Johannes Selle MdB: Bericht aus Berlin vom 16. November 2010

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Johannes Selle Mitglied des Deutschen Bundestages

Inhalte Aktuelle Stunde zu Castor-Transporten Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz GKV-Finanzierungsgesetz Frequenzversteigerung Besuchergruppe aus Vogelsberg Zahl der Arbeitslosen sinkt unter drei Millionen

1.

Aktuelle Stunde zu Castor-Transporten

Das Demonstrationsrecht ist in einem freiheitlichen Rechtsstaat ein hohes Gut. Neben einer großen Zahl friedlicher Demonstranten waren bei den Protesten im Wendland aber auch solche zu beobachten, die gezielt schwere Straftaten begangen haben. Wer mit Steinen wirft, Schienen lockert oder Brandsätze auf Fahrzeuge wirft, gefährdet das Leben anderer Menschen und überschreitet damit eine Grenze. Wir erwarten deshalb von den Grünen, die vor Ort vertreten waren, das klare Bekenntnis, dass sie sich von Gewalt und Rechtsbruch distanzieren. Der Satz: „Man habe nicht zur Gewalt aufgerufen“ reicht in diesem Zusammenhang bei weitem nicht aus. Die Rücknahme des kerntechnischen Abfalls aus Frankreich erfolgt vertragsgemäß und wurde auch zu Zeiten von Rot-Grün durchgeführt. Man findet dazu interessante Zitate: „Gegen diese Transporte sollten Grüne in keiner Form sitzend, stehend, singend, tanzend demonstrieren.“ (Jürgen Trittin, „Berlin direkt“, 28. Januar 2001) „[Gegen die Rücknahme von Atommüll aus Frankreich] zu demonstrieren, hält der Parteirat - unabhängig von der Form des Protestes, ob durch Sitzen, Gehen oder Singen – für politisch falsch. Nicht weil wir etwas gegen Sitzblockaden, Latschdemos oder Singen hätten, sondern weil wir das Anliegen weshalb gesessen, gegangen oder gesungen wird, ablehnen.... Die Voraussetzungen für den Transport sind gegeben. Und deshalb gibt es für Grüne keinen Grund, gegen diese Transporte zu demonstrieren.“ (Jürgen Trittin in einem Brief vom 31. Januar 2001 an die niedersächsischen Kreisverbände der Grünen.)

Aktuelles

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Johannes Selle, MdB Platz der Republik 1 11011 Berlin Büro: Unter den Linden 71 Telefon: +49 30 227-70064 Fax: +49 30 227-76190 johannes.selle@bundestag.de Mitglied im Ausschuss Kultur und Medien Mitglied im Ausschuss Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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„Diejenigen, die durch ihre Aktion auf den Gleisen dazu beigetragen haben, dass die Castorbehälter einen Tag später als geplant angekommen sind, haben für sich in Anspruch genommen, sie seien nicht gewalttätig. Es ist aber völlig eindeutig, – das habe ich übrigens gestern im Fernsehen gesagt; vielleicht haben Sie es gehört oder es in einer Meldung der Agentur gelesen –, dass sich diese Menschen rechtswidrig verhalten und Rechtsbruch begangen haben; das wissen sie auch….. Daran kann es keinen Zweifel geben…“ (Jürgen Trittin in einer aktuellen Stunde des Bundestages am 29. März 2001, Plenarprotokoll 14. WP, 161. Sitzung, S. 15722) Zu diesem Thema gibt es auch im Wahlkreis immer wieder Gespräche und deshalb möchte ich noch ein paar interessante Informationen hinzufügen: In der Debatte im Deutschen Bundestag am 28.10.2010 als es u.a. um die Verlängerung der Atomlaufzeiten ging, hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen seinen Amtsvorgänger Jürgen Trittin vorgehalten, dass der Sachverständige Lothar Hahn (früher beim Öko-Institut), den die Grünen selbst benannt hatten, in der entscheidenden Sitzung des Umweltausschusses gesagt habe, dass durch den rot-grünen Atomausstieg wichtige Nachrüstungen ausgeblieben seien. Röttgen verweist weiter auf die damalige Vereinbarung mit der Atomwirtschaft: „…Sie haben den Unternehmen, die zu beaufsichtigen sind, die Gegenstand und Adressat Ihrer Amtspflichten waren, zugesagt, ‚die Bundesregierung werde keine Initiative ergreifen, um diesen Sicherheitsstand – das ist der heutige Sicherheitsstand – und die zugrunde liegende Sicherheitsphilosophie zu ändern.‘ Sie haben eine Garantie gegeben. Sie haben gesagt, der Staat werde nie mehr machen, als er jemals gemacht hat. Das war amtspflichtwidrig, das durften Sie nicht tun. …Sie dürfen dem Adressaten der Aufsicht nicht zusichern, dass es keine neuen Anforderungen an ihn gibt.“ „…. Natürlich haben Sie in der Vereinbarung mit der Atomwirtschaft, als Sie dafür zuständig waren, auch eine weitere Zusage gegeben. Sie haben dort nämlich vereinbart und zugesagt: ‚Die Beteiligten – das sind die Betreiber der Kernkraftwerke – schließen diese Vereinbarung auf der Grundlage, dass das zu novellierende Atomgesetz Seite 2


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einschließlich der Begründung die Inhalte dieser Vereinbarung umsetzt.‘ – Sie haben mal eben dem Gesetzgeber mitgeteilt, was er zu tun hat. Das haben Sie mit den Betreibern verabredet. … Weiter haben Sie vereinbart: ‚Über die Umsetzung der Atomgesetznovelle wird auf der Grundlage des Regierungsentwurfs vor der Kabinettsfassung zwischen den Vertragspartnern beraten.‘ Das heißt, dass noch nicht einmal das Kabinett berät, sondern die Vertragspartner zuerst die Konsultation durchführen.“ In der Debatte wurde auch darauf verwiesen, dass die rotgrüne Mehrheit in München das der Stadt eigene Atomkraftwerk verwaltet und nicht abschaltet. 2.

Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz

In zweiter und dritter Lesung wurde das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der GKV (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz) beschlossen. Dies ist ein neuer Versuch, die schwer zu dämpfende Preisentwicklung bei Medikamenten in den Griff zu bekommen. Preise für Produkte, die so von keinem anderen Produzenten hergestellt werden, entstehen nicht durch Marktmechanismen, sondern aus den mit guten Gewinnen kalkulierten Ansätzen der Pharmaunternehmen. Zukünftig sollen neue Produkte danach bewertet werden, ob sie einen Zusatznutzen enthalten. Die Untersuchung soll auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen. Kann kein Zusatznutzen festgestellt werden, wird das Medikament in die vergleichbare Festbetragsgruppe der vergleichbaren Medikamente eingeordnet. Einem wichtiger Preistreiber, nämlich neue Verpackung, bei gleichem Inhalt aber höherem Preis, wird damit zu Leibe gerückt. 3.

GKV-Finanzierungsgesetz

In zweiter und dritter Lesung haben wir in dieser Woche das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens (GKV-Finanzierungsgesetz) verabschiedet. Seite 3


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Die Krankenversicherungskosten kennen schon seit einigen Jahren nur den Weg nach oben. Das bisherige System konnte den teilweise begründeten, teilweise kommerziell verursachten Anstieg nicht bremsen. Deshalb ist ein neuer Ansatz erforderlich. Mit diesem Gesetz wird erneut ein Versuch unternommen, die Krankenkassen untereinander in den Wettbewerb zu bringen. Der zweite Gedanke besteht darin, bei Steigerungen der Beiträge die Arbeitskosten nicht zu belasten. Gerade an dem Wirtschaftsaufschwung und dem zu Ende gegangen G20 Gipfel kann man erkennen, wie wichtig das für die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist. Präsident Obama hätte sich gefreut, wenn die Arbeitskosten belastet worden wären. Die Hoffnung besteht, dass die Krankenkassen nur ungern Zusatzbeiträge erheben. Um Erhöhungen zu vermeiden, versucht man lieber intern effizienter zu werden und sich im günstigsten Falle zusammenschließen und damit Kosten sparen, so die Annahme. Eine weitere Verringerung der Zahl der Krankenkassen könnte weitere Kosten sparen. Den Beitragszahler soll keine stärkere Erhöhung als 2 % pro Jahr zugemutet werden. Erhöhungen darüber hinaus werden durch den Steuerzahler ausgeglichen.

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Frequenzversteigerung

Im Plenum war ich in dieser Woche Berichterstatter meiner Fraktion zum Thema „digitale Dividende“ und den dazu existierenden Anträgen der Opposition. Die Bundesregierung strebt mit ihrer Breitbandstrategie eine flächendeckende Versorgung aller Regionen mit leistungsfähigen Internetverbindungen an. Dabei müssen Funklösungen in entfernten Regionen eine Rolle spielen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Frequenzen im Bereich 790 bis 862 MHz neu zugeteilt worden. Sie sind bisher dem Rundfunkdienst zugewiesen und werden nun dem Mobilfunkdienst zugeordnet. Ein Teil des versteigerten Frequenzspektrums- nämlich die genannten Bereiche 790 bis 862 MHz – werden auch bei der drahtlosen Produktionstechnik bei Veranstaltungen, in Kirchen , in Theatern u. ä. mitgenutzt. Nach dem Seite 4


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31.12.2015 stehen den Nutzern drahtloser Mikrofonanlagen diese Frequenzen nicht mehr zur Verfügung. Folge könnte sein, dass Kosten für Neuanschaffungen oder Umstellung auf andere Frequenzbereiche entstehen. Der Bundesrat hat im Juni 2009 die Initiative der Frequenzumstellung begrüßt, weil dadurch die Möglichkeit entsteht, den ländlichen Raum durch schnelle Datenverbindungen zu erschließen und damit seine Attraktivität zu erhöhen. Die Zustimmung ist ihm leicht gefallen, da die Bundesregierung vertreten durch den parlamentarischen Staatssekretär Hartmut Schauerte zugesagt hat, „die Kosten, die sich nachweislich aus notwendigen Umstellungen bis Ende des Jahres 2015 bei denjenigen ergeben, die die Frequenzen 790 bis 862 Megahertz bisher nutzen, Rundfunksendeunternehmen und Sekundärnutzer, insbesondere Kultur- und Bildungseinrichtungen, in angemessener Form tragen.“ Die Bundesregierung steht nach wie vor zu dieser Zusage. Mit den Anträgen der Opposition sollen Rechtsansprüche auf Übernahme der Kosten geschaffen werden. Einen solchen Rechtsanspruch zu beschließen, setzt für verantwortlich handelnde Politiker voraus, dass alle Zahlen, angefangen von in Frage kommenden Anlagen bis zur Frage einer möglichen Umstellung oder Neuanschaffung einigermaßen verlässlich vorliegen sollten. Aus den Anträgen der Opposition ist ersichtlich, dass das Feststellen der Zahlen nicht so einfach ist. Hier reichen die Forderungen der SPD von einigen Millionen bis zu mehreren Milliarden bei den Linken. Zwischen Bund und Ländern konnte noch nicht einvernehmlich geklärt werden, wie viel Geld für die Kostenerstattung vorgehalten werden muss. CDU/CSU und FDP haben in einer Protokollerklärung keine Zweifel gelassen, dass ihnen die Bildungsveranstaltungen, die Kirchen, Theater etc. wichtig sind und wir sie nicht auf ihren Kosten sitzen lassen wollen. Dazu gab ich auch ein Fernsehinterview im WDR-Fernsehen. Ich bin überzeugt, dass die betroffenen Produktionsstätten mit angemessen Entschädigungen rechnen können.

5.

Besuchergruppe aus Vogelsberg

Am Freitag erhielt ich Besuch von den Feuerwehrleuten nebst Ehegatten aus Vogelsberg im Sömmerdaer Land. Seite 5


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Die Gruppe schaute sich eine Plenardebatte an. Dabei waren sie Zeuge der Debatte über den Antrag der Fraktion Die Linke, Gesetze nicht nur durch den Bundestag, sondern auch durch Volksbefragungen beschließen zu lassen. Dazu hat die Fraktion Die Linke namentlich abstimmen lassen. Ich diskutierte anschließend mit der Gruppe über die aktuelle politische Lage. Ich freue mich immer wieder, wenn Gruppen aus dem Wahlkreis nach Berlin kommen, denn es wichtig, das parlamentarische Geschehen aus eigener Anschauung kennen zu lernen.

6.

Zahl der Arbeitslosen sinkt unter drei Millionen

Die Zahl der Arbeitslosen ist im vergangenen Monat mit rund 2.945.000 (-86.000 gegenüber dem Vormonat) auf den niedrigsten Stand seit 18 Jahren gesunken. Die Arbeitslosenquote sank auf 7% (-0,2%), saisonbereinigt 7,5%. Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben in saisonbereinigter Rechnung deutlich zugenommen und liegen über dem Vorjahresniveau. So stieg die Zahl der Erwerbstätigen im September saisonbereinigt um 35.000, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten saisonbereinigt um 48.000. Auch die Kurzarbeit verliert weiter an Bedeutung. Nach vorläufigen Daten wurde im August an 173.000 Arbeitnehmer konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt. Das waren 97.000 weniger als im Vormonat und 849.000 weniger als vor einem Jahr. Damit erreichen die Kurzarbeiterzahlen im August 2010 nur noch rund ein Zehntel des Höchststandes der Inanspruchnahme im Mai 2009. (Quellen: Bundesagentur für Arbeit und Statistisches Bundesamt)

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