraucherkredites nicht auch laufzeitunabhängige – ebenso wie laufzeitabhängige – Kosten anteilsmäßig rückzuerstatten seien. Der Gesetzgeber habe dies zwar mit Bundesgesetz BGBl I 2021/1 saniert, jedoch wirke diese Gesetzesnovelle nicht auf den Anlassfall zurück. Dies stelle eine unsachl Ungleichbehandlung von Kreditnehmern und damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art 2 StGG sowie Art 7 B-VG dar. Darüber hinaus verstoße die angefochtene Bestimmung (im Wesentlichen aus denselben Gründen) gegen das verfassungsgesetzl gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gem Art 5 StGG sowie Art 1 1. ZPEMRK. Vor dem Hintergrund der Rsp des VfGH (VfSlg 17.238/2004, 19.308/2011, 19.434/2011, 19.529/2011, 19.606/2011) lässt das Vorbringen des Antragstellers die behaupteten Verfassungswidrigkeiten als so wenig wahrscheinl erkennen, dass der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Dem Gesetzgeber ist – ungeachtet der Frage, ob auch laufzeitunabhängige Kosten anteilig zu erstatten sind – von Verfassungs wegen nicht entgegenzutreten, wenn er eine Bestimmung, die er als möglicherweise unionsrechtswidrig erachtet (vgl die EB RV 478 BlgNR 27. GP 2), novelliert, ohne eine Rückwirkung auf (sämtl) Altfälle anzuordnen (vgl § 29 Abs 12 VKrG). Ob die angefochtene Bestimmung dem Unionsrecht entspricht, hat der VfGH nicht zu beurteilen, weil Unionsrecht – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – keinen Prüfungsmaßstab in Gesetzesprüfungsverfahren gem Art 140 B-VG bildet (vgl VfSlg 20.088/2016, 20.291/2018). Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung des Antrages abzusehen (§ 19 Abs 3 Z1 iVm § 31 letzter Satz VfGG). Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

Zurückweisung einer Staatshaftungsklage: Beschluss des OGH im Zusammenhang mit MulticurrencyFremdwährungs-Einmalkreditvereinbarung » ZFR 2021/243

B-VG: Art 137 VfGH 22. 9. 2021, A 16/2021

Leitsatz (der Redaktion) Zurückweisung einer Staatshaftungsklage gegen den Bund wegen behaupteten Verstoßes einer E des OGH gegen Unionsrecht betreffend die Verweigerung einer Konvertierung seitens der Bank im Rahmen einer „Multicurrency-Fremdwährungs-Einmalkreditvereinbarung“. Die Kl begehren in ihrer gegen den Bund gerichteten Klage nach Art 137 B-VG die Zahlung von 157.573,55 € sA aus dem Titel der Staatshaftung wegen des ihrer Ansicht nach unionsrechtswidrigen Beschlusses OGH 26. 9. 2018, 7 Ob 155/18x1 , sowie die Feststellung, der Bund hafte für zukünftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden aus dem von den Kl abgeschlossenen „Multicurrency-Fremdwährungs-Einmalbarkreditvertrag“. Die Kl hatten im Juli 2003 mit einer Bank einen „Multicurrency-Fremdwährungs-Einmalbarkreditvertrag“ in CHF mit variab-

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ZFR 2019/60, 136.

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ZFR 11/2021

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JUDIKATUR VfGH

ART.-NR.: 243

ler Verzinsung und Tilgung am Laufzeitende im Gegenwert von 180.000 € sowie daran anschließend eine Änderungsvereinbarung abgeschlossen, die es dem Kreditnehmer ua erlaubte, während der Kreditlaufzeit im Einvernehmen mit der Bank in eine andere Fremdwährung umzusteigen. Die FMA-Mindeststandards zum Risikomanagement und zur Vergabe von Fremdwährungskrediten und Krediten mit Tilgungsträgern sehen seit Jänner 2013 in Rz 34 vor, dass im Fall eines bestehenden Fremdwährungskreditvertrags, der eine MulticurrencyKlausel beinhaltet, auch dann eine (grds unerlaubte) Neuvergabe vorliege, wenn ein Wechsel zwischen den im Vertrag spezifizierten Währungen an das Zustimmungserfordernis des Kreditinstituts geknüpft ist. Nachdem die Kl am 31. 8. 2015 der Bank erneut einen Auftrag erteilt hatten, von Euro in CHF zu konvertieren, teilte ihnen die Bank mit, dass sie gem FMA-Mindeststandards einer Konvertierung nicht zustimmen könne. Sodann erhoben die Kl auf Grundlage dieses Sachverhaltes Klage gegen die Bank auf Herausgabe der begebenen Sicherheiten Zug um Zug gegen Zahlung von 115.452,67 €, hilfsweise auf Zahlung von 9.250 € zuzüglich Zinsen. Eventualiter stellten sie ein Feststellungsbegehren. Das LG Linz wies das Klagebegehren zur Gänze ab, das OLG Linz bestätigte die E. Der OGH wies die dagegen erhobene Rev mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück. Die Kl erhoben Klage gem Art 137 B-VG, weil die E des OGH gegen Unionsrecht (RL 93/13/EWG) verstoßen habe.

Aus der Begründung (...) II. Zulässigkeit (...) Wie der VfGH zu seiner Zuständigkeit für die Geltendmachung eines unionsrechtl begründeten Staatshaftungsanspruches ausgesprochen hat, ist es nicht die Aufgabe des VfGH, – ähnl einem Rechtsmittelgericht – die Richtigkeit der E anderer Höchstgerichte zu prüfen. Der VfGH ist nur zur Beurteilung berufen, ob ein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht iS der Rsp des EuGH (vgl ua EuGH 30. 9. 2003, C-224/01, Köbler, Slg 2003, I-10239) vorliegt (vgl VfSlg 17.095/2003, 17.214/2004, 19.361/2011; VfGH 5. 12. 2016, A 8/2016). Eine auf den Titel der Staatshaftung gestützte Klage nach Art 137 B-VG ist ua nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein Verstoß gegen das Unionsrecht geltend gemacht wird, der iS der Rsp des EuGH offenkundig ist (VfSlg 19.361/2011, 19.428/2011; VfGH 23. 11. 2017, A 8/2017). Wie der EuGH in der Rs Köbler (Rn 51 ff ) festhält, liegt ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht durch ein nationales letztinstanzl Gericht unter Berücksichtigung der Besonderheit der richterl Funktion und der berechtigten Belange der Rechtssicherheit insb

dann vor, wenn gegen eine klare und präzise Vorschrift verstoßen oder eine einschlägige Rsp des EuGH offenkundig verkannt wird (EuGH 30. 9. 2003, C-224/01, Köbler, Slg 2003, I-10239 [Rz 51 ff ]; VfSlg 18.448/2008). Die klP im Staatshaftungsverfahren hat daher nach der Rsp des VfGH begründet darzulegen, dass eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist. Der behauptete Verstoß muss also der Art nach mögl sein. Lässt eine Klage dies jedoch vermissen oder werden ledigl Auslegungsfragen, wie etwa aufgrund einer Literaturmeinung und einer deswegen angenommenen Vorlagepflicht des letztinstanzl Gerichtes, aufgeworfen, wird dadurch dieser Anforderung nicht Genüge getan. Eine solche Klage ist unzulässig (VfGH 27. 6. 2017, A 17/2016; 23. 11. 2017, A 8/2017; 26. 6. 2020, A 38/2020). 2. Die vorliegenden Klagebehauptungen vermögen eine Zuständigkeit des VfGH für die Geltendmachung eines unionsrechtl begründeten Staatshaftungsanspruches, abgeleitet aus einem rechtswidrigen Verhalten des OGH, nicht zu begründen: Die Kl behaupten zwar einen die Staatshaftung auslösenden Verstoß des OGH gegen Unionsrecht, zeigen diesen Verstoß jedoch nicht nachvollziehbar auf. Es ist für den VfGH anhand des Klagevorbringens nicht erkennbar, in welcher Hinsicht die Rechtsauffassung des OGH einen Verstoß gegen eine klare und präzise Vorschrift der RL 93/13/EWG darstellen sollte. Es ist darüber hinaus auch nicht zu erkennen, dass der OGH eine E des EuGH offenkundig verkannt hätte. Die von den Kl ins Treffen geführte E in der Rs C-119/17, Liviu Petru Lupean ua, erging zu einem vollkommen anders gelagerten Sachverhalt: Dort sei dem Darlehensnehmer ein in einer (ausländischen) Währung bezifferter Geldbetrag gewährt und der Darlehensnehmer zur Rückzahlung in derselben (ausländischen) Währung verpflichtet worden, während sich aus den Umständen des Vertragsabschlusses und der Vertragsdurchführung ergeben habe, dass der Betrag tatsächl in einer anderen Währung zur Verfügung gestellt und die Währung, in der das Konto geführt wurde, nur als „virtuelle Recheneinheit“ verwendet worden sei. Darüber hinaus habe der Darlehensnehmer das wirtschaftl Risiko der virtuell verwendeten Währung tragen müssen, obwohl ihm die Valuta in einer anderen Währung ausgezahlt worden sei. Da die genannte E somit zu einem gänzlich anders gelagerten Sachverhalt ergangen ist, vermag der VfGH eine offenkundige Missachtung der Rsp des EuGH nicht zu erkennen. 3. Die vorliegende Klage ist daher wegen des Fehlens der erforderl Darlegung eines offenkundigen Verstoßes gegen Unionsrecht zurückzuweisen. Damit erübrigt sich auch ein Abspruch über den von den Kl gestellten – unberechtigten – Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles. Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

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ZFR 11/2021 ART.-NR.: 244

JUDIKATUR OGH GESELLSCHAFTSRECHT

Überprüfung der Barabfindung nach dem GesAusG* » ZFR 2021/244

GesAusG: § 2 Abs 2, § 6 Abs 2 AktG: §§ 225c ff ABGB: § 1000 UGB: § 456 OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z

Leitsätze (der Redaktion) 1. Im Überprüfungsverfahren sind keine individuellen, ziffernmäßig bestimmten Leistungszusprüche vorzunehmen. 2. Bei der in § 2 Abs 2 GesAusG angeordneten Verpflichtung zur Zinszahlung handelt es sich nicht um Verzugszinsen, sondern um einen gesetzl standardisierten Ausgleich für die dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht mehr zustehenden Gewinnansprüche. Allfällige Verzugszinsen sind nicht von § 2 Abs 2 GesAusG erfasst. 3. Die ausgeschlossenen Gesellschafter haben auch für den Zuzahlungsbetrag Anspruch auf Zinsen iSd § 2 Abs 2 GesAusG. 4. Die Verzinsung der Barabfindung und der im Überprüfungsverfahren festgelegten baren Zuzahlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und ist daher nicht Gegenstand des Verfahrens zur Überprüfung der Barabfindung. 5. Der Anspruch des nach dem GesAusG ausgeschlossenen Gesellschafters resultiert nicht aus einem Erwerbsgeschäft, sondern ist der gesetzl vorgesehene Ausgleich für die im Entzug der Geschäftsanteile liegende Eigentumsbeschränkung. Für die Anwendung des § 456 UGB besteht daher kein Raum. 6. Vor Eintritt der Rechtskraft der E im Überprüfungsverfahren kann der Lauf der Verjährungsfrist für die aus der baren Zuzahlung geschuldeten Zinsen nach dem GesAusG sowie allfälliger Verzugszinsen nicht einsetzen. 7. Da sich der Unternehmenswert nicht mathematisch exakt bestimmen lässt, hat das Gericht im Rahmen *

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des Überprüfungsverfahrens die Unternehmensbewertung bzw die Angemessenheit der Barabfindung ledigl einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.

Aus der Begründung [1] Die AG war Hauptgesellschafterin iSd § 1 Abs 2 GesAusG der am 31. 12. 2015 aus dem Firmenbuch gelöschten B-AG (...). Am 5. 10. 2015 wurde der geplante Ausschluss der übrigen Aktionäre der Gesellschaft öffentl bekannt gegeben. Am 20. 11. 2015 beschloss die Hauptversammlung der B-AG auf Verlangen der AG den Ausschluss der übrigen Aktionäre gem §§ 1 ff GesAusG. Die Barabfindung je Aktie wurde durch den gemeinsamen Bericht des Vorstands der B-AG und der AG mit 5,80 € festgelegt. Der Gesellschafterausschluss wurde am 23. 12. 2015 im Firmenbuch eingetragen. [2] Insg 20 Minderheitsaktionäre stellten Anträge auf Überprüfung der Barabfindung (...), die darauf abzielten, das Gericht möge eine höhere als die gewährte Barabfindung als angemessen festsetzen. (...) [5] Das ErstG stellte fest, die B-AG habe die Funktion einer Holdinggesellschaft ausgeübt, der die Leitung einer international tätigen Unternehmensgruppe zugekommen sei. (...) Der wesentlichste Vermögenswert sei eine Beteiligung der B-AG an einer dt börsennotierten AG, der A-AG (...) im Umfang von 11,58 % der ausgegebenen Anteile gewesen. (...) [6] Die Heranziehung des dreimonatigen gewichteten durchschnittl Börsenkurses der Aktie der A-AG (...) würde sich auf den Unternehmenswert der B-AG so auswirken, dass der Wert je (BAG-)Aktie 7,12 € betrage. Die Heranziehung des sechsmonatigen gewichteten durchschnittl Börsenkurses (...) führe zu einer Bewertung der Aktie der B-AG mit 6,78 €. Bei Heranziehung des Stichtagskurses zum 20. 11. 2015 ergebe sich ein Wert der Aktie der B-AG von 7,88 €. Der vom Gremium bestellte Sachverständige sprach sich für den Beobachtungszeitraum von sechs Monaten aus. [7] Das ErstG sprach aus, die angebotene Barabfindung von 5,80 € je Aktie sei nicht angemessen, setzte die Barabfindung mit 7,88 € je Aktie zuzügl Zinsen von zwei Prozentpunkten jährl über dem jeweils geltenden Basiszinssatz (...) fest und sprach aus, die AG sei verpflichtet, einen Ausgleich durch bare Zuzahlung von 2,08 € je Aktie der Gesellschaft zuzüglich Zinsen in der genannten Höhe zu leisten. (...) [9] Das RekursG änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es aussprach, die AG habe zu der gewährten Barabfindung von 5,80 € je Aktie einen Ausgleich durch bare Zuzahlung von 0,98 € je Aktie zu leisten. (...)

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[14] Zu der – in dritter Instanz noch strittigen – Behandlung der A-AG sah das RekursG keinen Grund, von einer Durchschnittsbetrachtung des Börsenkurses abzuweichen. Es führte aus, der Börsenkurs werde üblicherweise für die Bewertung der betroffenen Gesellschaft selbst diskutiert. Auch wenn der Börsenkurs nach überwiegender Ansicht nicht den Unternehmenswert indiziere, sei es aus Sicht der ausgeschlossenen Aktionäre schlüssig, darin eine Untergrenze für die Abfindung zu sehen, weil sie ihre Anteile zu diesem Preis am Markt hätten veräußern können. (...) [19] 1. Zur Titulierung von Ansprüchen im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung [20] 1.1. Nach § 6 Abs 1 GesAusG kann die Anfechtung des Beschlusses über den Gesellschafterausschluss nicht darauf gestützt werden, dass die Barabfindung nicht angemessen festgelegt ist. Nach § 6 Abs 2 GesAusG hat die Überprüfung der Barabfindung im (außerstreitigen, § 225e Abs 1 AktG) Verfahren nach den §§ 225c ff AktG zu erfolgen. [21] Diese Zweiteilung des Rechtsschutzes soll sowohl dem Interesse an der raschen Durchführung der Strukturentscheidung als auch dem Interesse an einer Kontrolle (hier:) der Barabfindung Rechnung tragen; sie folgt dem dt Vorbild (vgl ErläutRV 32 BlgNR 20. GP 100). (…) [28] 1.3. Für die österr Rechtslage ist zunächst davon auszugehen, dass die vom Hauptgesellschafter im Zuge des Gesellschafterausschlusses gewährte Barabfindung im streitigen Verfahren geltend zu machen ist (Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out [2006] Rz 244). [29] Die nach § 6 Abs 2 GesAusG für die Überprüfung der Barabfindung anzuwendenden §§ 225c ff AktG enthalten aber keine ausdrückl, dem § 16 dSpruchG vergleichbare Anordnung des streitigen Rechtswegs für die Geltendmachung des individuell zustehenden Anspruchs auf bare Zuzahlung. [30] In der Lit wurde zur österr Rechtslage vor dem AktRÄG 2019 (BGBl I 2019/63) durchwegs vertreten, dass im außerstreitigen Überprüfungsverfahren bereits ein Exekutionstitel geschaffen werde (Gall/Potyka/Winner, Squeezeout Rz 244; Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 [2010] § 225i AktG Rz 6; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 225i Rz 5; Szep in Artmann/Karollus, AktG6 [2019] § 225i Rz 12). (...) (...) [34] In der Rsp liegt eine Stellungnahme des OGH zur Qualität des im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung nach § 6 Abs 2 GesAusG iVm §§ 225c ff AktG zu treffenden Ausspruchs nicht vor. (...) [35] 1.4. Zur Lösung des vorliegenden Falls ist zunächst davon auszugehen, dass allein dem Gesetzeswortlaut keine klare Stellungnahme zur Frage entnommen werden kann, ob im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung – soweit es sich um bekannte Aktionäre handelt – tunlichst ein Exekutionstitel zu schaffen ist oder nicht. (...) (...)

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JUDIKATUR OGH

[37] Entscheidende Bedeutung kommt vielmehr dem Zweck des außerstreitigen Überprüfungsverfahrens zu. (…) [40] Das Überprüfungsverfahren nach § 6 Abs 2 GesAusG iVm den dort verwiesenen Bestimmungen der §§ 225c ff AktG verfolgt damit insg den Zweck, die Frage der Angemessenheit der Barabfindung mit Wirkung für die Gesellschaft und alle Gesellschafter zu beantworten. Der erfolgreiche Antrag führt zu einer Anpassung des Beschlussinhalts im Umfang der angemessenen Festlegung der Barabfindung (6 Ob 221/09z, ErwGr 3.3.4, GesRZ 2010, 228 [Ofner] = EvBl 2010, 661 [Garber]). [41] Das Überprüfungsverfahren zielt hingegen nicht auf die individuelle Anspruchsdurchsetzung ab. Die Erörterung der individuellen Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den einzelnen Gesellschaftern, samt der Beurteilung allfälliger, auf die Person des jeweiligen ASt abzielender Einreden liefe dem Verfahrenszweck, für alle Beteiligten rasch Klarheit über die Höhe der Barabfindung zu schaffen, zuwider. (...) [45] 1.5. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass im Verfahren über die Höhe der Barabfindung des ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafters keine individuellen, ziffernmäßig bestimmten Leistungszusprüche vorzunehmen sind. [46] 2. Zum Ausspruch über die Verzinsung (...) [49] (...) Der Grund für die in § 2 Abs 2 GesAusG angeordnete Verpflichtung zur Zinszahlung für einen Zeitraum vor Fälligkeit der Barabfindung liegt darin, dass es sich nicht um Verzugszinsen, sondern um einen gesetzlich standardisierten Ausgleich für die dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht mehr zustehenden Gewinnansprüche handelt (ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 28 f). [50] Allfällige Verzugszinsen für den Fall der nicht rechtzeitigen Auszahlung der Barabfindung sind nicht von § 2 Abs 2 GesAusG erfasst. Es kommen vielmehr die gesetzl Verzugszinsen zur Anwendung (Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 2 GesAusG Rz 26; Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out Rz 247; ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 28 f). (...) [55] Die Verzinsung der Barabfindung und der im Überprüfungsverfahren festgelegten baren Zuzahlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 2 Abs 2 Satz 2, § 6 Abs 2 Satz 3 GesAusG). Die Verzinsung ist daher nicht Gegenstand des Verfahrens zur Überprüfung der Barabfindung (vgl Kubis in MünchKomm AktG5 § 11 dSpruchG Rz 4; Puszkajler in Kölner Kommentar zum AktG3 § 11 dSpruchG Rz 15). (...) [59] Ein Ausspruch über die Verzinsung ist daher im Überprüfungsverfahren nicht erforderl. (...) [63] Unterschiedl Meinungen werden zum Zeitpunkt vertreten, bis zu dem der Zuzahlungsbetrag gem § 2 Abs 2 Satz 2 GesAusG mit Zinsen von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist und nach dem Zinsen in Höhe der gesetzl Verzugszinsen anfallen. (…) zfr.lexisnexis.at

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[68] Der Inhalt des Verweises in § 6 Abs 2 Satz 3 GesAusG besteht zunächst darin, die Anordnung der Verzinsung ab dem der Beschlussfassung folgenden Tag auch auf die im Überprüfungsverfahren ermittelten baren Zuzahlungen zu erstrecken. § 2 Abs 2 GesAusG ordnet aber auch einen Endpunkt an, bis zu dem dieser Zinssatz gilt, nämlich den Zeitpunkt der Fälligkeit der Barabfindung. Es kann kein Zweifel bestehen, dass für den darauf folgenden Zeitraum die Barabfindung im Fall der verspäteten Leistung nach (allgemeinen) Verzugszinsen zu verzinsen ist. [69] § 6 Abs 2 Satz 3 GesAusG verweist für die Verzinsung der baren Zuzahlung uneingeschränkt, daher auch hinsichtlich des dort angeordneten Endzeitpunkts einer Verzinsung mit zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sinngemäß auf § 2 Abs 2 GesAusG. (...) (...) [72] Aus dem Gesetzeswortlaut im Zusammenhalt mit den Mat (ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 31) ergibt sich insg die gesetzgeberische Intention, die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre auch hinsichtl der Verzinsung so zu stellen, als wäre ihnen von Anfang an eine Barabfindung in angemessener Höhe gewährt worden. [73] Daher haben die ausgeschlossenen Gesellschafter auch für den Zuzahlungsbetrag Anspruch auf Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung folgenden Tag bis zwei Monate nach dem Tag der Veröffentlichung des Beschlusses in der Ediktsdatei. [74] 2.4.2. Für den darauf folgenden Zeitraum sind Zinsen in Höhe der gesetzl Verzugszinssatzes geschuldet. Dazu wurde in der Lit verteten, dass dann, wenn der Gesellschafterausschluss ein beiderseitiges unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft sei, unternehmerische Zinsen (§ 456 UGB) gebührten (Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 2 GesAusG Rz 26; Gall/ Potyka/Winner, Squeeze-out Rz 247). (...) Hingegen spricht sich Kalss in jüngerer Zeit zur Wahrung des aktien- und übernahmerechtl Gleichbehandlungsgebots für die einheitl Anwendung von § 1000 ABGB aus (Kalss in MünchKomm AktG5 § 6 GesAusG Rz 25). [75] Der erkSen schließt sich der letztgenannten Ansicht an. § 456 UGB setzt ein beiderseitiges Unternehmergeschäft voraus (RS0120608 [T6]; Haberer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 456 Rz 10; Dullinger in Artmann, UGB3 § 455 Rz 3). Zwar kann der Erwerb und die Veräußerung von Geschäftsanteilen als unternehmensbezogenes Geschäft zu qualifizieren sein, wenn das Geschäft zum Betrieb des Unternehmens gehört (6 Ob 126/18z). Der Anspruch des nach dem GesAusG ausgeschlossenen Gesellschafters resultiert aber nicht aus einem Erwerbsgeschäft, sondern ist der gesetzl vorgesehene Ausgleich für die im Entzug der Geschäftsanteile liegende Eigentumsbeschränkung (vgl VfGH G 30/2017, ErwGr IV.2.2.2., IV.2.2.4.). Der Vorgang des Gesellschafterausschlusses ist daher – auch wenn es sich beim Minderheitsgesellschafter um einen institutionellen Anleger handelt – einem beiderseitigen unternehmensbezogenen Geschäft nicht gleichzuhalten. Für die Anwendung des § 456 UGB besteht daher kein Raum. Es kommt einheitlich der Verzugszinssatz des § 1000 Abs 1 ABGB zur Anwendung. (...)

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[77] Die Verjährungsfrist beginnt grds zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtl Hindernis mehr entgegensteht (RS0034343 [T2]; RS0034248 [T3]). (...) [78] Erst durch die rechtskräftige E im Überprüfungsverfahren wird der Beschlussinhalt des Ausschlussbeschlusses hinsichtlich der Höhe der je Stückaktie (oder je Aktie zu einem bestimmten Nennwert) geschuldeten Barabfindung angepasst. Die rechtskräftige E im Überprüfungsverfahren ist damit Voraussetzung der Geltendmachung des individuellen, ziffernmäßig bestimmten Anspruchs auf bare Zuzahlung (samt den daraus gebührenden Zinsen) durch den einzelnen ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafter. [79] Vor Eintritt der Rechtskraft der E im Überprüfungsverfahren kann daher der Lauf der Verjährungsfrist für die aus der baren Zuzahlung geschuldeten Zinsen nach dem GesAusG sowie allfälliger Verzugszinsen nicht einsetzen. (...) (...) [81] 3. Zur Angemessenheit der vom RekursG festgesetzten baren Zuzahlung (...) [83] 3.2. Nach § 2 Abs 1 GesAusG hat der Hauptgesellschafter den ausscheidenden Minderheitsgesellschaftern eine „angemessene“, auf den Tag der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung abstellende Barabfindung zu gewähren. Eine gesetzl Determinierung der Angemessenheit wurde nicht getroffen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Ableitung, unter welchen Voraussetzungen die Abfindung angemessen ist und welche Bewertungsmethoden anzuwenden sind, aber auch die Beurteilung der Frage, ob Börsenkurse zu berücksichtigen sind, grds der Rsp überlassen sein (ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 28; vgl Kalss in MünchKomm AktG5 § 2 GesAusG Rz 11). [84] Da sich der Unternehmenswert nicht mathematisch exakt bestimmen lässt, hat das Gericht im Rahmen des Überprüfungsverfahrens die Unternehmensbewertung bzw die Angemessenheit der Barabfindung lediglich einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen (vgl Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 225c AktG Rz 17; Foglar-Deinhardstein/Molitoris/ Hartig, Angemessene Barabfindung beim Squeeze-out: Jagd nach einer Chimäre? GesRZ 2020, 43 [49 f]). (...) Anmerkung: Die vorliegende E betrifft den Gesellschafterausschluss bei der BEKO Holding AG.2 Bereits die RekE gab Anlass für eine wissenschaftl Auseinandersetzung mit Kernfragen des Überprüfungsverfahrens nach § 6 Abs 2 GesAusG iVm §§ 225c ff AktG.3 Dies überrascht nicht, zumal die vorliegende E – soweit ersichtl –

2 3

H. Foglar-Deinhardstein/Aichinger, Anmerkung zu OGH 6 Ob 246/20z, GesRZ 2021, 241 (247). OLG Wien 1. 10. 2020, 6 R 78/20i; H. Foglar-Deinhardstein/Aichinger, Angemessene Barabfindung beim Squeeze-out: OLG fasst heiße Eisen an, GesRZ 2021, 74.

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erst die zweite OGH-E betreffend das Nachprüfungsverfahren nach einem Squeeze-out seit Inkrafttreten des GesAusG 2006 darstellt.4 Diese Gelegenheit hat der OGH auch genutzt, um einige Klarstellungen betreffend das Überprüfungsverfahren vorzunehmen, die kontrovers diskutiert wurden.5 I. Kein Exekutionstitel im Überprüfungsverfahren Zur Titulierung von Ansprüchen im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung hat der OGH entgegen der bisher hL zur Rechtslage vor dem AktRÄG 2019 (BGBl I 2019/63) festgehalten, dass im außerstreitigen Überprüfungsverfahren kein Exekutionstitel geschaffen wird.6 Vielmehr wird im Überprüfungsverfahren nach dt Vorbild (dSpruchG) mit Erga-omnes-Wirkung festgestellt, welche Zahlung angemessen ist. Ansprüche von Anteilsinhabern sind hingegen jeweils einzeln im streitigen Verfahren geltend zu machen.7 Vehement gegen diese Ansicht sprechen sich Vanovac/Löffler aus und begründen dies insb mit dem mögl Fehlen eines Gerichtsstands gegen den Hauptaktionär im Inland und den notwendigen zeitl und finanziellen Investitionen für ein nachgelagertes Verfahren, die viele Kleinaktionäre abschrecken würden.8 Zutreffend ist zwar, dass E im Verfahren nach § 80 AußStrG – soweit nicht anderes angeordnet ist – nach der EO zu vollstrecken sind.9 Doch gerade in dieser Hinsicht nimmt der OGH eine Einschränkung vor und begründet dies mit dem Zweck des Überprüfungsverfahrens, nämlich einer raschen, kostengünstigen und formfreien Erörterung der zentralen Bewertungsfragen. Eine Erörterung der individuellen Ansprüche würde dem Verfahrenszweck zuwiderlaufen und ist daher nicht vorzunehmen.10 Zudem wird – wie Rüffler zutreffend anmerkt – „begründete Aussicht darauf bestehen, dass betroffene Hauptgesellschafter nach Durchführung des Überprüfungsverfahrens Zuzahlungen samt Zinsen leisten, ohne dazu durch weitere streitige Verfahren gezwungen werden zu müssen“.11 II. Zu den Zinsen vor Fälligkeit Gem § 2 Abs 2 GesAusG stehen den ausgeschlossenen Gesellschaftern Zinsen in Höhe von jährlich zwei Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz für einen bestimmten Zeitraum nach der Beschlussfassung betreffend den Gesellschafterausschluss zu. Dabei handelt es sich nicht um Verzugszinsen, sondern um einen gesetzlich standardisierten Ausgleich 4

S davor OGH 6 Ob 138/19s GesRZ 2020, 150 (Zollner), sowie H. Foglar-Deinhardstein/Molitoris/Hartig, Angemessene Barabfindung beim Squeezeout: Jagd nach einer Chimäre? GesRZ 2020, 43. 5 OGH 6 Ob 246/20z GesRZ 2021, 241 (weitgehend zustimmend H. FoglarDeinhardstein/Aichinger) = GesRZ 2021, 241 (großteils ablehnend Vanovac/Löffler); kritisch insb zur Höhe der Verzugszinsen Rüffler, Zur Verzinsung der Barabfindung und zugesprochener barer Zuzahlungen gemäß § 6 Abs 2 GesAusG, GesRZ 2021, 209. 6 OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z, Rn 30 mwN. 7 OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z, Rn 23 mwN. 8 Vanovac/Löffler, Anmerkung zu OGH 6 Ob 246/20z, GesRZ 2021, 241 (249). 9 Vanovac/Löffler, GesRZ 2021, 241 (249). 10 OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z, Rn 39 ff; in diese Richtung bereits Zottl/ Pendl, Die Überprüfung der Barabfindung, GesRZ 2019, 216 (226). 11 Rüffler, GesRZ 2021, 209 (210).

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JUDIKATUR OGH

für die nicht mehr zustehenden Gewinnansprüche. Im Hinblick auf die Zinsen nach § 2 Abs 2 GesAusG hält der OGH in Übereinstimmung mit der hL fest, dass diese sowohl für die Barabfindung als auch für etwaige Zuzahlungen Anwendung finden und für den gleichen Zeitraum, näml ab dem der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung folgenden Tag bis zur Fälligkeit (zwei Monate nach der Bekanntmachung der Eintragung des Ausschlusses in das Firmenbuch), zustehen.12 Dies auch in Übereinstimmung mit den Mat, wonach die ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafter auch hinsichtl der Verzinsung barer Zuzahlungen so zu stellen sind, als ob die Barabfindung von vornherein angemessen gewesen wäre.13 III. Zu den Zinsen nach Fälligkeit Für die Verzinsung ab Fälligkeit der Ansprüche finden nach einhelliger Ansicht die allgemeinen zivilrechtl Rechtsvorschriften Anwendung.14 Doch welche konkreten Rechtsvorschriften heranzuziehen sind, wird nicht einheitl gelöst. Umstritten ist, ob die unternehmerischen Verzugszinsen gem § 456 UGB zur Anwendung kommen können.15 Fragl ist, ob der Beschluss über den Gesellschafterausschluss überhaupt ein Rechtsgeschäft darstellt. Denn der Anwendungsbereich des § 456 UGB ist eröffnet, wenn ein beiderseitiges Unternehmergeschäft vorliegt.16 Dies verneint der OGH mit der Begründung, dass es sich bei dem Anspruch des nach dem GesAusG ausgeschlossenen Gesellschafters um den gesetzl vorgesehenen Ausgleich für die im Entzug der Geschäftsanteile liegende Eigentumsbeschränkung handelt und dieser nicht aus einem Erwerbsgeschäft entspringt.17 Als Rechtsgeschäft iSd § 455 UGB wird dieser Beschluss hingegen von Rüffler eingestuft, weil es sich dabei „gleichsam um einen, freil zwangsweisen Kaufvertrag“ handelt und der Normzweck der §§ 455 ff UGB dies erfordert.18 Für eine Gleichbehandlung zwischen einer freiwilligen Deinvestition und einer „gesetzlich zulässige[n] Enteignung unter Privaten“ plädieren auch Vanovac und Löffler.19 Wenngleich die Argumente für das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts auf den ersten Blick über-

12 OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z, Rn 46 ff; Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung3 (2021) § 2 GesAusG Rz 27 ff sowie § 6 GesAusG Rz 28; Kalss/ Zollner, Squeeze-out (2007) § 6 GesAusG Rz 14; aA Kalss in MüKo AktG5 (2020) § 6 GesAusG Rz 25, wonach die Fälligkeit eines Erhöhungsbetrags (und somit der dafür zustehenden Zinsen nach § 2 Abs 2 GesAusG) erst im Zeitpunkt der rechtskräftigen E des ÜberprüfungsG vorliegt. 13 ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 31; OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z, Rn 72. 14 Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out (2006) Rz 247; Kalss, Verschmelzung3 § 2 GesAusG Rz 27; Kalss in MüKo AktG5 § 6 GesAusG Rz 25. 15 Ablehnend Kalss, Verschmelzung3 § 2 GesAusG Rz 27; Kalss in MüKo AktG5 § 6 GesAusG Rz 25; H. Foglar-Deinhardstein/Aichinger, GesRZ 2021, 241 (248); H. Foglar-Deinhardstein/Aichinger, GesRZ 2021, 74 (80 f); bejahend Rüffler, GesRZ 2021, 209 (212 ff ); OLG Wien 1. 10. 2020, 6 R 78/20i; Kalss, Verschmelzung2 (2010) § 2 GesAusG Rz 26; Gall/Potyka/Winner, Squeezeout (2006) Rz 247. 16 Dullinger in Artmann, UGB3 (2019) § 455 Rz 3. 17 OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z, Rn 75 mit Verweis auf VfGH 27. 6. 2018, G 30/2017 GesRZ 2018, 248 (Durstberger); zustimmend H. Foglar-Deinhardstein/Aichinger, GesRZ 2021, 241 (248). 18 Rüffler, GesRZ 2021, 209 (212). 19 Vanovac/Löffler, GesRZ 2021, 241 (250).

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zeugend erscheinen, ist mE fragl, ob eine Eigentumsbeschränkung, die gänzl ohne Zutun der Minderheitsaktionäre erfolgen kann, einem Rechtsgeschäft gleichgehalten werden kann. Aber auch der Zweck der Bestimmungen betreffend die Verzugszinsen gem §§ 455 ff UGB, eine bessere Zahlungsmoral im unternehmerischen Verkehr zu erzielen, spricht nicht zwingend für ihre Anwendbarkeit im Falle des Gesellschafterausschlusses. Denn für den Hauptgesellschafter ist eine frühere Zahlung mangels Kenntnis des Nachzahlungsbetrags auch faktisch nicht mögl.20 Gleichbehandlungsargumente in Bezug auf die Verzugszinsen sind hingegen weniger überzeugend für die Anwendbarkeit der unternehmerischen Verzugszinsen, denn die Entschädigung für den Eigentumseingriff, näml die Barabfindung sowie etwaige Zuzahlungen samt pauschalierter Entschädigung für die nicht mehr zustehenden Gewinnansprüche, ist für alle ausgeschlossenen Gesellschafter gleich.21 IV. Zur Verjährung Eine weitere Klarstellung trifft der OGH hinsichtl der Verjährung für die aus der baren Zuzahlung geschuldeten Zinsen nach dem GesAusG sowie allfälliger Verzugszinsen und betont zu Recht, dass die Verjährung nicht vor Eintritt der Rechtskraft der E im Überprüfungsverfahren einsetzen kann, weil die Verjährungsfrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem das Recht zuerst hätte ausgeübt werden können.22 Mariya Hubcheva

20 So H. Foglar-Deinhardstein/Aichinger, GesRZ 2021, 74 (81), die jedenfalls eine teleologische Reduktion als notwendig erachten; s hingegen auch hier Rüffler, GesRZ 2021, 209 (212), der aus dem Normzweck, insb unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden ZahlungsverzugsRL, zu einem diametral anderen Ergebnis gelangt. 21 In diesem Sinne Rüffler, GesRZ 2021, 209 (212), und Vanovac/Löffler, GesRZ 2021, 241 (250); aA Kalss in MüKo AktG5 § 6 GesAusG Rz 25 und § 2 GesAusG Rz 27, sowie H. Foglar-Deinhardstein/Aichinger, GesRZ 2021, 74 (80 f). 22 OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z, Rn 77 ff.

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Ordentliche Kündigung des Treuhandvertrages bei der atypischen stillen Gesellschaft » ZFR 2021/245

UGB: § 184 ABGB: § 1021 OGH 23. 6. 2021, 6 Ob 85/21z

Leitsätze (der Redaktion) 1. Bei der ordentl Kündigung eines Treuhandverhältnisses ist der Treuhänder nicht dazu verhalten, allenfalls gegenläufige wirtschaftl Interessen des Treugebers zu berücksichtigen oder gar dessen Zustimmung einzuholen. 2. Hat der Treuhänder das Recht, die (mittelbare) Gesellschaftsbeteiligung des Treugebers ohne Rücksicht auf dessen geschäftl Interessen durch bloße Kündigung der Treuhandbeziehung zu beenden, dann spricht nichts dafür, dass er in Ansehung seines Rechts zur Kündigung der (in seinem eigenen Namen gehaltenen) Beteiligung an der atypischen stillen Gesellschaft einer weiter gehenden Innenbindung unterliegen soll. [1] Die Rechtsvorgängerin der Bekl, die G-AG (kurz: G), schloss mit der B-GmbH & Co KG (kurz: B) mit Wirkung 1. 11. 1986 einen atypisch stillen Gesellschaftsvertrag, in dem vorgesehen war, Anteile dieser Beteiligung an Dritte zu übertragen. Der zwischen der B und der G abgeschlossene Gesellschaftsvertrag lautet – soweit wesentl – wie folgt: „[...] VIII. Geschäftsjahr Das Geschäftsjahr der Kommanditgesellschaft beginnt jeweils am 1. 11. und endet am darauffolgenden 31. 10. [...] XIII. Dauer der Gesellschaft, Kündigung 1. Die stille Gesellschaft wird auf unbestimmte Zeit errichtet. Eine Kündigung (ganz oder teilweise) der stillen Gesellschaft durch die Kommanditgesellschaft ist erstmals mit Wirkung zum 31. 10. 1994 möglich. Ab diesem Zeitpunkt kann die stille Gesellschaft durch die Kommanditgesellschaft jährlich mit Wirkung zum Ende eines Geschäftsjahres durch Kündigung aufgelöst werden. 2. Die G***** verzichtet auf die Dauer von 11 Jahren auf die Kündigung der stillen Gesellschaft. Eine Kündigung der stillen Gesellschaft, die vor dem 31. 10. 1998 wirksam wird, ist nicht möglich. Ab diesem Zeitpunkt kann die stille Gesellschaft durch die G***** jährlich mit Wirkung zum Ende eines Geschäftsjahres durch Kündigung (ganz oder teilweise) aufgelöst werden. [...] XVI. Beteiligung Dritter Die G***** ist ausdrücklich berechtigt, Anteile ihrer Beteiligung an dritte Personen zu übertragen. Dies in der Weise, dass die G***** die Beteiligung weiter im eigenen Namen, jedoch auf Rechnung Dritter hält. [...]“ [2] Der Kl zeichnete die Beteiligung am 13. 5. 1987 iHv von 300.000 ATS (21.802 €). Er schloss als Treugeber mit der Bekl eine Treuhandvereinbarung mit folgendem (auszugsweisem) Inhalt:

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„[...] 3.2. Die Treuhänderin ist verpflichtet, die Mittel im Sinne des Treuhandvertrages zu verwenden, die zu übernehmende Beteiligung zu verwalten und dem Treugeber allen Nutzen aus dieser Beteiligung herauszugeben. Die Treuhänderin wird weiters unwiderruflich vom Treugeber ermächtigt, nach eigenem Ermessen unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentl Kaufmannes die Rechte aus der atypisch stillen Beteiligung auszuüben. In diesem Sinne hat die Treuhänderin auf die Durchführung sämtl Maßnahmen zu drängen, welche geeignet erscheinen, den wirtschaftl Erfolg des Unternehmens und damit den Erfolg der einzelnen Treugeber zu sichern. 3.3. Das Treuhandverhältnis besteht auf unbestimmte Zeit. Der Treugeber und die Treuhänderin verzichten auf eine Kündigung, die vor dem 31. 10. 1998 wirksam wird. Die Treuhänderin kann das Treuhandverhältnis außerdem aus wichtigen Gründen auflösen. Die Kündigung hat mittels eingeschriebenem Briefes mit einer Kündigungsfrist von sieben Monaten zu erfolgen. Sie kann jeweils nur zum Ende eines jeden Geschäftsjahres des Geschäftsherrn wirksam werden. 3.4. Die Auflösung des Treuhandverhältnisses, aus welchem Grunde immer, bewirkt ein Ausscheiden des Treugebers aus seiner Beteiligung gem Gesellschaftsvertrag. Die Treuhänderin ist verpflichtet, bei dem Unternehmen hinsichtlich der auf den Treugeber entfallenden Beteiligung die Auseinandersetzung herbeizuführen und den nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages zustehenden Auseinandersetzungsbetrag an den Treugeber herauszugeben. Die Pflichten der Treuhänderin enden daher erst mit Auszahlung dieser Beträge der Beteiligten. Die Treuhänderin ist jedoch berechtigt, die auf den Treugeber entfallende Beteiligung gegen Bezahlung eines Entgeltes in Höhe des Auseinandersetzungsanspruches selbst oder durch einen von ihr namhaft gemachten Dritten durch einseitige Erklärung zu erwerben, wodurch die Auseinandersetzung unterbleibt.“ [3] Mit Schreiben vom 27. 4. 2016 wurde der Kl namens der Bekl darüber informiert, dass die atypisch stille Gesellschaft mit Wirkung zum 31. 10. 2016 unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten gem Pkt XIII. 2. des Gesellschaftsvertrags gekündigt worden sei; damit ende das Treuhandverhältnis entsprechend dem atypisch stillen Gesellschaftsvertrag ebenfalls mit Wirkung 31. 10. 2016. [4] Der Kl begehrt von der Bekl den Ersatz von zuletzt 9.820 €. Er habe die atypisch stille Beteiligung an der B als Verbraucher im Jahr 1987 als langfristige Investition erworben. Die Kündigung des Beteiligungsverhältnisses durch die Bekl zum 31. 10. 2016 sei treuwidrig, aus Eigennutz, ohne wirtschaftl nachvollziehbaren Grund und ohne vorhergehende Rücksprache erfolgt. Die Bekl sei in ihrer E, die Beteiligung zu kündigen, allerdings nicht frei gewesen. Nach Pkt 3.2. der Treuhandvereinbarung hätte sie diese Kündigung nur nach pflichtgemäßem Ermessen unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentl Kaufmanns erklären dürfen. Angesichts des nachhaltigen wirtschaftl Erfolgs der Beteiligung für den Treugeber (= Kl) hätte die Bekl folgl von der Kündigung absehen und die Beteiligung noch zumindest elf Jahre lang weiterführen müssen, in denen die B***** weiterhin Bilanzgewinne erzielt hätte. Der Kl hätte dann auch noch im Zeitraum 2017 bis 2027 jährl Gewinnanteile zugewiesen bekommen und so die Ver-

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steuerung des Abschichtungswerts hinausschieben können. Der solcherart entgangene Vermögenszuwachs in Höhe des Klagebetrags werde als „Vorverlegungsschaden“ begehrt. [...]

Aus der Begründung [...] [10] 1. Der Kl steht auch noch im RevVerfahren auf dem Standpunkt, der Bekl sei deshalb ein Verstoß gegen ihre aus dem Treuhandverhältnis erfließende, in Pkt 3.2. der Treuhandabrede näher konkretisierte Interessenwahrungspflicht (allgemein dazu RS0107334 [T1]) zum Vorwurf zu machen, weil sie die Beteiligung an der atypischen stillen Gesellschaft nicht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Bedachtnahme auf die wirtschaftl Interessen des Treugebers zumindest bis ins Jahr 2027 weitergeführt, sondern bereits im Jahr 2016 aus eigennützigen Motiven trotz anhaltender Bilanzgewinne der Gesellschaft aufgekündigt habe, ohne zuvor die Zustimmung des Kl einzuholen. [11] 1.1. Schon die Vorinstanzen haben dem zutreffend entgegengehalten, dass nach der insoweit eindeutigen Regelung in Pkt 3.3. des Treuhandvertrags die Bekl nach dem 31. 10. 1998 zur Kündigung der im Innenverhältnis zwischen den Streitteilen bestehenden Treuhandbeziehung berechtigt war, ohne dass sie dazu verhalten gewesen wäre, allenfalls gegenläufige wirtschaftl Interessen des Treugebers zu berücksichtigen oder gar dessen Zustimmung einzuholen. Dieses an keine inhaltl Voraussetzungen geknüpfte ordentl Kündigungsrecht sowie die rechtl Konsequenz einer solcherart erfolgten Auflösung des Treuhandverhältnisses, näml das gleichzeitige Ende der Beteiligung des Treugebers an der atypischen stillen Gesellschaft (vgl Pkt 3.4. des Treuhandvertrags), werden vom Kl im Rechtsmittelverfahren auch nicht mehr in Zweifel gezogen. [12] 1.2. Wenn nun aber die Bekl als Treuhänderin ohnedies das Recht hat, die (mittelbare) Gesellschaftsbeteiligung des Kl ohne Rücksicht auf dessen geschäftl Interessen durch bloße Kündigung der Treuhandbeziehung zu beenden, dann spricht – ausgehend von einer am Zweck des Treuhandgeschäfts (RS0107334 [T2, T4]) orientierten Vertragsauslegung unter Bedachtnahme auf den objektiven Empfängerhorizont (s RS0113932 [T8, T11]; RS0014160 [T37]) – nichts dafür, dass sie in Ansehung ihres Rechts zur Kündigung der (in ihrem eigenen Namen gehaltenen) Beteiligung an der atypischen stillen Gesellschaft einer weiter gehenden Innenbindung unterliegen sollte. Warum sich aus Pkt 3.2. der Treuhandvereinbarung eine solche Differenzierung ergeben sollte, legt der Kl nicht dar; ebenso wenig hat er im Verfahren eine entsprechende, vom Urkundeninhalt abweichende übereinstimmende Parteiabsicht behauptet. [13] 1.3. Der vom Kl im Kern erhobene Fehlverhaltensvorwurf, die Bekl habe die treuhändig gehaltene Gesellschaftsbeteiligung unter Missachtung der wirtschaftl Interessen des Treugebers und damit pflichtwidrig gekündigt, erweist sich vor diesem Hintergrund als nicht stichhaltig. Da somit schon der behauptete objektive Sorgfaltsverstoß der Bekl zu verneinen ist, gehen die in der Rev angestellten Erwägungen zur Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens zfr.lexisnexis.at

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von vornherein ins Leere. Damit kommt es aber auf die vom Kl als maßgebl erachtete Frage, ob die Kündigung des Treuhandverhältnisses fristgerecht und folgl rechtswirksam erfolgte, gar nicht an. [14] 2. Nur der Vollständigkeit halber ist zudem darauf hinzuweisen, dass der Kl seinen Ersatzanspruch im erstinstanzl Verfahren – wie vom BerufungsG zutreffend hervorgehoben – gerade nicht auf eine fristwidrige und damit rechtsunwirksame Kündigung des Treuhandverhältnisses gestützt hat. Soweit also das Bezug habende Rechtsmittelvorbringen des Kl im Berufungs- sowie im RevVerfahren dahin zu verstehen sein sollte, dass sich der begehrte Ersatzbetrag zumindest teilweise aus einer fristwidrig erfolgten Kündigung ableiten ließe, so läge darin – wegen des neuen Rechtswidrigkeitsvorwurfs – eine Klageänderung, der das im Rechtsmittelverfahren geltende Neuerungsverbot entgegenstünde (§ 483 Abs 4 iVm § 513 ZPO; RS0039377; Lovrek in Fasching/Konecny3 IV/1 § 504 ZPO Rz 16 mwN). [...] Bearbeiter: Ulrich E. Palma

BANKRECHT

Zum Feststellungsinteresse bei Verweigerung der Konvertierung eines Fremdwährungskredits » ZFR 2021/246

ZPO: §§ 228, 511 Abs 1 OGH 23. 6. 2021, 6 Ob 91/21g – Stattgabe der Rev und Zurückverweisung

Leitsatz (der Redaktion) Lässt sich der Schaden der Kl zum Zeitpunkt des Erhebens der Feststellungsklage auch nicht annähernd abschätzen, wäre die Erhebung eines Leistungsbegehrens gerade im Hinblick auf ein bereits seit mehreren Jahren laufendes Kreditverhältnis zwischen den Parteien und die mehreren unterschiedl Konten sowie die zahlreichen Konvertierungsaufträge zwischen mehreren Währungen zumindest untunlich. Mit der E 6 Ob 132/19h1 hatte der OGH dem ErstG die neuerl E nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Im fortzusetzenden

1

In dieser E hatte das bekl Kreditinstitut einen Kreditvertrag zu Unrecht so ausgelegt, dass die von den Kl beauftragten Konvertierungen nicht durchgeführt wurden. Die Kl hatten daher die (positive) Feststellung des Konvertierungsrechts begehrt. Andererseits hatte die Bekl bereits mehrere Konvertierungen verweigert, woraus den Kl jeweils Konvertierungsschäden entstanden waren. Der OGH entschied, dass jede einzelne Verweigerung einer Konvertierung verjährungsrechtl jeweils gesondert zu beurteilen sei. Hierzu s Völkl/Schagerl, Anlageberaterhaftung: Judikatur 2019 im Überblick, ZFR 2020/219, 500 ff (Pkt 5.2.).

Verfahren werde es aufseiten der Kl erforderl sein, konkret zu behaupten, welche Aufträge zur Konvertierung bzw Umstellung des Indikators die Bekl nicht befolgt habe. Folge der Selbstständigkeit der für den Schaden aus jeder selbstständigen Verletzungshandlung laufenden selbstständigen Verjährungsfrist sei nämlich, dass die jeweiligen Schadensereignisse im Feststellungsbegehren identifiziert werden müssten, würden doch andernfalls zentrale Fragen wie die nach der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Bekl in ein allfälliges späteres Verfahren über eine Leistungsklage verschoben werden. Dann könnte die Feststellungsklage aber nicht die mit ihr verfolgte Klarstellungsfunktion erfüllen. Im fortgesetzten Verfahren präzisierte der KV sein Begehren dahin gehend, dass das Hauptbegehren zu lauten habe wie folgt: „Es wird zwischen den klP und der beklP festgestellt, dass die klP das vertragl Recht haben, einseitige Konvertierungsaufträge in den japanischen Yen, den US-Dollar und den SFR zu beauftragen, und die beklP den klP für jeden Schaden haftet, der aus der Verweigerung der Konvertierung in Euro am 24. 8. 2009, sowie der Verweigerung der Konvertierung in japanische Yen am 22. 10. 2012, sowie der Verweigerung der Konvertierung in Euro am 11. 1. 2019, sowie der Verweigerung der Konvertierung in japanische Yen am 2. 4. 2019, sowie der Verweigerung der Konvertierung in Euro am 29. 9. 2020, sowie aller zukünftig erteilter und nicht durchgeführter Konvertierungsaufträge in japanische Yen, den US-Dollar, den SFR und Euro, für die – im Einzelnen näher angeführten – Konten der Kl entsteht.“ Das ErstG wies das Hauptbegehren ab, gab jedoch einem Eventualbegehren Folge und stellte zwischen den Parteien fest, dass die Kl das vertragl Recht haben, einseitige Konvertierungsaufträge in den japanischen Yen, den USD und SFR zu beauftragen, und die Bekl den Kl für jeden Schaden hafte, der aus der Verweigerung von Konvertierungen in den japanischen Yen, den USD und den SFR für im Einzelnen näher bezeichnete Konten der Kl zukünftig entsteht. Außerdem stellte das ErstG fest, dass die Kl das vertragl Recht hätten, frei zwischen dem Indikator drei-, sechs- und zwölf-Monats-Libor plus Aufschlag 1 % zu wählen, und die Bekl den Kl für jeden Schaden, der aus der Verweigerung des Indikatorwechsels für die Konten der Kl zukünftig entstehe, hafte. Das BerufungsG bestätigte die E, dies jedoch im Spruchpunkt II.1. hinsichtl der Haftung für die Verweigerung der Konvertierung in japanische Yen am 22. 10. 2012 mit der Maßgabe, dass das Klagebegehren zurückgewiesen wurde.

Aus der Begründung (...) [16] 2. Hingegen ist die Rev der Kl aus Gründen der Rechtssicherheit berechtigt. [17] 2.1. Gem § 511 Abs 1 ZPO ist das Gericht, an welches die Sache zurückverwiesen wurde, bei der weiteren Behand-

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JUDIKATUR OGH

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lung und E an die rechtl Beurteilung gebunden, welche das Revisionsgericht seinem aufhebenden Beschluss zugrunde gelegt hat. [18] 2.2. Die Ergänzungsaufträge des OGH in der E 6 Ob 132/19h betrafen naturgemäß in der Vergangenheit liegende Konvertierungsaufträge, wäre doch andernfalls die aufgetragene Präzisierung der Zeitpunkte der Auftragserteilung gar nicht mögl (gewesen). Damit wäre die Aufgabe der Vorinstanzen im dritten Rechtsgang ledigl gewesen, das Klagebegehren zu erörtern und bei dessen entsprechender Präzisierung seine Berechtigung anhand allenfalls erforderl ergänzender Feststellungen zu beurteilen. [19] Hingegen bestand kein Raum für die Prüfung eines Feststellungsinteresses, wären doch andernfalls die vom erkSen erteilten Ergänzungsaufträge sinnlos gewesen. Ein derartiges Verständnis kann dem Aufhebungsbeschluss aber nicht beigelegt werden. [20] 2.3. Ledigl ergänzend ist darauf zu verweisen, dass ein Feststellungsbegehren (auch) dann möglich ist, wenn ein mögl Leistungsanspruch den Feststellungsanspruch nicht voll ausschöpft (RS0039202 [T8]). Eine Feststellungsklage ist selbst dann möglich, wenn ein Leistungsanspruch in Betracht kommt, aber der Kl ein umfassenderes Rechtsschutzziel verfolgt (4 Ob 231/06h), das Rechtsschutzziel mit dem Feststellungsanspruch einfacher, sicherer und prozessökonomischer erreicht werden kann, was insb bei Dauerschuldverhältnissen gilt (RS0039110), oder wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen und einen künftigen Leistungsanspruch abzuschneiden (RS0038908). [21] Gerade im Hinblick auf das bereits seit mehreren Jahren laufende Kreditverhältnis zwischen den Parteien und die mehreren unterschiedl Konten sowie die zahlreichen Konvertierungsaufträge zwischen mehreren Währungen wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Erhebung eines Leistungsbegehrens zumindest untunl, lässt sich doch der Schaden der Kl zum derzeitigen Zeitpunkt auch nicht annähernd abschätzen. [22] 2.4. Weitere Erwägungen zur Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens waren – wie ausgeführt – nach dem Aufhebungsbeschluss des OGH von den Vorinstanzen nicht anzustellen. [23] 3. Damit erweist sich aber die Rev iS des Aufhebungsbegehrens als berechtigt. [24] Die konkrete Klärung, welche Teile der Korrespondenz zwischen den Streitteilen bereits als ausreichend bestimmte konkrete Aufträge zu qualifizieren sind und inwieweit es sich dabei um bloße Anfragen handelte, war zweckmäßigerweise aufgrund der schon vom BerufungsG zutreffend hervorgehobenen Einzelfallbezogenheit der E dem BerufungsG aufzutragen, zumal dazu teilweise auch bereits Feststellungen des ErstG vorliegen. Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

INSOLVENZRECHT

Zur Rechtsunwirksamkeit von Handlungen des Schuldners im Insolvenzverfahren » ZFR 2021/247

IO: § 2 Abs 2, § 3 Abs 1, §§ 27 ff OGH 19. 5. 2021, 17 Ob 6/21p – Abweisung der Rev der beklP

Leitsätze (der Redaktion) 1. Erkennt der Insolvenzverwalter eine Darlehensforderung als Masseforderung an und genehmigt er daher einen vom Gemeinschuldner geschlossenen Darlehensvertrag mit der Wirkung ex tunc, so betreffen schon aus diesem Grund die Zahlungen, die mit diesem Darlehensbetrag an einen Gläubiger geleistet werden, die Insolvenzmasse, weil die Genehmigung des Darlehensvertrags auch die Zuzählung der Darlehenssumme erfasst. 2. Eine Übertragung der Grundsätze der §§ 27 ff auf § 3 IO kommt nicht in Betracht. Der Bekl vertrat die spätere Gemeinschuldnerin 2014 anwaltlich und stellte für seine Leistungen insg 13.222,73 € in Rechnung, die er in weiterer Folge einklagte, worauf Zahlungsbefehle ergingen. Nach deren Rechtskraft wurden zugunsten dieser Forderungen Pfandrechte auf einer Vielzahl von Liegenschaften der späteren Gemeinschuldnerin einverleibt. Am 20. 12. 2016 wurde das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet. Am 3. 1. 2017 gewährte NF („Darlehensgeber“) der Schuldnerin in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung ein Darlehen von 150.000 €. Unmittelbar nach Unterfertigung des Darlehensvertrags überwies der Darlehensgeber – laut Anweisung der Gemeinschuldnerin – den Darlehensbetrag auf das Kanzleikonto eines Anwalts, der damit im Auftrag der Gemeinschuldnerin an diverse Gläubiger Zahlungen nach Insolvenzeröffnung leisten sollte. Dementsprechend überwies er auch am 3. 1. 2017 13.511,92 € an den Bekl. Daraufhin wurden die vom Bekl betriebenen Exekutionsverfahren eingestellt und die Pfandrechte gelöscht. Der Darlehensgeber meldete die Darlehensforderung im Insolvenzverfahren als vom Insolvenzverwalter auch anerkannte Masseforderung an. Der kl Insolvenzverwalter begehrt hier die Feststellung der Unwirksamkeit der von der Schuldnerin an den Bekl nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Überweisung und die Rückzahlung dieses Betrags in die Masse. Die Schuldnerin habe nach Insolvenzeröffnung und ohne Wissen und Zustimmung des Insolvenzverwalters Zahlung geleistet. Diese sei daher nach § 3 Abs 1 IO unwirksam. Das ErstG gab dem nach teilweiser Zahlung eingeschränkten Klagebegehren statt. Ob die Rechtshandlungen der Schuldnerin nach Insolvenzeröffnung für die Masse vorteilhaft oder schädlich seien, sei zfr.lexisnexis.at

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unerheblich, weil § 3 IO jeder Rechtshandlung des Schuldners, die in die Verfügungsgewalt des Masseverwalters eingreife, die Rechtswirksamkeit (relativ) abspreche. Das BerufungsG bestätigte das Urteil.

Aus den Entscheidungsgründen (...) [13] 1.1. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 IO). Nach § 3 Abs 1 IO sind Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam. [14] 1.2. Die Insolvenzeröffnung bringt eine doppelte Verfügungsbeschränkung für den Schuldner mit sich, nämlich eine tatsächlich mit der Übernahme der Verwaltung durch den Insolvenzverwalter und eine rechtlich, unmittelbar mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintretende, die sich in der relativen Unwirksamkeit der Rechtshandlungen des Schuldners äußert. Sie führt zu keiner allgemeinen Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Schuldners. Dieser bleibt vielmehr verpflichtungsfähig. Allerdings sind die die Masse betreffenden Rechtshandlungen des Schuldners den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam (RS0063784), und zwar soweit es der Insolvenzzweck, nämlich die Bewahrung der Masse, erfordert (1 Ob 220/08x). [15] 2.1. Unter Rechtshandlungen des Schuldners, soweit sie die Insolvenzmasse betreffen, sind nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern alle Handlungen zu verstehen, die rechtl Wirkungen hervorbringen (RS0068855; RS0063784 [T10]). Dabei genügt es, dass die rechtl Wirkungen im Vermögen des Schuldners nur mittelbar die Masse betreffen (vgl 8 Ob 143/01i mwN; Schubert in Konecny/ Schubert, Insolvenzgesetze [Stand 1. 5. 1999, rdb.at] § 3 KO Rz 10; Buchegger in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 § 3 Rz 8). Auch eine Zahlung des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine massebezogene Rechtshandlung, sofern sie nicht aus dem insolvenzfreien Vermögen erfolgt (vgl Feil, Insolvenzordnung8 § 3 Rz 16). [16] 2.2. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens leistete die Schuldnerin aus dem von ihr aufgenommenen Privatdarlehen an den Bekl Zahlungen, um die Einstellung der von ihm betriebenen Exekutionsverfahren und die Löschung der auf den Liegenschaften bestehenden Pfandrechte zu erreichen. Die Darlehensforderung wurde vom Kl als Masseforderung anerkannt. [17] 2.3. Nach Lehre und Rsp können unwirksame Handlungen des Schuldners durch den Insolvenzverwalter mit Wirkung ex tunc genehmigt werden. Die unwirksame Rechtshandlung des Schuldners wird dadurch rückwirkend geheilt. Ihr wird volle Wirksamkeit auch in Ansehung der Insolvenzmasse verliehen (vgl 1 Ob 220/08x mwN; Kodek in Koller/Lovrek/Spitzer, Insolvenzordnung [2019] § 3 Rz 24 f). [18] 2.4. Durch Anerkennung der Darlehensforderung als Masseforderung genehmigte der Kl daher den von der Schuldnerin

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geschlossenen Darlehensvertrag mit der Wirkung ex tunc, sodass schon aus diesem Grund die Zahlungen an den Bekl die Insolvenzmasse betrafen, weil die Genehmigung des Darlehensvertrags auch die Zuzählung der Darlehenssumme erfasste. [19] Daraus folgt, dass die Zahlungen an den Bekl – entgegen seiner Ansicht – die Masse betrafen. [20] 3.1. Der Bekl vertritt nun, dass zur Auslegung des § 3 IO die zu §§ 27 ff IO entwickelten Grundsätze herangezogen werden müssten, sodass auch für die Unwirksamkeit nach § 3 Abs 1 IO die Befriedigungstauglichkeit Voraussetzung sei. [21] 3.2. Richtig ist lediglich, dass nach stRsp des OGH im Fall einer Anfechtung nach §§ 27 ff IO auf die Befriedigungstauglichkeit abzustellen ist (RS0050591, RS0064354, vgl auch RS0064297, RS0041198). Eine Übertragung dieser Grundsätze auf § 3 IO kommt aber nicht in Betracht: [22] 3.3. Die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen des Schuldners nach Insolvenzeröffnung folgt nämlich bereits aus dem Gesetz, sie bedarf keiner Anfechtung (vgl 1 Ob 512/91; Kodek in KLS, § 3 Rz 2; Schubert § 3 KO Rz 2). Sie ist Rechtsfolge dessen, dass dem Schuldner – wie ausgeführt – die Verfügung über das Massevermögen entzogen ist. [23] Im Gegensatz dazu sind Rechtshandlungen des Schuldners vor Insolvenzeröffnung wirksam, sie können bei Zutreffen der Voraussetzungen der §§ 27 ff IO aber anfechtbar sein. [24] Dabei verfolgen die Anfechtungstatbestände der IO nach den §§ 27 ff IO ausschließlich den Zweck, die den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur Verfügung stehende Insolvenzmasse gegen Vorgänge vor der Insolvenzeröffnung zu immunisieren, die geeignet sind, diesen Befriedigungsfonds zu verkleinern oder zumindest die Befriedigung hieraus zu erschweren (3 Ob 182/17m). Ein Vergleich mit § 3 Abs 1 IO verbietet sich aber schon vor dem Hintergrund, dass vor Insolvenzeröffnung nur der Schuldner agieren kann und schon aus Verkehrsschutzgründen geboten ist, nur diejenige Rechtshandlungen für anfechtbar zu erklären, die sich nachteilig für die Gläubigerschaft ausgewirkt haben, alle anderen Handlungen jedoch, bei denen Konkurszwecke nicht greifen, unberührt zu lassen (Konecny, Massebezogene Rechtshandlungen von Gemeinschuldnern, JBl 2004, 341 [346]). Nach Insolvenzeröffnung agiert hingegen ausschließlich der Insolvenzverwalter. Es ist bei sonstiger Haftung seine Aufgabe, masseerhaltende Maßnahmen zu setzen, wobei für die Masse vorteilhafte Rechtshandlungen des Schuldners gleichermaßen unwirksam sind, weil ihm nach § 2 Abs 2 IO jede Verfügung über die Masse entzogen ist (Buchegger § 3 KO Rz 8). [25] 3.4. Da es davon ausgehend nicht auf die Befriedigungstauglichkeit ankommt, erübrigt sich hier ein weiteres Eingehen auf das allfällige Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen. (...) [27] 5. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Bekl geleisteten Zahlungen gem § 3 Abs 1 IO unwirksam sind, ist zutreffend. Der Rev war daher der Erfolg zu versagen (...). Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

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ZFR 11/2021

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ART.-NR.: 248

JUDIKATUR BVwG AUFSICHTSRECHT

Unrechtmäßige Hausdurchsuchung durch die FMA * » ZFR 2021/248

B-VG: Art 130 Abs 1 Z 2, Art 132 Abs 2 StGG: Art 9 BWG: §§ 70, 71 FMABG: §§ 1, 3 Abs 2 DSGVO: Art 4 Z 2, Art 6 Abs I lit c, Art 79 VwGVG: § 28 Abs 6 BVwG 12. 5. 2021, W107 2208370-1/25E

Leitsätze (der Redaktion) Zur mangelnden Verfahrenssubsidiarität 1. Die von der FMA behauptete Verfahrenssubsidiarität bzw der Rechtsschutz durch alternative Rechtsmittel liegt nicht vor, wenn die in der Maßnahmebeschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel in einer von der bf Bank allenfalls später eingebrachten Bescheidbeschwerde gem Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG gegen einen Bescheid, mit welchem der Bank die Vorlage von Unterlagen aufgetragen würde, schon vom Prinzip her nicht wirksam bekämpft werden können. Zum Vorliegen eines AuvBZ 2. Erzwingen die FMA-Organe den Zutritt zu verschlossenen Betriebsräumlichkeiten einer Bank dadurch, dass sie einer für die Zutrittsgewährung innerhalb der Befehlskette der Bank unzuständigen Mitarbeiterin mit Nachdruck deutl machen, dass sie (angebl) zum jederzeitigen Zutritt rechtl berechtigt seien, ließen somit die Organe der FMA gegenüber der Mitarbeiterin keinen Zweifel aufkommen, dass diese der Anordnung der monierten Maßnahme Folge zu leisten habe und diese Maßnahme im Falle eine Weigerung mittels Zwang, nämlich durch Einsatz der Polizei, durchgesetzt werden würde, und sah sich die Mitarbeiterin, die sich allein mit den Organen in einem Raum aufhielt, außerstande, der als „Anordnung“ (oder auch „Befehl“) zu qualifizierenden Aufforderung der FMA entgegenzutreten, so kann von Freiwilligkeit keine Rede sein. 3. Die Handlungen der FMA stellen nach dem Maßstab der hg Rsp einen „Befehl“ dar, bei dessen Nichtbefolgung Zwang angedroht bzw, ausgelöst durch die Aus*

Weitere Entscheidungsgründe finden Sie auf der ZFR-Website (zfr.lexisnexis.at) unter der Artikelnummer sowie unter dem Menüpunkt „Extras/ Spezielles/Judikatur“.

führungen und Behauptungen der FMA, in der subjektiven Wahrnehmung der Mitarbeiterin zwangsläufig erwartet werden musste. 4. Zwar wäre die FMA gem § 22 FMABG zur Vollstreckung der von ihr erlassenen Bescheide zuständig und könnte diesbezügl auch Zwangsmaßnahmen, allenfalls unter Beiziehung der Sicherheitsbehörden, einleiten, in welchem Fall kein AuvBZ vorläge, allerdings erfordert eine solche Vollstreckung das Vorliegen eines Titelbescheides, was nicht gegeben war. 5. Handlungen sind dann nicht bloße „Ermittlungshandlungen“, die als schlicht hoheitl Tätigkeit einzustufen wären, sondern ein AuvBZ, soweit die FMA zur Durchsetzung ihrer behördl Befugnisse gem §§ 70, 71 BWG Befehls- und Zwangsgewalt einsetzt. 6. Nicht jede Ausübung von Tätigkeiten auf der Basis der §§ 70, 71 BWG erlangt für sich bereits die Qualität eines AuvBZ, jedoch liegt ein solcher Akt vor, wenn einseitig mit Normativität in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird, was etwa durch Festnahmen, Beschlagnahmen, das Betreten eines Hauses und Nachschau in einigen Zimmern, Vollstreckungshandlungen ohne vorhergehenden Vollstreckungsauftrag, die Durchführung einer Hausdurchsuchung, Personendurchsuchung udgl zum Ausdruck kommen kann. Zum Vorliegen einer Hausdurchsuchung 7. Ging es der FMA gerade darum, sich durch eigene Einschau ein Bild zu verschaffen, welche Unterlagen die Interne Revision der Bank in den verschlossenen Revisionsräumlichkeiten aufbewahrt hatte, und war Grundlage dieser Vorgangsweise der dringende Verdacht der FMA, dass weitere Berichte der Internen Revision an den Aufsichtsrat existieren würden und diese der FMA vorenthalten worden seien, wollte die FMA ferner durch eine behördl Untersuchung vor Ort sicherstellen, dass keine Berichte „wegkommen“ würden, war das Gesuchte zudem nur gattungsmäßig bestimmt und kam es der FMA gerade darauf an, durch ihre Durchsuchung zu erfahren, ob ihr Verdacht auf das Vorliegen zurückbehaltener Berichte oder Unterlagen zutraf oder nicht, so liegt eine Hausdurchsuchung vor. Zum Mangel einer gesetzl Grundlage für eine Hausdurchsuchung 8. Weder das BWG noch eine andere aufsichtsrechtl Vorschrift bieten für die Vornahme einer Hausdurchsuchung als AuvBZ durch die FMA eine rechtl Grundlage. Dies unterscheidet den gesetzl Rahmen, innerhalb dessen die FMA tätig ist, etwa von der Rechtslage, auf Basis derer die Wettbewerbsbehörden tätig werden. 9. Eine „implizite“ Ermächtigung der FMA zur Vornahme einer Hausdurchsuchung bzw ihre Einsichtsrechte nach zfr.lexisnexis.at

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den §§ 70 und 71 BWG auch durch Involvierung der Sicherheitsbehörden durchzusetzen und dabei durch Zwang in verschlossene Räumlichkeiten eines Kreditinstituts einzudringen, um darin nach von der Bank allenfalls zurückgehaltenen Unterlagen zu suchen, steht im deutl Widerspruch zu den grundrechtl Rahmenbedingungen. 10. Da eine Hausdurchsuchung nur bei Vorliegen einer expliziten gesetzl Grundlage vorgenommen werden kann und eine solche bis heute nicht in das BWG aufgenommen wurde, kann die FMA auch bei Vorliegen von Gefahr im Verzug eine solche nicht eigenmächtig vornehmen; dies gilt selbst dann, wenn es sich bei der Hausdurchsuchung um das gelindeste Mittel handeln sollte. Kein Anspruch auf Rückgabe bzw Löschung der erlangten Unterlagen 11. War die FMA berechtigt, die von ihr angeforderten und bei der Hausdurchsuchung der Bf entdeckten Unterlagen zu besitzen und zu analysieren, wenn sie einen Bescheid auf Aushändigung der gesuchten Unterlagen erlassen hätte, den sie auch hätte vollstrecken können, und wäre die FMA so in rechtmäßiger Form zu den Informationen und Daten gelangt, so widerspräche die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes den umfassenden und im öffentl Interesse liegenden Zielsetzungen des Bankaufsichtsrechtes, weshalb auch ein Recht der Bank auf Rückgabe bzw Vernichtung der von der FMA in Besitz genommenen Informationen durch die FMA nicht besteht. Die Bf, eine Bank in Wien, verfügte über eine dem Gesamtvorstand unterstellte Leiterin der Internen Revision. Der Vorstand der Bf hatte die Erfüllung der Auskunftspflicht an die FMA weder an die Revisorin noch an andere Mitarbeiter delegiert. Am 17. 9. 2018, 14 Uhr, betraten drei Organe der FMA unangekündigt die Räumlichkeiten der Bf und verlangten bei der Empfangsdame nach den Geschäftsleitern. Infolge deren Abwesenheit verlangten die FMA-Organe nach der Leiterin der Internen Revision und wurden in ein Besprechungszimmer im 1. Stock geführt. Der Vorstand war nicht im Hause, die Herstellung der Kommunikation mit diesem war zunächst nicht mögl, und der Rechtsvertreter der Bf war ebenfalls unerreichbar. Ein Organ der FMA erteilte der Revisorin nach deren Erscheinen im Besprechungszimmer die höfl Anordnung der FMA, und zwar nicht unter wörtl Androhung physischer Zwangsmaßnahmen, die Einschau betreffend die Tätigkeit der Internen Revision zu ermöglichen. Dabei verlangten die Behördenorgane von ihr, die Räumlichkeiten der Revision zu öffnen, um die geforderte Einsicht vornehmen zu können. Die Revisorin befand sich zu diesem Zeitpunkt mit den drei Mitarbeitern der FMA allein im Besprechungszimmer und war, bedingt durch diese Situation und die Forderungen, aufgeregt, gestresst und nervös. Sie entgegnete den Organen der FMA, dass die vertretungsbefugten Vorstandsmitglieder außer Haus seien, sie daher nicht glaube, dass sie „das überhaupt dürfe“, vielmehr der Vorstand „dabei sein sollte“, und sie nicht wisse, ob sie die FMA eigenständig einlassen dürfe bzw der FMA bezüglich geforderter Auskünfte „überhaupt helfen könne“. Sie berief sich auf ihre Verschwiegenheitsverpflichtung.

ART.-NR.: 248

Ein Mitarbeiter der FMA hielt sodann der Revisorin ein an den Vorstand gerichtetes Schreiben der FMA vor, in dem die FMA mitteile, dass diese gem § 70 Abs 1 Z 1 iVm § 42 BWG in den Räumlichkeiten der Bank eine Einsichtnahme zum Thema „Tätigkeit der internen Revision im Jahr 2018“ vornehmen werde, und zu diesem Zwecke bestimmte Auskünfte begehre und Einsicht in alle relevanten Bücher, Schriftstücke und Datenträger der Bank, insb der Revision, des Vorstands und des Aufsichtsrates, Einsicht nehmen werde. Die FMA machte klar, zum jederzeitigen Zutritt in das verschlossene Zimmer, auch ohne Anwesenheit oder Genehmigung des Vorstandes, berechtigt zu sein. Die FMA ging davon aus, im Falle einer Weigerung den Zugang mithilfe der Polizei „erzwingen“ zu können. Sodann entsperrte die Revisorin ihre Räumlichkeiten und führte die Organe hinein. Die FMA ersuchte die Revisorin nicht, die relevanten Berichte, so sie existierten, im Besprechungszimmer auszuhändigen, sondern verlangte in der Absicht, vor Ort im Revisionszimmer den relevanten Status selbst zu verifizieren, die Öffnung der verschlossenen Räume. Die Revisorin unterstützte die FMA auf deren Geheiß bei der Suche nach den geforderten Unterlagen und verschaffte ihr Zugang zu den dort in diversen Schränken befindl Akten. Auf dieser Basis nahmen die drei FMA-Mitarbeiter unmittelbar nach dem Aufsperren Einsicht in die im Zimmer der Internen Revision befindl Unterlagen, Papiere bzw Dokumente und auch in bestimmte am Computer befindl Dateien, insb in Revisionsunterlagen allgemein und in Prüfberichte zum Jahr 2018. Die Revisorin entsperrte ihren Computer auf Geheiß der FMA, erklärte der FMA die Ablagestruktur, zeigte ihre E-Mail Inbox und suchte einzelne E-Mails heraus. Letztlich nahm die FMA einen Stapel Unterlagen mit. Das BVwG stellte ausdrücklich fest, dass die bemängelten Maßnahmen nicht aus Gründen der Dringlichkeit zwingend notwendig waren. Das BVwG gab in der gegenständl E einer Beschwerde der Bank vom 25. 10. 2018 (!) statt und erklärte es für rechtswidrig, dass Organe der FMA am 17. 9. 2018 von 14:00 bis 15:15 Uhr in den Geschäftsräumlichkeiten der X-AG die Öffnung versperrter Geschäftsräumlichkeiten der Bank durch eine Mitarbeiterin der Bank – trotz deren Hinweis auf die Abwesenheit vertretungsbefugter Organe und entgegen ihrer diesbezüglich mehrmals geäußerten Bedenken – erzwangen und darauffolgend nach Unterlagen zum Thema „Tätigkeit der internen Revision im Jahr 2018“ suchten. In gegenständl Angelegenheit ist eine von der FMA erhobene Amtsrev beim VwGH anhängig.

Aus den Entscheidungsgründen (…) Gänzlich deutlich wird das Verständnis der FMA zu der hier interessierenden Frage zudem aus der Beilage zu der Anfragebeantwortung des BMF auf die schriftl parlamentarische Anfrage vom 17. 7. 2008, 4912/J, der Abgeordneten Dr. X et al (Schreiben vom 17. 9. 2008, 4835/AB 23. GP) betreffend die Aktivitäten der „X“. (…) In Anbetracht dieser eindringl Stellungnahme aus der Feder der FMA selbst erweist sich deren Behauptung im gegenständl Verfahren, sie könne:

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ZFR 11/2021 JUDIKATUR BVwG

ART.-NR.: 249

ohne Durchführung der von ihr angeregten Gesetzesänderung, und damit bereits auf Basis des (in der angeführten behördl Stellungnahme explizit als unzureichend angeführten) heute in Kraft befindl § 70 BWG, ohne Erlassung eines Bescheides und damit außerhalb der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen und ohne Einholung eines richterl Beschlusses auf Basis einer (unüberprüfbaren) „schlichten hoheitl Tätigkeit“ genau das tun, was die FMA selbst öffentl gegenüber dem Parlament als ihr nicht zugängl beklagt, nämlich den Zugang zu verschlossenen Betriebsräumlichkeiten einer Bank notfalls auch durch Involvierung der Sicherheitsbehörden erzwingen, um darin nach Unterlagen zu suchen, nicht nur als verfassungswidrig, sondern auch als mit den eigenen Aussagen der FMA logisch gänzlich unvereinbar. Dass die Ausführungen der FMA im genannten Schreiben den Fall der Gefahr im Verzug ausdrückl erwähnen, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nach den Feststellungen im vorliegenden Fall ohnehin keine Gefahr im Verzug gegeben war: selbst bei Vorliegen von Gefahr im Verzug kann eine Hausdurchsuchung, wie die FMA mit ihrem oben angeführten Gesetzesvorschlag ja selbst impliziert, nur bei Vorliegen einer expliziten gesetzl Grundlage vorgenommen werden (s §§ 120, 121 StPO). Da eine solche bis heute nicht in das BWG aufgenommen wurde, kann die FMA auch bei Vorliegen von Gefahr im Verzug nicht eigenmächtig eine Hausdurchsuchung vornehmen. (…) 

Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

Verwaltungsstrafe gegen eine KAG infolge Grenzverletzungen etc * » ZFR 2021/249

InvFG 2011: § 74 Abs 1, §§ 120, 123, 137 Abs 3, §§ 163, 164 Abs 4, §§ 166, 190 Abs 2 Z 1, 6, 8 und 12, §§ 190a, 190b AIFMG: § 29 FMABG: § 22 Abs 8 und 9 BVwG 25. 5. 2021, W172 2239208-1/18E

Leitsätze (der Redaktion) Zu den einzelnen Tatbeständen 1. Wenn zwei Wertpapiere von zwei Compartments desselben SPV begeben wurden, ist selbst bei getrennter Besicherung ihres Exposures nicht von unterschiedl Emittenten iSd § 74 InvFG 2011 auszugehen, da das SPV als juristische Person zu qualifizieren, ausschließlich dieses Rechtspersönlichkeit hat und den einzelnen Compartments/Pools eines SPV keine eigenständige Rechtsper*

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sönlichkeit zukommt. Diese können daher nicht eigenständig als Emittent auftreten. 2. Gem § 164 Abs 4 InvFG 2011 können die im § 74 Abs 1 InvFG 2011 festgelegten Anlagegrenzen um 100 vH überschritten werden, wenn dies die Fondsbestimmungen ausdrücklich vorsehen würden. Erlauben die Fondsbestimmungen keine Verdoppelung der Grenze, so gelten für den betreffenden Fonds die Anlagegrenzen gem § 74 Abs 1 InvFG 2011, deren Verletzung gem § 190 Abs 2 Z 6 InvFG 2011 verwaltungsstrafbewehrt ist. 3. Sehen die Fondsbestimmungen vor, dass der Anteil an Anleihen, sonstigen verbrieften Schuldtiteln oder Geldmarktinstrumenten sowie dieser Veranlagungskategorie entsprechenden Anteilen anderer Investmentfonds mindestens 40 % des Fondsvermögens betragen muss, und wird diese Grenze an einem bestimmten Tag um 0,58 % unterschritten, so ist der objektive Tatbestand gem § 190 Abs 2 Z 12 InvFG 2011 erfüllt. Zum Verschulden 4. Kommt im Verfahren nicht hervor und wurde nicht behauptet, dass sich die KAG nicht bezüglich der Rechtslage, wonach bei der Einzelemittentengrenze der Erwerb zweier von unterschiedl Compartments desselben Emittenten begebener Exchange Traded Commodities keine Grenzüberschreitung darstellen würde, bei der FMA angefragt hätte, und erfolgte die Verwaltungsübertretung sogar in Abweichung zur Rechtsauffassung des Wirtschaftsprüfers, liegt kein entschuldigender Rechtsirrtum vor. 5. Beruft sich die Bf darauf, dass ihr Wirtschaftsprüfer versehentl den Bericht falsch kategorisiert und somit nicht innerhalb der maßgebl Frist übermittelt habe, sowie bei einem anderen Spruchpunkt darauf, dass im Zuge einer Umstellung auf das neue Grenzprüfungssystem der Bf im Jahre 2014 die Grenze eines Spezialfonds von einem externen Dienstleister oder einem Mitarbeiter der Bf irrtüml falsch übertragen worden sei, so liegt kein Schuldausschließungsgrund vor, weil sich die Bf das Fehlverhalten ihrer Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen muss. Zur Zurechnung der Tat zur juristischen Person 6. Dass eine Aufforderung zur Rechtfertigung und das Straferk rechtsirrig noch von einer Zurechnung einer bestimmten natürl Person kraft ihrer Bestellung als verantwortl Beauftragter ausgegangen ist, führt nicht dazu, dass das BVwG dem nicht Rechnung tragen könnte oder dabei eine Auswechslung des Tatvorwurfs oder Überschreitung der „Sache“ beginge, wenn es diesen Umstand in seinem eigenen Erk korrigiert. Zur Strafbemessung 7. Ist die bestrafte KAG eine Tochtergesellschaft einer Bank, für die ein Konzernabschluss des Spitzeninstituts des Konzerns erstellt wird, so ist dieser Abschluss für die Bemessung der Strafhöhe maßgebl (hier: Schätzung der Umsatzdaten anhand der letzten FINREP-Daten infolge eines Abschlusses der Konzernmuttergesellschaft nach IFRS). zfr.lexisnexis.at

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ZFR 11/2021 JUDIKATUR BVwG

Zur Zusatzstrafe nach § 22 Abs 8 FMABG 8. Eine Zusatzstrafe ist im Straferk gegen eine KAG vom 18. 12. 2020 in Bezug auf das Straferk vom 7. 10. 2020 nicht zu verhängen, wenn das Letztere infolge einer beim BVwG anhängigen Beschwerde noch nicht rechtskräftig ist. 9. Wurde bereits im zweiten Straferk vom 7. 10. 2020 eine Zusatzstrafe in Berücksichtigung eines ersten vom 22. 3. 2019 verhängt, so ist die Verhängung einer erneuten Zusatzstrafe im dritten Straferk vom 18. 12. 2020 auch deswegen nicht mögl, wenn sich der Tatzeitraum des im dritten Straferk in einem Spruchpunkt behandelten Verstoßes, der bis 21. 8. 2019 andauerte, auch auf den Zeitraum zwischen dem ersten und dem zweiten Straferk erstreckte. Es lagen somit nicht sämtl Taten vor dem ersten Straferk vom 22. 3. 2019, sodass die FMA die Verstöße des zweiten und dritten Straferk nicht in einem Straferk hätte abhandeln und all diese Verstöße daher auch nicht mit Zusatzstrafe hätte ahnden können. Die FMA hatte über die bf Kapitalanlagegesellschaft (KAG) infolge vierer Verstöße gegen das InvFG 2011 eine Verwaltungsstrafe von 84.000 € verhängt. 1. Bei einem Spezialfonds gem § 29 AIFMG iVm §§ 163 iVm § 166 InvFG 2011 habe die KAG gegen die Veranlagungsbestimmungen des § 74 Abs 1 InvFG 2011 unter Berücksichtigung des § 164 Abs 4 InvFG 2011, wonach Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente desselben Ausstellers nur bis zu 20 % des Fondsvermögens erworben werden dürfen, durch Überschreitungen infolge zweier Wertpapierkäufe desselben Emittenten um bis zu 5,09 % verstoßen. 2. Bei einem „Anderen Sondervermögen“ gem § 166 InvFG 2011, das nach seinen Fondsbestimmungen ein Rechnungsjahr vom 1. 4. bis 31. 3. aufwies, habe die KAG den Prüfbericht über den Rechenschaftsbericht nicht längstens innerhalb von vier Monaten nach Abschluss des Rechnungsjahres der FMA vorgelegt, und zwar nicht am 31. 7. 2018, sondern erst (nach Aufforderung durch die FMA) am 21. 8. 2019, mithin um 386 Kalendertage verspätet. 3. Entgegen § 74 Abs 1 letzter Satz InvFG 2011, wonach nur bis zu 20 vH des Fondvermögens in Sichteinlagen und kündbare Einlagen bei ein und demselben Kreditinstitut angelegt werden dürfen, habe ein Fonds im Zeitraum vom 4. 6. bis 5. 10. 2018 diese Obergrenze mehrfach überschritten. 4. Entgegen § 190 Abs 2 Z 12 InvFG 2011, wonach ein Verstoß gegen von der FMA bewilligte Fondsbestimmungen unter Verwaltungsstrafandrohung steht, habe ein Fonds die in seinen Fondsbestimmungen enthaltene Untergrenze iHv 40 % für den Anteil von Anleihen, sonstigen verbrieften Schuldtiteln oder Geldmarktinstrumenten sowie dieser Veranlagungskategorie entsprechenden Anteilen anderer Investmentfonds am Fondsvermögens am 21. 6. 2018 um 0,58 % unterschritten. Die FMA hatte bereits am 22. 3. 2019 wegen dreier Verstöße gegen § 80 InvFG 2011 eine rechtskräftige und am 7. 10. 2020 wegen eines Verstoßes gegen § 142 Abs 3 iVm § 141 Z 2 BörseG 2018 im Tatzeitraum 16. 2. bis 19. 2. 2019 eine (nicht rechtskräftige) Verwaltungsstrafe über die KAG verhängt. Das BVwG setzte die Strafe auf 32.000 € herab.

ART.-NR.: 249

Aus den Entscheidungsgründen (...) 3.2.2.1. Ad Spruchpunkt I.1. des Straferk (...) Die Bf brachte vor, dass der V-Fonds ein Spezialfonds nach §§ 163 f iVm §§ 166 f InvFG 2011 und ua in globale Aktien oder internationale Anleihen investiert worden sei. Die Bf sei bei der Investition in zwei unterschiedl Compartments aufgrund der rechtl Stellung des E-Emittenten als Spezialvehikel (Special Purpose Vehicle [SPV]) nach Jersey Recht gem dem Prospekt des SPV davon ausgegangen, dass der Erwerb der beiden Exchange Traded Commodities in die Unternehmensgruppengrenze iSd § 74 Abs 7 iVm § 164 Abs 4 InvFG 2011 bei einer Grenze von 40 % einzufließen habe. Dadurch habe die Bf eine etwaige Grenzüberschreitung beim Erwerb von den zwei Exchange Traded Comomodities (X mit Buchungstag 28. 3. 2018 und X mit Buchungstag 12. 4. 2018) des E-Emittenten nicht erkannt. Die Bf sei bei der Berechnung der Einzelemittentengrenze vielmehr davon ausgegangen, dass diese Käufe keine Grenzüberschreitung darstellen würden. Innerhalb dieses SPV sei das Exposure zu Industriemetallen bzw Brent Crude Oil jeweils und getrennt voneinander (B.21) zu 100 % besichert worden. Gem der Meinung des Wirtschaftsprüfers hätten die beiden genannten Wertpapiere nicht in die Unternehmensgruppengrenze, sondern in die Einzelemittentengrenze einzufließen. (...) (...) Der erkSen teilt die Rechtsansicht der FMA. § 74 InvFG 2011 regelt quantitative Beschränkungen zur Vermeidung einer Emittentenkonzentration für einen Investmentfonds, welche im Falle von Spezialfonds (wie im vorliegenden Fall zum V-Fonds) verdoppelt werden können. Die Bestimmung hat zum Hintergrund, dass ein Investmentfonds eine übermäßige Konzentration seiner mit einem Ausfallrisiko behafteten Veranlagungen bei ein und demselben Emittenten oder Institut oder bei derselben Unternehmensgruppe angehörenden Emittenten oder Instituten vermeiden soll (s EB zu § 74 InvFG 2011; s ErwGr 34 der RL 2009/65/EG). Ein Investmentfonds hat demnach iS der Diversifikation seine Veranlagungen auf mehrere Emittenten zu streuen, um das Ausfallrisiko zu minimieren (s auch Macher in Macher/Buchberger/Kalss/Oppitz, InvFG2 § 74 Rz 1). Wie auch die FMA zu Recht feststellte, ist das SPV als juristische Person zu qualifizieren. Da ausschließl das gesamte SPV Rechtspersönlichkeit hat und als juristische Person zu qualifizieren ist bzw den einzelnen Compartment/Pools eines SPV keine eigenständige Rechtspersönlichkeit zukommt, können diese daher nicht eigenständig als Emittent auftreten. Der eindeutige Wortlaut des § 74 Abs 1 erster Satz InvFG 2011, der insofern auch keine teleologische Reduktion des Gesetzeswortlautes zulässt, stellt bei den vorgeschriebenen Begrenzungen auf den Emittenten ab. Mangels einer entsprechenden Bestimmung im InvFG 2011 kann daher die Sichtweise der Bf nicht geteilt werden, wonach bei zwei Wertpapieren, die von einem SPV begeben worden sind, nur aufgrund der getrennten Besicherung ihres Exposures von Wertpapieren unterschiedl Emittenten auszugehen sei. (…) Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

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ZFR 11/2021

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ART.-NR.: 251

AKTUELLES Aktuelle Gesetzesvorhaben Stand: 15. 11. 2021 » ZFR 2021/250

Inhalt

Betroffene Normen

(Geplantes) Inkrafttreten

Änderung des AIFMG ua

Umsetzung RL (EU) 2019/1160 im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von OGA Begleitmaßnahmen iZm VO (EU) 2019/2089 hinsichtlich EU-Referenzwerte für den klimabedingten Wandel, hinsichtlich auf das Übereinkommen von Paris abgestimmter EU-Referenzwerte sowie hinsichtlich nachhaltigkeitsbezogener Offenlegungen für Referenzwerte

AIFMG ImmoInvFG InvFG 2011 RW-VG

Tag nach der Kundmachung, 1. 1. 2022, 1. 2. 2023

AB 1146 BlgNR; RV 1100 BlgNR

Pfandbriefgesetz – PfandBG

Schaffung einer modernen und einheitlichen Rechtsgrundlage für die Emission von gedeckten Schuldverschreibungen; Umsetzung der RL (EU) 2019/2162 vom 27. 11. 2019 über die Emission gedeckter Schuldverschreibungen und die öffentliche Aufsicht über gedeckte Schuldverschreibungen

PfandBG BWG ESAEG FMABG HIKrG InvFG 2011 ua

8. 7. 2022

AB 1145 BlgNR; RV 1029 BlgNR; 105/ME 1. 4. 2021

KMG 2019, AltFG, FMABG, KSchG

10. 11. 2021

144/ME

12. 8. 2022

152/ME

Begutachtung

Gesetzesvorschlag

Bezeichnung

Anpassung der österr Rechtslage an die VO (EU) Schwarmfinanzierung2020/1503 über Europäische SchwarmfinanzierungsVollzugsG dienstleister für Unternehmen

Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, Übernahmegesetz, Änderung

Begleitmaßnahmen zur VO (EU) 2021/23 (Abwicklung von BaSAG, zentralen Gegenparteien) auf nationaler Ebene ÜbG, ZGVG

Stand (BlgNR 27. GP)

Verfasser: Rainer Wolfbauer

Änderung der Stammdatenmeldungsverordnung 2016 » ZFR 2021/251

Auf der Grundlage des § 74 Abs 2 iVm § 74 Abs 6 BWG hat die FMA Mitte Oktober 2021 nach Herstellung des Einvernehmens mit dem BMF die Stammdatenmeldungsverordnung 2016 – StDMV 2016 angepasst. Die Novelle pflegt die jüngsten Änderungen des BWG bzw der CRR idF VO (EU) 2021/558 in die StDMV 2016 formal ein. So wird erstmals bei der Stammdatenmeldung berücksichtigt, dass in einzelnen Fällen die Risikoansätze auf Einzelinstitutsebene und konsolidierter Ebene auseinanderfallen

können. Dementsprechend werden separate Angaben dazu in die entsprechende Anlage aufgenommen. Vor diesem Hintergrund wird in einem ersten Schritt in § 9 Abs 1 StDMV 2016 die Verpflichtung zur Angabe durch das übergeordnete Kreditinstitut, eine diesbezügliche Kennzeichnung vorzunehmen, aufgenommen. Nach den Erläut der FMA zur StDMV 2016 handelt sich hierbei auch um Informationen, die in der europäischen Zusammenarbeit im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) mit der EZB ausgetauscht werden. Zudem erfährt in einem zweiten Schritt die Anlage 2 (Risikoansätze gem § 9 StDMV 2016) punktuelle Erweiterungen: Die Teile C und D bilden die in der CRR modifizierten bzw neu eingeführten Risikoansätze ab. Weiters gibt ein neuer Teil H an, ob die vereinfachte strukturelle Liquiditätsquote verwendet wird. Bei allen Ansätzen wird eine separate zfr.lexisnexis.at

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ZFR 11/2021 AKTUELLES

ART.-NR.: 252

Kennzeichnung für den Fall aufgenommen, dass unterschiedliche Ansätze auf Einzelinstitutsebene bzw konsolidierter Ebene verwendet werden. In Anlage 1 (Unternehmensdaten gem § 8 StDMV 2016) wurden zwei Ergänzungen vorgenommen. Zunächst bildet Teil A die in der CRR nunmehr vorgesehene Unterscheidung in Größenklassen ab, an die unterschiedliche Melde- und Offenlegungserfordernisse anknüpfen. Vor dem Hintergrund der Anforderung gem § 28a Abs 5a und 5b BWG, formal unabhängige Mitglieder im Aufsichtsorgan zu haben, sieht Anlage 1 Teil B eine diesbezügliche Kennzeichnung vor. Die übrigen Änderungen der StDMV 2016 sind formaler Natur. Rainer Wolfbauer

FMA ändert die KreditinstituteRisikomanagementverordnung » ZFR 2021/252

umfänglich in § 39 Abs 2d BWG geregelt und sollen durch technische Regulierungsstandards und EBA-Leitlinien gem Art 84 Abs 5 und 6 CRD IV präzisiert werden. Nachdem somit die Verordnungsermächtigung in § 39 Abs 4 BWG keine nationalen Vorgaben für das Zinsrisiko mehr umfasst, entfallen die bisherige Definition in § 4 Z 9 KI-RMV und die Vorgaben zum Zinsänderungsrisiko in § 10 KI-RMV; an ihre Stelle tritt § 39 Abs 2d BWG. Die Z 9, 10 des § 4 wurden daher aufgehoben. Infolge einer Änderung des Art 85 CRD IV wird in § 11 Abs 1 erster Satz KI-RMV klargestellt, dass die Mindestanforderungen zur Erfassung, Steuerung, Überwachung und Begrenzung des operationellen Risikos auch Risiken, die aus Auslagerungen erwachsen, umfassen. Letztlich entfällt auch die bisherige Fassung des § 14 KI-RMV, da Risiken, die sich aus dem makroökonomischen Umfeld des Instituts unter Berücksichtigung der Phase des jeweiligen Geschäftszyklus ergeben, im Rahmen des Bankenpaketes aus dem Risikokatalog in § 39 Abs 2b BWG entfernt und direkt in § 39 Abs 2 erster Satz BWG integriert wurden. Nachdem daher die Verordnungsermächtigung in § 39 Abs 4 BWG nationale Vorgaben für diese Risikoart nicht mehr umfasst, entfällt der bisherige Inhalt des § 14 KI-RMV; die neue Fassung dieser Bestimmung dient lediglich den Verweisdefinitionen. Der Rest der Novelle umfasst Verweisänderungen.

Mitte Oktober hat die FMA im Einvernehmen mit dem BMF die auf der Grundlage von § 39 Abs 4 BWG erlassene Kreditinstitute-Risikomanagementverordnung (KI-RMV) geändert,1 in der die FMA Mindestanforderungen zum Zwecke der ordnungsgemäßen Erfassung, Steuerung, Überwachung und Begrenzung der Risikoarten gem § 39 Abs 2b BWG im Verordnungsweg festlegt. Äußerer Anlass sind die Änderungen des BWG durch das „Bankenpaket“ BGBl I 2021/98, die erforderliche Anpassung an die RL (EU) 2019/878, mit der die CRD IV im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen geändert wurde, sowie die VO (EU) 2019/2033 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen (IFR). Gestrichen wurde § 2 Abs 4 KI-RMV: CRR-Wertpapierfirmen, die seit deren Inkrafttreten im Jahr 2014 der CRR unterworfen waren, unterlagen bisher in § 2 Abs 4 auch der KI-RMV. Mit der IFR verbleiben nur mehr systemrelevante Wertpapierfirmen im Aufsichtsregime für Kreditinstitute. Diese sind künftig als CRRKreditinstitute zu konzessionieren (vgl Art 4 Abs 1 Z 1 lit b CRR idF der IFD sowie Art 8a CRD IV idF RL [EU] 2019/2034 [IFD]) und unterliegen daher gem § 2 Abs 1 auch der KI-RMV. Die übrigen Wertpapierfirmen iSd Art 4 Abs 1 Z 1 MiFID II werden seit 26. 6. 2021 im Rahmen der IFR einem ihren Risiken angemessenen Aufsichtsregime unterworfen, unterliegen aber nicht länger der CRR (vgl Art 4 Abs 1 Z 3 CRR idF der IFR). § 2 Abs 4 KI-RMV wurde daher ersatzlos gestrichen. Entsprechend den Mat zum Bankenpaket2 werden die Vorgaben des Art 84 Abs 1–4 CRD IV idF RL (EU) 2021/338 nunmehr voll-

Die gegenständliche Novelle3 der Vermögens-, Erfolgs- und Risikoausweis-Verordnung der FMA (VERA-V) nimmt neben einigen Verweisaktualisierungen und terminologischen Änderungen punktuelle Anpassungen an geänderte unionsrechtliche und innerstaatliche Rahmenbedingungen vor. § 5 Abs 1 Z 2 VERA-V betreffend die Meldung zum Aktienpositionsrisiko im Risikoausweis gem § 74 Abs 1 BWG sowie die damit verbundene Anlage A3c werden zum Zweck einer Meldeerleichterung für die Institute zur Gänze gestrichen. Nachdem im Bereich der nationalen Plandatenmeldung die Meldeinhalte aus den europaweit maximalharmonisierten Meldevorgaben herangezogen werden und Letztere kürzlich in der DVO (EU) 2021/451 überarbeitet wurden, dient die vorliegende Novelle der Adaptierung der entsprechenden Anlagen zur VERA-V, um ein Auseinanderfallen der innerstaatlich und unionsrechtlich vorgegebenen Meldeinhalte zu vermeiden. Dies betrifft die Anlagen I2a (Meldung von weniger bedeutenden Kreditinstituten) sowie I2b (Meldung von bedeuten-

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BGBl II 2021/431 vom 14. 10. 2021. ErlRV 663 BlgNR 27. GP 19 f.

Rainer Wolfbauer

Änderung der VERA-Verordnung durch die FMA » ZFR 2021/253

BGBl II 2021/432 vom 14. 10. 2021.

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ART.-NR.: 254

den Kreditinstituten), die somit in ausgewählten Meldepositionen (bspw Eigenmittelabzugsposten, Kapitalpuffer) adaptiert werden. Weiters konkretisiert die gegenständliche Novelle die Meldeverpflichtung jener Institute, denen gem Art 24 Abs 2 CRR ein Übergang auf international anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze (IFRS) auf Soloebene für die Zwecke der aufsichtlichen Meldungen bewilligt wurde: So führt § 14a Abs 2 VERA-V Meldeverpflichtungen auf Soloebene in Bezug auf die Bewertung von Vermögenswerten und außerbilanziellen Posten und die Ermittlung der Eigenmittel gem IFRS an. Der Entfall der Anlagen A1a sowie A2 wurde bei Einführung dieser Bestimmung im Jahr 2016 damit begründet, dass die Daten der Bilanz und der GuV auf Basis von IFRS bereits durch die Meldung gem VO (EU) 2015/534 über die Meldung aufsichtlicher Finanzinformationen (EZB/2015/13) gemeldet werden. Nachdem dieser VO allerdings nur CRR-Institute (Art 4 Abs 1 Z 1 CRR) unterliegen, nicht jedoch Kreditinstitute gem § 1a Abs 2 BWG (Non-CRR-KI), wird in diesem Punkt eine Ergänzung vorgenommen. § 14a Abs 2 Z 3 VERA-V stellt sohin beim Meldeumfang darauf ab, ob das meldende Institut der VO (EU) 2015/534 unterliegt. Nachdem die VO (EU) 2015/534 nur einen Auszug aus den europaweit maximalharmonisierten Meldebögen der DVO (EU) 2021/451 umfasst, wurde – so die FMA in ihren Erläut – die Meldeverpflichtung um die Meldebögen F 03.00 (Gesamtergebnisrechnung) sowie F 07.01 (der Wertminderung unterliegende finanzielle Vermögenswerte, die überfällig sind) ergänzt, da ansonsten allein ein IFRS-spezifisches Teilergebnis der GuV zur Verfügung stünde und die analytische Aufsichtstätigkeit beeinträchtigt wäre. Für Melder, denen eine Vorgehensweise gem Art 24 Abs 2 CRR bewilligt wurde und die der VO (EU) 2015/534 unterliegen, bedeutet die Novellierung des § 14a VERA-V eine Ausweitung der Meldeverpflichtung um zwei Meldebögen. Für jene Institute, die nicht dieser VO unterliegen, nämlich NonCRR-KI, bedeutet die Novellierung einen Übergang auf sechs europäisch vollharmonisierte Meldebögen. Die Meldebögen unterliegen der gleichen Meldefrequenz (Quartalsmeldung), ihre Übermittlungsfrist richtet sich aber nach den europäischen Vorgaben (Art 2 und 3 DVO [EU] 2021/451) und ist damit deutlich länger. Darüber hinaus ergab sich Änderungsbedarf durch die in der BWG-Novelle BGBl I 2021/98 eingeführte Konzessionspflicht von (gemischten) Finanzholdinggesellschaften: Im Fall einer Konzessionserteilung gem § 7b BWG hat gem § 74 Abs 3 BWG die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft anstelle des übergeordneten Kreditinstitutes den konsolidierten Meldebestimmungen der VERA-V nachzukommen und die Meldungen gesamthaft zu übermitteln. Aus diesem Grund legen zahlreiche Bestimmungen4 durchgehend das verantwortliche Unternehmen gem § 30 4

Dies betrifft § 7 Abs 1, § 9 Abs 1 und 2, § 10 Abs 1, §§ 10a, 10b Abs 1 Einleitungssatz, § 10b Abs 1 Z 1, § 10c Abs 1 und 2, § 10d Abs 1, §§ 11a, 12 Abs 1, § 13 Abs 1 und 2, § 14a Abs 1 und § 14b Abs 2 VERA-V.

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Abs 6 BWG als Adressaten der Meldepflicht bei den konsolidierten Meldebestimmungen fest. Steht der Kreditinstitutsgruppe keine oder keine konzessionierte (gemischte) Finanzholdinggesellschaft vor, kommt es durch diese terminologische Anpassung grds zu keiner Änderung des Meldepflichtigen für konsolidierte Meldungen. Rainer Wolfbauer

LIBOR- und EONIA-Ersatz: Delegierte Verordnungen der Kommission » ZFR 2021/254

Mit der DVO (EU) 2021/1847 der Kom vom 14. 10. 2021 über die Bestimmung eines gesetzlichen Ersatzzinssatzes für bestimmte Anwendungen des CHF LIBOR,5 die auf Art 23b Abs 4 VO 2016/1011 (ReferenzwerteVO bzw BenchmarkVO) basiert, definiert die Kom nach langem Diskussionsprozess6 die Zinssätze, um in Verträgen und Finanzinstrumenten iSd MiFiD II7 den CHF LIBOR als Bezugsgrundlage zu ersetzen. Die Zinssätze CHF LIBOR 1, 3, 6 bzw 12 Monate werden mithilfe des Art 1 Abs 1 DVO (EU) 2021/1847 durch die Zinssätze SARON 1 bzw 3 Monate Compound ersetzt. Diesen Ersatzzinssätzen wird allerdings eine feste Spread-Anpassung hinzugerechnet, die dem für jede relevante Fälligkeit veröffentlichten, am 5. 3. 2021 über einen Lookback-Zeitraum von fünf Jahren für jede Laufzeit als historischer Median-Spread zwischen dem betreffenden CHF LIBOR und dem jeweiligen SARON Compound berechneten Spread entspricht. Damit soll laut ErwGr 10 der DVO der Wertunterschied, der zwischen dem CHF LIBOR und dem SARON Compound besteht, widergespiegelt werden und sollen weiters die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ersatzes minimiert werden. Der Spread beträgt beim SARON 1 Monate Compound -0,0571 und beim SARON 3 Monate Compound je nach Bezug auf den jeweiligen LIBOR 0,0031 (3 Monate), 0,0741 (6 Monate) sowie 0,2048 (12 Monate): s Art 1 Abs 2 und 3 DVO (EU) 2021/1847. Gem Art 23b Abs 3 BenchmarkVO werden mit dem Ersatz für den CHF LIBOR kraft Gesetzes alle Bezugnahmen auf diesen Referenzwert in Verträgen und Finanzinstrumenten ersetzt, die keine oder keine geeigneten Rückfallklauseln enthalten. Im Einklang mit Art 23b Abs 11 BenchmarkVO kommt dieser Er5 6

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ABl L 374/1-5 vom 22. 10. 2021. Vgl die im Vergleich zur DVO umfangreichen ErwGr 1–25, die die Entstehung und wirtschaftliche Tragweite des Rechtsakts wiedergeben. So wird etwa darauf verwiesen, dass der CHF LIBOR in Ö als Bezugsgrundlage für 50.000–60.000 Hypothekarkredite an österr Haushalte (Stand: Juni 2021) dient. Dies entspricht einem Volumen von 9,6 Mrd € bzw rund 5,7 % der gesamten Verschuldung der privaten Haushalte. Rund 400 österr Banken nutzen demnach den CHF LIBOR als Bezugsgrundlage für ihre Hypothekarkreditportfolios. Die deutsche Fassung der DVO bezeichnet diese irrtümlich als „Verordnung [sic!] 2015/65/EU“.

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ZFR 11/2021 AKTUELLES

ART.-NR.: 255

satz allerdings in Verträgen, die mit Blick auf die Einstellung des CHF LIBOR erfolgreich neu verhandelt wurden, nicht zur Anwendung (vgl ErwGr 22 DVO). Da der LIBOR ab dem 1. 1. 2022 nicht mehr veröffentlicht wird, sollten ab diesem Datum die bestimmten Ersatzzinssätze den LIBOR als Bezugsgrundlage ersetzen (ErwGr 23 DVO). Taggleich wurde zudem die auf Art 23b Abs 8 BenchmarkVO beruhende DVO (EU) 2021/1848 der Kom vom 21. 10. 2021 über die Bestimmung eines Ersatzzinssatzes für den Referenzwert Euro Overnight Index Average veröffentlicht.8 Diese bestimmt die von der EZB veröffentlichte Euro Short-Term Rate (EURSTR) als Ersatzzinssatz für den Euro Overnight Index Average (EONIA) in allen in Kontrakten und Finanzinstrumenten iSd MiFID II enthaltenen Verweisen auf den EONIA. Auch diesem Zinssatz wird gem Art 1 Abs 2 und 3 DVO (EU) 2021/1848 eine feste Spread-Anpassung hinzugerechnet, und zwar iHv fixen 8,5 Basispunkten. Der Ersatzzinssatz für den EONIA substituiert kraft Gesetzes alle Verweise auf diesen Referenzwert in sämtlichen Kontrakten und Finanzinstrumenten, die keine oder keine geeigneten Rückfallklauseln nach Art 23b Abs 3 BenchmarkVO enthalten. Im Einklang mit Art 23b Abs 11 BenchmarkVO wirkt sich dieser Ersetzungsvorgang daher nicht auf Kontrakte aus, die mit Blick auf die Einstellung des EONIA erfolgreich neu verhandelt wurden (vgl ErwGr 11 DVO). Da der EONIA ab dem 3. 1. 2022 nicht mehr veröffentlicht wird, sollte ab diesem Datum der bestimmte Ersatzzinssatz den EONIA als Bezugsgrundlage ersetzen (ErwGr 12 DVO). Rainer Wolfbauer

Leitlinien der ESMA zu MarketingAnzeigen im grenzüberschreitenden Fondsvertrieb » ZFR 2021/255

Die FMA hat Anfang Oktober 2021 eine positive ComplianceErklärung zu den Leitlinien der ESMA „zu Marketing-Anzeigen gem der Verordnung über den grenzüberschreitenden Vertrieb von Fonds“9 abgegeben. Die Leitlinien richten sich an OGAW-Verwaltungsgesellschaften, Verwalter von AIFM, Verwalter von Europäischen Risikokapitalfonds (EuVECA) und Verwalter von Europäischen Fonds für soziales Unternehmertum (EuSEF) und sollten bei allen Marketing-Anzeigen angewendet werden, die an (potenzielle) Anleger von OGAW und AIF gerichtet sind. Der Begriff der Marketing-Anzeige ist denkbar weit zu verstehen. Beispielhaft werden etwa genannt: alle Mitteilun8 9

ABl L 374/6-9 vom 22. 10. 2021. ESMA34-45-1272 DE vom 2. 8. 2021.

gen, die für einen OGAW oder einen AIF werben, unabhängig vom Medium und einschließlich gedruckter Dokumente oder in elektronischer Form zur Verfügung gestellter Informationen, Presseartikel, Pressemitteilungen, Interviews, Werbeanzeigen, im Internet zur Verfügung gestellte Dokumente sowie Webseiten, Videopräsentationen, Live-Präsentationen, Radionachrichten oder Factsheets; weiters bestimmte Mitteilungen über Social Media sowie Marketingmaterial, das sich individuell an die Anleger oder die potenziellen Anleger richtet, sowie Dokumente oder Präsentationen, die der Öffentlichkeit auf einer Webseite oder an anderen Orten (am Sitz des Fondsmanagers, in der Vertriebsstelle usw) zur Verfügung gestellt werden, etc. Ausdrücklich vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden aber bspw die rechtlichen Dokumente eines Fonds (Prospekte, KID), bestimmte Unternehmensmitteilungen bzw das Pre-Marketing gem Art 4 Abs 1 lit aa AIFM-RL. Die Leitlinien dienen entsprechend dem Auftrag des Art 4 Abs 6 VO 2019/1156 vom 20. 6. 2019 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Vertriebs von Organismen für gemeinsame Anlagen der Präzisierung des Art 4 Abs 1 VO 2019/1156. Sie legen insb gemeinsame Grundsätze fest um sicherzustellen, dass Marketing-Anzeigen als solche erkennbar sind, die mit dem Erwerb von Anteilen oder Aktien eines AIF oder von Anteilen eines OGAW verbundenen Risiken und Chancen vergleichbar deutlich beschrieben werden und Marketing-Anzeigen fair, eindeutig und nicht irreführend sind, wobei die Online-Aspekte dieser Marketing-Anzeigen berücksichtigt werden. Die Leitlinien beabsichtigen jedoch nicht, in nationale Anforderungen an die Informationen einzugreifen, die in Marketing-Anzeigen enthalten sein müssen (zB zur steuerlichen Behandlung der Anlage), soweit diese mit bestehenden harmonisierten EU-Vorschriften vereinbar sind. Die mit 14 Seiten durchaus überschaubar gestalteten Leitlinien teilen sich im Wesentlichen in folgende drei Themenbereiche: Leitlinien für die Kenntlichmachung von Marketing-Anzeigen (Kapitel 4). Leitlinien für die vergleichbar deutliche Beschreibung von Risiken und Chancen (Kapitel 5). Leitlinien für den fairen, eindeutigen und nicht irreführenden Charakter von Marketing-Anzeigen (Kapitel 6), wobei darunter insb die Ausführungen zu „Informationen über Risiken und Chancen“, „Informationen über Kosten“, „Informationen über die frühere und erwartete zukünftige Wertentwicklung“ und „Informationen über nachhaltigkeitsrelevante Aspekte“ fallen. Die Leitlinien treten sechs Monate nach dem Datum ihrer Veröffentlichung auf der Webseite der ESMA in allen Amtssprachen der EU in Kraft, dementsprechend am 2. 2. 2022. Rainer Wolfbauer

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ART.-NR.: 257

FMA ermöglicht biometrische Verfahren zur geldwäscherechtlichen Kundenidentifikation » ZFR 2021/256

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Eine punktuelle Änderung der Novelle betrifft jedoch auch die „gewöhnliche Online-Identifikation“ (§ 4 Abs 3 Z 2 Online-IDV), bei der es den Verpflichteten nunmehr gestattet wird, dass der Kunde anstelle der Seriennummer seines Lichtbildausweises eine vom Verpflichteten zufällig generierte, zumindest vierstellige Zeichen-, Ziffern- oder Wortfolge vorliest. Die Novelle ist bereits mit dem der Kundmachung folgenden Tag, somit am 3. 11. 2021, in Kraft getreten, sodass derartige Verfahren ab sofort angewendet werden dürfen (§ 9 Abs 2 Online-IDV).

Durch eine Erweiterung der auf § 6 Abs 4 Z 1 FM-GwG beruhenden Online-Identifikationsverordnung (Online-IDV)10 hat die FMA den verpflichteten Finanzdienstleistern die Möglichkeit eröffnet, künftig rein biometrische Verfahren zur geldwäscherechtlichen Fernidentifikation ihrer Neukunden anzuwenden. Mit der jüngsten Novelle der Online-IDV werden – nach Einholung der Zustimmung des BMF – die Anforderungen an die Online-Identifikation im Rahmen eines Biometrischen Identifikationsverfahrens festgelegt. Die FMA reagiert damit auf den technischen Fortschritt, der mittlerweile neue Verfahren mit sich gebracht hat, die nicht mehr auf natürliche Personen für die Durchführung der OnlineIdentifikation zurückgreifen, sondern auf künstlicher Intelligenz basierende elektronische Videosysteme verwenden. Diese sog Biometrischen Identifikationsverfahren, die § 2 Z 4 Online-IDV als „Verfahren zur Online-Identifikation, bei denen die gesamte Online-Identifikation oder einzelne Schritte davon ohne Beteiligung eines Mitarbeiters im Rahmen eines automatisierten elektronischen Verfahrens durchgeführt werden“, definiert, werden dementsprechend im Verordnungsweg als eine zusätzliche Möglichkeit der Fernidentifizierung vorgesehen. Voraussetzung ist, dass das Biometrische Identifikationsverfahren auch die in der Online-IDV vorgesehenen allgemeinen Anforderungen erfüllt. Dazu zählen insb die organisatorischen (§ 3 OnlineIDV) und verfahrensbezogenen (§ 4 Online-IDV) Sicherungsmaßnahmen, wobei zusätzlich in § 4 Abs 6 Online-IDV spezifische Anforderungen an Biometrische Identifikationsverfahren vorgesehen werden. Bei diesen Verfahren erfolgt die Identifizierung eines Kunden grds allein algorithmisch, ohne dass ein Mitarbeiter des Finanzdienstleisters im persönlichen Kontakt eingebunden ist. Voraussetzung ist im Wesentlichen, dass das Verfahren dem aktuellen Stand der Technik entspricht und eine gleichwertige Sicherheit wie bei der Identifikation durch Mitarbeiter garantiert (§ 4 Abs 6 Z 1 OnlineIDV) sowie mittels Video überprüft wird, dass die Person tatsächlich physisch am Endgerät an der Identifikation teilnimmt (§ 4 Abs 6 Z 4 Online-IDV). Überdies muss der Lichtbildausweis (erst) ab 1. 1. 2023 auch durch Auslesen des elektronischen Sicherheitschips (NFCChip) überprüft werden. Bis dahin sind auch videogestützte Ausweisprüfungen zulässig (vgl § 4 Abs 6 Z 5 iVm § 9 Abs 2 Online-IDV). Nach den Erläuterungen der FMA zur VO besteht eine weitere Voraussetzung darin, dass der Kunde der biometrischen Identifikation zustimmt. Dies ist zwar den Normtext nicht unmittelbar zu entnehmen, ergibt sich jedoch mittelbar aus dem Umstand, dass der Kunde den technischen Vorgang faktisch jederzeit unterbrechen kann.

Nach einer bereits im Herbst 2020 durchgeführten Konsultation hat die FMA Anfang November 2021 eine Novelle zur Kleine Versicherungsvereine Rechnungslegungsverordnung (kV-RLV) erlassen.11 Als Rechtsgrundlage fungiert § 79 Abs 3 VAG 2016, der die FMA ua dazu ermächtigt, die vorzulegenden Angaben festzulegen, die für die Erfordernisse der Überwachung der Geschäftsgebarung kleiner Versicherungsvereine durch die FMA notwendig sind, darunter Vorschriften über die Ermittlung und Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen, die besondere Bewertung von Vermögensgegenständen, den Bericht an die FMA und Vorlagefristen, die Gliederung der Bilanz und der GuV, die in den Anhang und den Lagebericht aufzunehmenden Angaben, das Erfordernis eigenhändiger Unterschriften für den Jahresabschluss und den Lagebericht, die Übermittlung der Angaben an die FMA auf elektronischem Weg samt der Datenmerkmale und des Datensatzaufbaues und die Offenlegung des Jahresabschlusses. Die gegenständliche Novelle überarbeitet die bestehende Anlage zur kV-RLV grundlegend, ergänzt diese um zwei neue detaillierte Anlagen zum Datenaufbau und schöpft dadurch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fast vollständig aus. Die nunmehr als Anlage 1 bezeichnete Anlage enthält weiterhin je ein Formblatt für die Bilanz (Formblatt 1) sowie die GuV (Formblatt 2) und abweichend davon für die kleinen Versicherungsvereine, die ausschließlich den Betrieb der Tierversicherung zum Gegenstand haben, je ein Formblatt für die Vermögensübersicht (Formblatt 3) sowie eines für die Erfolgsrechnung (Formblatt 4). Die Änderungen dieser Anlage gegenüber der Vorversion sind im Wesentlichen lediglich formaler Natur. Die neuen Anlagen 2 und 3 dienen der genaueren Festlegung des Inhalts und der Gliederung der in der Verordnung normier-

10 BGBl II 2021/455 vom 2. 11. 2021.

11 BGBl II 2021/454 vom 2. 11. 2021.

Rainer Wolfbauer

Änderung der Kleine Versicherungsvereine Rechnungslegungsverordnung » ZFR 2021/257

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ZFR 11/2021 AKTUELLES

ART.-NR.: 258

ten Meldepositionen für die Meldepflichtigen. Die Anlagen determinieren die nähere Ausgestaltung, insb hinsichtlich der geforderten Granularität der im Verordnungstext normativ festgelegten Meldepositionen. Sie verfolgen das Ziel, Klarheit und Rechtssicherheit für die Normunterworfenen bezüglich der aufsichtlichen Anforderungen iZm dem Meldewesen zu schaffen. Die Anlagen orientieren sich am in der Versicherungsunternehmen-Meldeverordnung 2020 (VU-MV 2020) normierten Meldewesen für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, wobei die Meldepositionen dem Prinzip der Proportionalität folgend einen deutlich geringeren Umfang aufweisen. Darüber hinaus erfolgt eine – im Wesentlichen redaktionelle – Änderung des § 12 kV-RLV. Inhaltlich wird allerdings in § 12 Abs 1 Z 4 kV-RLV die Pflicht eingeführt, künftig auch Details zu den einzelnen Vermögenswerten zu melden. Zudem sieht § 12 Abs 2 kVRLV nunmehr vor, dass die Übermittlung von Information an die FMA gem § 247 Abs 2 iVm § 69 Abs 5 VAG 2016 auf elektronischem Weg zu erfolgen hat, und zwar gem § 1 Abs 1 Z 11 FMA-IPV über die FMA-Incoming-Plattform. § 13 Abs 2 Z 2 kV-RLV verlegt nunmehr die Vorlagefrist für kleine Versicherungsvereine, deren Geschäftsjahr am 31. 12. endet, vom 15. 7. auf den 30. 6. vor. Diese haben zudem die Bemessungsgrundlage für die von ihnen zu tragenden Aufsichtskosten im Einklang mit allen anderen Meldepflichtigen gem § 6 Abs 2 FMA-KVO grds bis zum 30. 6. des Folgejahres an die FMA zu übermitteln. Bemessungsgrundlage sind gem § 271 Abs 2 VAG 2016 die verrechneten Prämien. Die Summe der verrechneten Prämien wird gem § 6 Abs 1 Z 2 lit b FMA-KVO 2016 als Teil der Meldung gem kV-RLV der Kostenbemessung zugrunde gelegt. Dadurch war die bisherige Meldefrist bis zum 15. 7. des Folgejahres gem § 13 Abs 2 Z 2 kV-RLV allerdings faktisch leergelaufen, weshalb die FMA die Vorlagefrist für die Gesamtmeldung gem kV-RLV an die Vorlagefrist für die Meldung der verrechneten Prämien gem FMA-KVO 2016 anpasste. Eine Ausnahme besteht nur für Tierversicherer, die gem § 13 Abs 2 Z 1 kV-RLV weiterhin bis zum 15. 5. des Folgejahres zu melden haben. Die neuen Bestimmungen sind erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 30. 10. 2021 enden (§ 14 Abs 2 kV-RLV).

Überarbeitete EBA-Leitlinien für die Meldung schwerwiegender Vorfälle nach der PSD2 » ZFR 2021/258

Anfang November 2021 hat die FMA eine (positive) ComplianceErklärung zu den überarbeiteten Leitlinien der EBA für die Meldung schwerwiegender Vorfälle nach der PSD2 abgegeben.12 Die Leitlinien dienen der Erfüllung des an die EBA gem Art 96 Abs 3 PSD2 erteilten Auftrags und ersetzen mit Wirkung ab dem 1. 1. 2022 die bis dahin geltenden Vorgänger13-Leitlinien für die Meldung schwerwiegender Vorfälle nach PSD2. Die Leitlinien beschreiben die Kriterien für die von Zahlungsdienstleistern vorzunehmende Klassifizierung schwerwiegender Betriebs- oder Sicherheitsvorfälle sowie das Format und die Verfahren, die Zahlungsdienstleister gem Art 96 Abs 1 PSD2 bei der Meldung solcher Vorfälle an die zuständige Behörde im Herkunftsmitgliedstaat einzuhalten haben, gehen weiters darauf ein, wie die betreffenden zuständigen Behörden die Relevanz eines Vorfalls bewerten und welche Einzelheiten sie bei der Meldung von Vorfällen an andere nationale Behörden gem Art 96 Abs 2 PSD2 übermitteln müssen, und enthalten zuletzt Informationen hinsichtlich der Unterrichtung der EBA und der EZB über die maßgeblichen Einzelheiten der gemeldeten Vorfälle, um eine gemeinsame und einheitliche Vorgehensweise zu fördern (Rz 6–8). Mit der Überarbeitung der Leitlinien wollte die EBA den Meldeprozess straffen und die Meldetemplates verbessern. Der Schwerpunkt sollte dabei auf Vorfällen mit erheblichen Auswirkungen auf Zahlungsdienstleister liegen. Gleichzeitig sollte die Aussagekraft der zu meldenden Informationen verbessert werden. Nach den Einschätzungen der EBA sollte sich durch die überarbeitete Leitlinie der voraussichtliche Meldeaufwand verringern. Rainer Wolfbauer

Rainer Wolfbauer

Leitlinien der EBA betreffend zwischengeschaltete EU-Mutterunternehmen Jederzeit und überall abrufbar.

» ZFR 2021/259

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Am 14. 9. 2021 hat die EBA ihre Leitlinien „für die Überwachung des Schwellenwertes und sonstiger Verfahrensaspekte bezüglich der Einrichtung eines zwischengeschalteten EU-Mutterunterneh-

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12 EBA/GL/2021/03 vom 10. 6. 2021. Die deutsche Fassung wurde am 7. 9. 2021 veröffentlicht. 13 EBA/GL/2017/10 vom 19. 12. 2017, s hierzu näher: Wolfbauer, Leitlinien der EBA zur PSD2: Meldung schwerwiegender Vorfälle, ZFR 2018/75, 150 f.

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ZFR 11/2021 AKTUELLES

ART.-NR.: 259

mens gemäß Artikel 21b der RL 2013/36/EU“14 veröffentlicht. Anfang November 2021 folgte sodann die positive Compliance-Erklärung der FMA. Die Leitlinien, die im Wesentlichen für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen gelten, legen fest, wie der Schwellenwert für die Pflicht zur Einrichtung eines zwischengeschalteten EU-Mutterunternehmens gem Art 21b CRD zu berechnen und zu überwachen ist, und präzisiert bestimmte Verfahrensaspekte bezüglich der Einrichtung eines zwischengeschalteten EU-Mutterunternehmens. Hintergrund der Regelung ist in erster Linie Art 21b Abs 1–4 CRD:15 Nach Art 21b Abs 1 CRD müssen zwei oder mehr Institute in der EU, die derselben Drittlandsgruppe angehören, ein einziges, in der EU niedergelassenes zwischengeschaltetes EU-Mutterunternehmen aufweisen. Abs 2 wiederum sieht unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme vor, indem die zuständige Behörde auch zwei in der EU niedergelassene zwischengeschaltete EU-Mutterunternehmen gestatten kann, während Abs 3 die Zulassungsbedingungen für das zwischengeschaltete EU-Mutterunternehmen selbst konkretisiert.16 Nach Art 21b Abs 1–4 CRD finden die Abs 1, 2 und 3 dieses Artikels jedoch keine Anwendung, wenn der Gesamtwert der Vermögenswerte einer Drittlandsgruppe in der EU 40 Mrd € unterschreitet, wobei Abs 5 nähere Festlegungen zur rechnerischen Ermittlung dieses Schwellenwerts trifft.

14 EBA/GL/2021/08 vom 28. 7. 2021. 15 Art 21b wurde in die CRD durch die RL (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 5. 2019 zur Änderung der RL 2013/36/ EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen, ABl L 2019/150, 253, eingefügt. 16 Nach N. Raschauer/Stern, Re-Regulierung der Finanzholdings: Revolution oder Evolution? ZFR 2021/64, 16 ff (FN 6), besitze der Fall des zwischengeschalteten EU-Mutterunternehmens nach Art 21b CRD keine Relevanz in Ö, insb aufgrund des hohen Bilanzsummenschwellenwerts von 40 Mrd € innerhalb der EU. Zu Art 21b CRD s Hanten/Sacarcelik, Auslandsbanken unter Geltung des Risikoreduzierungsgesetzes, BKR 2020, 499. Vor dem Hintergrund des regelmäßigen Unterschreitens der Schwelle wird der vorausschauenden Kontrolle bzw Überwachung jedoch umso höhere Bedeutung zukommen.

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Die Rz 10–16 der Leitlinien treffen nun Spezifikationen bezüglich der Berechnung und Überwachung des Schwellenwertes, wobei als Grundregel gilt: Der Gesamtbetrag der Vermögenswerte einer Drittlandsgruppe in der EU soll im Einklang mit Art 21b Abs 5 CRD als die Summe der Vermögenswerte der EUMutterinstitute dieser gem Art 18 CRR auf oberster Konsolidierungsebene in der EU konsolidierten Gruppe zuzüglich der einzelnen Vermögenswerte der Institute, die nicht Teil einer Gruppe sind, die gem Art 111 CRD einer konsolidierten Aufsicht unterliegt („Einzelinstitute“), zuzüglich der Vermögenswerte der Zweigstellen der Drittlandsgruppe errechnet werden. In weiterer Folge werden verschiedene Stichtags- und Durchschnittsbetrachtungen normiert. EU-Mutterinstitute und Einzelinstitute, die Teil einer Drittlandsgruppe sind, sollten mindestens vierteljährlich den Gesamtbetrag der Vermögenswerte der Gruppe in der EU als Ganzes berechnen und bewerten, ob der Schwellenwert im Einklang mit den Leitlinien erreicht, überschritten oder nicht überschritten wurde („vierteljährliche Bewertungen“). Bis zur Einrichtung der zwischengeschalteten EU-Mutterunternehmen gem Art 21b Abs 1 oder 2 CRD sollen EU-Mutterinstitute und Einzelinstitute, die Teil einer Drittlandsgruppe sind, vorausschauend und mindestens jährlich den gem diesen Leitlinien bestimmten Schwellenwert anhand der strategischen Planung und der Prognosen für die Vermögenswerte über einen Zeithorizont von mindestens drei Jahren für die Gruppe als Ganzes überwachen („vorausschauende Überwachung“). Die Rz 17–21 regeln den Informationsaustausch zwischen Instituten und Zweigstellen einer Drittlandsgruppe und Vorlagen bei der zuständigen Behörde, während zuletzt die Rz 22–29 Leitlinien für die Vorgangsweise der zuständigen Behörden bei der Beaufsichtigung der Institute, Zweigstellen der Drittlandsgruppe und der zwischengeschalteten EU-Mutterunternehmen aufstellen. Die Leitlinien gelten bereits seit dem 14. 11. 2021, somit zwei Monate nach Veröffentlichung der übersetzten Fassungen (Rz 9). Rainer Wolfbauer

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ZFR 11/2021 IMPRESSUM

Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Olaf Riss, LL.M. Univ. Prof. Dr. Martin Winner Mag. Rainer Wolfbauer Redaktionsassistenz: Anita Gassner, LL.M. (WU) BSc (WU) Wissenschaftlicher Beirat: Univ.-Prof. Dr. Georg Graf RA Dr. Markus Heidinger, LL.M. Dr. Stephan Korinek Univ.-Prof. Dr. Matthias Neumayr Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner MMag. Dr. Martin Ramharter Ass.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Saria Univ.-Prof. Dr. Alexander Schopper MMag. Melitta Schütz Prof. Dr. Rüdiger Veil Dr. Maria Wittmann-Tiwald Univ.-Prof. Dr. Claudia B. Wöhle Lektorat und Autorenbetreuung: Mag. Doris Lamani 1030 Wien, Marxergasse 25 Tel. +43-1-534 52-1712, Fax DW 146 E-Mail: doris.lamani@lexisnexis.at

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