FAMILIE
Statistik des
Elternseins
KINDER SIND EINE WUNDERBARE AUFGABE. DIE ALLERDINGS AUCH MIT UNZÄHLIGEN HANDGRIFFEN UND TÄTIGKEITEN VERBUNDEN IST – VOM WINDELWECHSELN, KOCHEN, VORLESEN AM ABEND BIS ZUM RECHNEN ÜBEN UND UND UND ... TEXT: REINHARD SCHUCH
G
äbe es eine Statistik des elterlichen Tuns, was würde wohl ganz oben stehen? Vermutlich sähe es in jeder Familien ein bisschen anders aus. Ich persönlich habe mich einmal
gefragt, wieviele Fußball- und American Footballspiele meiner drei Söhne ich mir angeschaut habe. In Summe wurden diese Sportarten immerhin 20 Jahre ausgeübt. Eine andere Erinnerung betrifft das abend-
FAMILIE liche Vorlesen, das pro Kind gute vier Jahre stattgefunden hat. Am Ende kannte ich „Das kleine Ich bin ich“ und „Valerie und die Gute-Nacht-Schaukel“ besser als die Kinder. Aber ich habe es nicht bereut, es gibt so viele phantastische Kinderbücher. Obwohl es nach einem anstrengenden Tag auch vorgekommen ist, dass ich mit dem Kind eingeschlafen bin. DIE ZAHLEN SPRÄCHEN BÄNDE (WENN MAN SIE HÄTTE) Wie oft habe ich eigentlich in gewissen Jahren Kaiserschmarrn gemacht, 20 oder 40 mal oder öfter? Ein Freund, der in einer Patchwork-Familie lebt, hat 26 Jahre einen Kindersitz im Auto gehabt. Sein Lebenstraum war irgendwann: ein Auto ohne Kindersitz. Einige Jahre fährt er bereits ohne, aber jetzt hat seine älteste Tochter ein Baby bekommen. Das heißt ... Ziemlich genau weiß ich, dass ich meinen mittleren Sohn zwei Jahre mit dem Auto zur Tagesmutter gebracht habe, und unterwegs kaufte ich fast immer ein Briochekipferl für die Jause. Er hat also an die 500 Briochekipferl in zwei Jahren verdrückt.
Wie oft wurde beim Anziehen geholfen, die Schuhe zugebunden, das Zähneputzen überwacht? Wie oft wurde die Nase geputzt, das Haar gekämmt, die schmutzige Wäsche in die Waschmaschine gesteckt? Man weiß es nicht, und man hat es, wenn die Kinder erwachsen sind, fast vergessen. Auch die schlaflosen Nächte mit Pseudokrupp, bei offenem Fenster oder bei Wasserdampf im Bad verbracht, sind Geschichte. Dann die Abende, an denen der Pubertierende viel später nach Hause gekommen ist als ausgemacht. Man hat geschimpft und gestraft, aber das Strafen war letztlich schnell wieder vorbei. Irgendwann sagte man sich: Hauptsache, die Kids sind gesund. Das war auch die Formel für Elternsprechtage im Gymnasium. IM HOCH DER GEFÜHLE Dann werden sie groß und entwickeln sich in einer Weise, wie man es nicht vermutet hat. Man ist erst überrscht, dann freut man sich. Wie viele positive Emotionen erlebt man, wenn man Kinder bis zum Erwachsenwerden begleitet? Es sind unzählige. Und sie wiegen auf alle Fälle den Ärger zwischendurch auf. Natürlich gibt es auch die Momente, wo man das quengelige Kind am liebsten auf den Balkon hinaus stellen würde, man tut es aber nicht. Dann plötzlich sind die Kids erwachsen, und all die Handgriffe und Tätigkeiten sind verflogen. Fast hat man die Empfindung der Leere. Aber nur fast, denn bald kommen die Enkelkinder und man beginnt wieder von vorne. Man greift wieder zu „Valerie und die Gute-Nacht-Schaukel“ und schaut, dass das Enkerl sich vor dem Zu-Bett-Gehen ordentlich die Zähne putzt. Der Kreis schließt sich.
ALLES FÜR MEIN KIND 01/2022
67