AVR 1/2024 Leseprobe

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5. Jahrgang / Februar 2024 / Nr. 1

AVR

Abgabenverfahren und Rechtsschutz

Katharina Kubik | Christian Lenneis | Maria Linzner-Strasser

Claus Staringer | Martin Vock

Schwerpunkt: Gemeinnützigkeit

Verfahrensrechtliche Aspekte der neuen Spendenbegünstigung

Rechtsschutz bei Widerruf der Spendenbegünstigung

Keine Begünstigungen bei Strafen und Verbandsgeldbußen

Globale Mindestbesteuerung

Auswirkungen der Einführung der nationalen Ergänzungssteuer

Datenschutz

Informationsaustausch betreffend Kontoinformationen

Aus der aktuellen Rechtsprechung

VwGH- und BFG-Entscheidungen samt Anmerkungen

Linde

Zeitschrift

Neu ab Jänner 2024

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Inhaltsverzeichnis

Verfahrensrechtliche Aspekte der neuen Spendenbegünstigung

Susanne Reisinger..............................................................................................................

Rechtsschutz bei Widerruf der Spendenbegünstigung

Gemeinnützigkeitsreform: Keine steuerlichen Begünstigungen bei Strafen und Verbandsgeldbußen Michael Lang..................................................................................................................................................

Globale Mindestbesteuerung – Auswirkungen der Einführung der nationalen Ergänzungssteuer auf die Pillar-II-Implementierung

Thomas Häusle / Patrick Plansky...............................

Der automatische Informationsaustausch in Steuersachen betreffend Kontoinformationen und das Grundrecht auf Datenschutz

Daniel W. Blum / Mario Riedl...................................................................................................

Rechtsprechung

Aus der aktuellen Rechtsprechung

Herausgeber:

MMag. Dr. Katharina Kubik; Dr. Christian Lenneis; StB/WP Mag. Maria Linzner-Strasser; Univ.-Prof. Dr. Claus Staringer; Dr. Martin Vock, LL.M.

Medieninhaber und Medienunternehmen:

Linde Verlag Ges.m.b.H., 1210 Wien, Scheydgasse 24. Telefon: 01/24 630 Serie. Telefax: 01/24 630-723. E-Mail: office@lindeverlag.at. Internet: http://www.lindeverlag.at. DVR 0002356; Rechtsform der Gesellschaft: Ges.m.b.H.; Sitz: Wien. Firmenbuchnummer: 102235x. Firmenbuchgericht: Handelsgericht Wien. ARA-Lizenz-Nr. 3991; ATU 14910701. Gesellschafter: Anna Jentzsch (35 %) und Jentzsch Holding GmbH (65 %).

Geschäftsführung: Mag. Klaus Kornherr und Benjamin Jentzsch.

Erscheinungsweise und Bezugspreise: Periodisches Medienwerk: AVR – Abgabenverfahren und Rechtsschutz.

Grundlegende Richtung: Fachinformationen rund um Abgabenverfahren und verwandte Themen des (Steuer-)Rechts.

Erscheint sechsmal jährlich.

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Verfahrensrechtliche Aspekte der neuen Spendenbegünstigung

in der Abteilung für Einkommen- und Körperschaftsteuer im Bundesministerium für Finanzen.

Das GemRefG 2023,1 das umfangreiche Änderungen in der Spendenbegünstigung gemäß §4a EStG – und auch im Gemeinnützigkeitsrecht gemäß §§34ff BAO2 – vorsieht, ist mit 1.1.2024 in Kraft getreten. Dabei sind auch im Verfahren zur Erlangung und Verlängerung der Spendenbegünstigung wichtige Neuerungen zu verzeichnen.

1.Allgemeines zur Spendenbegünstigung

1.1.Spendenbegünstigte Organisationen

Nach §4a Abs1 EStG gibt es zwei Gruppen an spendenbegünstigten Einrichtungen: Einerseits jene, die bereits aufgrund des Gesetzes, nämlich aufgrund von §4a Abs6 EStG, begünstigt sind, und andererseits jene Einrichtungen, die einen begünstigten Zweck erfüllen müssen und denen die Spendenbegünstigung durch Bescheid des Finanzamts Österreich zuerkannt wird.

In die erste Gruppe der ex lege begünstigten Einrichtungen fallen etwa, wie bisher, Universitäten, gewisse Forschungsförderungsfonds und Museen oder Freiwillige Feuerwehren. Neu aufgenommen in diesen Katalog wurden insbesondere öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen bis zum Eintritt der Schulpflicht (Kindergärten), öffentliche Schulen sowie Kindergärten und Schulen mit Öffentlichkeitsrecht anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts, dh insbesondere kirchliche Einrichtungen (§4a Abs6 Z2 EStG).

Alle nicht in §4a Abs6 EStG genannten Organisationen müssen für die Zuerkennung der Spendenbegünstigung einen Antrag stellen. Sie müssen dafür einen begünstigten Zweck erfüllen (§4a Abs2 EStG), eine begünstigungsfähige Körperschaft sein (§4a Abs3 EStG) und die gesetzlichen Voraussetzungen (§4a Abs4 EStG) erfüllen. Das Verfahren zur Zuerkennung und Aufrechterhaltung der Spendenbegünstigung ist in §4a Abs5 EStG geregelt.

§4a Abs7 EStG enthält schließlich noch allgemeine Bestimmungen für beide Gruppen.3

1 BGBl I 2023/188.

2 In verfahrensrechtlicher Hinsicht ergeben sich hier jedoch keine wesentlichen Änderungen. Auch weiterhin gibt es keinen „Gemeinnützigkeitsbescheid“, in dem die Begünstigungswürdigkeit festgestellt wird, vgl Rz10 VereinsR. Vgl zur Rechtslage in Deutschland §60a dAO.

3 Vgl zur neuen Rechtslage allgemein Reisinger, Das Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 im Überblick, SWK34/2023, 1274; Hammerl , Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 – TeilI: Reform der steuerlichen Spendenbegünstigung, RdW2023, 894.

1.2.Spendenbegünstigte Zwecke

Spendenbegünstigte Zwecke sind nunmehr insbesondere gemeinnützige Zwecke gemäß §35 BAO sowie (wie schon bisher) mildtätige Zwecke gemäß §37 BAO (§4a Abs2 EStG).4 Die Spendenbegünstigung knüpft zwar nun pauschal an gemeinnützige Zwecke iSd BAO an, statt wie bisher explizit die einzelnen spendenbegünstigten Zwecke taxativ zu nennen, und verlangt, dass die Körperschaft die Voraussetzungen nach den §§34 bis 47 BAO erfüllt (§4a Abs4 Z1 lita EStG), doch folgt aus der Gemeinnützigkeit nicht automatisch die Spendenbegünstigung.5

2.Das bisherige Verfahren zur Erlangung der Spendenbegünstigung

Das Verfahren zur Erlangung der Spendenbegünstigung war bisher im Schlussteil des §4a Abs8 EStG aF geregelt. Demnach waren das Vorliegen der Voraussetzungen des §4a Abs8 Z1 bis4 EStG sowie die Einhaltung der anzuwendenden Rechnungslegungsvorschriften von einem Wirtschaftsprüfer jährlich im Rahmen einer den Anforderungen der §§268ff UGB entsprechenden Prüfung zu bestätigen. Diese Bestätigung war dem Finanzamt Österreich6 jährlich innerhalb von neun Monaten nach dem Abschlussstichtag vorzulegen.7 Das Finanzamt hatte die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen mit Bescheid zu bestätigen, die Körperschaft zu erfassen und sämtliche Körperschaften, die diesen Voraussetzungen entsprachen, auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen in einer Liste zu veröffentlichen.8 Alle – auch kleine – Organisationen mussten somit eine Wirtschaftsprüferbestätigung vorweisen können, Anträge waren jährlich aufs Neue zu stellen,9 und das Finanzamt musste jährlich einen neuen Bescheid erlassen.10 Diese jährlich erforderliche Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers

4 Darüber hinaus gibt es noch eine Spezialregel in §4a Abs2 Z3 EStG, um Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Rechtslage auszuschließen.

5 Vgl zur Rechtslage in Deutschland §10b dEStG.

6 Bis 31.12.2020: Finanzamt Wien 1/23.

7 Wurde die Aufnahme in die Liste erstmals beantragt, waren die aktuelle Rechtsgrundlage und die Bestätigungen des Wirtschaftsprüfers für die vorangegangenen drei Wirtschaftsjahre dem Finanzamt zu übermitteln.

8 Vgl zum früheren Verfahren etwa Renner in Doralt/ Kirchmayr/Mayr/Zorn , EStG (19.Lfg, 2017) §4a Tz129ff; Zirngast in Ebner/Hammerl/Oberhuber, Die Besteuerung der Vereine 11 (2022) E098ff; Rz1343ff EStR.

9 Vgl Renner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG (19.Lfg, 2017) §4a Tz129.

10 Vgl auch ErlRV (zum GemRefG 2023) 2319 BlgNR 27.GP, 7.

MMag. Susanne Reisinger ist Mitarbeiterin

stellte gerade für kleine Vereine eine erhebliche finanzielle Belastung dar.11

3.Das neue Verfahren zur Erlangung der Spendenbegünstigung

Nicht ex lege spendenbegünstigte Körperschaften müssen für die Zuerkennung der Spendenbegünstigung einen Antrag an das Finanzamt stellen. Zuständig für die Spendenbegünstigung ist wie auch bisher das Finanzamt Österreich,12 jedoch wird aufgrund der massiven Ausweitung des Kreises der potenziell begünstigten Einrichtungen die Zuständigkeit nicht mehr in der Dienststelle Sonderzuständigkeiten gebündelt, sondern auf die Dienststellen verteilt.

§4a Abs5 EStG bringt nun zwei wesentliche Erleichterungen:13 Einerseits gilt das Erfordernis der Wirtschaftsprüferbestätigung nur mehr für bestimmte (insbesondere große) Organisationen, andererseits ist der Antrag auf Zuerkennung der Spendenbegünstigung künftig nur mehr einmalig zu stellen, und der Spendenbegünstigungsbescheid gilt unbefristet bis auf Widerruf.

3.1.Antrag und Verlängerungen

§4a Abs5 EStG unterscheidet nun danach, ob eine Einrichtung der Pflicht zur gesetzlichen oder satzungsmäßigen Abschlussprüfung durch einen Abschlussprüfer unterliegt.

Besteht eine solche Prüfpflicht (§4a Abs5 Z2 EStG), sind wie schon nach bisheriger Rechtslage das Vorliegen der Voraussetzungen des §4a Abs4 EStG sowie die Einhaltung der anzuwendenden Rechnungslegungsvorschriften von einem Wirtschaftsprüfer im Rahmen einer den Anforderungen der §§268ff UGB entsprechenden Prüfung zu bestätigen.14

Eine derartige Bestätigung ist sowohl bei der (erstmaligen) Antragstellung als auch nachfolgend jährlich dem Finanzamt vorzulegen. Wird die Zuerkennung der Spendenbegünstigung erstmals beantragt, sind die aktuelle Rechtsgrundlage (Vereinsstatut, Satzung, Gesellschaftsvertrag)15 und die Bestätigungen des Wirtschaftsprüfers für das vorangegangene Geschäftsjahr dem Finanzamt Österreich zu übermitteln. In den Folgejahren ist die Bestätigung dem Finanzamt jährlich innerhalb von neun Monaten nach dem Abschlussstichtag durch den Parteienvertreter im Wege von FinanzOnline zu übermitteln.16

11 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 7.

12 Auch wenn die Körperschaft ansonsten in die Zuständigkeit des Finanzamts für Großbetriebe fällt.

13 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 6.

14 Die Bestimmungen des §275 UGB („Verantwortlichkeit des Abschlußprüfers“) gelten sinngemäß.

15 Da die Rechtsgrundlage einen notwendigen Bestandteil (Inhalt) des Antrags darstellt, ist sie in der Amtssprache Deutsch zu übermitteln, vgl ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 7.

16 Zur Frage, ob eine elektronische Signatur bei den Wirtschaftsprüferbestätigungen nach §4a EStG oder nur eine handschriftliche Signatur möglich ist, vgl https://www. bmf.gv.at/rechtsnews/steuern-rechtsnews/aktu elle-infosund-erlaesse/Fachinformationen---Ertragsteuern/Fach informationen---ESt-KSt/Wirtschafts prueferbestaetigungiSd-%C2%A7-4a-EStG-1988.html (Zugriff am 20. 2. 2024).

Für alle Einrichtungen gilt, dass die Zuerkennung der Spendenbegünstigung von der Körperschaft mittels amtlichen elektronischen Formulars zu beantragen ist. Dieses ist durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter gemäß WTBG 2017 im Wege von FinanzOnline zu übermitteln. Dem Antrag ist die geltende Rechtsgrundlage der Körperschaft beizulegen. Für die Aufrechterhaltung der Spendenbegünstigung ist die Erfüllung der Voraussetzungen des §4a Abs4 EStG jährlich innerhalb von neun Monaten nach dem Ende des Rechnungsjahres bzw des Wirtschaftsjahres durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter gemäß WTBG 2017 dem Finanzamt Österreich im Wege des elektronischen Formulars in FinanzOnline zu melden. Im Falle einer Änderung der Rechtsgrundlage ist auch diese zu übermitteln.17

Für „kleine“ Körperschaften gilt somit ein vereinfachtes Verfahren, das auch von einem Steuerberater durchgeführt werden kann und keine Wirtschaftsprüferbestätigung mehr erfordert. Um auch weiterhin effektive Überprüfungs- und Kontrollmechanismen sicherzustellen, ist aber die Einbeziehung eines berufsmäßigen Parteienvertreters gemäß WTBG 2017 erforderlich. Auch das jährliche „Prüfungsintervall“ wird somit beibehalten. Das im Gesetz genannte Antrags- und Meldeformular soll für alle (inund ausländischen) Einrichtungen gelten.18 Es soll im April zur Verfügung stehen.

Wird der gesetzlich vorgesehene Weg der Einreichung nicht eingehalten und die Spendenbegünstigung in anderer Form (etwa per Brief oder als sonstiges Anbringen in FinanzOnline) beantragt, handelt es sich um ein rechtliches Nichts.19

3.2.Bescheid

Nach §4a Abs5 Z3 EStG hat das Finanzamt Österreich die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für die erstmalige Zuerkennung der Spendenbegünstigung mit Bescheid festzustellen und die Körperschaft in eine vom Finanzamt zu führende Liste der begünstigten Spendenempfänger aufzunehmen, welche – wie bisher – auf der Webseite des Bundesministeriums für Finanzen zu veröffentlichen ist.

In dieser Liste ist das Datum, zu dem die Spendenbegünstigung bescheidmäßig erteilt wurde, zu veröffentlichen. Ab diesem Datum ist eine Spende an die Körperschaft steuerlich abzugsfähig.20

Durch die Gesetzesänderung kommt es zukünftig zu einer „automatischen“ Verlängerung,

17 Vgl auch ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 7.

18 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 7.

19 In diesem Sinne Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 (Stand 1.9.2020, rdb.at) §86a Anm9; Tanzer in Althuber/ Tanzer/Unger, BAO-Handbuch (2015) §86a, 272 (zur UVA); Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 (Stand 1.2.2021, rdb.at) §86a BAO Anm7.

20 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 7.

sofern die Einrichtung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter eine Meldung übermittelt und im Falle einer Verpflichtung zur Abschlussprüfung eine positive Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers vorliegt. Das Finanzamt kann wie bisher jederzeit Auskünfte verlangen und Außenprüfungen durchführen.21

3.3.Widerruf

Wird im Zuge der jährlichen Meldung oder aufgrund einer Außenprüfung festgestellt, dass die Körperschaft bzw Einrichtung die Voraussetzungen für die Spendenbegünstigung nach §4a Abs4 EStG nicht mehr erfüllt, hat das Finanzamt diese gemäß §4a Abs5 Z4 EStG mit Bescheid zu widerrufen.22 Gleiches gilt, wenn die Meldung des Wirtschaftstreuhänders (siehe Pkt3.1.) trotz Setzung einer angemessenen Nachfrist unterbleibt.

Der Widerruf ist mit dem Datum des Widerrufsbescheides in der Liste einzutragen. Die Wirkungen des Widerrufs treten wie bisher mit der Veröffentlichung der Beendigung der Begünstigung in der Liste der begünstigten Körperschaften ein, also nicht rückwirkend. Damit ist der Vertrauensschutz der Spender auch weiterhin gewahrt.23

Erfolgt ein Widerruf wegen Wegfalls der Voraussetzung des §4a Abs4 EStG, kommt einer Beschwerde gemäß §4a Abs5 Z5 EStG auf Antrag aufschiebende Wirkung zu. Die aufschiebende Wirkung ist nicht zu bewilligen, wenn die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Bleibt die Beschwerde ohne Erfolg, ist der Einrichtung ein Zuschlag zur Körperschaftsteuer in Höhe von 20% der ab dem Tag des Widerrufs zugewendeten Beträge vorzuschreiben.24 §4a Abs5 Z6 EStG regelt schließlich noch einen Spezialfall, der eine neuerliche Antragstellung nach einem Widerruf von Voraussetzungen abhängig macht.25

4.Inkrafttreten

Die Neuregelung des §4a EStG tritt mit 1.1.2024 in Kraft und ist erstmals für freigebige Zuwendungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2023 erfolgen. Für Körperschaften, welche bereits über eine wirksame Spendenbegünstigung verfügen, ist in §124b Z441 litd EStG vorgesehen, dass die jährlich zu erbringende Bestätigung im Jahr 2024 als erbracht gilt, sodass sich für sie die Spendenbegünstigung automatisch verlängert.26

21 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27. GP, 7.

22 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27. GP, 7.

23 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27. GP, 7.

24 Vgl zu dieser Bestimmung, die durch einen Abänderungsantrag im parlamentarischen Prozess eingefügt wurde, Staringer, Rechtsschutz bei Widerruf der Spendenbegünstigung, AVR2024, 6.

25 Vgl zu dieser Bestimmung Lang, Gemeinnützigkeitsreform: Keine steuerlichen Begünstigungen bei Strafen und Verbandsgeldbußen, AVR2024, 16.

26 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27. GP, 10.

Für bisher nicht begünstigte Körperschaften sind in §124b Z441 lita bisc EStG Sonderregeln vorgesehen: Die Körperschaft muss selbst bereits seit einem zwölf Monate umfassenden Wirtschaftsjahr bestehen und die Voraussetzungen des §4a EStG im Übrigen erfüllen oder aus einer Vorgängerorganisation (Organisationsfeld mit eigenem Rechnungskreis), die diese Voraussetzungen erfüllt hat, hervorgegangen sein. Wird der Antrag bis 30.6.2024 gestellt, entfaltet die Eintragung in die Liste bereits für Zuwendungen ab dem 1.1.2024 – somit rückwirkend – Wirkung. Die bescheidmäßige Erteilung der Spendenbegünstigung ist vom Finanzamt Österreich bis längstens 31.10.2024 zu veröffentlichen, es sei denn, der Antragsteller wurde zur Behebung von Mängeln aufgefordert oder es wurden ihm Ergänzungsaufträge oder Bedenkenvorhalte übermittelt.

5.Datenübermittlungsverpflichtung 5.1.Allgemeines

Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch noch zu beachten, dass bei Spenden aus dem Privatvermögen – ebenso wie etwa für Kirchenbeiträge – eine Datenübermittlungspflicht besteht.27 Eine Geltendmachung von Spenden in der Steuererklärung ist in diesem Fall nicht mehr möglich. Nach §18 Abs8 EStG sind Zuwendungen an einen Empfänger, der eine feste örtliche Einrichtung im Inland unterhält, nur dann als Sonderausgaben zu berücksichtigen, wenn dem Empfänger Vor- und Zuname und das Geburtsdatum des Leistenden (Spenders) bekanntgegeben werden und eine Datenübermittlung erfolgt. Spendenorganisationen sind verpflichtet, den Abgabenbehörden im Wege von FinanzOnline das verschlüsselte bereichsspezifische Personenkennzeichen für Steuern und Abgaben (vbPKSA)28 des Leistenden, wenn dieser dem Empfänger Vor- und Zuname und sein Geburtsdatum bekanntgegeben hat, und den Gesamtbetrag aller im Kalenderjahr zugewendeten Beträge des Leistenden elektronisch zu übermitteln.29 Die Datenübermittlung hat nach Ablauf des Kalenderjahres bis Ende Februar des Folgejahres zu erfolgen (§18 Abs8 Z2 litc EStG).

Die Datenübermittlung kann einem Dienstleister übertragen werden. Neu ist, dass sich mehrere Empfänger auch einer gemeinsamen

27 Vgl etwa Atzmüller, Elektronische Datenübermittlung betreffend Sonderausgaben, SWK34/2016, 1433.

28 Zum Zweck der Datenübermittlung an die Abgabenbehörde sind die Spendenempfänger berechtigt, die Ausstattung ihrer Datenanwendungen mit der vbPKSA von der Stammzahlenregisterbehörde zu verlangen (§18 Abs8 Z2 litb EStG).

29 Die Übermittlung hat zu unterbleiben, wenn der Leistende dem Empfänger die Übermittlung ausdrücklich untersagt hat. In diesem Fall darf bis zum Widerruf für sämtliche Leistungen des betreffenden Kalenderjahres und der Folgejahre keine Übermittlung erfolgen (§18 Abs8 Z2 lita EStG).

Übermittlungsstelle bedienen können. Damit kann etwa ein Dachverband für seine Mitglieder die Datenübermittlung übernehmen. Die Bekanntgabe eines Dienstleisters bzw einer gemeinsamen Übermittlungsstelle zur Sonderausgaben-Datenübermittlung hat durch das Formular Spend2 zu erfolgen.

Auf Veranlassung des Steuerpflichtigen hat der übermittlungspflichtige Empfänger nach §18 Abs8 Z3 litb EStG die Übermittlung zu berichtigen oder nachzuholen, wenn sie fehlerhaft oder zu Unrecht unterblieben ist. Unterbleibt diese Berichtigung oder wird die Übermittlung trotz bestehender Verpflichtung dazu nicht nachgeholt, ist der Betrag an Sonderausgaben zu berücksichtigen, der vom Steuerpflichtigen glaubhaft gemacht wird.

Kommt der übermittlungspflichtige Empfänger seinen Übermittlungsverpflichtungen in Bezug auf alle Personen, die Beiträge oder Zuwendungen geleistet haben, nicht nach, ist er von dem für die Erhebung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen zuständigen Finanzamt aufzufordern, dies unverzüglich nachzuholen (§18 Abs8 Z4 EStG).

In §18 Abs8 Z5 lita EStG wurde durch das GemRefG 2023 eine neue Haftung eingefügt: Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Datenübermittlung vornimmt und diese nicht korrigiert, haftet für die entgangene Steuer. Werden etwa Mitgliedsbeiträge als Spenden gemeldet, führt dies nicht zur Abzugsfähigkeit der Zahlung.30

Hat die Organisation keine feste örtliche Einrichtung im Inland, greift die Datenübermittlungspflicht nicht. Der Spender kann seine Spende mit dem FormularL1d geltend machen.

Ebenfalls von der Datenübermittlungspflicht ausgenommen sind Spenden aus dem Betriebsvermögen. Diese Betriebsausgaben sind in die Steuererklärung aufzunehmen. Für bestimmte Korrekturen iZm betrieblichen Zuwendungen ist ebenfalls das FormularL1d zu verwenden.

Die Datenübermittlungsverpflichtung wird in der Sonderausgaben-Datenübermittlungsverordnung31 näher ausgeführt.

5.2.Ex lege spendenbegünstigte Einrichtungen

Von Gesetzes wegen spendenbegünstigte Einrichtungen haben die Bestimmungen der Sonderausgaben-DÜV zu beachten. Die Verordnung unterscheidet in §10 Abs1 zwei Gruppen: In Z1 werden jene übermittlungspflichtigen Organisationen angeführt, die ohne bescheid-

30 Dies soll zusätzlich zu den bestehenden Regelungen über die Abgabenhinterziehung bzw grob fahrlässige Abgabenverkürzung gemäß §§33f FinStrG gelten, wo die Organisation als Beitra gstäterin anzusehen sein kann. Auch eine Finanzordnungswidrigkeit nach §51 FinStrG kann in diesem Zusammenhang in Betracht kommen. Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 10.

31 Sonderausgaben-DÜV, BGBlII 2016/289.

mäßige Zulassung Teilnehmer an der Datenübermittlung sind, wie etwa die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die Österreichische Nationalbibliothek oder das Bundesdenkmalamt. Andere als die in Z1 genannten Organisationen haben nach Z2 beim Finanzamt Österreich unter Verwendung des amtlichen Formulars den Antrag zu stellen, als Teilnehmer an der Datenübermittlung zugelassen zu werden. Das Finanzamt hat festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Datenübermittlung vorliegen, und über den Antrag bescheidmäßig abzusprechen. In diese Gruppe fallen etwa die Universitäten oder die neu in die Spendenbegünstigung aufgenommenen Schulen und Kindergärten.

Das in dieser Bestimmung angesprochene amtliche Formular trägt den Namen „Spend1“ („Antrag auf Zulassung zur Sonderausgaben-Datenübermittlung in FinanzOnline“)32 und wurde kürzlich überarbeitet, um insbesondere die Art der Einrichtung abzufragen und damit die Schulen und Kindergärten abzudecken.

Wird die Datenübermittlungsverpflichtung generell verletzt, kann der Einrichtung nach §18 Abs8 Z4 litb EStG ein Zuschlag zur Körperschaftsteuer in Höhe von 20% der zugewendeten Beträge vorgeschrieben werden.

5.3.Mit Bescheid spendenbegünstigte Einrichtungen

Gemäß §4a Abs4 Z3 lita EStG ist es eine Voraussetzung für die Spendenbegünstigung, dass die Körperschaft glaubhaft gemacht hat, dass Maßnahmen zur Erfüllung der Datenübermittlungsverpflichtung gemäß §18 Abs8 EStG getroffen wurden.33 Wird die Spendenbegünstigung mit Bescheid zuerkannt, ist damit die Zulassung zur Datenübermittlung automatisch mitumfasst; es ist kein gesonderter Antrag zu stellen. Nach §10 Abs1 Z1 lita Sonderausgaben-DÜV fallen nämlich Organisationen, die auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen als spendenbegünstigt ausgewiesen sind, in die erste Gruppe der automatisch zugelassenen Teilnehmer an der Datenübermittlung. Wird die Datenübermittlungsverpflichtung generell verletzt, hat das Finanzamt Österreich nach §18 Abs8 Z4 lita EStG den Bescheid über die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als spendenbegünstigte Körperschaft zu widerrufen und die Geltungsdauer der Spendenbegünstigung zu begrenzen.

32 Das Formular Spend1-m betrifft nur Museen und dient der Feststellung, ob eine Einrichtung als Museum angesehen werden kann und ob bei einem Privatmuseum eine überregionale Bedeutung vorliegt.

33 Für die Erlangung der Spendenbegünstigung dürfen die iZm der Verwendung der Spenden stehenden Verwaltungskosten der Körperschaft nach §4a Abs4 Z3 litb EStG höchstens 10% der Spendeneinnahmen betragen. Die für die Erfüllung der Datenübermittlungsverpflichtung anfallenden Kosten sind dabei nicht zu berücksichtigen.

Auf den Punkt gebracht

Während früher die Spendenbegünstigung jährlich zu beantragen und vom Finanzamt Österreich ebenso jährlich mit Bescheid festzustellen war, gilt nach neuer Rechtslage der Spendenbegünstigungsbescheid grundsätzlich bis auf Widerruf, wenn jährlich die erforderlichen Meldungen des Parteienvertreters erfol-

gen. Unterbleiben diese fristgerechten Meldungen oder sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Spendenbegünstigung weggefallen, hat das Finanzamt diese zu widerrufen. Sowohl Zuerkennung als auch Widerruf der Spendenbegünstigung sind online auf einer Liste begünstigter Einrichtungen zu veröffentlichen, um den Vertrauensschutz der Spender zu gewährleisten.

Rechtsschutz bei Widerruf der Spendenbegünstigung

Univ.-Prof. Dr. Claus Staringer ist Professor am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU.

Mit dem am 31.12.2023 kundgemachten Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 (GemRefG 2023)1 hat der Gesetzgeber im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht zahlreiche Neuerungen geschaffen. Insbesondere waren davon die Rechtsgrundlagen für die Spendenbegünstigung von Körperschaften betroffen, die vom Gesetzgeber durchgreifend neugestaltet wurden. Im Kern stand dabei die Erweiterung des Kreises der beim Spender zum ertragsteuerlichen Spendenabzug berechtigenden Körperschaften auf sämtliche Körperschaften, die gemeinnützige oder mildtätige Zwecke iSd §§35 und37 BAO verfolgen. Dadurch hat der Gesetzgeber die bisherige „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ beim Spendenabzug beendet, wonach die bloße Gemeinnützigkeit einer Körperschaft (ohne gleichzeitig mildtätig zu sein) für den Spendenabzug nicht ausgereicht hatte.2 Im gemeinnützigen Sektor wurde diese Liberalisierung des Spendenabzugs als großer Erfolg gewertet.3 Wermutstropfen der Reform waren aber einige gleichzeitige Verschärfungen iZm der Aberkennung eines bestehenden Spendenabzugs durch Widerrufsbescheid, die auch öffentlich-medial diskutiert wurden.4 Neben der

1 Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gebührengesetz 1957, das Privathochschulgesetz, das Fachhochschulgesetz und das ISTAustria-Gesetz geändert werden (Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 – GemRefG 2023), BGBlI 2023/188.

2 So Hofer, Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023, ÖStZ 2023, 613 (618).

3 Fundraising Verband Austria, Nationalratsbeschluss: Weihnachtspaket für Österreichs Spenderinnen und Spender, Pressemitteilung vom 14.12.2023, www.ots.at/ presseaussendung/OTS_20231214_OTS0119; Verband für gemeinnütziges Stiften, Beschluss Gemeinnützigkeitsreformgesetz als wegweisender Impuls für gemeinnütziges Stiften, Pressemitteilung vom 14.12.2023, www. ots.at/presseaussendung/OTS_20231214_OTS 0126 (Zugriff jeweils am 13.2.2024).

4 Vgl Lohmeyer, Gemeinnützige: Begünstigung, trotzdem Kritik, diepresse.com 14.12.2023, www.diepresse.com/ 17918013; Greenpeace , AKTUALISIERT – Umweltund Sozialorganisationen: Gemeinnützigkeitsreformge-

Einführung einiger neuer Wohlverhaltensregeln zum Erhalt der Spendenbegünstigung5 standen dabei auch Fragen des Rechtsschutzes gegen eine Aberkennung der Begünstigung durch die Finanzverwaltung im Blickpunkt. Diesen Rechtsschutzfragen ist der vorliegende Beitrag gewidmet.

1.Neuordnung des Verfahrens der Zu- und Aberkennung der Spendenbegünstigung

Die vom Gesetzgeber nach längeren Vorarbeiten – eine entsprechende Ankündigung findet sich bereits im Regierungsprogramm 20202024 – nunmehr umgesetzte Reform der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden an begünstigte Empfänger hat die relevanten Rechtsgrundlagen durchgreifend neustrukturiert. Inhaltlich sieht die Reform zum einen zahlreiche Neuerungen bei den materiellen Voraussetzungen des Spendenabzugs vor.6 Zum anderen wird mit dem GemRefG 2023 auch das Verfahren zur Erlangung der Spendenbegünstigung durch dafür in Frage kommende Empfänger neu ausgestaltet. Grundsätzlich wird zwar weiterhin zwischen ex lege begünstigten Spendenempfängern (zB Universitäten, bestimmte Museen, die Freiwillige Feuerwehr und nunmehr auch öffentliche Kindergärten und Schulen) und anderen Empfängern, deren Begünstigung

4 setz schwerer Angriff auf Zivilgesellschaft, Pressemitteilung vom 14.12.2023, www.ots.at/presseaussendung/ OTS_20231214_OTS0167; oV , Gemeinnützigkeitsreform: Greenpeace schlägt Alarm, kurier.at 30.11.2023, kurier.at/politik/inland/gemeinnuetzigkeitsreformgreenpeace-schlaegt-alarm/402689332 (Zugriff jeweils am 13.2.2024).

5 Dazu Lang, Gemeinnützigkeitsreform: Keine steuerlichen Begünstigungen bei Strafen und Verbandsgeldbußen, AVR 2024, 16 ff.

6 Für einen Überblick über die materiellrechtlichen Neuerungen siehe etwa Hofer, ÖStZ2023, 613; Reisinger, Das Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 im Überblick, SWK34/2023, 1274; Kunz, Ab 2024: Spendenabsetzbarkeit für alle gemeinnützigen Zwecke, ecolex2024, 86.

erst durch Bescheid (samt anschließender Veröffentlichung auf einer „Liste spendenbegünstigter Einrichtungen“ im Internet) konstitutiv festgestellt werden muss, unterschieden.

Für die letztere – nicht ex lege begünstigte –Gruppe von Spendenempfängern bringt die Reform aber die wesentliche Erleichterung, dass sie die Feststellung ihrer Begünstigung nicht wie bisher jährlich neu beantragen müssen. Ebenso war bisher vom Gesetz eine jährliche bescheidmäßige Erledigung durch die Finanzverwaltung gefordert, die den Charakter einer Rückbestätigung der Begünstigung hatte.7 Insbesondere bei unveränderten Verhältnissen war dieser sich jährlich wiederholende Ablauf wenig verfahrensökonomisch. Das neue Recht hat hier eine bessere Lösung gefunden: Für die Aufrechterhaltung der Begünstigung reicht nunmehr eine jährliche Bestätigung des Fortbestands der Voraussetzungen durch den begünstigten Spendenempfänger aus, deren Form und Inhalt in §4a Abs5 Z1 und2 EStG im Detail geregelt sind. Eine neuerliche jährliche Zuerkennung bzw (Rück-)Bestätigung der Spendenbegünstigung durch einen Bescheid der Finanzverwaltung ist nicht mehr erforderlich.

In einem solchen System einer im Grundsatz dauerhaft angelegten Spendenbegünstigung ist es konsequent, dass der Gesetzgeber mit dem GemRefG 2023 auch die Aberkennung der Begünstigung durch die Finanzverwaltung umfassend geregelt hat. Denn bei faktischem Wegfall der Voraussetzungen für die Spendenbegünstigung ist im neuen Recht ein konstitutiver Akt erforderlich, um die – grundsätzlich nicht mehr jährlich befristete – Begünstigung zu beseitigen. Dementsprechend sieht §4a Abs5 Z4 EStG nunmehr vor, dass der Bescheid über die Spendenbegünstigung bei Wegfall der sachlichen Voraussetzungen für die Spendenbegünstigung gemäß §4a Abs4 EStG oder bei Unterbleiben fristgerechter jährlicher Bestätigungen gemäß §4a Abs5 Z1 und2 EStG trotz Setzens einer angemessenen Nachfrist von der Abgabenbehörde zu widerrufen ist. Dieser Widerruf, der mit Bescheid zu erfolgen hat, ist sodann unter Angabe des Bescheiddatums durch Eintrag in die Liste spendenbegünstigter Empfänger zu veröffentlichen. Damit ist das potenzielle Spenderpublikum über den Wegfall des Spendenabzugs für an den betroffenen Empfänger ab dem Widerrufszeitpunkt geleistete Spenden – zumindest theoretisch – informiert. Jedenfalls können ab diesem Zeitpunkt geleistete Spenden vom Spender nicht mehr ertragsteuermindernd geltend gemacht werden bzw unterbleibt eine automatische Berücksichtigung als Betriebsausgaben oder Sonderausgaben bei der Veranlagung des Spenders.

Für den Spender dürfte die neue Rechtslage im Ergebnis keinen großen Unterschied zum

7 ErlRV 2319 BlgNR 27. GP, 7.

früheren Recht machen. Denn auch im alten System jährlicher Begünstigungsbescheide war von der Finanzverwaltung davon ausgegangen worden, dass ein erteilter Begünstigungsbescheid von der Abgabenbehörde bei Wegfall der Voraussetzungen nicht bloß für das Folgejahr nicht mehr „verlängert“ (dh nicht erneut erlassen) wird, sondern vielmehr aktiv widerrufen werden kann.8 In einem solchen Fall wurde in der Internet-Liste der spendenbegünstigten Empfänger das zeitliche Ende der Spendenbegünstigung entsprechend angemerkt.9 Im neuen Recht fällt der Spendenabzug ebenfalls nicht unmittelbar mit Fortfall der materiellen Voraussetzungen (zB dem tatsächlichen Ende der Gemeinnützigkeit) weg, sondern ist dies kraft ausdrücklicher Anordnung in §4a Abs5 Z4 EStG an das Datum des Widerrufsbescheides geknüpft. Für die Dauer des zum Widerruf führenden Prüfungsverfahrens der Abgabenbehörde ist das Vertrauen des Spenders in die Abzugsfähigkeit daher nunmehr ausdrücklich durch das Gesetz geschützt.10

2.Verhältnis des Widerrufs der Spendenbegünstigung zu §294 BAO

Die ausdrückliche Regelung des Widerrufs der Spendenbegünstigung wirft aber die Frage auf, wie sich dieser Widerruf zu §294 BAO verhält. Diese – gegenüber abweichenden Regelungen in einzelnen Abgabengesetzen nachrangige11 –allgemeine verfahrensrechtliche Bestimmung ordnet nämlich an, dass die Zurücknahme von Begünstigungsbescheiden ohne Widerrufsvorbehalt (sofern sie nicht auf unrichtige oder irreführende Abgaben des Steuerpflichtigen zurückgehen) nur bei Änderungen der für die Begünstigung relevanten tatsächlichen Verhältnisse zulässig ist.12 Sinn und Zweck von §294 BAO liegen darin, den Adressaten des Begünstigungsbescheides davor zu schützen, dass die Abgabenbehörde bei unverändertem Sachverhalt (und unveränderter Rechtslage) später ihre Rechtsauffassung ändert und die einmal gewährte Begünstigung wieder entzieht.13 Noch stärker ist der Schutz vor rückwirkenden Zurücknahmen: Diese sind (sofern der Betroffene nicht zustimmt) nur möglich, wenn der Begünstigungsbescheid durch wissentlich unwahre Angaben oder strafbare Handlungen herbeigeführt worden ist.14 Die Frage ist daher,

8 So Rz1344 EStR; weiters Rz12010 und 12012 LStR.

9 Wobei die LStR für das alte Recht von einem Ende nicht mit dem Zeitpunkt des Widerrufsbescheides, sondern mit dem Zeitpunkt der Änderung der InternetListe auszugehen scheinen. Für den Zeitpunkt des Widerrufsbescheides hingegen Rz1344 EStR.

10 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27. GP, 6f.

11 Vgl §294 Abs3 BAO.

12 Vgl §294 Abs1 lita BAO.

13 So Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 (2023) §294 Rz1; ebenso Ritz/Koran, BAO7 (2021) §294 Rz9.

14 §294 Abs2 BAO.

ob die Beschränkungen des §294 BAO auch für den Widerruf von Bescheiden über Spendenbegünstigungen gemäß §4a Abs5 Z4 EStG zu beachten sind. Praktisch kann dies von Bedeutung sein, wenn sich etwa die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu einer Rechtsfrage iZm einer der zahlreichen materiellen Voraussetzungen des §4a EStG (zB dem Vorliegen von Gemeinnützigkeit oder Mildtätigkeit iSd BAO) über die Zeit ändert.

Für die alte Rechtslage hat die Finanzverwaltung die Anwendung von §294 BAO auf die Spendenbegünstigung bejaht.15 Freilich fiel dies im alten Recht aufgrund des Systems der jährlichen Neufeststellung der Begünstigung nicht allzu sehr ins Gewicht, weil die Behörde dabei jedenfalls ab dem Folgejahr die neue Rechtsauffassung ohnedies problemlos beim „nächsten“ Bescheid zugrunde legen konnte (und daher die Spendenbegünstigung nicht erneut gewährte). Eine dauerhafte Bindung der Abgabenbehörde an ihre im ersten Begünstigungsbescheid eingenommene Rechtsauffassung war damit aus Sicht der Finanzverwaltung nicht zu befürchten.16 Im neuen Recht ist dies wegen der nunmehr auf Dauer angelegten Spendenbegünstigung aber anders. Nach dem GemRefG 2023 steht der Behörde nur mehr der Widerruf des früher gewährten Begünstigungsbescheides – der ohne Zweifel eine „Zurücknahme“ iSd §294 BAO darstellt – zur Verfügung. Die Materialien zum GemRefG 2023 sprechen das Verhältnis zu §294 BAO nicht an.17 Namentlich findet sich dort kein Hinweis, ob der Gesetzgeber dem Widerrufsregime in §4a Abs5 Z4 EStG einen – von §294 Abs3 BAO ausdrücklich zugelassenen – Vorrang gegenüber §294 BAO einräumen wollte. Es sprechen aber überzeugende Gründe für einen solchen Vorrang: So wäre es nicht einzusehen, dass eine einmal gewährte Spendenbegünstigung auch dann für alle Zeiten Bestand hätte, wenn der Spendenempfänger zwischenzeitig gar nicht mehr begünstigungsfähig ist, weil sich etwa das Verständnis des Rechtsbegriffs der Gemeinnützigkeit über die Zeit geändert hat (zB aufgrund neuer einschlägiger Judikatur). Die Umstellung der Spendenbegünstigung auf einen im Grundsatz dauerhaft wirkenden Bescheid soll in erster Linie der Verfahrensökonomie dienen, aber keinesfalls die Behörde dazu zwingen, eine im Bescheid eingenommene historische Rechtsauffassung unabänderlich beibehalten zu müssen. Gerade die Existenz eines eigenen Widerrufsregimes in

15 So Rz1344 EStR.

16 Die Bedeutung von §294 BAO dürfte früher vor allem im grundsätzlichen Verbot der rückwirkenden Beseitigung der Spendenbegünstigung gemäß §294 Abs2 BAO gelegen sein. Möglicherweise ist die Verwaltungspraxis auch aus diesem Grund schon bisher von einer bloßen Ex-nunc-Wirkung des Widerrufs dieser Begünstigung ausgegangen.

17 Vgl ErlRV 2319 BlgNR 27. GP.

§4a Abs5 Z4 EStG macht deutlich, dass dem Gesetzgeber die Notwendigkeit der Möglichkeit zur Rücknahme einer früher gewährten Begünstigung bewusst war. Richtigerweise wird man daher entweder das Widerrufsregime des §4a Abs5 Z4 EStG als lex specialis zu §294 BAO zu sehen haben oder den einzelnen Begünstigungsbescheid implizit als unter (gesetzlichem) Widerrufsvorbehalt stehend deuten müssen. Beides führt zum gleichen Ergebnis: Der von §4a Abs5 Z4 EStG für den Widerruf geforderte „Wegfall der Voraussetzungen nach Abs4“ betrifft nicht nur den zur Spendenbegünstigung führenden Sachverhalt, sondern auch die damit verbundenen Rechtsfragen. Die Vorschrift des §294 BAO steht dem Widerruf daher richtigerweise nicht entgegen.18 Ob ein solcher Widerruf von Begünstigungsbescheiden in der Sache zu Recht erfolgt ist, kann dann im Rechtsmittelweg geklärt werden.

3.Rechtsmittelweg gegen die Versagung der Spendenbegünstigung

Wird die vom Spendenempfänger begehrte Spendenbegünstigung durch die Finanzverwaltung versagt, stellen sich Fragen des Rechtsschutzes. Denn es besteht kein Zweifel, dass sowohl die mit Bescheid erfolgende Abweisung eines Antrags auf erstmalige Zuerkennung als auch der bescheidmäßige Widerruf eines zuvor bestehenden Begünstigungsbescheides mit Bescheidbeschwerde angefochten werden können. Dies gilt unabhängig davon, auf welchen der in §4a Abs5 Z4 EStG angeführten Widerrufsgründe sich die Behörde gestützt hat.

Das Verfahren über dieses Rechtsmittel richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der BAO über das Rechtsmittelverfahren.19 Zur Beschwerdeentscheidung über die Spendenbegünstigung ist somit – sofern das Verfahren nicht durch Beschwerdevorentscheidung beendet werden kann – das BFG berufen. Gegen die Entscheidung des BFG ist Erkenntnisbeschwerde an den VfGH bzw Revision an den VwGH grundsätzlich möglich.20 All dies stellt keine Besonderheit dar. Eben deshalb müssen Spendenempfänger aber auch mit der üblichen Verfahrensdauer für Beschwerden nach der BAO rechnen. Diese kann erheblich sein – die

18 Auch die nach §294 Abs2 BAO verpönte Rückwirkung eines Widerrufs droht nicht, da diese durch §4a Abs5 Z5 EStG ausdrücklich ausgeschlossen ist.

19 Weshalb zB bis zur Beschwerdeentscheidung eintretende Neuerungen im Sachverhalt zu berücksichtigen sind. War der Widerrufsbescheid auf Sachverhaltsmängel gestützt, können diese somit im Beschwerdeverfahren saniert werden. Zu den Folgen für den Widerruf aufgrund der fristabhängigen Wohlverhaltensregeln in §4a Abs4 Z3 EStG ausführlich Lang, AVR 2024, 16 ff.

20 Sofern die dafür erforderlichen Voraussetzungen (wie insbesondere die Revisionszulassung bei Revisionen an den VwGH) gegeben sind.

Mühlen des Rechtsschutzes arbeiten in Steuerfragen leider oft langsam.21

4.Bedeutung einer aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen den Widerrufsbescheid

Nicht zuletzt die zu erwartende Verfahrensdauer lenkt den Blick auf die Frage, ob eine Beschwerde gegen den Widerruf der Spendenbegünstigung aufschiebende Wirkung hat. In der Regierungsvorlage zum GemRefG 2023 war hierzu keine Regelung enthalten. Entsprechend der allgemeinen abgabenverfahrensrechtlichen Vorschrift des §254 BAO wäre daher einer solchen Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zugekommen. Denn im Rechtsmittelverfahren nach der BAO besteht die Besonderheit, dass – anders als zB nach dem VwGVG22 – Bescheidbeschwerden keine aufschiebende Wirkung haben.23

Dies hätte gerade beim Wegfall der Spendenbegünstigung unter Umständen gravierende Folgen: Denn wäre die Spendenbegünstigung ungeachtet eines darüber anhängigen Rechtsstreits unmittelbar mit Wirksamkeit des Widerrufsbescheides weggefallen, dann wäre der Spendenempfänger auch aus der Liste begünstigter Empfänger zu streichen gewesen. Infolgedessen wäre für Spender ab diesem Zeitpunkt ein Abzug ihrer Spende als Betriebsausgabe oder Sonderausgabe nicht mehr möglich gewesen. Sofern sich der Spendenempfänger im Rechtsmittelweg letztlich durchsetzt, fiele zwar der Widerrufsbescheid weg und die Spendenbegünstigung wäre wieder hergestellt. Der Abzug während des Rechtsstreits geleisteter Spenden wäre aber nicht nachträglich erreichbar, da nach der Konzeption des Spendenabzugs für nicht ex lege begünstigte Körperschaften eine aufrechte Listeneintragung des Empfängers für die Spendenbegünstigung (und damit den Spendenabzug) konstitutiv ist.24 Hinzu kommt, dass – was empirisch nicht immer präzise nachzuweisen sein wird, aber gut vorstellbar ist – die widerrufsbedingte Streichung eines Empfängers von der Liste (die der Öffentlichkeit bekannt ist) das Verhalten des Spenderpublikums negativ beeinflussen kann. Solche „abgeschreckten“ Spenden (die dann unter Umständen ihren Weg zu anderen, begünstigten Empfängern finden) wären für die betroffene Körperschaft möglicherweise zur Gänze verloren, auch wenn sie den Rechtsstreit letztlich gewinnen sollte. Es ist nicht überraschend, dass die von einem solchen Szenario

21 Nach Berechnungen des Rechnungshofs für die Jahre 2014 bis 2018 beträgt die Verfahrensdauer bei 60% aller Erledigungen des BFG über ein Jahr, vgl Rechnungshof , Bundesfinanzgericht – Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 21/1, 004.744/010–PR3/21 (2021).

22 Vgl §13 Abs1 VwGVG.

23 Zur verfassungsrechtlichen Problematik von §254 BAO sogleich Pkt5.

24 Dazu Lang, AVR 2024, 16 ff.

potenziell betroffenen Spendenempfänger dieses Ergebnis als bedenklich empfunden haben.25 Dies wurde in der Diskussion durch das juristische Argument unterstützt, dass das Fehlen einer aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Effektivität26 des Rechtsschutzes verletzen würde.27

Als Reaktion auf diese Bedenken wurde noch kurz vor Beschlussfassung des GemRefG 2023 im Plenum des Nationalrats durch einen Abänderungsantrag28 ein neuer §4a Abs5 Z5 EStG in den Gesetzestext eingefügt. Die Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

„Erfolgt ein Widerruf wegen Wegfalls der Voraussetzung des Abs.4, kommt der Beschwerde auf Antrag aufschiebende Wirkung zu. Die aufschiebende Wirkung ist nicht zu bewilligen, wenn die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Bleibt die Beschwerde ohne Erfolg, ist der Einrichtung ein Zuschlag zur Körperschaftsteuer in Höhe von 20% der ab dem in Z4 genannten Tag zugewendeten Beträge vorzuschreiben; die Einrichtung ist verpflichtet, diese Zuwendungen zu dokumentieren.“

Die Regelung lässt somit eine aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen den Widerruf einer Spendenbegünstigung zu. Dabei wirft sie aber einige Fragen auf, denen in der Folge nachgegangen werden soll.

5.Verfassungsrechtliches Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes

Schon auf den ersten Blick springt der Ausnahmecharakter der Bestimmung zu §254 BAO ins Auge, wonach die Einbringung einer Bescheidbeschwerde nach der BAO gerade keine aufschiebende Wirkung hat. Hiervon weicht §4a Abs5 Z5 EStG für Beschwerden gegen den Widerruf der Spendenbegünstigung ab. Hintergrund dieser Ausnahme ist die hinter §254 BAO stehende verfassungsrechtliche Problematik: Denn schon 1986 hat der VfGH festgehalten, dass eine Regelung wie §254 BAO, die einem gegen Abgabenbescheide eingebrachten Rechtsmittel jegliche suspensive Wirkung

25 Vgl zB oV, Gemeinnützigkeitsreform – Abänderungsantrag besänftigt NGOs nicht, kurier.at 14.12.2023, kurier.at/politik/inland/gemeinnuetzigkeitsreform-ab aenderungsantrag-besaenftigt-ngos-nicht/402707950 (Zugriff am 13.2.2024); Lohmeyer , diepresse.com 14.12.2023.

26 In der Diskussion werden die Begriffe „Effektivität“ und „Effizienz“ oft synonym verwendet. Richtigerweise geht es vorliegend um die Effektivität des Rechtsschutzes (also um die tatsächliche Wirksamkeit eines Rechtsschutzinstruments), nicht aber um seine Effizienz (dies wäre das ökonomische Optimieren von Kosten und Nutzen eines Rechtsschutzverfahrens).

27 Vgl Mayer, zitiert bei oV, kurier.at 30.11.2023, und oV, Regierung verteidigt „größte Reform der Spendenabsetzbarkeit seit 15 Jahren“, diepresse.com 30.11.2023, www.diepresse.com/17874355 (Zugriff am 13.2.2024).

28 AA 361 27. GP.

nimmt, verfassungswidrig ist.29 Es widerspricht nämlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Effektivität eines Rechtsschutzsystems, wenn das Risiko einer potenziell rechtswidrigen Entscheidung der Abgabenbehörde zur Gänze auf den Steuerpflichtigen abgewälzt wird, der sohin das Verfahrensrisiko allein zu tragen hätte.30 Daher hatte der VfGH §254 BAO als verfassungswidrig aufgehoben.31 Davon unbeirrt führte der Gesetzgeber in weiterer Folge die Vorschrift des §254 BAO unverändert wieder ein, nunmehr allerdings begleitet durch die neu geschaffene Möglichkeit zur Aussetzung der Einhebung strittiger Abgabenbeträge gemäß §212a BAO.32 Formal hatte die Beschwerde somit weiterhin keine aufschiebende Wirkung, aber immerhin wurde damit das gröbste Verfahrensrisiko des Steuerpflichtigen, nämlich die Verpflichtung zur sofortigen Entrichtung der strittigen Steuer, durch einen optionalen, bei späterer Abweisung der Beschwerde zinspflichtigen Zahlungsaufschub bis zum Ende des Verfahrens abgefedert. Diese Lösung des Gesetzgebers ist verfassungsrechtlich seither unbeanstandet geblieben.

Es ist aber ein bekanntes Problem, dass die Abfederung der Wirkungen des §254 BAO durch §212a BAO nur bei solchen abgabenrechtlichen Bescheiden greifen kann, bei denen es tatsächlich um eine Steuerzahlungspflicht geht.33 Nur dort hängt nämlich, wie dies §212a Abs1 BAO verlangt, die Höhe einer Abgabe (unmittelbar oder mittelbar) von der Bescheidbeschwerde ab. Für andere Abgabenbescheide –wie zB einen Spendenbegünstigungsbescheid, der als Feststellungsbescheid für den Bescheidadressaten selbst keine unmittelbaren Steuerfolgen hat – geht die Aussetzung der Einhebung nach §212a BAO hingegen ins Leere. Es wäre daher wohl verfassungswidrig gewesen, wenn die mit dem Widerruf der Spendenbegünstigung verbundenen sonstigen Folgen (wie etwa die „Abschreckung“ des Spenderpublikums durch das Signal des fehlenden Spendenabzugs) trotz eingebrachter Beschwerde aufgrund von §254 BAO ungemildert eingetreten wären. Diesen rechtsstaatlichen Bedenken wird durch die Möglichkeit der aufschiebenden Wirkung der

29 VfGH 11.12.1986, G119/86, VfSlg11.196.

30 Ähnliche Grundsätze bestehen auch im Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte. Vgl dazu zB iZm dem Abgabenverfahren nach der BAO ausführlich Auer/ Papst , Unionsrechtlicher Effektivitätsgrundsatz und nationales Gebot eines effizienten Rechtsschutzes in der BAO, AVR2021, 54.

31 VfGH 11.12.1986, G119/86, 8f.

32 Zweites Abgabenänderungsgesetz 1987 – 2.AbgÄG 1987, BGBl1987/312, 1884f.

33 Ritz, Effizienz des Rechtsschutzes in der BAO, AFS2017, 2 (3f); VfGH 27.6.1996, B131/95, AnwBl 1996 549 (kritisch Wolf-Dieter Arnold); Arnold/Arnold, Rechtsgebühren 9 (2011) §3 Rz45a. Vgl auch Schaden, Bleibt eine Lücke im Rechtsschutzsystem? Verfassungsrechtliche Überlegungen zur „Aussetzung der Einhebung“ (§212a BAO), ÖJZ1989, 419 (423).

Beschwerde gemäß §4a Abs5 Z5 EStG nunmehr begegnet.

6.Antrag auf aufschiebende Wirkung und seine Erledigung

Die aufschiebende Wirkung ist dabei nach §4a Abs5 Z5 EStG vom Beschwerdeführer zu beantragen. Die Antragsgebundenheit dürfte dabei aus der Konzeption des §212a BAO entlehnt sein, wo die Aussetzung der Einhebung ebenfalls nicht amtswegig erfolgen kann, sondern einen Antrag des Steuerpflichtigen erfordert.34 Im Konzept des GemRefG 2023 macht der Antrag auch insoweit Sinn, als die Antragspflicht für die aufschiebende Wirkung dem Spendenempfänger die Gelegenheit zur Abwägung des Antragsrisikos bietet, das sich für ihn aus der mit §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG angedrohten pauschalen Nachversteuerung während des Rechtsstreits empfangener Spenden35 ergibt. Ist dem Spendenempfänger dieses Risiko zu hoch, kann er den Antrag auf aufschiebende Wirkung unterlassen. Dies führt zur sofortigen Streichung aus der Liste begünstigter Spendenempfänger und damit zum Wegfall des Spendenabzugs für Spender ab dem Zeitpunkt des Widerrufs.36 Diese vom Gesetzgeber mit §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG geschaffene Drucksituation wird noch näher zu beleuchten sein.37 Der auf dem beschwerdeführenden Spendenempfänger bei der Ausübung bzw Nichtausübung seines Antragsrechts lastende Entscheidungsdruck wiegt umso schwerer, als er das zukünftige Spendenvolumen – und damit die drohende Belastung durch die pauschale Nachversteuerung – in diesem Zeitpunkt nicht kennt. Allenfalls mögen hier Erfahrungswerte aus der Vergangenheit bestehen. Über zukünftige Änderungen im Spenderverhalten bzw Schwankungen in der Spendenhöhe kann der Spendenempfänger aber nur spekulieren. Dies belastet die Antragsentscheidung mit Unsicherheit.

Das Gesetz spricht in §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG davon, dass „der Beschwerde auf An-

34 Vgl §212a Abs2 lita BAO.

35 Dazu Pkt 9.

36 Bemerkenswert ist, dass §4a Abs5 Z5 EStG die Ebene des Spenders nicht ausdrücklich anspricht. Dementsprechend fehlt im Gesetz eine dem Wortlaut von §4a Abs7 Z1 EStG derogierende Regelung, die die Abzugsfähigkeit beim Spender für von ihm während der suspensiven Beschwerde des Spendenempfängers geleistete Spenden aufrechthält. §4a Abs7 Z1 EStG erklärt vielmehr weiterhin sämtliche Spenden für nichtabzugsfähig, die vom Spender ab dem in die Liste eingetragenen Datum des Widerrufsbescheides geleistet wurden, ohne die Möglichkeit einer Beschwerde gegen diesen Bescheid in Betracht zu zi ehen. Insoweit sind daher §4a Abs7 Z1 EStG und §4a Abs5 Z5 EStG legistisch nicht aufeinander abgestimmt. Sinn und Zweck des Gesetzes sprechen aber in diesen Fällen für einen Erhalt des Spendenabzugs beim Spender, da ansonsten die bei Erfolglosigkeit der Beschwerde mit §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG angeordnete Nachversteuerung beim Spendenempfänger keinen Sinn machen würde. Vgl dazu Lang, AVR 2024, 16 ff.

37 Dazu Pkt 9.

trag aufschiebende Wirkung zukommt“. Damit ist nicht völlig zweifelsfrei geregelt, ob der Antrag zwingend schon in der Beschwerde zu stellen ist oder ob dies auch gesondert bzw zeitlich später (unter Umständen sogar nach Ablauf der Beschwerdefrist) möglich ist. Letzteres erscheint überzeugender,38 zumal ansonsten ein bloßes Formgebrechen (nämlich das Versäumen der Aufnahme eines nur aus wenigen Worten bestehenden „Antrags“ in den Beschwerdetext) für den Spendenempfänger gravierende, nicht mehr sanierbare Konsequenzen hätte.39

Für den weiteren Verfahrensgang stellt sich sodann die Frage, ob der Antrag von der Beschwerde getrennt behandelt und somit auch gesondert erledigt werden kann. Das Gesetz dürfte von zwei prozessual getrennten Verfahren ausgehen, was auch sachgerecht erscheint, da aufschiebende Wirkung und Widerruf unterschiedliche Verfahrenswege nehmen können. Insbesondere kann es Sinn machen, über die aufschiebende Wirkung kurzfristig zu entscheiden, ohne dass das Hauptverfahren gleichzeitig abgeschlossen wird. So wird rasch Klarheit über die aufschiebende Wirkung geschaffen, was im Interesse des Beschwerdeführers und seiner potenziellen Spender liegt, die sich auf den – je nach Ergebnis – noch vorhandenen oder ausgelaufenen Spendenabzug einstellen können. Verpflichtend dürfte ein solches Vorziehen der Entscheidung über die aufschiebende Wirkung für die Behörde aber nicht sein.40 Es wäre daher immerhin denkbar, dass mit dieser Entscheidung bis zum Abschluss des Hauptverfahrens zugewartet wird. Daraus erwächst für den Beschwerdeführer kein Nachteil: Denn es ist klar, dass der Widerrufsbescheid aus Rechtsschutzgründen so lange nicht vollzogen werden darf, als der Antrag auf aufschiebende Wirkung unerledigt ist.41 De facto verhindert also schon der bloße Antrag die sofortige Streichung des Beschwerdeführers aus der Liste begünstigter Spendenempfänger. Selbst eine spätere Abweisung des Antrags lässt den Spendenabzug bloß ab der dann erfolgenden Streichung wegfallen.42

Schwieriger zu beurteilen ist, ob in einem solchen Fall, in dem die aufschiebende Wirkung

38 Und entspricht auch §212a Abs3 BAO, wonach Anträge auf Aussetzung der Einhebung bis zur Beschwerdeentscheidung gestellt werden können.

39 Bei späterer Antragstellung trägt der Beschwerdeführer aber das Risiko, dass der Widerrufsbescheid unmittelbar vollzogen wird, dh er aus der Liste spendenbegünstigter Empfänger gestrichen wird.

40 Es besteht keine besondere Entscheidungsfrist, sodass es bei der Pflicht zur Entscheidung „ohne unnötigen Aufschub“ gemäß §85a BAO bleibt.

41 Diese Wirkung des Antrags spricht das Gesetz zwar nicht ausdrücklich aus, sie erscheint aber für einen wirksamen Rechtsschutz zwingend. Ansonsten könnte die Behörde durch bloße Nichtbehandlung des Antrags den Widerrufbescheid ungehindert vollziehen, was der Intention des Gesetzgebers zuwiderläuft.

42 Das ergibt sich aus der konstitutiven Wirkung der Listen-Ein- und -Austragung, vgl ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 7.

zwar beantragt, aber in weiterer Folge abgewiesen wird, der Nachversteuerungszuschlag für ab dem Widerrufsbescheid erhaltene Spenden gemäß §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG anfällt. Dagegen scheint zwar bei erstem Hinsehen zu sprechen, dass in einem solchen Verfahren formal niemals aufschiebende Wirkung bestanden hatte, als deren „Preis“ die Nachversteuerung wohl gedacht ist. Da ein zunächst unerledigter Antrag auf aufschiebende Wirkung aber – wie dargelegt – bis zu seiner Abweisung im Ergebnis die gleiche Schutzwirkung wie eine Bewilligung der aufschiebenden Wirkung hat, erscheint auch in diesem Fall eine Nachversteuerung konsequent, wenn die Beschwerde am Ende erfolglos bleibt. Die Nachversteuerung dürfte dann aber nur Spenden erfassen, die bis zur Abweisung der aufschiebenden Wirkung eingehen. Für dieses Ergebnis spricht auch das – ebenso durchaus denkbare – Szenario, dass der Antrag auf aufschiebende Wirkung bis zur Abweisung der Beschwerde unerledigt bleibt. Auch in diesem Fall wäre durch die Nichtbehandlung des Antrags für die gesamte Dauer des Beschwerdeverfahrens de facto vorläufiger Rechtsschutz gegeben, ohne dass formal aufschiebende Wirkung gewährt wurde.43 Wenn dies die Nachversteuerung der während des Beschwerdeverfahrens vereinnahmten Spenden verhindern würde, wäre das Nachversteuerungs-Konzept des §4a Abs5 Z5 Satz2 EStG unterlaufen. Dies wird nicht im Sinne des Erfinders dieses Konzepts sein.

§4a Abs5 Z5 EStG legt im Übrigen weder ausdrücklich fest, wo der Antrag auf aufschiebende Wirkung einzubringen ist, noch, wer zur Stattgabe bzw Abweisung eines solchen Antrags berufen ist. Die Parallele zu §212a Abs1 BAO legt eine Zuständigkeit der Abgabenbehörde nahe. Dies entspricht zumindest vom Ergebnis her auch der Lösung von §13 Abs2 VwGVG, wo der ausnahmsweise Ausschluss der – im VwGVG grundsätzlich ex lege zustehenden –aufschiebenden Wirkung der Behörde obliegt. Anders als nach dem VwGVG ist aber ein schon im Hauptsachenbescheid (also dem Widerrufsbescheid) erfolgender Vorwegausschluss der aufschiebenden Wirkung im Verfahren nach §4a Abs5 Z5 EStG nicht möglich. Denn §13 Abs2 VwGVG lässt dies nur bei Gefahr im Verzug zu, eine entsprechende Regelung ist dem GemRefG 2023 (und auch der BAO) unbe-

43 Aus dem Wortlaut des Gesetzes könnte nämlich abgeleitet werden, dass eine positive Erledigung des Antrags auf aufschiebende Wirkung gar erforderlich ist (eben weil der anhängige Antrag ohnedies den Vollzug des Widerrufsbescheides verhindert). Denn §4a Abs5 Z5 Satz2 EStG spricht nur den Fall der Abweisung an, in dem „die aufschiebende Wirkung nicht zu bewilligen ist“. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Regelung aus Vereinfachungsgründen von einer Stattgabe des Antrags – als Ausnahme von der allgemeinen Entscheidungspflicht der BAO – dispensiert. Die Konsequenz wäre, dass die aufschiebende Wirkung niemals „bewilligt“ würde.

kannt.44 Über die aufschiebende Wirkung nach §4a Abs5 Z5 EStG kann von der Abgabenbehörde daher erst auf Basis des Antrags des Beschwerdeführers entschieden werden.

7.Rechtsschutz gegen die Versagung aufschiebender Wirkung

Die in §4a Abs5 Z5 EStG enthaltene Regelung, wonach die Abgabenbehörde die aufschiebende Wirkung (nur) dann nicht bewilligen darf, wenn die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, ist von §212a BAO her bekannt. Wie bei der Aussetzung der Einhebung nach §212 Abs2 lita BAO erfordert auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach §4a Abs5 Z5 EStG eine Prognoseentscheidung der Abgabenbehörde über die Erfolgschancen des Rechtsmittels. Schon zu §212a BAO wurden allerdings unterschiedliche Ansichten über den dabei anzulegenden Prüfmaßstab vertreten (etwa, ob eine Versagung der Aussetzung nur bei offenkundiger Aussichtslosigkeit in Betracht kommt).45 Auch bei der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach §4a Abs5 Z5 EStG wird eine ähnliche Unsicherheit zu erwarten sein. Die Gesetzesmaterialien enthalten jedenfalls keine näheren Vorgaben für den relevanten Prognosemaßstab.46 Im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes spricht aber Vieles für eine bloße Grobprüfung, bei der der Antrag nur dann abzuweisen sein sollte, wenn das Ziel der Beschwerde im bloßen „Zeitschinden“ bei der Aberkennung der Spendenbegünstigung liegt (um also auch in aussichtslosen Fällen möglichst lange auf der Liste begünstigter Spendenempfänger zu bleiben). Geht die Behörde von einem solchen aussichtslosen Fall aus, hat sie den Antrag auf aufschiebende Wirkung mit Bescheid abzuweisen.

Das GemRefG 2023 regelt den Rechtsschutz gegen eine solche Abweisung nicht ausdrücklich (anders als zB §212a Abs4 BAO). Es ist aber davon auszugehen, dass – analog zur Versagung der Aussetzung der Einhebung gemäß §212a BAO – gegen die Versagung der aufschiebenden Wirkung der Bekämpfung des Widerrufs der Spendenbegünstigung eine gesonderte Beschwerde möglich ist. Denn bei dieser Versagung handelt es sich keineswegs um eine bloß das Verfahren betreffende Verfügung (über deren Rechtmäßigkeit in der Beschwerdeentscheidung im Hauptverfahren zu befinden wäre), sondern um einen gesondert anfechtbaren Bescheid. Nicht geregelt ist, ob in diesem gesonderten Beschwerdeverfahren über die

44 Für eine solche Eilentscheidung über die aufschiebende Wirkung wäre zudem eine Abwägung von Rechtsschutz- und Vollzugsinteresse erforderlich. Solche Interessenabwägungen sind im Verfahren über den Widerruf der Spendenbegünstigung insgesamt nicht vorgesehen. Dazu Pkt7.

45 Vgl die unterschiedlichen Auffassungen bei Ritz/Koran, BAO7, §212a Rz9.

46 ErlRV 2319 BlgNR 27.GP.

Versagung der aufschiebenden Wirkung wiederum aufschiebende Wirkung beantragt werden kann, oder ob in einem solchen Fall §254 BAO dies ausschließt. Der Wortlaut von §4a Abs5 Z5 EStG hat diese Situation nicht im Blick. Die rechtsstaatlich gebotene Lösung wird aber eine sinngemäße Anwendung von §4a Abs5 Z5 EStG sein. Denn es wäre nicht akzeptabel, wenn die Abgabenbehörde die Wirksamkeit des Rechtsschutzes von Beschwerden gegen den Widerruf der Spendenbegünstigung dadurch ausschließen könnte, indem sie solchen Beschwerden die aufschiebende Wirkung rechtswidrig versagt. Auch Beschwerden gegen die Versagung der aufschiebenden Wirkung müssen daher richtigerweise bis zu ihrer rechtskräftigen Entscheidung durch das BFG (oder eine in Rechtskraft erwachsende Beschwerdevorentscheidung) suspensive Wirkung haben. Praktisch bedeutet dies, dass der Widerrufsbescheid bis zur rechtskräftigen Versagung der aufschiebenden Wirkung nicht in Vollzug gesetzt werden kann.47 Insbesondere ist daher mit der Streichung aus der Liste begünstigter Spendenempfänger bis zu diesem Zeitpunkt zuzuwarten, was den Spendenabzug entsprechend aufrechthält. Gleichzeitig führt dieser Zeitgewinn beim Spendenabzug dazu, dass sich das Risiko der pauschalen Nachversteuerung erhaltener Spenden für den beschwerdeführenden Spendenempfänger korrespondierend erhöht.

Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass der Gesetzgeber in §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG ausschließlich auf die Erfolgschancen der Beschwerde abstellt. Eine umfassende Interessenabwägung zwischen öffentlichen Interessen (wie dem Fiskalinteresse) und den Interessen des Beschwerdeführers, wie sie nach anderen Systemen provisorialen Rechtsschutzes (zB nach dem VwGG) vorzunehmen ist,48 ist beim Rechtsschutz gegen den Widerruf der Spendenbegünstigung nicht vorgesehen. Damit bleibt es zB ohne Bedeutung, wie hart der konkrete Beschwerdeführer von der sofortigen Streichung aus der Liste begünstigter Spendenempfänger getroffen wäre (etwa, weil bei ihm die Finanzierung über Spenden existenziell ist). Solche Umstände können nach dem Gesetzeswortlaut auch nicht im Wege einer Ermessensübung berücksichtigt werden, weil die aufschiebende Wirkung bei unzureichenden Erfolgschancen nicht zu bewilligen „ist“. Das Fehlen einer umfassenden Interessenabwägung in §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG zeigt, dass der Gesetzgeber beim Thema des provisorialen Rechtsschutzes gegen Abgabenbescheide unerfahren ist. Die Existenz von §254 BAO (lediglich ergänzt um §212a BAO) hat dieses Thema im Abgabenverfahren

47 Allenfalls ist eine anhängige Beschwerde wegen Versagung der aufschiebenden Wirkung dann abzuweisen, wenn die Beschwerde gegen den Widerrufsbescheid schon früher erledigt wird.

48 Vgl §30 VwGG. Dazu zB Berger in Brandtner/Köhler/ Schmelz, VwGVG (2021) §30 VwGG Rz31ff.

nämlich traditionell verdrängt bzw erst gar nicht entstehen lassen.

8.Dauer der aufschiebenden Wirkung

Der Gesetzeswortlaut des §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG spricht nicht ausdrücklich an, wie lange die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anhält. Aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmung ergibt sich jedoch, dass diese Wirkung endet, sobald die Erfolglosigkeit der Beschwerde feststeht. Das Gesetz knüpft nämlich das Auslösen der Nachversteuerung der während der Dauer aufschiebender Wirkung vereinnahmten Spendenbeträge daran, dass die Beschwerde „ohne Erfolg bleibt“ 49 Anders als bei der Aussetzung der Einhebung (dort §212a Abs5 und Abs5a BAO) ist kein gesonderter bescheidmäßiger Abspruch über das Ende der aufschiebenden Wirkung vorgesehen. Ebenso wenig ist eine mit der Monatsfrist des §212a Abs7 BAO vergleichbare Gnadenfrist eingeräumt. Der Widerrufsbescheid wird daher unmittelbar mit Wegfall der aufschiebenden Wirkung vollzugsfähig, sodass die Streichung des Beschwerdeführers aus der Liste begünstigter Spendenempfänger sofort erfolgen kann. Klar ist dabei, dass eine nach §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG gewährte aufschiebende Wirkung mit Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung durch das BFG (oder durch das Finanzamt, wenn gegen dessen Beschwerdevorentscheidung kein Vorlageantrag eingebracht wird) enden muss. Wird die Beschwerdeentscheidung des BFG vor VfGH oder VwGH weiter bekämpft, richtet sich ein allfälliger vorläufiger Rechtsschutz nach den einschlägigen Regelungen zur aufschiebenden Wirkung in VfGG und VwGG. Eine solche weitere aufschiebende Wirkung ist nach diesen Regeln erneut zu beantragen. Dies deckt sich im Ergebnis mit der Rechtslage nach §212a BAO, die das Ende der Aussetzung der Einhebung einer strittigen Abgabenschuld von §212a Abs5 BAO an den das finanzgerichtliche Beschwerdeverfahren beendenden Akt bindet.50

§4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG gibt auch keinen näheren Hinweis, bei welchem Verfahrensergebnis davon auszugehen ist, dass die Beschwerde „ohne Erfolg“ geblieben ist. Ohne Zweifel ist eine meritorische Abweisung der Be-

49 Das Gesetz behandelt die Frage nicht, in welchem Verfahren die Nachversteuerung zu erfolgen hat. Vielmehr ist in §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG nur die Anordnung an die Abgabenbehörde enthalten, der Einrichtung den Zuschlag zur Körperschaftsteuer vorzuschreiben. Dies wird mit gesondertem (Körperschaftsteuer-)Bescheid zu erfolgen haben. Damit muss die Höhe der Bemessungsgrundlage des Zuschlags nicht im Beschwerdeverfahren über den Widerruf geklärt werden, sodass dessen Abschluss nicht verzögert wird.

50 Kritisch dazu Kotschnigg, Aussetzung der Einhebung und bereits erledigte Berufung – Gedanken zum Verbesserungspotential beim Rechtsschutz im Verfahren vor dem VwGH, UFSaktuell2005, 92 (94).

schwerde als unbegründet gemäß §279 Abs1 BAO in diesem Sinne erfolglos. Ebenso war die Beschwerde ohne Erfolg, wenn sie gemäß §260 BAO mit Beschluss zurückgewiesen wird (§278 Abs1 lita BAO) oder als zurückgenommen erklärt wird (§278 Abs1 litb Fall1 BAO). Umgekehrt ist offenkundig, dass eine Aufhebung des Widerrufsbescheides durch das BFG – sei es ersatzlos oder unter Zurückverweisung an die Abgabenbehörde – als „Erfolg“ des Beschwerdeführers zu sehen ist. Wenn die Abgabenbehörde nach Zurückverweisung durch das BFG neuerliche Erhebungen zum Sachverhalt durchführt, kann dies allenfalls zu einem neuen Widerrufsbescheid führen, der dann erneut bekämpft werden kann. Gleiches gilt, wenn die Behörde selbst den Widerrufsbescheid zB gemäß §299 Abs1 BAO aufhebt und so dem Beschwerdeanliegen inhaltlich Rechnung trägt. In diesem Fall ist zwar die Beschwerde vom Gericht gemäß §278 Abs1 litb Fall2 BAO als gegenstandslos zu erklären, dennoch hat sich der Beschwerdeführer in der Sache durchgesetzt.

Denkbar sind auch Fälle, in denen die Beschwerdeentscheidung den ursprünglichen Widerrufsbescheid nicht zur Gänze verwirft, sondern nur abändert. Zwar wird es keinen „teilweisen“ Widerruf der Spendenbegünstigung geben können, aber es kann für den Spendenempfänger einen Unterschied machen, auf welchen konkreten Widerrufsgrund sich der Widerruf stützt. So ist nur für die in §4a Abs4 Z3 litd unde EStG genannten Widerrufsgründe (dies sind die durch das GemRefG 2023 neu geschaffenen Wohlverhaltensregeln) aufgrund §4a Abs5 Z6 EStG eine einjährige Sperrfrist für die neuerliche Antragstellung auf Zuerkennung der Spendenbegünstigung angeordnet. Für einen von dieser Sperrfrist bedrohten beschwerdeführenden Spendenempfänger mag es daher schon ein „Teilerfolg“ sein, wenn der Widerruf zwar im Ergebnis aufrecht bleibt, aber in der Beschwerdeentscheidung auf einen anderen Widerrufsgrund gestützt wird. Dennoch wird in solchen Fällen davon auszugehen sein, dass die Beschwerde „ohne Erfolg“ geblieben ist, zumal sie den Verlust der Spendenbegünstigung nicht verhindern konnte. Die Möglichkeit zur kurzfristigen Wiederbeantragung der Begünstigung ist demgegenüber nur ein Seitenaspekt.

9.Pauschale Nachversteuerung während eines suspensiven Beschwerdeverfahrens erhaltener Spenden

Ein Spezifikum der Beschwerde gegen Widerrufsbescheide zur Spendenbegünstigung stellt die in §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG enthaltene Vorschrift dar, nach der dem beschwerdeführenden Spendenempfänger im Fall des Scheiterns seines suspensiven Rechtsmittels ein Zuschlag zur Körperschaftsteuer in Höhe von

20% des ab dem Datum des Widerrufsbescheides lukrierten Spendenvolumens vorzuschreiben ist. Der Sinn der Regelung wird von den Materialien unverblümt offengelegt:51 Es soll dadurch in pauschaler und verwaltungsökonomischer Weise ein Ausgleich für jene Steuerminderung erfolgen, die durch den infolge der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels bis zur tatsächlichen Streichung aus der Liste begünstigter Spendenempfänger weiterhin aufrechten Spendenabzug entsteht. Die – nur im Falle einer endgültigen Aberkennung der Spendenbegünstigung – eintretende Nachversteuerung soll diesen Vorteil der Spender (der mittelbar auch ein Vorteil des Spendenempfängers ist, der weiterhin mit der steuerlichen Abzugsfähigkeit werben kann) ausgleichen. In der Sache geht es daher um eine pauschale Nachversteuerung der aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde weiterhin abzugsfähigen Spendenbeträge, wobei diese Nachversteuerung nicht beim Spender, sondern „pauschal und verwaltungsökonomisch“ beim Spendenempfänger erfolgt.52 Der dabei vorgeschriebene „Zuschlag zur Körperschaftsteuer“ ist eine Umschreibung für eine Abgabe eigener Art: Denn der Zuschlag kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Spendenempfänger ansonsten gar nicht körperschaftsteuerpflichtig ist.53 Wesentlich ist, dass der Spendenempfänger bei verlorenem Rechtsmittel 20% der während des Zeitraums der aufschiebenden Wirkung empfangenen Spenden an die Finanzverwaltung abzuführen hat.

Die Technik der Nachversteuerung begünstigter Spenden beim Spendenempfänger ist dabei nicht völlig neu. Eine ähnliche Regelung ist –worauf auch die Materialien zum GemRefG 2023 hinweisen54 – bereits in §18 Abs8 Z4 litb EStG zu finden. Dort wird eine Nachversteuerung des Sonderausgabenabzugs für Spenden ermöglicht, wenn ein Spendenempfänger die für die automatische Berücksichtigung als Sonderausgabe notwendigen Informationen trotz Aufforderung nicht an die Finanzverwaltung übermittelt. Auch dort beträgt der Nachversteuerungssatz 20%. Allerdings verfolgt die Spendennachversteuerung in §18 Abs8 Z4 litb EStG – was die Materialien verschweigen –einen deutlich anderen Zweck als jene nach §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG: Denn im Fall des §18 Abs8 Z4 litb EStG ist die Nachversteuerungssanktion ausdrücklich nur bei den ex lege

51 Vgl die Begründung des Abänderungsantrags AA361 27.GP, 2.

52 Die Vornahme der Nachversteuerung beim Spendenempfänger (und nicht beim Spender) ist eine Frage der Verwaltungsökonomie, denn die Rückabwicklung des Spendenabzugs bei sämtlichen betroffenen Spendern wäre wohl administrativ kaum zu bewältigen.

53 So Rz1345ea EStR; Rz12013 LStR; Renner in Doralt/ Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG (18.Lfg, 2016) Rz342.

54 Vgl die Begründung des Abänderungsantrags AA361 27.GP, 2.

begünstigten Spendenempfängern (zB Museen, Universitäten etc) vorgesehen. Für durch Bescheid begünstigte Spendenempfänger (zB gemeinnützige Körperschaften) gab es hingegen bislang keinerlei Nachversteuerung des Sonderausgabenabzugs ihrer Spender, insoweit war die Aberkennung der Spendenbegünstigung die einzige Sanktion.55 Der Unterschied wird aus dem Gesamtzusammenhang des §18 Abs8 Z4 EStG heraus verständlich: Denn dort geht es dem Gesetzgeber um die Sanktion einer Nichtmitwirkung des Spendenempfängers beim automatischen Sonderausgabenabzug. Während bei mit Bescheid begünstigten Spendenempfängern dem Gesetzgeber (bisher) der Entzug der Spendenbegünstigung als Sanktion ausreicht, werden die ex lege begünstigten Spendenempfänger –denen die Begünstigung nicht ohne Weiteres entzogen werden kann – mit einem monetären Strafzuschlag bedroht, damit auch sie ihre Mitwirkungspflichten (konkret die Datenübermittlung an die Finanzverwaltung) erfüllen.

Diese Technik eines monetären Zuschlags beim Spendenempfänger nutzt das GemRefG 2023 für den Fall der aufschiebenden Wirkung einer letzten Endes erfolglosen Beschwerde gegen den Widerruf der Spendenbegünstigung nach §4a Abs5 Z5 Satz EStG. Kritisch ist dabei allerdings, dass der Zuschlag faktisch zum Spieleinsatz für eine vom Beschwerdeführer angestrebte aufschiebende Wirkung seines Rechtsmittels gegen den Widerrufsbescheid wird. Die aufschiebende Wirkung ist nämlich für den Beschwerdeführer nicht risikolos, sondern nur durch Inkaufnahme eines – unter Umständen betraglich erheblichen – Streitrisikos zu erreichen. Die Frage ist nun, ob ein solcher Preis für die Effektivität des Rechtsschutzes – um nichts anderes geht es bei der aufschiebenden Wirkung – aus rechtsstaatlicher Sicht akzeptabel ist. Seit der Aufhebung der Erstfassung des §254 BAO durch den VfGH ist klar, dass ein völliges Abwälzen des Risikos einer potenziell rechtswidrigen Entscheidung der Abgabenbehörde auf den Rechtsmittelwerber verfassungswidrig ist.56 Mit der Einräumung der Möglichkeit aufschiebender Wirkung in §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG hat dies das GemRefG 2023 nunmehr dem Grunde nach anerkannt. Die spätere Rechtsprechung des VfGH hat aber auch betont, dass Einschränkungen der Effektivität des Rechtsschutzes nicht von vornherein ausgeschlossen sind, sofern dafür – in den Worten des VfGH – „sachlich gebotene, triftige Gründe“ bestehen.57 Mit anderen Worten geht es daher darum, ob eine solche Einschränkung im Einzelfall sachlich gerechtfertigt sein kann. Für eine Rechtfertigung könnte nun der Nachversteuerungsgedanke des Zuschlags herangezogen werden: Denn der

55 So Rz1345ea EStR; Rz12013 LStR; Renner in Doralt/ Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG (18.Lfg, 2016) Rz342.

56 Vgl dazu Pkt 5.

57 So zB VfGH 13.3.1991, G199/90; VfSlg12.683; 29.6.2001, G108/01, VfSlg16.245.

Zuschlag soll „pauschal und verwaltungsökonomisch“ jenen Vorteil kompensieren, der durch das Hinauszögern der Streichung von der Liste begünstigter Spendenempfänger bewirkt wurde. §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG bewertet diesen Vorteil pauschal mit 20% der im „Verlängerungszeitraum“ erhaltenen Spenden (die der Spendenempfänger vorsorglich gesondert aufzuzeichnen hat).

Es ist allerdings nicht leicht, diesen Pauschalsatz von 20% der Spenden mit dem tatsächlichen Vorteil aus dem weiterlaufenden Spendenabzug zu vergleichen. Die Materialien stellen hierzu den beim Spender aus dem Spendenabzug entstehenden Steuervorteil in den Vordergrund.58 Wie hoch dieser Steuervorteil bei den Spendern in der Realität ist, hängt von vielen Faktoren ab, zB vom konkreten Einkommensteuersatz des Spenders,59 ob er Steuerinländer oder -ausländer ist60 oder ob er überhaupt auf einen steuerlichen Spendenabzug Wert legt und daher die dafür notwendigen Informationen – wie etwa seinen Namen – preisgeben möchte (gegenüber dem Spendenempfänger für einen automatischen Spendenabzug bzw gegenüber der Finanzverwaltung, wenn er die Spende in seiner Steuererklärung geltend macht). Gerade der letzte Punkt erscheint wesentlich: Denn bei der Nachversteuerung gemäß §18 Abs8 Z4 EStG ist von der Verwaltungspraxis anerkannt, dass der Spendenempfänger nur solche Beträge pauschal nachzuversteuern hat, für die der Spender tatsächlich einen Sonderausgabenabzug anstrebt.61 Entsprechendes wird auch für die Nachversteuerung nach §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG zu fordern sein, da andernfalls der Spendenempfänger auch solche Spendenbeträge „nachversteuern“ müsste, die für den Fiskus niemals zu einer Steuerminderung geführt haben und bei denen auch die steuerliche Anreizwirkung des Spendenabzugs offenkundig

58 Begründung des Abänderungsantrags AA361 27.GP, 2.

59 Immer wieder wird berichtet, dass die Spendenbereitschaft gerade in niedrigen Einkommensstufen besonders stark ausgeprägt sein soll.

60 Beim Steuerausländer geht ein (nur) nach österreichischem Recht möglicher Spendenabzug regelmäßig ins Leere. Trotzdem unterliegen auch solche Spenden beim inländischen Spendenempfänger der Nachversteuerung.

61 Rz 1345ea EStR; Rz12013 LStR.

ins Leere geht. Daher scheint grundsätzlich eine verfassungskonforme Interpretation von §4a Abs5 Z5 letzter Satz EStG geboten, die die dort angesprochenen „zugewendeten Beträge“ auf solche Spenden einschränkt, für die tatsächlich ein Spendenabzug eintritt.

Ob all dies mit dem Hinweis auf den Pauschalcharakter des Zuschlagssatzes iHv „nur“ 20% entkräftet werden kann, wird davon abhängen, ob die tatsächliche steuerliche Entlastungswirkung bei den Spendern in einer Gesamtbetrachtung ein Ausmaß von 20% erreicht. Ist dies nicht der Fall, scheint die Rechtfertigung der Nachversteuerung auf dieser Stufe kritisch. Man wird aber zusätzlich noch – auch wenn die Materialien dies nicht ausdrücklich ins Treffen führen62 – den Vorteil des Spendenempfängers aus der Spendenbegünstigung veranschlagen müssen. Denn obwohl dies wohl schwierig zu beziffern sein wird, erscheint es plausibel, dass der betroffene Spendenempfänger gerade wegen des vorläufigen Aufrechtbleibens der Spendenbegünstigung ein höheres Spendenvolumen vereinnahmt hat.

Auf den Punkt gebracht

Die umfassende Reform des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts durch das GemRefG 2023 hat auch den steuerlichen Spendenabzug auf neue Rechtsgrundlagen gestellt. Einer der Kernaspekte der Reform ist die Neuordnung des Verfahrens zu Gewährung und Widerruf der Spendenbegünstigung. Beim Widerrufsverfahren soll die Möglichkeit einer aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen den Widerrufsbescheid einen effektiven Rechtsschutz sicherstellen. Dies ist rechtsstaatlich zu begrüßen und war wohl verfassungsrechtlich erforderlich. Die erst in letzter Minute im Plenum des Nationalrats eingefügte Regelung (§4a Abs5 Z5 EStG) wirft aber zahlreiche Auslegungsfragen auf.

Der Autor dankt herzlich Herrn Univ. Prof. Dr. DDr. h.c. Michael Lang für die Diskussion und Herrn Mag. Kilian Posch, Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU, für die Unterstützung bei der Erstellung des Anmerkungsapparates.

62 ErlRV 2319 BlgNR 27. GP.

Gemeinnützigkeitsreform: Keine steuerlichen Begünstigungen bei Strafen und Verbandsgeldbußen

Michael Lang

Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c.

Michael Lang ist Vorstand des Instituts für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU, wissenschaftlicher Leiter des LLM-Programms International Tax Law und Sprecher des Doctoral Program in International Business Taxation (DIBT) der WU.

Mit dem Gemeinnützigkeitsreformgesetz 20231 (GemRefG) wurden sowohl in §42 BAO – und damit in die Vorschriften der §§34 bis47 BAO, in denen die Begünstigungen für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke geregelt sind – als auch in die Spendenabzugsvorschrift des §4a EStG im Kern gleiche zusätzliche Voraussetzungen aufgenommen: Gegen die Körperschaft darf keine Verbandsgeldbuße iSd Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG) wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung oder eines vorsätzlich begangenen Finanzvergehens iSd Finanzstrafgesetzes (FinStrG), ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, rechtskräftig verhängt worden sein, um die Voraussetzungen für die steuerlichen Begünstigungen zu erfüllen. Genauso schädlich ist es, wenn Entscheidungsträger oder Mitarbeiter iSd §2 Abs1 und2 VbVG wegen strafbarer Handlungen, für die die Körperschaft iSd §3 VbVG verantwortlich ist, rechtskräftig gerichtlich verurteilt wurden oder über sie rechtskräftige Strafen wegen vorsätzlicher, nicht vom Gericht zu ahndender Finanzvergehen iSd FinStrG, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, verhängt wurden. Im Detail sind aber die weiteren Anwendungsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen der in §42 Abs2 BAO und in §4a Abs4 Z3 litd EStG enthaltenen Tatbestände durchaus unterschiedlich geregelt.

Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde mit Erkenntnis des VfGH vom 5.10.2023, G172/2022, V172/2022, der Tatbestand des §3 Z4 WohlverhaltensG als verfassungswidrig aufgehoben. Zwar geht der Anwendungsbereich der Regelungen des §42 Abs2 BAO und des §4a Abs4 Z3 litd EStG über jenen des §3 Z4 WohlverhaltensG insoweit hinaus, als dieser nicht bloß auf verhängte Finanzstrafen und entsprechende Verbandsgeldbußen abzielt. Dennoch bestehen zwischen den Bestimmungen Parallelen. Offenbar deshalb wurden zumindest die Voraussetzungen des §4a EStG modifiziert:2 Der Gesetzgeber

1 Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gebührengesetz 1957, das Privathochschulgesetz, das Fachhochschulgesetz und das IST-Austria-Gesetz geändert werden (Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 – GemRefG 2023), BGBlI 2023/ 188.

2 Vgl den Ministerialentwurf des § 4a Abs 4 Z 3 lit d EStG (ME GemRefG 2023, 299/ME 27. GP), der noch nicht die Einschränkung „[d]ies gilt nur für strafbare Handlungen, die innerhalb der vorangegangenen fünf Kalenderjahre begangen wurden“, enthielt.

versuchte, den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen, die er aus dieser Entscheidung ableitete. Die Kenntnis der Tatbestände des WohlverhaltensG und der dazu ergangenen verfassungsrechtlichen Rechtsprechung erleichtern das Verständnis der hier im Mittelpunkt stehenden durch das GemRefG geschaffenen Vorschriften.

Aus diesem Grund möchte ich zunächst die relevanten Regelungen des WohlverhaltensG und die dazu ergangene Entscheidung des VfGH darlegen, um anschließend die Anwendungsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen der Regelungen des §42 Abs2 BAO und des §4a Abs4 Z3 litd EStG zu beschreiben, um schließlich auch das Verhältnis zwischen diesen beiden Regelungen näher zu beleuchten.

1.§3 Z4 WohlverhaltensG und das dazu ergangene Erkenntnis des VfGH Nach §1 Abs1 WohlverhaltensG müssen sich Unternehmen, denen eine Förderung des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie gewährt wird, für einen näher bestimmten Zeitraum „steuerlich wohlverhalten haben“. Eine nähere Lektüre des Gesetzes zeigt, dass es dabei nicht bloß um die Vermeidung von Fehlverhalten geht: §3 Z1 WohlverhaltensG stellt auf die rechtliche Begründung ab, mit der einem Steuerpflichtigen ein steuerlicher Vorteil versagt wurde.3 Stützt sich die Behörde dabei auf §22 BAO, kann das Unternehmen die Förderung verlieren. Bedient sie sich hingegen einer anderen Begründung, ist das in Hinblick auf die Förderung unschädlich. Nach §3 Z2 WohlverhaltensG wird die Anwendung bestimmter Steuertatbestände pönalisiert. Auch die Offenlegung der Anwendung dieser Vorschriften gleich bei Abgabe der Steuererklärung bewahrt in Fällen, in denen der von ihnen erfasste Betrag 500.000€ übersteigt, nicht vor Verlust des Anspruchs oder vor der Rückzahlung der Förderung.4 Nach §3 Z3 WohlverhaltensG geht es darum, ob das Unternehmen Sitz oder Niederlassung in bestimmten Staaten hat und welche Art von Einkünften dort erzielt werden. Ob für diese Einkünfte Steuern bezahlt werden oder ob sie überhaupt steuerpflichtig sind, spielt keine Rolle. Der Gesetzgeber versagt die Förderung bei bestimmten – völlig legalen – Tätigkeiten in bestimmten Staaten.5

3 Kritisch Lang/Pacher, Das Wohlverhaltensgesetz aus rechtspolitischer und verfassungsrechtlicher Sicht, SWK6/2021, 433 (437f).

4 Kritisch Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (435).

5 Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (436f).

Lediglich §3 Z4 WohlverhaltensG fordert tatsächlich „steuerliches Wohlverhalten“:6 Über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe darf in Ausübung ihrer Organfunktion in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein.

Die Regelungen des WohlverhaltensG sind –wie Pacher und ich an anderer Stelle ausführlich darlegten7 – jedenfalls rechtspolitisch bedenklich: Ihnen liegt kein gemeinsames Konzept zugrunde. Die einzelnen Tatbestände scheinen zufällig gewählt.8 Der Gesetzgeber bedient sich innerhalb des §3 WohlverhaltensG völlig unterschiedlicher Regelungstechniken. Die vorgesehenen Freigrenzen sind unterschiedlich und genauso wenig wie die Tatbestände selbst aufeinander abgestimmt.9 Auch die zeitlichen Anwendungsvoraussetzungen sind nicht einheitlich festgelegt. Sie haben nur gemeinsam, dass sie auch an Sachverhalte anknüpfen, die sich schon in der Vergangenheit ereignet haben.10 Das WohlverhaltensG ist daher auch wegen seiner Rückwirkungen heftig kritisiert worden.11

Die Auslegung der einzelnen Vorschriften des WohlverhaltensG erweist sich ebenfalls als schwierig.12 Die angesprochenen Wertungswidersprüche lassen wenig Raum, die aufgrund der Formulierungen des Gesetzes bestehenden Zweifelsfragen mithilfe systematischer oder teleologischer Überlegungen zu lösen. Einige der Unbestimmtheiten und der fragwürdigen Differenzierungen berühren auch die Verfassungssphäre.13

Der VfGH hatte bisher nur die Gelegenheit gehabt, §3 Z4 WohlverhaltensG auf seine Verfassungskonformität zu prüfen, und war dabei auch an die von den Antragstellern aufgezeigten Bedenken gebunden. Der VfGH erachtete die Vorschrift des §3 Z4 WohlverhaltensG als verfassungswidrig. Sie erwies sich als unsachlich, „weil der Gesetz[…]geber in der Regelung ausschließlich darauf abstellt, dass in den letzten fünf Jahren vor der Stellung des Antrages auf Gewährung des Ausfallsbonus eine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße auf Grund von Vorsatz über das antragstellende Unternehmen oder dessen geschäftsführende Organe (in Ausübung ihrer Organfunktion) verhängt worden ist“. 14

6 Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (444).

7 Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (433ff).

8 Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (435f).

9 Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (439).

10 Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (441ff).

11 So schon Hiersche/Holzinger, Warum nicht alle Steuersünder von Covid-Hilfen ausgeschlossen werden sollten, derstandard.at 22.12.2020; Kary, Zweite Strafe für längst gesühnte Steuersünden, diepresse.com 17.12.2020; näher Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (444ff).

12 Näher Lang/Pacher, Der Inhalt des Wohlverhaltensgesetzes, SWK3/2021, 93 (93ff).

13 Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (441ff).

14 VfGH 5. 10. 2023, G172/2022, V172/2022, Rz53.

Die Begründung lautete in ihrem Kern folgendermaßen:15

„Zwar ist es dem Grunde nach nicht unsachlich, finanzielle Maßnahmen an das steuerliche Wohlverhalten zu knüpfen. Der Gesetz[…]geber hat jedoch nicht normiert, in welchem Zeitraum die Abgabenhinterziehung stattgefunden haben muss. Dies bedeutet, dass auch Unternehmen von der Gewährung der Hilfsmittel ausgeschlossen sind, die weit zurückliegend in der Vergangenheit eine Abgabenhinterziehung begangen haben. Dies gilt freilich nur unter der Voraussetzung, dass die Verjährung der Strafbarkeit nicht eingetreten ist. Gemäß §31 Abs.4 lit.c FinStrG wird dabei in die Verjährungsfrist für die Strafbarkeit unter anderem die Zeit nicht eingerechnet, ,während der wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft, bei Gericht, bei einer Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht geführt wird‘. Dabei ist von Bedeutung, dass es im Finanzstrafgesetz nur für Finanzvergehen, für deren Verfolgung die Finanzbehörde zuständig ist, eine absolute Verjährungsfrist für die Strafbarkeit gibt (vgl. §31 Abs.5 FinStrG); Vergleichbares gilt für Finanzstrafdelikte, zu deren Verfolgung die Strafgerichte zuständig sind, nicht. Die angefochtenen Regelungen haben sohin in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen des Finanzstrafgesetzes (vgl. insbesondere §31 Abs.4 und5 FinStrG) zur Folge, dass es keine zeitliche Grenze für den Ausschluss von der Gewährung des Ausfallsbonus wegen weit in der Vergangenheit liegender vorsätzlicher Abgabenhinterziehungen geben kann. Die einzige zeitliche Festlegung für den Ausschluss ist, dass die rechtskräftige Verhängung der Finanzstrafe oder einer entsprechenden Verbandsgeldbuße in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung erfolgt sein muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zusammenhang zwischen der (Nicht-)Gewährung der Ausgleichszahlungen […] und dem steuerlichen Fehlverhalten sich immer stärker verdünnt und daher keine entscheidende Rolle mehr spielen kann, je länger die vorsätzlich begangene Finanzstraftat zurückliegt.“

Der VfGH hob den zentralen Tatbestand des Gesetzes auf, der tatsächlich auf ein rechtswidriges Verhalten des Steuerpflichtigen abstellt. Mit diesem Tatbestand – allerdings nur annähernd –vergleichbar ist die Vorschrift des §3 Z1 WohlverhaltensG, die einen „rechtskräftig festgestellte[n] Missbrauch im Sinne des §22 der Bundesabgabenordnung“ sanktioniert, und damit nach der von der Behörde gewählten rechtlichen Begründung für die Annahme einer Steuerpflicht differenziert.16 Alle anderen Tatbestände des §3 WohlverhaltensG erfassen Gestaltungen, die nach den steuerrechtlichen Vorschriften in keiner Weise verpönt sind, und schließen sie von Förderungen aus, obwohl ihnen kein wie immer geartetes Fehlverhalten zugrunde liegt.17

15 VfGH 5. 10. 2023, G172/2022, V172/2022, Rz54f.

16 Kritisch Lang/Pacher, SWK3/2021, 93 (94ff).

17 Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (437ff).

Die Aufhebung tritt dem Erkenntnis zufolge mit Ablauf des 15.4.2024 in Kraft. Für den Gesetzgeber besteht somit Handlungsbedarf: Entscheidet er sich nicht dafür, von sich aus das gesamte WohlverhaltensG zu beseitigen, wird er wohl den Tatbestand des §3 Z4 WohlverhaltensG im Lichte der Vorgaben des VfGH neu regeln müssen. Denn es ist nicht anzunehmen, dass sich eine Rechtslage als verfassungskonform erweist, nach der Förderungen bei rechtlich zulässigen Vorgangsweisen gestrichen werden, aber bei eindeutig rechtswidrigem und noch dazu finanzstrafrechtlich sanktioniertem Verhalten gewährt werden. Ein derart gravierender Wertungswiderspruch ist auch gleichheitsrechtlich bedenklich.

Dies führt zur Frage, welche Optionen der Gesetzgeber überhaupt hat, um §3 Z4 WohlverhaltensG verfassungskonform neu zu regeln. Der VfGH hat sich ausschließlich daran gestoßen, dass diese Vorschrift indirekt an die Verjährungsvorschriften anknüpft und daher äußerst lange zurückliegende Delikte sanktioniert werden. Aufgrund fehlender absoluter Verjährungsvorschriften gibt es überhaupt keine fixe zeitliche Grenze für den Ausschluss von der Gewährung von Förderungen wegen weit in der Vergangenheit liegender Finanzstrafdelikte, für deren Verfolgung die Strafgerichte zuständig sind.18 Die Bedenken des VfGH bestehen im Kern darin, dass sich der Zusammenhang zwischen der Nichtgewährung von Förderungen und dem steuerlichen Fehlverhalten „immer stärker verdünnt, und daher keine entscheidende Rolle mehr spielen kann, je länger die vorsätzlich begangene Finanzstraftat zurückliegt“ 19 Vor diesem Hintergrund müsste es ausreichen, wenn der Gesetzgeber eine – allenfalls nach der Schwere des Delikts differenzierende – zusätzliche zeitliche Grenze einzieht: Vor diesem Zeitpunkt begangene Delikte sollen nicht mehr für Zwecke der Gewährung von Förderungen sanktioniert werden.

Überraschend ist, dass sich der VfGH nicht mit der Frage beschäftigt hat, ob das Gesetz nicht ohnehin eine derartige Schranke vorsieht. §1 Abs1 WohlverhaltensG lautet nämlich wie folgt:

„Unternehmen, denen eine Förderung des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie gewährt wird, müssen sich für einen Zeitraum von fünf Jahren vor der Antragstellung bis zum Abschluss der Förderungsgewährung (Endabrechnung) steuerlich wohlverhalten haben.“

Es wäre ungewöhnlich, wenn der Gesetzgeber in dieser Vorschrift einen „Zeitraum von fünf Jahren“ als maßgebend ansieht, dies aber ohne jede rechtliche Bedeutung bliebe.20 Als bloße „An-

18 VfGH 5. 10. 2023, G172/2022, V172/2022, Rz54.

19 VfGH 5. 10. 2023, G172/2022, V172/2022, Rz55.

20 So bereits Lang/Pacher, SWK3/2021, 93 (95f).

kündigung“, wonach es in den einzelnen Tatbeständen des §3 WohlverhaltensG auf fünfjährige Zeiträume ankommt, die dann dort näher präzisiert werden, lässt sich §1 Abs1 des Gesetzes auch nicht deuten:21 Zumindest nach §3 Z1 und Z3 WohlverhaltensG – und §1 Abs1 WohlverhaltensG hat nicht nur §3 Z4, sondern alle Tatbestände des §3 WohlverhaltensG im Blick –sind ganz andere Zeiträume als solche von fünf Jahren maßgebend. Daher ist im Schrifttum vorgeschlagen worden, §1 Abs1 in Hinblick auf §3 WohlverhaltensG – und damit auch dessen Z4 –die Bedeutung beizumessen, dass nur Taten unter diese Vorschrift fallen können, die bis zu fünf Jahre vor der Antragstellung sowohl begangen als auch verurteilt wurden.22 Demnach beschränkt §1 Abs1 WohlverhaltensG den Anwendungsbereich der Tatbestände des §3 WohlverhaltensG. Wenn man – wie der VfGH – es sogar als verfassungsrechtlich geboten erachtet, den Zeitraum zu begrenzen, in dem keine zu einer Strafe führende Tat begangen worden sein darf, hätte zusätzlich auch noch die verfassungskonforme Interpretation für diese Deutung gesprochen.

Interessant ist, dass sich der VfGH offenbar nicht an den – auch von der antragstellenden Partei aufgezeigten – Zufälligkeiten, die damit verbunden sind, dass „in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden ist“, gestoßen hat. Nach dieser Vorschrift hängt diese Voraussetzung nicht nur vom Verhalten der Behörde oder des Gerichts ab, wann die Strafe oder Buße „verhängt“ wird, sondern auch davon, ob sie der betroffene Steuerpflichtige rechtskräftig hat werden lassen.23 Der VfGH hielt lediglich abschließend fest, dass „eine nähere Auseinandersetzung mit den von der antragstellenden Partei vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf Art.7 EMRK, das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und den durch den Gleichheitsgrundsatz gewährleisteten Vertrauensschutz unterbleiben“ kann.24 Die oben genannten Bedenken erwähnte er aber gar nicht. Das überrascht: Dieses Kriterium erinnert an „manipulative Umstände“, die der VfGH sonst oft aus gleichheitsrechtlicher Sicht aufgreift.25 Außerdem kann es lange dauern, bis die verhängte Strafe oder die Buße

21 Dazu schon Lang/Pacher, SWK3/2021, 93 (95f).

22 Lang/Pacher, SWK3/2021, 93 (108).

23 Dazu auch Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (440).

24 VfGH 5. 10. 2023, G172/2022, V172/2022, Rz57.

25 Vgl dazu VfSlg 10.620/1985, in der der Gerichtshof festhielt, dass Fälle, in denen „der Wegfall (und in prinzipiell gleicher Weise auch der Eintritt) einer […] Begünstigung ganz wesentlich von rein manipulativen Umständen wie der Erlassung eines Bescheides“ abhängt, zu einer sachlich nicht mehr begründbaren Unterscheidung zwischen Unternehmern in materiell gleicher Lage führen (siehe dazu etwa Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 [440] und auch FN48, in der die Autoren weitere Beispiele aus der Rechtsprechung des VfGH nennen, in der der Gerichtshof das Abstellen auf derartige Umstände als sachlich nicht gerechtfertigt bezeichnete).

rechtskräftig wird. Alle Förderungen müssten dann zurückgezahlt werden. Die Rechtssicherheit in Hinblick auf die Förderung wäre in Situationen, in denen der Steuerpflichtige zwar damit rechnet, ein finanzstrafrechtliches Verfahren ohne Verurteilung zu überstehen, aber nie sicher sein kann, wie das Verfahren tatsächlich ausgeht, erheblich beeinträchtigt. Diese gegebenenfalls lange andauernde Ungewissheit darüber, ob die Förderung verbleibt, könnte ebenfalls die Verfassungssphäre berühren. Letztlich zeigt sich, dass es für die Ausgestaltung des den Kern des WohlverhaltensG bildenden Tatbestands kaum eine in jeder Hinsicht befriedigende Lösung gibt. Zumindest auf rechtspolitischer Ebene könnte dies Anlass sein, dieses Gesetz dem Grunde nach zu hinterfragen.26

Die jüngsten Rechtsentwicklungen lassen allerdings noch keinen Kurswechsel erkennen: Der Verordnungsgeber hat sich entschlossen, in Pkt8.3 der am 20.11.2023 veröffentlichten und auf Grundlage des §5 Abs1 UEZG erlassenen Förderrichtlinie zum Energiekostenzuschuss II neuerlich den kompletten Strauß an Wohlverhaltenstatbeständen zu übernehmen.27 Inhaltlich neu ist jedoch Pkt8.3.4, in dem es um rechtskräftige Finanzstrafen und entsprechende Verbandsgeldbußen geht: Als zusätzliche Voraussetzung wurde festgelegt, dass „der Zeitpunkt der Tatbegehung nicht länger als fünf Jahre zurückliegt“. Auf diese Weise will man offenbar den Vorgaben des VfGH entsprechen.28 Ähnlich wie in §3 Z4 WohlverhaltensG ist aber hier auch wieder gefordert, dass „über das förderungswerbende Unternehmen oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt wurde“. Es kommt also auch nach diesen Vorschriften zusätzlich auf den Zeitpunkt der Verhängung der Strafe oder Buße an. Der Umstand, dass die gegen diese Voraussetzung an den VfGH herangetragenen weiteren Bedenken von diesem nicht aufgegriffen wurden, haben den Verordnungsgeber vermutlich bewogen, das „steuerliche Wohlverhalten“ weiterhin auf diese Weise zu regeln.

2.§42 Abs2 BAO

Der Gesetzgeber ergänzte nun im Rahmen des GemRefG die Vorschrift des §42 BAO um einen zweiten Absatz:

26 Vgl schon die Kritik bei Lang/Pacher, SWK6/2021, 433 (451).

27 Richtlinie des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und dem Bundesminister für Finanzen zum Energiekostenzuschuss II vom 10.11.2023, veröffentlicht am 20.11.2023.

28 So Mitterlehner/Panholzer, EnergiekostenzuschussII –Überblick und Zweifelsfragen, SWK32/33/2023, 1234 (1238f).

„Die tatsächliche Geschäftsführung entspricht jedenfalls dann nicht Abs.1, wenn im zu beurteilenden Veranlagungszeitraum (§43) Handlungen der Geschäftsführung gesetzt wurden, auf Grund derer über die Körperschaft wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung oder eines vorsätzlich begangenen Finanzvergehens im Sinne des Finanzstrafgesetzes (FinStrG), BGBl. Nr.129/1958, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, rechtskräftig eine Verbandsgeldbuße im Sinne des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG), BGBl.I Nr.151/2005, verhängt worden ist. Dem steht gleich, wenn deren Entscheidungsträger oder Mitarbeiter im Sinne des §2 Abs.1 und 2VbVG wegen strafbarer Handlungen, für die die Körperschaft im Sinne des §3 VbVG verantwortlich ist,

1.durch ein Gericht rechtskräftig verurteilt wurden oder 2.sie wegen vorsätzlicher, nicht vom Gericht zu ahndender Finanzvergehen im Sinne des FinStrG, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, Strafen rechtskräftig verhängt wurden.

Ist im Zeitpunkt der Beurteilung der tatsächlichen Geschäftsführung durch die Abgabenbehörde noch keine rechtskräftige Entscheidung durch das zuständige Gericht oder die zuständige Verwaltungsbehörde ergangen, ist bis zum Ergehen dieser Entscheidung davon auszugehen, dass keine Bestrafung erfolgen wird, und §200 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht, wenn abgabenrechtliche Begünstigungen bereits aus anderen Gründen zu versagen sind.“

Der Gesetzgeber entschied sich dafür, an die im nunmehrigen §42 Abs1 BAO unverändert geregelte „tatsächliche Geschäftsführung einer Körperschaft“ anzuknüpfen, „die auf ausschließliche und unmittelbare Erfüllung des gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweckes eingestellt sein und den Bestimmungen entsprechen [muss], die die Satzung aufstellt“. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass es der VwGH ablehnte, Begünstigungen nach den §§34ff BAO aufgrund von Gesetzesverstößen zu versagen:29

„Alle Rechtsträger – so auch begünstigte Rechtsträger – haben sich im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung gesetzestreu zu verhalten. Verstöße gegen die Rechtsordnung (wie etwa eine Abgabenhinterziehung) können zu verschiedenen, in der Rechtsordnung geregelten Rechtsfolgen führen. Dass eine dieser Rechtsfolgen auch eine Versagung der Begünstigungen, die sich aus den Abgabengesetzen iVm §§34ffBAO ergeben, wäre, kann aus diesen Bestimmungen aber nicht abgeleitet werden.“

Als Reaktion auf diese VwGH-Rechtsprechung ordnete der Gesetzgeber in §42 Abs2 BAO an,

29 ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 15; VwGH 14.9.2017, Ro2016/15/0029; zur deutschen Diskussion vgl Brill, Der Verlust der Gemeinnützigkeit aufgrund von Verstößen gegen die Rechtsordnung und aufgrund des Verzichts (2006) 139ff.

dass die „tatsächliche Geschäftsführung […] jedenfalls dann nicht Abs.1“ entspricht, wenn die in Abs2 erwähnten Verbandsgeldbußen oder Strafen verhängt wurden. §42 BAO wurde somit um eine unwiderlegliche Vermutung erweitert, wonach die Verhängung dieser Verbandsgeldbußen und Strafen dazu führt, dass die tatsächliche Geschäftsführung nicht auf ausschließliche und unmittelbare Erfüllung des begünstigten Zweckes eingestellt ist.

Den Ausschluss der Begünstigung bewirken Handlungen der Geschäftsführung, aufgrund derer über die Körperschaft wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung oder eines vorsätzlich begangenen Finanzvergehens, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, eine Verbandsgeldbuße verhängt worden ist. Weiters kommt diese Rechtsfolge auch bei entsprechenden Bestrafungen von Entscheidungsträgern und Mitarbeitern iSd §2 Abs1 und2 VbVG zum Tragen. Entscheidungsträger ist, wer Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder Prokurist ist oder aufgrund organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht in vergleichbarer Weise dazu befugt ist, den Verband nach außen zu vertreten, oder Mitglied des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats ist oder sonst Kontrollbefugnisse in leitender Stellung ausübt oder sonst maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Verbands ausübt. Der Mitarbeiterbegriff des §2 Abs2 VbVG ist denkbar weit: Mitarbeiter ist, wer aufgrund eines Arbeits-, Lehr- oder anderen Ausbildungsverhältnisses, aufgrund eines dem Heimarbeitsgesetz unterliegenden oder eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses oder als überlassene Arbeitskraft (§3 Abs4 AÜG) oder aufgrund eines Dienst- oder sonst eines besonderen öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses Arbeitsleistungen für den Verband erbringt. Entscheidend ist, dass die Körperschaft nach §3 VbVG für die Straftat verantwortlich ist. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage fassen die Voraussetzungen dafür folgendermaßen zusammen:30

„Eine Körperschaft ist nach §3 VbVG dann für die Handlungen ihrer Entscheidungsträger oder Mitarbeiter verantwortlich, wenn die Handlungen zu Gunsten der Körperschaft oder Einrichtung begangen worden sind oder durch die deren Pflichten verletzt worden sind, und die Körperschaft die Begehung der Tat dadurch ermöglicht oder wesentlich erleichtert hat, indem deren Entscheidungsträger die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, insbesondere indem sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen haben.“

§42 Abs2 BAO stellt auf den „zu beurteilenden Veranlagungszeitraum (§43)“ ab: Entscheidend ist somit, in welchen Veranlagungszeiträumen

30 ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 15.

Handlungen gesetzt wurden, die die entsprechenden Sanktionen zur Folge hatten. Nur für diese Veranlagungszeiträume sind die Begünstigungen der §§34ff BAO zu verwehren. In allen anderen Veranlagungszeiträumen stehen sie weiterhin zu.

§42 Abs2 BAO verweist bei der Erwähnung des „zu beurteilenden Veranlagungszeitraum[s]“ in einem Klammerausdruck auf §43 BAO. Dessen nunmehriger Abs1 lautet wie folgt:

„Die Satzung (§41) und die tatsächliche Geschäftsführung (§42) müssen, um die Voraussetzung für eine abgabenrechtliche Begünstigung zu schaffen, den Erfordernissen dieses Bundesgesetzes bei der Körperschaftsteuer während des ganzen Veranlagungszeitraumes, bei den übrigen Abgaben im Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld entsprechen.“

§43 Abs1 BAO unterscheidet somit zwischen der Körperschaftsteuer, bei der es auf den ganzen Veranlagungszeitraum ankommt, und allen anderen Abgaben, bei denen der Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld relevant ist. Wenn §42 Abs2 BAO nur vom Veranlagungszeitraum spricht und dabei noch ausdrücklich auf §43 BAO verweist, könnte daraus geschlossen werden, dass die in §42 Abs2 BAO aufgestellte Voraussetzung sich bloß auf die Körperschaftsteuer bezieht. Bei allen anderen Abgaben wären dann die in den jeweiligen Abgabenvorschriften in Aussicht gestellten Begünstigungen für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke durch die in §42 Abs2 BAO erwähnten Sanktionen nicht gefährdet. Völlig ungewöhnlich wäre es nicht, wenn sich eine der die gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecke allgemein regelnden Vorschriften der §§34 bis47 BAO bloß für eine einzelne Abgabe als maßgebend erweist: Mit der in §45 Abs2 BAO angesprochenen „Abgabepflicht“, die hinsichtlich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs entfällt, ist auch die Körperschaftsteuerpflicht gemeint.31

Die Erwähnung des „Veranlagungszeitraum[s]“ in §42 Abs2 BAO und der dabei erfolgte Verweis auf §43 BAO könnten aber auch einen ganz anderen Hintergrund haben: Die in §43 Abs1 BAO für die „übrigen Abgaben“ vorgenommene Anknüpfung an den „Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld“ erwies sich für die zeitliche Zuordnung einer „Handlung“ möglicherweise nicht als praktikabel, da sich auch eine Handlung zu einem einzigen Zeitpunkt ereignen kann und die Zeitpunkte der Handlung und der Entstehung der Abgabenschuld – zB nach §8 Abs1 GrEStG die Verwirklichung des Erwerbszeitpunkts32 – höchst selten zusammen-

31 Ritz/Koran, BAO7 (2021) §45 Rz4 mwN.

32 Vgl die grunderwerbsteuerliche Befreiung für den „unentgeltliche[n] Erwerb eines Grundstückes durch Körperschaften, Körperschaften des öffentlichen Rechts, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nach Maßgabe der §§34 bis 47 BAO in der jeweils geltenden Fassung“ dienen, nach §3 Abs1 Z3 GrEStG.

fallen werden. Daher könnte gerade die Sorge, dass bei den „übrigen Abgaben“ die unter §42 Abs2 BAO fallenden Sanktionen sonst nahezu nie Bedeutung haben, den Gesetzgeber motiviert haben, auch für diese Abgaben vorzusehen, dass die „Handlung“ einem bestimmten Zeitraum zuzuordnen ist. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Vorschrift auch so deuten, dass für Zwecke der „übrigen Abgaben“ die Begünstigungen für den gesamten für die Körperschaftsteuer maßgebenden Veranlagungszeitraum nicht zustehen, wenn die „Handlung“ auch nur irgendwann in diesem Zeitraum erfolgt ist.

Die in §42 Abs2 BAO angesprochenen Sanktionen sind erst und nur insofern relevant, als sie rechtskräftig werden. Vor Eintritt der Rechtskraft darf die Begünstigung nicht versagt werden. Die letzten beiden Sätze des §42 Abs2 BAO regeln dies ausdrücklich:

„Ist im Zeitpunkt der Beurteilung der tatsächlichen Geschäftsführung durch die Abgabenbehörde noch keine rechtskräftige Entscheidung durch das zuständige Gericht oder die zuständige Verwaltungsbehörde ergangen, ist bis zum Ergehen dieser Entscheidung davon auszugehen, dass keine Bestrafung erfolgen wird, und §200 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht, wenn abgabenrechtliche Begünstigungen bereits aus anderen Gründen zu versagen sind.“

Die beiden im vorletzten Satz des §42 Abs2 BAO vorgesehenen Rechtsfolgen scheinen widersprüchlich zu sein: Zwar ist bis zum Ergehen der Entscheidung davon auszugehen, dass keine Bestrafung erfolgen wird. Dennoch ist aber §200 BAO sinngemäß anzuwenden. Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung für die vorläufige Festsetzung der Abgabe, dass nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. §42 Abs2 vorletzter Satz BAO fingiert zwar einerseits, dass die Abgabepflicht oder deren Umfang ungewiss ist, indem §200 BAO anzuwenden ist, dass aber andererseits auch von keiner Bestrafung auszugehen ist, sodass insofern doch gar keine Ungewissheit besteht. Diese Regelungstechnik der bloß vorläufigen Festsetzung der Abgabe stellt im Ergebnis sicher, dass die Behörde einer später eintretenden Rechtskraft der Sanktion Rechnung tragen kann: Sie läuft nicht Gefahr, dass der Abgabenbescheid bereits selbst rechtskräftig wird und kein verfahrensrechtlicher Titel zur Durchbrechung seiner Rechtskraft mehr offensteht. Gleichzeitig darf der Körperschaft die Begünstigung einstweilen nicht bloß wegen einer verhängten oder sogar nur drohenden Sanktion versagt werden, sondern nur und erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft.

Der Wortlaut erweckt zunächst den Eindruck, dass in allen Fällen bis zum Ergehen einer Entscheidung §200 BAO anzuwenden ist, also auch dann, wenn gar kein Anhaltspunkt besteht,

dass irgendwelche unter §42 Abs2 BAO fallenden strafbaren Handlungen gesetzt wurden. Es stünde allerdings mit Sinn und Zweck der Vorschriften nicht in Einklang, aus §42 Abs2 BAO abzuleiten, dass die Erlassung vorläufiger Bescheide nun der Regelfall der Veranlagung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlichen Zwecken dienender Körperschaften werden soll. Den entscheidenden Hinweis gibt auch die Formulierung „bis zum Ergehen einer Entscheidung“: Denn die Erlassung eines vorläufigen Bescheides setzt voraus, dass die ihr zugrunde liegende Ungewissheit später einmal beseitigt wird und die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen oder ein Bescheid zu erlassen ist, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt. Wenn gar kein Verfahren, das zur Verhängung einer Sanktion führen kann, anhängig ist, kann auch später keine Entscheidung ergehen, die dann die Ungewissheit beseitigt. Folglich kann ein vorläufiger Abgabenbescheid infolge einer von §42 Abs2 BAO erfassten strafbaren Handlung nur dann erlassen werden, wenn bereits ein solches Verfahren eingeleitet wurde.

Nichts spricht jedoch dagegen, die gesetzlich festgelegte Annahme, dass keine Bestrafung erfolgen wird, auch auf alle Fälle zu beziehen, in denen noch kein Verfahren, das zur Verhängung einer Sanktion führen kann, eingeleitet wurde, oder in denen niemals ein solches Verfahren eingeleitet wird: Wenn sogar in Fällen, in denen schon ein Verfahren eingeleitet wurde, davon auszugehen ist, dass keine Bestrafung erfolgt, muss erst recht in allen anderen Fällen, in denen ein solches Verfahren noch nicht oder überhaupt nie eingeleitet wurde, diese Annahme zugrunde gelegt werden. Daher können noch vor der Einleitung eines entsprechenden Verfahrens erkennbare Anhaltspunkte für ein unter §42 Abs2 BAO fallendes strafbares Handeln auch dann nicht eine vorläufige Bescheiderlassung rechtfertigen, wenn man diese Anhaltspunkte zum Anlass nehmen wollte, §200 BAO unmittelbar anzuwenden. Die aufgrund des Verweises in §42 Abs2 BAO vorgesehene sinngemäße Anwendung dieser Vorschrift ist nach den hier dargelegten Überlegungen in diesen Fällen ohnehin nicht zulässig. Die zwingend zugrunde zu legende Annahme, dass keine Bestrafung erfolgen wird, schließt auch eine für die unmittelbare Anwendung des §200 Abs1 BAO erforderliche Ungewissheit darüber aus. Wenn §42 Abs2 vorletzter Satz BAO die Erlassung eines vorläufigen Abgabenbescheides nur dann zulässt, wenn „im Zeitpunkt der Beurteilung der tatsächlichen Geschäftsführung durch die Abgabenbehörde“ bereits ein Verfahren eingeleitet wurde, das zur Verhängung einer Sanktion führen kann, stellt sich die Frage, wie vorzugehen ist, wenn erst nach Erlassung eines –daher nicht bloß vorläufigen – Abgabenbescheides ein solches Verfahren eingeleitet wird. Eine

Möglichkeit wäre, die Einleitung des Verfahrens zum Anlass zu nehmen, den bisherigen Abgabenbescheid zum vorläufigen Abgabenbescheid zu erklären. Dagegen spricht aber, dass das Gebot der sinngemäßen Anwendung des §200 BAO wohl nicht so weit gehen kann, damit das Konzept des §200 BAO, das den Ersatz des vorläufigen durch den endgültigen Bescheid, die Erklärung des vorläufigen zum endgültigen Bescheid und gegebenenfalls noch den Ersatz eines vorläufigen Bescheides durch einen anderen vorläufigen Bescheid, aber nicht den Ersatz eines nicht vorläufig erlassenen Bescheides durch einen vorläufigen Bescheid vorsieht, auf den Kopf zu stellen. Vor allem regelt §42 Abs2 vorletzter Satz BAO, was die Behörde „im Zeitpunkt der Beurteilung der tatsächlichen Geschäftsführung“ zu tun hat, aber nicht, welche Maßnahmen sie zu einem späteren Zeitpunkt setzen kann.

Zu prüfen ist daher die Anwendung jener Verfahrenstitel, mit denen auch sonst die Rechtskraft durchbrochen werden kann. Dazu gehört §299 BAO. Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass der Abgabenbescheid nicht schon bei seiner Erlassung unrichtig war, sondern erst aufgrund der rechtskräftig gewordenen Verhängung der Sanktion unrichtig wurde.33 §295a BAO kommt ebenfalls in Betracht, wenn man die rechtskräftige Verhängung der Sanktion als Ereignis versteht, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs hat: Dieses Ereignis wirkt auf den Veranlagungszeitraum zurück, in dem die strafbare Handlung begangen wurde.34 In Sonderfällen ist auch die Anwendung des §295 Abs3 BAO zu erwägen, wenn die rechtskräftige Verhängung der Sanktion durch Bescheid der Finanzstrafbehörde erfolgt. Die Erlassung dieses Bescheides löst dann die Folgeberichtigung des Körperschaftsteuerbescheides aus. Eine Wiederaufnahme nach §303 Abs1 litc BAO kommt hingegen nicht in Betracht: Die gerichtliche oder behördliche Entscheidung über die „Handlung“ nach §42 Abs2 BAO ist keine Vorfrage. Die für die Erlassung des Abgabenbescheides zuständige Behörde kann diese Frage nämlich vor der rechtskräftigen Verhängung der Verbandsgeldbuße oder der Strafe nicht nach eigener Anschauung beurteilen, sondern muss davon ausgehen, dass keine Bestrafung erfolgt. Die gerichtliche oder behördliche Entscheidung ist ein Tatbestandselement für den Eintritt der nach §42 Abs2 BAO vorgesehenen Rechtsfolgen.35 Wenn diese Entscheidung nicht schon im Zeitpunkt der Bescheiderlassung rechtskräftig und somit für Zwecke des §303

33 Vgl näher Ritz/Koran, BAO7, §299 Rz10.

34 Zum rückwirkenden Ereignis weiters Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 (2023) §295a Rz1ff.

35 Vgl zu §11 BAO Ritz/Koran, BAO7, §11 Rz4.

Abs1 litb BAO existent war, ist sie auch nicht als zur Wiederaufnahme berechtigende neu hervorgekommene Tatsache zu qualifizieren.36

3.§4a Abs4 Z3 litd EStG

Der Anwendungsbereich der Spendenbegünstigung des §4a EStG wurde durch das GemRefG nicht bloß erweitert,37 sondern auch völlig neu gegliedert:38 Abzugsfähige Zuwendungen können nun an „durch Bescheid begünstigte Einrichtungen“ nach §4a Abs3 EStG und an die in §4a Abs6 EStG genannten Einrichtungen geleistet werden. Die nach §4a Abs3 EStG durch Bescheid begünstigten Einrichtungen müssen begünstigte Zwecke – wie insbesondere gemeinnützige Zwecke nach §35 BAO oder mildtätige Zwecke nach §37 BAO – verfolgen. In Betracht kommen zB juristische Personen des privaten Rechts, Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Körperschaften des öffentlichen Rechts selbst. Diese Einrichtungen müssen die Zuerkennung der Spendenbegünstigung beantragen. Das Finanzamt Österreich hat die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für die erstmalige Zuerkennung der Spendenbegünstigung mit Bescheid festzustellen und die Einrichtung in eine Liste der begünstigten Spendenempfänger aufzunehmen.

Die in §4a Abs6 EStG genannten Einrichtungen sind hingegen ex lege begünstigt. Sie brauchen keinen Antrag zu stellen und werden auch nicht in eine Liste aufgenommen. Darunter fallen zB die im Universitätsgesetz geregelten Universitäten, öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen bis zum Eintritt der Schulpflicht, öffentliche Schulen im Rahmen ihrer Teilrechtsfähigkeit, österreichische Museen von Körperschaften des öffentlichen Rechts und von bestimmten anderen Rechtsträgern und freiwillige Feuerwehren.

Nur für die unter §4a Abs3 EStG fallenden Körperschaften gilt die Voraussetzung des §4a Abs4 Z3 litd EStG:

„Über die Körperschaft oder deren Vorgängerorganisation wurde innerhalb der vorangegangenen zwei Jahre keine Verbandsgeldbuße im Sinne des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG), BGBl. I Nr. 151/2005, wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung oder eines vorsätzlich begangenen Finanzvergehens im Sinne des Finanzstrafgesetzes (FinStrG), BGBl. Nr.129/1958, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, rechtskräftig verhängt. Ebensowenig wurden deren Entscheidungsträger oder Mitarbeiter im Sinne des §2 Abs.1 und 2 VbVG wegen strafbarer Handlungen, für die die

36 Zur Abgrenzung zwischen nova producta und nova reperta vgl auch Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO2.06, §303 Rz16.

37 Siehe ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 1.

38 Dazu zB Kunz, Ab 2024: Spendenabsetzbarkeit für alle gemeinnützige Zwecke, ecolex 2024, 86 (86ff).

Körperschaft im Sinne des §3 VbVG verantwortlich ist, […] durch ein Gericht rechtskräftig verurteilt oder […] über sie wegen vorsätzlicher, nicht vom Gericht zu ahndender Finanzvergehen im Sinne des FinStrG, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, Strafen rechtskräftig verhängt. Dies gilt nur für strafbare Handlungen, die innerhalb der vorangegangenen fünf Kalenderjahre begangen wurden.“

Die zuletzt erwähnte fünfjährige Frist dürfte auf die Rechtsprechung des VfGH zu §3 Z4 WohlverhaltensG zurückzuführen sein:39 Sie berücksichtigt die vom VfGH aufgestellte Vorgabe, wonach es verfassungswidrig ist, zu lange zurückliegende Delikte zu berücksichtigen. Eine weitere zeitliche Schranke ergibt sich daraus, dass innerhalb der zwei der Bescheiderteilung vorangegangenen Jahre keine der in §4a Abs4 Z3 litd EStG genannten Sanktionen „rechtskräftigt verhängt“ worden sein dürfen. Die Vorschrift orientiert sich offenbar an §3 Z4 WohlverhaltensG, reduziert aber den Beobachtungszeitraum von fünf auf zwei Jahre.40 Nicht völlig klar ist, ob es auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die Entscheidung über die Sanktion getroffen wurde oder zu dem sie rechtskräftig geworden ist. Zu §3 Z4 WohlverhaltensG wird vertreten, dass zwar die Verhängung der Sanktion in diesem Zeitraum erfolgt sein muss, die Rechtskraft aber auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sein kann.41 Dafür sprechen im Kontext des §4a Abs4 Z3 litd EStG auch die dort verwendeten Verben „verhängt“ und „verurteilt“: Sie lassen darauf schließen, dass es schädlich ist, wenn die Entscheidung über die Sanktion innerhalb des zweijährigen Zeitraums getroffen wurde. Zusätzlich muss aber auch die Rechtskraft eingetreten sein, um die Spendenbegünstigung verweigern zu können. Konsequenz ist, dass dieser Auffassung zufolge die Spendenbegünstigung nicht zuerkannt werden darf, wenn sowohl die Entscheidung über die Sanktion als auch der Eintritt der Rechtskraft in den beiden der Bescheiderteilung vorangegangenen Jahren erfolgt ist. Angesichts des kurzen Zeitfensters kann es der Einrichtung durch entsprechende verfahrensrechtliche Schritte gelingen, den Eintritt der Rechtskraft sogar dann zu verhindern, wenn die Sanktion am Beginn dieses zweijährigen Beobachtungszeitraums verhängt wurde. Je später dies erfolgt, desto leichter ist es für die Einrichtung, den Eintritt der Rechtskraft vor Erteilung des Bescheides zu vermeiden.

Stellt man hingegen darauf ab, dass bloß die Rechtskraft in den vorangegangenen zwei Jahren eingetreten ist, kann die Sanktion auch früher verhängt worden sein, und die Spendenbegünstigung ist dennoch nicht zu gewähren. Al-

39 Vgl VfGH 5. 10. 2023, G172/2022, V172/2022, Rz22f.

40 Im Ministerialentwurf waren noch drei Jahre vorgesehen (299/ME 27.GP).

41 Lang/Pacher, SWK3/2021, 93 (108f).

lerdings ist auch dieses Zeitfenster nicht allzu groß: Die strafbare Handlung und damit auch die ihr notwendigerweise zeitlich nachgelagerte Verhängung der Sanktion dürfen nur innerhalb von fünf Jahren vor der Entscheidung über die Spendenbegünstigung erfolgt sein, der Eintritt der Rechtskraft hingegen nur in den letzten beiden Jahren. Schon vor Beginn des zweijährigen Beobachtungszeitraums rechtskräftig gewordene Sanktionen sind nach keiner der beiden Auffassungen mehr schädlich.

Sowohl der Zeitpunkt der Verhängung der Sanktion als auch der Eintritt der Rechtskraft kann von Zufällen abhängen oder auch von den Verfahrensparteien durch Prozesshandlungen gesteuert werden. Die Regelung muss sich daher in jedem Fall den Vorwurf gefallen lassen, dass sie zulässt, dass die Spendenbegünstigung von manipulativen Umständen abhängen kann. Die sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Bedenken sind vom VfGH allerdings in seiner Entscheidung zu §3 Z4 WohlverhaltensG nicht aufgegriffen worden.42 Vermutlich hat sich dadurch der Gesetzgeber ermutigt gefühlt, sich im Kontext des §4a EStG wiederum einer ähnlichen Regelungstechnik zu bedienen.

Die Einrichtung hat zu jedem Zeitpunkt nach Erteilung des Spendenbegünstigungsbescheides die für die Spendenbegünstigung maßgebenden Voraussetzungen zu erfüllen. Sonst läuft sie Gefahr, dass Spenden an sie ihre Abzugsfähigkeit verlieren. Bei Wegfall der Voraussetzungen nach §4a Abs4 EStG ist nämlich „die Spendenbegünstigung mit Bescheid zu widerrufen“. Zu diesen Voraussetzungen gehören auch jene nach §4a Abs4 Z3 litd EStG.

Verfahrensschritte, die die Einrichtung gesetzt hat, um eine Sanktion nicht rechtskräftig werden zu lassen, um auf diese Weise zunächst die Voraussetzung für die Spendenbegünstigung zu erfüllen, können sich daher rächen. Wird die Sanktion nämlich rechtskräftig und liegt zu diesem Zeitpunkt die strafbare Handlung nicht länger als fünf Jahre zurück und ist –je nach Auffassung – die Verhängung der Sanktion nicht länger als zwei Jahre her, ist die Behörde verpflichtet, die Spendenbegünstigung zu widerrufen.

Der Behörde kann für einen solchen Widerruf aber mitunter nur ein enges Zeitfenster zur Verfügung stehen: Wenn die Sanktion rechtskräftig wird und die strafbare Handlung zu diesem Zeitpunkt schon vier Jahre und zehn Monate her ist, hat sie zwei Monate Zeit, um die Spendenbegünstigung zu widerrufen. Nach Ablauf dieser Frist sind nämlich die Voraussetzungen des §4a Abs4 Z3 litd EStG wieder gegeben, sodass die Behörde zum Widerruf nicht mehr berechtigt ist.

Selbst wenn die Behörde aber im vorhin erwähnten Sachverhalt noch vor Ablauf der fünf-

42 Vgl VfGH 5. 10. 2023, G172/2022, V172/2022.

jährigen Frist die Spendenbegünstigung widerruft, wird die Einrichtung mit einer Beschwerde erfolgreich sein: Das Finanzamt Österreich hat bei der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von der Sachlage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen und muss daher zwischenzeitige Veränderungen des Sachverhalts berücksichtigen.43 Liegt daher in diesem Zeitpunkt die strafbare Handlung bereits länger als fünf Jahre zurück, besteht keine Berechtigung mehr, die Spendenbegünstigung zu versagen. Die Behörde muss den Widerrufsbescheid aufheben. Gleiches gilt für das BFG, wenn dort ein Vorlageantrag anhängig ist.

Für die Einrichtung ist es nicht gleichgültig, ob sie den Bescheid bekämpft, mit dem die Spendenbegünstigung widerrufen wurde, oder ob sie stattdessen neuerlich die Spendenbegünstigung beantragt: Erfolgt nämlich ein Widerruf wegen der Voraussetzungen des §4a Abs4 Z3 litd EStG, „kann bei einer neuerlichen Antragstellung die Spendenbegünstigung nur dann zuerkannt werden, wenn innerhalb der in Abs.4 Z1 lit.b erster Satz genannten Frist keine Widerrufsgründe vorliegen“. Diese Frist beträgt ein mindestens zwölf Monate umfassendes Wirtschaftsjahr. Bezogen auf §4a Abs4 Z3 litd EStG bedeutet dies, dass in diesem Wirtschaftsjahr zu keinem Zeitpunkt eine Sanktion rechtskräftig werden darf, deren zugrunde liegende strafbare Handlung innerhalb der letzten fünf Jahre begangen wurde, jeweils berechnet ab diesem Zeitpunkt. Abhängig von der zur oben angesprochenen Rechtsfrage vertretenen Auffassung ist die Sanktion nur dann schädlich, wenn sie innerhalb zweier vorangegangener Jahre verhängt wurde. Wird aber eine derartige Sanktion in diesem Zeitraum rechtskräftig, muss wohl ein weiteres mindestens zwölf Monate umfassendes Wirtschaftsjahr abgewartet werden, und erst wenn in einem solchen Wirtschaftsjahr keine Widerrufsgründe vorliegen, kann die Spendenbegünstigung wieder zuerkannt werden.

Schließlich ist auch die erst während der Plenumssitzung des Nationalrats eingefügte Vorschrift des §4a Abs5 Z5 EStG zu beachten:

„Erfolgt ein Widerruf wegen Wegfalls der Voraussetzung des Abs.4, kommt der Beschwerde auf Antrag aufschiebende Wirkung zu. Die aufschiebende Wirkung ist nicht zu bewilligen, wenn die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Bleibt die Beschwerde ohne Erfolg, ist der Einrichtung ein Zuschlag zur Körperschaftsteuer in Höhe von 20% der ab dem in Z4 genannten Tag zugewendeten Beträge vorzuschreiben; die Einrichtung ist verpflichtet, diese Zuwendungen zu dokumentieren.“

Diese Vorschrift muss vor dem Hintergrund der in §4a Abs5 Z3 EStG geregelten rechtlichen Konzeption der Spendenbegünstigung verstanden werden:

43 VwGH 24. 9. 2003, 2000/17/0149, zu einem Widerruf nach §294 BAO.

„Das Finanzamt Österreich hat die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für die erstmalige Zuerkennung der Spendenbegünstigung mit Bescheid festzustellen und die Körperschaft in eine vom Finanzamt Österreich zu führende Liste der begünstigten Spendenempfänger aufzunehmen. In dieser Liste ist das Datum, zu dem die Spendenbegünstigung bescheidmäßig erteilt wurde, zu veröffentlichen. Die Liste ist auf der Webseite des Bundesministeriums für Finanzen zu veröffentlichen.“

Gleichzeitig mit der Bescheiderteilung ist die Körperschaft in die Liste der begünstigten Spendenempfänger aufzunehmen. Auf die Bescheiderlassung selbst kommt es nicht an. Die Aufnahme in die Liste hat auch dann zu erfolgen, wenn der Bescheid erst viel später oder – zB mangels erfolgter Zustellung – gar nicht erlassen wird. Die in §4a Abs5 Z3 EStG genannte Liste ist wohl als Verordnung zu qualifizieren: Nur die Aufnahme in die Liste – und nicht die Bescheiderlassung – berechtigt die Spender, ihre Spende steuerlich abzuziehen.44 Ohne Aufnahme in die Liste besteht diese Berechtigung nicht. Der Bescheid richtet sich nur an die begünstigte Einrichtung. Da die Erteilung des Bescheides und die Aufnahme in die Liste Hand in Hand gehen, erbringt sie durch erfolgreiche Bekämpfung eines abweisenden Bescheides ihres Antrags auf Spendenbegünstigung den Nachweis, dass sie die Voraussetzungen erfüllt, um in die Liste auf-

44 Die Ausführungen des BFG zur früheren Rechtslage scheinen in sich widersprüchlich zu sein (BFG 22.11.2017, RV/7103986/2010; gleichlautend BFG 24.11.2017, RV/ 7101687/2012): Einerseits ist nach Auffassung des BFG „die Liste der nach §4a Z4 EStG 1988 spendenbegünstigten Empfänger nicht im Verordnungsweg ergangen, sondern sind die Voraussetzungen für begünstigte Spender im Einkommensteuergesetz, also in einem einfachen Bundesgesetz, geregelt. Die Liste der Spendenbegünstigung ist auch nicht konstitutiv, denn das Finanzamt 1/23 ist zur Bescheiderlassung an einen die Spendenabzugsfähigkeit begehrenden Empfänger verpflichtet, sodass dem Spender das Recht auf Berufung/Beschwerde offen steht und der Rechtsschutz gewahrt ist. Sämtliche Einrichtungen, deren Zugehörigkeit zum begünstigten Empfängerkreis durch Bescheid festgestellt wurde, sind in der Spendenliste auf der Homepage des BMF eingetragen und abrufbar. Verfassungsrechtliche Bedenken iZm der Aufnahme in die Liste wären daher vom Spendenempfänger in dessen Beschwerde gegen einen Abweisungsbescheid vorzutragen. Auch wenn die Spenderliste in den Vordergrund tritt, ist ausschlaggebend, dass jedem Eintrag in die Liste ein Bescheidverfahren zu Grunde liegt.“ Andererseits finden sich unmittelbar im Anschluss daran die folgenden Überlegungen des BFG: „Der Eintrag in die Liste des spendenbegünstigten Empfängers nach §4a Abs4 EStG 1988 idF StRefG 2009 entfaltet Bindungswirkung für das Einkommensteuerverfahren des Spenders und ist im Einkommensteuerverfahren des Spenders nach §18 Abs1 Z8 lita 2.TeilstrichEStG 1988 materiell-rechtliche Voraussetzung (Tatbestandsvoraussetzung) für den Spendenabzug (§295 Abs3 BAO). Die Frage, aus welchem Grund die strittigen Empfänger nicht in die Liste der spendenbegünstigten Empfänger aufgenommen wurde, gehört daher ebenso wenig in das Einkommensteuerverfahren des den Spendenabzug begehrenden Abgabepflichtigen wie die Frage nach dem verfassungskonformen Zustandekommen des den Listeneintrag verweigernden Bescheides. Dass die strittigen Empfänger nicht in der Liste enthalten sind, trifft zu und wird in der Beschwerde auch nicht bestritten. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wird der Tatbestand des §18 Abs1 Z8 EStG 1988 nicht erfüllt und der Spendenabzug steht nicht zu.“

genommen zu werden. Gleiches gilt, wenn die Einrichtung den Bescheid, mit dem die Spendenbegünstigung widerrufen wird, bekämpft: Ist sie erfolgreich, kann sie die sonst mit dem Widerruf zwingend verbundene Streichung von der Liste abwenden. Erst mit der Aufnahme in und dem weiteren Verbleib auf der Liste erreicht die Einrichtung ihr eigentliches Ziel: den steuerlichen Abzug der Spende beim Spender und daraus resultierend die für sie erleichterte Spendenakquise.

Käme die sonst anwendbare Vorschrift des §254 BAO auch hier zum Tragen, würde durch die Einbringung einer Bescheidbeschwerde die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt. Ginge es um die Einhebung von Abgaben der Einrichtung, könnte die Einrichtung die Aussetzung der Einhebung nach §212a BAO beantragen.45 Die unmittelbaren Wirkungen des Widerrufs der Spendenbegünstigung treffen allerdings den Spender: Die damit verbundene Streichung von der Liste nimmt ihm die Abzugsfähigkeit der Spende. Mit der aufgrund der Sondervorschrift des §4a Abs5 Z5 EStG über Antrag möglichen Gewährung der aufschiebenden Wirkung kann die die Spende erhoffende Einrichtung die Streichung von der Liste abwenden. Einzige unmittelbare Konsequenz der aufschiebenden Wirkung ist der zumindest vorläufige Verbleib auf der Liste.

Die aufschiebende Wirkung ist nicht zu bewilligen, wenn die Beschwerde „keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat“. Unter welchen Voraussetzungen diese Aussicht „hinreichend“ ist, sagt die Vorschrift nicht. Fraglich ist, ob derselbe Maßstab anzuwenden ist, der sich aus dem die Aussetzung der Einhebung regelnden §212a Abs2 lita BAO ergibt. Nach dieser Vorschrift ist die Aussetzung nicht zu bewilligen, „soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint“. 46

Entscheidet sich die Einrichtung dafür, nicht nur Beschwerde gegen den Widerruf zu ergreifen, sondern auch aufschiebende Wirkung zu beantragen, und ist sie mit diesem Antrag erfolgreich, nimmt sie in Kauf, dass ihr ein Zuschlag zur Körperschaftsteuer vorgeschrieben wird, wenn die Beschwerde selbst ohne Erfolg bleibt. Der Grund für den Zuschlag liegt darin, dass die Einrichtung aufgrund der zuerkannten aufschiebenden Wirkung zunächst auf der Liste bleibt. An der Abzugsfähigkeit der geleisteten Zuwendungen ändert sich daher zunächst nichts, und zwar – falls es dazu kommt – bis zur „endgültigen Aberkennung der Spendenbegünstigung“. 47 Bis dahin bleibt der Steuervorteil beim

45 Zu vergleichbaren Rechtsschutzdefiziten in anderen Konstellationen außerhalb des Anwendungsbereichs des §212a BAO siehe Ritz, Effizienz des Rechtsschutzes in der BAO, AFS2017, 2 (3f).

46 Näher dazu Staringer, Rechtsschutz bei Widerruf der Spendenbegünstigung, AVR 2024, 6.

47 So die Formulierung der Begründung des erst im Plenum eingebrachten Abänderungsantrags, AA361 27.GP, 2.

Spender somit auch dann erhalten, wenn sich herausstellt, dass die Einrichtung die Voraussetzungen für die Spendenbegünstigung nicht erfüllt hat. Der Zuschlag zur Körperschaftsteuer ist der pauschale Ausgleich für die beim Spender dennoch bestehende Abzugsfähigkeit.48 Allerdings scheint es legistisch nicht gelungen zu sein, die Abzugsfähigkeit beim Spender und den Zuschlag zur Körperschaftsteuer bei der die Zuwendung empfangenden Einrichtung zu synchronisieren: §4a Abs5 Z5 EStG normiert, dass die „ab dem in Z4 genannten Tag zugewendeten Beträge“ dem Zuschlag unterliegen. Damit verweist die Vorschrift auf das dort genannte „Datum des Widerrufsbescheides“. Dies würde bei der die Spende empfangenden Einrichtung passen, wenn damit immer der durch das Finanzamt Österreich erteilte erste Widerrufsbescheid gemeint ist: Zuwendungen ab diesem Zeitpunkt unterliegen dem Zuschlag. Dasselbe Datum muss dann aber nach §4 Abs7 Z1 EStG auch für den Spender maßgebend sein. Bei ihm macht es aber keinen Sinn, wenn ab diesem Zeitpunkt geleistete Spenden nicht mehr abzugsfähig sind. Denn dann wäre die Spende nicht abzugsfähig, würde aber dennoch beim Empfänger dem Zuschlag unterliegen. Gegen die Maßgeblichkeit des Datums des ersten Widerrufsbescheides spricht auch, dass mit der aufschiebenden Wirkung erreicht werden soll, die Streichung von der Liste zumindest vorläufig zu verhindern. Die Einrichtung bleibt auf der Liste, bis sich herausstellt, dass die Beschwerde erfolglos war. Zu diesem Zeitpunkt müsste das –dann notwendigerweise in der Vergangenheit liegende – Datum des ersten Widerrufsbescheides eingetragen werden. Damit verbunden wäre dann die rückwirkende Aberkennung des Spendenabzugs, der nach §4 Abs7 Z1 EStG nur „bis einschließlich dem in der Liste eingetragenen Datum des Widerrufs der Begünstigung“ möglich ist. Eine derartige Rückwirkung wäre allerdings mit dem der Liste zugrunde liegenden Ziel, wonach der Spender im Zeitpunkt der Zuwendung Rechtssicherheit über die Abzugsfähigkeit seiner Spende haben soll,49 nicht zu vereinbaren.

Eine andere Möglichkeit wäre, als „Datum des Widerrufsbescheides“ jenen Zeitpunkt anzunehmen, zu dem sich herausstellt, dass die Beschwerde „ohne Erfolg“ bleibt. Dies könnte im Falle eines Beschlusses oder Erkenntnisses des BFG das Datum der mündlichen Verkündigung, sonst jenes der Unterfertigung sein,50 gegebenenfalls – wenn diese nicht bekämpft wird – auch das Datum der Unterfertigung der Beschwerdevorentscheidung. Dies führt allerdings genauso wenig zu befriedigenden Ergebnissen: Zwar ist dann die Abzugsfähigkeit beim Spender bis zu dem Zeitpunkt sichergestellt, zu dem sich herausstellt, dass die Beschwerde erfolglos bleibt. Die empfan-

48 Begründung zu AA361 27.GP, 2.

49 ErlRV 2319 BlgNR 27.GP, 7.

50 §280 Abs1 litg BAO.

gende Einrichtung hat aber erst für Zuwendungen ab diesem Zeitpunkt den Zuschlag zur Körperschaftsteuer zu zahlen. Dann macht der Zuschlag aber keinen Sinn: Ab diesem Zeitpunkt gezahlte Spenden sind ohnehin nicht mehr abzugsfähig. Systematisch erforderlich wäre der Zuschlag für bis zum „Datum des Widerrufsbescheides“ erhaltene Zuwendungen. Gerade für diesen Zeitraum ist aber kein Zuschlag vorgesehen.

Überhaupt scheinen die Konsequenzen der erst in letzter Minute – durch Abänderungsantrag in zweiter Lesung des Nationalrats51 – geschaffenen Möglichkeit der aufschiebenden Wirkung nicht hinreichend durchdacht zu sein: Eine ausdrückliche Regelung, bis wann die aufschiebende Wirkung beantragt werden kann, findet sich in §4a EStG nicht.52 Nimmt man an, dass dieser Antrag bis zum Ende der – auch verlängerbaren – Beschwerdefrist gestellt werden kann, dürfte jedenfalls bis dahin keine Streichung von der Liste erfolgen. Wird die aufschiebende Wirkung nicht gewährt und ergreift die Einrichtung dagegen ein Rechtsmittel, müsste sie jedenfalls bis zur Entscheidung darüber weiterhin auf der Liste bleiben. Denn sonst wäre der mit der Möglichkeit der aufschiebenden Wirkung angestrebte Rechtsschutz vereitelt.53 Die Streichung von der Liste dürfte in all diesen Fällen erst erfolgen, wenn sich herausstellt, dass der Antrag auf aufschiebende Wirkung erfolglos bleibt oder gar keine aufschiebende Wirkung beantragt wird. Soll der Spender darauf vertrauen können, dass Zuwendungen an die zum jeweiligen Zeitpunkt auf der Liste genannten Einrichtungen zum Spendenabzug berechtigen, kommt eine rückwirkende Streichung von der Liste –mit dem Datum des Widerrufsbescheides – nicht in Betracht. All diese Überlegungen finden im Gesetzeswortlaut allerdings keine Deckung.

§4a EStG enthält auch keine explizite Regelung über die Dauer der aufschiebenden Wirkung. Naheliegend ist, dass die aufschiebende Wirkung zumindest erst dann endet, wenn gegen den Widerrufsbescheid kein ordentliches Rechtsmittel mehr erhoben werden kann. Werden der VwGH oder der VfGH angerufen, besteht an sich keine Notwendigkeit zur Annahme, dass die nach §4a Abs5 Z5 EStG gewährte aufschiebende Wirkung weiter andauert: In diesen Verfahren gibt es mit §30 VwGG und §85 VfGG eigene Vorschriften über die aufschiebende Wirkung. Ist allerdings die Streichung von der Liste bereits erfolgt, kommt die Gewährung der aufschiebenden Wirkung zu spät. Wirksamer Rechtsschutz bestünde nur dann, wenn die Streichung von der Liste erst nach Ablauf der Frist für die Revision oder die Erkenntnisbeschwerde oder – falls bei einem der Höchstgerichte aufschiebende Wirkung beantragt wird – nach einer negativen Entscheidung

51 AA361 27. GP.

52 Dazu auch Staringer, AVR 2024, 6 ff.

53 So auch Staringer, AVR 2024, 6 ff.

über diesen Antrag erfolgt. Allerdings kommt dem bloßen Antrag auf aufschiebende Wirkung in höchstgerichtlichen Verfahren generell keine aufschiebende Wirkung zu.54 Daher wird diese Rechtsschutzlücke auch beim Widerruf nach §4a Abs5 Z4 EStG in Kauf zu nehmen sein.

4.Das Verhältnis zwischen §42 Abs2 BAO und §4a Abs4 Z3 litd EStG

In weiterer Folge ist zu untersuchen, in welchem Verhältnis die Regelung des §42 Abs2 BAO zu §4a Abs4 Z3 litd EStG steht. Denn Körperschaften iSd §1 Abs2 Z1 und2 KStG und Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie vergleichbaren ausländischen Körperschaften eines Mitgliedstaates der EU oder eines Staates, mit dem umfassende Amtshilfe besteht, darf die Spendenbegünstigung nur zuerkannt werden, wenn sie auch „die Voraussetzungen nach den §§34 bis 47 BAO erfüllen“. §42 Abs2 BAO gehört zu den Vorschriften der §§34 bis47 BAO. Daher ist zu überlegen, ob eine der in §42 Abs2 BAO genannten rechtskräftig verhängten Sanktionen nicht bloß zum Verlust der Steuerbefreiung, sondern auch dazu führt, dass die Spendenbegünstigung nicht zu gewähren ist oder widerrufen werden muss.

Angesichts der Parallelen zwischen den beiden Vorschriften stellt sich jedoch die Frage nach der praktischen Bedeutung des Verhältnisses der beiden Bestimmungen. Denn wenn sich die Relevanz der in §42 Abs2 BAO genannten Voraussetzungen ohnehin schon aus der Vorschrift des §4a Abs4 Z3 litd EStG ergibt, könnte sich die Analyse erübrigen, ob zusätzlich auch noch §42 Abs2 BAO für die Spendenbegünstigung maßgebend ist. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die beiden Vorschriften ihre Rechtsfolgen in völlig unterschiedlichen Zeiträumen entfalten: Nach §4a Abs4 Z3 litd EStG schließt eine rechtskräftig verhängte Sanktion die Gewährung der Spendenbegünstigung aus oder macht ihren Widerruf erforderlich. Die Rechtsfolgen betreffen Zeiträume, die nach dem Eintritt der Rechtskraft der jeweiligen Sanktion liegen. Nach §42 Abs2 BAO muss die Sanktion zwar auch schon rechtskräftig geworden sein. Die Rechtsfolgen treten aber in dem Veranlagungszeitraum ein, in dem die strafbare Handlung gesetzt wurde. Für diese Periode ist dann die Steuerbefreiung zu versagen. Sieht man §42 Abs2 BAO daher auch als Voraussetzung für die Spendenbegünstigung, würde sie Wirkungen in – mitunter lange – zurückliegenden Zeiträumen entfalten, was allerdings nicht mit dem Konzept des §4a Abs7 Z1 EStG im Einklang stünde: Die Spendenbegünstigung soll vom Datum der Zuerkennung der Begünstigung bis

54 Dazu zB Helmreich, Vorläufiger Rechtschutz im Verfahren vor dem VwGH, in Holoubek/Lang, Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (2015) 191 (197, FN40); vgl auch schon Hoehl , Vorläufiger Rechtsschutz vor dem VwGH (1999) 59.

zum Datum ihres Widerrufs die Abzugsfähigkeit der Zuwendung beim Spender sicherstellen. Der Wortlaut legt aber ohnehin nicht nahe, dass diese Vorschrift im Kontext des §4a EStG für die Bestimmung jenes Zeitraums relevant ist, in dem sie für Zwecke des §42 Abs2 BAO ihre Rechtsfolgen entfaltet. Denn §4a Abs4 Z1 lita EStG verweist bloß auf die „Voraussetzungen“ nach den §§34 bis 47 BAO. Allerdings unterscheiden sich auch die Voraussetzungen in zeitlicher Hinsicht: Im Unterschied zu §4a Abs4 Z3 litd EStG kennt §42 Abs2 BAO keinen Beobachtungszeitraum von – bloß – zwei Jahren, in dem keine rechtskräftige Sanktion verhängt worden sein darf, und gilt nicht nur wenn die strafbare Handlung innerhalb der vorangegangenen fünf Kalenderjahre begangen wurde. Dies erklärt sich zwar wiederum durch die in §42 Abs2 BAO vorgesehenen Rechtsfolgen: Wenn sich die strafbare Handlung ohnehin nur in der Veranlagungsperiode auswirken soll, in der sie gesetzt wurde, braucht es keine weiteren zeitlichen Einschränkungen. Dennoch: Stellt man isoliert auf die Voraussetzungen des §42 Abs2 BAO ab, ist nicht zu leugnen, dass diese anders – und zwar weiter – als in §4a Abs4 Z3 litd EStG gefasst sind: Jede unter §42 Abs2 BAO fallende rechtskräftig gewordene Sanktion würde die Zuerkennung der Spendenbegünstigung ausschließen, und zwar unabhängig davon, wann die strafbare Handlung erfolgt ist, wann die Sanktion verhängt wurde und wann ihre Rechtskraft eingetreten ist. Auch lange zurückliegende Handlungen wären schädlich. Jede rechtskräftig gewordene Sanktion würde dauerhaft die Gewährung der Begünstigung unmöglich machen.

Dann stellt sich aber die Frage, ob für §4a Abs4 Z3 litd EStG überhaupt ein Anwendungsbereich bleibt. Dies wäre ein gewichtiges Argument gegen die Auffassung, über den Verweis des §4a Abs4 Z1 lita EStG die Vorschrift des §42 Abs2 BAO auch bei der Spendenbegünstigung anzuwenden. Im Zweifel ist nämlich anzunehmen, dass eine Vorschrift nicht überflüssig ist. Allerdings sind die „Voraussetzungen nach den §§34 bis 47 BAO“ nicht für alle Einrichtungen nach §4a Abs3 EStG maßgebend: Die unter §4a Abs3 Z3 EStG fallenden „mit Forschungs- oder Lehraufgaben gemäß Abs.2 Z3 im Wesentlichen befasste juristisch unselbständige Einrichtungen von Gebietskörperschaften sowie juristische Personen, an denen entweder eine oder mehrere Gebietskörperschaften oder eine oder mehrere Körperschaften im Sinne des Abs.6 Z1, 3 oder 4 zumindest mehrheitlich beteiligt sind“, sind ausgenommen. Die Vorschrift des §4a Abs4 Z3 litd EStG gilt hingegen für „alle Körperschaften im Sinne des Abs.3“. Somit hätte §4a Abs4 Z3 litd EStG – allerdings nur für einen Randbereich der unter §4a Abs3 EStG fallenden Einrichtungen –noch immer normative Bedeutung. Der weite Anwendungsbereich des §42 Abs2 BAO alleine spricht daher nicht gegen die Relevanz dieser Vorschrift für die Spendenbegünstigung.

Ein überzeugendes Gegenargument lässt sich hingegen aus der schon erwähnten Rechtsprechung des VfGH gewinnen: Der VfGH hat in seinem Erkenntnis vom 5.10.2023, G172/ 22, §3 Z4 WohlverhaltensG als verfassungswidrig erachtet, weil es nach der damaligen Rechtslage „keine zeitliche Grenze für den Ausschluss von der Gewährung des Ausfallsbonus wegen weit in der Vergangenheit liegender vorsätzlicher Abgabenhinterziehungen“ gab. Zu berücksichtigen sei, dass sich der Zusammenhang zum Fehlverhalten „immer stärker verdünnt und daher keine entscheidende Rolle mehr spielen kann, je länger die vorsätzlich begangene Finanzstraftat zurückliegt“. Die Maßgeblichkeit des §42 Abs2 BAO hätte aber genau diese Konsequenzen. Die Verfassungswidrigkeit wäre mit Händen zu greifen. In verfassungskonformer Interpretation ist daher §42 Abs2 BAO bei der Zuerkennung der Spendenbegünstigung und bei deren Widerruf nicht heranzuziehen. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch §4a Abs4 Z3 lite EStG: Nach dieser weiteren Voraussetzung für die Spendenbegünstigung darf die Körperschaft nicht systematisch die vorsätzliche Begehung von in ihrem Interesse methodisch begangenen strafbaren Handlungen fördern. Das ist lediglich für die Spendenbegünstigung gefordert, wurde aber nicht in die §§34 bis 47 BAO aufgenommen. Dies lässt erkennen, dass für die Spendenbegünstigung in §4a EStG ein eigenständiges – von den §§34 bis47 BAO entkoppeltes – „Wohlverhaltensregime“ vorgesehen ist.

Auf den Punkt gebracht

Der Gesetzgeber hat den mit dem WohlverhaltensG beschrittenen Weg fortgesetzt und den schon in §3 Z4 WohlverhaltensG enthaltenen Tatbestand in inhaltlich erweiterter Form auch im Steuerrecht selbst anwendbar gemacht: Die Gewährung bestimmter abgabenrechtlicher Begünstigungen ist nunmehr davon abhängig, dass kein der Körperschaft zuzurechnendes bereits entsprechend sanktioniertes strafbares Handeln vorliegt.55 Ein gemeinsames rechtspolitisches Konzept, das diesen gesetzlichen Änderungen zugrunde liegt, ist allerdings noch nicht zu erkennen.56 Die detaillierte Analyse der

55 Zur Zurechnung nach der Verbandsverantwortlichkeit näher Steininger, VbVG2 (2020) Vor Rz10ff.

56 Vgl zB auch §153b Abs4 Z2 BAO zum Antrag auf begleitende Kontrolle: „Über keinen im Antrag angeführten Unternehmer ist in den fünf Jahren vor der Antragstellung wegen eines in den letzten sieben Jahren vor der Antragstellung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Finanzvergehens rechtskräftig eine Strafe oder Verbandsgeldbuße verhängt worden.“ Vgl weiters §33 Abs2 Z2 EU-BStBG, wonach ein Antrag auf Einsetzung eines Schiedsgerichts nicht zulässig ist, wenn „gegen die betroffene Person in den fünf Jahren vor der Einbringung der Streitbeilegungsbeschwer de eine Strafe oder Verbandsgeldbuße wegen eines in den letzten sieben Jahren vor der Einbringung der Streitbeilegungsbeschwerde vorsätzlich oder grob fahrläss ig begangenen Finanzvergehens verhängt worden ist (§35)“

Vorschriften des §42 Abs2 BAO und des §4a Abs4 Z3 litd EStG zeigt auch, dass die Regelungen zu zumindest rechtspolitisch bedenklichen Verwerfungen führen. Die beiden Bestimmungen werfen aber auch eine Reihe von schwierig zu lösenden Auslegungsfragen auf. Vor allem scheint das Zusammenspiel mit den verfahrensrechtlichen Vorschriften noch nicht hinreichend durchdacht zu sein. Die bisher noch nicht geführte Grundsatzdiskussion, ob es solche Regelungen überhaupt braucht und wie

gegebenenfalls ihr Anwendungsbereich und ihre Rechtsfolgen aussehen sollten,57 ist daher dringend nachzuholen.

Herrn Univ.-Prof. Dr. Claus Staringer danke ich für die Diskussion, und Herrn Kilian Posch zusätzlich auch für die Unterstützung bei der Erstellung des Anmerkungsapparats.

Globale Mindestbesteuerung – Auswirkungen der Einführung der nationalen Ergänzungssteuer auf die Pillar-II-Implementierung

Teil

1: Österreichische Konzerne

Mag. Dipl.-Ing. Thomas Häusle ist Steuerberater und Direktor bei EY am Standort Wien mit Schwerpunkt Konzernsteuerrecht sowie Fachvortragender zum Thema Latente Steuern.

Dr. Patrick Plansky ist Steuerberater und Partner bei EY am Standort Wien sowie Lektor am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU (Wirtschaftsuniversität Wien).

Dieser Beitrag ist der erste Teil einer zweiteiligen Reihe, bei der die Auswirkungen der Einführung von nationalen Ergänzungssteuern (NES) in einer Vielzahl von Ländern –darunter auch Österreich – beleuchtet werden sollen. In Teil 1 werden die möglichen Auswirkungen der Einführung nationaler Ergänzungssteuern im Ausland auf die vielfach bereits angelaufenen Umsetzungsprojekte in österreichischen Konzernen1 thematisiert („Outbound-Fälle“). In Teil 2 werden die Auswirkungen der Einführung der nationalen Ergänzungssteuer in Österreich für österreichische Geschäftseinheiten ausländischer Konzerne und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen für österreichische Konzerngesellschaften beleuchtet („InboundFälle“).

1.Anwendungsbereich: Überschreiten der jährlichen Umsatzschwelle von 750Mio€

Unter den Anwendungsbereich der globalen Mindestbesteuerung fallen die Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe gemäß §3 MinBestG, wenn die jährlichen Umsatzerlöse gemäß den Konzernabschlüssen ihrer obersten Muttergesellschaft in mindestens zwei der vier vorangegangenen Geschäftsjahre mindestens 750Mio€ (Umsatzgrenze) betragen.2 Diese Umsatzschwelle stimmt mit jener aus dem CbCR (Country-by-Country-Reporting) über-

1 Im Sinne von multinationalen Unternehmensgruppen, bei denen die oberste Muttergesellschaft ( ultimate parent entity; UPE) in Österreich ansässig ist.

2 Vgl ua S.Bendlinger, Das internationale Steuerrecht wird neu geschrieben – Eckdaten des Zwei-SäulenKonzepts der OECD, SWI2021, 554.

ein, denn gemäß §3 Abs1 Verrechnungspreisdokumentationsgesetz (VPDG) ist für eine multinationale Unternehmensgruppe ein länderbezogener Bericht zu erstellen, wenn der Gesamtumsatz in dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr gemäß dem konsolidierten Abschluss mindestens 750Mio€ beträgt.3

2.Ermittlung der Geschäftseinheiten und Zuordnung zu Steuerhoheitsgebieten

Sofern die Umsatzgrenze zweimalig erfüllt ist, sind die Regelungen des MinBestG anwendbar. Diesfalls sind jene Geschäftseinheiten zu ermitteln, welche in die Berechnung der länderweiten Steuerquoten einzubeziehen sind. Des Weiteren ist gemäß §5 MinBestG zu bestimmen, in welchem Steuerhoheitsgebiet diese in die Berechnung der Steuerquote einfließen, indem die Mindeststeuer-Gewinne oder -Verluste und angepassten erfassten Steuern pro Geschäftseinheit ermittelt werden, die dann nach länderweiser Zusammenfassung (jurisdictional blending) schlussendlich unter Umständen in einer Ergänzungssteuer münden.

2.1.Geschäftseinheiten

Als „Einheit“ iSd §2 Z1 MinBestG wird nicht nur eine juristische Person bezeichnet, sondern auch ein Rechtsgebilde, das einen eigenen Abschluss zu erstellen hat (wie insbesondere transparente Einheiten, zB OG, KG oder ent-

3 Vgl Frank/Resenig in Kofler/Lang/Rust/Schuch/Spies/ Staringer, Kommentar zum MinBestG (2024) §3 Rz4; Zöchling/Dziurdź/Marchgarber , Globale Mindestbesteuerung: Welche Unternehmen sind betroffen? SWK11/2022, 508.

57 Zum WohlverhaltensG vgl schon Lang/Pacher, SWK6/ 2021, 433 (451).

sprechende ausländische, transparent besteuerte Einheiten mit Verpflichtung zur Erstellung eines Jahresabschlusses). Solche Einheiten sind dann „Geschäftseinheiten“ iSd §2 Z2 lita MinBestG, wenn sie Teil der Unternehmensgruppe sind, dh bei Einbeziehung in den Konzernabschluss laut §2 Z3 lita MinBestG.

Wichtig ist aufgrund der Bestimmung §2 Z3 lita MinBestG, dass auch die unwesentlichen, dh nur aufgrund ihrer Größe bzw aus Wesentlichkeitsgründen nicht in den Konzernabschluss einbezogenen Geschäftseinheiten für Zwecke der globalen Mindestbesteuerung mitzuberücksichtigen sind; dies gilt zudem auch für zu Veräußerungszwecken gehaltene Einheiten. §54 MinBestG sieht im Wege eines permanenten Safe Harbour eine Vereinfachung für diese unwesentlichen Geschäftseinheiten vor, wonach für die Ermittlung der Safe-Harbour-Tests auf CbCR-Daten zurückgegriffen werden darf.4

Eine Betriebsstätte iSd §2 Z13 MinBestG ist ebenfalls eine Geschäftseinheit iSd §2 Z2 litb MinBestG, sofern das Stammhaus Teil der Unternehmensgruppe ist. Ist bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ein DBA anwendbar, knüpft der Begriff der „Betriebsstätte“ iSd §2 Z13 lita MinBestG an den abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriff an, sofern die Ergebniszuteilung auf den Grundsätzen des Art7 OECD-MA basiert.

2.2.Zuordnung von Geschäftseinheiten, Mindeststeuer-Gewinnen/-Verlusten und angepassten erfassten Steuern zu einem Steuerhoheitsgebiet

Eine intransparente Geschäftseinheit wie insbesondere eine Kapitalgesellschaft ist laut §5 Abs1 Z1 MinBestG in jenem Steuerhoheitsgebiet gelegen, in dem diese aufgrund des Ortes ihrer Geschäftsleitung, ihres Gründungsortes oder ähnlicher Kriterien als steuerlich ansässig gilt.

Eine abkommensrechtliche Betriebsstätte iSd §2 Z13 lita MinBestG ist in jenem Steuerhoheitsgebiet gelegen, in dem sie als Betriebsstätte behandelt wird und nach dem anwendbaren DBA steuerpflichtig ist. Die Zuordnung der Mindeststeuer-Gewinne oder -Verluste und der angepassten erfassten Steuern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte erfolgt nach den Regeln des §35 MinBestG bzw §44 MinBestG. Vermietet aber zB eine österreichische Kapitalgesellschaft (Geschäftseinheit) Grundstücke in Deutschland, dann handelt es sich aufgrund von Art6 DBA Deutschland (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen) zwar um in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte,

4 Vgl zB S.Bendlinger, Globale Mindestbesteuerung und Safe Harbours, SWI2023, 198; Marchgraber, Die Safe Harbours der Globalen Mindestbesteuerung, SWK9/ 2023, 460; Schlager, Neues „Mindestbesteuerungsgesetz“ in Begutachtung, SWK28/2023, 1082.

jedoch ist die Überlassung des Grundvermögens (Vermögensverwaltung) nicht als Betriebsstätte iSd Art5 DBA Deutschland zu qualifizieren. Die Mindeststeuer-Gewinne oder -Verluste aus der Vermietung und die in Deutschland zu entrichtenden Steuern vom Einkommen und Ertrag sind daher mangels Betriebsstätten-Eigenschaft bzw Geschäftseinheit-Qualifikation des Grundvermögens der österreichischen Kapitalgesellschaft zuzurechnen und fließen daher in die Berechnung der länderweiten österreichischen Steuerquote ein. Werden allerdings Vermietungseinkünfte im Rahmen einer ausländischen abkommensrechtlichen Betriebsstätte erzielt, werden die Mindeststeuer-Ergebnisse hieraus und die –wie im Fall der Vermögensverwaltung – ebenfalls in Deutschland anfallenden Ertragsteuern nach dem MinBestG der ausländischen Betriebsstätten-Geschäftseinheit zugewiesen.

Gemäß §5 Abs2 Z1 MinBestG ist der Standort steuerlich transparenter Geschäftseinheiten das Steuerhoheitsgebiet, in dem die transparente Einheit gegründet wurde, wenn diese transparente Einheit eine oberste Muttergesellschaft ist,5 in allen anderen Fällen wird die transparente Einheit gemäß §5 Abs2 Z2 MinBestG als staatenlos behandelt. In diesem Fall wäre der Effektivsteuersatz für jede staatenlose Einheit gesondert von anderen Geschäftseinheiten des jeweiligen Landes zu ermitteln (dh keine länderweise Zusammenrechnung [jurisidctional blending]). Diese Auffangregel gemäß §5 Abs2 Z2 MinBestG sollte aber nur ausnahmsweise bei umgekehrt hybriden Einheiten zur Anwendung gelangen,6 denn in der Regel verbleiben bei der transparenten Einheit selbst keine Mindeststeuer-Ergebnisse bzw angepassten erfassten Steuern: Aufgrund der besonderen Zurechnungsregeln gemäß den Bestimmungen §§36 und44 MinBestG7 erfolgt die Zurechnung von MindeststeuerGewinnen oder -Verlusten und angepassten erfassten Steuern bei operativen (dh nicht vermögensverwaltenden) Personengesellschaften zur (anteiligen) Betriebsstätte der Mitunter-

5 Oder wenn die transparente Geschäftseinheit im anderen Staat verpflichtet ist, eine anerkannte PES-Regelung anzuwenden; §5 Abs2 Z1 MinBestG.

6 Diese Regelung kommt gemäß OECD, Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy – Commentary to the Global Anti-Base Erosion Model Rules (Pillar Two) (2022) Art10.3 Tz176, nur ausnahmsweise und zwar bei sogenannten „umgekehrt hybriden Einheiten“ zur Anwendung, die gemäß §2 Z12 lita TS2 MinBestG auch als transparent gelten ( „reverse hybrid entity“): Weder der Gründungsstaat der transparenten Einheit noch der Staat der Gesellschafter erhebt Steuern auf das Einkommen der umgekehrt hybriden Einheit, sodass deren Mindeststeuer-Ergebnisse und angepasste Steuern ausnahmsweise der transparenten Einheit selbst zugerechnet werden.

7 Vgl dazu auch S.Bendlinger, Betriebsstätten im Rahmen der globalen Mindestbesteuerung, SWI2023, 4; Marchgraber, Transparente Rechtsträger in der Globalen Mindestbesteuerung, SWK22/2023, 903.

nehmer8 (sofern es sich um eine Betriebsstätte iSd §2 Z13 MinBestG handelt) und bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften zu den Anteilseignern.

Da eine transparente Geschäftseinheit über einen eigenen Abschluss verfügt (siehe §2 Z1 MinBestG), ist die Personengesellschaft in organisatorischer Hinsicht als eine eigene Einheit zu erfassen, insbesondere in Hinblick auf den Bilanzvergleich für latente Steuern oder die Anwendung der Regeln aus dem dritten und vierten Abschnitt des MinBestG zur MindeststeuerGewinnermittlung und zu den angepassten erfassten Steuern.

3.Ermittlung der MindeststeuerGewinne oder -Verluste und der angepassten erfassten Steuern

Für multinationale Unternehmensgruppen gelten die Regelungen des MinBestG für Geschäftsjahre, die ab dem 30.12.2023 beginnen.9 Dem Übergangsjahr (dh jenem Jahr, in dem ein Steuerhoheitsgebiet erstmals in den Vollanwendungsbereich des MinBestG fällt) kommt dabei besondere Bedeutung zu, da durch das Übergangsjahr bestimmte Fristen verlängert sind. So ist zB die Abgabepflicht des Mindeststeuerberichts nach §72 Abs2 MinBestG im Übergangsjahr verlängert. Je später das Übergangsjahr beginnt, desto länger wird der nach dem 30.11.2021 beginnende und mit Beginn des Übergangsjahres endende „Übergangszeitraum“ gemäß §80 Abs2 MinBestG, der für die Ermittlung der latenten Steuern iSd §80 MinBestG zu Beginn des Übergangsjahres („Eröffnungsbilanz“) relevant ist.

Durch die Anwendung von temporären CbCR-Safe-Harbours iSd §55 MinBestG (Deminimis-Test, Simplified-Effective-Tax-RateTest, Routine-Profits-Test) kann das Übergangsjahr für ein Steuerhoheitsgebiet bis zu drei Jahre nach hinten verschoben werden.10 Die Nutzung der temporären Safe Harbours ist in der Praxis daher aktuell ein wichtiges Instrument, um zusätzliche Vorbereitungszeit für den Vollanwendungsbereich des MinBestG im Konzern zu gewinnen und sich mit den erforderlichen Datenpunkten und der Berechnungslogik vertraut zu machen, Abläufe – insbesondere in

8 Vgl Rz376 VPR: „Das Unternehmen der Personengesellschaft wird abkommensrechtlich daher als Unternehmen der Gesellschafter behandelt, wobei jeweils so viele Unternehmen bestehen, wie Gesellschafter vorhanden sind. Alle Betriebsstätten einer betrieblich tätigen Personengesellschaft stellen damit Betriebsstätten der einzelnen Gesellschafter dar (ständige deutsche Rechtsprechung siehe zB BFH 29.1.1964, I153/61 S, BStBl III 1964, 165, oder BFH 23.8.2000, IR 98/96, BStBlII 2002, 207; EAS3303, EAS3403).“

9 Die Regelungen über die Erhebung der sekundären Ergänzungssteuer (SES) sind zeitverzögert erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden, die ab dem 31.12.2024 beginnen (§84 Abs2 MinBestG).

10 Vgl Frank/Plansky, Globale Mindestbesteuerung – Erleichterungen im Übergangszeitraum, taxlex2023, 33.

den Reporting- und Compliance-Prozessen –anzupassen sowie Systemumstellungen vorantreiben zu können. Im Ergebnis geht es darum, die Ergänzungssteuern im Vollanwendungsbereich des MinBestG rechtzeitig ermitteln zu können und schlussendlich einen geordneten Compliance-Prozess zu organisieren.11 Für Steuerjurisdiktionen, in denen keiner der Tests erfüllt ist, ist der Vollanwendungsbereich des MinBestG jedenfalls sofort eröffnet. Spätestens nach drei Jahren laufen die Begünstigungen der temporären CbCR-Safe-Harbours jedenfalls aus, weshalb in der Folge von der Vollanwendung des MinBestG ausgegangen wird.

Für die nach den vorigen Ausführungen definierten in- und ausländischen Geschäftseinheiten sind in weiterer Folge die MindeststeuerGewinne oder -Verluste und angepassten erfassten Steuern nach den Bestimmungen des dritten bzw vierten Abschnitts des österreichischen MinBestG zu ermitteln.

Die Ermittlung aller (auch ausländischen) Mindeststeuer-Gewinne oder -Verluste hat gemäß §14 Abs1 MinBestG auf Basis des Konzernrechnungslegungsstandards (wie IFRS oder UGB) zu erfolgen (HB-II-Package als Ausgangsbasis vor den Adaptierungen gemäß §15 MinBestG); ein hiervon abweichender Rechnungslegungsstandard darf ausnahmsweise nur unter den sehr restriktiven Voraussetzungen des §14 Abs2 MinBestG angewendet werden; so muss es ua unverhältnismäßig sein, den Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag einer Geschäftseinheit auf der Grundlage des Konzernrechnungslegungsstandards zu bestimmen.

Insbesondere die Einbeziehung der latenten Steuern gemäß §42 MinBestG unter Beachtung der Übergangsbestimmung nach §80 MinBestG (insbesondere auch §80 Abs2 und3 MinBestG in Bezug auf Zeiträume ab dem 1.12.2021) verursacht in der Praxis in der Regel wohl einen hohen Aufwand.

Sind für jede Geschäftseinheit des österreichischen Konzerns die angepassten erfassten Steuern (Zähler) bzw der Mindeststeuer-Gewinn oder -Verlust (Nenner) für ein Geschäftsjahr berechnet, kann gemäß §46 MinBestG der länderweite Effektivsteuersatz bestimmt werden (jurisdictional blending). Anhand des länderweiten Effektivsteuersatzes – unter Berücksichtigung von Substanzfreibeträgen – entscheidet sich, ob für ein Steuerhoheitsgebiet eine Niedrigbesteuerung vorliegt.12

11 Vgl zu den Voraussetzungen und Herausforderungen für Unternehmen Frank/Plansky , Globale Mindestbesteuerung – Funktionsweise und Herausforderungen für die Praxis, taxlex2023, 134; Frank/Plansky , Neue globale Mindestbesteuerung für Konzerne ab 2024 –Was ist jetzt schon zu tun? CFOaktuell2023, 20.

12 Für Details zur Berechnung vgl ua Riedler, Globale Mindestbesteuerung: Das System der GloBE-Vorschriften und die nationale Ergänzungssteuer, SWK18/2023, 778.

4.Vorrangige Erhebung der Ergänzungssteuer PES nach dem MinBestG

All diese oben angeführten Arbeitsschritte münden letzten Endes in einer Erhebungsform des MinBestG – allen voran im Rahmen der primären Ergänzungssteuer (PES).13 Sollte der effektive länderweite Steuersatz, der im Rahmen des jurisdictional blending gemäß §46 MinBestG für ein Land ermittelt wurde, geringer als 15% sein, kommt es gemäß §7 MinBestG zur Erhebung einer PES in Österreich. Die abzuführende Ergänzungssteuer (auf Basis des Übergewinns gemäß §47 MinBestG unter Berücksichtigung des Abzugs des Substanzfreibetrags gemäß §48 MinBestG) ist rein auf Basis der Regelungen des österreichischen MinBestG zu ermitteln. Insofern kommt der österreichischen Muttergesellschaft eine sehr zentrale Rolle zu, da sie es ist, die die Anwendung des österreichischen MinBestG –und nicht des ausländischen Mindestbesteuerungsgesetzes des jeweiligen Landes, in dem die „Unterbesteuerung“ vorliegt – bedingt und auch allenfalls zur Erhebung und Abfuhr einer PES verpflichtet ist.14 Damit bestimmt sie im Ergebnis auch über die Anwendung des materiellen Rechts Österreichs, nach dem die Mindeststeuer-Gewinne und -Verluste und die angepassten erfassten Steuern zu ermitteln sind. Mit anderen Worten definiert die oberste Muttergesellschaft im Rahmen der PES das anzuwendende materielle Recht.

Obwohl das MinBestG das Umsetzungsgesetz zur Pillar-II-Richtlinie und zu den GloBEMusterregeln der OECD ist, enthält das österreichische MinBestG eine Reihe von Besonderheiten,15 die mit der EU-Richtlinie vereinbar sein sollten, aber dennoch zu einem anderen Ergebnis führen könnten, als wenn der Ergänzungssteuerbetrag nach einem ausländischen Mindestbesteuerungsgesetz ermittelt worden wäre.

5.NES und NES-Safe-Harbour als „Game Changer“16

Völlig anders als in den vorigen Ausführungen beschrieben stellt sich die Sachlage allerdings dar, wenn in der jeweiligen ausländischen Jurisdiktion eine anerkannte nationale Ergänzungssteuer (NES) in Kraft ist.

13 Zu den Erhebungsformen der Ergänzungssteuer vgl ua Marchgraber, Die Erhebungsformen der Globalen Mindestbesteuerung, SWK6/2023, 337.

14 Marchgraber, SWK6/2023, 337.

15 Vgl zB Dziurdź/Marchgraber/Strimitzer, Globale Mindestbesteuerung: Ist Österreich ein Niedrigsteuerland? SWK12/2022, 564; Schlager , SWK28/2023, 1082; Urnik/Fellinger, Globale Mindestbesteuerung – Korrekturmechanismen zur Ermittlung der GloBE-Bemessungsgrundlage, in Beiser/Hohenwarter/Kirchmayr/ Mayr, Körperschaften im Steuerrecht, FS Zorn (2022) 663.

16 Vgl Kofler im Interview, „Vor allem die Qualified Domestic Minimum Top-Up Tax ist ein echter Game Changer“, TPI2022, 162.

Hat ein Staat eine NES eingeführt, wird die im Falle einer „Unterbesteuerung“ in diesem Land ermittelte Ergänzungssteuer vorrangig im jeweiligen Land selbst erhoben. Nachdem die Möglichkeit, eine NES zu erheben, in der Finalfassung der Pillar-II-Richtlinie und auch in den GloBE-Musterregeln vorgesehen wurde, haben immer mehr Länder von dieser Regelung Gebrauch gemacht. Da die Ergänzungssteuer bei „Unterbesteuerung“ in einem Land ohnehin in einem (anderen) Land der Unternehmensgruppe zu erheben ist, war es nicht weiter verwunderlich, dass viele Staaten diese Ergänzungssteuer selbst erheben wollten, anstatt dieses Steuersubstrat dem Staat der obersten Muttergesellschaft (oder einer Zwischengesellschaft) zu überlassen. 17 Zum Stand dieses Beitrags18 lag in der finalen Umsetzung der Pillar-II-Regelungen eine NES in folgenden Ländern vor: Österreich, Belgien, Bulgarien, Kroatien, Tschechische Republik, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Irland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Malaysien, Mauritius, Norwegen, Niederlande, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Schweden, Schweiz, Großbritannien und Vietnam. Weiters wird basierend auf dem Gesetzesentwurf zur Mindestbesteuerung eine NES auch in den folgenden Ländern eingeführt: Barbados, Kanada, Spanien und Zypern. Im Ergebnis führt die NES damit zur Erhebung der Ergänzungssteuer im Land, in dem die „Unterbesteuerung“ durch ihre dort gelegenen Geschäftseinheiten ausgelöst wird.

Die bloße Einführung einer NES in einem ausländischen Staat entbindet die oberste Muttergesellschaft19 in Österreich grundsätzlich aber nicht von ihrer Verpflichtung, die Ergänzungssteuer im Rahmen der PES ebenfalls einzuheben.20 Um eine drohende Doppelbesteuerung in diesem Fall zu vermeiden, wird der Ergänzungssteuerbetrag für ein (ausländisches) Steuerhoheitsgebiet mit null festgesetzt, wenn die jeweilige ausländische NES gewissen Standards entspricht. Diese Voraussetzungen sind im sogenannten NES-Safe-Harbour in §53 MinBestG dargelegt. Danach müssen Vorgaben in Bezug auf den Rechnungslegungsstandard (NES-Rechnungslegungsstandard), die Anwendung des NES (NES-Konsistenzstandard) und die Verwaltung der NES (NES-Verwaltungsstandard) erfüllt werden.21

17 Vgl etwa Kofler, TPI2022, 162; Dziurdź/Marchgraber, Die Berechnung der effektiven Steuerbelastung bei Pillar II aus österreichischer Perspektive, in Fraberger/Plott/Walter, FS Zöchling – Gegenwart und Zukunft des Konzernsteuerrechts (2022) 372; Riedler, SWK18/2023, 778.

18 Status zum 2.2.2024.

19 Oder andere eine PES anwendende Geschäftseinheiten (zB in Teileigentum stehende Muttergesellschaften oder zwischengeschaltete Muttergesellschaften).

20 Vgl Riedler, SWK18/2023, 778.

21 Vgl Jann/Mayer/Lawson in Kofler et al, MinBestG, §53 Rz6ff; Schilcher , Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung in Österreich: Der Begutachtungsentwurf des MinBestG im Überblick, RWZ2023, 297.

Sofern eine anerkannte NES in einem Land besteht, in dem die österreichische Unternehmensgruppe Geschäftseinheiten unterhält,22 entfällt in Österreich als Staat der obersten Muttergesellschaft zum einen das Recht zur Erhebung einer Ergänzungssteuer zugunsten des jeweiligen ausländischen Staates. Zum anderen führt dies aber auch dazu, dass die Ergänzungssteuer des jeweiligen Landes nach der jeweiligen ausländischen nationalen Umsetzung der Pillar-II-Richtlinie und/oder der GloBE-Musterregeln zu ermitteln ist. Dies bedeutet im Ergebnis, dass für ausländische Geschäftseinheiten eines österreichischen Konzerns nicht (wie nach der Grundregel der PES) die Regelungen des österreichischen MinBestG, sondern die jeweils nationalen ausländischen Mindestbesteuerungsgesetze gelten. Obwohl diese ausländischen Regelungen ebenfalls von der Pillar-II-Richtlinie und/oder den GloBE-Musterregeln abgeleitet wurden, sind, wie bereits thematisiert, dennoch Unterschiede in den nationalen Umsetzungen auszumachen.23 Neben den grundsätzlichen Unterschieden aus den Umsetzungen der Pillar-IIRichtlinie ist bei Nicht-EU-Staaten zudem zu beachten, dass sich diese nur an den Vorgaben der GloBE-Musterregeln zu orientieren haben und damit weitere Abweichungen zu den Vorgaben des MinBestG möglich bis wahrscheinlich sind. Im Ergebnis wird dies in der Praxis wohl dazu führen, dass verstärkt lokale Länderexpertise erforderlich ist, um die Ergänzungssteuer im Rahmen der verschiedenen ausländischen NES ermitteln zu können und die jeweiligen Compliance-Verpflichtungen (zB Steuererklärungen oder Selbstbemessungen) in den einzelnen Ländern erfüllen zu können. Dazu kommt noch, dass die GloBE-Musterregeln und die Pillar-II-Richtlinie die verfahrensrechtliche Umsetzung und den Vollzug der globalen Mindestbesteuerung weitestgehend den nationalen Gesetzgebungen überlassen.

6.Auswirkung der NES auf die Pillar-II-Projektimplementierung in Unternehmen

Spätestens seit der immer länger werdenden Liste an Ländern, die eine NES eingeführt haben (und noch werden), hat dies teilweise auch zu einem Überdenken des Projektansatzes von österreichischen Konzernen bei der Implementierung der Regeln zur globalen Mindestbesteuerung geführt.24

22 Es kann natürlich auch in Österreich zu einer effektiven Niedrigbesteuerung kommen, weshalb die österreichische NES iSd §6 MinBestG zu ermitteln und abzuführen ist (nach den Regeln des österreichischen MinBestG).

23 ZB österreichische Sonderbestimmungen in §18 Abs4 MinBestG.

24 Vgl Luka/Miklos, Globale Mindestbesteuerung (PillarII): Umsetzung in Österreich und praktische Implikationen, SWI2024, 3.

Nach dem Grundkonzept des globalen Mindestbesteuerungsregimes kommt der jeweiligen obersten Muttergesellschaft die zentrale Rolle zu. Der von der obersten Muttergesellschaft vorgegebene Konzernrechnungslegungsstandard ist die Grundlage für sämtliche Berechnungen. Bei der obersten Muttergesellschaft laufen in der Regel die Informationen für den Konzernabschluss zusammen. Die oberste Muttergesellschaft ist es auch, die die Anwendung des jeweiligen Mindestbesteuerungsgesetzes und damit der materiellrechtlichen Regelungen insbesondere zu den Berechnungsdetails der Ergänzungssteuer vorgibt.25 Auch eine allfällige Ergänzungssteuer ist primär auf Ebene der obersten Muttergesellschaft im Rahmen der PES zu erheben. Obwohl auch auf anderen Ebenen ergänzend oder ersatzweise Ergänzungssteuer eingehoben werden kann,26 ist dennoch die Erhebung bei der obersten Muttergesellschaft die vorrangige Ebene. Diese zentrale Rolle der obersten Muttergesellschaft im Rahmen der globalen Mindestbesteuerung, gepaart mit den auf Konzernspitze in der Regel bereits vorliegenden (Finanz-, Reportingund Steuerabteilungs-)Ressourcen, hat in der Praxis in der Regel dazu geführt, dass Implementierungsprojekte zur globalen Mindestbesteuerung in Konzernen weitestgehend als zentrale Projekte auf Ebene der Konzernspitze gestartet wurden und werden.

Die Einführung der NES auf Ebene vieler Länder iZm einem anwendbaren NES-SafeHarbour auf Ebene der obersten Muttergesellschaft hat allerdings teilweise auch dazu geführt, die zentrale Projektkoordinationsrolle der obersten Muttergesellschaft zu hinterfragen. Wenn nämlich immer mehr Staaten auf eine allfällige Ergänzungssteuer selbst zugreifen (im Rahmen der NES) und die oberste Muttergesellschaft damit ohnehin keine Ergänzungssteuer im Rahmen der PES zu ermitteln und abzuführen hat (da der NES-Safe-Harbour greift), kann es unter Umständen sinnvoll sein, dezentralere Organisationsstrukturen zu überlegen. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die NES für das jeweilige Land und am besten auch in dem jeweiligen Land nach dessen nationalen Regelungen besser zu ermitteln ist als zentral aus dem Land der (österreichischen) Konzernspitze. Dennoch darf dabei nicht übersehen werden, dass der obersten Muttergesellschaft in Österreich weiterhin eine zentrale Funktion zukommt, weshalb ein vollständig dezentraler Ansatz vielfach nicht vorgenommen wird. So haben zwar viele, aber in der Regel nicht alle Länder, in denen Geschäftseinheiten unterhalten werden, eine NES eingeführt, weshalb vielfach

25 Siehe Abschnitt4 MinBestG.

26 ZB auf Ebene einer in Teileigentum stehenden Muttergesellschaft gemäß §2 Z22 MinBestG oder einer zwischengeschalteten Muttergesellschaft gemäß §2 Z20 MinBestG.

neben nationalen NES in einigen Ländern weiterhin eine mehr oder weniger weitreichende PES-Verpflichtung auf Ebene der österreichischen Muttergesellschaft besteht. Zudem hat die oberste Muttergesellschaft, um in den Genuss der Befreiung von der PES zu gelangen, ohnehin eine detaillierte Überprüfung der jeweiligen NES der Länder vorzunehmen (Stichwort: NESSafe-Harbour-Prüfungen). Nur wenn alle Länder, in denen ausländische Geschäftseinheiten ansässig sind, eine NES eingeführt hätten und der NES-Safe-Harbour in Österreich für sämtliche Länder anwendbar wäre, sollte der obersten Muttergesellschaft keine PES drohen.27 Auch der Mindeststeuerbericht, der Informationen zur gesamten Unternehmensgruppe zu enthalten hat, wird in der Regel zweckmäßigerweise auf höherer Konzernebene erstellt werden.28 Zudem ist natürlich weiterhin die Organisationsstruktur des Konzerns zu bedenken, wonach in der Regel sämtliche Daten für die Konsolidierung bei der Konzernmutter/obersten Muttergesellschaft zusammenlaufen und die fachlichen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen vielfach auch auf dieser Ebene gebündelt sind und es damit naheliegend ist, auch auf dieser Ebene (weiterhin) die Implementierung für die globale Mindestbesteuerung vorzunehmen und damit „die Zügel in der Hand“ zu behalten. Auch können haftungsrechtliche Überlegungen weiterhin für die Zentralisierung der Prozesse sprechen.

Im Ergebnis führt unsere Wahrnehmung weiterhin dazu, dass, obwohl die NES und der NES-Safe-Harbour klare game changer sind und vielfach zu einem Überdenken einer strikt zentral organisierten Implementierung von Compliance-Projekten zur globalen Mindestbesteuerung geführt haben, eine Trendumkehr in Richtung dezentrale Projektabwicklung jedenfalls nicht zu erkennen und unter Umstän-

27 Sofern alle Geschäftseinheiten in ihrem Land selbst einer ausreichenden effektiven Besteuerung unterliegen.

28 Plansky in Kofler et al, MinBestG, §70 Rz16.

den auch unter den geänderten Rahmenbedingungen weiterhin nicht zwingend zielführend ist.

Auf den Punkt gebracht

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die oberste Muttergesellschaft eines Konzerns in der Regel die Anwendung des jeweiligen Mindestbesteuerungsregimes vorgibt. Dies betrifft nicht nur den anwendbaren Konzernrechnungslegungsstandard zur Ermittlung einer möglichen Ergänzungssteuer im Rahmen der globalen Mindestbesteuerung, sondern auch die materiellen Regelungen insbesondere betreffend die Ermittlung des Effektivsteuersatzes.

Entgegen der ursprünglichen Konzeption haben sich über die Zeit immer mehr Länder dafür entschieden, eine nationalen Ergänzungssteuer (NES) ei nzuführen, wonach im Falle einer Besteuerung unter der Mindestbesteuerungsschwelle von 15 % die sich ergebende Ergänzungssteuer nicht mehr im Land der obersten Muttergesellschaft oder zumindest einer höher im Konzern angesiedelten Gesellschaft (wie nach der PES), sondern im jeweiligen Land selbst zu erheben ist. Dies führt nicht nur zu mehr Steueraufkommen in den jeweiligen Ländern, sondern führt auch zur Anwendung der jeweiligen nationalen Mindestbesteuerungsregime (anstatt des Regimes der Muttergesellschaft). Für österreichische Konzerne bedeutet dies, dass die Erfüllung der Compliance- und Steuerabfuhrverpflichtungen stärker in die Länder der ausländischen Geschäftseinheiten wandert. Dies wird in der Praxis zu einer stärkeren Dezentralisierung der Compliance-Verpflichtungen führen, damit die Ermittlung und Abfuhr einer NES nach den Regeln des jeweiligen Landes richtig abgewickelt wird. Eine weitere Dezentralisierung der Projektsteuerung ist allerdings nur vereinzelt auszumachen.

Update aus der Verwaltungspraxis

Konsultationsvereinbarung mit Griechenland betreffend Ansässigkeitsbestätigungen

Erlass des BMF vom 13. 2. 2024, 2024-0.081.962.

Die Konsultationsvereinbarung betrifft die Beweisführung für die Ansässigkeit von Personen in Griechenland und Österreich iSd Art4 des Abkommens zwischen Österreich und Griechenland. Sie gilt im Verfahren zur Entlastung an der Quelle bzw zur Rückerstattung von griechischen und österreichischen Quellensteuern nach innerstaatlichem Recht.

Der

Steuersachen betreffend Kontoinformationen und das Grundrecht auf Datenschutz

Eine Anmerkung zu VfGH 9.3.2023, E 2097/2021

Institut

Dr. Mario Riedl, MSc (WU) BSc LL.B. (WU) ist Steuerberaterberufsanwärter bei Deloitte.

In seiner Entscheidung vom 9.3.2023, E2097/ 2021, hatte sich der VfGH erstmals mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des durch den automatischen Austausch von Kontoinformationen auf Grundlage des GMSG bewirkten Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz zu befassen. Im Ergebnis sah er die Datenverarbeitung als durch das öffentliche Interesse an der Wirksamkeit und Effizienz der Steuererhebung gerechtfertigt an und hielt fest, dass der Umfang der übermittelten Daten nicht über das für die Zielerreichung erforderliche Maß hinausgeht. Auch wenn die Entscheidung im Ergebnis nicht überraschend sein mag, so birgt diese doch einige interessante Aspekte, die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben. Dieser Beitrag hinterfragt daher die Ausführungen des VfGH zur Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs und stellt weiterführende Überlegungen zu den (weitestgehend fehlenden) Teilhaberechten des betroffenen Steuerpflichtigen im Rahmen des automatischen Informationsaustausches an.

1.Ausgangspunkt: Informationsasymmetrie zwischen Steuerpflichtigem und Abgabenbehörde

1.1.Kenntnis des Sachverhalts als Voraussetzung der Abgabenfestsetzung und -vollziehung

Das Steuerverfahren als Massenverfahren stellt die Abgabenbehörden bei der Erforschung der materiellen Wahrheit und damit einhergehend bei der Ermittlung der objektiv richtigen Steuerschuld vor vielfältige Herausforderungen. Die effektive und gleichmäßige Durchsetzung des Steueranspruchs setzt nämlich voraus, dass die Steuerbehörde von der Verwirklichung des Steuertatbestands Kenntnis erlangt.1 Es ist allerdings in der Regel der Steuerpflichtige selbst, der über die steuererheblichen Informationen verfügt.2 Um dennoch den jeweiligen Besteuerungsan-

1 Vgl Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 20.ÖJT Band IV/1 (2018) 58; Stoll in Ruppe, Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben (1980) 185f; Ehrke-Rabel, Geheimnisschutz – Informationsschutz – Datenschutz im Abgabenrecht, in Eilmansberger et al, Geheimnisschutz – Datenschutz – Informationsschutz (2008) 196.

2 Ehrke-Rabel, Geheimhaltungs- und Informationsinteressen beim automatischen internationalen Informationsaustausch nach dem GMSG, SWI2016, 67 (68).

spruch effektiv und gleichmäßig durchsetzen zu können, sieht das Abgabenverfahren – neben dem wesentlichen Verfahrensgrundsatz der Offizialmaxime3 – umfassende Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen, dessen objektiv richtige Steuerschuld es zu ermittelt gilt, vor.4 Diese Mitwirkungspflichten, die sich oftmals konkret in gesetzlichen Informationspflichten manifestieren, sollen den Steuerpflichtigen dazu anhalten, etwaige nur ihm bekannte steuererhebliche Informationen den zuständigen Abgabenbehörden mitzuteilen.5 Gleichzeitig soll es der Abgabenbehörde aber möglich sein, diese im Rahmen der Mitwirkungspflichten übermittelten Informationen einer behördlichen Kontrolle zu unterziehen.6 Eine solche Kontrollmöglichkeit räumt die BAO den Abgabenbehörden durch unterschiedliche Rechtsinstitute ein.7 Im Rahmen des Abgabenverfahrens haben demnach beide Parteien – also Abgabepflichtiger und Abgabenbehörde – angemessen dazu beizutragen, den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären.8 Dieser bildet sodann die Grundlage für die Feststellung der – im idealtypischen Fall objektiv richtigen – Steuerschuld, wodurch wiederum dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Rechnung getragen wird.9

Das bei Überwindung der zuvor skizzierten Informationsasymmetrie entstehende Spannungsverhältnis zwischen staatlichem Besteuerungsanspruch auf der einen und dem Recht auf Geheimnis- und Datenschutz des Steuerpflichtigen auf der anderen Seite erfährt im grenzüberschreitenden Fall eine besonders starke Ausprä-

3 Ritz/Koran, BAO7 (2021) §115 Rz4f; zu diesem Grundsatz ausführlich auch Holoubek/Nikolay, Offizialmaxime und Untersuchungsgrundsatz – AVG und Materiengesetze, in Holoubek/Lang , Sonderverfahrensrecht (2023) 75 (76ff).

4 Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 58; dazu auch Ehrke-Rabel, Automatisierter Steuervollzug, JRP2023, 38 (38f).

5 Ehrke-Rabel, SWI2016, 67 (68); Ehrke-Rabel, Steuervollzug im Umbruch? StuW2015, 101 (101).

6 Vgl dazu auch Stoll in Ruppe, Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben, 192ff; Seer, Der Steuervollzug von Steuergesetzen, in Widmann, Steuervollzug im Rechtsstaat (2008) 7 (12f); Ehrke-Rabel , StuW2015, 101 (101); Ehrke-Rabel, SWI2016, 67 (73).

7 Vgl zB die Vorschriften der §§143, 144 Abs1, 147, 161 Abs1, 162 Abs2, 162 und164 BAO.

8 Vgl auch Staringer, Steuervollzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, in Widmann, Steuervollzug im Rechtsstaat, 135 (140).

9 Zu diesem Grundsatz näher Ritz/Koran, BAO7, §114 Rz1ff.

Priv. Doz. Dr. Daniel W. Blum, LL.M (NYU) ist Gastprofessor am
für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien sowie Senior Manager bei Deloitte.

gung. Ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen oder ohne Amtshilfe durch den ersuchten Staat wäre der Besteuerungsanspruch im grenzüberschreitenden Fall mangels Kenntnis von der Verwirklichung eines Steuertatbestands meist gar nicht durchsetzbar.10 Nur der Steuerpflichtige selbst hat volle Kenntnis über die im Ausland wurzelnden und die für inländische abgabenrechtliche Zwecke potenziell bedeutsamen Ereignisse. Die BAO begegnet diesen zwischen Abgabenbehörde und Steuerpflichtigen bestehenden Informationsasymmetrien mit dem Rechtsinstitut der erhöhten Mitwirkungspflicht.11 Gemäß §115 Abs1 BAO trifft den Steuerpflichtigen eine erhöhte Pflicht zur Mitwirkung, wenn die Ermittlungs- und Kontrollmöglichkeiten der Abgabenbehörde (zB bei Auslandssachverhalten) eingeschränkt sind. Diesfalls sind die Mitwirkungs- und Offenlegungspflichten des Steuerpflichtigen in dem Maße höher, als die behördlichen Ermittlungsund Kontrollmöglichkeiten geringer sind.12 Aber auch die erhöhte Mitwirkungspflicht nach §115 Abs1 BAO selbst stößt dann an ihre Grenzen, wenn der Steuerpflichtige – in Kenntnis der eingeschränkten Vollzugsmöglichkeit der Abgabenbehörde in Bezug auf Auslandssachverhalte – seiner Pflicht zur Mitwirkung nicht nachkommt. Infolgedessen ist der Besteuerungsanspruch meist gar nicht durchsetzbar.13 Aber selbst in dem Fall, in dem der Steuerpflichtige die Abgabenbehörde über ein bestimmtes im Ausland wurzelndes steuerschuldauslösendes Ereignis dem Grunde nach informiert, ist der Steuervollzug erschwert, sind doch den weiterführenden Ermittlungs- sowie Kontrollbefugnissen der Abgabenbehörden territoriale Grenzen gesetzt.14

1.2.Grenzüberschreitender Informationsaustausch als Mittel zur Überwindung der Informationsasymmetrie

Der grenzüberschreitende Informationsaustausch in Steuersachen soll dazu dienen, die zuvor skizzierten Herausforderungen in der Sicherstellung einer gleichmäßigen Abgabener-

10 Vgl Staringer in Widmann, Steuervollzug im Rechtsstaat, 135 (135ff); siehe auch Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 58f; Hamacher , Datenschutz und internationalen Informationsaustausch, IStR2016, 171 (171ff); Baker, Privacy Rights in an Age of Transparency: A European Perspective, Tax Notes International 2016, 583; Moreno González, The Automatic Exchange of Information and the Protection of Personal Data in the European Union, EC Tax Review 2016, 146.

11 Zur erhöhten Mitwirkungspflicht als Ausgleich des Vollzugsdefizits auch Staringer in Widmann, Steuervollzug im Rechtsstaat, 135 (138, 140ff).

12 Ritz/Koran, BAO7, §115 Rz10; weiters Dworzak, Allgemeines zur erhöhten Mitwirkungspflicht, in Macho/ Schwaiger/Stieber , Steueroasen im Visier (2015) 104 (104f).

13 Ehrke-Rabel, SWI2016, 67 (73); Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 59.

14 Vgl dazu auch Staringer in Widmann, Steuervollzug im Rechtsstaat, 135 (136).

hebung und der Vermeidung von Abgabenverkürzung, denen – wie gezeigt – nur partiell durch nationale Vorschriften wie einer erhöhten Mitwirkungspflicht begegnet werden kann, zu meistern. Als Rechtsgrundlage für die Vornahme der Amtshilfe in Steuersachen kommen in Österreich unterschiedliche völkerrechtliche Verpflichtungen (DBA, multilaterales Amtshilfeabkommen, tax information exchange agreement und FATCA intergovernmental agreement) und unionsrechtliche Vorgaben (Amtshilferichtlinie) in Betracht.15 Der grenzüberschreitende Informationsaustausch in Steuersachen kann gemäß dieser Rechtsgrundlagen entweder

 spontan, dh auf Initiative der Steuerbehörde, die Kenntnis von einem steuerrelevanten Umstand mit Bezug zu einem anderen Land erlangt hat,

 auf Ersuchen oder

 automatisch

erfolgen. Insbesondere die Bedeutung des automatischen Informationsaustausches hat in den letzten fünfzehn Jahren immens zugenommen. Dieser unterscheidet sich vom Informationsaustausch auf Ersuchen im Wesentlichen dadurch, dass er – anders als die einschlägigen Rechtsgrundlagen für den Informationsaustausch auf Ersuchen – nicht für die Zulässigkeit des Amtshilfeersuchens die „vorhersehbare Erheblichkeit“ der ersuchten Information voraussetzt.16 Durch diese Einschränkung auf für die Steuererhebung vorhersehbar relevante Informationen soll das legitime und rechtfertigbare Informationsbedürfnis des ersuchenden Staates von einer rein willkürlichen Informationsbeschaffung abgegrenzt werden. Der automatische Austausch verlangt diese Einzelfallprüfung nicht, sondern nimmt gewissermaßen pauschal die Erheblichkeit der ausgetauschten Informationen an.

Basierend auf Vorschlägen der OECD hat der Unionsgesetzgeber den Anwendungsbereich der Amtshilferichtlinie und damit den Umfang der auf dieser Grundlage automatisch zwischen den EU-Mitgliedstaaten auszutauschenden Informationen in der jüngsten Ver-

15 Vgl im Detail Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 65ff; Jiménez, The Extent of Exchange of Information under Article 26 OECD Model, in Tüchler/Günther, Exchange of Information for Tax Purposes (2013) 75 (75ff); Pankiv, Tax Information Exchange Agreements (TIEAs), in Tüchler/Günther, Exchange of Information, 155 (155ff); Gupta, The Foreign Account Tax Compliance Act, in Tüchler/Günther, Exchange of Information, 223 (223ff); Blum/Csoklich, Der Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) und seine Umsetzung in Österreich, ÖBA2015, 722 (722ff); Günther/Jergitsch, Aktuelle Rechtsfragen zum österreichischen Bankgeheimnis und dem internationalen Informationsaustausch, ÖBA2016, 106 (107ff); Jirousek, Exchange of Information and Cross-Border Coorperation Between Tax Authorities, SWI 2013, 467 (467ff).

16 Vgl etwa zum Kriterium der voraussichtlichen Erheblichkeit iSd Art26 OECD-MA Vogel/Lehner , DBA 5 (2008) Art26 Rz29ff.

gangenheit wiederholt erheblich erweitert.17 So sieht die Amtshilferichtlinie mittlerweile den automatischen Austausch von Kontoinformationen (DAC218), Country-by-Country-Reports (DAC319), Steuervorbescheiden mit grenzüberschreitender Dimension und Vorabverständigungsvereinbarungen (DAC420), wirtschaftlichen Eigentümerinformationen (DAC521), gewissen meldepflichtigen Steuergestaltungen (DAC6 22), meldepflichtigen Informationen digitaler Plattformbetreiber (DAC723) und von Informationen betreffend Krypto-Assets (DAC8 24) vor. 25 Darüber hinaus werden im Rahmen des OECD-Common-Reporting-Standards (CRS) auf Basis des multilateralen Amtshilfeabkommens der OECD und des darauf aufbauenden CRS Multilateral Competent Authority Agreement (CRS MCAA) Finanzkontoinformationen auch mit Drittstaaten automatisch ausgetauscht.26

17 Vgl Nachweise in FN 19ff.

18 Richtlinie (EU) 2014/107 des Rates vom 9.12.2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung, ABlL359 vom 16.12.2014, S1; zum OECD-Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten und dessen Umsetzung auf Ebene der EU näher Seer/Wilms, Der automatische Informationsaustausch als neuer OECD-Standard zur steuerlichen Erfassung des Finanzkapitals im Spannungsverhältnis zu Maßnahmen der Geldwäschebekämpfung, StuW2015, 118 (119ff); Engel-Kazemi/Wöhrer , Der Gemeinsame Meldestandard der OECD, in Lang/Haunold, Transparenz – Eine neue Ära im Steuerrecht (2016) 47 (47ff).

19 Richtlinie (EU) 2015/2376 des Rates vom 8.12.2015 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung, ABlL332 vom 18.12.2015, S1.

20 Richtlinie (EU) 2016/881 des Rates vom 25.5.2016 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung, ABlL146 vom 3.6.2016, S8.

21 Richtlinie (EU) 2016/2258 des Rates vom 6.12.2016 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des Zugangs von Steuerbehörden zu Informationen zur Bekämpfung der Geldwäsche, ABlL342 vom 16.12.2016, S1.

22 Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25.5.2018 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen, ABlL139 vom 5.6.2018, S1.

23 Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, ABlL104 vom 25.3.2021, S1.

24 Richtlinie (EU) 2023/2226 des Rates vom 17.10.2023 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, ABlL2226 vom 24.10.2023, S1.

25 Zur EU-Amtshilferichtlinie und den dazu ergangenen Änderungsrichtlinien siehe im Überblick Orzechowski/ Spanblöchl, Grundlegende Überlegungen der Europäischen Union zur Erlassung der DAC-6-Richtlinie, in Jann et al, Meldepflicht für potenziell aggressive Steuerplanungsmodelle, SWI-Spezial (2020) 4 (6f).

26 Vgl Birri/Zünd/Leisinger, Der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten (AIA), in Canete/ Kubaile/Petritz/Zünd , Praxisleitfaden zum automatischen Informationsaustausch (2017) 11f.

1.3.Automatischer Austausch von Kontoinformationen gemäß DAC2 und GMSG

Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt – da auch Gegenstand des hier diskutierten VfGH-Erkenntnisses – auf dem automatischen Austausch von Kontoinformationen auf Grundlage der im Jahr 2014 beschlossenen ersten Änderungsrichtlinie (DAC2).27 Hintergrund der Änderungsrichtlinie ist die Umsetzung des Gemeinsamen Meldestandards (CRS) der OECD, welcher wiederum auf die US-FATCA-Regelungen (Foreign Account Tax Compliance Act) zurückzuführen ist und diese im Wesentlichen übernimmt.28 In Österreich wurden die Vorschriften der DAC2 durch das Bankenpaket 2015 im Rahmen des Gemeinsamer Meldestandard-Gesetzes (GMSG)29 umgesetzt. Das am 1.1.2016 in Kraft getretene GMSG regelt innerstaatlich – als Teil der Amtshilfe nach dem EUAHG (§7 Abs4 AHG) – die Verpflichtung zum reziproken automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten zwischen den österreichischen Steuerbehörden und jenen der teilnehmenden Staaten.30 Diese umfassen – wie bereits oben erwähnt – einerseits die Mitgliedstaaten der EU, aber auch Drittstaaten, die Vertragsparteien des CRS MCAA sind.31 Der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten gemäß CRS, DAC2 sowie infolgedessen auch nach dem GMSG zielt dabei auf Sachverhalte ab, in denen eine meldepflichtige Person in einem teilnehmenden Mitgliedstaat (steuerlich) ansässig ist,32 jedoch ein Finanzkonto bei einem Finanzinstitut mit Ansässigkeit in einem anderen teilnehmenden Mitgliedstaat hat.33 Es wird demnach das soeben beschriebene grenzüberschreitende Element vorausgesetzt, andernfalls – also bei rein inländischen Sachverhalten – die Meldevorschriften nach dem GMSG nicht anwendbar sind. Der Austausch von Informationen über Finanzkonten nach dem GMSG ist konzeptionell derart ausgestaltet, dass die relevanten Daten in einem ersten

27 Zum OECD-Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten und dessen Umsetzung auf Ebene der EU näher Seer/Wilms, StuW2015, 118 (119ff); Engel-Kazemi/Wöhrer in Lang/Haunold, Transparenz, 47 (47ff).

28 Siehe ausführlich Blum/Csoklich, ÖBA2015, 722 (732f); Canete/Kubaile/Petritz/Zünd, Automatischer Informationsaustausch, 2ff.

29 BGBl I 2015/116.

30 Beim automatischen Informationsaustauch handelt es sich gemäß §2 Abs1 Z10 EU-AHG um die „systematische Übermittlung zuvor festgelegter Informationen an einen anderen Mitgliedstaat ohne dessen vorheriges Ersuchen in regelmäßigen, im Voraus bestimmten Abständen“. Vgl auch §1 GMSG.

31 Vgl hierzu §91 Z2 GSMG und die Liste der teilnehmenden Staaten gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zu §91 Z2 GMSG über die Liste der teilnehmenden Staaten idF BGBlII 2023/164.

32 Vgl §31 GSMG.

33 Polivanova-Rosenauer, Ausgewählte Eckpunkte des automatischen Informationsaustausches, ZWF2017, 30 (31).

Schritt vom Finanzinstitut gesammelt und an die zuständige Behörde übermittelt werden. Sodann werden diese Informationen im Rahmen des automatischen Informationsaustausches bilateral mit den teilnehmenden Staaten ausgetauscht.34

Gemäß den Vorschriften des GMSG haben die Finanzinstitute für jedes meldepflichtige Konto einer meldepflichtigen Person jeweils bis Ende Juni des Kalenderjahres für das davor liegende Kalenderjahr an das Finanzamt für Großbetriebe als hierfür zuständiges Finanzamt eine Reihe an Informationen zu übermitteln. Diese umfassen gemäß §3 GMSG Informationen über die natürliche Person/den Rechtsträger, Kontoinformationen (darunter auch Kontosaldo und -wert) sowie bestimmte auf diesem Konto verzeichnete Einkünfte wie Zinsen, Dividenden oder Veräußerungserlöse aus Finanzvermögen.35 Diese Informationen werden sodann vom zuständigen Finanzamt an den Bundesminister für Finanzen weitergeleitet, der wiederum entsprechend der Vorschrift des §112 GMSG diese Daten automatisch mit den zuständigen (Steuer-)Behörden jedes teilnehmenden Mitgliedstaates austauscht. Sofern Österreich der Empfangsstaat der jeweiligen Informationen über das Finanzkonto ist, hat der Bundesminister für Finanzen gemäß §113 GMSG einmal jährlich diese erhaltenen Informationen an die zuständigen (inländischen) Abgabenbehörden weiterzuleiten.

2.Der automatische Informationsaustausch auf dem Prüfstand des VfGH

2.1.Sachverhalt

Die Vereinbarkeit des oben beschriebenen automatischen Informationsaustausches betreffend Kontoinformationen auf Grundlage des GSMG und damit der DAC2 mit dem in Art8 EMRK, Art7 und8 GRC sowie §1 DSG grundrechtlich verbürgten Recht auf Datenschutz war nun erstmals Gegenstand eines auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerdeverfahrens vor dem VfGH.36 Der Entscheidung des VfGH vom 9.3.2023, E2097/2021, lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde: Eine in Österreich steuerlich ansässige natürliche Person (Beschwerdeführer) verfügte über ein Konto bei einer Bank in Deutschland. Aufgrund der durch den Bundesminister für Finanzen – entsprechend der Vorschrift des §113 GMSG – erfolgten Verarbeitung der automatisch vom deutschen Bundeszentralamt für Steuern erhaltenen Bankinformationen des Beschwerdeführers und Weiterleitung dieser Daten an die zuständige (inländische) Abgaben-

34 Engel-Kazemi/Wöhrer in Lang/Haunold, Transparenz, 47 (56f); Ehrke-Rabel, SWI2016, 67 (73).

35 Vgl weiters Naderer/Windhager/Strobach in Strobach, Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz (2016) §3 Rz1ff; dazu auch Engel-Kazemi/Wöhrer in Lang/Haunold , Transparenz, 47 (73f).

36 VfGH 9.3.2023, E2097/2021.

behörde sah sich der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt. Überdies hätte die Datenverarbeitung gegen verschiedene einfachgesetzliche Datenschutzvorschriften verstoßen. Diese datenschutzrechtlichen Bedenken machte der Beschwerdeführer zunächst in einer Beschwerde an die Datenschutzbehörde gemäß §24 DSG geltend. Die Datenschutzbehörde wies die Beschwerde mit Teilbescheid ab, wogegen der Beschwerdeführer beim zuständigen BVwG Rechtsmittel erhob. Gegen die darauffolgende abweisende Entscheidung des BVwG erhob der Beschwerdeführer Erkenntnisbeschwerde beim VfGH gemäß Art144 B-VG. Darin machte er im Wesentlichen geltend, dass die Datenverarbeitung gemäß §113 GMSG (bzw der Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie idF DAC2) das in Art8 GRC verankerte Grundrecht auf Datenschutz verletze und diese demnach ohne die in Art52 GRC geforderte rechtmäßige gesetzliche Grundlage erfolgt sei. Begründet wurde diese vermeintliche Verletzung des Art8 GRC mit der Unverhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs. So liege zwar das Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung im öffentlichen Interesse, jedoch sei die konkrete Datenverarbeitung nicht für die Erreichung dieses Ziels erforderlich. Der verpflichtend zu übermittelnde Kontosaldo sei gänzlich ungeeignet, steuerbare Vorgänge nachzuvollziehen. Die Information, dass ein ausländisches Konto bestehe, sei hinreichend, um sicherzustellen, dass die Steuerverwaltung gegebenenfalls weitere Ermittlungsschritte setzen könne, sodass ein gelinderes Mittel vorliege. Zudem sei der Rechtsunterworfene in seinem in der Rs Bara bestätigten prozeduralen Teilhaberecht auf Information über die Weitergabe seiner Kontoinformationen verletzt worden.

2.2.Entscheidung des VfGH

Der VfGH wies die Beschwerde im Ergebnis als nicht begründet ab. Zunächst identifizierte der Gerichtshof die relevante grundrechtliche Bestimmung, an der §113 GMSG zu messen war. Hierzu stellte er fest, dass die vom Beschwerdeführer als grundrechtswidrig bezeichneten Bestimmungen der §§112 sowie 113 GMSG die Vorgaben des Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie idF DAC2 – ausweislich den Gesetzesmaterialien37 – vollständig inhaltlich und nahezu wortident umsetzen. Es handelt sich daher um eine vollharmonisierte Unionsrechtsmaterie, die den Mitgliedstaaten in Bezug auf den Umfang der weiterzuleitenden Daten keinen inhaltlichen Umsetzungsspielraum lässt.38 Damit sei die Bestimmung am Maßstab der Art7 und8 GRC zu messen und die Zuständigkeit zur Prü-

37 Vgl ErlRV 685 BlgNR 25.GP, 21f, wo es heißt: „Der Umfang der zu übermittelnden Informationen entspricht vollinhaltlich den Bestimmungen des durch diese Richtlinie in Art8 der Richtlinie 2011/16/EU neu eingefügten Abs3a.“

38 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz36.

fung der Verfassungsmäßigkeit der §§112 sowie 113 GMSG komme demnach – so der VfGH – dem Gerichtshof nur dann zu, wenn der EuGH die zugrunde liegende, die nationalen Umsetzungsbestimmungen vollständig determinierende, Bestimmung des Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie idF DAC2 für ungültig erklärt.39 Da allerdings allfällige Bedenken ob der Vereinbarkeit der sekundärrechtlichen Bestimmung des Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie idF DAC2 mit den Art7 und8 GRC auf Achtung des Privat- und Familienlebens bzw auf Schutz personenbezogener Daten nicht entstanden waren, sah sich der VfGH nicht dazu veranlasst, die Gültigkeit der Richtlinienbestimmung im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens klären zu lassen.40

Begründend führte er hierzu aus, dass die Weitergabe von (Bank-)Informationen nach der Bestimmung des Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie idF DAC2 (und somit auch nach den §§112 und113 GMSG) nicht nur Steuerbetrug und Steuerhinterziehung verhindern, „sondern auch insgesamt die Wirksamkeit und Effizienz der Steuererhebung fördern sowie ‚aggressive Steuerplanung‘ eindämmen“41 soll. Die Richtlinie würde damit mehrere Ziele verfolgen, welche allesamt im öffentlichen Interesse liegen.42 In diesem Zusammenhang verwies der VfGH auf ErwGr10 DAC2, demzufolge die Informationsverarbeitung im Rahmen der Richtlinie notwendig ist, damit „die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten die betreffenden Steuerpflichtigen korrekt und zweifelsfrei ermitteln, ihr Steuerrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten anwenden und durchsetzen, die Wahrscheinlichkeit einer vorliegenden Steuerhinterziehung beurteilen und unnötige weitere Untersuchungen vermeiden können“. 43

Nach der Rechtsprechung des EuGH würden die Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und die Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug von der Union anerkannte dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen iSd Art52 GRC darstellen, die – wenn auch unter Gesetzesvorbehalt – einen Eingriff in die in Art7 und8 GRC garantierten Rechte rechtfertigen. Dies gilt – so der VfGH – „naturgemäß im Besonderen für die Besteuerung von Erträgnissen aus Auslandsveranlagungen sowie generell für Einnahmen, die auf ausländischen Finanzkonten erfasst werden, womit die Regelung des Art8 Abs3a der Richtlinie eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung verfolgt“. 44 Dabei ist nach den Feststellungen des VfGH nicht zu erkennen, dass die Richtlinienbestimmung über jenes Maß hinausgeht, das zur Erreichung des Ziels

39 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz37.

40 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz38.

41 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz41, mit Verweis auf ErwGr1 und3 DAC2.

42 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz42.

43 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz43.

44 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz44.

geeignet und unbedingt erforderlich ist.45 Denn wenngleich Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie idF DAC2 den Ansässigkeitsstaat der natürlichen Person nicht davon entbindet, auf Basis der erhaltenen (Bank-)Informationen weiterführende Ermittlungen anzustellen, ermöglichen – so der VfGH – die ausgetauschten (Bank-)Informationen „eine effiziente Durchführung des Verfahrens zur Steuererhebung, indem die Ermittlungen auf jene Fälle konzentriert werden können, in denen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefährdet erscheinen könnte“ 46 Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedenken zur Datensicherheit der ausgetauschten (Bank-)Informationen verwies der VfGH lediglich darauf, dass der Bundesminister für Finanzen sowie alle am Informationsaustausch beteiligten Behörden „unzweifelhaft an die Vorgaben der DSGVO und deren Standard (vgl Art32 DSGVO) gebunden sind, um den erforderlichen Sicherheitsanforderungen für die Verarbeitung zu entsprechen“. 47

Auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Entscheidungen des EuGH, die die Primärrechtswidrigkeit der infrage stehenden Richtlinienbestimmungen darlegen würden, ging der VfGH zwar ein, hielt sie jedoch für den vorliegenden Beschwerdefall nicht einschlägig und nicht darauf übertragbar. So hält der VfGH ua die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung angestellten Überlegungen des EuGH zur Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat für die Datenverarbeitung im Rahmen der DAC2 für nicht einschlägig.48 Denn anders als die – mittlerweile vom EuGH aufgehobene –Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung49 betreffen die im Rahmen der DAC2 verarbeiteten Daten nicht den Kernbereich des Privatlebens und lassen nicht „sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der betroffenen Personen, wie etwa Gewohnheiten des täglichen Lebens, ständiger oder vorübergehender Aufenthaltsort“50 zu. Zudem ist – so der VfGH – aus dem vom Beschwerdeführer genannten Urteil des EuGH in der Rs Bara51 nicht ableitbar, dass Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie idF DAC2 (sowie die nationalen Umsetzungsbestimmungen der §§112 sowie 113 GMSG) gegen Art8 GRC verstoßen

45 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz47.

46 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz47.

47 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz48.

48 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz48; siehe EuGH 8.4.2014, Digital Rights Ireland ua, C-293/12 und C594/12; 21.12.2016, Tele2 Sverige ua, C-203/15 und C698/15.

49 Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.3.2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zu r Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, ABlL105 vom 13.4.2006, S54.

50 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz51, mit Verweis auf EuGH 8.4.2014, Digital Rights Ireland ua, C-293/12 und C-594/12, Rn27.

51 EuGH 1.10.2015, Bara, C-201/14.

würde. In der genannten Entscheidung sprach der EuGH aus, dass eine Informationspflicht nach Art11 Datenschutzrichtlinie52 (nunmehr Art14 DSGVO)53 bestehen kann, „wenn personenbezogene Steuerdaten durch Steuerbehörden an andere Verwaltungsbehörden übermittelt werden und diese Übermittlung nicht durch Rechtsvorschriften festgelegt wurde“. 54 Aber auch die vom Beschwerdeführer vorgebrachten EuGHEntscheidungen Puškár55 sowie Luxembourg Business Registers56 hielt der VfGH für nicht einschlägig, da die infrage stehende Richtlinienbestimmung weder die Erstellung etwaiger Listen von natürlichen Personen, die nach Ansicht der Finanzverwaltung nur zum Schein Führungspositionen bekleiden, noch die Zugänglichkeit der (Bank-)Informationen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zum Inhalt hatte.

3.Anmerkungen zur Entscheidung

3.1.Einschlägige Grundrechtsnorm, Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit des Eingriffs

3.1.1.Bindung an die GRC im Fall vollharmonisierter Materien

Das Grundrecht auf Datenschutz ist gleich mehrfach verbürgt. Im gegenständlichen Fall stellte sich daher zunächst die Frage nach der einschlägigen Grundrechtsnorm, an deren Vorgaben die §§112 und 113 GMSG konkret zu messen waren. Im innerstaatlichen Verfassungsrecht normiert §1 DSG, dass jedermann den Anspruch auf die Achtung seines Privatund Familienlebens und auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Unter dem Begriff der geschützten personenbezogenen Daten sind all jene Daten zu verstehen, die mit einer bestimmten oder bestimmbaren Person verknüpft sind. Hierzu zählen auch Kontoinformationen.57 Darüber hinaus garantieren Art8 EMRK sowie Art8 GRC das Grundrecht auf Datenschutz, wobei dieses – anders als in Art8 GRC – in Art8 EMRK nicht explizit genannt, sondern als Ausfluss des Rechts auf Achtung des Privatlebens

52 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABlL281 vom 23.11.1995, S31.

53 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABlL119 vom 4.5.2016, S1.

54 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz53.

55 EuGH 27.9.2017, Puškár, C-73/16.

56 EuGH 22.11.2022, Luxembourg Business Registers, C-37/20 und C-601/20.

57 Lehner/Lachmayer, Datenschutz im Verfassungsrecht, in Bauer/Reimer, Handbuch Datenschutzrecht (2009) 95 (107f); Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 (2014) §1 Rz2ff.

verstanden wird.58 Auch das Konventions- und Chartagrundrecht auf Datenschutz schützt vor der – nicht vom Gesetzesvorbehalt gedeckten –Verarbeitung personenbezogener Daten, worunter EGMR und EuGH regelmäßig auch steuerrelevante Informationen subsumiert haben.59 Wie der VfGH zutreffenderweise festhält, setzen die §§112 und113 GMSG die Vorgaben des Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie um, wobei dem nationalen Gesetzgeber kein Gestaltungsspielraum eingeräumt wird. Aus diesem Grund ist – wie auch der VfGH festhält – die Bestimmung alleine am Maßstab der Art7 und8 GRC, dh am unionsrechtlich determinierten Chartagrundrecht, zu messen.60 Anzumerken ist, dass für die Auslegung des Art8 GRC – und damit für den hier diskutierten Fall – die einschlägige EGMR-Rechtsprechung allerdings sehr wohl beachtlich ist, insofern sich aus Art52 Abs3 und Art53 GRC ergibt, dass das Grundrechtsverständnis der EMRK auch im Anwendungsbereich der GRC gilt;61 oder wie der VfGH in seinem viel beachteten Charta-Grundsatzerkenntnis formuliert: „[D]ie sich aus den nationalen Verfassungen, völkerrechtlichen Verträgen und der Grundrechte-Charta ergebenden Grundrechte [sind] möglichst kohärent auszulegen […]“. 62

3.1.2.Gesetzesvorbehalt gemäß

Art8 Abs2 GRC

Das Grundrecht auf Datenschutz wirkt – unabhängig von der Rechtsgrundlage – nicht absolut, sondern steht unter Gesetzesvorbehalt. So sieht Art8 Abs2 EMRK vor, dass der Grundrechtseingriff nur auf Grundlage eines – hinreichend genau bestimmbaren – Gesetzes erfolgen kann. Zudem muss dieser eine Maßnahme darstellen, „die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist“. In ähnlicher Weise ergänzt Art8 Abs2 GRC den allgemeinen Geset-

58 Grabenwarter/Pabel, EMRK6 (2016) 284.

59 Baker, Taxation and the European Convention on Human Rights, European Taxation 2000, 298 (319ff); Baker , Tax Notes International 2016, 583 (583ff); Schaper, Data Protection Rights and Tax Information Exchange in the European Union, Maastricht Journal 2016, 514 (517ff); Rust , Data Protection as a Fundamental Right, in Fort/Rust, Exchange of Information and Tax Law (2012) 177 (189ff).

60 Vgl hierzu auch Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 16ff; Krähenbühl, Personal Data Protection Rights within the Framework of International Automatic Exchange of Financial Account Information, European Taxation 2018, 354 (356ff).

61 Vgl EuGH 9.11.2010, Schecke und Eifert, C-92/09 und C-93/09, Rn52; hierzu auch Ehrke-Rabel, SWI2016, 67 (70); ebenso Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 50f.

62 VfGH 14. 3. 2012, U 466/11, U 1836/11.

zesvorbehalt des Art52 GRC, wenn die Vorschrift festhält, dass „diese [Anmerkung der Autoren: personenbezogenen] Daten […] nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden“ dürfen. Wie der VfGH unter Verweis auf die Rs Orde van Vlaamse Balies ua63 ausführt, muss der gesetzlich vorgesehene Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz daher „einem von der Europäischen Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich“64 entsprechen.

Den vorgenannten Gesetzesvorbehalten ist gemein, dass der Grundrechtseingriff nicht nur durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt, sondern auch verhältnismäßig sein muss.65 „Bei Eingriffen in das Recht auf Schutz der persönlichen Daten ergibt sich aus der Rechtsprechung, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Erhebung bestimmter Daten und dem Schutz des Privatlebens zu treffen ist. Es ist das öffentliche Interesse an der Erlangung und Verwertung der Daten gegenüber dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht abzuwägen“66 – so der VfGH. Hierbei ist – ausweislich der EuGHRechtsprechung – der Grundrechtseingriff auf das absolut notwendige Maß zu beschränken;67 oder wie es §1 Abs2 letzter Satz DSG ausdrückt: Der Grundrechtseingriff darf „nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden“. 68

3.1.3.Rechtfertigung des Austausches von Kontoinformationen

Der durch die Verarbeitung persönlicher Daten (hier: Kontoinformationen) begründete Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz im Rahmen des Informationsaustausches zwischen Abgabenbehörden ist ausweislich der einschlägigen EGMR- und EuGH-Judikatur grundsätzlich einer Rechtfertigung zugänglich.69 In der Rs F.S. gg Deutschland,70 der den spontanen Informationsaustausch betreffend Kontodaten iSd der

63 EuGH 8.12.2022, Orde van Vlaamse Balies ua, C-694/ 20.

64 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz41.

65 EuGH 8.4.2014, Digital Rights Ireland ua, C-293/12 und C-594/12, Rn38, 47, 69; EGMR 4.12.2008, Marper gg Vereinigtes Königreich, Bsw30562/04, 30566/04.

66 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz41.

67 Vgl EuGH 8.4.2014, Digital Rights Ireland ua, C-293/ 12 und C-594/12, Rn46, 52; Ehrke-Rabel, SWI2016, 67 (76); Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 78.

68 Vgl Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2, §1 Rz3.

69 Vgl Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 78ff; vgl auch Krähenbühl, European Taxation 2018, 354 (356ff); Favaloro, The Exchanges of Tax Information between EU Member States and Third Countries, European Taxation 2021, 133 (133ff).

70 EGMR 27.11.1996, F.S. gg Deutschland, Bsw30128/ 96.

Amtshilferichtlinie zum Gegenstand hatte, vertrat der EGMR die Auffassung, dass der spontane Informationsaustausch aufgrund des Verdachts der Abgabenhinterziehung im informierten Staat im öffentlichen Interesse erfolge und damit gerechtfertigt war. Dieser Vorgang sei von Ziel und Zweck der korrekten Steuererhebung getragen und auch nicht unverhältnismäßig. Interessanterweise bezog sich der EGMR dabei explizit auf den Trend, die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen zu verstärken („bearing in mind the current trend towards strengthening international cooperation in the administration of justice“).71 Auch der VfGH verweist in seinem Erkenntnis zum automatischen Informationsaustausch auf den Umstand, dass die DAC2 letztlich einen internationalen von der OECD erarbeiteten Standard umsetze.72 Seine in der Rs F.S. gg Deutschland entwickelten Überlegungen zur grundsätzlichen Rechtfertigung des Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz im Rahmen des grenzüberschreitenden Austausches von Steuerinformationen führte der EGMR –wenn auch mit teilweise unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen – in den Rs Othymia Investments BV gg Niederlande,73 M.N. ua gg San Marino74 und G.S.B gg Schweiz75 konsequent fort.76 Zudem hat der EuGH selbst in jüngster Vergangenheit ausgeführt, dass die Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und die Verhinderung von Steuerhinterziehung und -betrug ein von der Union anerkanntes im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel iSd Art52 Abs1 GRC und damit in der Lage ist, den Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz iSd Art7 und8 GRC zu rechtfertigen.77

3.1.4.Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs

Im Ergebnis bestehen daher, wie auch der VfGH zutreffenderweise festhält, dem Grunde nach keine Zweifel daran, dass die Informationsweitergabe im Rahmen des automatischen Informationsaustausches gemäß GMSG/DAC2 durch die Abgabenbehörde im öffentlichen Interesse gelegen und daher gerechtfertigt sein kann. Auch der Beschwerdeführer hat dies – zumindest in Bezug auf das Ziel der Verhinderung von Steuerhinterziehung – nicht bestritten. Fraglich war allerdings, ob die dabei getroffene Abwägungsentscheidung zwischen öffentlichem Interesse an der Erhebung gewisser Daten und dem Schutz des Privatlebens tatsächlich zur

71 EGMR 27.11.1996, F.S. gg Deutschland, Bsw30128/96.

72 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz46.

73 EGMR 16. 6. 2015, Othymia Investments BV gg Niederlande, Bsw75292/10.

74 EGMR 7. 7. 2015, M.N. ua gg San Marino, Bsw28005/ 12.

75 EGMR 22. 12. 2015, G.S.B gg Schweiz, Bsw28601/11.

76 Vgl Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 78f.

77 EuGH 6.10.2020, Luxemburgischer Staat, C-245/19 und C-246/19; 8.12.2022, Orde van Vlaamse Balies ua, C-694/20.

Anwendung des gelindesten Mittels führt, dh verhältnismäßig ist. Der VfGH bejahte dies im vorliegenden Fall und führte hierfür im Wesentlichen zwei Argumente an.

Die übermittelten Daten (Name, Anschrift, Steuernummer, Geburtsort/-datum, Kontonummer, Kontosaldo und Gesamtbruttobetrag der erhaltenen Zinsen) beträfen – anders als die von der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie, die Gegenstand des EuGH Verfahrens Digital Rights Ireland ua78 war, erfassten Informationen – nicht den Kernbereich des Privatlebens und lassen daher keine Schlüsse auf die privaten Gewohnheiten des betroffenen Schutzsubjekts zu.79 Implizit bringt der VfGH damit zum Ausdruck, dass es zulässig sei, in Abhängigkeit von der Natur der Daten an die Verhältnismäßigkeit iSd Geeignetheit und Erforderlichkeit der Informationsübermittlung unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Ähnliche Überlegungen lassen sich bereits in der Rechtsprechung des VfGH zur Wiener Vergnügungssteuer aus dem Jahr 1991 ausmachen.80 Diese Unterscheidung findet sich zudem in Ansätzen auch in der Rechtsprechung des EGMR, der etwa in der Rs G.S.B gg Schweiz zwischen Kontoinformationen als „purely financial information“ und Information über den Kern des Privatlebens, dh „intimate details or data closely linked to his identity“, unterscheidet.81

Das zweite Kernargument für die Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs durch die §§112 und 113 GMSG betrifft die konkrete Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit iSd Erforderlichkeit und Geeignetheit. Hierbei betont der VfGH, dass der automatische Austausch von Kontoinformationen gemäß DAC2 nicht nur der Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und der Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug diene, sondern „auch insgesamt die Wirksamkeit und Effizienz der Steuererhebung fördern“ solle.82 Der Beschwerdeführer hatte nämlich – unter Verweis auf das Ziel der DAC2, Steuerhinterziehung zu bekämpfen – argumentiert, dass erstens der automatische Informationsaustausch ohne jeglichen Hinweis auf Steuerhinterziehung im Einzelfall über das erforderliche Maß hinausgehe und zweitens zudem die Weitergabe der durch das GMSG definierten Kontoinformationen gar nicht geeignet sei, der Steuerverwaltung bei der Erreichung dieses Ziels zu helfen. Aus der Kenntnis seines Namens, seines Geburtsorts und des Saldos seines

78 EuGH 8.4.2014, Digital Rights Ireland ua, C-293/12 und C-594/12.

79 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz51.

80 VfGH 14.3.1991, G148/90; G149/90; G150/90; G151/90; G152/90; G153/90; G154/90; G155/90; Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 72.

81 EGMR 22. 12. 2015, G.S.B gg Schweiz, Bsw28601/11, Rz92.

82 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz42.

Kontos sei für die Steuerbehörde nichts gewonnen, da diese Information ungeeignet sei, einen steuerrechtlich relevanten Umstand zu belegen. Die Meldung der Existenz des Auslandskontos wäre vielmehr ausreichend, um das Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung zu verwirklichen, und damit das gelindere Mittel. Der VfGH betont demgegenüber, dass bereits das Ziel der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ausreiche, um den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen. Um die Bekämpfung der Steuerhinterziehung und des Abgabenbetrugs ginge es in diesem Fall gar nicht, weshalb auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Erforderlichkeit und Geeignetheit nicht verfangen. Dadurch, dass der Steuerbehörde nicht nur die Existenz des Kontos, sondern auch dessen Saldo übermittelt wird, könne diese ihre Ressourcen zur weiterführenden Ermittlung zielgerichteter und effizienter einsetzen.83 Daher sei auch der Umfang der übermittelten Informationen verhältnismäßig.

Diese Argumentation kann kritisch hinterfragt werden. Zunächst ist uE aus der Genese (Stichwort: FATCA) und auch den Formulierungen in den Erwägungsgründen der DAC2 klar, dass vorrangiges Ziel des Gemeinsamen Meldestandards die Bekämpfung von Steuerbetrug und Abgabenhinterziehung durch die Nichtangabe von über ausländische Konten bezogenen Einkünften ist.84 Der vom VfGH als Nachweis für ein darüber hinausgehendes eigenständiges Ziel der DAC2, nämlich der Sicherstellung der gleichmäßigen Steuererhebung, vorgebrachte ErwGr10 der Richtlinie verweist zwar tatsächlich in seinen letzten Zeilen darauf, dass die gemeldeten Informationen die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten dazu befähigen sollen, „die betreffenden Steuerpflichtigen korrekt und zweifelsfrei [zu] ermitteln, ihr Steuerrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten an[zu]wenden und durch[zu]setzen, die Wahrscheinlichkeit einer vorliegenden Steuerhinterziehung [zu] beurteilen und unnötige weitere Untersuchungen vermeiden [zu] können“.85 Allerdings sprechen die ErwGr1, 2 und 3 stets von der Bekämpfung des grenzüberschreitenden Steuerbetrugs und grenzüberschreitender Steuerhinterziehung. Zudem gehen der vom VfGH zitierten Aussage in ErwGr10 programmatisch die folgenden ersten beiden Sätze voraus: „Mit den von dieser Richtlinie erfassten Kategorien meldender Finanzinstitute und meldepflichtiger Konten sollen die Möglichkeiten der Steuerpflichtigen eingeschränkt werden, die Meldung zu vermeiden, indem sie Vermögen auf Finanzinstitute verlagern oder in Finanzprodukte investieren, die nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen. Allerdings sollten einige Finanzinstitute und Konten, bei denen ein geringes Risiko besteht, dass

83 VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz46f.

84 Vgl zu FATCA ausführlich Blum/Csoklich, ÖBA2015, 722 (722ff); Günther/Jergitsch, ÖBA 2016, 106 (107ff).

85 ErwGr 10 DAC 2.

sie zur Steuerhinterziehung missbraucht werden [Hervorhebung durch Autoren], vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden“.86 Auch die vom VfGH in weiterer Folge zitierte Rechtsprechung des EuGH betreffend den Informationsaustausch in Steuersachen auf Ersuchen referenziert stets auf das Ziel der Bekämpfung von Abgabenverkürzung.87 Es ist daher uE klar, dass das primäre Ziel der DAC2 stets die Bekämpfung von Steuerhinterziehung ist. Die mögliche Vereinfachung des allgemeinen grenzüberschreitenden Abgabenvollzugs ist dabei lediglich ein willkommener „Nebeneffekt“.

Ziel der Überlegungen des VfGH war es wohl, durch Erweiterung der Rechtfertigung auf das sehr allgemein gehaltene Ziel der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Steuererhebung die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu reduzieren. Auf das Problem, dass der automatische Informationsaustausch, anders als jener auf Ersuchen, gerade kein Vorliegen konkreter Verdachtsmomente betreffend eine etwaige Abgabenverkürzung im Sinne einer voraussichtlichen Erheblichkeit der angeforderten Informationen voraussetzt, und auf die damit verbundenen Fragen betreffend seine Verhältnismäßigkeit brauchte der Gerichtshof daher nicht mehr einzugehen. Die Umsetzung von FATCA in Österreich zeigt, dass nämlich gerade zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung durch die Nichtmeldung eines Auslandskontos auch ein anderer – gelinderer –Weg bestünde. Hierbei wird lediglich die Existenz des Kontos gemeldet, einen Einblick in die einzelnen Vorgänge und Transaktionen vermittelt allerdings erst eine die Verdachtsmomente näher anführende Anfrage des ersuchenden Staates.88

Folgt man der Argumentation des VfGH, wäre auch eine noch weitergehende Informationssammlung und -übermittlung betreffend steuerlich relevante Informationen gerechtfertigt und verhältnismäßig, solange dies der Steuerbehörde die Steuererhebung in dem Sinne vereinfacht, dass es zu einem effizienten Ressourceneinsatz kommt und die Information der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienlich ist. Die an die Verhältnismäßigkeit gestellten Anforderungen erscheinen damit allerdings sehr gering und wohl nicht mehr auf das absolut Notwendige reduziert. Gewissermaßen wird dadurch sogar der Verweis auf die anderen – augenscheinlich primären – Ziele der DAC2 weitestgehend obsolet, da die Bekämpfung der Steuerhinterziehung stets eine Teilmenge des Ziels der Sicherstellung der gleichmäßigen Steuererhebung sein wird. Das zweitere Ziel bedingt denklogisch das erste. Dem österreichischen

86 ErwGr 10 DAC 2.

87 EuGH 6.10.2020, Luxemburgischer Staat, C-245/19 und C-246/19; 8.12.2022, Orde van Vlaamse Balies ua, C-694/20.

88 Vgl Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 79.

Abgabepflichtigen kommt nach geltendem Recht eine – im grenzüberschreitenden Fall sogar erhöhte – Offenlegungspflicht hinsichtlich der von ihm verwirklichten steuerlich relevanten Sachverhalte zu.89 Eine vorsätzlich Missachtung dieser Pflichten ist – sofern diese zu einer Abgabenverkürzung führt – (finanz)strafrechtlich sanktioniert.90 Die Betonung dieses vermeintlich zusätzlichen – über die Bekämpfung von Steuerhinterziehung hinausgehenden –Ziels im öffentlichen Interesse, woran ein verringerter Erforderlichkeits- und Geeignetheitsmaßstab geknüpft ist, hat demnach das Potenzial, zu einer Reduktion des datenschutzrechtlichen Schutzstandards im grenzüberschreitenden Informationsaustausch zu führen, und ist zudem mit unzähligen Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden. Es bleibt daher zu hoffen, dass der VfGH (bzw der EuGH und/oder der EGMR) diesen Argumentationsweg sorgsam einsetzt und dieser dem Gesetzgeber nicht als „Freifahrtschein“ dient, die Interessenabwägung zwischen dem Fiskalzweck des Steuerrechts und dem Grundrecht auf Datenschutz unter Verweis auf das Ziel der Gleichmäßigkeit der Besteuerung stets zu Gunsten des Ersteren aufzulösen.

3.2.Prozedurale Teilhaberechte

Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, versucht der VfGH in der hier besprochenen Entscheidung, ausführlich die Grundrechtskonformität der Bestimmungen des Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie idF DAC2 sowie der §§112 und 113 GMSG als deren nationalen Umsetzungsbestimmungen mit dem Recht auf Datenschutz zu begründen. Im Ergebnis zeigt sich dabei, dass der Ermessensspielraum des Gesetzgebers bei Eingriffen in das Grundrecht auf Datenschutz im Fall der Amtshilfe in Steuersachen materiell nur geringfügig eingeschränkt zu sein scheint. Nur beiläufig geht das Erkenntnis auf die mögliche Verletzung der grundrechtlich verbürgten prozeduralen Teilhaberechte iZm dem automatischen Informationsaustausch ein. Unter dem Begriff „Teilhaberechte“ werden jene Informations-, Auskunft s-, Richtigstellungsund Löschungsrechte zusammengefasst, die von der jeweiligen von der Datenverarbeitung betroffenen Person geltend gemacht werden können und die auch durch Art8 GRC gewährleistet werden.91 Näher konkretisiert werden diese Teilhaberechte sodann in der DSGVO,92 die für Auslegungszwecke des Art8 GRC maßgeblich

89 Vgl Nachweise in FN 5 und 12.

90 Vgl etwa §§33 und 34 FinStrG.

91 Vgl Riesz in Holoubek/Lienbacher, GRC-Kommentar2 (Stand 1.4.2019, rdb.at) Art8 Rz75ff; ebenso EngelKazemi/Wöhrer in Lang/Haunold , Transparenz, 47 (47ff); zu den prozeduralen Teilhaberechten allgemein auch Rust/Blum , Grundrechteschutz im Steuerrecht, 80ff.

92 Vgl Art12 ff DSGVO; vgl auch Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 81.

ist.93 Auch in der zugrunde liegenden Entscheidung verweist der VfGH des Öfteren auf die Bestimmungen der DSGVO und hält diese im konkreten Fall ohne weitere Bedenken für anwendbar. Dabei ist die Antwort auf die Frage der Anwendbarkeit der DSGVO im Steuerverfahren nicht derart klar, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag.94 Erst im Jahr 2022 hatte sich der EuGH in der Rs Valsts ieņēmumu dienests95 mit dieser Thematik auseinandergesetzt und gelangte dabei – überraschenderweise ohne große Mühen – zum Schluss, dass etwaige Ausnahmebestimmungen des Art2 Abs2 DSGVO auf das Steuerverfahren nicht zur Anwendung gelangen und daher auch in solchen Verfahren die DSGVO uneingeschränkt gilt.96 Damit ist klar, dass die in der DSGVO verankerten Teilhaberechte auch betreffend das Abgabenverfahren –wie ua iZm dem automatischen Informationsaustausch gemäß DAC2 – zu beachten sind.

Diese von Art8 GRC geschützten und durch die DSGVO konkretisierten Teilhaberechte werden jedoch durch die Amtshilferichtlinie partiell beschränkt.97 Nach Art25 Amtshilferichtlinie begrenzen die Mitgliedstaaten die in der Datenschutzrichtlinie (nunmehr DSGVO)98 vorgesehenen Informations-, Auskunfts-, Richtigstellungs- und Löschungsrechte, „soweit dies notwendig ist, um die in Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe e jener Richtlinie [nunmehr Art23 Abs1 lite DSGVO] genannten Interessen zu schützen“. In Umsetzung der damaligen Richtlinien-Anordnung hat der nationale Gesetzgeber diese Beschränkung der Teilhaberechte in §19 EU-AHG aF99 umgesetzt, wobei mit Erlassung der DSGVO eine Novellierung der Bestimmung erfolgte. Gemäß der nunmehr gültigen Vorschrift des §19 Abs1 EU-AHG bestehen die Informationspflichten gemäß Art13 und14 DSGVO sowie das Auskunftsrecht nach Art15 DSGVO insoweit nicht, „als dies zum Schutz wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Europäischen Union, der Republik Österreich oder eines anderen Mitgliedstaats (insbesondere wichtiger außenpolitischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Interessen) geeignet, erforderlich und angemessen ist“ 100 Damit steht auch die Einschränkung der prozeduralen Teilhaberechte wiederum unter demselben Gesetzesvorbehalt wie der materielle Eingriff in das Grund-

93 Vgl Riesz in Holoubek/Lienbacher, GRC2, Art8 Rz20.

94 Insbesondere in Deutschland wurde die Frage nach dem Anwendungsbereich der DSGVO im Steuerverfahren ausgiebig diskutiert, vgl dazu auch Sendke, Datenverarbeitung für steuerliche Zwecke, ISR2023, 93 (107).

95 EuGH 24.2.2022, Valsts ieņēmumu dienests, C-175/20.

96 EuGH 24.2.2022, Valsts ieņēmumu dienests, C-175/20, Rn31ff.

97 Dazu auch Ehrke-Rabel, SWI2016, 67 (78f).

98 Gemäß Art94 DSGVO gelten „Verweise auf die aufgehobene [Datenschutz-]Richtlinie […] als Verweise auf die vorliegende Verordnung“

99 Vgl BGBl I 2012/112.

100 Vgl zu §19 EU-AHG aF und etwaigen Bedenken ob dessen nicht ausreichender Bestimmtheit näher EhrkeRabel, SWI2016, 67 (79).

recht selbst. Interessanterweise enthält dieser in §19 Abs1 EU-AHG normierte Verweis lediglich die Beschränkung hinsichtlich des Informations- sowie Auskunftsrechts, jedoch nicht – in Abweichung zur damaligen Umsetzungsbestimmung der Richtlinie – hinsichtlich etwaiger sonstiger Rechte, wie insbesondere des Rechts auf Berechtigung, Löschung und Widerspruch.101 Trotz der fehlenden einfachgesetzlichen Verankerung im österreichischen Recht dürften diese nach der DSGVO geltenden sonstigen Rechte (Recht auf Berechtigung, Löschung und Widerspruch) aber dennoch auf Basis des Art23 Abs1 lite DSGVO – sofern der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verhältnismäßig ist –eingeschränkt werden können. Hierfür spricht bereits die Rechtsnatur der Verordnung als solche, die gemäß Art288 AEUV „in allen ihren Teilen verbindlich und […] unmittelbar in jedem Mitgliedstaat [gilt]“. Neben diesen grundsätzlich im Bereich des automatischen Informationsaustausches anwendbaren, aber gleichzeitig beschränkbaren sich aus dem (unionalen) Datenschutzrecht ergebenden Teilhaberechten sieht auch die DAC2 selbst explizite prozedurale Rechte vor, mit denen dem Datenschutz angemessen Rechnung getragen werden soll. So sorgt gemäß Art25 Abs3 Satz1 Amtshilferichtlinie idF DAC2 jeder Mitgliedstaat dafür, „dass jedes meldende Finanzinstitut in seinem Hoheitsgebiet jede betroffene natürliche meldepflichtige Person darüber unterrichtet, dass die in Artikel 8 Absatz 3a genannten Informationen in Bezug auf sie im Einklang mit dieser Richtlinie erhoben und weitergeleitet werden“. Dieser Richtlinienbestimmung wird mit §5 Abs2 GMSG entsprochen,102 dem zufolge jedes meldende Finanzinstitut vor der erstmaligen Übermittlung der Informationen an das zuständige Finanzamt jeder betroffenen Person in allgemeiner Form mitteilt oder dieser zugänglich macht, dass die gemäß dem GMSG ermittelten Informationen – soweit erforderlich – an das Finanzamt übermittelt werden.

Ferner hat nach Art25 Abs3 Satz2 Amtshilferichtlinie idF DAC2 jeder Mitgliedstaat dafür zu sorgen, „dass das meldende Finanzinstitut dieser Einzelperson alle Informationen, auf die sie gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG [nunmehr DSVGO] Anspruch hat, so rechtzeitig bereitstellt, dass die Einzelperson ihre Datenschutzrechte ausüben kann, und in jedem Fall bevor das betreffende meldende Finanzinstitut die in Artikel 8 Absatz 3a genannten Informationen an die zuständige Behörde ihres Ansässigkeitsmitgliedstaats meldet“. Der Wortlaut dieser Bestimmung wird wohl dahingehend zu verstehen sein, dass eine solche Bereitstellung der einschlägigen Informationen – aufgrund der auch jährlich vom jeweiligen meldenden Finanzins-

101 Vgl hierzu Art16 ff DSGVO.

102 Dazu auch Ehrke-Rabel, SWI2016, 67 (79).

titut vorzunehmenden Übermittlung103 – jedes Jahr erneut stattzufinden hat (arg: „und in jedem Fall bevor [Hervorhebung durch Autoren] das betreffende meldende Finanzinstitut […] meldet“). Weder das EU-AHG noch das GMSG setzen diese Richtlinienbestimmung allerdings entsprechend um.104 Dadurch ist es dem Betroffenen nach nationalem Recht nicht möglich, noch vor Weiterleitung der Informationen dem geplanten Austausch zu widersprechen, um etwaige falsche Informationen berichtigen zu lassen oder weil berechtigte Geheimhaltungsinteressen durch die Weitergabe der Informationen verletzt würden.105

Die vorgenannten Informationspflichten treffen allerdings stets nur das Finanzinstitut, das gewisse Daten an die Behörde seines eigenen Ansässigkeitsstaates melden muss, nicht aber die Behörde, die die Daten in weiterer Folge entweder an die Behörde des Ansässigkeitsstaates des Kontoinhabers bzw an die für den Vollzug zuständige Abgabenbehörde weiterleitet. Über die Nichtumsetzung von Art25 Abs3 Satz2 Amtshilferichtlinie idF DAC2 im nationalen Recht hinaus stellt sich daher die Frage, ob – wie vom Beschwerdeführer vorgebracht106 – die Unionsgrundrechte es gewährleisten, dass der betroffene Steuerpflichtige über den stattgefundenen Informationsaustausch der Kontoinformationen gemäß den Umsetzungsbestimmungen der §§112 sowie113 GMSG durch die Behörde zu informieren ist. Eine solche mögliche Informationspflicht, die sich laut der EuGHRechtsprechung nicht nur aus dem Grundrecht auf Datenschutz, sondern auch aus dem durch Art47 GRC gewährleisteten Grundsatz der Wahrung des Verteidigungsrechts ableiten lassen könnte,107 scheint in Bezug auf den automatischen Informationsaustausch vor dem Hintergrund der einschlägigen Judikatur wohl nicht gegeben. Zwar hat der EuGH in der Rs Bara die Pflicht zur Information des Betroffenen über den Informationsaustausch bejaht. Die Besonderheit dieses Falls lag aber darin, dass er die unterbliebene Unterrichtung des Betroffenen von der innerstaatlichen zwischenbehördlichen Informationsweitergabe auf Grundlage der dem Art23 DSGVO entsprechenden Art13 Datenschutzrichtlinie deswegen als rechtswidrig erachtete, weil diese lediglich auf Grundlage einer behördlichen Übereinkunft, nicht aber eines inhaltlich klar bestimmbaren Gesetzes erfolgte.108 Demgegenüber hält der EuGH iZm dem Informationstausch auf Ersuchen in der Rs Sabou

103 Vgl hierzu näher Pkt 1.2.

104 Vgl ebenso Engel-Kazemi/Wöhrer in Lang/Haunold, Transparenz, 47 (78).

105 Vgl dazu auch Engel-Kazemi/Wöhrer in Lang/Haunold, Transparenz, 47 (78).

106 Vgl VfGH 9.3.2023, E2097/2021, Rz21.

107 Vgl auch Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 81.

108 EuGH 1.10.2015, Bara, C-201/14, Rn40f; vgl auch Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 81.

fest, dass der ersuchende Staat den Betroffenen –sofern vom Gesetzesvorbehalt gedeckt – nicht über ein von ihm gestelltes Informationsersuchen informieren muss.109 Dies begründet er mit der hierfür vorgenommenen Differenzierung zwischen der Ermittlungsphase, zu der – so der EuGH – der Informationsaustausch zwischen zwei Steuerbehörden gehört, und der kontradiktorischen Phase zwischen der Steuerverwaltung und dem Steuerpflichtigen.110 Im Rahmen der Ermittlungsphase würden für den ersuchenden Staat keine Informationspflichten bestehen und der Person, deren Daten verarbeitet werden, steht auch kein grundrechtlicher Anspruch darauf zu, sich gegen den Grundrechtseingriff zu wehren. Ein solcher Rechtsschutz steht ausweislich der EuGH-Judikatur – zuletzt in der Rs Luxemburgischer Staat111 – nur dem jeweiligen Adressaten des Auskunftsverlangens offen, nicht aber dem Steuerpflichtigen, dessen Daten aufgrund des Auskunftsverlangens anderen Staaten zur Verfügung gestellt werden.112

Die beiden aufgezeigten EuGH-Entscheidungen geben zu erkennen, dass die dem Steuerpflichtigen im Rahmen des Informationsaustausches zugestandenen prozeduralen Teilhaberechte stark eingeschränkt sind.113 Dieses Schutzdefizit wird in der Literatur zu Recht kritisiert. So sollten nach Ansicht der GA Kokott auch den Steuerpflichtigen „Verfahrensrechte, wie das Recht auf Information über die Speicherung und Verwendung von Daten (habaes data), auf Anhörung und ein Mindestmaß an Rechtsschutz, […] zu[stehen], selbst wenn sie nicht Adressaten von Informationsersuchen sind, sondern ‚nur‘ ihre Daten weitergegeben werden“.114 Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass den genannten Entscheidungen des Gerichtshofs stets Sachverhalte zugrunde lagen, in denen der Informationsaustausch auf Ersuchen erging. Wie unter Pkt1.2. gezeigt, sind jedoch die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen solchen Informationsaustausch aufgrund der hierfür notwendigen vorhersehbaren Erheblichkeit enger gezogen als beim automatischen Informationsaustausch, bei dem eine Fülle an (Finanz-)Informationen ohne vorherige Verdachtsmomente grenzüberschreitend automatisch ausgetauscht wird. Ob daher die jeweili-

109 EuGH 22.10.2013, Sabou, C-276/12; dazu auch Rust/ Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 81.

110 EuGH 22.10.2013, Sabou, C-276/12, Rn40.

111 EuGH 6.10.2020, Luxemburgischer Staat, C-245/19 und C-246/19.

112 EuGH 6.10.2020, Luxemburgischer Staat, C-245/19 und C-246/19, Rn80f; kritisch dazu auch Kokott, Steuerrecht im Wandel – Menschenrechte und Missbrauchsbekämpfung im Europäischen und Internationalen Steuerrecht, ISR2022, 283 (286); vgl auch EuGH 16.5.2017, Berlioz Investment Fund, C-682/15; dazu auch Oppel/Sendke, Unionsrechtlicher Grundrechtsschutz beim internationalen Informationsaustausch, IStR2018, 110 (110ff); Rust/Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 85f.

113 Zur Rechtsprechung des EuGH sowie des EGMR iZm den prozeduralen Teilhaberechten ausführlich Rust/ Blum, Grundrechteschutz im Steuerrecht, 80ff.

114 Kokott, ISR2022, 283 (287).

gen vom EuGH getroffenen Aussagen betreffend die prozeduralen Teilhabe- und Schutzrechte im Rahmen des Informationsaustausches auf Ersuchen uneingeschränkt auf den automatischen Informationsaustausch (über Kontoinformationen) übertragen werden können, ist fraglich. Vielmehr sprechen, gerade vor dem Hintergrund des vom VfGH an den Tag gelegten großzügigen Verständnisses der Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs, Verhältnismäßigkeitsüberlegungen gerade im Fall des automatischen Informationsaustausches dafür, an die Nichtgewährung prozeduraler Teilhaberechte wie etwa das Recht auf Information über die behördliche Datenweitergabe einen strengen Maßstab anzulegen.

Auf den Punkt gebracht

Die im Rahmen dieses Beitrags diskutierte Entscheidung des VfGH, die im Ergebnis als wenig überraschend bezeichnet werden kann, beinhaltet einige interessante grundrechtliche Aspekte. Es handelt sich – soweit ersichtlich – um die erste Entscheidung betreffend die Grundrechtskonformität des automatischen Informationsaustausches von Kontoinformationen, wie ihn der Gemeinsame Meldestandard der OECD und damit auch die DAC2 vorsehen. Wie das Höchstgericht betont, hegt es in Bezug auf die den automatischen Informationsaustausch regelnden Vorschriften des Art8 Abs3a Amtshilferichtlinie sowie betreffend die nationalen Umsetzungsbestimmungen der §§112 und 113 GMSG keine (unions)grundrechtlichen Bedenken. Der mit dem automatischen Austausch von

Finanzkontoinformationen verbundene Grundrechtseingriff sei durch das Ziel der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerechtfertigt und erfolge unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Dieser vom VfGH gewählte Begründungsweg ist insofern bemerkenswert, als er wohl über die in den Erwägungsgründen der DAC2 vorgebrachten Ziele des automatischen Austausches von Kontoinformationen und über die bisher vom EuGH im Kontext des Informationsaustausches auf Ersuchen vorgebrachten Rechtfertigungsgründe hinausgeht. Hätte der VfGH – wie auch vom Beschwerdeführer erwartet – auf den Rechtfertigungsgrund der Verhinderung von Steuerhinterziehung abgestellt, wären wohl die Erforderlichkeit und Geeignetheit des konkreten Grundrechtseingriffs deutlich schwerer zu argumentieren gewesen. Es bleibt daher zu hoffen, dass der VfGH (bzw der EuGH und/oder der EGMR) diesen Argumentationsweg sorgsam einsetzt und keinem Automatismus den Weg ebnet, der darin besteht, die Interessenabwägung zwischen dem Fiskalzweck des Steuerrechts und dem Grundrecht auf Datenschutz unter Verweis auf das Ziel der Gleichmäßigkeit der Besteuerung stets zu Gunsten des Ersteren aufzulösen. Nicht zuletzt wäre es begrüßenswert, wenn den grundrechtlich verbürgten prozeduralen Teilhaberechten, die in der vorliegenden Entscheidung allerdings kaum Beachtung gefunden haben, eine größere Bedeutung beigemessen würde, wenn es darum geht, Informationen (über Finanzkonten) der betroffenen Steuerpflichtigen automatisch zwischen den Steuerbehörden auszutauschen.

Rechtsprechung

§98 BAO; §§5, 7, 13 Abs3 ZustG AVR 2024/1

Zustellung: „formeller“ und „materieller“ Empfänger

VwGH 22. 11. 2023, Ra 2023/13/0047, 0048 Ist der Empfänger […] keine natürliche Person, so ist das Dokument nach §13 Abs3 ZustG einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine vom Zusteller zu beachtende Regelung […]. Sie schließt nicht aus, dass bereits die Behörde in der Zustellverfügung ein Organ der juristischen Person als „Empfänger“ bestimmt […]. Diesfalls ist nicht die juristische Person, sondern das betreffende Organ „Empfänger“ im formellen Sinn […].

Sachverhalt: An die Revisionswerberin (eine GmbH) gerichtete Bescheide wurden zu Handen ihres Geschäftsführers adressiert und in die FinanzOnlineDatabox der GmbH gestellt. Einige Monate später er-

hob die Revisionswerberin Beschwerde gegen die Bescheide und brachte im Wesentlichen vor, die Bescheide seien ursprünglich nicht wirksam zugestellt geworden, da der Geschäftsführer keinen Zugang zur Databox der GmbH gehabt hätte. Erst nach Übermittlung neuer Zugangsdaten hätte der Geschäftsführer Einsicht in die Bescheide erlangt, erst zu diesem Zeitpunkt wären die Bescheide daher ordnungsgemäß zugestellt worden. Die (hier inhaltlich nicht relevanten) Beschwerden wären daher fristgerecht eingebracht worden.

Das BFG wies die Beschwerden als verspätet zurück, da die Bescheide bereits ursprünglich wirksam zugestellt worden seien.

Die Revisionswerber erhob außerordentliche Revisionen gegen die Erkenntnisse des BFG. Rechtliche Beurteilung: Die Revisionen sind zulässig und begründet. […]

Gemäß §98 Abs2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Voraussetzung für die

Florian Fiala, LL.M. (WU) ist Steuerberaterberufsanwärter bei Deloitte in Wien.

Wirksamkeit dieser Zustellung ist, dass der Empfänger Zugang zu diesem Speicherbereich hat (vgl – mit näheren Hinweisen – VwGH 31.7.2013, 2009/13/0105). […]

Als Empfänger ist im Zustellrecht im Allgemeinen der „formelle“ Empfänger gemeint; dieser ist von der Behörde in der Zustellverfügung (§5 ZustG) zu bestimmen. Es handelt sich hierbei zwar im Regelfall um die Person, für die der Inhalt des zuzustellenden Dokuments bestimmt ist (materieller Empfänger); dies muss aber nicht der Fall sein (zB gesetzlicher Vertreter, Zustellungsbevollmächtigter; vgl VwGH 15.12. 2022, Ra 2022/13/0023, mwN).

Ist der Empfänger – wie hier – keine natürliche Person, so ist das Dokument nach §13 Abs3 ZustG einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine vom Zusteller zu beachtende Regelung (vgl VwGH 19. 12. 2000, 2000/14/0161). Sie schließt nicht aus, dass bereits die Behörde in der Zustellverfügung ein Organ der juristischen Person als „Empfänger“ bestimmt (vgl VwGH 31. 10. 2000, 95/15/0198; 28. 5. 2010, 2004/10/0082; 30. 3. 2016, Ro 2016/ 09/0002). Diesfalls ist nicht die juristische Person, sondern das betreffende Organ „Empfänger“ im formellen Sinn (vgl VwGH 23. 4. 1992, 90/16/0187; 21. 4. 2010, 2007/03/0173, je mwN). In der Revisionsbeantwortung wird geltend gemacht, mit dem in der Adressierung befindlichen Zusatz „z.H. [Geschäftsführer]“ sei lediglich zum Ausdruck gebracht worden, dass es sich beim Geschäftsführer um einen Vertreter iSd §80 Abs1 BAO der Revisionswerberin handle. Bei objektiver Interpretation des Schreibens und der Bescheide kann aber nicht angenommen werden, dass lediglich eine derartige, völlig überflüssige Mitteilung erfolgen sollte; niemand bestritt (oder bestreitet), dass der genannte Geschäftsführer der Revisionswerberin deren Vertreter iSd §80 Abs1 BAO ist. Dieser Zusatz kann – wie auch sonst (vgl VwGH 21. 4. 2010, 2007/03/0173; 23. 1. 2020, Ra 2019/15/ 0115, mwN) – nur dahin verstanden werden, dass damit der Empfänger iSd §5 ZustG genannt wurde.

Nach dieser – wie oben dargelegt von der Behörde wählbaren (zur Frage der Zweckmäßigkeit vgl Ritz/Koran, BAO7, §13 ZustG Rz11) –Bezeichnung des Empfängers war es aber für die Wirksamkeit der Zustellung erforderlich, dass die Erledigungen in den Verfügungsbereich des in der Zustellverfügung genannten Vertreters (bei Zustellung im Wege von FinanzOnline also in dessen Databox) gelangten (vgl auch VwGH 15. 12. 2022, Ra 2022/13/0023). Die Zustellung der Dokumente erfolgte aber unbestritten in die Databox der Gesellschaft.

Damit liegt eine wirksame Zustellung erst in dem Zeitpunkt vor, in dem das Dokument dem in der Zustellverfügung genannten Empfänger

(Geschäftsführer) tatsächlich zugekommen ist (§7 ZustG). […] Die angefochtenen Entscheidungen waren daher gemäß §42 Abs2 Z1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben. […]

§308 BAO

AVR 2024/2

Wiedereinsetzung in Rechtsmittelfrist: Fristverlängerungsantrag holt „versäumte Handlung“ nach VwGH 19. 12. 2023, Ro 2023/15/0019

Mit Antrag auf Erstreckung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags wird die versäumte Handlung nachgeholt.

Sachverhalt: Dem Revisionswerber wurde am 2. 1. 2023 eine Beschwerdevorentscheidung zugestellt; die diesbezügliche Vorlageantragsfrist lief unstrittig mit 2. 2. 2023 ab. Am 16. 2. 2023 brachte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein, in welchem er ausführte, die „Frist zur Einreichung eines Vorlageantrags bzw einer Fristverlängerung“ sei am 2. 2. 2023 abgelaufen. Weiters enthielt der Antrag Ausführungen zu einem unvorhergesehenen bzw unabwendbaren Ereignis, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert habe. Beantragt wurde, „der Wiedereinsetzung statt zu geben [und] die […] Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags bis zum 15. 3. 2023 [zu erstrecken]“

Mit Bescheid vom 21. 2. 2023 wies das Finanzamt den Wiedereinsetzungsantrag ab, wogegen der Revisionswerber fristgerecht Beschwerde erhob.

Mit Erkenntnis vom 19. 12. 2023 wies das BFG den Wiedereinsetzungsantrag zurück. Im Fall der Versäumung einer Frist habe der Antragsteller gemäß §308 Abs3 letzter Satz BAO spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen. Dem sei der Revisionswerber nicht nachgekommen: Er habe die Frist für den Vorlageantrag versäumt und mit dem Wiedereinsetzungsantrag – anstelle des Vorlageantrags – einen Antrag auf Fristverlängerung für den Vorlageantrag eingebracht. Da der Vorlageantrag nicht spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt wurde, seien nicht alle gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt gewesen.

Gegen des Erkenntnis des BFG erhob der Revisionswerber ordentliche Revision.

Rechtliche Beurteilung: […] Der streitgegenständliche Antrag enthält alle Angaben, die ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §309a BAO zu enthalten hat. Vom Revisionswerber wurde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erbringung einer Fristerstreckung zur Abgabe eines Vorlageantrags beantragt. Gleichzeitig hat er einen Antrag auf „Erstreckung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags bis zum 15.3.2023“ gestellt, womit die versäumte Handlung nachgeholt worden ist. Der vom BFG angenommene (nicht verbesserungsfähige) Mangel liegt somit nicht vor, weshalb sich das angefochtene Erkenntnis als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet erweist. […]

Anmerkung

Die zur Wiedereinsetzung in die Vorlageantragsfrist ergangene Entscheidung des VwGH wird sinngemäß ebenso auf die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist Anwendung finden (vgl auch Rauscher, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Fristverlängerungsantrag als nachgeholte versäumte Handlung, BFGjournal 2024, 28). Dies muss zudem auch für sonstige, einer Fristverlängerung zugängliche Fristen (zB Mängelbehebungsfrist nach §85 Abs2 BAO, Frist zur Einreichung von Abgabenerklärungen nach §134 Abs2 BAO) gelten. Die mit dem Wiedereinsetzungsantrag (spätestens) gleichzeitig notwenige Nachholung der versäumten Handlung iSd §308 Abs3 letzter Satz BAO kann demnach auch durch einen Antrag auf Fristerstreckung betreffend diese Handlung erfolgen.

§29 Abs6 FinStrG AVR 2024/3

Abgabenerhöhung bei Selbstanzeige „anlässlich“ einer Prüfungsankündigung

BFG 1. 12. 2023, RV/2100533/2023

Das Wort „anlässlich“ des §29 Abs6 FinStrG kann im gegenständlichen Fall nur so interpretiert werden, dass zum Zeitpunkt der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme eine Selbstanzeige bereits erstattet worden sein muss, um eine Abgabenerhöhung zu vermeiden. Anders ausgedrückt bildet der Zeitpunkt der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme die zeitliche Grenze, zu der eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr ohne eine Abgabenerhöhung denkbar ist.

Sachverhalt: Die Beschwerdeführerin entdeckte am 8. 11. 2021 Fehler in ihrer körperschaftsteuerrechtlichen Gebarung der Jahre 2015 bis 2019, aufgrund welcher umgehend mit der Ausarbeitung einer Selbstanzeige nach §29 FinStrG begonnen wurde. Ein entsprechender Schriftsatz wurde am 3. 12. 2021 finalisiert und der zuständigen Vorständin zur Freigabe vorgelegt. Am 6. 12. 2021 wurde (von der Beschwerdeführerin unerwartet) eine Außenprüfung betreffend Körperschaftsteuer 2015 bis 2019 angemeldet. Am 7. 12. 2021 wurde die Selbstanzeige eingebracht. Mit Bescheid vom 6. 6. 2023 wurde auf Basis der Selbstanzeige und den Feststellungen der Außenprüfung eine Abgabenerhöhung nach §29 Abs6 FinStrG festgesetzt.

Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde gegen den Abgabenerhöhungsbescheid und brachte im Wesentlichen vor, die Selbstanzeige sei nicht iSd §29 Abs6 FinStrG „anlässlich“ der Ankündigung der Außenprüfung eingebracht worden. Die Festsetzung einer Abgabenerhöhung erfordere – nach der Judikatur der VwGH sowie nach damit im Einklang stehenden Literaturmeinungen – einen dem Telos von §29 Abs6 FinStrG entsprechenden Kausalzusammenhang zwischen der Prüfungsankündigung und der Selbstanzeigeerstattung. Nur, wenn eine Selbstanzeige aufgrund der Prüfungsankündigung – aufgrund der Kenntnis über die dadurch erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Tatendeckung – eingebracht werde,

werde die Selbstanzeige iSd §29 Abs6 FinStrG „anlässlich“ der Prüfungsankündigung einbracht. Dies sei gegenständlich aber nicht der Fall, da bereits vor der Prüfungsankündigung mit der Erstellung der Selbstanzeige begonnen wurde und nur aus einem unglücklichen Zufall kurz vor Einreichung die Ankündigung der Außenprüfung erfolgt sei.

Rechtliche Beurteilung: […] Der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass die Selbstanzeige bereits in Ausarbeitung befindlich war, diese auch ohne die angekündigte Außenprüfung dem Finanzamt übermittelt worden wäre und diese Selbstanzeige sohin keinerlei kausalen Zusammenhang mit der Prüfungsankündigung gehabt hätte und damit nicht „anlässlich“ iSd §29 Abs6 FinStrG erstattet worden sei, ist Folgendes zu entgegnen:

Durch die FinStrG-Novelle 2014 (BGBlI 2014/65) erhielt die Gesetzesbestimmung des §29 Abs6 FinStrG einen gänzlich neuen Inhalt. Mit dieser Novelle wurden die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Wirkung von Selbstanzeigen für grob fahrlässig oder vorsätzlich begangene Finanzvergehen, die anlässlich finanzbehördlicher Prüfungsmaßnahmen erstattet werden, strenger. Wird in derartigen Fällen eine Selbstanzeige nach Anmeldung oder sonstiger Bekanntgabe der Prüfung erstattet, muss zusätzlich eine Abgabenerhöhung entrichtet werden, um eine strafbefreiende Wirkung zu erreichen.

Erklärtes Ziel dieser neuen Bestimmung war die Eindämmung der Selbstanzeigeflut iZm finanzbehördlichen Maßnahmen. Diese neue Bestimmung sollte eine Berichtigung schon vor einer zu erwartenden Entdeckung erwirken und Spekulationen über Entdeckungswahrscheinlichkeiten oder darüber, ob überhaupt von der Finanzbehörde geprüft wird, entgegenwirken. Insgesamt sollte mit dem neu gefassten §29 Abs6 FinStrG ein größerer Anreiz zu Steuerehrlichkeit erzielt werden.

Die Materialien zur Änderung des §29 Abs6 FinStrG (vgl ErlRV 177 BlgNR 25.GP) führen dazu aus: „Es erscheint nicht gerechtfertigt, Selbstanzeigen, die zu einem Zeitpunkt erstattet werden, in dem bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Tatentdeckung gerechnet werden muss, ohne zusätzliche Leistung strafbefreiende Wirkung zukommen zu lassen. Daher soll Selbstanzeigen, die anlässlich von finanzbehördlichen Nachschauen, Beschauen, Abfertigungen oder Prüfungen von Büchern oder Aufzeichnungen erstattet werden, die strafbefreiende Wirkung nur mehr bei Entrichtung eines Zuschlages der verkürzten Abgaben zuzuerkennen. […] Eine Selbstanzeige wird jedenfalls dann als anlässlich einer solchen Amtshandlung erstattet, wenn diese bereits angekündigt war oder sonst bekanntgegeben worden ist. […]“

Mit der Schaffung des §29 Abs6 FinStrG idFd FinStrG-Novelle 2014 (BGBlI 2014/65) war es das erklärte Ziel des Gesetzgebers, jedwedes Taktieren bei der Erstattung von Selbstanzeigen hintanzuhalten und eine Rückkehr zur

Steuerehrlichkeit bereits vor Anstoß durch die Behörde dadurch zu fördern, dass jede Selbstanzeige, die erst nach Ankündigung einer Prüfungshandlung erstattet wird, nunmehr mit einer Abgabenerhöhung als Nebenanspruch nach §3 Abs2 lita BAO belegt wird. Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 26. 3. 2019 dazu wie folgt ausgesprochen (vgl VwGH 26. 3. 2019, Ro 2019/16/0003): „Wie die zitierten ErlRV zur FinStrG-Novelle 2014 verdeutlichen, sollte generell Selbstanzeigen, die erst zu einem Zeitpunkt erstattet werden, in dem bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Tatentdeckung gerechnet werden muss, ohne zusätzliche Leistung keine strafbefreiende Wirkung mehr zukommen. Auch der Verfassungsgerichtshof sah die Zielrichtung des §29 Abs6 FinStrG dahin, mit der Selbstanzeige von vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Finanzvergehen nicht erst bis zur (Ankündigung der) finanzbehördlichen Überprüfung zuzuwarten. Die Abgabenerhöhung schaffe einen Anreiz, Selbstanzeigen bereits frühzeitig, ohne konkreten Anlass einer behördlichen Überprüfung zu erstatten.“

Eine Einschränkung der Abgabenerhöhung auf den Prüfungszeitraum oder die im Prüfungsauftrag genannten Abgaben besteht dabei nicht (vgl VwGH 26. 3. 2019, Ro 2019/16/0003).

Das Wort „anlässlich“ des §29 Abs6 FinStrG kann im gegenständlichen Fall nur so interpretiert werden, dass zum Zeitpunkt der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme eine Selbstanzeige bereits erstattet worden sein muss, um eine Abgabenerhöhung zu vermeiden. Anders ausgedrückt bildet der Zeitpunkt der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme die zeitliche Grenze, zu der eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr ohne eine Abgabenerhöhung denkbar ist. Dem Gesetzgeber kann nicht die Absicht unterstellt werden, dass er mit der Novellierung des §29 Abs6 FinStrG eine Unschärfe dahingehend schaffen wollte, dass es für die Festsetzung einer Abgabenerhöhung darauf ankommt, ob der Selbstanzeiger nicht schon unabhängig von einer allfälligen Prüfungsmaßnahme an einer Selbstanzeige arbeitete, deren Erstattung – aus welchen Gründen auch immer – erst nach der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme erfolgen konnte. Das Wort „anlässlich“ des §29 Abs6 FinStrG ist daher eng zu interpretieren, sodass nur Selbstanzeigen, die vor einer Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme erstattet werden, strafbefreiende

Wirkung ohne die Festsetzung und Entrichtung einer Abgabenerhöhung entfalten können. Im gegenständlichen Fall konnte festgestellt werden, dass bereits mit 8. 11. 2021 die Umstände, die der gegenständlichen Selbstanzeige zugrunde liegen, entdeckt wurden. Bis zur endgültigen Abgabe einer Selbstanzeige am 7. 12. 2021 verging noch fast ein Monat. Der Umstand des langen Zeitraums von der Entdeckung der relevanten Sachverhalte durch die Beschwerdeführerin bis zur Abgabe einer Selbstanzeige spricht dafür, dass die Beschwerdeführerin entgegen der Intention des Gesetzgebers, ein Abwarten bei der Erstattung einer Selbstanzeige hintanzuhalten und eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit bereits vor Anstoßen durch die Behörde zu fördern, gehandelt hat. […]

Anmerkung

Die Entscheidung des BFG erweckt den Eindruck, als wolle sie in das Wort „anlässlich“ eine unwiderlegbare Tatsachenvermutung hineinlesen, um der Abgabenbehörde (und gegebenenfalls dem BFG selbst) die Mühe eines Ermittlungsverfahrens zu ersparen. Dies zeigt sich insbesondere in der nicht weiter begründeten Aussage, dem Gesetzgeber könne nicht die Absicht unterstellt werden, eine „Unschärfe“ (eine mehr oder minder ausgeprägte Eigenschaft jeder generell-abstrakten Rechtsnorm) geschaffen haben zu wollen, die die Ermittlung eines Kausalzusammenhangs zwischen Prüfungsanmeldung und Selbstanzeigeerstattung über die einfache Formel „Selbstanzeige nach Prüfungsanmeldung = ‚Anlässlichkeit‘“ hinaus erfordert. Wie die Beschwerdeführerin vorgebracht hat, zeigt die bisherige Judikatur des VwGH (VwGH 26.3.2019, Ro2019/16/0003; 30.1.2020, Ra2019/ 16/0205) vielmehr in die Gegenrichtung, also hin zu einer Beurteilung des Kausalzusammenhangs unter Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall. Dies entspricht auch der herrschenden Literaturmeinung (vgl insbesondere Köck in Köck/ Schmitt/Djakovic, FinStrGI6 [2024] §29 Rz31; Lang/Seilern-Aspang/Predota, Abgabenerhöhung nach §29 Abs6 FinStrG: Alle Zweifelsfragen beseitigt? ZSS2019, 109 [111]; Fiala/Starl, Abgabenerhöhung nach §29 Abs6 FinStrG: Kausalzusammenhang zwischen Prüfungsankündigung und Selbstanzeige erforderlich, SWK 8/2024 [in Druck]).

Das BFG hat die ordentliche Revision zugelassen, mangels eingebrachter Revision bleibt eine (endgültige) höchstgerichtliche Klärung jedoch weiter abzuwarten.

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