Juli 2023
71. Jahrgang
Aus dem Inhalt
BankenaBwicklungsregime und mrel-kaliBrierung
wagniskapitalfondsgesetz
kryptoassets
m&a-markt 2022
Herausgegeben von der ÖsterreicHiscHen bankwissenscHaftlicHen gesellscHaft
Juli 2023
71. Jahrgang
Aus dem Inhalt
BankenaBwicklungsregime und mrel-kaliBrierung
wagniskapitalfondsgesetz
kryptoassets
m&a-markt 2022
Herausgegeben von der ÖsterreicHiscHen bankwissenscHaftlicHen gesellscHaft
Die OeKB hat unter Einbeziehung österreichischer Kreditinstitute eine zentrale, strukturierte Online-Plattform entwickelt, die maximale Effizienz und minimale Bürokratie beim Austausch von ESG-Daten bietet. Ausführliche Informationen: www.oekb-esgdatahub.com
Das Fehlen eines einheitlichen Standards bei der ESGEvaluierung stellt eine große Herausforderung für die Finanzbranche dar. Die Entwicklung von eigenständigen Lösungen ist nicht nur mit hohen Entwicklungs-, Instandhaltungs- und Personalkosten verbunden. Bei einer geringeren Datenbasis ist zudem die Plausibilität der ESG-Evaluierungen eingeschränkt. Weiters besteht die Unsicherheit, ob die regulatorischen Anforderungen der Aufsicht bei einem Portfolioansatz im Risikmanagement erfüllt werden.
Etablierung eines österreichischen Standards
Mit dem OeKB > ESG Data Hub wurde basierend auf den wichtigsten geltenden Standards und Regularien eine zentrale, strukturierte Online-Plattform entwickelt, die maximale Effizienz und minimale Bürokratie bietet. Zentrales Feature ist ein allgemeiner ESG-Fragebogen, der gemeinsam mit heimischen Kreditinstituten erarbeitet wurde. Dieser koordinierte Zugang war ein häufig geäußerter Wunsch aus der Wirtschaft, da er den Aufwand bei Unternehmen deutlich reduziert: Sie können nach dem einmaligen Ausfüllen der Fragebögen entscheiden, welche Kreditinstitute auf ihre ESG-Daten zugreifen dürfen. Die Online-Plattform erhöht somit die Kundenzufriedenheit und ist für Unternehmen zudem kostenlos nutzbar.
Der OeKB > ESG Data Hub stellt strukturierte, standardisierte und harmonisierte Daten bereit und sorgt damit für eine bessere Daten-Plausibilisierung. Die Lösung greift auf die Erfahrungen der OeKB im Rahmen ihrer gesetzlichen Funktionen mit Schnittstellen ̶ wie z.B. dem automatisierten Datentransfer als Meldestelle gemäß Kapitalmarktgesetz oder in ihrer Officially Appointed Mechanism (OAM)-Funktion gemäß Börsengesetz ̶ zurück und ermöglicht somit eine optimale Integration in bestehende IT-Systeme.
Um auf die fortlaufenden Veränderungen im Bereich ESG und der zugrundeliegenden Regulatorik reagieren zu können und damit eine Standardisierung und allgemeine Gültigkeit zu gewährleisten, kann der OeKB > ESG Data Hub modulhaft weiterentwickelt werden. Die OeKB stellt als Plattformbetreiberin die laufende Verbesserung des Services sicher und wird dabei weiterhin einen partizipativen Ansatz mit der Einbeziehung der teilnehmenden Kreditinstitute und der Unternehmen verfolgen.
Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen
Journal of Banking and financial research
begründet von em. o. Univ-Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Krasensky
71.
„Limbus-Situationen“ und Transferstrategien – Ausgewählte Determinanten des Bankenabwicklungsregimes und der MREL-Kalibrierung im Lichte des CMDI-Pakets (Vorschläge zu „BRRD III“)
BerIchte und analysen Ein
rechtsprechung des Ogh
2926. Bindung des Insolvenzverwalters an nicht ausgeübte Option.
OGH 24. 11. 2022, 17 Ob 14/22s (mit Anm von A. Kletečka)
2927. Keine Kürzung laufzeitunabhängiger Kosten nach § 20 HIKrG aF.
OGH 18. 4. 2023, 5 Ob 25/23x
2928. Versicherungsmakler: Provisionen im Innenverhältnis zweier Makler.
OGH 22. 3. 2023, 7 Ob 40/23t
2929. Zur „Limited“ als Gesellschafterin in Treuhandkonstruktion. OGH 25. 1. 2023, 6 Ob 31/22k
2930. GREx: Wahlgerichtstand für Unterlassungsexekution nach § 5c Abs 3 EO. OGH 15. 12. 2022, 3 Ob 207/22w
2931. Zur Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf „andere Veräußerungsarten“.
5. 12. 2022, 5 Ob 158/22d
130. Eine Person, die gemeinsam mit einer Verbraucherin einen Kreditvertrag abschließt und diesen teilweise für gewerbliche oder berufliche Zwecke nützt, fällt unter den Verbraucherbegriff der Klausel-RL, sofern der gewerbliche oder berufliche Zweck derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang des Vertrages nicht überwiegt.
EuGH (5. Kammer) 8. 6. 2023, C-570/21, YYY 536
Crypto Assets – Recht/Steuerrecht
Hrsg. von Artmann, Bieber, Mayrhofer, Schmidt und Tumpel
Otto Lucius 541
In diesem Heft inserieren:
Erste Bank Sparkasse, U 3; Fakultas, S. 484; Linde Verlag, S. 499, 507, 520; OeKB, U 2.
Das Bank-Archiv ist eine unabhängige Fachzeitschrift für das gesamte Geld-, Bank- und Börsewesen mit dem Ziel der Veröffentlichung einschlägiger Informationen für Wissenschaft und Praxis. Es wurde 1953 von o. Univ.-Prof. Dr. h.c. Dr. Hans Krasensky als Österreichisches Bank-Archiv begründet und wird seit 1988 als Bank-Archiv geführt (Zitierweise ÖBA). Für den Inhalt der einzelnen Beiträge tragen ausschließlich die Autoren die wissenschaftliche Verantwortung. Das Bank-Archiv veröffentlicht unter Abhandlungen ausschließlich Originalmanuskripte. Manuskripte sind an die Redaktion, Frankgasse 10/7, A 1090 Wien, zu senden. Die Autoren verpflichten sich mit der Einsendung der Manuskripte, diese bis zur Entscheidung über die Annahme nicht anderweitig zur Veröffentlichung anzubieten. Für unaufgefordert eingereichte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen. Für die Manuskriptrichtlinien siehe http://www.bwg.at > BankVerlag > ÖBA > Autoren-Richtlinien – Als Abhandlungen gekennzeichnete Beiträge unterliegen ausnahmslos dem international üblichen Double-Blind-Review-Verfahren.
Eigentümer und Herausgeber: Österreichische Bankwissenschaftliche Gesellschaft, Frankgasse 10/7, A 1090 Wien, Tel.: +431 / 533 50 50, e-mail: office@bwg.at – Schriftleitung: Dr. Markus Bunk – Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski; Univ.-Prof. Dr. Markus Dellinger; Univ.-Prof. Dr. Mathis Fister; Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Susanne Kalss, LL.M. (Florenz); RA Dr. Markus Kellner; Prof. (FH) Mag. Otto Lucius; ao. Univ.-Prof. Dr. Roland Mestel; RA Priv.-Doz. MMag. Dr. Martin Oppitz; Univ.-Prof. Dr. Stephan Paul; Univ.-Prof. Dr. Stefan Pichler; RA Univ.-Prof. Dr. Christian Rabl; Univ.-Prof. Dr. Alexander Schopper; Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer; Univ.-Prof. Dr. Peter Steiner – Herausgeberbeirat: Univ.-Prof. Dr. Matthias Bank, CFA; Hofrätin des OGH Hon.-Prof. Dr. Wilma Dehn; Prof. Dr. Andreas Dombret; Präsidentin des OGH i.R. Hon.-Prof. Dr. Irmgard Griss; Dir. Univ.-Prof. Dr. Andreas Grünbichler; Univ.-Prof. Dr. Michael Hanke; Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M. (London), MBA (CLU); Hon.-Prof. Dr. Bernhard Koch; o. Univ.Prof. i.R. DDr. h.c. Helmut Koziol; Univ.-Prof. Dr. Brigitta Lurger Offenlegung gem. § 25 Abs 1 bis 3 Mediengesetz: Bank Verlag Wien, Frankgasse 10/7, A 1090 Wien. Unternehmensgegenstand: Verlag wissenschaftlicher Bücher und Zeitschriften, insb. der Zeitschrift BankArchiv, der Bankwissenschaftlichen Schriftenreihe und der Diskussionsreihe Bank & Börse. Der Bank Verlag Wien (in der Folge: Verlag) ist eine Abteilung der Österreichischen Bankwissenschaftlichen Gesellschaft, gemeinnütziger Verein. Geschäftsführer: Dr. Markus Bunk, Frankgasse 10/7, A 1090 Wien, Tel.: +43 1 533 50 50.
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Herstellung: Satz: Dipl.-HTL-Ing. Franz König, BEd, Niederreiterberggasse 13/2/1, A 1230 Wien, Tel.: 0664/735 88 450; Druck: Donau Forum Druck GmbH, Walter-Jurmann-Gasse 9, A 1230 Wien, Tel.: 01/804 52 25.
Bestellinformation: ISSN 1015-1516. Erscheinungsweise: monatlich. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung oder der Linde Verlag entgegen. Jahresabonnement 2023: € 324,50 inkl. Mehrwertsteuer zzgl. Versandkosten. Unterbleibt die Abbestellung, so läuft das Abonnement automatisch zu den jeweils gültigen Konditionen auf ein Jahr weiter. Abbestellungen sind nur zum Ende eines Jahrganges möglich und müssen bis jeweils spätestens 30. November schriftlich erfolgen. Der Bezugspreis ist im Voraus zahlbar. Anzeigenaufträge werden vom Linde Verlag, Fr. Hladik, Tel.: +431 24 630-19, E-Mail: gabriele. hladik@lindeverlag.at, entgegengenommen.
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Die Autoren räumen dem Verlag für die Dauer des Vertrages alle durch die Verwertungsgesellschaft Literar Mechana wahrgenommenen Rechte und gesetzlichen Vergütungs- und Beteiligungsansprüche nach deren Satzung, Wahrnehmungsvertrag und Verteilungsplan zur gemeinsamen Einbringung ein. Der Autor ist damit einverstanden, dass der Verlag den ihm nach den jeweils geltenden Verteilungsplänen der Verwertungsgesellschaft Literar Mechana zustehenden Verlagsanteil direkt ausgezahlt erhält, wobei sich der Autor verpflichtet, der Literar Mechana gegenüber die Rechtseinräumung an den Verlag bei der Werkmeldung zu bestätigen. Der Anteil des Autors bleibt davon unberührt. Für die Auszahlung und Abrechnung der durch die Verwertungsgesellschaften wahrgenommenen Rechte und gesetzlichen Vergütungs- und Beteiligungsansprüche gelten deren Verteilungsbestimmungen. Das ÖBA richtet sich an alle Interessierten. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den Texten die maskuline Form verwendet.
https://doi.org/10.47782/oeba202307046501
Franz RudorferWagniskapitalfondsgesetz („SICAF“) – Regierungsvorlage vom Ministerrat beschlossen
Nach jahrelangen gemeinsamen Bemühungen konnte erreicht werden, dass Mitte Juni die Regierungsvorlage zum Wagniskapitalfondsgesetz („SICAF“) im Ministerrat beschlossen wurde.
Mit dem Gesetz soll die Auflage von sogenannten „Wagniskapitalfonds“ in Form von Investmentaktiengesellschaften mit fixem Kapital auch in Öster reich ermöglicht werden. Dadurch kann österreichischen Unternehmen, vor allem KMU, künftig leichter Eigenkapital bereitgestellt werden. Dieses neue Investitionsvehikel orientiert sich an internationalen Best Practices (angelehnt an „SICAF“, société d‘investissement à capital fixe) und ist schon im Regierungsprogramm vorgesehen.
Das Gesetz wird nun der weiteren parlamentarischen Behandlung zugeführt.
Die EUKommission hat am 24.5.2023 die mehrfach verschobene EU-Strategie für Kleinanleger („Retail Investment Strategy“) präsentiert. Durch massive Bemühungen, die Bundessparte stand hier an erster Stelle, weist der Legislativvorschlag zur Kleinanlegerstrategie (RIS) nun doch kein vollständiges Verbot von Anreizen auf. Dennoch sind Banken und v.a. Versicherungen erheblich von diesen Einschränkungen betroffen.
Von Seiten der Bundessparte wurde kurzfristig bereits eine erste Position zum Paket erarbeitet und an die zuständigen Stellen herangetragen. Das Ziel der Retail Investment Strategy, Kleinanleger dabei zu unterstützen, höhere Erträge zu erzielen und das Vertrauen in die Kapitalmärkte zu stärken, um so die Teilhabe von Kleinanlegern an den Kapitalmärkten zu erhöhen, wird klarerweise unterstützt. Allerdings sind zahlreiche
der von der Kommission beabsichtigte Änderungen der bestehenden Richtlinien ungeeignet, dieses Ziel zu erreichen.
Insbesondere folgende Themen werden kritisch gesehen:
• Value for Money – Die Einführung regulatorischer „PreisBenchmarks“ im Finanzdienstleistungsbereich wäre einzigartig. Eine regulierte Preispolitik würde das Angebot beeinträchtigen und wohl auch einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit bedeuten.
• (Teilweises) Verbot von Inducements – Provisionen für sämtliche beratungsfreie Geschäfte zu verbieten sowie die zu kurzfristig angesetzte ReviewKlausel (bereits nach drei Jahren) können nicht akzeptiert werden. Das derzeitige, auf Provisionen basierende Modell ist bewährt und transparent, bietet einen einfachen und niederschwelligen Zugang zur Anlageberatung und wird von Kunden nachgefragt. Die Folgen eines (absoluten oder teilweisen) Provisionsverbots wären:
– Einschränkung des Anlageberatungsangebots
Insbesondere weniger wohlhabende Anleger hätten nur begrenzte Auswahl an Produkten
Hochwertige Beratung nur mehr in vermögenden Kundensegmenten möglich
Beratungsfreies Geschäft verstärkt nur mehr über Online Kanäle mit eingeschränktem Produktangebot
• Erweiterung der Angemessenheitsprüfung – die zusätzlich vorgeschlagene Berücksichtigung von Verlusttragfähigkeit und Risikotoleranz im beratungsfreien Geschäft sollte keinesfalls umgesetzt werden.
• Vielzahl an Delegierungen auf Level 2 und 3 und zu kurze Anwendungsfrist (zumindest 30 statt 18 Monate)
Die vorgeschlagenen Änderungen führen zu einer umfassenden Novellierung der MiFID II und IDD mit potenziell gravierenden Auswirkungen auf den Wertpapier und Versicherungsvertrieb,
die umfassend und strukturiert zu diskutieren sind.
Im Vorschlag ist das Bemühen, den Verbraucherschutz zu erhöhen, zwar erkennbar, allerdings wird vielfach an den falschen Stellen angesetzt, weshalb das Ziel, die Beteiligung von Privatanlegern an den EU-Kapitalmärkten zu erhöhen, mit den angedachten Maßnahmen nicht erreicht werden wird Sinnvollen Anpassungen des derzeitigen Systems steht die Finanzbranche offen gegenüber, wobei jedoch zu beachten ist, dass das System bereits jetzt auf die Bedürfnisse des Marktes zugeschnitten ist (insbesondere auch auf die Nachfrage durch Kunden) und sich in der Praxis als gut funktionierend erwiesen hat.
Es ist zu befürchten, dass die vielen neuen Verpflichtungen, die durch das vorgeschlagene Legislativpaket eingeführt werden sollen, die Servicierung von Kleinanlegern noch komplexer machen würde, ohne dass ein Mehrwert für Kunden entsteht, zumal im bestehenden Regelwerk ohnedies bereits umfangreiche Transparenzbestimmungen herrschen. Dies könnte zu einer Situation mit teureren Produkten und einem eingeschränkten Zugang zur Beratung für Kleinanleger führen, wodurch die Zahl der Anleger sogar sinken könnte.
Auf diese Weise besteht auch die Gefahr, dass Kunden in das OnlineGeschäft mit weniger Beratung und Schutz „gedrängt“ werden, obwohl die Nachfrage nach Beratung quer über alle Bevölkerungsschichten (insbesondere auch bei jüngeren Menschen) hoch ist. Wir verweisen auf das Beispiel UK.
In der Folge würde das bisher gerade für Kleinanleger so wichtige, einfach und niederschwellig verfügbare Beratungsangebot aufgrund der angedachten Änderungen ausgedünnt werden oder gänzlich wegfallen. Im Ergebnis würden Retailkunden von der Teilnahme am Kapitalmarkt Abstand nehmen oder (beratungsfrei) für ihre Bedürfnisse mitunter ungeeignete Kleinanlegerprodukte erwerben. Beides liefe den Zielsetzungen der Kommission zuwider
Generell ist auch anzumerken, dass viele Vorgaben vage formuliert sind und
zahlreiche Bestimmungen erst durch delegierte Rechtsakte der Kommission (Level 2) oder durch die europäischen Aufsichtsbehörden (Level 3) konkretisiert werden sollen.
Auf EUEbene schreiten die Arbeiten am Digitalen Euro intensiv voran, noch für Juni wird mit einem Legislativvorschlag der EUKommission und bis Mitte November 2023 mit einer konkreten Entscheidung im EZB Rat gerechnet. Der digitale Euro könnte damit ab 2027 als Zahlungsmittel in Umlauf kommen.
Seitens der Bundessparte wird die Sensibilität der Thematik „Digitaler Euro“ in diversen Foren mit der OeNB und auf politischer Ebene mit Argumenten aufgezeigt. Folgende Prioritäten wurden bisher eingebracht; diese werden laufend evaluiert:
• Digitaler Euro ist „Lösung“ auf der Suche nach Problem:
– Zahlungsverkehr funktioniert, es gibt kein Marktversagen oder wirkliche Nachfrage nach zusätzlichen digitalen Angeboten.
– EZB würde in den Wettbewerb mit privaten Geschäftsbanken treten –„Europäische Einheitsbank“.
– Digitale Zahlungen werden durch Geschäftsbanken erfolgreich zur Verfügung gestellt und die Erwartungen an „digitale Währungen“ Privater haben sich nicht erfüllt.
• Entscheidung, ob digitaler Euro eingeführt wird, ist demokratisch zu legitimieren (EU-Gesetzgeber), kein eigenständiges Vorauslaufen der EZB
Eingehende Wirtschafts- und Folgenanalyse vor der Entscheidung
Der EU Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und wie ein digitaler Euro eingeführt wird.
• Sicherung der finanziellen Stabilität
– Potenziell negative Auswirkungen auf Finanzierung der Realwirtschaft müssen vermieden werden.
– Daher u.a. angemessen niedrige Haltelimits und Ausschluss einer Verzinsung des digitalen Euro.
– Potenzielle Umschichtungen von Bankeinlagen in den digitalen Euro würden Finanzierungen der Betriebe beeinträchtigen/gefährden. Verbindliche und niedrige Obergrenzen für das Halten eines digitalen Euro sind daher unverzichtbar.
Klare Transaktionslimits zur Unterstützung der Anti GeldwäscheBemühungen.
Die KIMV wurde zwar in gewissen Bereichen mit 1.4.2023 angepasst, wie aber bereits nach der Entscheidung des FMSG (Finanzmarktstabilitätsgremium) vom Februar absehbar, wurde wichtigen Anliegen und Argumenten der Kreditwirtschaft sowie weiterer betroffener Branchen im Wesentlichen nicht Rechnung getragen. Die Änderungen reichen bei weitem nicht aus, um die negativen Effekte auf die Wirtschaft und die Schaffung von Wohneigentum einzugrenzen.
Die Bundessparte fordert daher nach wie vor die komplette Aufhebung der KIMV, weil sich die geldpolitischen Rahmenbedingungen seit Mitte 2022 grundlegend geändert haben und schon allein durch die Zinswende die Immobilienkreditvergabe nachhaltig zurückgegangen ist.
Im Vorfeld der FMSG Sitzung und im Zuge der Begutachtung der KIMVNovelle im Februar/März hat die Kreditwirtschaft umfangreich ihre Einschätzung in dieser sensiblen Thematik mit erheblichen volks/wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Konsequenzen argumentiert. Die novellierte KIMV trägt weder dieser Diskussion noch der Tatsache Rechnung, dass es seit dem Inkrafttreten der Verordnung zu einer grundlegenden Änderung der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen gekommen ist. Gemäß § 23h Abs. 1 BWG sind Schritte, wie sie durch die kreditnehmerbezogenen Maßnahmen der KIMV vorgeschrieben werden, nur zur Begrenzung systemischer Risiken aus der Immobilienfinanzierung zulässig. Diese Voraussetzung und insbesondere die ursprünglich identifizierten Risikofaktoren – dynamisches Preis und Kredit wachstum – sind nicht mehr gegeben. Daher sind das Ziel und die Notwendigkeit der erlassenen Maßnahmen und damit die Verordnung grundsätzlich in Frage zu stellen.
Am 18.4.2023 wurde der Legislativvorschlag der EUKommission zur Überarbeitung des Rechtsrahmens für die Bankenabwicklung und Einlagen
sicherung (sog. Crisis Management and Deposit Insurance Vorschlag/CMDI) veröffentlicht. Die Bundessparte hat dazu umgehend eine erste kritische Stellungnahme an das BMF sowie Bundesminister Brunner abgegeben. Die Verhandlungen zu dem Legislativpaket wurden bereits im Rat und EUParlament aufgenommen und die Bundessparte hat im Mai noch eine detailliertere Stellungnahme mit WordingVorschlägen an das BMF und die Brüsseler Ebene herangetragen. Generell sehen viele Mitgliedstaaten den Vorschlag, insb. die Ausdehnung der Abwicklung auf mittlere und kleinere Institute, weniger kritisch als Österreich, Deutschland und Italien.
Eckpunkte des CMDI-Vorschlages:
• Bei der Bankenabwicklung soll der sog. Public Interest Test (PIA) erweitert werden, sodass der Anwendungsbereich der BRRD auch auf mittelgroße und kleine Banken erweitert wird. Denn nur wenn eine Abwicklung im öffentlichen Interesse liegt, kann der Eingriff in Eigentumsrechte der Bankeigentümer und gläubiger, der bei der Abwicklung unvermeidlich ist, grundrechtlich gerechtfertigt werden. Durch die Änderung würde die Abwicklung bei vielen, auch kleineren Bankenausfällen, die Norm, was überschießend ist.
• Erweiterung der Möglichkeit, den Einlagensicherungsfonds auch in einer Abwicklung heranzuziehen, weil laut Kommission mit einem Bailin bei klassischen Retailbanken systemische Effekte verbunden sein können.
• Die Kosten des Konkurses werden erhöht durch
(i) eine Änderung der Rangfolge der Forderungen im Insolvenzfall: Abschaffung der Vorzugsstellung von Forderungen der Einlagensicherungssysteme (Super Preference) und Einführung eines allgemeinen (pari passu) Ranges für Einlagen (auch für die über € 100.000 hinausgehenden, sowie die aus der Einlagensicherung ausgeschlossenen Einlagen) mit dem Ziel, die Verwendung der Mittel des Einlagensicherungsfonds für andere Maßnahmen als die Zahlung gedeckter Einlagen zu ermöglichen.
(ii) Die Einführung einer Super Preference für Forderungen, die den nationalen Abwicklungsfonds (oder dem SRF in der Bankenunion) aufgrund ihrer Interventionen zuerkannt werden (diese Forderungen sind damit auf einer
höheren Stufe als die Einlagen und die Sicherungseinrichtung).
• Der Beitrag der Sicherungseinrichtung kann im Rahmen einer Abwicklung auch die bei kleinen und mittleren Instituten (mangels ausreichendem Vorhalt von MREL) vorhandene Lücke zum Schwellenwert von 8% TLOF (Total liabilities and own funds) für die Aktivierung des Abwicklungsfonds schließen. D.h. wenn die Einlagensicherungsfonds den Bailin der gedeckten Einlagen ersetzen, erhalten sie daraus keine Forderungen oder Rechte; es handelt sich um eine reine (verlusttragende) Subvention.
Die im Legislativentwurf angeführte Zielsetzung der Förderung des Einlegerschutzes und des Erhalts des Vertrauens der Kunden wird unterstützt. Der seitens der EUKommission vorgeschlagene Weg ist jedoch nicht der richtige. Mit dem vorliegenden Vorschlag würde das System der Bankenabwicklung und Einlagensicherung grundlegend geändert. Es käme zu einer teilweisen Einführung einer europäischen Einlagensicherung „durch die Hintertür“, in dem die EUAbwicklungsbehörde SRB Zugriff auf die nationalen Einlagensicherungsfonds bekommen würde. Die Heranziehung der Einlagensicherungsfonds bei der Abwicklung setzt für die Abwicklungsbehörden falsche Anreize. Anstatt die von der Bankenindustrie gemeinschaftlich angesparten Mittel zu verwenden, sollte vielmehr in erster Linie das Instru ment des Bailin bei allen Gläubigern konsequent angewendet werden. Und als weitere Geldquelle steht dann ohnedies der Abwicklungsfonds zur Verfügung.
Aus Sicht der österreichischen Kreditwirtschaft bestehen daher folgende prioritäre Anliegen:
• Keine Abschaffung der Super Preference (Abschaffung des 1. Ranges gedeckter Einlagen bzw. Einlagensicherungseinrichtungen)
• Keine Bevorzugung der Abwicklung gegenüber der Insolvenz in der vorgeschlagenen Form i. V. m. Erweiterung des Anwendungsbereichs Public Interest Assessment. D. h. Ablehnung der Ausdehnung des Abwicklungsregimes in der vorliegenden Form auf kleinere und mittlere Banken.
• Keine Ausweitung der Verwendung von Einlagensicherungsmitteln im Rahmen einer Abwicklung (Wegfall der Höchstgrenze von 50% der Zielausstattung)
• Adäquate Behandlung von Institutssicherungssystemen (IPS)
• Ablehnung der vorgesehenen Ausweitung des Kreises geschützter Einleger auch aus Gründen der Finanzmarktstabilität (öffentliche Einrichtungen benötigen keinen Schutz durch die Einlagensicherung)
In der Praxis hat sich das bestehende System der Einlagensicherung als wirksames Instrument zur Stärkung der Finanzmarktstabilität bewährt und das Kundenvertrauen auf europäischer und nationaler Ebene gestärkt. Die vorgeschlagenen Änderungen der EUKommission führen zu einer finanziellen Schwächung der Sicherungseinrichtungen und auch ihrer Mitgliedsinstitute durch
• geringere Rückflüsse aus der Masse von insolventen Banken,
• höhere Belastung bei Abwicklungen nach dem BaSAG durch Verschlechterung der Bedingungen im Rahmen des LCTs (Least Cost Test) und
• eine deutlich stärkere Belastung der Banken durch eine Ausweitung der Inanspruchnahme von Einlagensicherungsmittel für Abwicklungszwecke.
Diese Änderungen ziehen auch systemwidrige Konsequenzen nach sich, da Einleger mit Einlagen über € 100.000 durch die Aufhebung der Super Preference (Gläubigerbevorrechtung) trotz eines ungenügenden Risikomanagements gegenüber Sparern mit einem Gut haben unter € 100.000 bevorzugt werden. Daher stellen die Vorschläge der EUKommission weder einen höheren Schutz der Einleger noch eine Verbesserung der Finanzmarktstabilität dar. Der Leitgedanke des vom europäischen Gesetzgebers konzipierten Rechtsrahmens zur Abwicklung von Banken lautet, dass Bankenabwicklung nur für größere, systemische Banken angewendet werden sollte. Diesem Grundsatz zufolge sollen Abwicklungsinstrumente nur auf jene großen Institute angewendet werden, deren Abwicklung im öffentlichen Interesse liegt („too big to fail“). Demgegenüber sollte die Mehrheit der Banken im Rahmen eines normalen Insolvenzverfahrens liquidiert werden. Diese grundsätzliche Aufteilung muss beibehalten werden.
Das in Österreich angewandte Insolvenzregime sowie die etablierten Sicherungseinrichtungen haben sich – wie auch die bisherigen Sicherungsfälle klar aufgezeigt haben – als funktionsfähig und vertrauenswürdig erwiesen und wesentlich zur Sicherung der Finanzstabilität beigetragen.
Die Trilogverhandlungen zwischen Rat, EP und Kommission haben Anfang März gestartet und sollen bis zum Sommer abgeschlossen sein. Geplant ist, dass Basel IV generell ab 1.1.2025 in Kraft treten soll. Für den OutputFloor und andere Bestimmungen sind mehrjährige Übergangsfristen geplant.
◆ Stand der Verhandlungen:
EU-Parlament-Position für die laufenden Trilogverhandlungen:
• Das EP spricht sich dafür aus, dass Beteiligungen, die seit sechs Jahren gehalten werden, weiterhin mit 100% RWA gewichtet werden können, wenn signifikante Kontrolle über die Beteiligung besteht. Dies kann auch angenommen werden, wenn z.B. ein Aufsichtsratsmitglied nominiert werden darf. Auch für Beteiligungen innerhalb eines IPS soll es Ausnahmen geben.
• Der OutputFloor soll nur auf konsolidierter Ebene berechnet werden. (Der Rat spricht sich hingegen für ein MS Wahlrecht aus, wonach EUMS vorschreiben könnten, dass der Floor auch auf EinzelKIEbene berechnet werden muss.)
• Das EP plädiert für die Förderung von Capital Waivers. So soll die Kommission bis 2026 einen Bericht und Legislativvorschlag dazu veröffentlichen. Darüber hinaus plädiert das EP für Erleichterungen bei Liquidity Waivers.
• Auch wurde in der jetzt angenommenen Position der ursprüngliche Vorschlag des Berichterstatters MEP Fernandez zur CRR und CRD entschärft, wonach die Übergangsfrist für Unrated Corporates nur für Unternehmen bis € 500 Mio. Umsatz gelten hätte sollen. Die Übergangsregelung, wonach für Unrated Corporates ein RWA von 65% herangezogen werden kann, gilt nun für alle Unrated Corporates bis 2032 und kann höchstens bis 2036 verlängert werden.
• Anders als der Rat plädiert das EP für die Beibehaltung des Kommissionsvorschlages, wonach Objektfinanzierungen, die eine umfangreiche Liste an spezifischen Anforderungen erfüllen (‚high quality‘ object finance) mit 80% gewichtet werden können (anstatt 100%).
• Weiters soll es Übergangsregelungen für risikoarme, durch Hypotheken auf Wohnimmobilien besicherte
Kredite geben. (Generell werden die Risikogewichte für Immobilien durch Basel IV jedoch erheblich erhöht.)
• Bei den Fit&ProperBestimmungen plädiert das EP dafür, dass die Fit&ProperBeurteilung ex ante vor Aufnahme der Tätigkeit als Vorstand/ Aufsichtsrat eines größeren Instituts durchgeführt wird, anders als der Rat, der hier eine ExpostLösung mit Anzeige nach Bestellung nach wie vor ermöglichen will. ExpostBeurteilungen sollen laut EP für kleine und nichtkomplexe Banken nach wie vor möglich sein.
Position des Rates für die laufenden Trilogverhandlungen:
• Die wesentlichen Anliegen der österreichischen Kreditwirtschaft (insb. Beteiligungen und KMUFinanzierungen) sind abgebildet. Die unveränderte Übernahme des auch zukünftigen 100% Risikogewichts für Beteiligungen im IPS und in der KIGruppe auf Basis des Art. 49 Abs. 4 CRR ist zu begrüßen. Im Hinblick auf das Grandfathering (Art. 495a Abs. 3 CRR) bei seit mindestens sechs aufeinander folgenden Jahren gehaltenen Beteiligungen führt die Einfügung eines „bloßen“ Kontrolltatbestands („at least, control or significant influence“) zu einem Mehr an Flexibilität in der praktischen Anwendbarkeit der Regelung. Ein signifikanter Einfluss ist beispielsweise gegeben, wenn man das Recht hat, bei einer Beteiligung einen Aufsichtsrat zu nominieren. Diese Einschätzung teilt auch das EP.
• Beim OutputFloor wurde erwartungsgemäß im Sinne eines Mitgliedsstaatenwahlrechts die Möglichkeit geschaffen, dass dieser auch auf EinzelKIEbene bzw. auf subkonsolidierter Ebene berechnet werden muss.
• Die Ablehnung der zu weit reichenden Vorschläge der Kommission zu überarbeiteten Anforderungen an die Überwachung des Immobilienwerts und die Immobilienbewertung gemäß Art. 208 Abs. 3 CRR ist begrüßenswert.
• Der sog. Hard Test bei der Finanzierung von Wohn und Gewerbeimmobilien (geringere Risikogewichte bei Vorliegen eines soliden Immobilienmarkts, in dem bestimmte Obergrenzen bei den Verlustraten nicht überschritten werden) wird auch bei Aufsichtsbehörden in Drittstaaten zugelassen (siehe Art. 125 Abs. 3 und Art. 126 Abs. 3 CRR).
• Objektfinanzierungen sollen generell mit 100% gewichtet werden (Art. 122a Abs. 3 CRR). Sachgerechter wäre die Umsetzung des Kommissionsansatzes gewesen, wonach Objektfinanzierungen, die eine umfangreiche Liste an spezifischen Anforderungen erfüllen (‚high quality‘ object finance) mit 80% gewichtet werden können. Wenn nicht, soll ohnedies das 100% Risikogewicht zur Anwendung gelangen.
• Für das Segment Corporate Investment Grade wird die Übergangsbestimmung mit dem 65% RWA für IRB Banken vorgesehen (bei einer PD unter 0,5%). Ein von uns gefordertes EBARTS Mandat für die dauerhafte Verwendung des 65% RWA, insb. auch für KreditrisikoStandardansatzBanken, wurde nicht übernommen. EBA wird bis zur Übergangsperiode 2029 mit einem Report beauftragt. Darüber hinaus sollen Initiativen gestartet werden, um die RatingAbdeckung der Corporates zu erhöhen.
• Bei der Offenlegung wird für kleine und nichtkomplexe Institute entsprechend den Vorschlägen der Kommission die Möglichkeit geschaffen, dass die Offenlegung zukünftig über eine zentralisierte EBADatenbank erfolgt, um diese Institute von administrativen Bürden zu entlasten. Basis für die Offenlegung sollen die Meldedaten sein.
• Positiv ist, dass die ursprünglichen Vorschläge der Kommission zu Fit&ProperVerfahrensregelungen weitgehend gestrichen wurden.
Die EBA hat eine Konsultation zu neuen Meldevorgaben zu Zinsänderungsrisiken im Bankbuch durchgeführt. In dem Konsultationspapier werden neue, harmonisierte Meldeanforderungen für die Bewertung und Überwachung des Zinsänderungsrisikos vorgeschlagen. Die Entwürfe zur Änderung der ITS dienen der Umsetzung des von der EBA im Oktober 2022 veröffentlichten Maßnahmenpakets. Laut EBA wurde auf die Propor tionalität geachtet, wobei die Erkenntnisse aus der EBAStudie über die Kosten der Einhaltung der Vorschriften zugrunde gelegt wurden. Das Konsultationspapier enthält insofern vereinfachte Vorlagen für die Berichterstattung von kleinen und nicht komplexen Instituten.
Die Bundessparte hat eine Stellungnahme bei der EBA abgegeben. Kritisiert werden der außerordentliche Umfang, die Komplexität und der Zeitpunkt der Erst
anwendung der geplanten Meldepflichten, die in der Umsetzung voraussichtlich für Institute jeder Größe herausfordernd sind. Es gibt Zweifel, dass der EBAZeitplan auch unter Berücksichtigung manueller Workarounds umgesetzt werden kann. Daher wäre eine Reduzierung der Anforderungen im Vergleich zum EBAEntwurf erforderlich, wobei das Proportionalitätsprinzip nicht nur bei Vorgaben für die kleineren, sondern auch für die mittelgroßen Banken stärkere Beachtung finden sollte.
Der finale Standard wird voraussichtlich im September 2023 veröffentlicht. Um die Zeitspanne bis zum InKraftTreten zu überbrücken, ist für den Stichtag Q4/2023 (und evtl. auch für Q2/2024) seitens EBA eine advanced adhoc data collection angedacht. Bei den betroffenen Banken handelt es sich voraussichtlich um das QIS Bankensample. Der Meldeinhalt orientiert sich an (Teilen) der geplanten ITS Templates.
FMA-Erhebung Fremdwährungskredite 1. Quartal 2023
Das aushaftende FXKreditvolumen an private Haushalte ist wechselkursbereinigt seit 2008 um € 40,8 Mrd. gesunken (85,6%), derzeit haften noch € 8,1 Mrd. aus. Im 1. Quartal 2023 ist das an Haushalte aushaftende Fremdwährungskreditvolumen verglichen mit dem Vorquartal um € 330 Mio. oder –3,9% zurückgegangen; verglichen mit dem 1. Quartal 2022 war es ein Minus von € 1,52 Mrd. oder –15,7%. Der Anteil der Fremdwährungskredite an den gesamten an private Haushalte aushaftenden Krediten beträgt damit nunmehr 4,5% (Q1/22: 5,3%); am Höhepunkt des FXKreditBooms lag der Anteil bei rund einem Drittel (31,8%). 97,9% der Fremdwährungskredite entfallen auf Schweizer Franken, der Rest fast gänzlich auf japanische Yen. Seit Anfang 2008 hat der Schweizer Franken gegenüber dem Euro um 67,9% aufgewertet. Im 1. Quartal 2022 pendelte der Wechselkurs des Schweizer Franken rund um 0,9968 zum Euro.
Die EUKommission hat im April 2023 ihren zweiten Bericht zur Über prüfung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) veröffentlicht. Nach Art. 32 SSMVerordnung hat die EUKommission für das EUParlament und den Rat alle drei Jahre einen Bericht zu erstellen, in dem insbesondere die Governance des SSM, die wesentlichen Instrumente der EZB zur Ausübung ihrer Aufsichtsaufgaben und das Zusammenwirken der EZB
mit anderen Behörden bewertet werden sollen. Der erste Überprüfungsbericht wurde im Oktober 2017 veröffentlicht. Der zweite Bericht war folglich für das Jahr 2020 geplant. Die verzögerte Veröffentlichung erfolgte insbesondere aufgrund der COVID 19Krise und ihren Arbeiten am EUBankenpaket (CRR III und CRD VI).
Wesentliche Schlussfolgerungen der EUKommission:
• Seit der letzten SSMÜberprüfung hat die EZB ihre Aufsichtspraktiken weiter verbessert und ihre Rolle als Aufsichtsbehörde gefestigt. Dies wurde insbesondere in der COVID19Krise deutlich, in der die EZB entsprechend ihren Ressourcen und ihrem Risikoansatz einen pragmatischen aufsichtlichen Überprüfungsund Bewertungsprozess (SREP) verfolgt hat.
• In den letzten Jahren hat die EZB besser harmonisierte, transparente und vergleichbare Aufsichtspraktiken entwickelt, z.B. für die Bestimmung der Säule2Anforderungen (P2R und P2G) und für die Eignungsprüfungen (fit & proper). Diese Verbesserungen haben sich positiv auf die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den NCA ausgewirkt.
• Die Rückmeldungen bzw. Berichte der NCA zur Zusammenarbeit mit der EZB waren durchgängig sehr positiv. Seitens der Industrie wurde die EZB für ihr schnelles und agiles Vorgehen bei der Bewältigung der Herausforderungen, die durch die COVID 19Krise entstanden sind, gelobt.
• Der EZB mangelt es an hochspezialisierten Mitarbeitern bei einigen Themenbereichen (insbesondere bei der Überprüfung interner Modelle sowie IKT/Cyberrisiken).
• Die EZB sollte ihre externe Kommunikation gegenüber relevanten Stakeholdern verbessern, um sicherzustellen, dass ihre Erwartungen und angestrebten Ergebnisse verstanden werden. In diesem Zuge sollte die EZB die Zusammenarbeit mit den NCA, dem SRB und der EBA sowie den Aufsichtsbehörden außerhalb des Bankensektors (z.B. aus dem Versicherungssektor) intensivieren.
• Die EZB ist weiterhin mit Schwierigkeiten bei den Eignungsbewertungen und Sanktionsbefugnissen sowie bei der Geldwäschebekämpfung konfrontiert, da die gesetzlichen Grundlagen nicht ausreichend harmonisiert bzw. im hohen Umfang national geregelt sind.
• Insgesamt wurden bei der Überprüfung keine Bereiche ermittelt, die zum jetzigen Zeitpunkt wesentliche Änderungen an der SSMVerordnung erfordern würden.
Die Bundessparte begrüßt die Bemühungen der EUKommission, die Funktionsweise des SSM regelmäßig zu überprüfen, um den SSM entsprechend weiterzuentwickeln. Positiv ist insbesondere, dass die EUKommission hierzu informelle Gespräche mit den NCA, der EBA, dem SRB und Industrievertretern führt. Kritisch wird allerdings gesehen, dass die von der Kreditwirtschaft geforderte Kosteneffizienz der EZB Bankenaufsicht keinen Eingang in den Bericht gefunden hat.
◆ EU-Rechnungshofbericht zur EZB-Bankenaufsicht
In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der EURechnungshof im Mai einen Bericht veröffentlicht hat, in dem er die EZB auffordert, die Kredit risiken bei den Banken strenger zu prüfen. Die EZB habe nicht stark genug mit Aufsichtsmaßnahmen reagiert, wenn es bei Banken anhaltende Probleme im Bereich Kreditrisikomanagement gab.
Die EZB sollte insb.
• die Risikobewertung der Banken stärken;
• den aufsichtlichen Überprüfungsund Bewertungsprozess straffen; und
• Aufsichtsmaßnahmen ergreifen, die eine solide Risikodeckung und ein solides Risikomanagement durch die Banken besser sicherstellen.
Diese Erkenntnisse können nur schwer nachvollzogen werden und dürfen keinesfalls dazu führen, dass die EZB noch weitere Ressourcen aufbaut, die letztlich von den Banken zu finanzieren sind.
Die EZB hat die Ergebnisse einer externen Bewertung des derzeit im SSM Anwendung findenden bankaufsichtlichen „Supervisory Review and Evaluation Process (SREP)“ durch eine internationale Expertengruppe veröffentlicht. Die Expertengruppe plädiert dafür, den SREP etwas schlanker und kürzer aufzusetzen. Auch sollte die SREPspezifische Analysetätigkeit reduziert werden und mehr auf die laufende Beaufsichtigung gesetzt werden.
Empfehlungen zur weiteren Verbesserung der Effizienz und Effektivität des SREP:
• Weiterentwicklung der risikobasierten Aufsicht;
• Stärkung der Integration der Erkenntnisse aus den weiteren Aufsichtsaktivitäten;
• Verschlankung des Gesamtprozesses und Verkürzung der Gesamtzeitleiste;
• Erweiterung des Einsatzes von qualitativen Aufsichtsmaßnahmen (nicht nur P2Capital, sondern gegebenenfalls auch mehr qualitative Verbesserungsaufträge); und
• Überarbeitung des Ansatzes zur Bestimmung der „Säule 2“Kapitalanforderungen.
Die Würdigung der Empfehlungen der Expertengruppe und Erarbeitung von Folgemaßnahmen wurde im SSM unmittelbar begonnen, sodass erste Weiterentwicklungen bereits im diesjährigen „SREP 2023“ umgesetzt werden können. Auch wird die Bewertung der Expertengruppe im SSM im Rahmen einer Überprüfung der Aufsichtsprozesse im kommenden Jahr 2024 Berücksichtigung finden.
EZB Leitfaden zu Verfahren für qualifizierte Beteiligungen
Die EZB hat Ende Mai ihren finalen Leitfaden für qualifizierte Beteiligungen veröffentlicht. Der Leitfaden fasst die Aufsichtspraxis der EZB bei der Bewertung von qualifizierten Beteiligungen zusammen und soll das Verständnis erleichtern und Antragsteller beim Erwerb einer qualifizierten Beteiligung unterstützen. Ein Anteilseigner, der 10% oder mehr einer Bank besitzt oder einen maßgeblichen Einfluss auf sie ausübt, gilt als "qualifizierte Beteiligung". Für den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung oder für das Überschreiten bestimmter Schwellenwerte, z.B. 10%, 20%, 30% oder 50% des Kapitals oder der Stimmrechte einer Bank, ist eine vorherige Genehmigung der EZB erforderlich. Der Erwerb einer qualifizierten Beteiligung wird in der Regel durch Fusionsund Übernahmeprojekte ausgelöst. Der Leitfaden enthält auch Informationen zu komplexen Erwerbsstrukturen, zur Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und zu spezifischen Verfahrensaspekten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer qualifizierten Beteiligung.
◆ Aktuelles zur Abwicklungsplanung
Institute in der Zuständigkeit des SRB
Der Abwicklungsplanungszyklus 2022 ist für alle SRB Banken abgeschlossen. Alle österreichischen Institute wurden über den Stand der Abwicklungsplanung informiert und ihnen bindende MREL Erfordernisse mittels nationaler Umsetzungsbescheide der FMA vorgeschrieben. Das SRB hat bereits mit dem Abwicklungsplanungszyklus 2023 begonnen. Bis Ende September 2023 sind alle Abwicklungsplanentwürfe 2023 an die EZB zur Kommentierung zu übermitteln.
Institute in der Zuständigkeit der FMA
Die Abwicklungspläne für die 345 Institute in der Zuständigkeit der FMA im Abwicklungsplanungszyklus 2022 wurden kontrolliert bzw. weiterentwickelt. 17 größere LSIs in der Zuständigkeit der FMA haben bzw. werden bis Ende Juni 2023 – nach Durchführung eines MREL Parteiengehörs – eine zusammenfassende Darstellung ihres aktuellen Abwicklungsplans sowie einen MREL Bescheid erhalten.
Im Rahmen der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit verfolgt die FMA seit 2022 eine proportionale Umsetzung der maßgeblichen EBA Guidelines (EBA Resolvability Guidelines vom Jänner 2022 und EBA Transferability Guidelines vom September 2022) und der SRB Resolvability Assessment Policy (vom April 2021), die eine stufenweise Umsetzung aller Anforderungen an die Abwicklungsfähigkeit in den Abwicklungsplanungszyklen 2022, 2023 und 2024 vorsieht. Nach Umsetzung der Anforderungen in den Bereichen MREL, Bailin und Kommunikationen im Abwicklungsplanungszyklus 2022 werden die aktuellen Ergebnisse der gesamthaften Bewertung der Abwicklungsfähigkeit den betroffenen 17 LSIs bis Ende Juni/Anfang Juli 2023 im Rahmen bilateraler Feedback Gespräche sowie der jährlichen Übermittlung der Ergebnisse der Abwicklungsplanung bekanntgegeben.
Im Abwicklungsplanungszyklus 2023 steht die Umsetzung der Anforderungen in den Bereichen ManagementInformationssysteme (inklusive Umsetzung der FMAMindeststandards zur Bereitstellung von Daten für den Abwick
lungsfall) und Zugang zu FMI sowie in einem Teilbereich von Liquidität und Funding an. Zu diesem Zweck wurden den betroffenen 17 LSIs die neu umzusetzenden Anforderungen im Rahmen von zwei Workshops im April und Mai 2023 im Detail vorgestellt, die Umsetzung der Anforderungen bis spätestens Ende Q1 2024 und die Einbringung eines SelfAssessment Reports bis Ende Q3 2023 aufgetragen sowie eine AdhocBerichtspflicht für etwaige Verzögerungen in der Umsetzung auferlegt. Darüber hinaus haben die betroffenen Banken bis Ende Q1/2024 eine überarbeitete Version des BailinPlaybooks sowie im Bereich Liquidität und Funding ihr Collateral Management Framework einzubringen. Im Herbst 2023 führt die FMA die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit auf Grundlage der SelfAssessment Reports und sonstiger verfügbarer Informationen durch und baut diese bis zum Jahresende in die Abwicklungsplanentwürfe 2023 ein.
◆ Konkretisierung der Anforderungen für die Verringerung berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten durch die DelVO (EU) 2023/827
Die FMA hat die am 10.12.2021 bescheidmäßig erteilten Genehmigungen zur Verringerung von Instrumenten berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten für jene Banken, die ein bindendes MREL Erfordernis gleich dem Verlustabsorptionsbetrag mitgeteilt bekommen haben, Anfang Juni 2023 widerrufen. Hintergrund des Widerrufs ist das Inkrafttreten der Delegierten Verordnung (EU) 2023/827 der Europäischen Kommission, welche die rechtliche Grundlage für die Bewilligung von Verringerungen berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens ändert. Nach der DelVO kann eine Bewilligung nur noch dann von der Abwicklungsbehörde erteilt werden, wenn die Bank aktiv einen Antrag bei der Abwicklungsbehörde einbringt. Sollten die betroffenen Banken keinen bewilligungspflichtigen Sachverhalt aufgrund der einschlägigen Bestimmungen in der CRR identifizieren, besteht keine Notwendigkeit, einen Antrag zu stellen und insofern auch kein Handlungsbedarf aufgrund des Widerrufes. Sollte ein bewilligungspflichtiger Sachverhalt identifiziert werden, wäre bis 30.6.2023 ein entsprechender Antrag zu stellen. Ein Antragsmuster dafür ist auf der Homepage der FMA abrufbar. Die Bewilligung gilt automatisch für einen Zeitraum von zwölf Monaten, wenn die FMA nach Einbringung des Antrags nicht binnen drei Monaten schriftlich widerspricht.
ESAP – Vorläufige politische Einigung zwischen Rat und EU-Parlament
Das EUParlament und der Rat erzielten Ende Mai eine vorläufige politische Einigung über den European Single Market Access Point (ESAP), der den Zugang zu Informationen über EUUnternehmen und Finanzprodukte erleichtern soll.
Im Einzelnen soll ESAP, das von der ESMA eingerichtet und betrieben werden soll, einen zentralen elektronischen Zugang zu öffentlich zugänglichen Informationen über Unternehmen – finanzieller und nichtfinanzieller Art – bieten. Auf Wunsch des EUParlaments sollen auch Informationen über Krypto Assets, grüne Anleihen und die Aufsicht über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung leicht zugänglich sein.
Der ESAP soll ab Sommer 2027 verfügbar sein. Es wird jedoch schrittweise umgesetzt.
• Der Anwendungsbereich in der ersten Phase wird Informationen im Zusammenhang mit der Leerverkaufsverordnung (236/2012), der Prospektverordnung (2017/1129) sowie der Transparenzrichtlinie (2004/109/EG) umfassen.
• Die zweite Phase beginnt 48 Monate nach dem Inkrafttreten der einheitlichen Anlaufstelle. ESAP wird dabei auch Informationen enthalten, die unter die Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzierungen (SFDR), die Verordnung über Ratingagenturen (CRA) und die Verordnung über Benchmarks fallen.
• In der dritten und letzten Phase werden Informationen aus etwa 20 weiteren Rechtsakten hinzugefügt, darunter die CRR, MiFIR und die EUVerordnung über grüne Anleihen (EUGBR).
Der ESAP sollte außerdem 72 Monate nach Inkrafttreten der Vorschriften alle Informationen zur Verfügung stellen, die von EUUnternehmen auf freiwilliger Basis veröffentlicht wurden. Die Mitgliedstaaten sollten ihrerseits mindestens eine Stelle benennen, die diese Informationen sammelt, und sie sollten dasselbe Format, dieselbe Zuverlässigkeit, dieselben Werte und dieselben Stoffe haben wie die auf obligatorischer Basis bereitgestellten Informationen. Personenbezogene Daten sollten nicht in ESAP gespeichert werden.
Finanzierung von ESAP: Nach dem derzeitigen mehrjährigen Finanzrahmen sollen 40% der Mittel aus dem EUHaushalt und 60% aus den Mitgliedstaaten stammen.
Die Einigung ist vorläufig, da sie noch vom Rat und vom Parlament bestätigt werden muss, bevor sie förmlich angenommen werden kann. Der finale Rechtstext sollte zeitnah danach verfügbar sein.
ESMA – Erklärung zu Risiken bei unregulierten Produkten/ Dienstleistungen
Die ESMA hat Ende Mai eine öffentliche Erklärung abgegeben, um die Anleger vor den Risiken zu warnen, die entstehen, wenn Wertpapierfirmen sowohl regulierte als auch unregulierte Produkte und/oder Dienstleistungen anbieten.
Kleinanleger würden sich laut ESMA oft allein auf den Ruf einer Wertpapierfirma verlassen, was sie anfällig dafür mache, potenzielle Risiken der von Wertpapierfirmen angebotenen unregulierten Produkte und/oder Dienstleistungen zu übersehen („Halo Effekt“). Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die nicht regulierten Produkte einen ähnlichen Zweck haben wie die unter MiFID II regulierten Finanzinstrumente (Anlage oder Absicherung).
Die Erklärung der ESMA zielt darauf ab, Firmen an Verhaltensweisen zu erinnern, die von ihnen unter solchen Umständen erwartet werden (z.B. Offenlegung, angemessene Dokumentation), um Anlegern den unregulierten Status dieser Produkte und Dienstleistungen und die Tatsache, dass sie möglicherweise nicht von den regulatorischen Schutzmaßnahmen profitieren, die für Investitionen in ein reguliertes Produkt gelten, voll bewusst zu machen.
Darüber hinaus empfiehlt die ESMA den Wertpapierfirmen, die Auswirkungen zu berücksichtigen, die ihre nicht regulierten Tätigkeiten auf die gesamte Geschäftstätigkeit der Firma haben können, wenn es um Risikomanagementsysteme und strategien geht.
ESA – RTS zur Offenlegung der ESG-Auswirkungen von einfachen, transparenten und standardisierten (STS) Verbriefungen im Rahmen der Verbriefungsverordnung
Die ESAs haben der EUKommission Ende Mai gemeinsam Entwürfe für technische Regulierungsstandards (RTS) zur Offenlegung der ESGAuswirkungen von einfachen, transparenten und stan
dardisierten (STS) Verbriefungen im Rahmen der Verbriefungsverordnung (SECR) vorgelegt. Diese finalen RTSEntwürfe sollen Marktteilnehmern helfen, fundiertere Entscheidungen über Nachhaltigkeitsauswirkungen ihrer Investitionen zu treffen.
Die wichtigsten Vorschläge, die in den technischen Standards enthalten sind, spezifizieren ESG Offenlegungen, die für STS Verbriefungen gelten würden, bei denen die zugrundeliegenden Risikopositionen Wohnungsbaukredite, Autokredite und Leasinggeschäfte sind.
Diese technischen Standards zielen darauf ab, die Kohärenz mit den im Rahmen der Verordnung über die Offen legung nachhaltiger Finanzierungen (SFDR) entwickelten Standards zu gewährleisten, die zwischen der Veröffentlichung verfügbarer Informationen über obligatorische Indikatoren (z.B. Energieeffizienz) und über zusätzliche Indikatoren (z.B. Emissionen) unterscheiden.
◆ Nächste Schritte
Nach Vorlage dieser RTS wird erwartet, dass die EUKommission die RTS innerhalb von drei Monaten nach deren Veröffentlichung billigt.
ESMA – Konsultation zur RTS zur ELTIF-Verordnung
Die ESMA hat Ende Mai eine Konsultation zu Entwürfen technischer Regulierungsstandards (RTS) im Rahmen der überarbeiteten ELTIFVerordnung gestartet.
In den RTS wird festgelegt, wie die neuen Anforderungen der überarbeiteten ELTIFVerordnung, insbesondere in Bezug auf die Rücknahmepolitik und den Anpassungsmechanismus, anzuwenden sind.
In dem Konsultationspapier ersucht die ESMA um Input zu folgenden Punkten:
• Umstände, unter denen die Laufzeit eines europäischen langfristigen Investmentfonds („ELTIF“) als mit den Lebenszyklen der einzelnen Vermögenswerte vereinbar angesehen wird, sowie zu den verschiedenen Merkmalen der Rücknahmepolitik des ELTIF;
• Umstände für die Anwendung des Anpassungsmechanismus, d.h. die Möglichkeit, Übertragungsanträge von Anteilen des ELTIF durch ausscheidende ELTIFAnleger mit Über
tragungsanträgen von potenziellen Anlegern ganz oder teilweise (vor dem Ende der Laufzeit des ELTIF) abzugleichen;
• Offenlegung der Kosten.
Die ESMA wird die Rückmeldungen, die sie zu dieser Konsultation erhält, im dritten/vierten Quartal 2023 prüfen und voraussichtlich bis zum 10.1.2024 einen Abschlussbericht veröffentlichen und der EUKommission die Entwürfe technischer Standards zur Billigung vorlegen.
ESMA – Bericht zur Bewertung von Vermögenswerten gemäß der OGAW- und der AIFM-Richtlinie
Die ESMA hat Ende Mai ihren Bericht über die gemeinsame Aufsichtsmaßnahme (CSA) mit den nationalen zuständigen Behörden (NCAs) zur Überwachung der Regeln für die Bewertung von Vermögenswerten gemäß der OGAW und der AIFMRichtlinie veröffentlicht.
In dem Abschlussbericht stellt die ESMA ihre Analyse und Schlussfolgerungen aus der CSA aus dem Jahr 2022 vor und stellt fest, dass es nach ihrer Ansicht in den folgenden Bereichen Verbesserungsbedarf gibt:
1. Angemessenheit der Bewertungsstrategien und verfahren;
2. Bewertung unter angespannten Marktbedingungen;
3. Unabhängigkeit der Bewertungsfunktion und Inanspruchnahme externer Gutachter;
4. Mechanismen zur Früherkennung von Bewertungsfehlern und Entschädigung der Anleger.
In Anbetracht des aktuellen wirtschaftlichen Umfelds sei es laut ESMA wichtig, dass die Aufsicht der NCAs die im Rahmen der CSA festgestellten Mängel behebt und weiterhin ein besonderes Augenmerk auf potenzielle Bewertungsprobleme legt, die sich aus weniger liquiden Vermögenswerten ergeben, deren Beschaffenheit die strukturellen Liquiditätsinkongruenzen bestimmter Arten von Investmentfonds verstärken kann. Dies gilt insbesondere für Fonds, die in PrivateEquity (PE) und Immobilienanlagen (RE) investieren, die angesichts der starken Abhängigkeit von langfristigen Modellen und der Illiquidität ihrer Anlagen stärker von Neubewertungsrisiken betroffen sein könnten.
Aufbauend auf den Ergebnissen der CSA wird die ESMA die Diskussionen zwischen den NCAs zum Thema Bewertung von Vermögenswerten, insbesondere unter angespannten Marktbedingungen, weiter fördern, um sicherzustellen, dass sowohl Marktteilnehmer als auch die NCAs besser darauf vorbereitet sind, bewertungsbezogene Herausforderungen in künftigen Stressphasen zu bewältigen.
EU-Kommission: Maßnahmenpaket „Clearing“ und „Insolvenz von NichtBanken“
Der RL Vorschlag wurde im Dezember 2022 durch die Europäische Kommission veröffentlicht. Die Positionen des Rates und des Europäischen Parlaments werden nach wie vor in den jeweiligen Gremien erarbeitet.
Die im RL Vorschlag vorgesehene, für alle Mitgliedsstaaten verpflichtende dreijährige Mindestfrist für die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen ist zu lange, belastet die Rechtssicherheit unangemessen und kann mit Rückstellungskosten für bis zu drei Wirtschaftsjahre verbunden sein. Außerdem konterkariert diese lange Frist auch den erklärten Zweck des RL Vorschlags, nämlich die Steigerung der Verfahrenseffizienz. Diese Frist sollte jedenfalls auf ein Jahr gekürzt werden.
Beim vereinfachten Verfahren für Kleinstunternehmer mit Restschuldbefreiung nach Liquidation ist zu befürchten, dass ohne Insolvenzverwalter in seiner Funktion als zentraler Ansprechpartner im Insolvenzverfahren ein geordnetes Verfahren schwer durchzuführen ist. Besonders die Behandlung (teil)gesicherter Gläubiger, nachrangiger Gläubiger und Dienstnehmer bedarf der neutralen Instanz eines Insolvenzverwalters. Gläubiger können einen Insolvenzverwalter beantragen, müssen diesfalls aber dessen Kosten tragen. Dies ist Gläubigern, die ohnedies schon einem (teilweisen) Forderungsverlust ausgesetzt sind, nicht zumutbar. Weiters ist im Hinblick auf die in den letzten Jahren erfolgten Erleichterungen der Schuldbefreiung im österreichischen Insolvenzrecht (Stichwort: Entfall der Mindestquote 2017, Verkürzung der Abschöpfungsfrist 2021) nicht nachvollziehbar, warum weitere Erleichterungen bei der persönlichen Entschuldung stattfinden sollen.
Die ESMA hat Ende Dezember 2022 die XBRL Taxonomiedateien für das einheitliche europäische elektronische Format (ESEF) 2022 und eine Aktualisierung der ESEF Conformance Suite veröffentlicht, um die Umsetzung der ESEFVerordnung zu erleichtern.
ESMA stellt XBRL Taxonomiedateien und Testdateien der Conformance Suite zur Verfügung, die die Anforderungen des Aktualisierungsentwurfs 2022 der ESEFVerordnung und der Aktualisierung 2022 des ESEFBerichtshandbuchs widerspiegeln. Die Veröffentlichung soll Softwareanbietern und Emittenten die Vorbereitungen auf den IFRS Konzernabschluss 2022 mit der neuesten Version des ESEFFormats erleichtern. Allerdings werden die Emittenten erst nach Inkrafttreten der Aktualisierung der ESEFVerordnung 2022 durch die ESEFTaxonomiedateien 2022 und die aktualisierte Conformance Suite von ihren ESEFVerpflichtungen für ihre Jahresabschlüsse für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2022 beginnen, entbunden. Emittenten können die von der ESMA im Dezember 2021 bereitgestellten ESEFTaxonomiedateien und die Conformance Suite für ihre Jahresfinanzberichte für Geschäftsjahre verwenden, die am oder nach dem 1.1.2022 beginnen. Die neue Taxonomie (delegierte Verordnung (EU)2022/2553, in Kraft seit 19.1.2023) gilt für Jahresfinanzberichte für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2023 begonnen haben, zulässig ist die Anwendung aber bereits auf Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2022 begannen.
EU-Kommission unternimmt weitere Schritte zur Förderung von nachhaltigen Investitionen (Taxonomie-VO, Ratingagenturen)
Die EUKommission hat Mitte Juni ein neues Maßnahmenpaket zu Sustainable Finance vorgelegt. Konkret erweitert die EUKommission die EUTaxonomie um zusätzliche Aktivitäten und schlägt neue Regeln für Anbieter von Umwelt-, Sozial- und Governance-Ratings (ESG) vor, die die Transparenz auf dem Markt für nachhaltige Investitionen erhöhen sollen.
Nach Angaben der EUInstitution wird die EU zusätzliche Investitionen in Höhe von rund € 700 Mrd. pro Jahr benötigen, um die Ziele des „Euro -
päischen Grünen Marktes“ zu erreichen; der Großteil dieser Investitionen wird aus privaten Mitteln stammen müssen
Das neue Paket gliedert sich in zwei Teile:
(1) die delegierten Rechtsakte zur Taxonomie und
(2) die vorgeschlagene Verordnung über die Transparenz und die Arbeitsweise von Ratingagenturen für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG).
◆ Zur Taxonomie:
Diese neuen delegierten Rechtsakte sollten Investitionen in eine größere Anzahl von Wirtschaftssektoren und Tätigkeiten erleichtern, die als Beitrag zu den Klimazielen der EU anerkannt werden. Mit dem Paket wird auch die allererste Umwelttaxonomie eingeführt, die Aktivitäten und zugehörige Kriterien für vier Umweltziele der Nicht-Klimataxonomie-Verordnung umfasst. Diese neuen Kriterien sind:
(1) nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen;
(2) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft; (3) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und
(4) Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme. Ergänzend dazu hat die Kommission gezielte Änderungen am Delegierten Rechtsakt zur EU-Klimataxonomie angenommen, die bisher nicht berücksichtigte Wirtschaftstätigkeiten, die zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen, ausweiten – insbesondere im verarbeitenden Gewerbe und im Verkehrssektor.
◆ Zu Rating-Agenturen:
Die Kommission hat auch einen Vorschlag für eine Verordnung über Ratingagenturen für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) vorgelegt. ESG Ratings bieten eine Bewertung der ESG Merkmale, der Exposition gegenüber ESGRisiken oder der Auswirkungen auf die Außenwelt eines Unternehmens, eines Finanzinstruments oder eines Finanzprodukts. Sie werden in der Regel von spezialisierten ESGRatinganbietern erstellt. Der Text enthält mehrere Bestimmungen zur Erhöhung der Transparenz und zur Begrenzung der Risiken von Interessenkonflikten für die Agenturen, die diese Ratings im Hinblick auf die soziale und ökologische Verantwortung der Unternehmen (CSR) erstellen. Ganz allgemein setzt die Kommission auf diesen Text, um bewer-
tete Unternehmen in die Lage zu versetzen, fundierte Entscheidungen über das Management von ESG-Risiken und die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten zu treffen. Ein Teil des Textes ist auch der Frage der Aufsicht gewidmet. In diesem Punkt schlägt die Europäische Kommission vor, dass ESGRatingagenturen, die Anlegern und Unternehmen in der EUDienstleistungen anbieten, von der ESMA zugelassen und beaufsichtigt werden sollen. Diese Maßnahmen ergänzen die künftigen Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) im Rahmen der CSRD, der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, die derzeit zur öffentlichen Konsultation steht
◆ Nächste Schritte
Die delegierten Rechtsakte zur EUTaxonomie sind grundsätzlich genehmigt. Sobald sie in allen EUAmtssprachen verfügbar sind, werden sie angenommen und dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Prüfung übermittelt (vier Monate, einmal um zwei weitere Monate verlängerbar). Sie werden voraussichtlich ab Beginn 2024 gelten. Was den Vorschlag für eine Regulierung der Anbieter von ESG-Ratings betrifft, so wird die Kommission nun Gespräche mit dem Europäischen Parlament und dem Rat aufnehmen.
Die ESA haben Ende Mai ihre Fortschrittsberichte zu „Greenwashing“ im Finanzsektor veröffentlicht. In diesen Berichten legt die ESA ein gemeinsames Verständnis von Greenwashing vor, das für Marktteilnehmer in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen – Banken, Versicherungen sowie Finanzmärkte – Anwendung findet.
Die ESA verstehen Greenwashing als eine Praxis, bei der nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, Erklärungen, Maßnahmen oder Mitteilungen das zugrunde liegende Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung nicht klar und angemessen widerspiegeln. Diese Praxis kann für Verbraucher, Investoren oder andere Marktteilnehmer irreführend sein.
Die ESAs heben auch hervor, dass irreführende Behauptungen in Bezug auf Nachhaltigkeit entweder absichtlich oder unabsichtlich und in Bezug
auf Unternehmen und Produkte, die entweder innerhalb oder außerhalb des EURechtsrahmens liegen, auftreten und verbreitet werden können. Angesichts des integrierten Charakters des Finanzsystems arbeiten die ESAs koordiniert, um Greenwashing zu bekämpfen.
In dem Bericht bewertet die ESMA, welche Bereiche der Wertschöpfungskette für nachhaltige Investitionen (SIVC, sustainable investment value chain) dem Risiko von Greenwashing stärker ausgesetzt sind. Diese Bewertung soll Marktteilnehmern helfen, Greenwashing zu verhindern und abzuschwächen, und die ESMA und die nationalen Aufsichtsbehörden bei der Festlegung von Prioritäten für Aufsichtsmaßnahmen und regulatorische Eingriffe unterstützen.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich irreführende Behauptungen auf alle Schlüsselaspekte des Nachhaltigkeitsprofils eines Produkts oder eines Unternehmens beziehen können – von Governance Aspekten bis hin zu Nachhaltigkeitsstrategien, zielen und kennzahlen oder Behauptungen über Auswirkungen. Der Bericht enthält auch sektorspezifische Bewertungen für Schlüsselsektoren, die in den Zuständigkeitsbereich der ESMA fallen, wie z.B. Emittenten, Investmentmanager, BenchmarkAdministratoren und Anbieter von Wertpapierdienstleistungen.
◆ Ursachen von Greenwashing
Greenwashing sei das Ergebnis mehrerer miteinander verbundener Faktoren. Marktteilnehmer im gesamten SIVC stehen vor der Herausforderung, die notwendigen Governance Prozesse und Instrumente zu implementieren, die eine qualitativ hochwertige Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen und Umstellungsbemühungen unterstützen. In diesem Zusammenhang haben Marktteilnehmer auch Schwierigkeiten, relevante, qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsdaten zu erstellen und darauf zuzugreifen. Darüber hinaus hat ein sich schnell verändernder regulatorischer Rahmen sowohl für die Marktteilnehmer als auch für die nationalen Aufsichtsbehörden Herausforderungen bei der Umsetzung mit sich gebracht und die Notwendigkeit des Aufbaus von Fachwissen im Bereich der Nachhaltigkeit deutlich gemacht.
Um GreenwashingRisiken einzudämmen, sollen Marktteilnehmer im gesamten SIVC ihrer Verantwortung
gerecht werden, fundierte Behauptungen aufzustellen und in ausgewogener Weise über Nachhaltigkeit zu kommunizieren. Die Verständlichkeit der Nachhaltigkeitsangaben für Kleinanleger soll verbessert werden, unter anderem durch die Einführung eines zuverlässigen und gut konzipierten Kennzeichnungssystems für Finanzprodukte. Schließlich soll der Regulierungsrahmen ausgereifter werden, die Schlüsselkonzepte müssen geklärt und die Auswirkungen der Nachhaltigkeit bzw. das Engagement besser integriert werden.
◆ EBA-Fortschrittsbericht
Der EBAFortschrittsbericht gibt einen Überblick über Greenwashing im Bankensektor und seine Auswirkungen auf Banken, Wertpapierfirmen und Zahlungsdienstleister. Das Ergebnis der quantitativen Analyse des GreenwashingPhänomens zeige einen deutlichen Anstieg der Gesamtzahl potenzieller GreenwashingFälle in allen Sektoren, auch bei EUBanken. Sie zeigt auch, dass die Rechenschaftspflicht gegenüber dem Klima zunimmt: Die verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit für den Klimawandel hat dazu geführt, dass Unternehmen stärker für ihre Umweltpolitik, ihre Klimaauswirkungen und ihre Offen legung zur Rechenschaft gezogen werden.
Versprechen über die künftige ESGLeistung gelten als am anfälligsten für Greenwashing, gefolgt von der ESGStrategie und den Zielen der Unternehmen sowie ESG Labels und Zertifikaten.
Sowohl die zuständigen Behörden als auch die Marktteilnehmer schätzen, dass Greenwashing die größten Auswirkungen auf das Reputationsrisiko und das operationelle Risiko (Rechtsstreitigkeiten) hat. Die Wesentlichkeit von Greenwashing wird derzeit für Banken als gering oder mittel und für Wertpapierfirmen als mittel oder hoch eingeschätzt, dürfte aber in Zukunft zunehmen.
Schließlich stellt die EBA fest, dass mehrere Elemente der aktuellen oder geplanten Regulierung und Aufsicht zur Bekämpfung von Greenwashing beitragen können. Dazu gehören die Vorschriften zum Verbot unlauterer Kommunikation und unlauteren Marketings, mehrere Teile des EURahmens für nachhaltige Finanzen, wie die EUTaxonomie und ESG Offenlegungen, sowie eine Reihe von Bestimmungen in den EBALeitlinien.
Es gibt jedoch Herausforderungen, um sicherzustellen, dass diese Instrumen
te ordnungsgemäß umgesetzt werden, um Greenwashing zu bekämpfen, wie z.B. angemessene Daten und Methoden. Darüber hinaus stellt die EBA fest, dass der regulatorische Rahmen für nachhaltige Finanzen noch nicht vollständig entwickelt ist oder sich noch in einem frühen Stadium der Umsetzung befindet, was darauf hindeutet, dass die Vorteile einiger Regeln noch nicht vollständig sichtbar sind.
◆
Der Fortschrittsbericht der EIOPA gibt erste Einblicke in das Thema Greenwashing aus Sicht der Versicherungs und Rentenversicherung, einschließlich der Frage, wie es zustande kommt, welche Auswirkungen es hat, welche Herausforderungen es bei der Beaufsichtigung gibt und welche Auswirkungen es auf den regulatorischen Rahmen hat.
Die ESA werden die endgültigen GreenwashingBerichte im Mai 2024 veröffentlichen und abschließende Empfehlungen, einschließlich möglicher Änderungen des EURechtsrahmens, prüfen.
Instant Payment –Allgemeine Ausrichtung des Rates
Es ist davon auszugehen, dass der Rat demnächst seine Allgemeine Ausrichtung zur Instant Payments Regulation verabschiedet. Die Allgemeine Ausrichtung stellt die Basis des Rates für die danach anstehenden Trilogverhandlungen dar. Damit könnte die Instant PaymentsRegulation bis Herbst 2023 final vorliegen.
Die MiCAR (Markets in Cryptoassets Regulation, Verordnung (EU) 2023/1114) wurde am 9.6.2023 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.
Kryptowerte, die nicht unter die Definition des Finanzinstruments im Sinne der MiFID fallen, werden künftig von der MiCAR erfasst. Die MiCAR schafft erstmals eine einheitliche Definition von Kryptowerten in der EU. Etablierte Regelungen des Finanzmarkts, wie etwa die MiFID oder die MAR, werden auf Emittenten von Kryptowerten und Anbietern von Dienstleistungen im
Kryptouniversum erstreckt. Wer künftig im europäischen Markt Krypto Dienstleistungen erbringen oder Kryptowerte anbieten möchte, muss bestimmte Anforderungen erfüllen und eine behördliche Genehmigung erhalten. Bislang waren solche Anforderungen nur national und daher europaweit uneinheitlich geregelt.
Die MiCAR gilt grundsätzlich ab dem 30.12.2024. Die Vorschriften zur Emission von vermögensreferenzierenden Token und E GeldToken gelten bereits ab dem 30.6.2024. Vereinzelte Vorschriften gelten bereits ab Inkrafttreten am 29.6.2023 (insbesondere Ermächtigungsgrundlagen für EBA, ESMA oder EUKommission für weitere konkretisierende Verordnungen).
ESA – Diskussionspapier zu bestimmten Aspekten von DORA
Die ESAs haben Ende Mai ein gemeinsames Diskussionspapier zu Aspekten des Digital Operational Resilience Act (DORA) veröffentlicht. Dieses Diskussionspapier folgt dem Ersuchen der EUKommission um technische Beratung zu den Kriterien für kritische IKTDrittanbieter (CTPPs) und die von ihnen zu erhebenden Aufsichtsgebühren.
Das Diskussionspapier ist in zwei Teile gegliedert:
• Vorschläge zu den Kriterien, die von den ESAs bei der Bewertung des kritischen Charakters von IKTDrittdienstleistern zu berücksichtigen sind, insbesondere eine Reihe relevanter quantitativer und qualitativer Indikatoren für jedes der Kritikalitätskriterien, zusammen mit erforderlichen Informationen zur Erstellung solcher Indikatoren.
• Vorschläge in Bezug auf die Höhe der von den CTPP erhobenen Gebühren und die Art und Weise, wie sie zu entrichten sind, insbesondere die Arten von Ausgaben, die durch die Gebühren abgedeckt werden sollen, sowie die geeignete Methode, Grundlage und Informationen zur Bestimmung des anwendbaren Umsatzes der CTPP, der die Grundlage für die Gebührenberechnung bilden wird. Die ESAs bitten auch um Beiträge zur Gebührenberechnungsmethode und zu anderen praktischen Fragen im Zusammenhang mit der Zahlung von Gebühren.
Das in dieser Konsultation gesammelte Feedback wird in die technische Beratung einfließen, die die ESAs der
EUKommission bis zum 30.9.2023 vorlegen werden.
Internationale
Unternehmensbesteuerung
◆ Status:
• Ist von den MS bis Ende des Jahres in nationales Recht umzusetzen.
• Das Dokument wird in eine überarbeitete Version des Kommentars zu den GloBE Regeln einfließen, der ursprünglich im März 2022 veröffentlicht wurde. Weitere administrative Leitlinien sollen laufend veröffentlicht werden, um sicherzustellen, dass die GloBEVorschriften weiterhin koordiniert umgesetzt und angewendet werden.
Link: https://www.oecd.org/tax/beps/ internationaltaxreform oecdreleasestechnicalguidance forimplementationof the global minimum tax.htm?utm_ campaign=Tax%20News%20Alert%20 02 02 23&utm_content=Read%20 more&utm_term=ctp&utm_ medium=email&utm_source=Adestra
In Frankreich und Deutschland gibt schon erste legistische Entwürfe. Die Botschafter der EUMitgliedsstaaten haben sich im Dezember 2022 darauf geeinigt, die Mindestbesteuerungskomponente, die sogenannte Säule 2, der OECD Reform der internationalen Besteuerung auf EUEbene umzusetzen und dem Rat die Verabschiedung der Säule 2Richtlinie empfohlen.
Link: https://www.consilium.europa. eu/en/press/press releases/2022/12/12/ internationaltaxation councilreachesagreement on a minimum level oftaxationforlargest corporations/
Neue Meldepflichten in Bezug auf Kryptoassets
Der Kompromissvorschlag für eine Allgemeine Ausrichtung wurde am 16.5.2023 im ECOFIN angenommen.
Der Vorschlag nimmt Maßnahmen der OECD Initiative zum Crypto AssetReportingFramework (CARF) und Änderungen des OECD Common Reporting Standard (CRS) auf.
Betroffen vom RL Entwurf sind alle Dienstleister, die Transaktionen mit Krypto Assets für Kunden mit Wohnsitz in der Europäischen Union erbringen. Dies soll die Verordnung über Märkte für Krypto Vermögenswerte (Markets in Crypto Assets, MiCA) und die Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche ergänzen.
Im österreichischen Ministerrat wurde bekanntlich im Oktober 2022 ein Bericht des BMF zur Erteilung der Verhandlungsvollmacht über die Umstellung des Abkommens zwischen Österreich und den USA über die Zusammenarbeit zur vereinfachten Umsetzung von FATCA auf ein Model1IGA beschlossen.
Die Bundessparte bringt sich im Sinne der österreichischen Finanzbranche laufend umfangreich in diesen Prozess ein. Kernelement ist es, die Annexe mit den sektorspezifischen Besonderheiten aufrechtzuerhalten. Dies wird der Schwerpunkt der weiteren Arbeit in dieser Thematik sein. Die aktuellen Verhandlungen im Rahmen der Bundessparte sowohl mit BMF als auch den amerikanischen Behörden laufen durchaus konstruktiv und lassen einen gewissen Optimismus zu, hier zufriedenstellende Lösungen v.a. für die wichtigen Ausnahmen zu erreichen.
Angelehnt an das Regierungsprogramm, versucht BM Brunner immer wieder die Befreiung von Wertpapieren von der Kapitalertragssteuer (KESt) bei gleichzeitiger Wiedereinführung einer Behaltefrist umzusetzen. Die Wiedereinführung der Behaltefrist wäre auch ein wichtiger Meilenstein am Weg in eine nachhaltige Zukunft. Vor allem die Klimatransformation birgt gewaltiges Potenzial, setzt aber einen leistungsfähigen Kapitalmarkt voraus, um die damit verbundenen Herausforderungen auch finanzieren zu können. Das Thema sollte im Sinne des Standortes, der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, ebenso wie Instrumente der Zufuhr von Eigen kapital und dauerhaftes NLP, da auch Teil des Regierungsprogrammes, endlich umgesetzt werden. Bedauerlich ist, dass der zum SICAF vorgesehene Beschluss im Nationalrat im Mai nunmehr wieder in Zweifel steht.
Ergänzt um eine Steuerbefreiung nachhaltiger Lebensversicherungs, Fonds und Pensionskassenprodukte, könnte ein großer Schritt in ein nachhaltiges Österreich gelingen, der
Standort und dessen Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, sowie Arbeitsplätze und Wohlstand geschaffen werden. Gerade angesichts der Energiekrise kommt der Hebung dieses Potenzials noch größere Bedeutung zu. Das BMF versucht hier innerhalb der Regierung eine Einigung für ein weiterentwickeltes Produkt Vorsorgedepot zu erreichen, die Erfolgsaussichten dafür sind allerdings marginal. Insgesamt tritt die Bundessparte für eine generelle Behaltefrist mit entsprechenden synchronen Schritten für Versicherungen sowie Pensions, Fonds und betrieblichen Vorsorgekassen ein.
Aktuell gibt es auf politischer Ebene wieder einen Austausch dieses Modell doch noch umzusetzen.
◆ Status
Der Vorschlag scheint dem Vernehmen nach aufgrund der zahlreichen Divergenzen gescheitert zu sein. Zuletzt wurde noch eine Verschiebung der Diskussion auf den spanischen Vorsitz diskutiert, dies dürfte aber verworfen worden sein.
Die Kommission hat Ende 2021 einen RL Vorschlag für die Bekämpfung der missbräuchlichen Verwendung von Briefkastenfirmen vorgelegt. Neue Überwachungs und Berichterstattungspflichten sollen Steuerbehörden beim Vorgehen gegen Unternehmen unterstützen, die eine aggressive Steuerplanung praktizieren und/oder keine wirtschaftliche Tätigkeit in dem jeweiligen Land durchführen.
Zuletzt diskutierten Experten der Mitgliedstaaten den jüngsten Kompromissvorschlag zur vorgeschlagenen „UNSHELL“Richtlinie, die Regeln zur Verhinderung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen zu Steuerzwecken festlegt. Eines der diskutierten Themen war der Austausch von Informationen. Die Mehrheit vertrat die Auffassung, dass die Informationen erst dann ausgetauscht werden sollten, wenn der Status des Mantelunternehmens geklärt ist. Es wurden mehrere Optionen erörtert: Informationsaustausch, wenn ein mutmaßliches Mantelunternehmen keinen Einspruch gegen diese Einstufung erhebt („Ersuchen um eine Gegendarstellung“) oder wenn ein mutmaßliches Mantelunternehmen einen solchen Einspruch erhoben hat und dieser Einspruch von der Steuerbehörde förmlich zurückgewiesen wurde. In ihrem Kompromissvorschlag schlägt die Präsidentschaft jedoch einen automatischen Informationsaustausch vor, unabhängig von den Anträgen auf
Widerlegung durch die betroffenen Unternehmen. Sie argumentiert, dass die ausgetauschten Informationen so genau wie möglich sein sollten und dass Berichtigungen auf ein Minimum beschränkt werden sollten. Ihrer Ansicht nach sollte jedoch ein Vermerk der Steuerbehörde, mit dem der Einspruch eines mutmaßlichen Mantelunternehmens zurückgewiesen wird, ausreichen, um den automatischen Informationsaustausch auszulösen, ungeachtet möglicher Rechtsmittelverfahren. Was den Zeitpunkt des Informationsaustauschs betrifft, so schlagen die schwedischen Behörden vor, dass der Informationsaustausch innerhalb von zwei Monaten nach Ende des Quartals, in dem der Einspruch eingelegt wurde, erfolgen sollte. Der ursprüngliche Vorschlag sah einen jährlichen Austausch vor.
DEBRA-Richtlinie (Debt-Equity Reduction Allowance)
◆ Status
Angesichts der vielen Verbindungen zu anderen Körperschaftssteuerdossiers – sowohl jenen, die zurzeit im Rat erörtert werden, als auch jenen, die die Kommission in ihrer Mitteilung über die Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert für die nahe Zukunft angekündigt hat – wird die Prüfung des DEBRAVorschlags zunächst ausgesetzt werden; der Vorschlag würde dann gegebenenfalls erst nach der Vorlage der anderen von der Kommission angekündigten Vorschläge im Bereich der Körperschaftsteuer in einem breiteren Kontext neu bewertet.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission zielt darauf ab, Unternehmen den Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern, um sie widerstandsfähiger zu machen, indem ein Freibetrag eingeführt wird, der Eigenkapital steuerlich genauso behandelt wie Schulden. So sollen Erhöhungen des Eigenkapitals eines Steuerpflichtigen von einem Steuer jahr zum nächsten von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden können, wie es bei Schulden der Fall ist.
EU-Geldwäsche-Package
◆ Status
Die Trilogverhandlungen zwischen Rat, EUParlament und Kommission haben am 11. Mai begonnen. Mit einem Abschluss der Verhandlungen ist bis Herbst zu rechnen. Die finale Entschei
dung, wo der Sitz der neuen EU Geldwäschebehörde AMLA liegen wird, wird wohl erst am Ende der Trilogverhandlungen fallen. Derzeit bewerben sich neben Wien weitere EUStädte, u.a. Paris, Madrid und Frankfurt. Sowohl Rat als auch EP plädieren dafür, dass zumindest ca. 40 Banken unter die direkte AMLAAufsicht fallen werden. Geplant ist, das vollständige Regelwerk einschließlich der technischen Standards bis Ende 2025 umzusetzen und ab 1.1.2026 anzuwenden, d.h. inkl. Umsetzung der 6. GWRL in nationales Recht.
Von Seiten der Bundessparte werden unter anderem die nicht praktikablen Kriterien für eine direkte Zuständigkeit der AMLA, sowie die Tatsache, dass extrem viele RTS Kompetenzen für die AMLA vorgesehen werden, kritisch gesehen. Besser wäre es, Konkretisierungen (für KYCPflichten, Identifizierung wirtschaftlicher Eigentümer etc.) bereits in der neuen AML VO festzuschreiben. Ziel muss sein, einheitliche KYC und OnboardingStandards festzuschreiben, zur Ermöglichung vollautomatisierter, digitaler Prozesse.
Seitens der Bundessparte wird die Ratsposition unterstützt mehr Möglichkeiten für einen vermehrten Austausch von AML Kundendaten einerseits zwischen Banken und andererseits zwischen Banken und Behörden zu schaffen. Nur so kann Geldwäsche effizient bekämpfen werden, weil die betreffende Bank ansonsten nur einen kleinen Ausschnitt der Gesamttransaktion erkennen kann. Durch den derzeit diskutierten Vorschlag einer „Partnership for Information Sharing“ könnte mittels digitaler Technologie das Spannungsfeld Datenschutz und AML im Bereich des verschlüsselten Datenpoolings aufgelöst werden. Dadurch könnten in weiterer Folge auch Kooperationsformen wie ein gemeinsames Transaktionsmonitoring gefördert werden bzw. gebe es die Möglichkeit, dass mehr Daten durch die FIU zur Verfügung gestellt werden. Daher ist es besonders unverständlich, dass die Vorsitzende der österreichischen Datenschutzbehörde und gleichzeitig Vorsitzende des European Data Protection Board ein kritisches Schreiben an die schwedische Ratspräsidentschaft geschickt hat, worin sie aus datenschutzrechtlichen Gründen gegen die derzeit diskutierten Vorschläge argumentiert und in Frage stellt, dass mehr Informationsaustausch die GeldwäscheBekämpfung effizienter machen würde.
◆ Ratsposition für die laufenden Trilogverhandlungen
• Der Standpunkt des EURates folgt dem ursprünglichen Vorschlag der
Kommission und sieht u.a. ein Verbot von Barzahlungen über € 10.000 vor (mit Ausnahmen für Geschäfte zwischen Privatpersonen).
• Für Anbieter von Krypto Vermögenswerten werden strengere KYCPflichten vorgesehen.
• Der Rat plädiert dafür, dass der Schwellenwert für wirtschaftliches Eigentum weiterhin bei 25% bestehen bleibt, jedoch bei speziellen Gesellschaftsformen wird die Kommission ermächtigt, niedrigere Beteiligungsschwellenwerte vorzuschreiben.
• Auch wird dafür plädiert, dass AMLA in technischen Standards zukünftig das Format und die Struktur für GeldwäscheVerdachtsmeldungen vorgeben kann.
• Weiters sieht der Rat die Möglichkeit einer neuen Kooperationsform vor, innerhalb derer mehr an AML Transaktionsdaten zwischen Verpflichteten geteilt werden darf (partnership for information sharing).
• Der Vorschlag der Kommission, wonach ein Vorstandsmitglied als für AML Verantwortlicher (Compliance Manager) und darunter ein AMLCompliance Officer zu bestellen ist, wurde vom Rat übernommen.
◆ EP-Position für die laufenden Trilogverhandlungen
• Das EP plädiert für eine strengere Bargeldobergrenze von € 7.000, im Vergleich zur Ratsposition von € 10.000.
• Angesichts des Missbrauchsrisikos fordert das EP, jegliche Staatsbürgerschaften durch Investitionsprogramme (sog. Goldene Pässe) zu verbieten und strenge Kontrollen für den Aufenthalt durch Investitionsprogramme (sogen. Goldene Visas).
• Das EP plädiert weiters bei der Definition des wirtschaftlichen Eigentümers dafür, den bisherigen Schwellenwert von 25% auf 15% abzusenken. Darüber hinaus wird an dem Kommissionsvorschlag festgehalten, den 25% Schwellenwert auf allen Ebenen einzuführen (anders als in Österreich, wo gem. § 2 Z 1 WiEReG ab der zweiten Beteiligungsebene mehr als 50% normiert wird).
• Zusätzlich soll bei Unternehmen der Rohstoffindustrie oder einem Unternehmen, das einem höheren GW/TFRisiko ausgesetzt ist, bereits ein Anteil von 5% plus eine Aktie Wirtschaftliches Eigentum begründen.
• Personen mit berechtigtem Interesse, wie Journalisten, NGOs, Hochschuleinrichtungen sollen Zugang zu den wirtschaftlichen Eigentümerregistern erhalten. (Der EuGH hatte im November 2022 entschieden, dass ein generell öffentliches Register der wirtschaftlichen Eigentümer das Recht auf Datenschutz und Privatsphäre verletzt und insofern überschießend sei.)
• Das EP fordert, dass die Mitgliedstaaten Informationen über den Besitz von Waren wie Yachten, Flugzeuge, Autos im Wert von mehr als € 200.000, oder Waren, die in Freihandelszonen gelagert werden, sammeln.
• Bezüglich der Entscheidung über den Sitz der AMLA will das EP miteinbezogen werden und stellt in seiner Position konkrete Forderungen an den zukünftigen Sitz, unter anderem, dass es dort noch keine andere EUBehörde gibt. Des Weiteren schlägt das EP für die AMLA eine Aufsichtsbefugnis im Zusammenhang mit Finanzsanktionen vor.
• Vorgeschlagen wird die wirtschaftlichen Eigentümerregister der Mitgliedstaaten durch das BORIS Interconnection System zu verbinden, was anwenderfreundlicher sein dürfte als die derzeit bereits implementierte Vernetzung der BO Register in der EU.
• Das EP plädiert auch für mehr Informationsaustausch zw. Behörden, insbesondere bei grenzüberschreitenden Fällen.
Die EUKommission hat im Mai Vorschläge für das 11. Sanktionspaket an die EUMitgliedstaaten übermittelt. Das Paket konzentriert sich auf die Bekämpfung der Umgehung der bestehenden Sanktionen gegen Russland und wird derzeit auf Ratsebene verhandelt.
Das 11. Sanktionspaket soll u.a. nachfolgende Maßnahmen beinhalten:
• Maßnahmen gegen Unternehmen, die an der Umgehung der Sanktionen beteiligt sein sollen.
• Verstärkte Berichterstattung im Falle einer Umgehung der Maßnahmen sowie einen Mechanismus, der es der EK ermöglicht, bestimmte Handelsströme von Produkten zu analysieren, die als sensibel für Drittländer gelten. Wenn die Mitgliedstaaten der Ansicht sind, dass die Handelsströme darauf hindeuten,
dass das Land an der Umgehung der Sanktionen beteiligt ist, können sie nach einem Versuch eines bilateralen Dialogs beschließen, die Ausfuhr der betreffenden Waren in diesen Drittstaat zu beschränken.
• Ausweitung der Güterlisten, die Export-/Importverboten unterliegen, u.a.:
wird die Liste der Güter, die zur militärischen und technologischen Aufwertung Russlands oder zur Entwicklung seines Verteidigungsund Sicherheitssektors beitragen, erweitert um elektronische Komponenten, Halbleitermaterialien, Fertigungs und Prüfgeräte für elektronische integrierte Schaltkreise und Leiterplatten, Vorprodukte für energetische Materialien und Vorprodukte für chemische Waffen, optische Komponenten, Navigationsinstrumente, Metalle für den Verteidigungssektor und Schiffsausrüstung;
wird die Liste der Organisationen, denen strengere Ausfuhrbeschränkungen in Bezug auf Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck sowie Güter und Technologien auferlegt werden, um 35 neue Einrichtungen erweitert.
• Zusätzliche Transportbeschränkungen, z.B. Verbot der Beförderung von Gütern auf der Straße in der Union mit in Russland zugelassenen Anhängern und Sattelanhängern; kein Zugang zu EUHäfen und Schleusen für Schiffe, die sanktionierte Güter befördern.
• Weitere restriktive Maßnahmen zur Aussetzung der Sendetätigkeit bestimmter russische Medien in der EU
• Ausweitung der Personenlistungen/Finanzsanktionen auf weitere 72 Personen and 31 Organisationen
Überraschenderweise sieht der Vorschlag für das 11. Sanktionspaket diesmal die Streichung eines Importverbots vor. Gemäß Artikel 3j ist es verboten, Kohleerzeugnisse und andere Erzeugnisse, die in Anhang XXII aufgeführt sind, unmittelbar oder mittelbar zu kaufen, in die Union einzuführen oder zu verbringen, wenn sie ihren Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt werden. Der derzeitige Vorschlag sieht die Streichung des Artikel 3j und des Anhang XXII vor.
Verbraucherkredit-RL
◆ Status:
• Der finale Text liegt nun vor und wurde bereits vom Rat angenommen.
• Nach Veröffentlichung im EUAmtsblatt muss die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. In Österreich wird die Umsetzung großteils im Verbraucherkreditgesetz (VKrG) erfolgen, manche Bestimmungen fallen auch in die Kompetenz des BMF.
Die wesentlichen Eckpunkte sind:
• Die neue Richtlinie ist wesentlich komplexer und länger als die bestehende VerbraucherkreditRL. In gewissen Bereichen erfolgt eine Angleichung an die WohnimmobilienkreditRL, die in Österreich im Hypothekar und Immobilienkreditgesetz (HIKrG) umgesetzt ist.
• Kredite unter € 200 können – basierend auf einem Mitgliedstaatenwahlrecht – weiterhin vom Anwendungsbereich ausgenommen werden. Dies gilt auch für Kredite, die innerhalb von drei Monaten zurückgezahlt werden (dzt. im VKrG ebenfalls vorgesehen).
• Entgegen den Bemühungen des Rates hat das EP durchgesetzt, dass der sehr weit gefasste AntiDiskriminierungsartikel (Art. 6) in den finalen Text Eingang gefunden hat. Kreditgeber dürfen potenzielle Kreditnehmer mit Verweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention nicht diskriminieren. Dies könnte weitreichende Auswirkungen auf Banken haben, die ihre Kredite nicht an Personen anbieten, die einen Wohnsitz im Ausland haben. Bei diesen würde bei Rechtsstreitigkeiten zwingend ausländisches Recht zur Anwendung kommen. Es findet sich jedoch eine einschränkende Klausel in Art. 6, wonach unterschiedliche Konditionen angeboten werden können, sollte dies objektiv gerechtfertigt sein. Jedenfalls sind jegliche Tendenzen, die für den Kreditgeber in die Richtung eines Kontrahierungszwangs gehen, abzulehnen, und ist auf diesen Aspekt im Zuge der RL Umsetzung besonderes Augenmerk zu legen.
• Die Informationspflichten bei Geschäftsanbahnung werden ausgeweitet. Sie sind auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen. Auch hier ist ein repräsentatives Beispiel inkl. gesamtem
Kreditbetrag und jährlicher Kreditrate bereitzustellen. Auch muss eine Indikation zusätzlicher möglicher Kosten gegeben werden, die nicht in den Gesamtkosten enthalten sind. Weiters muss ein Hinweis auf das Rücktrittsrecht sowie ein genereller Hinweis gegeben werden, welche Konsequenzen mit der Nichtbedienung des Kredites verbunden sind.
• Die vorvertraglichen Informationen müssen so aufbereitet sein, dass der Kreditnehmer verschiedene Angebote vergleichen kann. Dazu gibt es ein Formblatt (Standard European Consumer Credit) im Annex 1 der Richtlinie. Wenn der Kreditgeber die vorvertraglichen Informationen weniger als einen Tag vor Unterzeichnung übermittelt, so muss ein Reminder übermittelt werden, mit dem über das Rücktrittsrecht informiert wird.
• Gewisse Kopplungsgeschäfte können die Mitgliedstaaten erlauben. Insb. darf der Kreditgeber eine Versicherung bei Kreditabschluss verlangen, wobei jedoch der Kreditgeber auch eine Versicherungspolizze akzeptieren muss, die nicht von ihm ver mittelt wurde, sofern diese gleichwertig ist. Bei der Versicherung wird ein sehr problematisches „Recht auf Vergessen“ statuiert, wonach 15 Jahre nach einer Erkrankung diese bei der Berechnung des Versicherungstarifs nicht mehr berücksichtigt werden darf. (Art. 14)
• Kreditvergabeverbot: In Art. 18 wird eine wesentliche Verschärfung zu den bestehenden Regeln vorgesehen. Zukünftig darf ein Kredit nur vergeben werden, wenn die Bedienung der Raten in der vereinbarten Art und Weise wahrscheinlich ist. Bis dato gilt hier nur eine Mahnpflicht im VKrG. Damit wird ein Kreditvergabeverbot, wie dies bisher nur im HIKrG der Fall ist, auch für Verbraucherkredite eingeführt.
• Wenn der Kreditantrag vom Kreditgeber abgewiesen wird, so muss der Kreditgeber darüber informieren und gegebenenfalls den Kreditwerber an eine Schuldnerberatungsstelle verweisen. Wurde die Kreditentscheidung auf Basis automatisierter Prozesse gefällt, hat der Kreditwerber das Recht, die Prüfung durch eine natürliche Person zu verlangen.
• In Art. 21 wird der zwingende Inhalt des Kreditvertrages umschrieben, insb. der Hinweis auf die Möglichkeit der frühzeitigen Rückzahlung. Auch muss ohne zusätzliche Gebührenverrechnung jederzeit dem Kreditnehmer eine Übersicht über die noch ausstehende Kreditsumme
ausgehändigt werden (Amortisation Table).
• Overrunning (Art. 25): Wenn der Rahmen weiter überzogen wird, muss der Kreditgeber den Kreditnehmer an die Schuldnerberatung weiterverweisen. Wenn der Kreditgeber das sog. Overrunning einstellen möchte, so muss er den Kreditnehmer mind. 30 Tage vorher informieren. Beim Überschreitungsbetrag, den der Kreditgeber rückfordert, müssen dem Kreditnehmer zwölf gleich hohe Monatsraten gestattet werden (Art. 25 Abs. 3b).
• Frühzeitige Kreditrückzahlung (Art. 29): Als Konsequenz der LexitorRechtsprechung des EuGH wird vorgesehen, dass der Kreditnehmer bei vorzeitiger Rückzahlung die angemessene Reduktion aller laufzeitabhängigen und laufzeitunabhängigen Kosten verlangen darf. Davon sind alle vom Kreditgeber dem Kreditnehmer verrechneten Kosten umfasst. Art. 29 wird durch Erwägungsgrund 62 der Richtlinie weiter konkretisiert, wonach Gebühren, die Durchlauf posten sind, nicht rückzuerstatten sind. Kreditvermittlergebühren („Fees charged by a creditor to the benefit of a third party“) dürften jedoch laut Er wägungsgrund 62 von der Kostenreduktion umfasst sein.
• Bei der Vorfälligkeitsentschädigung bei frühzeitiger Kreditrückzahlung (bei Fixzinskrediten) gibt es im Wesentlichen keine Änderung. Die Deckelung bei 1% des rückgeführten Betrages (die Österreich nicht nur im VKrG, sondern auch im HIKrG vorgesehen hat) bleibt bestehen.
• Bei Art. 31 (Zinssatzobergrenzen) ist es gelungen, dass nationale Regelungen wie in Österreich der § 879 ABGB, die Leasio enormisBestimmungen und das Wuchergesetz ausreichend vor Missbrauch schützen und hier keine strengeren Bestimmungen notwendig sind. Die EBA wird einen Report verfassen, welche Maßnahmen/Regelungen die Mitgliedstaaten vorsehen, um exzessive Zinssätze und Kosten zu unterbinden.
• Die NachsichtVerpflichtung in Art. 35 Abs. 1 ist ob ihrer Unklarheit besonders problematisch. So werden verschiedene ForbearanceMaßnahmen den Kreditgebern auferlegt wie z.B. eine Verlängerung der Rückzahlungsfrist, ein Aussetzen der Ratenzahlung, eine Reduktion des Zinssatzes sowie ein teilweiser Schulderlass.
Die EUVerbandsklagenRichtlinie (RL(EU) 2020/1828) sieht für Verbraucher umfassendere Möglichkeiten zur kollektiven Geltendmachung ihrer Rechte vor. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ein System für Verbandsklagen einzuführen, mit dem die Kollektivinteressen der Verbraucher vor Verstößen gegen das Unionsrecht geschützt werden. Es umfasst sowohl Unterlassungsklagen als auch Abhilfemaßnahmen. Die RL wäre bis 25.12.2022 umzusetzen gewesen, mit Geltung ab 25.6.2023.
Die ministeriellen Beratungen sind seit Frühsommer 2022 abgeschlossen, es ist derzeit nicht absehbar, wann ein Begutachtungsentwurf veröffentlicht wird. In der Bundessparte ist eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Positionspapiers und laufenden Begleitung der Umsetzungsschritte eingerichtet.
◆ Position der Bundessparte
• Bei der Umsetzung ist ein „Gold Plating“ zu vermeiden.
• Da die RL dem Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher dient, sind Verbandsklagen gegen Unternehmer zum Schutz der Kollektivinteressen von (anderen) Unternehmern nicht umfasst.
• Festzuhalten ist, dass die RL die Öffnung der Verbandsklageberechtigung, über die bereits im KSchG gesetzlich vorgesehenen Einrichtungen hinaus nur für grenzüberschreitende Verbandsklagen verlangt. Für innerstaatliche Verbandsklagen sollte es beim jetzigen System bleiben.
• Die Mitgliedstaaten können bestimmen, welche Mindestanzahl von Verbrauchern betroffen sein muss, damit eine Verbandsklage zulässig ist. Eine zu kleine Anzahl wird als zu gering gesehen, da dies der Intention der Richtlinie widerspricht, insbesondere in Zusammenhang mit möglichem Reputationsschaden sowie der Hintanhaltung von missbräuchlicher Erhebung wird eine deutlich große Anzahl der Personen gefordert, z.B. mindestens 100 Personen. Zielführend wäre, dass die erforderliche Zahl an Verbrauchern bereits vor Klageerhebung konkret benannt wird und das Gericht dann eine Vorprüfung durchführt, bevor die Klage zugestellt wird.
• Ein Beitritt nach Abschluss des Verbandsverfahrens sollte keinesfalls möglich sein. Andernfalls hätten einzelne Verbraucher die Möglichkeit, sich dem Verfahren – je nach Günstig
keit des Verfahrensausgangs – anzuschließen und die Urteilswirkung für sich zu beanspruchen.
• Dem bisherigen System der ZPO folgend ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Verjährung nur für jene Ansprüche unterbrochen ist, die sich dem Verfahren wirksam angeschlossen haben.
• Ein „rückwirkendes Einsammeln“ noch nicht verjährter Ansprüche durch qualifizierte Einrichtungen sollte nicht möglich sein.
• Sollte der „Umstieg“ auf das Verbandsklageverfahren zugelassen werden, dann nur unter der Voraussetzung einer vorherigen Klagsrückziehung im Einzelverfahren mit vollständigem Kostenersatz gegenüber dem Unternehmer.
Gesellschaftsrecht – virtuelle GesellschafterversammlungenGesetz (VirtGesG)
Der Ministerrat hat am 14.6.2023 die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz über die Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen (Virtuelle Gesellschafterversammlungen Gesetz –VirtGesG) beschlossen.
Damit in Zeiten der COVID19Pandemie Versammlungen von Gesellschaftern oder Organmitgliedern auch ohne physische Anwesenheit der Teil nehmer durchgeführt und Beschlüsse auch auf andere Weise gefasst werden können, wurde mit § 1 COVID 19 GesG eine, zeitlich befristete, gesetzliche Grundlage für „virtuelle Versammlungen“ geschaffen, die in der COVID 19 GesV näher geregelt wurden.
Die Durchführung von Gesellschafterversammlungen unter Einsatz technischer Kommunikationsmittel, insbesondere über eine Videokonferenz, hat sich in der Praxis bewährt, weshalb nun eine dauerhafte gesetzliche Grundlage für virtuelle sowie hybride Versammlungen geschaffen werden soll. Im Unterschied zur Pandemiesituation sollen solche Gesellschaftersammlungen jedoch nur zulässig sein, wenn dies in Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.
Es wird Gesellschaften nunmehr ein Wahlrecht eingeräumt werden, in welcher Form sie ihre Gesellschafterversammlungen künftig durchführen wollen. Es steht ihnen offen, ihre Gesellschafterversammlungen weiterhin als Präsenzversammlungen zu organisieren. Diese Flexibilisierung bietet rechtsformübergreifend die Möglichkeit, die für Gesell
schaften passende und unter Umständen kostensparende Form zu wählen.
Durch die große Bandbreite an Wahlmöglichkeiten bei der Abwicklung einer Hauptversammlung wird der nationalen und internationalen Aktionärsbasis die Möglichkeit geboten, virtuell an Hauptversammlungen teilzunehmen und ihre Rechte digital auszuüben; dies soll zur Erhöhung und Diversifizierung der HauptversammlungsPräsenz beitragen.
Die Bundessparte hat sich intensiv für diese Verankerung der Möglichkeit virtueller Gesellschafterversammlungen ins Dauerrecht auf unterschiedlichen Ebenen eingesetzt.
Entwurf Gesellschaftsrecht –Änderungsgesetz 2023 veröffentlicht
Das Bundesministerium für Justiz hat den Entwurf eines GesellschaftsrechtsÄnderungsgesetz 2023 veröffentlicht.
Auch wenn die bestehenden österreichischen Kapitalgesellschaftsformen GmbH und AG sowohl national als auch international eine hohe Reputation genießen, wird dennoch für die spezifischen Bedürfnisse von Startups und anderen innovativen Unternehmen noch größere Freiheit zur individuellen Ausgestaltung als zweckmäßig erachtet.
Das gesetzliche Mindeststammkapital einer GmbH von € 35.000 ist im Vergleich zu anderen europäischen Staaten hoch. Zwar besteht durch die Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung die Möglichkeit, bei der Gründung einer GmbH nur € 5.000 einzuzahlen; langfristig ist jedoch eine weitere Leistung der Gesellschafter von zumindest € 12.500 erforderlich. Auch die zunächst auf weitere € 5.000 beschränkbare persönliche Haftung der Gesellschafter steigt nach zehn Jahren auf mindestens € 17.500 an. Im Regierungsprogramm für die laufende Gesetzgebungsperiode ist daher vorgesehen, die Gründung einer GmbH durch eine Absenkung des gesetzlichen Mindeststammkapitals auf € 10.000 attrak tiver zu machen.
Mit einem eigenen Bundesgesetz wird eine neue Kapitalgesellschaftsform mit der Bezeichnung „Flexible Kapitalgesellschaft“ eingeführt, die grundsätzlich auf dem Recht der GmbH aufbaut und in manchen Bereichen Regelungen aus dem Aktiengesetz übernimmt. Durch die Möglichkeit, anstelle einer GmbH oder einer AG eine FlexKapG zu gründen und den weiteren Gestaltungsspielraum (flexible, einfache Gründung, vereinfachte Anteilsübergabe, Ausgabe von UnternehmenswertAnteilen) in dieser
Rechtsform auszunützen, können Unternehmer ihre Kapitalgesellschaften noch spezifischer an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen.
Das gesetzliche Mindeststammkapital der GmbH soll von derzeit € 35.000 auf € 10.000 abgesenkt werden.
Gesetz Wiener Zeitung Gmbh
Unternehmen werden ab 1.7.2023 keine Bilanzen oder Jahresabschlüsse mehr im Amtsblatt veröffentlichen müssen. Auch andere Pflichtveröffentlichungen werden entfallen. Allerdings werden die in rund 380 Bundesgesetzen verankerten Veröffentlichungs bzw. Bekanntmachungspflichten nicht vollständig gestrichen. Die entsprechenden Informationen werden vielmehr – kostenlos – über die EVIPlattform zugänglich sein.
Der Ministerrat hat am 14.6.2023 die Änderung des ORF Gesetzes und die Erlassung eines ORFBeitrags Gesetzes (Einführung einer ORFAbgabe) beschlossen.
Die „ORFDigitalnovelle“ ist Teil des Regierungsprogramms, die Einführung einer ORFAbgabe wurde als Folge des VfGHErkenntnisses vom 30.6.2022 erforderlich, mit dem das Höchstgericht die bisherige GIS Gebühr (wegen der sog. StreamingLücke) als verfassungswidrig einstufte.
Der ORFBeitrag wird geräteunabhängig eingehoben werden, Anknüpfungspunkt ist im unternehmerischen Bereich künftig die Betriebsstätte in einer Gemeinde. Das Gesetz sieht Deckelungen für Unternehmen mit Filialstrukturen vor, wofür sich die Bundessparte vehement eingesetzt hat. Insgesamt werden je Unternehmen nicht mehr als insgesamt 100 ORFBeiträge je Kalendermonat zu entrichten sein, Unternehmen mit höherer Lohnsumme je Betriebsstättengemeinde werden bis zu maximal 50 ORFBeiträge je Gemeinde monatlich zu leisten haben.
EU RL Vorschlag Corporate Sustainability Due Diligence („CSDDD-EULieferkettenG“)
◆ Status
Allgemeine Ausrichtung im Rat wurde am 1.12.2022 angenommen, Position des Europäischen Parlaments wurde am 1.6.2023 fixiert
Die allgemeine Ausrichtung, die am 1.12.2022 angenommen wurde, stellt die Verhandlungsposition des Rats für die weiteren Verhandlungen, die der Rat im Trilog mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament führen wird, dar.
Das Europäische Parlament hat am 1.6.2023 seine Position angenommen, damit können die Trilogverhandlungen aufgenommen werden. Eine Einigung vor den Europawahlen 2024 ist auf jeden Fall absehbar.
Die österreichische Kredit und Versicherungswirtschaft bekennt sich zu nachhaltigem, verantwortungsvollem und zukunftsfähigem Wirtschaften und unterstützt in diesem Sinne die Intentionen der Initiative, den internationalen Menschenrechts und Umweltschutz durch einen kohärenten Rechtsrahmen zu verbessern.
Allerdings wird sowohl der Zeitpunkt (RL Vorschlag wurde im Februar 2022 veröffentlicht) als auch die Eignung des Inhalts des Vorschlags kritisch gesehen, aktuell tatsächlich Verbesserungen zu bewirken, da die weltweiten Lieferketten bereits durch die gegenwärtigen Krisen massiven Belastungen ausgesetzt sind.
◆ Anliegen der Bundessparte:
Es ist es wichtig, dass der Begriff der „Wertschöpfungskette“ in der CSRD (Corporate Sustainability Directive) und in der CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) übereinstimmt und bei dessen Definition auf die Besonderheiten von Finanzinstituten Rücksicht genommen wird.
Bei Finanzinstituten sollte zwischen Administrativ und Finanzierungstätigkeiten unterschieden werden und die vor und nachgelagerte Wertschöpfungskette der Kunden (i. Z. m. Finanzierungstätig keiten bzw. Finanzdienstleistungen) dezidiert ausgeschlossen werden.
Beim vorliegenden Entwurf besteht Unsicherheit über das zu erwartende Ausmaß der Sorgfaltspflichten. Die vorgesehenen Bestimmungen lassen Raum für Interpretationen, daher wird die Forderung nach einer besseren Klarstellung der relevanten Aspekte in Bezug auf die Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeiten grundsätzlich unterstützt. Wichtig ist vor allem, dass es keine Schadenersatzansprüche gegen die Finanzbranche aus nicht oder kaum überprüfbaren Informationen in den Lieferketten geben kann.
• Explizite Ausnahme von Finanzdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich
• Keine Wertschöpfungskette, sondern Lieferkette
• Anwendbar nur für direkte Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen aus Drittstaaten
• Positivliste der Europäischen Kommission von Staaten, die von der Sorgfaltspflichtprüfung ausgenommen sind (z.B. USA, Kanada, UK)
• Erst ab 5.000 Mitarbeitern, statt 500
• Weitere Eingrenzung der Anhänge, keinesfalls Ausweitung
• Wegen zahlreicher LexspecialisRegeln für die Finanzwirtschaft soll diese möglicherweise erst zukünftig in den Anwendungsbereich fallen, aber erst dann, wenn ein umfassende Auswirkungsstudie dies explizit ausweist.
EU RL Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen – Umsetzung
Das Sozialministerium hat im Herbst den Entwurf eines Barrierefreiheitsgesetzes (BaFG) veröffentlicht, mit dem in Umsetzung der Vorgaben der entsprechenden EURichtlinie EUweit einheitliche Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen festgelegt werden sollen. Der Schwerpunkt liegt auf Informationsund Kommunikationstechnologie. Zu den umfassten Produkten gehören z.B. PC, Smartphones, Zahlungsterminals, Geldautomaten etc. Dienstleistungen, die unter dieses Vorhaben fallen, sind z.B. E Banking, E Commerce, Internetzugangsdienste, SMS Dienste etc.
Unternehmen werden verpflichtet, nur mehr barrierefreie Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Ausnahmen gelten für Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten oder erbringen, weiters in Fällen, in denen bestimmte Barrierefreiheitsanforderungen zu einer grundlegenden Veränderung des Produkts oder der Dienstleistung oder zu einer unverhältnismäßigen Belastung für die Unternehmen führen.
Zur effektiven Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen ist eine Marktüberwachung vorgesehen, die durch das Sozialministeriumservice durchgeführt wird. Das Vorhaben stellt weiter einen Schritt zur Umsetzung einer zentralen Verpflichtung der UNBehindertenrechtskonvention dar, nämlich der Herstellung umfassender Barrierefreiheit.
Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen:
• Festlegung von Barrierefreiheitsanforderungen für die vom Barrierefreiheitsgesetz erfassten Produkte und Dienstleistungen
• Verpflichtung der Unternehmen, nur dem Barrierefreiheitsgesetz entsprechende, barrierefreie Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen
• Einrichtung einer Marktüberwachung
Für Bankdienstleistungen werden in der EURichtlinie zusätzliche Barrierefreiheitsanforderungen explizit angeführt, insb. die Gewährleistung, dass Informationen verständlich sind und ihr Schwierigkeitsgrad nicht über dem Sprachniveau B2 (Höhere Mittelstufe) des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERR) des Europarats liegt.
◆ Position der Bundessparte
• Begrüßt wird die Ausschöpfung des Spielraums bei der Übergangsfrist für Selbstbedienungsterminals
• Mangelnde Begriffsdefinitionen erfordern Klarstellungen
• Beim Sprachniveau für Bankdienstleistungen sind klarere Kriterien notwendig
• Zuständigkeit des Sozialministeriumsservice als Marktüberwachungsbehörde und deren Befugnisse bedarf einer grundlegenden Adaptierung, insb. zu Bankgeheimnis und Befugnis zur Einstellung einer Dienstleistung
Im Ministerrat wurde am 17.5.2023 der Entwurf eines Barrierefreiheitsgesetzes und eine Änderung des Sozialministeriumsservicegesetzes angenommen und dem Parlament übermittelt. Die Regelungen sollen mit 28.6.2025 in Kraft treten.
EU-Vorschlag: Änderung der RL über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher
◆ Status
Allgemeine Ausrichtung durch schwedische Ratspräsidentschaft erreicht
Der Rat hat seine Beratungen zum Vorschlag der Europäischen Kommission (EK) zum Änderungsvorschlag zur Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (nationale Umsetzung: FernFinanzdienstleistungs Ge
setz – FernFinG) beendet. Die EK sieht eine Notwendigkeit der Aktualisierung, da sich durch die technische Entwicklung inkl. Digitalisierung der Fernabsatz weiterentwickelt hat. Außerdem wurden in anderen Richtlinien produktspezifische Regelungen geschaffen, die Regelungsinhalt der Richtlinie sind, wodurch deren Bedeutung abgenommen habe.
Angestrebt wird eine Vollharmonisierung, damit in allen Mitgliedstaaten dieselben Regeln gelten (keine unterschiedlichen Standards). Die vorvertraglichen Informationspflichten sollen modernisiert werden. Der Kunde soll auch ausreichend Zeit haben, diese Informationen zu reflektieren. Das Rücktrittsrecht soll gestärkt werden, u.a. soll der Verbraucher über einen „RücktrittsButton“ einfach online seinen Vertragsrücktritt binnen der 14 Tage Frist erklären können (das Rücktrittrecht gilt nicht bei Veranlagungen, die Kursschwankungen unterliegen). Weiters soll der Kunde Fragen abklären können, auch über „Chat boxes“ und „Robo advice“, wobei der Kunde auf seinen Wunsch mit einer Person, die den Anbieter repräsentiert oder für diesen arbeitet, direkt kommunizieren können soll.
Allgemeine Ausrichtung im Rat angenommen
Am 2.3.2023 wurde im EUMinisterrat die Allgemeine Ausrichtung betreffend die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen angenommen. Während es für solche Fernabsatzverträge bisher eine eigene Richtlinie gibt, werden die diesbezüglichen Bestimmungen mit der neuen Richtlinie in die Verbraucherrechte RL integriert.
Im Vorschlag der Kommission war für FDL die Einrichtung eines „Widerrufsbutton“ vorgesehen. In den Verhandlungen im Rat wurde nunmehr eine Erweiterung dieser Vorgabe auf alle Fernabsatzverträge beschlossen. Die Bundessparte und die Wirtschaftskammer Österreich haben schon frühzeitig ausdrücklich gegen die Einführung eines „Widerrufsbutton“ für Finanzdienstleistungen und die überraschende generelle Einführung dieser Vorgabe ausgesprochen und auf die damit verbundenen Probleme hingewiesen.
Nunmehr wurde eine neue Bestimmung betreffend Ausübung des Wider rufsrechts bei Fernabsatzverträgen, die über eine Online Benutzeroberfläche geschlossen werden, in der Allgemeinen Ausrichtung des Rats angenommen. In den Trilogverhandlungen zwischen Europäischem Parlament, Rat
und Kommission wurde am 6.6.2023 eine provisorische politische Einigung erzielt. Diese muss final vom Europäischen Parlament und dem Rat gebilligt und formal angenommen werden.
◆ Position der Bundessparte:
• Grundsätzlich ist die Verbraucherrechterichtlinie nicht geeignet, um die Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie einzubauen.
• Eine doppelte Informationspflicht über das Bestehen eines Rücktrittsrechts ist zu vermeiden.
• Es besteht kein Mehrwert einer zusätzlichen Rücktrittsmöglichkeit mittels „Widerrufsbuttons“.
EU-Richtlinie „Green Claims“ –Einführung von Kriterien gegen Greenwashing
Die Europäische Kommission hat am 22.3.2023 einen Vorschlag für eine EURichtlinie zu „Green Claims“ veröffentlicht. Damit werden für die Validierung umweltbezogener Werbung spezifische Standards und Informationspflichten vorgegeben. Grundsätzliches Ziel ist, die Transparenz generell zu erhöhen.
Die Anforderungen für die Nachweisbarkeit umweltbezogener Behauptungen werden umfassender als die aktuelle nationale Rechtslage geregelt, eigene Behörden sollen die Umsetzung kontrollieren und Geldsanktionen für Verstöße sollen eingeführt werden. Damit könnten für Unternehmen und Leitungsorgane weitere wirtschaftliche Risiken entstehen.
Der RL Vorschlag sieht auch ein Bewertungssystem, nach dem man vorab prüfen kann, ob man mit bestimmten Umweltaussagen werben kann. Weiters ist vorgesehen, dass Beschwerdeführern der Rechtsweg offenstehen muss und die einzuführenden Systeme selbstkontrollierend sind. Durch ein „Life Cycle Assessment“ soll eine Bewertung durch einen unabhängigen Prüfer nach einer wissenschaftlich fundierten Methodik erfolgen. Auch für die Verwendung von Umweltlabels soll es zukünftig konkrete Voraussetzungen und ein Genehmigungsverfahren geben.
Für den Finanzdienstleistungsbereich ist insbesondere auf Erwägungsgrund 10 hinzuweisen, der auf Ausnahmen in Hinblick auf verpflichtende oder freiwillige „sustainability information“ für den Finanzdienstleistungsbereich Bezug nimmt.
◆ Status
• Die ECONAbstimmung wird auf Grund der umfangreichen Änderungsanträge (u.a. zu LTI, LTG, Nachhaltigkeit) nach aktuellem Stand erst im Juni 2023 erfolgen.
• Bereits im Juni 2022 hatte sich der Rat auf eine gesamthafte Positionierung geeinigt.
• Mit dem Beginn der Trilogverhandlungen ist daher erst frühestens im Juli 2023 zu rechnen. Eine Trilogeinigung scheint nicht vor Q1 2024 realistisch zu sein.
• Anwendung der RL Änderungen somit nicht vor 2026.
Das seit 2016 geltende Rahmenwerk Solvabilität II stellt einen grundlegenden Wandel hin zu einem harmonisierten und ausgefeilten wirtschaftlichen, risikobasierten System dar. Es ersetzte Solvabilität I, das eine sehr vereinfachte Kapitalregelung war, die zusammen mit einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Anforderungen angewendet wurde. Solvabilität II wird von der Versicherungsbranche nachdrücklich unterstützt, da es darauf abzielt, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen mit den bewährten Praktiken in den Bereichen Kapitalmanagement, Risikomanagement und Governance in Einklang zu bringen, die die Versicherer bereits anwenden.
Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen (IRRD) –EU-Rat legt Position fest
◆ Status
• Der Legislativvorschlag soll die bestehenden Vorschriften in der SolvencyIIRichtlinie mit dem Ziel anpassen, den Versicherungs und Rückversicherungssektor widerstandsfähiger zu machen und den Schutz der Versicherungsnehmer, der Steuerzahler, der Wirtschaft und der Finanzstabilität in der EU zu verbessern.
• Im Dezember 2022 hat der Rat seine allgemeine Ausrichtung zur „IRRD“Richtlinie festgelegt. Der Kompromiss gewährt den Mitgliedstaaten eine hohe Flexibilität bei der Umsetzung von nationalen Bestimmungen.
• ECONBerichterstatter MEP Ferber (EVP, D) hat angekündigt, das Dossier im Paket mit dem SolvencyIIReview abzustimmen. Nach aktuellem Stand herrscht eine breite Zustimmung der politischen Fraktionen zu
den wesentlichen vorliegenden Kompromissänderungsanträgen.
• Folgende Themen werden seitens der Versicherungswirtschaft u.a. als kritisch betrachtet: Finanzierung von Abwicklungsfonds, Interventionsleiter der Aufsichtsbehörden, Auswirkungen auf Versicherungsgruppen, Abwicklungsbehörde, Verhältnis zu Versicherungsgarantiesystemen (IGS).
Die Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen (Insurance Recovery and Resolution Directive, IRRD) soll harmonisierte Abwicklungsverfahren vorsehen, die den Umgang mit Insolvenzen von Versicherungsunternehmen, insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext, erleichtern sollen. Die IRRD soll den nationalen Behörden ähnliche Instrumente und Abwicklungsverfahren an die Hand geben, um mit Zahlungsausfällen umgehen zu können. Die Mitgliedstaaten sollen daher Abwicklungsbehörden für Versicherungen einrichten. Vorgesehen ist eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit und eine koordinierende Rolle der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA). Ziel ist, gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten und die Interessen der Versicherungsnehmer zu schützen.
Dr. Franz Rudorfer ist Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung der WKO; email: bsbv@wko.at
https://doi.org/10.47782/oeba202307048201
Dominik Damminternational
Novellierung des Krisenmanagement und Einlagensicherungsregime („CMDINovelle“)
Die Europäische Kommission hat ein Legislativpaket zur Anpassung und beabsichtigten weiteren Stärkung des bestehenden EU-Rahmens für das Krisenmanagement und die Einlagensicherung von Banken (Crisis Management and Deposit Insurance, CMDI) veröffentlicht. Ein Schwerpunkt liegt auf mittelgroßen und kleineren Banken und der „Neuklassifizierung der Einlegerpräferenzen“. Die vorliegende CMDI-Novelle soll die Behörden in die Lage versetzen, ausfallende Banken unabhängig von ihrer Größe und ihrem Geschäftsmodell in einen geordneten Marktaustritt zu führen.
Die vorliegenden CMDI-Novelle umfasst die folgenden vier Vorschläge:
• Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung
(EU) Nr. 806/2014 (Single Resolution Mechanism Regulation, SRMR) in Bezug auf Frühinterventionsmaßnahmen, Abwicklungsbedingungen und die Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen
Mit dem gegenständlichen Vorschlag wird die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 (Single Resolution Mechanism Regulation, SRMR) insbesondere in folgenden Bereichen adaptiert:
Überarbeitung der bereits vorhandenen Bestimmungen der SRMR über die aufsichtliche Frühintervention;
Verpflichtung der Aufsichtsbehörden zur frühzeitigen Benachrichtigung der Abwicklungsbehörde, wenn ein wesentliches Risiko besteht, dass ein Institut oder Unternehmen die Voraussetzungen erfüllt, um als ausfallend oder ausfallgefährdet bewertet zu werden;
– Anpassung der Verfahren zur Bewertung des öffentlichen Interesses (Public Interest Assessment, PIA) an einer Abwicklung sowie verstärkter Vorrang der Abwicklung gegenüber den nationalen Insolvenzverfahren;
– erweiterte Verwendung von Mitteln der Einlagesicherung bei der Abwicklung;
– Einschränkung der Möglichkeiten zur Gewährung außerordentlicher finanzieller Unterstützung, die aus öffentlichen Mitteln stammen (einschließlich einer vorsorglichen Rekapitalisierung);
– Kalibrierung der Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) bei der Inanspruchnahme einer Transferstrategie und
– Erhebung der Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds und die Behandlung unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen.
Quelle:
https://ec.europa.eu/finance/docs/ law/230418-proposal-srmr_en.pdf
• Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU (Bank Recovery and Resolution Directive, BRRD) in Bezug auf Frühinterventionsmaßnahmen, Abwicklungsbedingungen und die Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen
Der gegenständliche Richtlinienvorschlag dient der Änderung der Richtlinie 2014/59/EU (Bank Recovery and Resolution Directive, BRRD), insbesondere in Hinblick auf eine verbesserte Anwendung der Instrumente, die bereits im Rahmen der Sanierung und Abwicklung von Banken vorhanden sind. Die Änderung soll einerseits zur Klarstellung der Abwicklungsbedingungen beitragen und andererseits den Zugang zu Sicherheitsnetzen (wie Einlagensicherungssystemen und Abwicklungsfonds) im Falle eines Bankenausfalls erleichtern. Die Änderungen beziehen sich im Wesentlichen
auf den allgemeinen Aufbau und die Funktionsweise des Krisenmanagements und der Einlagensicherung. Von der vorgeschlagenen Reform wird aussagegemäß erwartet, dass sie die Wirksamkeit des Rahmens und die Rechtsklarheit verbessert.
Der Vorschlag umfasst im Wesentlichen die folgenden Themenbereiche:
Änderung der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Frühinterventionsmaßnahmen und Beseitigung von Überschneidungen zu parallel vorhandenen Aufsichtsbefugnissen nach der Richtlinie 2013/36/ EU (CRD4) oder der Richtlinie (EU) 2019/2034 (IFD);
Pflicht der Aufsichtsbehörden zur frühzeitigen Benachrichtigung der Abwicklungsbehörde bei einem drohenden Ausfall (fail or likely to fail, FOLF);
Anpassung der Verfahren zur Bewertung des öffentlichen Interesses (Public Interest Assessment, PIA) an einer Abwicklung durch Änderungen an den Abwicklungszielen, Überarbeitung der Definition der “kritischen Funktionen” sowie eines verstärkten Vorrangs der Abwicklung gegenüber den nationalen Insolvenzverfahren;
Anpassung der Bail-in-Haftungskaskade (Einlegerpräferenz) und Einführung einer “single-tier depositor preference” d.h. Gleichstellung aller Einlagen, auch nicht gedeckter oder vom Sicherungsregime ausgeschlossener Einlage, um die Einleger im Abwicklungsfall aussagegemäß von einem möglichen Bail-in zu bewahren;
Einschränkung der Möglichkeiten zur Gewährung außerordentlicher finanzieller Unterstützung, die aus öffentlichen Mitteln stammen (einschließlich einer vorsorglichen Rekapitalisierung);
Klarstellungen hinsichtlich der Liquidation von Instituten mit einem negativen PIA nach nationalem Recht sowie
Kalibrierung der Mindestanforderungen an Eigenmittel und berück-
sichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) für Transferstrategien.
Quelle:
https://ec.europa.eu/finance/docs/ law/230418-proposal-brrd_en.pdf
• Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/49/EU (Deposit Guarantee Schemes Directive – DGSD) im Hinblick auf den Umfang der Einlagensicherung, die Verwendung der Mittel von Einlagensicherungssystemen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Transparenz
Mit dem gegenständlichen Vorschlag wird die Richtlinie 2014/49/EU (Deposit Guarantee Schemes Directive, DGSD) geändert. Dies insbesondere in Hinblick auf eine verbesserte Anwendung der im Rahmen der Einlagensicherung bereits vorhandenen Instrumente. Der Vorschlag soll dazu beitragen, die Standards für den Einlegerschutz in der gesamten EU weiter zu harmonisieren und den Regulierungs- und Verwaltungsaufwand für die nationalen Einlagensicherungssysteme zu verringern. Dies soll durch die Abschaffung bestimmter nationaler Optionen und Ermessensspielräume, die Gleichbehandlung von Zweigstellen aus Drittländern und die Stärkung der Regelungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Einlagensicherungssystemen ermöglicht werden.
Ziel des Richtlinienvorschlages soll die Verbesserung des Einlegerschutzes durch Ausweitung des Deckungsumfangs der Einlagensicherungssysteme und der Erweiterung der Informationspflichten gegenüber den Einlegern. Außerdem soll die Rolle der Einlagensicherungssysteme über die Auszahlung gedeckter Einlagen im Insolvenzfall hinaus gestärkt und die Arbeit der Einlagensicherungssysteme vereinfacht werden.
Quelle:
https://ec.europa.eu/finance/docs/ law/230418-proposal-dgsd_en.pdf
• Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung BRRD und SRMR im Hinblick auf bestimmte Aspekte der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten („Daisy Chain“Anpassungen)
Der vorliegende Richtlinienvorschlag ändert die Richtlinie 2014/59/EU (BRRD) sowie die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 (SRMR).
Der Vorschlag betrifft insbesondere spezifische Bestimmungen in Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich der internen Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL), wobei besonderes Augenmerk auf gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen verschiedenen Bankengruppenstrukturen gelegt wird.
Quelle:
https://ec.europa.eu/finance/docs/ law/230418-proposal-daisy-chain_en.pdf
Konsultation zu Taxo4 und weitere Änderungen i. V. m. der EUTaxonomie
Die Europäische Kommission hat Entwürfe zu den Bewertungsstandards für die restlichen vier Umweltziele („Taxo4“) der Taxonomie-Verordnung sowie Änderungen zu den bestehenden Bewertungskriterien für die klimabezogenen Umweltziele und zu den bestehenden Offenlegungsverpflichtungen gem. Delegierter Verordnung (EU) 2021/2178 zur Konsultation gestellt.
• Delegierte Verordnung (EU) der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung der technischen ScreeningKriterien für die Bestimmung der Bedingungen, unter denen eine wirtschaftliche Tätigkeit einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der Wasser und Meeresressourcen, zum Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, zur Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, zum Schutz und zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme leisten kann, sowie für die Feststellung, ob diese wirtschaftliche Tätigkeit keines der anderen Umweltziele erheblich beeinträchtigt und zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2178 in Bezug auf spezifische öffentliche Angaben für diese Wirtschaftstätigkeiten
Mit dem vorliegenden Entwurf einer Delegierten Verordnung („Environmental Delegated Regulation“) wird die Verordnung (EU) 2020/852 (Taxo-
nomie-Verordnung) ergänzt und die technischen Bewertungskriterien für die ausstehenden, sogenannten Umweltziele 3 bis 6 („Taxo4“) der Taxonomie-Verordnung veröffentlicht.
Zu den vier nicht klimabezogenen Umweltzielen zählen:
Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen (Anhang I);
Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (Anhang II);
Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (Anhang III) und
Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme (Anhang IV).
Mit dem vorliegenden Verordnungsvorschlag werden einerseits technische Screening-Kriterien etabliert, nach denen messbar werden soll, ob eine Wirtschaftstätigkeit die Ziele der Taxonomie-Verordnung unterstützt und ob hierdurch einzelne Ziele verletzt werden (siehe Anhänge I bis IV).
Andererseits wird die Delegierte Verordnung (EU) 2021/2178 in Hinblick auf die Offenlegungspflichten unter anderem dahingehend angepasst, dass die Übergangsregelung gem. Art. 8 – nach der sich die wichtigsten Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, KPIs) für einen Zeitraum von zwölf Monaten nach Geltungsbeginn der vorliegenden Verordnung lediglich auf die beiden Ziele Klimaschutz (Umweltziel 1) und Anpassung an den Klimawandel (Umweltziel 2) beziehen – entfällt. Ebenso werden die Zeitschienen für die verpflichtende Offenlegung gem. der adaptieren Delegierten Verordnung (EU) 2021/2139 für Finanz- und Nicht-Finanzunternehmen dargelegt und die bisher bestehenden Anhänge der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2178 adaptiert (siehe Anhang V).
Bei der Erarbeitung der neuen bzw. geänderten Bewertungskriterien hat sich die Europäische Kommission an den Umsetzungsvorschlägen der „Plattform on Sustainable Finance“ (als beratende technische Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission) vom 28. November 2022 orientiert.
Quelle:
https://ec.europa.eu/finance/docs/level2-measures/taxonomy-regulation-delegated-act-2022-environmental_en.pdf
• Delegierte Verordnung (EU) der Kommission zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2139 in Bezug auf zusätzliche technische ScreeningKriterien zur Bestimmung der Bedingungen, unter denen bestimmte Wirtschaftstätigkeiten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel leisten können, und zur Feststellung, ob diese Tätigkeiten keines der anderen Umweltziele erheblich beeinträchtigen
Mit dem vorliegenden Entwurf wird die Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139 („Climate Delegated Regulation“) durch die Festlegung zusätzlicher technischer Bewertungskriterien zur Bestimmung der Bedingungen, unter denen bestimmte Wirtschaftstätigkeiten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz (Umweltziel 1) und Anpassung an den
Klimawandel (Umweltziel 2) leisten können, angepasst.
Die Anhänge I und II (Technische Bewertungskriterien) der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2139 werden dabei u. a. wie folgt angepasst:
In Anhang I werden für bestimmte Wirtschaftstätigkeiten in den beiden Sektoren Verkehr und Herstellung technische Bewertungskriterien für den Klimaschutz neu aufgenommen bzw. vervollständigt.
In Anhang II werden für bestimmte Wirtschaftstätigkeiten aus den Sektoren Wasser, Bau, Information und Kommunikation, Katastrophenrisikomanagement und Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und tech nischen Dienstleistungen tech-
Finanzderivate
Rechtshandbuch
nische Bewertungskriterien für eine mögliche Qualifikation als zum Klimaschutz oder Anpassung an den Klimawandel beitragend neu aufgenommen.
Quelle:
https://ec.europa.eu/finance/docs/level2-measures/taxonomy-regulation-delegated-act-2022-climate_en.pdf
Diese Rubrik bietet Ihnen einen Überblick über wesentliche regulatorische Entwicklungen. Nähere Details und weitere Ausführungen finden Sie unter www.fsi-espresso.com.
MMag. Dominik Damm ist Partner bei Deloitte und Experte für Bankenaufsichtsrecht; e-mail: ddamm@deloitte.at.
Der „Zerey“ ist das hochgelobte Referenzwerk für eine professionelle Beratung in allen wesentlichen Rechtsfragen zum Thema Derivate. Die 5. Auflage des Handbuchs Finanzderivate berücksichtigt alle Änderungen u.a. der (technischen) Regulierungsstandards zu den Risikominderungstechniken, den Vorgaben zur Vertragsdokumentation sowie neuere Entwicklungen in der Vertragspraxis.
5 Auflage, facultas/Nomos/Schulthess Verlag 2023
1.392 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-7089-2280-5
EUR 204,60
Erhältlich im Buchhandel und auf facultas.at
Die Luft an den Aktienmärkten wird dünner
https://doi.org/10.47782/oeba202307048501
Andreas Perauer
Der österreichische Aktienmarkt setzte seine Rally seit dem Jahrestiefstand Ende September 2022 auch zu Beginn dieses Jahres fort. Der sich abzeichnende milde Winter konnte die speziell in Österreich und Deutschland vorherrschenden Sorgen rund um das Thema Gasknappheit deutlich reduzieren. Eine solide Berichtssaison sowie die unerwartet resiliente Wirtschaftsentwicklung sorgten für zusätzlichen Optimismus. Dabei konnte speziell der Industriesektor dank entspannter Lieferketten und prall gefüllter Auftragsbücher positiv überraschen. Rückenwind kam zudem nach dem Ende der Null-Covid-Politik auch aus China. Diese positiven Aussichten führten zu einem deutlichen Anstieg der Aktienmärkte in den Monaten Jänner und Februar. Auf der anderen Seite blieb aber auch die Inflation sehr hart näckig und zwang die Notenbanken dazu, ihren restriktiven Kurs beizubehalten. Eine Auswirkung dieser Notenbankpolitik konnte man im März an den Ereignissen im Bankensektor beobachten. Die
Pleite mehrerer US-Banken sorgte für große Unsicherheit am Markt, die sich spätestens mit der in Schieflage geratenen Schweizer Großbank Credit Suisse auch in Europa verbreitete. Die Rettung der Bank konnte aber Schlimmeres verhindern und es zeigte sich auch, dass der breite Bankensektor aus der großen Finanzkrise 2008 gelernt hat und inzwischen deutlich stabiler aufgestellt ist. Für den finanzlastigen ATX ging es im März dennoch um rund 10 Prozent, und damit deutlich stärker als beispielsweise für den deutschen DAX oder den breiten europäischen STOXX Europe 600, nach unten.
Seither bewegen sich die Aktienmärkte und speziell der österreichische Markt mehr oder weniger seitwärts. Selbst die aktuell überraschend gut verlaufende Berichtssaison kann kaum noch für Auftrieb sorgen. Das deutet darauf hin, dass die positiven Ergebnisse antizipiert wurden und sich bereits in den aktuellen Kursen widerspiegeln. Die Luft
nach oben wird also immer dünner. Das Ende des Zinsanhebungszyklus könnte als ein positiver Katalysator wirken. In den USA dürfte dieses schon erreicht sein, in der EU sind noch ein bis zwei Zinserhöhungen eingepreist. Danach wird es interessant zu beobachten sein, wie schnell sich die EZB wieder in Richtung Zinssenkungen bewegt. Dies wird maßgeblich von der Hartnäckigkeit der Inflation und der weiteren Wirtschaftsentwicklung abhängen, dementsprechend werden die Augen der Kapitalmarktteilnehmer wie schon seit einiger Zeit besonders auf diese Daten gerichtet sein.
Andreas Perauer, MSc, ist Fondsmanager bei der Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.; e-mail: andreas.perauer@rcm.at
Im April 2023 hat die Europäische Kommission ihre lang erwarteten Änderungsvorschläge zum Sanierungs- und Abwicklungsrahmen für Banken, nun unter dem Titel „crisis management and deposit insurance framework“ (CMDI), vorgestellt. Der vorliegende Aufsatz diskutiert ausgewählte Themenbereiche iZm BRRD.
Stichwörter: CMDI, Bankenabwicklung, Öffentliches Interesse, Insolvenz, Staatshilfe, no creditor worse off, AdhocPublizität, Bailin, Rückstellungen, Transferstrategien, Einlagensicherung, Frühintervention, Drohender Ausfall, Limbus, MREL, BRRD, BaSAG, Abwicklungsplan.
JELClassification: G 1, G 2, K 2.
https://doi.org/10.47782/oeba202307048601
In April 2023 the European Commission adopted a proposal to adjust and further strengthen the existing EU bank crisis management and deposit insurance (CMDI) framework. The proposal should enable authorities to organise an orderly market exit for failing banks of any size and business model, including smaller undertakings. The paper in hand discusses some focus topics of the proposed amendments regarding BRRD.
Die Etablierung eines harmonisierten Bankenabwicklungsregimes war eines der bedeutendsten legislativen Reaktionen auf die globale Finanzkrise 2007 bis 2009. In der EU gelten seit über acht Jahren die Bestimmungen der RL 2014/59/ EU („BRRD“1)), die schon im Jahr 2019 mit dem so genannten „risk reduction package“ erstmals wesentlich überarbeitet wurden („BRRD II“2)).3) Trotz der weitreichenden Reformen zur angestrebten Vereinheitlichung der Standards (und den starken Zentralisierungstendenzen durch die Kompetenzen supranationaler
PD Dr. Thomas Stern, MBA leitet die Abteilung für Bankenabwicklung in der FMA Liechtenstein. Privatdozent an der Universität Liechtenstein, Lehrbeauftragter an der Paris Lodron Universität Salzburg und Mitglied diverser europäischer Regulierungsgremien; e-mail: thomas.stern@fma-li.li
Agenturen) zeigt die Praxis noch immer signifikante Anwendungsdivergenzen. Im April 2023 hat die KOM nun ihre lang erwarteten Vorschläge zur neuerlichen Abänderung der BRRD unter dem Titel „crisis management and deposit insu-
*) Der Aufsatz reflektiert nur die persönliche Meinung der Autoren.
1) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ABl L 173, 12.6.2014, S 190–348; mit Beschluss des gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr 21/2018 vom 9.2.2018 in das EWR-Abkommen übernommen.
2) Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ABl. L 150 vom 7.6.2019, S 296–344; die Inkorporation in das EWR-Abkommen steht noch aus.
3) In Ö umgesetzt durch das Bundesgesetz
Dr. Christian Schiele ist Leiter des Regulatory Teams in der Wüstenrot Gruppe. Von 2015 bis 2019 arbeitete er in der FMA-Abwicklungsbehörde; Mitglied der SRB Task Force on MREL sowie diverser Arbeitsgruppen zu Abwicklungsthemen, davor in einer großen österreichischen Bank als Abteilungsleiter für Regulatory, RWA Berechnung und Meldewesen tätig; Vortragender und Autor diverser Fachartikel; e-mail: christian.schiele@wuestenrot.at
rance framework“ vorgestellt (COM [2023] 227 final4); im Folgenden „BRRD idF CMDI“). Dabei fokussiert die KOM bei den Vorschlägen zu BRRD und SRMV5) insbesondere auf gezielten Verbesserungen der bestehenden Rechtslage.
über die Sanierung und Abwicklung von Banken (Sanierungs- und Abwicklungsgesetz); StF: BGBl I Nr 98/2014 (BaSAG).
4) Proposal for a directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2014/59/EU as regards early intervention measures, conditions for resolution and financing of resolution action (COM[2023] 227 final).
5) Verordnung (EU) Nr 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds, ABl L 225 vom 30.7.2014, S 1–90.
„Limbus-Situationen“
Ausgewählte Determinanten des Bankenabwicklungs-
der MREL-Kalibrierung im
Der vorliegende Aufsatz zeigt ausgewählte Aspekte der avisierten Abänderungen der BRRD. Die geplanten Novellierungen zur SRM-Verordnung (und auch technische Details zur so genannten „Daisy Chain“ bzw interne MREL in Bankengruppen6)) werden aus Platzgründen ausgeklammert. Für die möglichen weitreichenden Auswirkungen auf das Einlagensicherungssystem, zB zur Abschaffung der Superpräferenz für gedeckte Einlagen, verweisen wir auf den Folgeaufsatz von Stern demnächst im ÖBA.
Ein behördlicher Frühinterventionsbedarf liegt vor, wenn ein Institut (oder eine Gruppe) gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen verstößt oder „in naher Zukunft“ zu verstoßen droht (vgl § 44 Abs BaSAG). In einem solchen Fall ist die Aufsichtsbehörde berechtigt (arg „kann“), frühzeitig geeignete Maßnahmen zu treffen, wobei der Behörde eine hohe Flexibilität bei der Auswahl der Instrumente zukommt (vgl Art 27 Abs 2 BRRD idF CMDI). Jedoch bemerkt die KOM in ihrem Vorschlag, dass die vage Gesetzesformulierung („nahe Zukunft“) nicht effektiv geeignet sei, ein frühzeitiges Einschreiten der Behörden zu gewährleisten (vgl ErwGr 7 COM [2023] 227).7) Nun determiniert der Vorschlag diesen unbestimmten Zeithorizont, in Einklang mit Art 102 Abs 1 lit b CRD (aufsichtliche Maßnahmen), auf zwölf Monate (vgl § 70 Abs 4 letzter UAbs BWG8); Art 27 Abs 1 BRRD idF CMDI). Die Klarstellung des Zeithorizonts soll nicht nur eine verstärkte Harmonisierung im Binnenmarkt schaffen, sondern hat auch das Ergebnis einer frühzeitigeren Inklusion der Abwicklungsbehörde, die
vom Umstand der Frühintervention unverzüglich zu informieren ist (Art 30a Abs 1 BRRD idF CMDI).
Die Beurteilung, ob ein Verstoß tatsächlich „droht“, obliegt der Aufsichtsbehörde. Dieser dürfte weiterhin ein großer Ermessensspielraum zukommen. Dafür spricht auch, dass sogar der Schwellenwert von „1,5 Prozentpunkten über den Eigenmittelanforderungen“ (zB Unterschreitung von 6% CET19), sofern keine Säule-II-Maßnahmen zur Erhöhung der Eigenmittelanforderung gesetzt wurde), zukünftig entfallen soll. Die KOM stellt in ihrem Vorschlag explizit klar, dass auch die (drohende) Unterschreitung der MREL10) einen Frühinterventionsbedarf auslöst (vgl Art 27 Abs 1 lit b BRRD idF CMDI).11) Die Überwachung der Einhaltung der MREL liegt somit nicht nur im Verantwortungsbereich der Abwicklungsbehörde, sondern auch in jener der zuständigen Aufsichtsbehörde.
Der Frühinterventionsbedarf führt in einer ersten Stufe zur Einbindung der Abwicklungsbehörde in die Risikoüberwachung des Instituts („shall closely monitor, in cooperation with the resolution authorities, the situation of the institution“), ungeachtet ob es sich bei dem betroffenen Institut um eine Abwicklungs- oder Liquidationseinheit (laut Abwicklungsplan) handelt (vgl Art 30a Abs 1 letzter UAbs BRRD idF CMDI). De lege lata sah der Gesetzgeber die Einbindung der Abwicklungsbehörde erst ab dem Zeitpunkt der faktischen Setzung von Frühinterventionsmaßnahmen vor (vgl § 44 Abs 4 BaSAG). Die Abwicklungsbehörde wird aktuell womöglich erst Monate nach Feststellung des Frühinterventionsbedarfs informiert, oder gar nicht (arg „kann […] Frühinterventionsmaßnahmen anordnen“).
Sollte darüber hinaus ein wesentliches Risiko („material risk“) für einen dro-
henden Ausfall (failing or likely to fail [FOLTF]) bestehen, so hat die Aufsichtsbehörde dies der Abwicklungsbehörde de lege ferenda „so früh wie möglich“ mitzuteilen (vgl Art 30a Abs 2 BRRD idF CMDI; zweite Eskalationsstufe). In einem solchen Fall trifft die Abwicklungsbehörde die Verpflichtung, erste (interne) Vorbereitungshandlungen in Bezug auf die präferierte Abwicklungsstrategie (zB Bail-in, Transfer, Liquidation), darunter auch die Organisation regelmäßiger Meetings mit der Aufsichtsbehörde zum einschlägigen Fall, zu setzen (vgl Art 30a Abs 2 zweiter und dritter UAbs BRRD idF CMDI). Schon in dieser Phase (bemerke: es liegt noch kein „Ausfallereignis“ [FOLTF] vor) soll die Abwicklungsbehörde nach Art 30a Abs 5 BRRD idF CMDI berechtigt sein, vom Institut die ersten Schritte zur Durchführung einer Transferstrategie zu fordern, konkret die Einrichtung eines (virtuellen) Datenraums für Due-Diligence-Zwecke (Vermarktung).
Art 30a Abs 6 BRRD idF CMDI verankert dem gegenüber, legistisch an dieser Stelle etwas überraschend12), dass derartige Vorbereitungsschritte seitens der Abwicklungsbehörde sogar ungeachtet des Vorliegens eines Frühinterventionsbedarfs gesetzt werden dürfen. In letzterer Situation bliebe jedoch unklar, was die konkrete materielle Begründung für die Tätigkeit der Abwicklungsbehörde wäre.13) In jedem Fall soll die Abwicklungsbehörde die erwartete Dauer der Durchführung der Abwicklungsstrategie (zB Vollziehung einer Transferstrategie) schon frühzeitig mitberücksichtigen (vgl Art 30a Abs 2 zweiter UAbs, Art 32 Abs 1 lit b BRRD idF CMDI).
Mit den Abänderungsvorschlägen Art 2 Abs 1 Nr 35 (Definition der „kritischen Funktionen“) und Art 32 Abs 5
6) Siehe dazu die Verordnung (EU) 2022/2036 vom 19. Oktober 2022 im Hinblick auf die aufsichtliche Behandlung global systemrelevanter Institute mit einer multiplen Abwicklungsstrategie und auf Methoden für die indirekte Zeichnung von Instrumenten, die zur Erfüllung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten berücksichtigungsfähig sind, ABl L 275 vom 25.10.2022, S 1–10. Die geplanten Änderungen zu den Abzugspflichten iZm der internen MREL wurden seitens der COM mit COM (2023) 229 final vorgeschlagen.
7) Zum Gebot der aufsichtlichen Präkognition s schon Stern, Bankenaufsichtsrecht im EWR (2020), 234.
8) Vgl Pagowski in Kammel/Schütz, BaSAG § 44 (Stand 1.5.2022, rdb.at),
Rn 29.
9) Beachte: Bei der kombinierten Kapitalpufferanforderung (§ 22a Abs 1 iVm § 24 BWG) handelt es sich um keine (harte) Eigenmittelanforderung iSd Art 92 CRR.
10) Gemeint ist die Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten gem Art 45e und Art 45f BRRD (§ 100 BaSAG; „MREL“); darunter ist uE auch – als Teil der MREL – die Nachrangigkeitsanforderung (vgl Art 45b Abs 4 und 5 BRRD; § 101 Ab 6, 7, 9 und 12 BaSAG) zu subsummieren. Ein drohender Verstoß kann freilich auch dann gegeben sein, wenn das Institut, analog zur kombinierten Kapitalpufferanforderung, den Schwellenwert M-MDA wesentlich unterschreitet (vgl § 28a BaSAG).
11) Siehe schon EBA, Leitlinien zu den Be-
dingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen gemäß Artikel 27 Absatz 4 der Richtlinie 2014/59/EU (EBA/GL/2015/03), Rn 24 lit b.
12) Art 30a ist schließlich ein Teil von Titel III BRRD, der das „Frühzeitige Eingreifen“ regelt. Zudem suggeriert Art 30a Abs 1 und 2 BRRD idF CMDI eine gewisse Eskalationskaskade, die mit Abs 6 aber relativiert wird (siehe auch Art 32 Abs 3 BRRD).
13) Die allgemeinen Kompetenzen der Abwicklungsbehörde im Zuge der Abwicklungsplanung und der Sicherstellung der Abwicklungsfähigkeit (vgl Art 10 ff, 15 ff BRRD) verleihen der Behörde ohnehin weitgehende Rechte idZ.
BRRD (Voraussetzungen für die Setzung von Abwicklungsinstrumenten) soll den Behörden die Feststellung des öffentlichen Interesses (Art 32 Abs 1 lit c BRRD) an der Abwicklung „mittelgroßer“ Institute, wobei es sich hier um keinen rechtstechnisch harmonisierten Begriff handelt, erleichtert werden (vgl ErwGr 9 COM [2023] 227). Dies geschieht legistisch über die Definition des öffentlichen Interesses selbst, nicht über eine Neukategorisierung der beaufsichtigten Unternehmen (vgl Art 4 Abs 1 Nr 145 und 146 CRR).14)
Einerseits stellt Art 2 Abs 1 Nr 35 BRRD idF CMDI klar, dass schon adverse regionale Auswirkungen des Ausfalls eines Instituts, nicht nur grenzüberschreitende oder staats- bzw bundesweite Folgen, ein behördliches Einschreiten via Abwicklungsmaßnahmen rechtfertigen.15) Andererseits soll eine Intervention durch Abwicklungsinstrumente zukünftig schon dann im öffentlichen Interesse liegen, sofern die Abwicklungsziele, unter Berücksichtigung vermeintlich staatlicher Unterstützungsmaßnahmen, nicht durch ein reguläres Insolvenzverfahren besser erreicht würden (Art 32 Abs 5 erster UAbs BRRD idF CMDI). Nach geltender Rechtslage muss die Abwicklungsbehörde hingegen nachweisen, dass sich die Abwicklungsziele durch die Setzung von Abwicklungsinstrumenten besser erreichen lassen (arg „[…] nicht im selben Umfang der Fall wäre […]“).16)
In der CMDI ist das strukturelle Primat des Insolvenzrechts nun nicht mehr durchgängig erkennbar. So bleiben der Grundsatz des Verbot der Schlechterstellung von Gläubigern im Zuge der Ab-
wicklung (im Vergleich zum Insolvenzverfahren) sowie die sonstigen Schutzbestimmungen nach Kapitel VII BRRD (zB Differenzansprüche der Gläubiger nach Art 75 BRRD) unangetastet (vgl Art 34 Abs 1 lit g BRRD; „no creditor worse off“), was das Ausmaß der zulässigen behördlichen Intervention in der Abwicklung indirekt wieder einschränkt.
Schon nach geltender Rechtslage fordert der europäische Gesetzgeber die Liquidation von ausfallenden Instituten (Art 32 Abs 1 lit a und BRRD), bei denen kein öffentliches Interesse an der Setzung von Abwicklungsinstrumenten gegeben ist (Art 32b BRRD; Liquidationseinheiten).17) Art 32b BRRD wurde nach den Erfahrungen iZm ABLV (eine nach aufsichtsrechtlichen Bestimmungen ausfallende, jedoch [noch] nicht insolvenzreife Bank [Limbus]), mit BRRD II eingeführt, jedoch in manchen Mitgliedstaaten, zumindest nach Ansicht der KOM, fehlerhaft oder nicht ausreichend umgesetzt (darunter uE auch Ö18)). Mit CMDI schärft die COM die Regelungen dahingehend, dass der Marktaustritt des betroffenen Instituts nun explizit als telos der Norm genannt wird (Art 32b Abs 2 BRRD idF CMDI) und entsprechend im nationalen Recht zu verankern ist.19) Die Einstellung der Marktaktivitäten bezieht sich idZ jedoch nur auf alle Bankgeschäfte. Eine entsprechend eingeschränkte Weiterführung des Unternehmens, sofern dies faktisch möglich ist und zwischenzeitig keine Insolvenzreife eintritt, wäre im Grundsatz zulässig (zB Fortführung
als Zahlungsinstitut). In jedem Fall hat die Aufsichtsbehörde (EZB, Art 4 Abs 1 lit a SSM-V) der Liquidationseinheit im Fall des Art 32b Abs 1 BRRD die Bankkonzession zu entziehen (Art 32b Abs 3 BRRD idF CMDI), was den Neuabschluss von Bankgeschäften durch dieses Unternehmen ohnehin (weitgehend) verhindert.20) Spiegelbildlich, sofern nicht ohnehin ein Fall nach Art 32b Abs 1 BRRD vorliegt, führt der Entzug der Bankkonzession gem Art 32b Abs 4 BRRD idF CMDI wiederum zum Marktaustritt des Unternehmens (Sanierung und eingeschränkte Fortführung ohne Banksparte, Liquidations- oder Insolvenzverfahren21)).
5. Außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln (Art 32c)
Im Grundsatz bilden außerordentliche Unterstützungsmaßnahmen „aus öffentlichen Mitteln“ zugunsten eines Instituts ein Ausfallereignis iSd Art 32 Abs 1 und 4 BRRD. Allerdings verankert die BRRD schon jetzt einige Ausnahmen von diesem Grundsatz, dh zulässige staatliche Unterstützungsmaßnahmen, zB Staatsgarantien zur Abwehr von Störungen der Finanzmarktstabilität (vgl Art 32 Abs 4 lit d sublit ii BRRD), sofern dies in Einklang mit den europäischen Regelungen für staatliche Beihilfen steht (Art 107 Abs 1 AEUV22)). Die KOM stellt in der CMDI klar, dass auch staatliche Entlastungsmaßnahmen für wertgeminderte Aktiva (zB via öffentlich-gestützte Versicherungslösungen oder Einrichtung von Bad- bzw Aggregator Banken) als
14) Die Kompetenz des „public-interest-test“ verbleibt somit weiterhin in der Diskretion der Abwicklungsbehörde.
15) Siehe zur Diskussion der Prüfung des öffentlichen Interesses idZ auch Vgl Part in Kammel/Schütz, BaSAG § 49 (Stand 1.5.2022, rdb.at), Rn 18 f; zur Entscheidung des SRB betreffend Veneto Banca s Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Veneto Banca SpA (2017/C 242/02).
16) Vgl Part in Kammel/Schütz, BaSAG § 49 (Stand 1.5.2022, rdb.at), Rn 8 ff, 11 („Vergleich zwischen einer Abwicklung und einem theoretischen Insolvenzverfahren“).
17) So etwa geschehen im Fall Sberbank (solvente Liquidation); siehe ua FMA, Pressemitteilung: Sberbank Europe AG hat alle Bankgeschäfte abgewickelt (19.12.2022), abrufbar unter: https:// www.fma.gv.at/sberbank-europe-aghat-alle-bankgeschaefte-abgewickeltkonzession-erlischt-rechtswirksam-mit15-dezember-2022-regierungskommissaer-abberufen/ (26.4.2023).
18) Schon aus der Bekanntmachung der KOM über die Auslegung bestimmter Rechtsvorschriften des überarbeiteten Bankenabwicklungsrahmens („Mitteilung 2020/C 417/02“) wird deutlich, dass im Fall des Art 32b BRRD jedenfalls eine Liquidation des Unternehmens vorzunehmen ist, wobei der Begriff des „regulären Insolvenzverfahrens“ nach nationalem Recht weit auszulegen sei (Mitteilung 2020/C 417/02, 9 f). § 49 Abs 6 BaSAG verpflichtet die FMA hingegen (nur) zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen ohne nähere Determinanten („Die FMA hat daraufhin geeignete Maßnahmen gemäß §§ 6, 70 oder 81 bis 91 BWG zu ergreifen“). Im Vergleich dazu sieht das liechtensteinische Recht schon jetzt explizit die Auflösung und Liquidation des betroffenen Instituts vor (vgl Art 38 Abs 4 liechtBankG idF LBGL 2023/147).
19) Zu bemerken ist, dass dem Unternehmen gegen die Feststellung des FOLTF kein Rechtsmittel zukommt (EuGH 6. 5. 2021, C-551/19 P und C-552/19 P, ABLV Bank AS, Ernests Bernis/EZB, Rn 66).
20) Siehe zu diesem Themenbereich von Grasser, ÖBA 2023, 26 (30 f) mit Verweis auf OGH 8 Ob 27/20h ZIK 2020, 244 = ÖBA 2021, 341 (Völkl); der Sonderfall nach § 82 Abs 7 BWG iVm § 61 BaSAG ist mangels Abwicklung ieS nicht einschlägig.
21) Beachte: Das Insolvenzantragsrecht der FMA nach § 82 Abs 3 BWG gilt auch nach Entzug der Konzession weiter (OGH 8 Ob 27/20h).
22) Nach stRspr gilt als „staatliche Beihilfe“ eine Maßnahme die vier Voraussetzungen erfüllt: Es muss eine staatliche Maßnahme (oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel) vorliegen; diese Maßnahme muss geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, dem Begünstigten muss durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden, und sie muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (vgl EuGH 13.9.2017, ENEA, C-329/15, EU:C:2017:671, Rn 17; siehe auch die dort genannte Rspr).
zulässige Staatshilfen gelten können (vgl Art 32c Abs 1 lit a sublit iii BRRD idF CMDI).23)
Eine materielle Rechtfertigung für den Ausnahmekatalog, der schließlich den Einsatz von Steuergeldern im Abwicklungsregime zulässt, liegt insb in der Tatsache, dass frühzeitige finanzielle Hilfeleistungen („precautionary recap“) zwar nicht immer geeignet sind, einen Ausfall endgültig abzuwenden, diesen jedoch signifikant zugunsten effektiver Vorbereitungsmaßnahmen (für die Sanierung oder Abwicklung) verzögern kann und dabei den zu erwarteten Schaden reduziert (zB durch Substitution kritischer Funktionen wie Kreditvergabe und/ oder Zahlungsverkehr). Leistungen aus öffentlichen Mitteln müssen effektiv, dh tatsächlich erforderlich sein und dürfen nicht zeitlich unbeschränkt, dh nur vorübergehend gewährt werden (vgl Art 32c Abs 2 lit b BRRD idF CMDI).
Mit der CMDI versucht die COM, divergierende mitgliedstaatliche Praktiken iZm staatlichen Unterstützungsleistungen im Krisenfall zukünftig stärker zu harmonisieren. Art 32c BRRD idF CMDI unterscheidet nun vier taxative Anwendungsfälle, in denen eine Unterstützung aus öffentlichen Mitteln (sic) nicht eo ipso zu einem Ausfall iSd Art 32 Abs 1 BRRD führt. Zum Ersten übernimmt die KOM die bisherigen Instrumente und Einschränkungen aus Art 32 Abs 4 lit d BRRD (Staatsgarantien zur Besicherung von Zentralbankfazilitäten und emittierten Anleihen, Erwerb von Kapitalinstru-
23) Zu diesem Themenkomplex s schon die damalige Mitteilung der Kommission über die Behandlung wertgeminderter Aktiva im Bankensektor der Gemeinschaft (2009/C 72/01).
24) Auch der staatliche Erwerb von Eigenkapitalinstrumenten (zB Stammaktien) unterliegt zwar strengen Anforderungen (Nachweis, dass keine andere Maßnahme, zB Überbrückungsfinanzierung durch Nachrangkredite, zum Erfolg führt), aber keinem absoluten Verbot (vgl Art 32c Abs 2 fünfter UAbs BRRD).
25) Dies ist kohärent zu jener Definition, die in der Monetärpolitik Anwendung findet (vgl ECB, Agreement on emergency liquidity assistance 9 November 2020, 4.1); siehe auch ErwGr 19 CMDI.
26) Zur Einstufung und Abgrenzung der Leistungen von Einlagensicherungssystemen als „öffentliche Mittel“ vgl EuG 19.3.2019, T-98/16, T-196/16 und T-198/16; EuGH 2.3.2021, C-425/19 P (Tercas).
27) Beachte: Die Höhe und Qualität der MREL als Mindesterfordernis an Eigenmitteln und anrechenbaren Verbindlichkeiten, das Banken vorsorglich für einen Bail-in vorhalten müssen, bestimmt sich im Wesentlichen auf Basis der zugrunde gelegten Abwicklungsstrategie.
menten, die als Eigenmittel gelten24)). Weiterhin sollen nur „solvente“ Unternehmen (gemeint: Institute, die zwar [noch] über ausreichend Eigenmittel, ggf aber nicht über genug liquide Mittel verfügen) für eine staatliche Unterstützung in Frage kommen. IdZ soll der Begriff der Solvabilität nun mit den aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen nach Art 92 Abs 1 CRR25) (womöglich erhöht durch Säule-II-Maßnahmen der zuständigen Behörde [capital-add-on]), wiederum projiziert auf die zukünftig erwartete Quotenentwicklung im Zwölfmonatshorizont, korrespondieren.
Als zweite und dritte Variante nennt der Vorschlag die finanziellen Leistungen durch Einlagensicherungen, einerseits im Zuge einer Abwicklungsmaßnahme (Art 32c Abs 1 lit b BRRD idF CMDI iVm Art 11a f DGSD idF CMDI), andererseits zur Sicherstellung einer geordneten Liquidation (Art 32c Abs 1 lit c BRRD idF CMDI iVm Art 11 Abs 5 DGSD idF CMDI).26) Als letzte Variante lässt die KOM auch sonstige staatliche Beihilfen iSd Art 107 Abs 1 AEUV zu, um die ordentliche Liquidation des betroffenen Unternehmens zu gewährleisten (Art 32c Abs 1 lit d BRRD idF CMDI).
Die geltenden Bestimmungen zur MREL Kalibrierung27) fokussieren auf Bail-in-Strategien (vgl Art 45c BRRD).
28) SRB, MREL Policy 2022 Rn 35–38; abrufbar unter https://www.srb.europa. eu/en/content/srb-publishes-updated2022-mrel-policy (8.5.2023).
29) SRB, MREL Policy 2022 Rn 38. Die Kalibrierung ist so angelegt, dass je geringer die Bilanzsumme, desto höher der Abschlag, da Banken mit einer kleinen Bilanzsumme eher von potenziellen Investoren übernommen werden können. Eine geringe NPL-Quote aufgrund des Risikoprofils einer Bank führt ebenfalls zu einem höheren Abschlag. Ein hohes Volumen an gesicherten Einlagen bietet für Investoren eine attraktive Refinanzierungsquelle. Daher werden Portfolien mit einem hohen Volumen an gesicherten Einlagen von einem höheren Abschlag profitieren. Schließlich sind modellbewertete Vermögenswerte und Verbindlichkeiten mit Bewertungsunsicherheiten und Modellrisiken behaftet. Daher ist der Anteil der modellbewerteten Aktiva und Passiva maßgeblich für die Höhe des anzuwendenden Abschlags.
30) Im Gegensatz dazu legt etwa die FMA Liechtenstein klare Schwellenwerte für den Abschlag (konkret bezogen auf NPE-Ratio, LCD-Ratio, Credit Risk Density und NSFR) offen, vgl FMAMitteilung 2022/02 – Festlegung der
Diese gehen im Grundsatz davon aus, dass es in der Abwicklung zu keinen wesentlichen rechtlichen oder operativen Strukturänderungen im Abwicklungsobjekt kommt. Hingegen unterstellen Transferstrategien signifikante Eingriffe in die finanziellen, rechtlichen und operationellen Strukturen einer Bank, etwa durch Unternehmensveräußerung (Änderung der Eigentümerstruktur), der Einrichtung einer Brückenbank oder durch die Ausgliederung von Vermögenswerten. Die BRRD erkennt zwar schon jetzt die Möglichkeit an, andere Abwicklungsinstrumente als das Instrument der Gläubigerbeteiligung (Bail-in) zu nutzen, regelt die MREL-Kalibrierung für Transferstrategien derzeit aber nicht. Die nationalen Abwicklungsbehörden, allen voran der SRB, haben daher eigenständige Ansätze für die MREL-Festsetzung im Falle von Transferstrategien entwickelt. Den Ansätzen ist gemeinsam, dass der Rekapitalisierungsbetrag bei Transferstrategien (im Vergleich um Bail-in), insb aufgrund der Annahme der Risikoreduktion (Senkung der RWA durch Bilanzverkürzung) kleiner ausfallen darf.28) Die Festlegung des jeweiligen Faktors erfolgt laut SRB anhand der Bewertung ausgewählter Indikatoren (Bilanzsumme, NPL Quote, Volumen der gesicherten Einlagen und Volumen der Level 3 Assets nach IFRS13).29) Die exakte Berechnung nach SRB-Policy ist aber intransparent (black box) 30),31) Unternehmen können die MREL somit weiterhin weder in ihre Gesamtbanksteuerung noch in ihre Refinanzierungspläne einbetten, oder danach budgetieren.32)
Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten („MREL-Policy“), 10, abrufbar unter: https://www.fma-li.li/de/news/20220913fma-mitteilung-2022-02-publiziert.html (8.5.2023).
31) Der SRB verlangt daneben auch qualitative Kriterien für den Abschlag. Zentral sei dabei die bankinterne Analyse der rechtlichen, finanziellen und operativen Verflechtungen für die Identifikation von übertragbaren Portfolien (Separierbarkeitsanalyse). Im Rahmen der Anforderungen zu „Market Interest and Capacity“ ist vom Institut eine Liste geeigneter potenzieller Erwerber vorzulegen. Weiters ist seitens der Bank eine Selbsteinschätzung vornehmen, inwieweit ein Institut aufgrund seiner Datenverfügbarkeit für einen Transfer gerüstet wäre. Insb ist zu demonstrieren, dass das Institut in der Lage wäre, einen virtuellen Datenraum in kurzer Zeit aufzusetzen und zu befüllen. Siehe dazu SRB, Operational Guidance for banks on separability for transfer tools, 11/2021; abrufbar unter https://www.srb.europa.eu/en/content/ operational-guidance (8.5.2023).
32) Siehe im Gegensatz dazu den „Zweck der „MREL-Policy“ nach den Vorgaben in FMA Liechtenstein, MREL-Policy, 3 f.
In der CMDI hat die COM nun eine Reihe von Grundsätzen formuliert, die für die Kalibrierung der MREL im Falle von Transferstrategien maßgeblich sein sollen (vgl Art 45ca BRRD idF CMDI). Neben Größe, Geschäftsmodell und Risikoprofil (vgl § 101 Abs 15 Z 5 BaSAG) werden die Übertragbarkeit und Marktfähigkeit von Vermögenswerten sowie die Art des Transfers, dh ob es sich bei der Strategie um einen Asset- oder einen Share Deal handelt, als weitere Aspekte genannt. Wird nur ein Teil der Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten des abzuwickelnden Instituts an einen Dritten übertragen, sind die in den Art 73 bis 80 BRRD (§ 109 ff BaSAG) genannten Vereinbarungen angemessen zu schützen (Aufrechnungs- und Saldierungsvereinbarungen, besicherte Verbindlichkeiten dürfen nur gemeinsam übertragen werden, Pfandbriefe nur gemeinsam mit dem Deckungsstock, etc). Dies gilt unabhängig von ihrem Entstehungsgrund, der Anzahl der beteiligten Parteien und dem auf sie anwendbaren Recht. Die zu identifizierenden Abwicklungshindernisse werden nicht weiter spezifiziert. Aus den Erfahrungen der Abwicklungsplanung können diese etwa öffentlich-rechtlicher (zB erforderliche Lizenzen), vertraglicher (zB vertragliche Verbindungen zwischen Portfoliopositionen), wirtschaftlicher (zB Schutz der Integrität von Kundenbeziehungen, Hedge Beziehungen), steuerlicher (zB Veränderung der Gruppenmitglieder bei der Gruppenbesteuerung, steuerliche Verlustvorträge) und/oder operativer Natur sein (zB operative Verflechtungen zwischen Mutter und Tochterunternehmen) sowie die Performance und Risikoprofil/Risikogewichte der zu übertragenden Portfolien betreffen.33) Bei einem Anteilskauf ist in der Regel keine Separierbarkeitsanalyse erforderlich, es sei denn, dass schon im Vorfeld einschlägige Restrukturierungsmaßnahmen gesetzt werden. Bei einem Unternehmenskauf, bei dem Unternehmensbestandteile samt Rechtsbeziehungen durch Einzelrechtsnachfolge erworben werden,
33) Siehe weitere Beispiele in EBA, Leitlinien zur Festlegung von Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen und den Umständen, unter denen die jeweiligen Maßnahmen gemäß Richtlinie 2014/59/EU ergriffen werden können (EBA/GL/2014/11) und SRB, Operational Guidance for banks on separability for transfer tools, 11/2021, 5 ff.
34) Vgl EBA, Guidelines on transferability (EBA/GL/2022/11), Rn 10 ff.
35) So auch Brunner/Harsdorf-Enderndorf in Kammel/Schütz, BaSAG § 86 (Stand 1.5.2022, rdb.at), Rn 21 („Anwendungsbereich des Instruments der Gläubigerbeteiligung“).
36) Vgl SRB, Operational Guidance on Bail-
sind neben der Auswahl von Vermögensgegenständen des zum Verkauf stehenden Portfolios (Transfer Parameter34)) auch die oa Analysen zu beachten.
Die „faire, vorsichtige und realistische“ Bewertung der Bilanzpositionen der Abwicklungseinheit ist eine bedeutende Vorbedingung für die effektive Umsetzung von Abwicklungsmaßnahmen (vgl § 54 Abs 1 BaSAG). Dabei sind, vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung (§ 53 Abs 1 Z 6 BaSAG), sowohl ungewisse als auch bereits feststehende Verbindlichkeiten gleichermaßen zu behandeln.35)
Allerdings wird die Berücksichtigung von Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten im Falle eines Bail-in in den Mitgliedstaaten bis dato nicht einheitlich geregelt. Auch der SRB konnte sich bisher zu keiner klaren Vorgabe durchringen.36)
In der Sache HETA Asset Resolution AG hat die FMA sowohl Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten in den Anwendungsbereich des Instruments der Gläubigerbeteiligung einbezogen37), dh solche „Verbindlichkeiten, deren Eintritt und/oder deren konkrete Höhe noch ungewiss ist, die dem Grunde nach aber bereits vor dem Abwicklungsstichtag entstanden sind […] und nicht auf Sachverhalten gemäß § 86 Abs 2 BaSAG38) beruhen […]“39).
Die KOM stellt in der CMDI nun klar, dass Rückstellungen grundsätzlich als Bail-in-fähige Verbindlichkeiten anzuerkennen sind (Art 2 Abs 1 Z 71, Art 44 Abs 1, Art 53 Abs 3 BRRD idF CMDI). Die Definition von Bail-in-fähigen Verbindlichkeiten wird entsprechend erweitert und umfasst nun alle Verbindlichkeiten auf Basis des anwendbaren Rechnungslegungsstandards (vgl Art 2 Abs 1 Z 71), soweit kein Ausschluss gegeben ist (vgl § 86 Abs 2 BaSAG).40)
in Playbooks, 6/2022, Rn 34 lit f.
37) Siehe Vorstellungsbescheide der FMA betreffend die Abwicklung der HETA Asset Resolution AG vom 2.5.2017 (Vorstellungsbescheid II) sowie vom 13.9.2019 (Vorstellungsbescheid III) (http://www.fma.gv.at/heta-asset-resolution-ag).
38) § 86 Abs 2 BaSAG listet jene Kategorien, die vom Bail-in ausgeschlossen sind (zB gedeckte Einlagen).
39) Brunner/Harsdorf-Enderndorf in Kammel/Schütz, BaSAG § 86 (Stand 1.5.2022, rdb.at), Rn 11 („Anwendungsbereich des Instruments der Gläubigerbeteiligung“).
40) Bspw Rückstellungen für Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern oder Geschäfts- und Handelsgläubigern.
Zur Abgrenzung von Rückstellungen gegenüber Eventualverbindlichkeiten sind die Kriterien in IAS 37, konkret die Wahrscheinlichkeiten des Mittelabflusses, heranzuziehen (vgl ErwG 25 COM [2023] 227 final).
Bei Durchführung eines Bail-in ist der Rückstellungsbetrag um die Herabschreibungsquote zu reduzieren. Freilich dienen nicht sämtliche Rückstellungsarten einem effektiven Bail-in. Eine Herabschreibung von Rückstellungen für Aufwendungen41) und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 198 Abs 8 Z 2 UGB) etwa führt im Gegensatz zu Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten42) (§ 198 Abs 8 Z 1 UGB) nicht zum gewünschten Effekt einer Eigenkapitalentlastung, da der zukünftige Aufwand bzw die Aktivposition, für die die Rückstellung gebildet wurde, weiterhin besteht.43)
Eventualverbindlichkeiten werden nicht in den Anwendungsbereich des Bail-in einbezogen und sind damit nicht anrechenbar (vgl ErwG 25 COM [2023] 227 final). Dies ist durchaus sachgerecht, da die Herabschreibung weder eine Verlustdeckung noch eine Rekapitalisierung bewirkt.
Gem Art 17 Abs 1 MAR44) haben Emittenten Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich bekanntzugeben. Unter den Voraussetzungen nach Art 17 Abs 5 MAR (mit dem Ziel der „Wahrung der Finanzmarktstabilität“), insb einem Zustimmungsvorbehalt durch die zuständige Behörde, darf das Unternehmen die Offenlegung jedoch zeitlich aufschieben. Art 63 Abs 1 lit n BRRD idF CMDI weitet dieses Antragsrecht nun auf die Abwicklungsbehörde (zugunsten des in Abwicklung befindlichen Unternehmens) aus. Der Vorschlag erscheint uns sinnvoll und praxisnah.
41) Dazu zählen ua auch Bewertungs- und Drohverlustrückstellungen.
42) Bspw Restrukturierungsrückstellungen
43) Während bei Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften eine „Außenverpflichtung“ gegenüber einem Dritten besteht, handelt es sich bei Aufwandsrückstellungen um eine „Innenverpflichtung“, zur Erfassung eines zukünftigen Aufwandes. Vgl Grünberger, Praxis der Bilanzierung, 2019/2020, S 223.
44) Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung), ABl L 173 vom 12.6.2014, S 1–61.
Einerseits ist die Manövrierfähigkeit des Instituts im Abwicklungsfall regelmäßig drastisch eingeschränkt (was zu erhöhten Haftungsrisiken führen kann; vgl Art 30 Abs 1 lit a MAR), andererseits unterstützt der Vorschlag eine frühzeitige und effiziente behördenlaterale Abstimmung, ggf schon in der Abwicklungsplanung.
Schon der selektive Einblick in das CMDI-Paket zeigt zahlreiche lessons learned der COM. Sowohl die Anwendung, wie aber auch der mangelnde oder divergierende Vollzug der komplexen Regularien des Bankenabwicklungsregimes machten die nun vorliegenden Vorschläge nötig. „Revolutionäre“ Änderungen sieht das vorgestellte Teilpaket, in Ausklammerung der Vorschläge zur DGSD-Novelle, nicht vor. So wäre uE eine zeitliche Ausweitung des behördlichen Zahlungsmoratoriums nach Art 33a BRRD, welches nach geltender Rechtslage auf 48 Stunden beschränkt ist (Abs 4 par cit), schon aufgrund der Erfahrungen in der Sache Sberbank, uE diskussionswürdig. Nach den Vorschlägen der COM wird es auch zukünftig keine Verpflichtung für Abwicklungsbehörden geben, den Beaufsichtigten den gesamten Abwicklungsplan offenzulegen, was die Umsetzung entsprechender Verfahren zur Sicherstellung der Abwicklungsfähigkeit
auf Seiten der Abwicklungseinheiten erschwert.45) Auch wird es weiterhin keine vollharmonisierte MREL-Methodologie geben, die eine umfassende und vorausschauende Einbettung in die Gesamtbanksteuerung erlaubt.46) Ferner ist fraglich, ob die Stellung des Insolvenzrechts (no creditor worse off) als counterfactual der Bankenabwicklung angesichts der geplanten Ausweitung des Regimes auf mittelgroße Banken, nicht grundsätzlich überdacht werden sollte.
Dennoch dürften die Pläne der COM zahlreiche Problematiken, etwa die fehlende oder verspätete Einbindung von Abwicklungsbehörden durch die Aufsichtsbehörden, reduzieren. Die Behörden haben zukünftig noch genauer darauf zu achten, keine Doppelgleisigkeiten zu generieren, was schon bei der nationalen Umsetzung berücksichtigt werden sollte (zB durch klare Kompetenzabgrenzungen). Dies gilt insb für den neuen Tatbestand zur „Vorbereitung“ auf die Abwicklung nach Art 30a BRRD.
Fraglich bleibt, inwieweit die nähere Determinierung der zulässigen Staatshilfe konkrete Anreize zur Regulierungsarbitrage und/oder präventiven, wenn auch informellen, Einpreisung des Fiskus in Abwicklungsagenden schafft. Dies kreiert womöglich erhöhte Rechtssicherheit, könnte aber ein ursprüngliches Ziel des Regimes, nämlich den weitestmög-
lichen Schutz des Steuerzahlers, durch die Hintertür wiederum gefährden.
EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen gemäß Artikel 27 Absatz 4 der Richtlinie 2014/59/EU (EBA/GL/2015/03).
EBA, Guidelines on transferability (EBA/GL/2022/11).
ECB, Agreement on emergency liquidity assistance 9 November 2020.
FMA Liechtenstein, MREL-Policy (2022).
Grasser, Konzessionsentzug und Bankeigenschaft am Beispiel der Meinl Bank, ÖBA 2023, 26.
Grünberger, Praxis der Bilanzierung 2019/2020 (2019).
Kammel / Schütz, BaSAG – Bankensanierungs- und -abwicklungsgesetz (2022), ISBN: 978-3-214-18176-5.
SRB, MREL Policy 2022.
SRB, Operational Guidance for banks on separability for transfer tools, 11/2021.
SRB, Operational Guidance on Bail-in Playbooks, 6/2022.
Stern, Bankenaufsichtsrecht im EWR (2020).
45) Beachte: Im Gegensatz zur Eurozone ist die FMA als Abwicklungsbehörde in Liechtenstein dazu übergegangen, den betroffenen Abwicklungseinheiten den
jeweiligen Abwicklungsplan vollständig offenzulegen. Damit qualifiziert der Plan auch als Prüfgegenstand interner und externer Prüfungen.
46) Siehe im Gegensatz dazu die Ausführungen zur MREL-Policy in Liechtenstein unter Fn 30 und 32.
Mit dem Entwurf für ein Wagniskapitalfondsgesetz (WKFG) hat der österreichische Gesetzgeber einen Dogmenwandel in der Regulierung von Investmentfonds vorgenommen, da mit dem vorgeschlagenen Wagniskapitalfonds (WKF) erstmals ein dezidiert geschlossener, regulatorisch kalibrierter InvestmentfondsTyp eingeführt werden soll. Dieser Beitrag widmet sich der angedachten Ausgestaltung eines solchen WKF und analysiert seine praktische Notwendigkeit.
Stichwörter: WKFG, WKF, Investmentfonds, AIF, geschlossene Investmentfonds, Investmentfondsrecht, Aktienrecht.
JEL-Classification: G 21, G 28, K 20, K 22, K 23. https://doi.org/10.47782/oeba202307049201
With the consultation on a draft Venture Capital Funds Act, the legislator triggered a dogmatic change in Austrian investment fund regulation as the proposed venture capital fund is structured explicitly in the form of a carefully regulatorily drafted closed-end investment fund vehicle. This contribution analyses the current proposal and assesses its practical necessity.
Im Dezember 2022 wurde mit dem in Begutachtung geschickten Entwurf eines zukünftigen Wagniskapitalfondsgesetzes (WKFG)1) ein neuer InvestmentfondsTyp für Österreich verschriftlicht, der in dieser Form hierzulande aufgrund ausländischer Vorbilder2) zwar bekannt, aber nicht existent war3), da es sich um einen regulatorisch kalibrierten geschlossenen Investmentfonds handelt. Dieser neue Investmentfonds-Typ, bezeichnet als Wagniskapitalfonds (WKF), resultiert aus einer rund fünfzehnjährigen Diskussion über die Einführung von gesellschaftsrechtlichen Fondskonstruktionen in Österreich. Trotz massiver Bemühungen von Legistik und Industrie wurden derartige Fondskonstruktionen im Rah-
men der Neufassung des InvFG 20114) nicht realisiert, da aus steuerlicher Sicht Bedenken hinsichtlich der Behandlung derartiger Fondskonstruktionen angemeldet wurden. Obwohl diese Bedenken an sich rasch ausgeräumt werden konnten, gelang trotz mehrmaliger Anläufe die Einführung derartiger Investmentfonds in Österreich bislang nicht.
Mit dem im Dezember 2022 vorgelegten Entwurf für zukünftige WKF wird einerseits dieses Bestreben nach einer Einführung gesellschaftsrechtlicher Fondskonstruktionen teilweise umgesetzt,
1) Bundesgesetz über Wagniskapitalfonds (Wagniskapitalfondsgesetz – WKFG).
2) Vorbilder sind etwa die Investmentaktiengesellschaft in Deutschland oder die bekannte Luxemburger InvestmentGesellschaft SICAV.
3) Das alte Beteiligungsfondsgesetz (BetFG) 1982, das mit der nationalen Umsetzung des AIFM-Rahmenwerks aufgehoben wurde, kannte zumindest gem § 3 BetFG eine Beteiligungsfondsgesellschaft, in deren Eigentum ein sogenannter Beteiligungsfonds, also gem § 1 BetFG ein in einem eigenen Rechnungskreis zusammengefasstes Vermögen, stand, das durch die Ausgabe von Genussscheinen finanziert wurde und den Zweck hatte,
andererseits erkannte man aufgrund der makroökonomischen Herausforderungen der vergangenen Jahre, dass die Bereitstellung einer zusätzlichen Liquiditätsschiene mittels neuer Formen der Unternehmensbeteiligung nicht nur notwendig, sondern auch etablierte Marktpraxis ist. Der daraus resultierende – und mittels Begutachtung öffentlich gemachte – Investmentfonds-Typ ist der sogenannte WKF, der als spezifische Ausprägung eines geschlossenen Alternativen Investmentfonds (AIF) in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) ausgestaltet sein soll.
Unternehmensbeteiligungen zu erwerben. Diese Struktur kann zwar nicht mit dem vorgeschlagenen Konzept des WKF verglichen werden, jedoch zeigt es gewisse Ausprägungen, die dem WKF nicht gänzlich unbekannt sind, wie etwa die Beteiligungsfondsgesellschaft als Aktiengesellschaft und die Determinierung unterschiedlicher Rechnungskreise. Das BetFG setzte jedoch auf der Unternehmensebene an, während der WKFG-E die Produktebene im Fokus hat. Zudem war das Beteiligungsfondsgeschäft als Bankgeschäft gem § 1 Abs 1 Z 14 BWG qualifiziert.
4) BGBl I Nr 237/2022.
Der vorliegende Beitrag nimmt eine erste Analyse von Charakteristik und angedachter Ausgestaltung des WKF im Allgemeinen sowie im Speziellen vor, ebenso wie eine Einordnung des WKF anhand EU-weit bekannter Beispiele gesellschaftsrechtlicher Fondskonstruktionen. Zudem wird auf die spezifische AIF-Eigenschaft des WKF eingegangen und schließlich eine erste Einschätzung der praktischen Relevanz des zukünftigen WKF gewagt.
Der vorgelegte Begutachtungsentwurf sieht die Implementierung des neuen WKF durch ein neues, spezifisches Gesetz, dem WKFG, vor, weshalb sich das österreichische Investmentfondsrecht erweitern und gerade im Bereich der AIF präzisieren wird. Strukturell ändert sich somit am primären Dualismus des österreichischen Investmentfondsrechts – abgeleitet durch die EU-Vorgaben – nichts, da es nach wie vor auf den beiden Säulen, dem traditionellen OGAW-Rahmenwerk und dem seit der globalen Finanzkrise (GFC) etablierten AIFM-Rahmenwerk fußt. Betrachtet man diesen Dualismus –sowohl auf europäischer, als auch auf nationaler Ebene ein wenig genauer, so zeigt sich, dass die regulatorische Dynamik zweifellos im AIF-Bereich zu finden ist, wo neben den derzeitigen AIFMDII-Arbeiten5), die beispielsweise die Einführung von Kreditfonds vorsehen, auch das ELTIF-Rahmenwerk – in Form von ELTIF 2.06) – adaptiert und attraktiver ausgestaltet wird. Dazu gesellt sich auf nationaler Ebene der gegenständliche WKFG-Entwurf (WKFG-E), der einen neuen AIF-Typ in Österreich etablieren will. All diese Entwicklungen unterstreichen den derzeitigen regulatorischen Fokus auf illiquide Vermögenswerte und damit einhergehend tendenziell eher geschlossene Investmentfondsstrukturen. Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, dass es sich nur um spezifische AIFTypen handeln kann, wobei interessant anzumerken ist, dass dies zu einem gewissen Grad den allgemeinen Zugang des AIFM-Rahmenwerks keine Produktspezi-
5) Vgl 2021/0376(COD) – Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2011/61/EU und 2009/65/ EG im Hinblick auf Übertragungsvereinbarungen, Liquiditätsrisikomanagement, die aufsichtliche Berichterstattung, die Erbringung von Verwahr- und Hinterlegungsdienstleistungen und die Kreditvergabe durch alternative Investmentfonds.
6) Vgl 2021/0377 (COD) – Vorschlag für
fika, sondern bloß Manager-Anforderungen zu regulieren konterkariert.
Aus österreichischer Sicht besteht dieser Widerspruch schon seit der Umsetzung des AIFM-Rahmenwerks in nationales Recht 2013 und somit seit zehn Jahren, da die Abbildung spezifischer AIF-Ausprägungen sowohl im InvFG 2011 mit den Spezialfonds, Anderen Sondervermögen sowie Pensionsinvestmentfonds (PIFs), als auch im ImmoInvFG mit den offenen Immobilieninvestmentfonds, mit produktspezifischen Aspekten ausgestaltet sind. In diese Tradition reiht sich nun der vorgelegte Entwurf für das WKFG. Dies wird dadurch untermauert, dass im Begutachtungsentwurf eine explizite Verschränkung des WKFG mit dem AIFMG vorgenommen wird, da in § 3 WKFG-E klargestellt wird, dass es sich bei einem WKF um einen besonderen – geschlossenen – AIF handelt und grundsätzlich die Bestimmungen des AIFMG auf diesen anzuwenden sind. Somit ist ein WKF als spezifischer AIF nach österreichischem Recht zu qualifizieren, mit dem teilweise gesellschaftsrechtliche Fondskonstruktionen in Österreich eingeführt werden sollen.
Der vorgelegte Begutachtungsentwurf zum WKFG enthält einen Gesetzesvorschlag, der aus 27 Paragraphen besteht und an sich einer klaren und logischen Struktur folgt, die durchaus vergleichbar mit anderen österreichischen investmentfondsrechtlichen Gesetzen ist. Ganz allgemein legt der WKFG-Entwurf jene Rahmenbedingungen für zukünftige WKF, wie deren Organisation und aufsichtsrechtliche Einordnung auszugestalten ist.
Vor diesem Hintergrund sehen die allgemeinen Bestimmungen des WKFG den typischen Regelungsinhalt eines finanzmarktrechtlichen Rahmenwerks vor, etwa Anwendungsbereich und Begrifflichkeiten, wobei die erwähnte Verschränkung
eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/760 in Bezug auf den Umfang der zulässigen Vermögenswerte und Investitionen, die Anforderungen an die Portfoliozusammensetzung und Diversifizierung, die Barkreditaufnahme und weitere Vertragsbedingungen sowie in Bezug auf die Anforderungen für die Zulassung, die Anlagepolitik und die Bedingungen für die Tätigkeit von europäischen langfristigen Investmentfonds.
des zukünftigen WKF-Rahmenwerks mit dem AIFM-Rahmenwerk in § 3 WKFG-E essentiell für das Verständnis des WKFG ist. § 3 WKFG-E normiert nämlich, dass die Bestimmungen des AIFMG für WKF zur Anwendung kommen, sofern im WKFG nichts Anderes angeordnet ist. Diese Bestimmung qualifiziert somit den WKF als spezifischen AIF. Dabei gilt zu beachten, dass dem einschlägigen Grundsatz des AIFM-Rahmenwerks folgend, das AIFMG de facto keine produktspezifischen Regelungen vorsieht7), weshalb es als Verwalterregulierung ausgestaltet ist,8) sodass der Komplementärcharakter von AIFMG und WKFG dazu führt, dass mit dem WKFG der rechtliche Rahmen für den WKF als Spezial-AIF geschaffen wird.9)
Hinsichtlich der Ausgestaltung des WKF als Spezial-AIF werden in § 4 WKFG-E dessen Voraussetzungen determiniert. So ist jeder WKF als geschlossener AIF in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (WK-AG) zu errichten, wobei dessen Verwaltung einem (qualifizierten) AIFM obliegt. Die Satzung der WK-AG hat dabei den Anforderungen gem § 11 WKFG-E zu entsprechen und der WKF selbst darf nur in Veranlagungen gem § 5 WKFG-E investieren. Zudem hat jeder WKF eine Laufzeit zwischen fünf und zwanzig Jahren aufzuweisen und hat zudem – in der Tradition des Dreiecks des Investmentfondswesens – eine Verwahrstelle gem § 19 AIFMG10) zu benennen. Zudem enthält der WKFG-E Ausführungen zur Zulässigkeit des Erwerbs von derivativen Produkten11) sowie Verfügungsbeschränkungen12), etwa dass weder die WK-AG noch der AIFM oder die Verwahrstelle des WKF Kredite aufnehmen dürfen. Hinsichtlich des Vertriebs findet sich ein dualer Zugang dahingehend, dass der WKF im Fall der Verwaltung durch einen bloß registrierten AIFM nur national, jedoch im Fall der Verwaltung durch einen konzessionierten AIFM in allen EU-Mitgliedstaaten (EUMS) vertrieben werden darf.13)
Nach diesen allgemeinen Voraussetzungen für den WKF folgen spezifische Verwaltungs- und GovernanceVorschriften. So regelt § 8 WKFG-E die
7) So schon Kammel, ÖBA 7/2013, 486 ff.
8) Vgl Kammel/Steidl, ÖBA 09/2022, 657; Kamptner in Macher/Buchberger/ Kalss/Oppitz, InvFG2 §§ 163–165 Rn 1; Kamptner, ÖBA 02/2013, 127.
9) EB zum WKFG-E – Allgemeiner Teil.
10) Kammel/Steidl, ÖBA 09/2022, 657.
11) Vgl § 6 WKFG-E.
12) Vgl § 7 WKFG-E.
13) EB zu § 4 WKFG-E.
Bewertungsanforderungen für die Vermögenswerte des WKF, wobei grundsätzlich auf die bekannten Anforderungen des AIFMG verwiesen wird. Da es sich bei einem WKF um einen geschlossenen AIF handelt, ist auch das Mindestbewertungsintervall von einmal jährlich adäquat. Da ein WKF exklusiv in der Rechtsform einer AG und somit als WKF-AG zu errichten ist, determinieren die §§ 10–14 WKFG-E die aktienrechtlich einschlägigen Regelungen zu Aktien, Satzung sowie Vorstand und Aufsichtsrat der AG. Hinsichtlich dieser aktienrechtlichen Vorschriften fällt auf, dass der Gesetzgeber versucht hat, neben der allgemeinen Anwendbarkeit des AktG die einschlägigen Spezialbestimmungen für eine WKF-AG im WKFG-E zu präzisieren.
Da der WKF von einem AIFM zu verwalten ist, hat die WK-AG gem § 15 WKFG-E einen solchen zu bestellen. Der Unternehmensgegenstand der WK-AG ist jedenfalls die Anlage und Verwaltung ihrer Mittel nach einer festgelegten Anlagestrategie unter Bedachtnahme auf die Risikostreuung zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage entsprechend den Veranlagungsbestimmungen gem § 5 WKFG-E unter Einhaltung der Fondsbestimmungen gem § 16 WKFG-E sowie jener Pflichten der AIFM, die iSd §§ 24-28 AIFMG AIF verwalten, die die Kontrolle über nicht börsennotierte Unternehmen und Emittenten erlangen.
Die Aufsichtsbehörde für den WKF ist gem § 21 WKFG-E wie auch für alle anderen Kollektivanlagen in Österreich die FMA. Zudem enthält der WKFG-E in § 22 WKFG-E den obligaten Bezeichnungsschutz und § 23 WKFG-E setzt die Tradition der Strafbewehrung investmentfondsrechtlicher Bestimmungen in Österreich fort. Da es sich um einen Entwurf des WKFG handelt, ist das Inkrafttreten noch nicht fixiert, jedoch ist ein solches in Q3/Q4 2023 wahrscheinlich.
3.2.
3.2.1. Allgemeines
Anhand der vorgenommenen allgemeinen Analyse des WKFG-E ist gut ersichtlich, dass der österreichische Gesetzgeber zweierlei Bestrebungen realisieren wollte, nämlich einerseits eine kalibrierte Erweiterung der Produktpalette öster-
reichischer AIF durch Einführung eines neuen Rechtsrahmens für geschlossene Spezial-AIF iSd WKF und andererseits mittels genereller Verweisregelungen auf AIFMG und AktG den WKF möglichst harmonisch in diese beiden angrenzenden Rechtsgebiete einzubetten. Diese an sich hehren Bestrebungen scheinen auf den ersten Blick erfolgreich umgesetzt worden zu sein, jedoch soll dem in der folgenden Analyse im Speziellen genauer nachgegangen werden, wobei neben den Produktspezifika des WKF auch auf dessen institutionelle Einbettung als Kollektivanlage sowie seine aktienrechtliche Ausgestaltung eingegangen werden wird.
Gem § 2 Z 1 WKFG-E versteht sich ein WKF als ein aus Risikokapitalveranlagungen gem § 5 WKFG-E bestehender AIF, der in gleiche, in Wertpapieren verkörperte Anteile gem § 10 WKFGE, also in Aktien der WK-AG, zerfällt. Diesbezüglich wurde versucht, den WKF nach internationalen Vorbildern als geschlossenen Investmentfonds gem DelVO (EU) 694/201414) in der Rechtsform einer AG auszugestalten. Der Natur eines solchen geschlossenen Investmentfonds entsprechend ist auch der WKF durch eine fehlende Rückgabemöglichkeit, eine mangelnde Liquidität sowie ein erhöhtes Veranlagungsrisiko gekennzeichnet, weshalb der Vertrieb von WKF folgerichtig nur an professionelle Anleger iSd § 2 Abs 1 Z 33 AIFMG sowie qualifizierte Privatkunden gem § 2 Abs 1 Z 42 AIFMG erfolgen soll.
Die Ausprägung des WKF als geschlossener Investmentfonds dient nicht nur der Neuartigkeit derartiger Fondskonstruktionen in Österreich, sondern vor allem dem Investitionszweck des WKF in Beteiligungen an kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Derartige Investitionen erfolgen typischerweise in nicht liquide bzw maximal eingeschränkt handelbare Vermögenswerte, sodass mit dem WKF ein Investitionsvehikel geschaffen werden soll, welches einerseits KMU den Zugang zu Finanzierungen erleichtern und andererseits institutionellen Investoren solche Finanzierungen im Wege einer Verbriefung ermöglichen soll. Um die Veranlagungsmöglichkeiten eines WKF möglichst flexibel zu halten, kann dieser auch eingeschränkt in die
liquiden Vermögenswerte des § 67 InvFG 2011 investieren.15) Dabei gilt jedoch zu beachten, dass der eigentliche Charakter und Zweck des WKF nicht beeinträchtigt werden darf. Vor diesem Hintergrund darf der WKF unter Bedachtnahme der Risikostreuung und der Wahrung der berechtigten Interessen der Anleger gem § 5 Abs 2 WKFG-E ausschließlich in folgende Vermögenswerte investieren:
1. Guthaben bei Kreditinstituten gemäß § 1a Abs 1 Z 1 BWG;
2. von einer Aktiengesellschaft ausgegebene Aktien, die zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht an einem geregelten Markt gem § 1 Z 2 BörseG 2018 notieren oder gehandelt werden;
3. Geschäftsanteile an einer GmbH;
4. Anteile an Personengesellschaften, insb als Kommanditist;
5. Beteiligungen an Gesellschaften bürgerlichen Rechts;
6. Beteiligungen als stiller Gesellschafter;
7. Schuldverschreibungen und Genussrechte gem § 174 AktG;
8. Finanzierungsinstrumente von Rechtsträgern, an denen Beteiligungen gem Z 2 bis 6 begründet werden könnten, inkl der Gewährung von Darlehen;
9. Anteile an AIF, die mind. 50% des Fondsvermögens in Beteiligungen gem Z 2 bis 5 veranlagen;
10. liquide Finanzanlagen gem § 67 InvFG 2011.
Innerhalb dieses Veranlagungsuniversums dürfen – den Charakter des WKF wahrend – liquide Finanzanlagen iSd § 5 Abs 2 Z 10 WKFG-E insgesamt nur bis zu 30 % des Nettoinventarwertes gem § 17 AIFMG des Gesellschaftsvermögens erworben werden.16) Zudem ist der Erwerb derivativer Produkte iSd § 73 InvFG 2011 gem § 6 WKFG-E nur zur Absicherung von Vermögensgegenständen des Gesellschaftsvermögens zulässig. Dies ist an sich konsistent, da der spezifische Zweck des WKF die Beteiligung an KMUs und deren Eigenkapitalstärkung ist, weshalb ein Erwerb von Derivaten zu Spekulationszwecken das Risiko des WKF nur zweckwidrig erhöhen würde, wogegen Absicherungsgeschäfte aus Portfoliooptimierungsüberlegungen durchaus sinnvoll und zweckmäßig sein können und daher auch zulässig sind.17)
14) Delegierte Verordnung (EU) Nr 694/2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2011/61/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur Bestimmung
der Arten von Verwaltern alternativer Investmentfonds (Text von Bedeutung für den EWR).
15) § 5 Abs 2 Z 10 WKFG-E.
16) Vgl § 5 WKFG-E iVm den EB zu § 5
WKFG-E.
17) Vgl § 6 WKFG-E iVm den EB zu § 6 WKFG-E.
Ergänzend dazu verbietet § 7 WKFG-E grundsätzlich der WK-AG, dem AIFM als auch der Verwahrstelle, auf Rechnung des Gesellschaftsvermögens des WKF einen Kredit aufzunehmen, außer die Fondsbestimmungen sehen dies explizit vor. Diese an sich bekannte Regelung wird dahingehend weiter präzisiert, dass – falls der Aktionärskreis der WK-AG Personen umfasst, die als qualifizierte Privatkunden gem § 2 Abs 1 Z 42 AIFMG einzustufen sind – sich Kredite auf nicht mehr als 30% des Nettoinventarwerts gemäß § 17 AIFMG des Gesellschaftsvermögens belaufen dürfen.18)
Wie bei anderen Kollektivanlagen ist auch für den WKF der Nachweis zu erbringen, dass dieser die regulatorisch determinierten Voraussetzungen iSd § 4 WKFG-E einhält und seine Errichtung bei der FMA anzuzeigen, wobei das Bewilligungsverfahren sich nach § 29 AIFMG richtet.19)
Die auffälligste Besonderheit des WKF ist seine Rechtsform, denn – wie schon allgemein ausgeführt – ist die zentrale Voraussetzung für einen WKF dessen Errichtung exklusiv in aktienrechtlicher Form als WK-AG.20) Aus diesem Grund hat die Firma der Aktiengesellschaft entweder die Bezeichnung „Wagniskapital-Aktiengesellschaft“ oder dessen Abkürzung „WK-AG“ zu führen. Somit muss im Rechtsverkehr die Ausrichtung dieser speziellen AG als Wagniskapitalfondsvehikel deutlich erkennbar sein, wobei selbiges auch für offenzulegende Teilgesellschaftsvermögen gilt.
Da es sich bei der WK-AG um eine (spezielle) AG handelt, sind grundsätzlich die Bestimmungen des AktG gem § 9 Abs 3 WKFG-E auf sie anzuwenden. Jegliche von diesem Grundsatz abweichende Regelungen finden sich explizit im WKFG-E, sodass dieses die lex specialis darstellt, wobei es sich materiell dabei vor allem um aufsichtsrechtliche Besonderheiten sowie spezifische Ausprägungen des Sondervermögens21) Investmentfonds handelt.
Diese investmentfondsrechtlichen Spezifika finden zwangsweise auch ihren Niederschlag in § 11 WKFG-E, der
18) § 7 WKFG-E.
19) Vgl § 4 WKFG-E iVm EB zu § 4 WKFGE.
20) Vgl § 4 Abs 1 Z 4 WKFG-E iVm § 9 WKFG-E.
determiniert, dass der Unternehmensgegenstand der WK-AG in einer Satzung festzulegen ist. Der Unternehmensgegenstand der WK-AG ist die Anlage und Verwaltung der Mittel der WK-AG nach einer festgelegten Anlagestrategie unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Risikostreuung zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage entsprechend vorab determinierter Veranlagungsbestimmungen iSd § 5 WKFG-E sowie den Fondsbestimmungen des WKF iSd § 16 WKFG-E. Zudem hat die Satzung vorzusehen, dass ein AIFM zur alleinigen Verwaltung der Vermögenswerte der Gesellschaft zu bestellen ist22), der im Interesse des WKF sowie der Aktionäre zu handeln hat. Dies schließt somit eine Selbstverwaltung des WKF aus. Beachtlich in diesem Kontext ist zudem, dass die von der WK-AG nach § 16 WKFG-E aufgestellten Fondsbestimmungen nicht Bestandteil der Satzung sind, weshalb sie auch nicht der notariellen Beurkundungspflicht wie die Satzung unterliegen.23) Diese Unterscheidung hilft dem allgemeinen Verständnis des Zusammenspiels von aktienrechtlicher Satzung und investmentfondsrechtlichen Fondsbestimmungen dahingehend, dass die Satzung generell die Grundsätze für die Anlage und Verwaltung der Mittel des WKF festzulegen hat, welche wiederum in den Fondsbestimmungen näher konkretisiert werden.
Im Sinne der Grundanforderungen des Aktienrechts hat die WK-AG auch die darin vorgegebene Governance-Struktur mit den Organen Vorstand und Aufsichtsrat einzuhalten, wobei gerade im Hinblick auf diese beiden Organe in den §§ 12 und 13 WKFG-E einige Präzisierungen zu finden sind. So wurde eine kapitalmarktaufsichtsrechtliche Komponente dahingehend eingezogen, dass die Organe im (de facto) ausschließlichen Interesse des verwalteten Vermögens zu agieren haben und die Tätigkeit des Vorstands im Sinne der Marktintegrität auszuüben ist. Dies soll einerseits durch das Erfordernis des Vieraugenprinzips, andererseits mithilfe verschiedener finanzmarktrechtlicher Schutzvorschriften, etwa der notwendigen Einhaltung der Geldwäschebestimmungen oder der adäquaten Handhabung von Interessenkonflikten iSd Anforderungen des WAG 2018 bzw des MiFID II-Rahmenwerks sichergestellt werden. Weiters nennt das WKFG-E die bekannten Fit&Proper-Anforderungen an Vorstand bzw Aufsichtsrat sowie das Erfordernis, dass die Bestellung, als auch
21) Vgl dazu schon konzeptionell Kammel/ Thierrichter, ÖBA 4/2011, 237 ff.
22) § 11 Abs 1 WKFG-E.
23) § 11 Abs 5 WKFG-E iVm EB zu § 11 Abs 5 WKFG-E.
das Ausscheiden von Mitgliedern dieser Organe der FMA anzuzeigen sind.
Entsprechend der Ausgestaltung des WKF als AG verstehen sich die im Investmentfondsrecht typischen Anteilscheine an einem Investmentfonds als Aktien der WK-AG. Diese müssen iSd § 10 WKFGE auf Namen lauten und dürfen nur gegen volle Leistung des Ausgabepreises ausgegeben werden. Der Ausgabepreis umfasst den geringsten Ausgabebetrag gem § 8a Abs 1 AktG und bei Ausgabe der Aktien gegen einen höheren als diesen auch den jeweiligen Mehrbetrag.
Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals der WK-AG richtet sich nach den Bestimmungen des § 7 AktG und muss zur Gänze geleistet werden. Bareinlagen sind daher gem § 10 Abs 1 WKFG-E voll einzuzahlen und Sacheinlagen müssen gem § 28a Abs 2 AktG sofort im vollen Umfang bewirkt werden. Für die Ausgabe von Aktien an der WK-AG soll die Entgegennahme von Sacheinlagen zulässig sein, sofern es sich dabei um Vermögenswerte gem § 5 Abs 2 Z 2 bis 6 handelt. Dies erscheint jedoch aus praktischer Sicht, als auch dem allgemeinen aktienrechtlichen Verständnis von Sacheinlagen eigentümlich, da diese Vermögenswerte unterschiedliche gesellschaftsrechtliche Beteiligungen, aber keine klassischen Sacheinlagen darstellen.24) Somit wäre es konsequenter, derartige Sacheinlagen, wie auch die Entgegennahme von sonstigen Sachen, als nicht zulässig zu erklären.25)
Etwaige zusätzliche Zahlungen der Aktionäre an die WK-AG, welche rein schuldrechtliche Zahlungen darstellen, etwa im Rahmen einer Kapitalerhöhung der WK-AG, sind in § 10 Abs 3 WKFG-E geregelt, da darin klargestellt wird, dass derartige Zahlungen zutreffenderweise kein Teil des Ausgabepreises sind. Die Bestimmung des § 10 Abs 3 WKFG-E soll zudem die Möglichkeit eröffnen, dass der WKF von Aktionären bereitgestelltes Kapital auf zeitlich flexible Weise zur Anlage in zulässige Vermögenswerte abrufen kann.26) Im Gegensatz dazu kann die Ausgabe von Aktien an einer AG gegen ein Agio erfolgen, welches als Teil des Ausgabepreises gemäß § 10 Abs 1 WKFG-E voll einzuzahlen ist. Somit ist zwischen einem gesellschafts- und schuldrechtlichen Agio zu unterscheiden, da diesen eine unterschiedliche Behand-
24) § 10 Abs 2 WKFG-E iVm EB zu § 10 Abs 2 WKFG-E.
25) EB zu § 10 Abs 2 WKFG-E.
26) § 10 Abs 3 WKFG-E iVm EB zu § 10 Abs 3 WKFG-E.
lung erfährt. Sollte es zudem zu einem allfälligen erhobenen Aufschlag kommen, der dem AIFM zusteht, so qualifiziert dieser nicht als Zahlung iSd § 10 Abs 3 WKFG-E.
Der Erwerb von Aktien an einer WKAG ist nur professionellen Anlegern iSd § 2 Abs 1 Z 33 AIFMG oder qualifizierten Privatkunden gem § 2 Abs 1 Z 42 AIFMG gestattet, sodass ein Investment von Privatkunden gem § 2 Abs 1 Z 36 AIFMG in einen WKF nicht zulässig ist. Für die zulässigen Investoren wird im Sinne bekannter investmentfondrechtlicher Usancen sichergestellt, dass die Ausgabe von Anteilen mit verschiedenen Ausgestaltungsmerkmalen für ein und dasselbe Gesellschaftsvermögen nach den Vorgaben einer von der FMA gem § 10 Abs 8 WKFG-E zu erlassenden Verordnung zulässig ist, weshalb auch ein WKF unterschiedliche Anteilsklassen aufweisen kann. Nichtsdestotrotz ist sicherzustellen, dass Anteilsinhaber, die bestehenden Anteilsklassen zuzuordnen sind, durch die Einführung neuer Anteilsklassen keine Nachteile erleiden, weshalb im Aktionärsinteresse eine sachgerechte Zuordnung und Abgrenzung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten sowie der Aufwendungen und Erträge, die zu den einzelnen Anteilsklassen gehören, vorzunehmen ist.27)
Der bisherigen österreichischen Tradition der Verwaltung von Kollektivanlagen folgend, sieht auch der WKFG-E für den WKF ausschließlich die Möglichkeit der Fremdverwaltung vor, weshalb dessen Verwaltung durch die WK-AG selbst nicht zulässig ist. Somit bedarf es der Verwaltung eines WKF entweder durch einen gem § 6 AIFMG konzessionierten oder gem § 3a AIFMG registrierten AIFM.28)
Der verwaltende AIFM, der von der WK-AG zu bestellen ist, hat gem § 15 WKFG-E die Aufgabe, die Anlage und Verwaltung der Mittel der WK-AG vorzunehmen. Dabei wird systematisch korrekt präzisiert, dass eine derartige Bestellung durch einen fremdverwaltenden AIFM keine Auslagerung iSd § 18 AIFMG und auch keinen Vertrag iSd § 23 AktG darstellt.29) Dies schließt aber nicht die Möglichkeit aus, dass der AIFM auf Basis
27) § 10 Abs 7 und 8 WKFG-E iVm EB zu
§ 10 Abs 7 WKFG-E.
28) § 2 Z 3 WKFG-E.
29) § 15 Abs 2 WKFG-E.
30) § 15 Abs 3 WKFG-E.
31) Vgl § 19 Abs 1 WKFG-E.
32) Diesbezüglich ist in der Praxis zu erwarten,
der entsprechenden Zustimmung der WKAG eine Auslagerung von Tätigkeiten im Rahmen der bekannten Vorgaben des § 18 AIFMG vornimmt. Neben der Vornahme der Anlage und Verwaltung der Mittel der WK-AG als primäre Aufgabe des AIFM hat dieser auch die Pflicht für in den Verkehr gelangte Aktien, für die kein Ausgabepreis der WK-AG gem § 10 Abs 1 zweiter Satz WKFG-E zugeflossen ist, aus seinem eigenen Vermögen den fehlenden Betrag an die WK-AG zu leisten.30)
Im Rahmen seiner Tätigkeitsausübung hat der AIFM – wie im traditionellen Verständnis des Verwalters einer Kollektivanlage – nicht nur die Interessen der Aktionäre zu wahren, sondern auch die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters iSd § 84 Abs 1 AktG anzuwenden, wobei diesbezüglich insbesondere die Bestimmungen des WKFG, des AIFMG sowie die jeweiligen Fondsbestimmungen eingehalten werden müssen.31) Zudem hat der AIFM gem § 18 WKFG-E in Bezug auf jeden WKF für jedes Geschäftsjahr einen Jahresbericht nach den Grundsätze der Rechnungslegung iSd § 20 AIFMG zu erstellen.32)
Die gesellschaftsrechtliche Natur der WK-AG bedingt, dass deren Verwaltung durch den AIFM an sich keine Auswirkungen auf deren Organisationsstruktur sowie die allgemeinen Rechte und Pflichten der Organe der Gesellschaft hat, da der bestellte fremdverwaltende AIFM nur die Verwaltung der Anlagen und Verwaltung der Mittel der WK-AG übernimmt, nicht jedoch aktienrechtliche oder sonstige Zuständigkeiten und Aufgaben der WK-AG.33) Somit versteht sich der AIFM auch nicht als Vertreter der WKAG. Dies manifestiert sich auch darin, dass der AIFM seine Verwaltungstätigkeit aus wichtigem Grund unter Einhaltung gewisser Kündigungsfristen gegenüber dem WK-AG kündigen kann bzw umgekehrt die WK-AG die Fremdverwaltung des WKF durch den AIFM auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Einhaltung einer entsprechenden Kündigungsfrist kündigen kann, wobei in beiden Fällen die Aktionäre über derartige Kündigungen unverzüglich mittels Information via eines dauerhaften Datenträgers, etwa einer Website, zu verständigen sind.34) Im Fall der Kündigung der
dass die Formblätter auf den Unternehmensgegenstand der WK-AG angepasst werden, um so auf die (gesellschaftsrechtlichen) Besonderheiten des WKF entsprechend Rücksicht zu nehmen.
33) § 15 Abs 2 WFKG-E iVm EB zu § 15 Abs 1 und Abs 2 WFKG-E.
Fremdverwaltung geht das Recht zur Verwaltung und Verfügung über das Gesellschaftsvermögen auf die Verwahrstelle über, sofern nicht die WK-AG einen anderen AIFM bestellt und dessen Bestellung der FMA angezeigt hat.35)
Diese Kündigungsregelungen untermauern wie die allgemeine Voraussetzung an den WKF iSd § 4 Abs 1 Z 6 WKFGE eine Verwahrstelle zu bestellen, die generelle Konzeption des WKF anhand des klassischen Dreiecks des Investmentfondswesens.36) Dass diesbezüglich dem Anforderungsmaßstab des AIFMRahmenwerks gefolgt wird, ergibt sich nicht nur aus der Ausgestaltung des WKF als Spezial-AIF, sondern auch auf den einschlägigen Verweis auf § 19 AIFMG37) in § 4 WKFG-E. Folgerichtig hat die Verwahrstelle auch eine etwaige Abwicklung des WKF vorzunehmen.
Neben den Verwaltungs- und den Verfügungsvorschriften enthält der WKFG-E auch Transparenzanforderungen, wobei insbesondere die Anforderungen an die Fondsbestimmungen jenen des InvFG 2011 und somit dem OGAW-Standard nachgebildet, aber an die Besonderheiten eines WKF angepasst sind. Da die Fondsbestimmungen das Rechtsverhältnis der Aktionäre zur WK-AG und zum AIFM regeln, sind sie gem § 16 WKFG-E für jeden WKF von der WK-AG aufzustellen. Der in § 16 Abs 2 WKFG-E determinierte Mindestinhalt der Fondsbestimmungen umfasst ua die Laufzeit des WKF, die Vergütung von AIFM und Verwahrstelle, jene Kosten, die der WKF zu tragen hat oder auch die Rechte der Aktionäre und nähere Bestimmungen zur Ausgabe der Aktien. Aufgrund des allgemeinen Verweises des § 3 WKFG-E auf die Bestimmungen des AIFMG, sind die diesbezüglichen Transparenzanforderungen und somit neben den Fondsbestimmungen, auch die Erstellung eines Kundeninformationsdokuments (KID) sowie die Anforderungen von § 21 AIFMG (aka „§ 21-Dokument“) einzuhalten.
Einer im österreichischen Investmentfondsrecht bis dato bedeutungslosen Bestimmung wird durch den WKFG-E
34) § 10 Abs 4 und 5 WKFG-E.
35) Vgl § 10 Abs 6 WKFG-E.
36) Kammel, Bank- und Kapitalmarktrecht² 207; Kammel in Bollenberger/Kellner, InvFG § 39 Rn 3; Kammel/Steidl, ÖBA 09/2022, 657.
37) Kammel/Steidl, ÖBA 09/2022,658 ff.
zumindest indirekt praktische Relevanz eingehaucht, denn § 17 WKFG-E, der teilweise an § 47 InvFG 2011 angelehnt wurde, ermöglicht nun explizit die Bildung von Teilgesellschaftsvermögen, im Fachjargon Umbrella-Konstruktionen. Formal ist die Bildung eines solchen Teilgesellschaftsvermögen in der Satzung der WK-AG festzulegen und bedarf der Zustimmung von Vorstand und Aufsichtsrat der WK-AG, nicht jedoch der Hauptversammlung.
Die grundsätzliche Ausgestaltung der Umbrella-Konstruktion basiert iSd § 17 Abs 2 WKFG-E auf einer haftungs- und vermögensrechtlichen Trennung der Teilgesellschaftsvermögen, die sowohl im Verhältnis der Aktionäre untereinander als auch gegenüber Dritten gilt. Aufgrund dieses Trennungsprinzips ist jedes Teilgesellschaftsvermögens als eigenständiges Gesellschaftsvermögen zu qualifizieren. Somit ist im Fall einer WK-AG mit Teilgesellschaftsvermögen dafür zu sorgen, dass Beträge, die gemäß § 10 Abs 3 WKFG-E an die WK-AG geleistet werden, jenem Teilgesellschaftsvermögen zugeordnet werden, an dem der leistende Aktionär beteiligt ist. Zudem ist sicherzustellen, dass Abschlagszahlungen gemäß § 10 Abs 5 WKFG-E, die durch das einem einzelnen Teilgesellschaftsvermögen zugerechnete Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres gedeckt sind, auf jene Aktionäre beschränkt werden, die an diesem Teilgesellschaftsvermögen beteiligt sind. In weiterer Folge und allgemeine gesellschaftsrechtliche Grundsätze abbildend, gilt die haftungs- und vermögensrechtliche Trennung der Teilgesellschaftsvermögen sowohl im Fall der Insolvenz der WK-AG als auch im Fall der Abwicklung eines Teilgesellschaftsvermögens.38)
Die haftungs- und vermögensrechtliche Trennung der Teilgesellschaftsvermögen wird auch dadurch unterstrichen, dass jene Kosten, die im Zusammenhang mit der Bildung neuer Teilgesellschaftsvermögen anfallen, nur zulasten der Anteile der jeweiligen neuen Teilgesellschaftsvermögen in Rechnung gestellt werden können, sodass eine etwaige Belastung zulasten der Anteile anderer Teilgesellschaftsvermögen daher nicht zulässig ist. Ebenso hat die Ermittlung des Wertes des Anteils für jedes Teilgesellschaftsvermögen gesondert zu erfolgen.39)
In jedem Fall sind für jedes Teilgesellschaftsvermögen Fondsbestimmungen
iSd § 16 WKFG-E zu erstellen. Die Bildung eines Teilgesellschaftsvermögens ist zudem der FMA anzuzeigen.40) Außerdem ist zu beachten, dass die Fondsbestimmungen generell nicht nur wichtige anlagerelevante Regelungen beinhalten, sondern auch einen engen Bezug zur Satzung der WK-AG aufweisen. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die Satzung der Gesellschaft einen Hinweis auf die besonderen Fondsbestimmungen für Teilgesellschaftsvermögen enthält.
Die FMA kann – wie üblich – den Vertrieb von Aktien eines Teilgesellschaftsvermögens untersagen, wenn die notwendigen Voraussetzungen für die Bildung nicht eingehalten wurden.41) Weiters sind bei einer WK-AG mit Teilgesellschaftsvermögen die einzelnen Teilgesellschaftsvermögen gem § 18 Abs 9 WKFG-E im Jahresbericht, im Jahresabschluss sowie im Lagebericht getrennt auszuweisen. Nichtsdestotrotz darf bei einer WK-AG mit Teilgesellschaftsvermögen der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers nur dann erteilt werden, wenn für jedes einzelne Teilgesellschaftsvermögen der Bestätigungsvermerk erteilt worden ist.42)
Der WKFG-E enthält auch einige steuerliche Begleitmaßnahmen, wobei deren zentrale Klarstellung jene ist, dass die bisherigen Regelungen zur steuerlichen Behandlung von Investmentfonds auch für WKF gelten43), auch wenn WKF aufgrund der ex lege Qualifikation als AIF im Analogieschluss sowieso unter die gleichen steuerlichen Bestimmungen fallen würden.
Diese zentrale Klarstellung wird durch eine technische Adjustierung ergänzt, nämlich in Bezug auf die Bagatellfälle gem § 186 Abs 5 Z 2 lit c InvFG 2011. Für diese ist eine gesetzliche Fiktion vorgesehen, wonach andere Einkünfte gem § 186 Abs 5 Z 2 lit b InvFG 2011 als Kapitaleinkünfte gelten, wenn diese in Summe lediglich bis zu 10% der Kapitaleinkünfte ausmachen. Damit kommt es bislang nur in jenen Fällen zu einer Einkünftetransformation, also zur Anwendung des Sondersteuersatzes und der KESt-Endbesteuerung, in denen die tarifbesteuerten Einkünfte von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sind. Dies wird im WKFG-E dahingehend angepasst, dass die Bagatellgrenze zur Erhöhung der Flexibilität und zur Attrak-
tivierung von Investitionen auf 20% angehoben wird.
Zudem hat die Ausgestaltung des WKF als WK-AG einige steuerliche Implikationen, etwa die Bestimmung des § 10 Abs 2 WKFG-E hinsichtlich einer etwaigen Entgegennahme von Sacheinlagen, denn diese führt dazu, dass Sacheinlagen in Investmentfonds gem § 186 oder § 188 InvFG 2011 gegen die Ausgabe von Anteilen oder Anteilscheinen als Tauschvorgänge iSd § 6 Z 14 EStG 1988 zu qualifizieren sind und daher zu einer Realisierung stiller Reserven führen, wenn es sich um steuerverfangene Wirtschaftsgüter handelt. Weiters ist relevant, dass Gesellschafterzuschüsse nach allgemeinem Ertragssteuerrecht zur Erhöhung der steuerlichen Anschaffungskosten der Anteile führen können und damit die steuerlichen Anschaffungskosten vom Stand des Eigenkapitals auf Ebene der WK-AG abweichen bzw zwischen den Anlegern untereinander unterschiedlich sein können. Zudem stellt jede Zwischenausschüttung gem § 10 Abs 5 WKFG-E eine Ausschüttung iSd § 186 Abs 1 InvFG 2011 dar, weshalb eine Ausschüttungsmeldung an die Meldestelle gem § 23 KMG 2019 zu übermitteln ist.44) Erfolgt keine rechtzeitige Meldung, so ist gem § 186 Abs 2 Z 3 InvFG 2011 die gesamte Ausschüttung steuerpflichtig zu behandeln. Eine Berichtigung könnte allenfalls in der Jahresmeldung vorgenommen werden.
Zudem sieht der WKFG-E eine Anpassung im Einkommenssteuerrecht vor, wodurch § 27a EstG 1988 ein neuer Absatz (Abs 2a) angefügt wird. Damit soll der bisherigen Verwaltungspraxis entsprechend der Fiktion eines öffentlichen Angebots auch auf den WKF erstreckt werden, um die Anwendbarkeit des Sondersteuersatzes dafür iSd § 27a Abs 2 Z 2 EstG 1988 auszulösen. Dies bedeutet aber, dass es für zukünftige WKF keine besondere steuerliche Incentivierung gibt, sondern die bisherige steuerliche Behandlung von Investmentfonds in Österreich – abgesehen von ein paar Spezifika aufgrund der Ausgestaltung des WKF als AG – auf diese erstreckt wird.
Neben dem WKF sieht der Begutachtungsentwurf zum WKFG auch eine materielle Änderung des InvFG 2011 vor,
indem es Spezialfonds, die als Andere Sondervermögen gem § 166 InvFG 2011 ausgestaltet sind, ermöglicht werden soll, illiquide Vermögenswerte – in eingeschränktem Maße – zu erwerben45), um so die Finanzierung von KMU durch institutionelle Investoren zu erleichtern. Materiell bedeutet dies eine Erweiterung des Veranlagungsspektrums eines Spezialfonds um Private-Equity-Vermögenswerte. Diese Änderung reflektiert eine langjährige Forderung der österreichischen Investmentfondsindustrie und stellt eine Attraktivitätssteigerung des österreichischen Spezialfonds dar. Obwohl damit auch den jüngeren Marktentwicklungen hin zu mehr Private-Equity-Investments nachgekommen wird, ist aber zweifelhaft, ob diese überschaubare Erweiterung des Veranlagungsspektrums ausreichend ist.
Auf Basis des vorgelegten Begutachtungsentwurfs für ein WKFG in Österreich ist festzuhalten, dass die vorgenommene Konzeption des WKF grundsätzlich als – lange vermisste – österreichische Nachbildung einer Investmentaktiengesellschaft deutschen Vorbilds bzw einer Société d’ Investissement á Capital Variable (SICAV), die aus Luxemburg bekannt ist, darstellt. Dies ist deshalb löblich und standortpolitisch notwendig, da Österreich bis dato einer jener EUMitgliedstaaten war, der bisher gesellschaftsrechtliche Fondskonstruktionen nicht kannte. Auch die angedachte Einbettung des WKF in das österreichische Investmentfondsrecht ist nachvollziehbar und mit den EU-regulatorischen Konzepten kompatibel, weshalb ein WKF per se sowieso nur eine Spezialausprägung eines AIF sein kann.
Neben diesen allgemeinen Positiva ergeben sich auf Basis des WKFG-E eine Reihe von Problemlagen, die idealerweise noch im Begutachtungsverfahren aufgelöst werden. Diesbezüglich erscheint besonders virulent, das Zusammenspiel zwischen Investmentfonds- und Aktienrecht zu präzisieren. Die allgemeine
Verlinkung der beiden Rechtsgebiete, wie im WKFG-E vorgenommen, ist zwar auf den ersten Blick sinnvoll, jedoch folgen beide Teilrechtsgebiete unterschiedlichen Prämissen und Konzepten, die teilweise widersprüchlich sind. So ergeben sich Fragen hinsichtlich der aktienrechtlich determinierten Governance-Struktur der WK-AG und der Verantwortlichkeit in Relation zum zwingend zu bestellenden AIFM, der wiederum investmentfondsrechtlichen Grundsätzen unterliegt und den Blickwinkel auf die Kollektivanlage und weniger die klassischen Aktionärsinteressen hat. Zudem erscheinen die faktischen Verantwortlichkeiten zwischen AIFM und WK-AG weitestgehend ungeklärt, denn aufgrund der – verständlicherweise – dominierenden Anwendung des AIFM-Rahmenwerks, erscheint der Mehrwert der WK-AG überschaubar zu sein, da sie de facto nur eine neue Rechtsform darstellt, die aber operativ kaum tätig werden kann bzw deren Leitungsorgane offenbar nur Formalerfordernisse abnicken sollen. Dies bedeutet, dass die investmentfondsrechtlichen Verantwortlichkeiten im Konflikt mit dem aktienrechtlichen Verantwortungsbereich des Vorstands stehen, wodurch unterstrichen wird, dass etwa der Luxemburger SICAV nur bedingt Modell für die WK-AG stand, da dort eine Harmonisierung von Investmentfonds- und Aktienrecht zur Vermeidung dieses Spannungsfelds vorgenommen wurde. Vor diesem Hintergrund wäre die Ausgestaltung der Governance so vorzunehmen, dass der WKF in der Rechtsform einer AG aufgesetzt ist und somit aktienrechtlichen Grundsätzen entspricht, die Verwaltungstätigkeiten und Sorgfaltspflichten gegenüber den Investoren vom bestellten AIFM vorgenommen werden.
Das noch unausgegorene Spannungsfeld zwischen Investmentfonds- und Aktienrecht führt in einer Ersteinschätzung dazu, dass durchaus erhebliche Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Etablierung eines zukünftigen WKF bestehen, wobei zudem insbesondere das organisatorische Zusammenwirken zwischen Vorstand der WK-AG und dem AIFM mehr Fragezeichen als konkrete Ausgestaltungsantworten aufwirft. Vor diesem Hintergrund erscheint eine mögliche praktische Etablierung eines WKF auf Basis des vorliegenden Begutachtungsentwurfs nur unter einem harmonischen organisatorischen Zusammenwirken von AIFM und
WK-AG – wohl aus der gleichen Unternehmens- oder Gruppenstruktur heraus –denkbar, da so manche der aufgeworfenen Fragen leichter praktisch gelöst werden können. Sollte insbesondere das Zusammenspiel der investmentfonds- und aktienrechtlichen Anforderungen im WKFG-E nicht nachhaltig überarbeitet werden, besteht die Befürchtung, dass Österreich zwar mit dem WKF eine gesellschaftsrechtliche Fondskonstruktion einführt, die aber wohl nur bedingt praktische Resonanz finden wird.
Die vorgenommenen Ausführungen verstehen sich nicht nur als erste praktische Überlegungen zum vorgelegten WKFG-E, sondern auch als Gedankenanstoß, die Chance, die der Begutachtungsentwurf für ein WKFG bietet, zu nutzen, denn es steht außer Zweifel, dass ein sinnvoll ausgestaltetes, im Detail durchdachtes WKFG quasi zum Türöffner für die Etablierung von Investmentfonds im gesellschaftsrechtlichen Kleid werden kann. Dabei sollte aber der Anspruch sein, dass derartige gesellschaftsrechtliche Fondskonstruktionen in Österreich eine attraktive Alternative zu Investmentaktiengesellschaften in Deutschland oder SICAVs in Luxemburg werden. Diesbezüglich liegt die Latte aber hoch!
Bollenberger / Kellner (Hrsg), InvFG –Kommentar, Linde Verlag 2016.
Kammel, Einführung in das Bank- und Kapitalmarktrecht², Linde Verlag 2019.
Kammel, Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz (AIFMG) & Co. – Eine erste Bestandsaufnahme, ÖBA 2013, 486 ff.
Kammel / Steidl, Die Verwahrstelle im AIFM-Rahmenwerk, ÖBA 2022, 656 ff.
Kammel / Thierrichter, Der Begriff des Sondervermögens vor einem investmentfondsrechtlichen Hintergrund, ÖBA 4/2011, 237 ff.
Kamptner, Auswirkungen der AIFMRichtlinie auf Spezialfonds, ÖBA 2013, 127.
Macher / Buchberger / Kalss / Oppitz (Hrsg), InvFG2 – Kommentar, Bank Verlag 2013.
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Fachliche Leitung
Georg Lehecka, FMA
Vortragende
Im Dezember 2022 veröffentlichte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht einen neuen Standard zur Behandlung von Risikopositionen in Kryptoassets. Im Zentrum des Standards steht eine neu geschaffene Kategorisierung. Anhand dieser entscheidet sich, ob ein Kryptoasset im Wesentlichen wie ein vergleichbarer traditioneller Vermögenswert zu behandeln ist, oder ob ein neuer konservativer Kapitalansatz zur Anwendung gelangt. Der vorliegende Beitrag stellt die neue Kategorisierung vor, beleuchtet ihre Bedeutung für Kryptoassets, die unter Anwendung österreichischen Rechts emittiert werden, und untersucht, in welchem Verhältnis Kryptowerte unter MiCAR zu den Kryptoassets nach Basel stehen.
Stichwörter: BCBS, Basler Ausschuss, Kryptoasset, Kryptowert, CRR III, MiCAR, Security Token, Stablecoin.
JELClassification: G 28, G 29, K 20.
https://doi.org/10.47782/oeba202307050001
In December 2022, the Basel Committee on Banking Supervision published a new standard on the prudential treatment of cryptoassets exposures. At the heart of this standard is a newly created categorization of cryptoassets. This categorization is used to decide whether a cryptoasset should essentially be treated like a comparable traditional asset, or whether a new conservative capital treatment is applied. This article presents the new categorization, highlights its importance for cryptoassets which are issued pursuant to Austrian law, and examines the relationship between cryptoassets under MiCAR and cryptoassets according to Basel.
Am 16.12.2022 veröffentlichte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht
(BCBS) erstmals einen aufsichtlichen Standard zur Behandlung von Risikopositionen in Kryptoassets.1),2) Das nunmehr vorliegende Dokument ist das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, in dessen Rahmen zwei Konsultationspapiere veröffentlicht wurden, das erste am 10.6.20213) und das zweite am 30.6.2022.4) Der Standard wird als neues Kapitel SCO60 mit Wirkung zum 1.1.2025 Teil des Basler Aufsichtsrahmens.
Großer Bedarf nach einheitlichen Regeln besteht freilich noch nicht. Im MonitoringReport vom September 20225) berichtet der Ausschuss, dass zum Jahresende 2021 gerade einmal 19 von 182 befragten Banken Kryptoassets hielten. Davon befanden sich zehn in Nord und Südamerika, sieben in Europa und zwei in anderen Regionen. Die Risikopositionen waren mit insgesamt € 9,4 Mrd oder 0,05% der RWA der befragten Institute recht überschaubar. Risikopositionen bestanden hauptsächlich aus Bitcoin (31%), Ether (22%) und Finanzinstrumenten mit Bitcoin oder Ether als Basiswert (25% bzw 10%).6)
Trotz dieser gegenwärtig geringen Marktrelevanz dürften Vorgaben zu KryptoInvestments nun doch rasch Teil des europäischen Bankenaufsichtsrechts werden. Das Verhandlungsmandat des EP von Februar 2023 zur CRR III7) enthält nämlich bereits eine Verpflichtung zum Reporting von KryptoInvestments (Art 451b). Außerdem soll die Kommission verpflichtet werden, dem Parlament einen Legislativvorschlag zur Umsetzung des neuen Basler Standards vorzulegen (Art 461b). Und auch eine Regel zur Eigenmittelunterlegung ist enthalten. Bis der neue Standard tatsächlich Teil des Basler Aufsichtsrahmens wird, also bis zum Ablauf des 31.12.2024, soll
1) BCBS, Prudential treatment of cryptoasset exposures (2022).
2) Aus dem englischen Original des Standards ließe sich der Begriff cryptoasset auch mit Kryptowert übersetzen. Um sprachlich eine klare Abgrenzung zum Begriff des Kryptowerts unter MiCAR zu ermöglichen, wird im Zusammenhang mit dem neuen Basler Standard in diesem Beitrag einheitlich der Begriff Kryptoasset verwendet.
3) BCBS, Consultative document on the prudential treatment of cryptoasset ex
Dr. Oliver Völkel, LL.M. ist Gründungspartner von Stadler Völkel Rechtsanwälte GmbH und spezialisiert auf Bank und Kapitalmarktrecht sowie das Recht der digitalen Assets, insbesondere der BlockchainTechnologie; email: ov@sv.law.
für ‘Kryptowerte’ ein Risikogewicht von 1.250% gelten (Art 461b Abs 2).
Unklar ist derzeit noch, ob sich diese Bestimmungen auf den unter MiCAR8) europarechtlich bereits definierten Begriff des Kryptowerts beziehen werden, oder möglicherweise doch auf das Verständnis nach Basler Standard abstellen. Dies ist keine unbedeutende Frage. Sowohl Basel als auch MiCAR unterscheiden nämlich zwischen verschiedenen Kategorien an Kryptoassets bzw Kryptowerten. Die getroffene Kategorisierung ist aber nicht deckungsbleich und ein Kryptowert nach Basel fällt nicht zwingend auch in den Anwendungsbereich von MiCAR.9) So sind tokenisierte Finanzinstrumente Kryptoassets nach Basel, sie sind allerdings von MiCAR ausgenommen.10) Kryptoassets
posures (2021).
4) BCBS, Second consultative document on the prudential treatment of cryptoasset exposures (2022).
5) BCBS, Basel III MonitoringReport (2022) 101 ff.
6) Ebd 102.
7) Bericht A90030/2023 des EP vom 9.2.2023.
8) VO 2023/1115/EU.
9) Siehe die Gegenüberstellung in Punkt 6.
10) Art 4 Abs 2 MiCAR.
mit wirksamen Stabilisierungsmechanismen nach Basel können demgegenüber sehr wohl auch unter MiCAR fallen, nämlich als vermögenswertereferenzierte Token.11) Hinzu kommt, dass der Basler Standard bei bestimmten tokenisierten Instrumenten quasi12) dieselbe Eigenmittelunterlegung angewendet wissen möchte, die für ein vergleichbares, nicht tokenisiertes Instrument gilt. Ein Risikogewicht von 1.250%, wie im EPMandat vorgeschlagen, stellt nicht die Regel dar, sondern ist als Auffangbestimmung die Ausnahme.13) Eine Klarstellung im Trilogverfahren zur CRR III wäre daher wünschenswert.
Ganz unabhängig davon, ob mit der CRR III Eigenmittelvorschriften für KryptoInvestments eingeführt werden oder nicht, lassen sich vor dem Hintergrund der oben skizzierten Entwicklungen doch gewisse Vorhersagen treffen. Erstens ist davon auszugehen, dass der neue Basler Standard bis 2025 auf Unionsebene umgesetzt werden wird. Und zweitens ist es wahrscheinlich, dass die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten ihren beaufsichtigten Instituten die Einhaltung des Standards bereits zuvor empfehlen werden. Unverbindlichen Charakter hat der Standard ohnehin nur auf dem Papier.14)
Eine Auseinandersetzung mit dessen wesentlichen Punkten scheint damit geboten.
Der neue Standard SCO60 enthält Definitionen für eine Reihe an Begriffen.15)
Für die Zwecke dieses Beitrags ist vor allem der Begriff des Kryptoassets relevant. Kryptoasset ist definiert als privates digitales Asset, das auf Kryptographie und DistributedLedger oder ähnlicher Technologie (DLT) beruht.16) Digitales
Asset ist wiederum definiert als digitale Wertdarstellung, die zu Zahlungs oder Investitionszwecken oder für den Zugang zu einer Ware oder Dienstleistung verwendet werden kann, mit Ausnahme digitaler Darstellungen von Währungen.17)
Damit deckt sich der Begriff des Kryptoassets nach Basel in den wesent
lichen Elementen mit dem Begriff des Kryptowerts nach MiCAR. Kryptowert ist dort eine digitale Darstellung eines Werts oder eines Rechts, die unter Verwendung der DLT oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden kann.18) Besonderes gilt für digitale Darstellungen von Rechten, die ua als (i) Finanzinstrumente iSd MiFID II, (ii) Einlagen einschließlich strukturierter Einlagen, (iii) Geldbeträge sowie (iv) Verbriefungspositionen iSd VerbriefungsVO 2017/2402/EU zu qualifizieren sind. Sie fallen zwar unter die Definition des Kryptowerts, allerdings sind sie vom Anwendungsbereich der MiCAR ausgenommen.19) Der Basler Standard erfasst hingegen auch diese von MiCAR ausgenommenen Kryptowerte als Kryptoassets; sie werden unter bestimmten Voraussetzungen wie traditionelle Risikopositionen behandelt.20)
Der Basler Standard unterscheidet zwei Hauptgruppen von Kryptoassets, Gruppe 1 und Gruppe 2. Beide Gruppen sind weiters in zwei Untergruppen eingeteilt.
Zu den Kryptoassets der Gruppe 1 gehören tokenisierte traditionelle Vermögenswerte (Gruppe 1a) und Kryptoassets mit wirksamen Stabilisierungsmechanismen (Gruppe 1b), wenn sie jeweils vier bestimmte Klassifizierungsbedingungen erfüllen. Instrumente der Gruppe 1a werden in der Branche auch als Security Token bezeichnet und Instrumente der Gruppe 1b als Stablecoins. Kryptoassets der Gruppe 1 unterliegen grundsätzlich denselben Eigenkapitalanforderungen wie die ihnen zugrundeliegenden Risikopositionen (also der Basiswert bei Gruppe 1a oder das Referenzaktivum bei Gruppe 1b).
Entmaterialisierte Wertpapiere, das sind solche, die von physischen Zertifikaten (also Einzel oder Globalurkunden) auf elektronische Buchführung umgestellt wurden, fallen dann als Krypto
asset in Gruppe 1a, wenn sie über DLT oder ähnliche Technologien ausgegeben werden.21) Beruhen sie hingegen lediglich auf elektronischen Versionen traditioneller Register, so sind sie nach Basel keine Kryptoassets und unterliegen nicht dem neuen Standard. In einer digitalen Sammelurkunde verbriefte Rechte (§ 1 Abs 4 DepotG) sind damit nicht als Kryptoasset unter Basel erfasst.
Eine Ausnahme von Gruppe 1b bilden Algorithmusbasierte Stablecoins; das sind solche Kryptoassets, bei denen ein wirksamer Stabilisierungsmechanismus auf einem mathematischen Algorithmus beruht, der das verfügbare Angebot des Kryptoassets selbständig steuert, sodass ein stabiler Marktpreis erzielt wird. Algorithmische Stablecoins fallen selbst dann nicht unter Gruppe 1b, wenn sie alle vier Klassifizierungsbedingungen erfüllen.22) Digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) sind überhaupt vom Standard ausgenommen.23)
In Gruppe 2 fallen solche Kryptoassets, die nicht alle vier Klassifizierungsbedingungen erfüllen. Sie stellten nach Ansicht des Basler Ausschusses ein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Kryptoassets der Gruppe 1 dar und unterliegen deshalb einem neuen konservativen Kapitalansatz. Zu Gruppe 2 zählen einerseits somit alle Kryptoassets der Gruppe 1a und 1b, wenn nicht alle Klassifizierungsbedingungen erfüllt sind; daneben umfasst Gruppe 2 aber auch Kryptoassets, die keine Verknüpfung zu Basiswerten oder Referenzaktiva aufweisen. Virtuelle Währungen24) mit reiner Tauschmittelfunktion wie etwa Bitcoin oder Ether zählen daher stets zu Kryptoassets der Gruppe 2.
Unter bestimmten Voraussetzungen werden bei Kryptoassets der Gruppe 2 Absicherungsgeschäfte zur jeweiligen Risikoposition anerkannt. Solche Kryptoassets fallen dann in Gruppe 2a.25) Das Risikogewicht und die notwendige Eigenmittelunterlegung von Kryptoassets der Gruppe 2a ähnelt damit jener der Gruppe 1. Nur wenn weder die vier Klassifizierungsbedingungen erfüllt noch die Voraussetzungen für die Anerkennung
11) Art 3 Abs 1 Z 6 MiCAR.
12) Mit Ausnahme des Aufschlags für das Infrastrukturrisiko; siehe Punkt 2.3.
13) Siehe Punkt 2.2.2 sowie Punkt 5.
14) § 39 BWG.
15) SCO60.131.
16) Englisches Original: “private digital assets that depend primarily on crypto
graphy and distributed ledger or similar technology”.
17) Englisches Original: “a digital representation in value which can be used for payment or investment purposes or to access a good or service. This does not include digital representations of fiat currencies”.
18) Art 3 Abs 1 Z 5 MiCAR.
19) Art 2 Abs 4 MiCAR.
20) Siehe Punkt 3.
21) SCO60.2.
22) SCO60.6.
23) SCO60.3.
24) § 2 Z 21 FMGwG.
25) Siehe Punkt 5.
von Absicherungsgeschäften vorliegen, fällt das Kryptoasset in Gruppe 2b. Nur bei diesen ist standardmäßig ein Risikogewicht von 1.250% anzusetzen.
Bei Kryptoassets der Gruppe 1 schlägt der Standard einen Aufschlag für das Infrastrukturrisiko vor, also einen Aufschlag auf die RWAs zur Deckung dieses Risikos. Den Aufschlag sollen die zuständigen Aufsichtsbehörden aber nur dann vorschreiben, wenn sie Schwächen der Infrastruktur feststellt, auf der ein bestimmtes Kryptoasset der Gruppe 1 basiert. Dies ist insofern bemerkenswert, als der Standard bereits selbst eine auffallende Einschränkung der zulässigen Infrastruktur vornimmt.
Als zulässige Infrastruktur für Kryptoassets der Gruppe 1 kommen nach dem Standard ausschließlich private (permissioned) Blockchains in Betracht.26) Die Nutzung öffentlicher (permissionless) Systeme verhindert also die Einordnung eines Kryptoassets in Gruppe 1. Der Unterschied liegt darin, wer die jeweilige DLTInfrastruktur betreibt. Während bei öffentlichen Blockchains grundsätzlich jede Person daran teilnehmen kann, entscheidet dies bei privaten Blockchains eine zentrale Instanz, entweder eine natürliche oder juristische Person oder ein Konsortium. Diese Personen haben damit die Kontrolle über die Funktionsweise und oft auch das Fortbestehen der DLTInfrastruktur. Bei privaten Blockchains gibt es somit eine fassbare und für den Betrieb verantwortliche Person.
Öffentliche Blockchains wie beispielsweise Ethereum, die sich in der Praxis bereits als robuste Technologie erwiesen haben, sind nach dem Standard derzeit also nicht für die Emission von Kryptoassets der Gruppe 1 geeignet. Der Basler Ausschuss möchte die Zulässigkeit öffentlicher Blockchains in Gruppe 1 in Zukunft zwar neu erwägen27), es ist aber noch nicht absehbar, wann dies geschehen könnte oder welche Anpassungen der Klassifizierungsbedingungen dies nach sich ziehen würde. Bei Security Token oder Stablecoins auf öffentlichen Blockchains kann allenfalls durch anerkannte Absicherungsgeschäfte und damit einer Klassifizierung in Gruppe 2a ein ver
tretbares Risikogewicht geschaffen werden.28)
Für das Halten von Kryptoassets der Gruppe 2 – nicht hingegen für Gruppe 1 –legt der Basler Ausschuss bestimmte Obergrenzen fest. Insgesamt dürfen nicht mehr als zwei Prozent des Kernkapitals für die Unterlegung solcher Kryptoassets verwendet werden. Im Allgemeinen sollen die RWAs bei unter einem Prozent liegen. Wird die EinProzentGrenze überschritten, so werden die Risikopositionen des darüberhinausgehenden Teils (bis zur ZweiProzentGrenze) für Zwecke der Eigenmittelunterlegung wie Gruppe 2b behandelt, also mit einem Risikogewicht von 1.250% unterlegt. Dies gilt auch dann, wenn sie eigentlich als Gruppe 2a zu qualifizieren wären. Wird auch die ZweiProzentGrenze überschritten, werden alle Kryptoassets der Gruppe 2 wie Gruppe 2b behandelt.
Die nachfolgende Darstellung veranschaulicht die oben beschriebene Struktur.
3. Klassifizierungsbedingungen für Kryptoassets der Gruppe 1
Um als Gruppe 1a (tokenisierte traditionelle Vermögenswerte bzw Security Token) oder Gruppe 1b (Kryptoassets mit wirksamen Stabilisierungsmechanismen bzw Stablecoins) eingestuft zu werden und in den Genuss der günstigen Eigenmittelunterlegungsvorschriften zu kommen, müssen die jeweiligen Kryptoassets die nachfolgenden vier Klassifizierungsbedingungen erfüllen.29)
3.1. Erste Klassifizierungsbedingung: Vergleichbare Funktion und Risiko
3.1.1. Tokenisierte traditionelle Vermögenswerte30)
Tokenisierte traditionelle Vermögenswerte – tokenisierte Wertpapiere und sonstige Finanzinstrumente nach MiFID II, aber auch tokenisierte Ansprüche auf Rohstoffe oder verwahrte Sachen – erfüllen nur dann die erste Klassifizierungsbedingung, wenn es sich (i) um eine digitale Darstellung traditioneller Vermö
blockchains can be sufficiently mitigated to allow for their inclusion in Group 1 and, if so, what adjustments to the classification conditions would be needed”).
genswerte handelt, bei der DLT oder ähnliche Technologien zur Aufzeichnung von Eigentumspositionen verwendet wird und (ii) dieselben Kredit und Marktrisiken vorliegen wie bei der traditionellen (nicht tokenisierten) Form des Vermögenswerts.
Bei tokenisierten schuld oder gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen wie bspw tokenisierten Aktien, Anleihen, Kreditverbindlichkeiten, Derivaten oder sonstigen Forderungen, muss das Eigentum am Kryptoasset dieselbe Rechtsposition verleihen wie das Eigentum am traditionellen (nicht tokenisierten) Vermögenswert. Insbesondere muss es dieselben Rechte auf Zahlungen und dieselben Ansprüche im Fall der Insolvenz vermitteln. Bei tokenisierten Ansprüchen auf Rohstoffe muss durch die Tokenisierung dieselbe Rechtsposition verliehen werden wie bei traditionellen kontobasierten Eigentumsnachweisen für diese Rohstoffe, und bei tokenisierten Bargeldbeständen in Verwahrung – gemeint ist also nicht Buchgeld – muss das Kryptoasset dieselbe Rechtsposition am verwahrten Bargeldbestand verleihen wie andere Formen der Eigentumsaufzeichnung. Aus der Tokenisierung darf sich somit zusammenfassend keine Verschlechterung der Rechtstellung des jeweiligen Eigentümers bzw Berechtigten ergeben.
Das Kryptoasset muss die jeweilige Rechtsposition weiters unmittelbar einräumen. Ist noch ein Zwischenschritt notwendig, bevor es die gleiche Rechtsposition vermittelt, muss es zB erst eingelöst oder in traditionelle Vermögenswerte umgetauscht werden, oder unterliegt es im Vergleich zum traditionellen Vermögenswert einem zusätzlichen Gegenparteirisiko, so erfüllt das Kryptoasset die erste Klassifizierungsbedingung nicht.31)
3.1.2. Kryptoassets mit Stabilisierungsmechanismus32)
Kryptoassets, die über einen Stabilisierungsmechanismus verfügen – die ihren Marktwert stabil im Hinblick auf bestimmte Referenzaktiva halten –, müssen so konzipiert sein, dass sie gegen einen vordefinierten Betrag eines oder mehrerer Referenzwerte (zB ein Euro, eine Unze Gold, eine bestimmte Anleihe) oder Barbetrag in Höhe des aktuellen Marktpreises des Referenzwerts eingelöst werden können (zB Eurogegenwert einer Unze Gold oder der Anleihe). Der Stabilisierungsmechanismus muss sicherstellen, dass es möglichst nicht zu Abweichungen des Marktpreises des Kryptoassets vom Marktpreis des Referenzwerts kommt. Der Stabilisierungsmechanismus muss also in diesem Sinne effektiv den Wert des Kryptoassets stabil zum Referenzwert halten. Bei der Emittentin eines solchen
Stablecoins muss es sich um ein beaufsichtigtes Institut handeln.
Unzulässig sind Stabilisierungsmechanismen, die auf andere Kryptoassets als Basiswerte verweisen, selbst wenn es tokenisierte traditionelle Vermögenswerte sind. Unzulässig sind auch algorithmische Stabilisierungsmechanismen.33) In beiden Fällen erfüllt das Kryptoasset nicht die erste Klassifizierungsbedingung.34)
Der Stabilisierungsmechanismus muss weiters ein Risikomanagement ermöglichen, das mit traditionellen Vermögenswerten vergleichbar ist. Es müssen ausreichend Informationen vorhanden sein, um die Eigentümerschaft an den Reserveaktiva überprüfen zu können, von denen die Wertbeständigkeit des Kryptoassets abhängt. Im Falle von physischen Reserveaktiva muss überprüft werden, ob die Vermögenswerte ordnungsgemäß gelagert werden.
Der Wert der Reserveaktiva muss jederzeit, auch in extremen Stresssituationen, dem Gesamtwert aller Verbindlichkeiten aus den ausstehenden Kryptoassets entsprechen oder diesen übersteigen. Wenn die Reserveaktiva den Inhaber eines Kryptoassets zusätzlich zu den Risiken aus den Referenzaktiva weiteren Risiken aussetzen (zB ein zusätzliches Gegenparteirisiko), dann muss der Wert der Reserveaktiva die Rückzahlungsansprüche ausreichend überbesichern. Die Überbesicherung muss so hoch sein, dass der Wert der Reserveaktiva selbst nach dem Eintritt von Stressverlusten bei den Reserveaktiva den Gesamtwert aller ausstehenden Verbindlichkeiten aus den Kryptoassets übersteigt.
Bei Kryptoassets, die an eine oder mehrere Währungen gekoppelt sind, müssen die Reserveaktiva aus Vermögenswerten mit minimalem Markt und Kreditrisiko bestehen. Die Aktiva müssen schnell und mit minimalen nachteiligen Preisauswirkungen liquidiert werden können. Solche Aktiva können beispielsweise aus HQLA der Stufe 1 bestehen.35) Darüber hinaus müssen die Reserveaktiva auf dieselbe Währung (oder dieselben Währungen in denselben Verhältnissen) lauten wie die Währung, die für die Wertstabilisierung verwendet wird. Nur ein geringer Teil der Reserve darf in einer anderen Währung gehalten werden, und auch nur dann, wenn dies für den Betrieb des Systems unbedingt erforderlich ist, und Währungsrisiken wirksam abgesichert werden.
Die Emittentin des Stablecoins muss über umfassende und klare Regeln für die Verwaltung der Reserveaktiva verfügen. Die Reserveaktiva müssen so verwaltet werden, dass alle Kryptoassets auch in
extremen Stresssituationen unverzüglich zum Nennwert bei der Emittentin eingelöst werden können. Die Verfügbarkeit und sichere Verwahrung der Reserve ist stets zu gewährleisten.
Die Regeln über die Verwaltung der Reserve sowie einer Beschreibung, in welche Vermögenswerte investiert wird, muss veröffentlicht und aktuell gehalten werden. Das Gleiche gilt für die aktuelle Zusammensetzung und den Wert der Reserve. Der Wert muss mindestens täglich und die Zusammensetzung mindestens wöchentlich offengelegt werden. Mindestens einmal jährlich sind die Reserveaktiva einer unabhängigen externen Prüfung zu unterziehen, die bestätigt, dass sie mit den ausgewiesenen Werten übereinstimmen.
Zweite Bedingung zur Einordnung eines Kryptoassets in Gruppe 1 ist, dass alle Rechte, Pflichten und sonstigen Rechtspositionen, die sich aus dem Kryptoasset ergeben, klar definiert und in allen Rechtsordnungen durchsetzbar sind, in denen das Kryptoasset ausgegeben oder eingelöst wird. Darüber hinaus muss das anwendbare Recht, unter dem das Kryptoasset emittiert wird, die Finalität von Übertragungen gewährleisten.36) Es muss sich aus der anwendbaren Rechtsordnung klar ergeben, wann es zur Finalität kommt, damit nachvollziehbar ist, wann Risiken von einer Partei auf die andere übertragen werden.
Wie eingangs erörtert, kommen für Kryptoassets der Gruppe 1 nur private (permissioned) Blockchains als Trägertechnologie in Betracht. Bei einem solchen DLTSystem handelt es sich –vereinfacht gesagt – um eine Blockchain, die von einer oder wenigen Personen zentral betrieben wird. Öffentliche Systeme wie zB Ethereum sind nach Basel keine zulässige Trägertechnologie für Kryptoassets der Gruppe 1.
Übertragungen von Kryptoassets auf privaten Blockchains, wie vom Basler Ausschuss gefordert, erfüllen unter österreichischem Recht aber nicht ohne Weiteres die zweite Klassifizierungs
31) SCO60.10.
32) SCO60.11 ff.
33) Siehe auch Punkt 2.2.2.
34) SCO60.13.
35) LCR30.41.
36) SCO60.14.
bedingung. Weil bei solchen privaten Systemen schuldrechtliche Grundsätze das Rechtsverhältnis zwischen Betreiber und Anwender regeln37) (im Gegensatz zu sachenrechtlichen Grundätzen bei dezentralen Systemen ohne Betreiber wie etwa Ethereum38)) sind sie ohne besondere gesetzliche Grundlage nicht final im Sinne des Basler Standards (ua kein Einwendungsausschluss).
Mit Blick auf Österreich ist in diesem Zusammenhang das FinalitätsG erwähnenswert. Es wurde in Umsetzung der FinalitätsRL 98/26/EG erlassen und hebelt bestimmte Rechtsbehelfe des allgemeinen Zivilrechts aus. Dazu legt es unter anderem die Wirkung von Übertragungsaufträgen bei Insolvenz von Teilnehmern fest.39) Anwendungsvoraussetzung des FinalitätsG ist, dass Übertragungsaufträge über ein System im Sinne dieses Gesetzes abgewickelt werden. Übertragungsaufträge sind Aufträge, die auf Übertragung des Eigentums an Wertpapieren oder eines Anspruchs auf Übereignung von Wertpapieren gerichtet sind.40) Mit Wertpapieren sind alle Finanzinstrumente unter MiFID II gemeint, also nicht bloß übertragbare Wertpapiere.41) System ist schließlich eine Vereinbarung über das Clearing oder die Durchführung von (ua) Übertragungsaufträgen. Das System muss dabei bestimmte Anforderungen erfüllen. Insbesondere muss es der ESMA gemeldet worden sein.42)
Im Anwendungsbereich des FinalitätsG könnten auch Übertragungen von Kryptoassets auf privaten Blockchains final im Sinne der Anforderungen des Basler Standards sein. Soweit ersichtlich stützt sich aber keines der derzeit 96 an ESMA gemeldeten Systeme43) auf DLT oder ähnliche Technologien. Weder nach allgemeinem österreichischen Zivilrecht noch unter Berücksichtigung des FinalitätsG besteht damit gegenwärtig die Möglichkeit, dem Finalitätserfordernis bei Übertragungen von Kryptoassets auf privaten Blockchains gerecht zu werden. Die Einstufung eines Kryptoassets in Gruppe 1 ist somit derzeit unter Anwendung österreichischen Rechts nicht möglich.
Im Gegensatz dazu wurde in Deutschland für elektronische Wertpapiere das eWpG erlassen. Das eWpG regelt auch
Kryptowertpapiere und sieht ein Kryptowertpapierregister vor.44) Eine private Blockchain ist ein Kryptowertpapierregister nach § 16 eWpG, wenn es die dort genannten Bedingungen erfüllt. Das eWpG regelt Eigentum und Übertragung und enthält Bestimmungen zum Einwendungsausschluss und zur Finalität im Sinne der Anforderungen des Basler Standards. Auf privaten Blockchains begebene elektronische Wertpapiere nach deutschem Recht können damit in Gruppe 1a des Basler Standards fallen, sofern auch alle anderen Bedingungen erfüllt sind.
Mit Blick auf Österreich würde selbst die Schaffung eines auf DLT basierenden Systems nach dem FinalitätsG nur einen Teil des Problems lösen (ebenso wie auch das deutsche eWpG nur einen Teilaspekt der Kryptoassets regelt). Das FinalitätsG ist gegenwärtig nur auf Finanzinstrumente im Sinne der MiFID II anwendbar. Tokenisierte traditionelle Vermögenswerte nach dem Basler Standard (Gruppe 1a) fallen zwar darunter; Kryptoassets mit Stabilisierungsmechanismus (Gruppe 1b) sind aber nicht notwendigerweise als Finanzinstrument im Sinne der MiFID II ausgestaltet – und dürfen es auch gar nicht sein, wenn der Stablecoin unter MiCAR emittiert werden soll. Denn MiCAR nimmt – wie oben dargestellt – Kryptowerte von ihrem Anwendungsbereich aus, die als Finanzinstrumente zu qualifizieren sind.45)
Zusammenfassend kann gegenwärtig unter österreichischem Recht kein Kryptoasset der Gruppe 1 emittiert werden. Und selbst wenn in der Zukunft ein DLTSystem geschaffen wird, das zur Anwendbarkeit des FinalitätsG führt, ist dies nur für Kryptoassets der Gruppe 1a relevant, löst aber nicht den gordischen Knoten zwischen Basel und MiCAR im Hinblick auf Kryptoassets der Gruppe 1b. Hier ist die Rechtswissenschaft leider am Ende und der österreichische Gesetzgeber am Zug. Ein mit der deutschen Rechtslage vergleichbares Ergebnis, das darüber hinaus auch die Anwendung österreichischen Rechts für Kryptoassets der Gruppe 1b ermöglicht, kann durch eine Anpassung des FinalitätsG erzielt werden. Hierzu müssten die Rechtswirkungen der §§ 15, 16, 17, und 18 des FinalitätsG (Wirkung von Zahlungs und Übertragungsaufträ
gen, Anzuwendendes Recht bei Insolvenz eines Teilnehmers, Sicherheiten, Rechte an Wertpapieren) auf Wertpapiere iS des FinalitätsG und Kryptowerte iS Art 3 Abs 1 Z 5 MiCAR erstreckt werden, die jeweils unter Verwendung von DistributedLedgerTechnologie nach Art 3 Abs 1 Z 1 MiCAR begeben werden.
3.3. Dritte Klassifizierungsbedingung: Risikosteuerung, Mitigierung
Dritte Bedingung zur Einordnung eines Kryptoassets in Gruppe 1 ist, dass die Funktionen des Kryptoassets und des DLTNetzwerks, auf dessen Basis es begeben wird, so konzipiert sind und so betrieben werden, dass alle wesentlichen Risiken ausreichend gemindert und gesteuert werden.46) Die Funktionen des Kryptoassets, gemeint sind Ausgabe, Validierung, Übertragung oder Einlösung, und das DLTNetzwerk, über das es läuft, dürfen keine wesentlichen Risiken für die Übertragbarkeit, Finalität von Übertragungen oder Einlösbarkeit des Kryptoassets aufweisen. Zu diesem Zweck müssen alle Unternehmen, die Tätigkeiten im DLTNetzwerk ausüben, über funktionstüchtige Risikobeherrschungs und Risikokontrollstrategien und praktiken verfügen.
Vierte Bedingung zur Einordnung eines Kryptoassets in Gruppe 1 ist, dass Unternehmen, die Funktionen im Zusammenhang mit der Einlösung, Übertragung, Lagerung oder endgültigen Abrechnung der Kryptoassets durchführen oder Reserveaktiva verwalten, (i) beaufsichtigt sind oder angemessenen Risikomanagementstandards unterliegen, und (ii) über umfassende und offengelegte Governance verfügen.47) Zu den erfassten Unternehmen gehören die Betreiber der Überweisungs und Abrechnungssysteme für das Kryptoasset, die Anbieter von Wallets, und bei Kryptoassets mit Stabilisierungsmechanismen auch die Verwalter des Stabilisierungsmechanismus und die Verwahrer der Reserveaktiva.48)
37) Völkel, in Piska/Völkel, Blockchain rules² Rn 3.75 ff.
38) Ebd Rn 3.1 ff.
39) § 15 FinalitätsG.
40) § 10 FinalitätsG.
41) § 9 FinalitätsG.
42) § 2 FinalitätsG.
43 ) Vgl die Liste der gemeldeten Systeme nach der Settlement Finality Directive unter: https://www.esma.europa.eu/sites/ default/files/library/sfd_designated_ authorities_and_systems.xlsx (abgerufen am 15.6.2023).
44) § 16 eWpG.
45) Art 2 Abs 4 MiCAR; siehe bereits Punkt 2.1.
46) SOC60.16.
47) SOC60.18.
48) SOC60.19.
Ob Kryptoassets die oben diskutierten Klassifizierungsbedingungen erfüllen, muss laufend aufs Neue beurteilt werden. Anhand dieser regelmäßigen Beurteilung bestimmt sich, ob die Kryptoassets als Gruppe 1a, 1b, 2a oder 2b eingestuft werden.49) Zu dieser Bewertung müssen geeignete Risikomanagementrichtlinien und verfahren sowie Governance, Personal und ITKapazitäten vorhanden sein. Informationen, die benötigt werden, um das Vorliegen der Klassifizierungsbedingungen beurteilen zu können, müssen vollständig dokumentiert und Aufsichtsbehörden auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
Der neue Basler Standard verlangt zudem, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden bereits vorab – also noch vor Anwendbarkeit der Eigenmittelvorschriften bzw ab deren Anwendbarkeit jedenfalls vor dem Erwerb von Kryptoassets –über die internen Klassifizierungsentscheidungen informiert werden. Dies soll so rechtzeitig geschehen, dass die Aufsichtsbehörde die Klassifizierung überprüfen und gegebenenfalls abändern kann.
5.1.
Wie oben herausgearbeitet, können unter Anwendung österreichischen Rechts emittierte Kryptoassets derzeit nicht in Gruppe 1 eingeordnet werden. Sie fallen genauso unter Gruppe 2 wie alle anderen Kryptoassets, die nicht alle vier Klassifizierungsbedingungen erfüllen. Virtuelle Währungen50) wie etwa Bitcoin und Ether sind genauso Kryptoassets der Gruppe 2 wie tokenisierte Wertpapiere, die unter Nutzung einer öffentlichen Blockchain wie Ethereum begeben werden. Ob es sich im konkreten Fall um ein Kryptoasset der Gruppe 2a oder 2b handelt, entscheidet sich danach, ob unter Basel anerkannte Absicherungsgeschäfte abgeschlossen wurden. Liegen keine anerkannten Absicherungsgeschäfte vor, fällt das Kryptoasset unter Gruppe 2b. Für Kryptoassets der Gruppe 2a gelten Modifikationen zum vereinfachten Standardansatz bzw Standardansatz für Marktrisiken. Interne Modelle sind für Kryptoassets der Gruppe 2a
nicht zulässig. Bei Gruppe 2b gilt generell ein Risikogewicht von 1.250%.
Um in Gruppe 2a eingestuft zu werden, muss es sich bei der Risikoposition entweder (i) um den direkten Besitz eines Kryptoassets der Gruppe 2 handeln (Bitcoin, Ether, tokenisiertes Finanzinstrument), von dem ein Derivat, ETF oder ETN an einem geregelten Markt gehandelt wird, oder (ii) um ein Derivat, ETF oder ETN, das sich auf ein Kryptoasset der Gruppe 2 bezieht, wenn dieses Derivat, ETF oder ETN von einer zuständigen Marktaufsichtsbehörde ausdrücklich zum Handel zugelassen wurde oder von einer qualifizierten zentralen Gegenpartei (QCCP) abgewickelt wird, oder (iii) um ein Derivat, ETF oder ETN, das sich auf ein anderes Derivat, ETF oder ETN bezieht, das unter (ii) fällt, oder (iv) um ein Derivat, ETF oder ETN, das sich auf einen von einem regulierten Markt veröffentlichten Referenzwert bezieht, der auf Kryptoassets verweist. Zuletzt muss die Risikoposition oder das Kryptoasset, auf das sich das Derivat, ETF oder ETN bezieht, hochliquide sein. Die durchschnittliche Marktkapitalisierung im Vorjahr muss mindestens 10 Mrd USD betragen haben und der um 10% bereinigte Mittelwert des täglichen Handelsvolumens im Vorjahr muss bei mindestens 50 Mio USD liegen. Zu diesen Kennzahlen müssen zumindest 100 Preisbeobachtungen vorliegen, die bestimmten Anforderungen genügen müssen.51)
Mit dem neuen Standard schafft der Basler Ausschuss erstmals eine Klassifizierung von Kryptoassets und stellt Anforderungen für den Fall auf, dass diese als Aktiva auf den eigenen Büchern von Kreditinstituten gehalten werden. Nicht relevant ist der Standard hingegen für Kryptowerte, die ein Institut selbst emittieren möchte. Hier kommen stattdessen vorrangig die Bestimmungen der MiCAR zur Anwendung. Möchte ein Kreditinstitut bspw einen vermögenswertereferenzierten Token oder EGeldToken unter MiCAR auflegen, so gelten dafür die in diesem Beitrag diskutierten
Überlegungen grundsätzlich nicht. Je nachdem, wer das Zielpublikum der Emission ist – Kleinanleger oder institutionelle Investoren – kann es aber dennoch ratsam sein, den Basler Standard bei der Produktentwicklung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund soll abschließend erörtert werden, wie Kryptowerte unter MiCAR nach dem neuen Basler Standard zu beurteilen sind.
Nach MiCAR ist ein Kryptowert eine „digitale Darstellung eines Werts oder eines Rechts, der bzw. das unter Verwendung der DistributedLedgerTechnologie [DLT] oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden kann“ 52) Digitale Darstellung eines Werts umfasst nach den ErwGr auch einen nicht intrinsischen Wert, der einem Coin oder Token von den betroffenen Verkehrskreisen beigelegt wird.53) Der Wert kann rein subjektiv und etwa lediglich nachfrageseitig durch das Interesse jener Personen begründet sein, die den fraglichen Kryptowert erwerben möchten.54) Dieses weite Wertverständnis dient dazu, um auch Phänomene wie etwa Bitcoin oder Ether als Kryptowert zu erfassen, die gerade kein Recht, keinen Anspruch gegenüber einer anderen Person einräumen.55) Kryptowerte, bei denen es sich lediglich um digitale Darstellungen eines Werts im hier diskutierten Sinn handelt, gelten nach Basel stets als Kryptoasset der Gruppe 2b.56)
Hinsichtlich jener Kryptowerte, bei denen es sich um digitale Darstellungen eines Rechts handelt, ist zur weiteren Beurteilung zunächst festzustellen, welches Recht ein Kryptowert konkret vermittelt. Hinsichtlich der Art der Rechte, die durch Kryptowerte unter MiCAR digital darstellbar sind, finden sich in der Verordnung selbst keine Einschränkungen. Relative Rechte, etwa das Recht auf Herausgabe einer hinterlegten Sache, Lieferung einer bestimmten Ware oder Zahlung eines bestimmten Geldbetrags sind genauso vorstellbar wie absolute Rechte. Hinsichtlich absoluter Rechte ist bspw die Nutzung eines Kryptowerts vorstellbar, um dem Verwahrer einer Sache
durch Besitzanweisung anzuzeigen, dass daran Eigentum an eine andere Person übertragen wird.57) Besonderes gilt für digitale Darstellungen von Rechten, die ua als (i) Finanzinstrumente iSd MiFID II, (ii) Einlagen einschließlich strukturierter Einlagen, (iii) Geldbeträge sowie (iv) Verbriefungspositionen iSd VerbriefungsVO 2017/2402/EU zu qualifizieren sind. Sie fallen zwar unter die Definition des Kryptowerts unter MiCAR, sind jedoch vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen.58)
Kryptowerte unter MiCAR, bei denen es sich um digitale Darstellungen von Rechten handelt, können damit nach der Basler Klassifizierung entweder unter Gruppe 1a fallen (als tokenisierter traditioneller Vermögenswert) oder unter Gruppe 1b (als Kryptoasset mit wirksamem Stabilisierungsmechanismus). Werden die Klassifizierungsbedingungen für Gruppe 1 nicht erfüllt, sind sie Gruppe 2 zuzuordnen.59)
Tokenisierte traditionelle Vermögenswerte nach Basler Klassifizierung fallen jedoch, wie oben dargestellt, nicht in den Anwendungsbereich von MiCAR. Stattdessen greifen die Bestimmungen der MiFID II und im Fall des öffentlichen Angebots von übertragbaren Wertpapieren die Bestimmungen der ProspektVO. Der Begriff des Kryptoassets nach Basel umfasst somit ein weiteres Spektrum an tokenisierten Instrumenten als der Begriff des Kryptowerts unter MiCAR.
Neben dem Begriff des Kryptowerts kennt MiCAR als Subkategorie den vermögenswertereferenzierten Token. Hierbei handelt es sich um einen „Kryptowert, der kein EGeldToken ist und dessen Wertstabilität durch Bezugnahme auf einen anderen Wert oder ein anderes Recht oder eine Kombination davon, einschließlich einer oder mehrerer amtlicher Währungen, gewahrt werden soll“.60) Es handelt sich also um einen Token, der seinen Wert stabil hält (wenn auch nur vorgeblich61)), indem ein oder mehrere Werte oder Rechte (Vermögenswerte) als Bezugsgrundlage verwendet werden.
MiCAR schweigt zur Frage, welche Vermögenswerte als Referenz bei vermögenswertreferenzierten Tokens in Betracht kommen. Im Zuge des Trilogverfahrens wurde die Auswahl zulässiger Bezugswerte erweitert, von zunächst nur Währungen, Waren und anderen Kryptowerten62) zu nunmehr allgemein Werten und Rechten. Während nach dem Kommissionsentwurf Finanzinstrumente wie bspw übertragbare Wertpapiere keine zulässigen Referenzwerte waren, ist nunmehr ebenso vorstellbar, vermögenswertreferenzierte Token auf den Wert von bspw übertragbaren Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten referenzieren zu lassen. Voraussetzung ist freilich, dass der vermögenswertreferenzierte Token dadurch nicht selbst zum Finanzinstrument wird.63) Nach der Basler Klassifizierung entspricht der vermögenswertereferenzierte Token dem Kryptoasset mit wirksamem Stabilisierungsmechanismus.64) Werden die vier Klassifizierungsbedingungen erfüllt, ist er Gruppe 1b zuzuordnen, andernfalls Gruppe 2.
Als weitere Subkategorie der Kryptowerte nennt MiCAR den EGeldToken. Hierbei handelt es sich um einen Kryptowert, „dessen Wertstabilität unter Bezugnahme auf den Wert einer amtlichen Währung gewahrt werden soll“.65) Damit entspricht der EGeldToken dem vermögenswertereferenzierten Token, mit dem Unterschied, dass als Referenzwert lediglich eine einzelne amtliche Währung dient. Die Basler Klassifizierung entspricht jener des vermögenswertereferenzierten Tokens. Es handelt sich beim EGeldToken also ebenfalls um ein Kryptoasset mit wirksamem Stabilisierungsmechanismus.66) Werden alle Klassifizierungsbedingungen erfüllt, ist er Gruppe 1b zuzuordnen, andernfalls Gruppe 2.
Utility Token unter MiCAR ist ein „Kryptowert, der ausschließlich dazu bestimmt ist, Zugang zu einer Ware oder einer Dienstleistung zu verschaffen, die von seinem Emittenten bereitgestellt
wird“.67) Da sie an keiner anderen Stelle eingeordnet werden können, handelt es sich nach der Basler Klassifizierung bei Utility Token stets um Kryptoassets der Gruppe 2b.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten:
• Der neue Basler Aufsichtsstandard für Kryptoassets unterscheidet vier Gruppen, abhängig davon, (a) ob und welche Rechtsbeziehung ein bestimmtes Kryptoasset darstellt und (b) ob die im Basler Standard genannten Klassifizierungsbedingungen erfüllt werden.
• Zu Kryptoassets der Gruppe 1 gehören tokenisierte traditionelle Vermögenswerte (Gruppe 1a) und Kryptoassets mit wirksamen Stabilisierungsmechanismen (Gruppe 1b), wenn sie alle vier Klassifizierungsbedingungen erfüllen. Entmaterialisierte Wertpapiere fallen in Gruppe 1a, wenn sie über DLT oder ähnliche Technologien ausgegeben werden. Kryptowerte unter MiCAR, bei denen es sich um digitale Darstellungen eines Rechts handelt, können nach Basel (bei Vorliegen der Klassifizierungsbedingungen) entweder unter Gruppe 1a oder unter Gruppe 1b fallen; vermögenswertereferenzierte Token und EGeldToken fallen in Gruppe 1b.
• Kryptoassets der Gruppe 2 sind solche, die nicht alle vier Klassifizierungsbedingungen erfüllen. Unter bestimmten Voraussetzungen werden Absicherungsgeschäfte anerkannt (Gruppe 2a). Kryptowerte unter MiCAR, bei denen es sich um digitale Darstellungen von Werten handelt, gelten stets als Kryptoasset der Gruppe 2 nach Basel. Das sind zB virtuelle Währungen wie Bitcoin oder Ether oder auch Algorithmusbasierte Stablecoins.
• Wenn weder die vier Klassifizierungsbedingungen der Gruppe 1 erfüllt werden noch die Voraussetzungen für die Anerkennung von Absicherungsgeschäften für Gruppe 2a vorliegen, fällt ein Kryptoasset in Gruppe 2b. Nach der Basler Klassifizierung handelt es sich bei Utility Token unter MiCAR stets um Kryptoassets der Gruppe 2b.
57) Völkel, ZFR 2023/122.
58) Art 2 Abs 4 MiCAR.
59) Siehe Punkt 5.1.
60) Art 3 Abs 1 Z 6 MiCAR.
61) Arg: „gewahrt werden soll“; vgl auch die englische Fassung, die dies noch besser zum Ausdruck bringt („purports to“); diese Auslegung ist sachgerecht, weil
andernfalls Kryptowerte, deren Emittenten zwar behaupten, ihr Wert sei stabil, wenn in Wahrheit aber kein Stabilisierungsmechanismus vorliegt, nicht als vermögenswertreferenzierter Token erfasst und damit dem Aufsichtsregime entzogen wären.
62) Kommissionsvorschlag COM/2020/593/
FINAL.
63) Hierzu im Detail Völkel, ZFR 2023/122.
64) Siehe Punkt 2.2.2.
65) Art 3 Abs 1 Z 7 MiCAR.
66) Siehe Punkt 2.2.2.
67) Art 3 Abs 1 Z 9 MiCAR.
Bei Kryptoassets der Gruppe 2b ist nach dem Basler Standard ein Risikogewicht von 1.250% anzusetzen.
• Als zulässige Infrastruktur für Kryptoassets der Gruppe 1 kommen derzeit ausschließlich private (permissioned) Blockchains in Betracht und das anwendbare Recht muss die Finalität der Übertragungen gewährleisten. Einschlägige Rechtsgrundlage ist in Österreich das FinalitätsG. Es gibt derzeit aber kein DLTbasiertes System, das den Anforderungen des FinalitätsG entspricht. Gegenwärtig kann unter Anwendung österreichi
schen Rechts somit kein Kryptoasset der Gruppe 1 emittiert werden. ◆
BCBS, Prudential treatment of cryptoasset exposures (2022).
BCBS, Consultative document on the prudential treatment of cryptoasset exposures (2021).
BCBS, Second consultative document on the prudential treatment of cryptoasset exposures (2022).
BCBS, Basel III Monitoring Report (2022).
Bericht A90030/2023 des EP vom 9.2.2023
Liste gemeldeter Systeme nach der Settlement Finality Directive, aberufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/sfd_ designated_ authorities_and_systems. xlsx, 14.4.2023).
Piska / Völkel, Blockchain rules². Völkel, MiCAR vs MiFID – Wann ist ein vermögenswertreferenzierter Token kein Finanzinstrument?, ZFR 2023/122.
Praxishandbuch Energiegemeinschaften und Alternativenergieprojekte KURZMANN | FISCHL (HRSG.)
2023
440 Seiten, kart. 978-3-7073-4752-4
Das Bankrechtsforum 2023 findet am
7. November 2023
im Festsaal der Raiffeisen Bank International AG, Am Stadtpark 9, 1030 Wien, statt.
Anmeldung
Wir ersuchen um Ihre verbindliche Anmeldung bis einschließlich 31. Oktober 2023 über folgende Links: Zur Präsenzteilnahme unter: https://www.reglist24.com/brf_2023_praesenz oder zur Online-Teilnahme (Übertragung via Stream) unter: https://www.reglist24.com/brf_2023_virtuell
Zielsetzung
Das Bankrechtsforum ist zum jährlichen Treffpunkt aller Fachleute des österreichischen Bankrechts geworden. Die Veranstaltung dient der fundierten Aufbereitung aktueller Bankrechtsfragen und der ausführlichen Diskussion aller interessierten Kreise. Erstklassige Vortragende sowie namhafte Juristen als Vorsitzende und Teilnehmer geben Ihnen die Möglichkeit, aktuelle Probleme und Fragestellungen zu diskutieren. Die Tagung wird vom Forum Bankrecht der BWG unter der wissenschaftlichen Leitung von o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski und Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer veranstaltet.
Zielgruppe
Das Bankrechtsforum wendet sich an die Leiter und Mitarbeiter von Rechtsabteilungen in Banken und Finanzinstituten, an Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter sowie Richter und Richteramtsanwärter ebenso wie an Universitätsangehörige.
Organisation
Die Teilnahmegebühr beträgt € 240,- (USt.-frei) für Mitglieder der BWG, des Forums für Bankrecht und der Bankrechtlichen Vereinigung Wissenschaftliche Gesellschaft für Bankrecht e.V. (Deutschland). Für alle übrigen € 310,- (USt.-frei) pro Person. Bei Rücktritt unter einer Woche vor dem Veranstaltungstag, wird eine Stornogebühr von 50 % fällig. Am Veranstaltungstag ist die Stornogebühr 100 %. Für Richter und Richteramtsanwärter sowie für lehrtätige Universitätsangehörige ist die Teilnahme kostenlos. Die Teilnahmegebühr inkludiert auch den Versand der Tagungsunterlagen vorab als pdf. Dieses Programm richtet sich an Personen unterschiedlichen Geschlechts. Der einfacheren Lesbarkeit halber wird die maskuline Form verwendet.
BWG – Österreichische Bankwissenschaftliche Gesellschaft
Frankgasse 10/7, 1090 Wien T: +43 1 533 50 50, E: office@bwg.at, I: www.bwg.at, ZVR-Zahl: 221614793
9:00 Uhr: Begrüßung und Eröffnung
o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski, Universität Graz und Wirtschaftsuniversität Wien, Vorsitzender Forum Bankrecht
Grußworte
Dr. Norbert Findeis, Head of Legal Services Banking, Regulatory & Innovation, Raiffeisen Bank International AG, Wien
Vormittagssession:
9:15 Uhr: „MiCA-Verordnung“
Referat: Univ.-Prof. Dr. iur. Matthias Lehmann, D.E.A. (Paris II), LL.M., J.S.D. (Columbia), Universität Wien
Vorsitz: Priv.-Doz. MMag. Dr. MartinOppitz, Rechtsanwalt, Eunomia – Kooperation selbständiger Rechtsanwälte, Wien
10:45 Uhr: Kaffeepause
11:15 Uhr: „Verjährungsfragen im Bankgeschäft de lege lata et ferenda“
Referat: Dr. PeterVollmaier, Richter des OLG Linz
Vorsitz: Mag. Robert Schmidbauer, LL.M., Erste Group Bank AG, Head of Group Secretariat and Legal, Wien
12:45 Uhr: Mittagessen
Nachmittagssession:
13:45 Uhr: „Kreditbearbeitungsgebühr nach 4 Ob 59/22p“
Referat 1: Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt, Wien
„Kreditbearbeitungsentgelt 2.0: Rechtssicherheit statt Judikaturwende“
Referat 2: Dr. Markus Kellner, DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH, Wien
Vorsitz: Mag. Barbara Boder, Leitung Bereich Legal, Volksbank Wien AG
15:30 Uhr: Kaffeepause
16:00 Uhr: „EuGH Gupfinger ua“
Referat: Univ.-Prof. Mag. Dr. BrigittaLurger, LL.M. (Harvard), Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht, Universität Graz
Vorsitz: Mag. MarinaWachter, Leiterin des Gremium Recht der Raiffeisen Bankengruppe Österreich, Wien
Ende der Veranstaltung gegen 17:30 Uhr
Vorankündigung: Das Bankrechtsforum 2024 findet vsl. am 5. 11. 2024 statt.
Hinweis:
Ihre Teilnahme wird gemäß Ihrer Anmeldung (Präsenz oder virtuell, Übertragung via Stream) registriert.
ACHTUNG: Die maximale Platzzahl im Saal ist begrenzt. Es findet das Prinzip „First-come-first-served“ Anwendung. Über das machbare physische Kontingent hinaus, werden Anmeldungen automatisch als „virtuelle Teilnahme“ registriert.
Die interessantesten Details des österreichischen M&A-Marktes 2022:
◆ Die Zahl der Transaktionen ist praktisch ident geblieben.
◆ Eine Zunahme des M&A-Transaktionsvolumens um 7,1%.
◆ Gleichzeitig Abnahme der um Groß-Transaktionen bereinigten durchschnittlichen Transaktionsgröße um 6,1%.
◆ Der Anteil an grenzüberschreitenden Transaktionen ist auf 62,5% gesunken.
◆ Die drei Top-Branchen der letzten Jahre behaupten auch 2022 im Branchenranking ihre Dominanz: Immobiliengesellschaften, Software & Datentechnik und ISP/ Internet-Dienste. Auf den Folgeplätzen gab es dagegen zahlreiche Änderungen.
◆ Die beiden einzigen Rekorde des Jahres 2022 sind dem Bereich Finanzbeteiligungen zuzurechnen:
1. Finanzinvestoren ersetzen strategische Investoren im Segment der Minderheitsbeteiligungen mit 63,3% aller Transaktionen in dieser Kategorie in immer stärkerem Ausmaß.
2. Der Anteil ausländischer Finanzinvestoren im österreichischen Beteiligungsmarkt ist auf 65,5% angestiegen.
Stichwörter: M&A-Großtransaktionen, österreichischer M&A-Markt, außergewöhnliche Steigerung des M&A-Transaktionsvolumens, echte Fusionen, MBO – Management-BuyOut, MBI – Management-Buy-In, grenzüberschreitende Transaktionen, mehr ausländische Käufer in Österreich als österreichische Käufer im Ausland, Transfer von Stimmrechtskapital, Transaktionswert, kaum Übernahme von Sanierungsfällen durch Finanzinvestoren, NachfolgeProblematik, Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft, „Nicht-strategische“ Akquisitionen/Finanz-Beteiligungen, sehr vorsichtige Finanzinvestoren.
JEL-Classification: F 30, G 34, M 20. https://doi.org/10.47782/oeba202307051001
The Most Interesting Details Concerning the Austrian M&A-Market 2022:
◆ The number of transactions practically equals last year’s number;
◆ An increase in transaction volume by 7,1%;
◆ At the same time, a reduction in average transaction size (excluding large transactions) by 6,1%
◆ The share of cross-border transactions shrunk to 62,5%;
◆ The Top 3-industries of the last years confirmed their dominance: Real Estate Companies, Software & Data Services and ISP/InternetServices; but the ranks behind show many changes.
◆ The two only records in 2022 all come from the sector financial transactions:
1. Financial investors replace strategic investors in the segment of minority acquisitions to an increasing extent: 63,3% is a new high.
2. The share of transactions by foreign investors in the Austrian financial investments market has risen to 65,5%.
Trotz der Nachwehen der unter dem Titel „Corona-Pandemie“ getroffenen einschneidenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen und der anhaltenden Ukraine-Krise ist die Zahl der Transaktionen praktisch ident geblieben. Die Abweichung von genau einer Transaktion gegenüber dem Vorjahr darf wohl unter dem Titel „statistische Fehlerquote“ vernachlässigt werden. Der Aktivitäten des österreichischen M&A-Marktes verteilten sich recht gleichmäßig über das Jahr. Aktivster Monat war wie in den Vorjahren der Dezember – mit 39 Transaktionen.
Das M&A-Transaktionsvolumen ist um 7,1% angestiegen – etwas geringer als die Inflationsrate. Im Gegensatz dazu ist die um Groß-Transaktionen bereinigte durchschnittliche Transaktionsgröße
1) 4 oder mehr Transaktionen: 5 Unternehmen im Jahr 2021, 6 Unternehmen im Jahr 2020, 8 Unternehmen im Jahr 2019, 8 Unternehmen im Jahr 2018, 15
DDr. Manfred Moschner ist Geschäftsführender Gesellschafter der ACS Acquisition Services Wien und selbständiger M&A-Berater; e-mail: acs@acsvienna.com
nominell im Vergleich zum vorjährigen Rekordwert gefallen – um 6,1% auf € 18,16 Mio. Das scheinbare Paradoxon erklärt sich aus dem höheren relativen Anteil der Groß-Transaktionen am Gesamt-Volumen – ein Phänomen, das in der Vergangenheit schon mehrmals zu beobachten war.
Im Gegensatz zum Vorjahr liegt der Anteil an grenzüberschreitenden Transaktionen mit 62,5% nur knapp über dem historischen Minimum. Auch 2022 überwiegt die Zahl ausländischer Käufer leicht. Reduziert man diese aber um die Zahl der internationalen InvestorenKonsortien, haben sich österreichische Unternehmer häufiger im Ausland engagiert als Ausländer in Österreich.
Ein gemischtes Bild ergibt die Zahl an Akteuren mit Mehrfach-Transaktionen: Sechs Unternehmen haben vier Transaktionen oder mehr durchgeführt, nach fünf im Jahr 2021. Dafür hat sich die Zahl von Unternehmen mit drei Transaktionen auf neun reduziert.1)
Generell ist zu beobachten, dass – quer durch alle Branchen – viele etablierte Marktteilnehmer als Käufer in den M&A-
Unternehmen im Jahr 2017; 3 Transaktionen: 11 Unternehmen im Jahr 2021, 6 Unternehmen im Jahr 2020.
Markt zurückgekehrt sind – allerdings unter gebotener Vorsicht, mit nicht mehr als ein bis zwei M&A-Transaktionen.
Der ohnehin schon sehr niedrige Konzentrationsgrad des österreichischen M&A-Marktes in Bezug auf die Anzahl der Transaktionen ist fast gleich niedrig geblieben:
Auf die Top-10-Unternehmen entfallen 12,5% der Anzahl an M&A-Transaktionen, auf alle Unternehmen mit drei oder mehr M&A-Transaktionen im Jahr 2022 entfallen – exakt wie im Vorjahr – 17,6% des Marktes.2)
Im Gegensatz dazu wies Österreich historisch immer einen sehr hohen Konzentrationsgrad in Bezug auf den Transaktionswert des M&A-Marktes auf. Dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr wieder deutlich angestiegen:
Auf die Top-10-Transaktionen entfallen 51,2% des gesamten Transaktionswertes des österreichischen M&A-Marktes, auf die Top-37 Transaktionen (alle als „Groß-Transaktionen“ gewerteten Fälle) entfallen 75,9% des Marktes.3)
Die erste Tabelle gibt einen Eindruck bezüglich der Gesamtzahl an Transaktionen, der Zahl an M&A-Transaktionen mit „grenzüberschreitendem Konnex“ sowie des Anteils von Auslandstransaktionen an den gesamten M&A-Transaktionen:
Tabelle 1: Gesamtzahl der Transaktionen
Zahl an untersuchten
2022 336 davon mit „grenzüberschreitendem Konnex“
210 (62,5%)
In die Analyse wurden nur Transaktionen aufgenommen, die im Beobachtungszeitraum tatsächlich abgeschlossen wurden und die dem Autor namentlich bekannt sind.
Ebenso wie in den Vorjahresanalysen wurden ausschließlich bestätigte Meldungen aufgenommen, auch wenn zweifellos eine gewisse Dunkelziffer existiert, da
Abbildung 1: M&A-Transaktionen: Total & Grenzüberschreitend
2) 2021: Top 10 Unternehmen: 12,2% aller Transaktionen, 3 oder mehr Transaktionen: 17,6% aller Transaktionen; 2020: Top 10 Unternehmen: 14,0% aller Transaktionen, 3 oder mehr Transaktionen: 16,1% aller Transaktionen.
Total: 25-Jahres-Maximum – 2007: 455 Grenzüberschreitend: 25-Jahres-Maximum – 2007: 332
25-Jahres-Minimum – 1999: 225
25-Jahres-Minimum – 1999: 162
Zur Einordnung des graphisch dargestellten Beobachtungszeitraums in die Entwicklung des letzten Viertel-Jahrhunderts werden die beiden Extrem-Werte der letzten 25 Jahre als Ergänzung angeführt.
Abbildung 2: Minderheitsbeteiligungen
Maximum – 2000: 78
sich M&A-Transaktionen in der Regel unter größter Diskretion und Meidung der Öffentlichkeit vollziehen. Es sollte aber keine der größeren Transaktionen der Aufmerksamkeit entgangen sein, und auch das rigorose Einhalten des Mindestgrößenstandards sollte eine positive Filterwirkung aufweisen.
Gezählt wurden ausschließlich rein kommerzielle M&A-Transaktionen, d. h. der Transfer von Stimmrechtskapital zwischen zwei nicht nur juristisch, sondern auch wirtschaftlich unabhängigen Entscheidungsträgern, der dem Käufer zumindest einen beherrschenden Einfluss auf das Verkaufsobjekt (Unternehmen/ Tochtergesellschaft/Betrieb) ermöglicht.
3) Top-10 Transaktionen: 2021: 42,5%, 2020: 54,6% – 2019: 58,8%, 2018: 55,4% - 2017: 52,6%; 44 Groß-Transaktionen 2021: 75,9%, 27 Groß-Transaktionen 2020: 75,4%, 31 Groß-Transaktionen 2019: 76,2%, 41 Groß-Transaktionen 2018: 79,8%, 62 Groß-Transaktionen 2017: 82,8%
Minimum – 1999: 24
Die Ausnahme von diesen Grundregeln bilden jene Fälle von Minderheitsgesellschafter-Positionen, bei denen auf Grund besonderer Umstände der strategisch bedeutsame Einfluss des Minderheitsbeteiligten auf die Geschäftsführung des Kauf- bzw. Beteiligungsobjektes möglich erscheint. Mit 49 Fällen ist der relative Anteil an der Zahl der gesamten M&ATransaktionen etwas zurückgegangen. Während im historischen Kontext die Mehrheit klassische strategische Allianzen und Partnerschaften betraf, überwiegen seit dem Jahr 2019 von Finanzinvestoren getätigte Transaktionen: 2022 markiert mit 63,3% ein Allzeithoch – eine weitere Bestätigung eines aktiven Beteiligungsmarktes.4)
4) Anteil von Finanzinvestoren an der Gesamtheit der gewerteten Minderheitsgesellschafter-Positionen:
2021: 62,7%
2020: 51,9%
2019: 54,3%
Analog den bisherigen Analysen wurden folgende Transaktionstypen und Akteursgruppen nicht erfasst:
• Transaktionen mit einem Transaktionswert von weniger als € 4,0 Mio. wurden ohne jede Ausnahme bewusst ausgeklammert, weshalb zahlreiche Firmenübergaben im kleingewerblichen Bereich nicht gezählt wurden;5)
• Umstrukturierungen und Verschiebungen innerhalb des staatlichen und halbstaatlichen Bereiches;6)
• Transaktionen im Bereich Fremdenverkehr/Gastronomie;7)
• Transaktionen und Fusionen von in ausländischem Besitz befindlichen Tochtergesellschaften als Konsequenz der Akquisition oder Fusion der ausländischen Muttergesellschaften.
Mit sieben Fällen ist die Zahl der –namhaften – M&A-Transaktionen aus einer Insolvenz sowie im Rahmen einer Sanierung noch unter das vorjährige Minimum im 25-Jahres-Vergleich gefallen – angesichts der Pandemie und ihrer Folgeerscheinungen eine Überraschung. Der relative Anteil sinkt somit weiter.
Allerdings lassen sich zahlreiche der „normalen“ M&A-Transaktionen als „defensiv“ kategorisieren:
• Verkäufer suchen durch ein Zusammengehen mit einem anderen Branchenunternehmen eine Verbesserung ihrer Wettbewerbsposition – noch rechtzeitig, bevor sie als Sanierungsfall zu klassifizieren wären;
• Käufer nutzen die Gunst der Stunde für „Flurbereinigungen“ – quer durch alle Branchen.
Die Zahl echter Fusionen im Sinne neubildender Verschmelzungen stieg 2022 auf zehn Transaktionen an. Trotzdem bewegt sie sich damit nur knapp über dem Niveau des Minimums im 25-JahresVergleich.
Abgesehen von der Sondersituation der Konsolidierung diverser Sektoren
5) Die Beschränkung in der Größe ist einer der wesentlichsten Gründe für Differenzen zu anderen uns bekannten Statistiken über den österreichischen M&A-Markt, insbesondere bei Branchen, in denen überwiegend Kleintransaktionen vorkommen.
Siehe dazu auch den Exkurs „Anpassung der nominellen Geld-Messgrößen an die Inflation“ in Moschner, Österreichs M&A-Markt 2018, ÖBA 5/2019, S. 429.
6) Transaktionen und Verschiebungen innerhalb der öffentlichen Hand können nicht
Abbildung 3: Anzahl der M&A-Transaktionen im Gefolge einer Insolvenz
Maximum – 2013: 83
Minimum – 2022: 7
Abbildung 4: Echte Fusionen am österreichischen M&A-Markt
Maximum – 2016: 28
Minimum – 2019/2021: 6
Abbildung 5: Großtransaktionen (> € 101 Mio.)
Maximum – 2007: 63
der Geldinstitute in den Jahren um 2016, hat dieser Transaktionstypus am österreichischen Markt allerdings nie wirklich Bedeutung erlangt.
als Transaktionen „am freien Markt“ angesehen werden.
7) Begründung: bei Hotelverkäufen stellt der Immobilienanteil den überwiegenden Transaktionswert dar, während der Unternehmensertragswert in der Regel unter dem gewählten Minimum liegt. Transaktionen, bei denen der Ertragswert eine relevante Größenordnung erreicht, werden sehr wohl in die Analyse aufgenommen.
8) Der ursprünglich dieser Studie zugrunde liegenden Grenzwert betrug eine Milli-
Minimum – 1998: 15
Die Zahl an Großtransaktionen ist 2022 auf 39 Großtransaktionen mit einem gesicherten Wert von mehr als € 101 Mio. gefallen.8)
arde öS. Nach Umstellung auf Euro entsprach das einem Wert von € 73 Mio. Zur besseren Vergleichbarkeit der Zahl von Transaktionen in dieser Kategorie wurde dieser Grenzwert inflationsbereinigt stufenweise auf € 101 Mio. angehoben. Siehe dazu auch den Exkurs „Anpassung der nominellen Geld-Messgrößen an die Inflation“ am Ende von: Moschner, Österreichs M&A-Markt 2018, ÖBA 5/2019, S. 429.
Vier davon waren – wie im Vorjahr –„echte“ Jumbo-Transaktionen, das sind Transaktionen mit einem Transaktionswert jenseits einer Milliarde Euro.9)
Das Volumen der 39 Großtransaktionen betrug € 16,96 Mrd. und damit das 3,1-Fache des gesamten restlichen M&AMarktes dieses Jahres.10)
Die Anzahl an Transaktionen mit einem Transaktionswert zwischen € 40,5 Mio. und € 101 Mio. ist ebenfalls gefallen.11)
Trotz der stagnierenden Anzahl an Transaktionen ist der Gesamt-Transaktionswert des M&A-Marktes 2022 –wie im Vorjahr – gewachsen, und zwar um 7,1% von € 20,88 Mrd. auf € 22,36 Mrd
Immerhin handelt es sich dabei – in nominellen Beträgen – um den fünfthöchsten Wert im Beobachtungszeitraum, trotz Pandemie-Folgen und Ukraine-Krise. Wie mehrfach in dieser Artikelserie hingewiesen, sei empfohlen, sich nicht durch inflationsbedingt hohe Zahlen täuschen zu lassen, sondern die realen Werte im Auge zu behalten.
Bereinigt man den M&A-Markt um Transaktionen jenseits der ehemaligen öSMilliardengrenze, so ist 2022 die durchschnittliche Transaktionsgröße nominell allerdings im Vergleich zum vorjährigen Rekordwert gefallen – um 6,1% auf € 18,16 Mio.12)
Abbildung 6: Transaktionen mit Wert von € 40,5 Mio. bis € 101 Mio.
Maximum – 2007: 60 Minimum – 1999: 11
Abbildung 7: Transaktionswert des österreichische M&A-Marktes
Maximum – 2017: 30,03
– 1998: 4,63
Transaktionen mit grenzüberschreitendem Konnex
Folgende Transaktionen wurden darunter subsumiert:
• M&A-Geschäfte von Österreichern im Ausland. Dazu zählen auch Fälle, in denen Österreicher über ihre ausländischen Tochterunternehmen Objekte im Ausland gekauft haben.
• Transaktionen von Ausländern bezüglich eines österreichischen M&AObjektes: ein Ausländer veräußert sein österreichisches Unternehmen an ein anderes ausländisches Unternehmen, oder er verwendet es zur Akquisition im Ausland.13)
9)
2021: 4
2019 & 2020: je 2
2018: 6
2017: 7
2014 & 2015: je 1
Rekordjahr 2007: 9
10) Zum Vergleich:
2021 das 2,7-Fache
2020 das 3,1-Fache
2019 das 3,2-Fache
Abbildung 8: Durchschnittliche Transaktionsgröße
Maximum – 2021: 19,34
• Verkauf einer österreichischen Tochtergesellschaft oder Betriebsstätte
2018 das 4,0-Fache
2017 das 4,5-Fache
11) Vergleichswert in historischen öS: 400 Mio. bis 1 Mrd. Vergleichswert nach Euro-Umstellung: € 30 Mio. bis € 73 Mio. Zur Inflationsanpassung siehe oben FN 8.
12) Zur Relativität der Aussagekraft dieser nominellen Größen und Entwicklungen siehe den Exkurs „Anpassung der nomi-
Minimum – 1999: 9,41
in ausländischem Besitz in Österreich: Dieser Fall konnte 19mal beob-
nellen Geld-Messgrößen an die Inflation“ am Ende von: Moschner, Österreichs M&A-Markt 2018, ÖBA 5/2019, S. 429.
13) Dadurch mögliche Doppelzählungen traten im Beobachtungszeitraum insgesamt 15mal auf, nach 21 im Vorjahr und 16 im Jahr 2020, im Vergleich zu nur 8 im Jahr 2019.
achtet werden, in mehr als zwei Dritteln aller Fälle zogen sich deutsche Unternehmen aus Österreich zurück.
• 13 Käufe eines österreichischen Unternehmens durch die österreichische Tochter eines ausländischen Konzerns.
Generell wurde bei der länderweisen Zuordnung darauf Bedacht genommen, die Transaktion jenem Land zuzurechnen, in dem die Entscheidungsträger ihren Sitz haben – soweit es möglich war, hinter die formalen Eigentümerstrukturen zu blicken.
Nicht gewertet wird selbstverständlich ein Wechsel in der Eigentümerstruktur einer ausländischen Muttergesellschaft, aber auch eine Fusion von Inländern, die durch eine Verschmelzung der ausländischen Muttergesellschaften induziert ist.
Der Anteil der M&A-Aktivitäten mit Ausländern bzw. mit grenzüberschreitendem Konnex an den gesamten M&AAktivitäten liegt mit 62,5% im unteren Drittel des 25-jährigen Beobachtungszeitraums.
Die Zahl ausländischer Käufer in Österreich überwiegt 2022 etwas die Zahl der österreichischen Käufer im Ausland. Es gilt allerdings die gleiche Bemerkung wie im Vorjahr: Reduziert man die Käuferseite um die Zahl internationaler Investoren-Konsortien, kehrt sich das Bild um: auf österreichische Käufer entfällt ein höherer Anteil.
Insgesamt hat sich die Struktur der M&A-Aktivitäten mit grenzüberschreitendem Konnex nicht wesentlich verändert,
Abbildung 9: Käufe & Verkäufe eines österreichischen Unternehmens durch die österreichische Tochter eines ausländischen Konzerns Käufe:
Abbildung 11: Zahl verschiedener Nationen
wenngleich im Detail einige Verschiebungen festgestellt werden können.14)
Im Jahr 2022 waren 36 verschiedene Nationen in Transaktionen mit Österreichbezug involviert.
Die Spitzenplätze werden – wie immer – von den klassischen Handelspartnern dominiert.
Deutschland hat – als ewiger Spitzenreiter – die meisten aller Transaktionen mit grenzüberschreitendem Konnex auf sich vereinigt, nämlich 30,7%.
Österreichische Käufer haben wesentlich häufiger deutsche Unternehmen erworben als deutsche Käufer österreichische Unternehmen, und zwar im exakt gleichen Verhältnis wie im Vorjahr von 58% zu 42%.15)
Abbildung 10: Verteilung M&A-Transaktionen /TOP 8 68,4% Anteil aus Grundgesamtheit
Maximum – 2007: 50 Minimum – 1998: 28
14) Anteil der Top-M&A Länder an der Grundgesamtheit:
2021: Top 7 > 71,3%
2020: Top 7 > 72,7%
2019: Top 8 > 66,2%
2018: Top 8 > 69,0%
Abbildung 12: Transaktionen Deutschland
Maximum – 2009: 38,3% Minimum – 2013: 26,4%
2017: Top 8 > 66,8%
15) Das Verhältnis österreichischer Käufer von deutschen Unternehmen im Vergleich zum Erwerb österreichischer Unternehmen durch deutsche Käufer in den letzten Jahren:
2021: 58% zu 42%
2020: 49% zu 51%
2019: 52% zu 48%
2018: 43% zu 57%
2014: 60% zu 40%
Abbildung 13: Transaktionen im CEE-Raum
Abbildung 14: Transaktionen im CEE-Raum im Verhältnis zu Gesamt-Transaktionen
Maximum – 2007: 107 Minimum – 2020: 18
Das Jahr 2021 scheint aus US-amerikanischer Sicht ein einmaliges Ereignis gewesen zu sein: 2022 reduzierte sich diese Destination auf ein Drittel und damit auf das Niveau der Vorjahre.
Mit Schweiz, Frankreich und Großbritannien nehmen Länder in der tabellarischen Aufstellung die Spitzenplätze ein, die historisch ständig darin vertreten sind.
Die Kategorie „internationale Konsortien“ wird zwar schon lange geführt und betrifft Käufer-Konsortien, in denen weder Stimmanteile noch faktische Einflussmöglichkeiten einem Staat eindeutig zugeordnet werden können. Wirklich auffällig ist diese Form jedoch vor 2019 nicht in Erscheinung getreten. 2020 hat diese Kategorie ihren Anteil weiter ausgebaut, vor allem als Folge einiger großer Beteiligungs-Syndikate; trotz des leichten zahlenmäßigen Rückgangs im Vergleich zum fulminanten Jahr 2021 liegt diese Kategorie inzwischen an zweiter Stelle in der Liste der „Herkunftsländer“ – ein weiteres Spitzen-Jahr für die österreichische Venture-Capital- und Private-EquitySzene.
Die Zahl der Transaktionen in Ländern des CEE-Raumes ist in absoluten Ziffern um 37% auf 37 Transaktionen gestiegen, der relative Anteil beträgt 16,4%. Etwas mehr als ein Viertel der Transaktionen betrifft osteuropäische Käufer österreichischer Unternehmen.
Top-Nationen 2022: Tschechien und Kroatien
In der nachstehenden Tabelle wurde eine Aufgliederung der Transaktionen nach Branchen unternommen, wobei auch bei diversifizierten oder vertikal integrierten Unternehmen zur Vermeidung jeder Doppelzählung die im verkauften Unternehmen vorwiegend vertretene
Maximum – 2008: 30% Minimum – 2020: 9,28% ZumVergleich; Allzeit-Hoch 1992: 65,3%
Summe aller M&AHerkunftslandHerkunftslandTransaktionen mit grenzdes auslän-des ausländi-überschreitendem Konnex dischen Käufersschen Verkäufersim Beobachtungszeitraum
in
* In Klammern finden Sie die Ziffern der Vergleichsperiode 2021 (an erster Stelle) und 2020 (an zweiter Stelle).
** Die Summe von 17 Ländern, mit denen weniger als drei Transaktionen getätigt wurden.
*** Die Differenz von 225 zu 210 erklärt sich daraus, dass in 15 Fällen ein Ausländer sein österreichisches Unternehmen an ein anderes ausländisches Unternehmen veräußerte oder, dass er es zur Akquisition im Ausland verwendete.
**** Internationale Käufer-Konsortia, die aufgrund der internen Stimmanteile keinem Staat eindeutig zugeordnet werden können
Branche der Wertung zugrunde gelegt wurde. In der Spalte „Gesamtzahl der Transaktionen“ finden sich jeweils in Klammer die Vergleichszahlen der Jahre 2021 und 2020.
Interpretation der Daten:
Diese Statistik ist ein Spiegelbild des Konsolidierungs- und damit Reifestadiums einzelner Branchen und damit auch
des Reifeprozesses einer Volkswirtschaft insgesamt.
Dabei wechseln in der Regel die Branchen an vorderster Stelle bezüglich ihrer Transaktionshäufigkeit: Auf atypische Jahre, die einigen weniger gefragten Branchen einen intensiven Bereinigungsprozess beschert haben, folgen Jahre mit „auffälliger Normalität“, in denen die üblichen Spitzenreiter der letzten zwei Jahrzehnte an vorderster Front zu finden sind.
Im Vergleich zum Vorjahr gibt es deutliche Verschiebungen:
1. Die Top-3-Branchen bleiben gleich; allerdings mit einer Änderung: der Bereich Immobiliengesellschaften, der seit 2010 – mit wenigen Ausnahmen –das Branchenranking dominiert, steht wieder an erster Stelle.16)
2. Dicht dahinter folgen zwei eng miteinander verflochtene Bereiche: Software & Datentechnik sowie ISP/InternetDienste. Auf sie entfallen 14,9% aller M&A-Transaktionen des Jahres, also knapp ein Sechstel! Sie haben am meisten von den sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen der letzten beiden Jahre profitiert.
3. Österreichs typische Käuferbranche, der Maschinen- und Anlagenbau, meldet sich eindrucksvoll zurück, stellt aber damit die Ausnahme dar. Die klassische verarbeitende Industrie verharrt weiter auf relativ niedrigem Niveau, obwohl strategische Käufer vorsichtig Chancen nutzen, günstige Gelegenheiten „zur Abrundung des Marktes“ zu erwerben.
4. Im Handel findet eine aktive Konsolidierung statt, sowohl im Einzelhandel als auch im Großhandel; und zwar quer durch alle Branchen.
Nachstehende Grafik gibt – als Auszug der Gesamtübersicht – die acht aktivsten Branchen des M&A-Jahres 2022 wieder und zeigt, wie Transaktionen quer über die akquisitionsfreudigsten Branchen verteilt stattfanden.
In Ergänzung zur Gesamtübersicht geben die nachstehenden Charts einen Überblick über Branchen, die in den letzten Jahren zu den akquisitionsfreudigsten im österreichischen M&A-Geschäft gehörten:
Tabelle 3: Branchenweise Aufgliederung der M&A-Transaktionen 2022
*) Erfasst werden nur Branchen mit mindestens drei M&A-Transaktionen.
**) In Klammern finden Sie die Ziffern der Vergleichsperioden 2021 (an erster Stelle) und 2020 (an zweiter Stelle).
***) Branchen mit weniger als drei Transaktionen
16) Zur Erinnerung: diese struktur-konservative Kategorie wurde erst im Jahr 2004 eingeführt, um der steigenden Zahl von
Transaktionen im Immobilien-verwaltenden Gewerbe Rechnung zu tragen, die aufgrund von Größe, Struktur und Kom-
plexität nicht mehr als reine Immobilien-, sondern als Unternehmenstransaktionen zu werten sind.
Abbildung 15: Die aktivsten Branchen / TOP 8 | 49,7% Anteil aus Grundgesamtheit
Abbildung 16: Branchendarstellung Immobiliengesellschaften
Maximum – 2017: 41 Minimum – 2004: 8
Abbildung 17: Branchendarstellung Software/Datentechnik & ISP
Abbildung 18: Branchendarstellung Maschinen & Anlagebau / Elektrik & Elektronik
Software/Datentechnik: Maximum – 2000: 59 Minimum – 1998: 9
ISP: Maximum – 2021: 29 Minimum – 1999/2012: 2
Abbildung 19: Branchendarstellung Einzelhandel & Großhandel
Maschinen & Anlagenbau: Maximum – 2007: 29 Minimum – 2009: 8 Elektrik/Elektronik: Maximum – 2016: 26 Minimum – 1999: 6
Abbildung 20: MBI, Finanzinvestments, MBO
Einzelhandel: Maximum – 2015: 33 Minimum – 2003: 10
Großhandel: Maximum – 2016: 26 Minimum – 2009: 6
Abbildung 21: Anteil von Finanzbeteiligungen am M&A-Markt
MBI: Maximum – 2006: 11 Minimum – 1999/2019/21/22: 2
Allzeit-Hoch 1993!: 15
Finanzinvestments: Maximum – 2007: 73 Minimum – 1999: 7
MBO: Maximum – 2001: 18 Minimum – 2018: 3
ÖBA 7/23
Maximum – 2007: 18,2% Minimum – 1999: 4,0%
Abbildung 22: Engagements ausländischer Beteiligungsunternehmen in Österreich
Abbildung 23: Anteil des Engagements ausländischer Beteiligungsunternehmen an Finanzinvestments in Österreich
In diese Kategorie fallen folgende Transaktionstypen (sofern jenseits der Mindestgröße):
1. Finanzbeteiligungen: Beteiligungen von branchenfremden/nicht-strategischen Investoren, deren Interesse überwiegend auf die Erzielung eines Finanzertrags gerichtet ist.
2. Management Buy-Ins: Unternehmenskäufe (im Sinne von: Erwerb der Stimmrechtsmehrheit) durch von außen kommende Manager.
3. Management Buy-Outs: Käufe des Unternehmens durch die eigenen Manager mit Übernahme der Stimmrechtsmehrheit.17)
Am österreichischen Beteiligungsmarkt ist die Käuferseite nach wie vor sehr heterogen strukturiert; es gibt keine dominierenden Marktteilnehmer. Aktivste Teilnehmer im Segment dieser Untersuchung sind wie im Vorjahr die Beteiligungsgesellschaften der RaiffeisenLandesbank Oberösterreich. Die Fonds des AWS stellen zwar im Gesamt-Markt zahlenmäßig die meisten Transaktionen. Viele davon werden aber aufgrund der Mindestgrößen-Regel in dieser Untersuchung nicht berücksichtigt.
17) Zur Erinnerung: MBOs wurden in der Vergangenheit in Form eines Exkurses separat behandelt und in der Statistik der M&A-Transaktionen nicht gezählt. Nach jeweils nur vier (wahrnehmbaren) MBOs wurde 2014 und 2015 überhaupt auf einen Exkurs verzichtet.
Maximum – 2022: 65,5% Minimum – 2002: 14,8%
Weitere erwähnenswerte Details:
• Der Beteiligungsmarkt entwickelte sich 2022 positiv. Die Steigerung der Zahl an Beteiligungstransaktionen fiele noch deutlicher aus, wenn nicht durch die Erhöhung der MindestTransaktionssumme vor allem FinanzBeteiligungen aus der Statistik fallen würden.
Zur Erinnerung: Der Grenzwert zur Aufnahme von Transaktionen in diese Analyse wurde in den letzten Jahren sukzessive erhöht und beträgt für dieses Jahr € 4,0 Mio. Vor wenigen Jahren hätte dies noch kaum einen Einfluss auf das Gesamtergebnis bedeutet. Aufgrund der massiv gestiegenen Zahl der Transaktionen im niedrigen einstelligen Millionen-Bereich wäre das heutige Bild jedoch völlig verzerrt.
• Der Transaktionswert des Beteiligungsmarktes ist im Vergleich zum Vorjahr, in dem ein Rekord an großvolumigen Finanzbeteiligungen registriert wurde, sehr stark zurückgegangen: von € 4,52 Mrd. und 21,6% Anteil an Transaktionen im Gesamtmarkt 2021 auf € 2,16 Mrd. und 9,7% Marktanteil 2022. Dies entspricht einem Rückgang um 52,2%.
• Zumindest ein neuer Rekord kann im Beobachtungszeitraum festgestellt werden: Der Anteil ausländischer Finanzinvestoren ist 2022 weiter angestiegen – auf 65,5%; nach 60,4% in 2021 und nach 42,9% in 2020. Fast
die Hälfte der ausländischen Finanzinvestoren bildeten internationale Konsortien, die aufgrund der internen Stimmanteile keinem Staat eindeutig zugeordnet werden können. Deutsche, französische und niederländische Investoren waren ebenfalls sehr aktiv. • Österreichische Finanzinvestoren lassen im Ausland weiterhin Vorsicht und Zurückhaltung walten: nur 18,2% entfielen auf Transaktionen dieser Kategorie.18)
Angesichts des makroökonomischen und geopolitischen Umfeldes erscheint es erstaunlich, dass sich der österreichische M&A-Markt im Jahr 2022 auf dem Vorjahres-Niveau halten konnte.
Das bedeutet aber nicht, dass sich der M&A-Markt von den ökonomischen Entwicklungen abkoppelt. Vielmehr gleichen sich zwei gegenläufige Entwicklungen aus: Während bis vor einem Jahr die Mehrzahl der Transaktionen von Wachstumsphantasien und billigen Refinanzierungsmöglichkeiten getragen war, dominieren seither „defensive Strategien“.
Dazu kommen zahlreiche Transaktionen mit dem Ziel, innovative kleinere Marktteilnehmer zu übernehmen.
Zusammengefasst: M&A-Transaktionen sind ein fixer Bestandteil des unternehmerischen strategischen Handelns.
Ab 2017 werden MBOs, die das Mindestgrößen-Kriterium erfüllen, in diesem Abschnitt mitgerechnet. Da der Einfluss auf die Ergebnisse der letzten Jahre im Bereich um 1% liegt, wird auf eine rückwirkende Korrektur der Statistiken verzichtet.
18) 2021: 11,3% 2020: 14,3%
2019: 17,3%
2018: 12,9%
2016: 11,3%
2014: 22,6%
https://doi.org/10.47782/oeba202307051901
Ewald Judt / Claudia KlauseggerZur Sicherung der mittel- und längerfristigen Überlebensfähigkeit, im kompetitiver gewordenen Wettbewerbsumfeld, sind v.a. klassische Finanzdienstleister gezwungen sich an das stetig verändernde Umfeld anzupassen und ihre Kunden stärker in den Mittelpunkt ihres Handelns zu rücken. Der demografische Wandel führt neben der Veränderung der Altersstruktur zu neuen Ansprüchen und Vorstellungen der KonsumentInnen und bedingt ein verstärktes Eingehen auf die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Generationen. Unter einer Generation wird eine Gruppe von Menschen (Kohorte) verstanden, die als Altersgruppe in der Gesellschaft oder aufgrund einer gemeinsamen Prägung durch historische oder kulturelle Erfahrungen eine zeitbezogene Ähnlichkeit aufweisen. Generationen können durch eine gemeinsame Werteklammer charakterisiert werden. Jede Generation grenzt sich von der anderen ab und entwickelt eigenständige Werte und Ziele.
Der Generationenzugehörigkeitsansatz hilft Komplexität zu reduzieren und wird daher häufig als Ergänzung zu anderen Segmentierungsansätzen für die Erklärung des Verhaltens von Menschen unterschiedlichen Alters herangezogen. Zumeist werden die Generationen in folgende Gruppen eingeteilt: NachkriegsGeneration (geboren ca. 1945 bis 1955), Baby Boomer (geboren ca. 1956 bis 1965), Generation X (geboren ca. 1966 bis 1980), Generation Y (geboren ca. 1981 bis 1995) und Generation Z (geboren ca. 1996 bis 2010). Die Generation Alpha umfasst Kinder/Jugendliche, die ab 2010 geboren sind und gilt als Nachfolgegeneration der Generation Z. Anzumerken ist, dass keine allgemeingültige Gliederung im Generationen Marketing existiert, da es v.a. aufgrund der Intergenerationsvarianz schwierig ist Generationen exakt nach Jahrgängen abzugrenzen. Es kann Überschneidungen zwischen den Generationen geben oder Personen, die nicht in das Bild ihrer jeweiligen Generation passen.
In den letzten Jahren hat sich das Tempo der technologischen Entwicklung und Innovationen stark verändert. Eine besondere Herausforderung für Banken stellen dabei die oftmals weit auseinanderliegenden Anforderungen der verschiedenen Altersgruppen dar. Diese erfordern differenzierte Strategien in der Ansprache der unterschiedlichen Generationen und führen teilweise sogar zur strategischen Neuausrichtung von Unternehmen. V.a. die traditionellen Finanzinstitute sind gefordert neue bzw. andere Wege einzuschlagen, da ihre Geschäftsmodelle häufig über die Jahre hinweg beibehalten oder nur marginal verändert wurden und einer eher konservativ geprägten Philosophie älterer Zielgruppen folgen.
Vor allem in der Kommunikation müssen gezielt die unterschiedlichen Werte, Ansprüche und Wünsche der jeweiligen Generationen angesprochen und über die richtigen Kanäle ausgespielt werden. Aber auch beim Produkt- bzw. Dienstleistungsangebot müssen für die unterschiedlichen Generationen teilweise ganz neue Wege gefunden werden. Manche Teile des klassischen Bankings führen nicht mehr zum Erfolg, weil v.a. die jungen Zielgruppen durch traditionelle Banken zunehmend schwerer erreicht werden.
Für ein erfolgreiches GenerationenMarketing ist eine tiefgehende Auseinandersetzung notwendig. U.a. muss analysiert werden, wer ist oder sind die Generationen, die als Kunden gewonnen oder gehalten werden sollen, was sind die Besonderheiten dieser Generation/en, welche Einstellungen und Erwartungen haben sie und wie unterscheiden sie sich von anderen Generationen. Die Banken müssen sich dessen bewusst sein und die Herausforderung der unterschiedlichen generationenbezogenen Anforderungen annehmen. Sie müssen aktiv statt reaktiv mit ihnen umgehen und entsprechend dem Leitgedanken „Anything goes“ bereit sein, die notwendigen Veränderungen zu setzen.
Produktlinien und Produkten und in der Vertriebs- und Preisgestaltung zu setzen, die notwendig sind, um die unterschiedlichen Generationen zielgruppengerecht anzusprechen, ihr Interesse auszulösen und sie als Kunden zu gewinnen bzw. zu halten. Beispielsweise ist es wichtig, dass Banken bei der Entwicklung ihrer Omnichannel-Strategien berücksichtigen, dass jüngere Generationen keine Grenze zwischen online und offline ziehen. Dabei reicht es nicht aus, die traditionellen Ansätze und Inhalte großteils unverändert zu lassen und lediglich ergänzend im Internet oder mobil anzubieten, ohne innovativen Ideen. Nur wenn adäquate Angebote über die richtigen Kanäle bereitgestellt werden, lassen sich längerfristige Beziehungen aufbauen, erhalten oder sogar ausbauen. Vor allem Convenience ist für jüngere Zielgruppe von enormer Bedeutung „alles einfach, zu jeder Zeit und von überall“
Eine Auseinandersetzung mit den Spezifika der unterschiedlichen Generationen ist eine unabdingbare Voraussetzung, um erfolgreiches Banking auch in der Zukunft anbieten zu können. Wenn Marketer die Bedürfnisse und Mechanismen der jeweiligen Generation genau kennen, lassen sich zielgruppengerechte Produkte, Angebote und eine geeignete Kommunikation für die jeweilige Gruppe entwickeln. Wer die besten Elemente klassischen Bankings (z.B. qualifizierte Beratung und räumliche Nähe) mit den Anforderungen junger Zielgruppen in Einklang bringen kann, wird im Wettbewerb bestehen können. Ein wichtiger Hebel neben der zielgruppengerechten Ansprache besteht darin, eine klare Position als Marke zu beziehen, wozu u.a. eine Persönlichkeit, eine Geschichte und eine einzigartige und glaubhafte Botschaft gehören.
Generationen Marketing bietet die Chance Wettbewerbsvorteile zu generie-
Aktualisierte Fassung des Bankmanagement-Glossars in „bank und markt“ 8/2021, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt/Main
Generationen Marketing bedeutet, die jeweiligen generationenbezogenen spezifischen Marketingstrategien und Marketing-Mix Maßnahmen in der Kommunikation, bei den angebotenen
Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, e-mail: ewald.judt@wu.ac.at. Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien, e-mail: claudia. klausegger@wu.ac.at.
ren, wenn die unterschiedlichen Erwartungshaltungen einzelner bzw. der im Targeting ausgewählten Altersgruppen berücksichtigt werden. Banken müssen sich nicht nur mit ihren derzeitigen Kunden auseinandersetzen und deren Wünsche im Marketing optimal abdecken. Sie müssen sich gleichzeitig auch mit den jüngeren Generationen bzw. der jeweils
nächsten heranwachsenden Generation auseinandersetzen. Wie die nächsten Generationen „Generation Alpha und danach“ aussehen werden und wie diese Generationen ticken, ist teilweise noch unklar und muss genau beobachtet werden. Eines lässt sich jedoch für alle zukünftigen Generationen festhalten: Finanzdienstleister müssen sich genauso
schnell verändern, wie sich die Generationen verändern und ihre Strategien und Maßnahmen laufend adaptieren, um mittel- und längerfristige Beziehungen zu Nachfolgegenerationen aufbauen zu können. Frühere Generationen haben ihr Leben den Medien angepasst, jüngere Generationen erwarten, dass sich die Medien ihnen anpassen.
Handbuch WAG | Wertpapieraufsichtsgesetz DÄMON (HRSG.)
2023 660 Seiten, geb. 978-3-7073-4747-0 Steuern.
Bearbeitet von RA Dr. Markus Kellner unter Mitarbeit von Dr. Fabian Liebel LL.M. (WU Wien)
OGH-Entscheidungen
2926.
https://doi.org/10.47782/oeba202307052101
§§ 21, 24, 26, 110 IO. Nach § 26 Abs 3 IO ist der Insolvenzverwalter an Anträge des Schuldners nicht gebunden, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht angenommen wurden. Die Wendung „nicht gebunden“ ist dahin zu verstehen, dass der Antrag mit dem Eintritt der Insolvenz wirkungen (§ 2 Abs 1 IO) eo ipso erlischt.
Die Bestimmung des § 26 Abs 3 IO findet auf die noch nicht ausgeübte Option jedenfalls dann keine Anwendung, wenn sie noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Optionsverpflichteten eingeräumt und das für sie ver sprochene Entgelt entrichtet wurde.
OGH 24. 11. 2022, 17 Ob 14/22s
Aus den Entscheidungsgründen:
[1] Der Bekl ist IV in dem am 29.6.2017 über das Vermögen der D GmbH (iwF: Schuldnerin) vom HG Wien eröffneten Insolvenzverfahren.
[2] Die Kl schloss am 23.10.2009 mit der Schuldnerin einen „Miet- und Kaufoptionsvertrag“ über [eine] Liegenschaft. Das Mietverhältnis begann am 1.11.2009 und wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Als Hauptmietzins wurde ein Betrag von € 756 (wertgesichert) zzgl Betriebskosten vereinbart.
Im Vertrag räumte die Schuldnerin der Kl gegen Zahlung von € 70.000 das Recht ein, die Liegenschaft bis spätestens 31.10.2034 durch einseitige schriftliche Ausübungserklärung zu erwerben. Die Kl hat diese Zahlung geleistet. Die Kaufoption konnte laut dem Vertrag frühestens nach Ablauf von fünf Jahren ab Beginn des Mietverhältnisses, somit
ab 31.10.2014 ausgeübt werden. Der –jährlich geringer werdende – Kaufpreis richtete sich nach einer eine Beilage zum Vertrag bildenden Liste. Diese bezifferte den „Ausübungspreis“ (= Kaufpreis) bei einer Optionsausübung nach 5 Jahren mit € 112.100, nach 7 Jahren (somit zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung; Anm) mit € 105.400, nach 8 Jahren mit € 101.800 (in der Forderungsanmeldung genannter Betrag; Anm), nach 10 Jahren (somit im Zeitpunkt der Ausübung der Option mit Schreiben der KV vom 14.7.2020; Anm) mit € 94.000 und nach 24 Jahren mit € 8.800. Für den Fall einer Optionsausübung nach 25 Jahren (somit ab 1.11.2034) war in der Liste zwar als Preis „0“ angeführt, im Vertrag aber vorgesehen, dass das Optionsrecht erlischt, wenn es nicht bis spätestens 31.10.2034 ausgeübt wird. Für den Fall der Nichtausübung des Optionsrechts bis dahin war vorgesehen, dass sich der vereinbarte Hauptmietzins auf € 300 (wertgesichert) verringert.
Im Vertrag wurde festgehalten, dass das Optionsentgelt bei der Ermittlung des Kaufpreises gem Liste berücksichtigt worden sei. Für den Fall, dass „die Ausübung des Optionsrechts aus Gründen, die ausschließlich der Sphäre der Vermieterin zuzurechnen sind, unmöglich wird“, verpflichtete sich diese im Vertrag – durch eine Hypothek auf der Liegenschaft besichert – zur Rückzahlung des Optionsentgelts.
[3] Die Kl übte ihr Optionsrecht bis zur Insolvenzeröffnung am 29.6.2017 nicht aus. Mit an den Bekl gerichtetem anwaltlichen Schreiben vom 14.7.2020 erklärte sie, ihr „Optionsrecht […] zum vereinbarten Auslösungspreis von € 94.000 in Anspruch zu nehmen“ und „im Falle der Nichtannahme“ gemeinsam mit M H das Angebot zum Erwerb der Liegenschaft zum Verkehrswert von € 327.000 zu stellen.
[4] Mit E-Mail vom 18.7.2020 teilte der Bekl der KV mit, dass sE ein Fall des § 26 Abs 3 IO, nicht des § 21 IO vorliege.
[5] Die Kl entschloss sich hierauf dazu, die Liegenschaft (nunmehr) gemeinsam mit ihrem Sohn, Mu H, vom Bekl, der die freihändige Verwertung der Liegenschaft im Zuge des Insolvenzverfahrens betrieb, zu kaufen. Der am 19./22.1.2021 geschlossene Kaufvertrag sieht die Beendigung des bestehenden Bestandverhältnisses mit Rechtskraft der konkursgerichtlichen Genehmigung vor. Der in diesem Vertrag vereinbarte Kaufpreis von € 327.000 wurde gezahlt. Die Kl wurde hierauf gemeinsam mit ihrem Sohn zu gleichen Teilen im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.
[6] Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.2.2021 erstattete die Kl im Insolvenzverfahren unter Vorlage zahlreicher Beilagen folgende Anmeldung einer Forderung in (Gesamt-)Höhe von € 322.786,90:
„Die Gläubigerin schloss am 23.10.2009 einen Miet- und Kaufoptionsvertrag mit der Schuldnerin über die Liegenschaft ab. In diesem Vertrag hat die Schuldnerin untrennbar gegen Bezahlung eines einmaligen Entgelts von € 70.000 der Gläubigerin das Recht eingeräumt die Liegenschaft bis spätestens 31.10.2034 durch einseitige schriftliche Ausübungserklärung zu erwerben und wurde die Zahlung vereinbarungsgemäß geleistet. Gemäß Beilage A dieser Vereinbarung betrug das Optionsentgelt im Falle der Optionsausübung zum 1.7.2017 (sohin im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung) € 101.800. Die Liegenschaft wurde durch den MV jedoch öffentlich verwertet und ist der MV von der bestehenden Optionsvereinbarung daher (konkludent) gem § 21 IO zurückgetreten. So musste die Gläubigerin gemeinsam mit ihrem Sohn die Liegenschaft zu einem Gesamtkaufpreis von € 327.000 erwerben. Der Gläubigerin ist durch die Nichtmöglichkeit der Optionsausübung folgender Schaden entstanden:
• € 225.200,00 (Differenz zwischen vertraglichem Preis von € 101.800,00 und tatsächlichem Marktpreis bzw Preis eines Deckungsgeschäfts von € 327.000,00)
• € 33.264,00 (bezahlte Monatsmieten von je € 756,00 im Zeitraum 07/2017 – 02/2021)
• € 18.947,60 (höhere Nebenkosten bei Grunderwerbsteuer, Eintragungsgebühr und Kaufvertragserrichtung aufgrund höheren Kaufpreises)
• € 45.375,30 (höhere Kosten durch notwendige Fremdfinanzierung, zumal der Optionspreis durch Eigenmittel bezahlt werden hätte können)“
[7] Der Bekl bestritt diese Forderung in der Prüfungstagsatzung vom 9.3.2021.
[8] Das von der Kl geleistete Optionsentgelt von € 70.000 war durch ein Pfandrecht gesichert. Im Rahmen der vom InsGer am 22.3.2021 beschlossenen Meistbotsverteilung wurde der Kl der Betrag von € 70.000 zugewiesen und im Weiteren ausgezahlt.
[9] Die Kl begehrt mit ihrer Prüfungsklage nach § 110 IO die Feststellung, dass ihr im Insolvenzverfahren der
Schuldnerin eine Insolvenzforderung iHv € 322.786,90 zustehe. [10] Der Bekl beantragte die Abweisung der Klage. Er bestritt, dass die Schuldnerin als Kreditinstitut agiert habe und der spätere Erwerb Vertragsziel gewesen sei. Rechtlich vertrat der Bekl die Ansicht, dass der Vertrag als Bestandvertrag iSd § 24 IO zu behandeln sei und die Kaufoption § 26 Abs 3 IO unterfalle, weshalb sie mit Insolvenzeröffnung ex lege erloschen sei.
[11] Das ErstG wies die Klage ab.
[12] Das BerG bestätigte dieses Urteil. […]
[18] Die Revision ist zulässig; sie ist auch tw berechtigt. […]
[20] In ihrer Rechtsrüge zieht die Kl in Zweifel, dass der Bekl zufolge § 26 Abs 3 IO an das ihr am 23.10.2009 vertraglich eingeräumte Optionsrecht wegen Nichtausübung desselben vor der Insolvenzeröffnung nicht gebunden gewesen sei. Sie befindet sich damit im Recht.
[21] Nach § 26 Abs 3 IO ist der IV an Anträge des Schuldners, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht angenommen worden sind, nicht gebunden.
[22] Die Wendung „nicht gebunden“ ist mit der hA dahin zu verstehen, dass der Antrag mit dem Eintritt der Insolvenzwirkungen (§ 2 Abs 1 IO) eo ipso erlischt (Ehrenzweig, System 2 II/1 131; Gschnitzer in Klang 2 IV/1 68; Petschek/ Reimer/Schiemer, InsolvenzR 274; Gamerith in Bartsch/Pollak/ Buchegger, ÖInsR § 26 Rn 22; Riss in FS Fenyves 964; Bollenberger/P. Bydlinski in KBB6 § 862 Rn 2; Riedler in Schwimann/ Kodek, ABGB5 § 862 Rn 5; aA DuursmaKepplinger/Duursma in Buchegger, ZivilprozessR VI 187 ff). Dem IV steht es freilich frei, das erloschene Angebot gegenüber dem anderen Teil zu erneuern (Riss aaO; Perner in KLS § 26 IO Rn 16 ua).
[23] § 26 Abs 3 IO bezieht sich auf „Anträge des Schuldners“. Hierunter sind Anträge („Offerten“, „Angebote“, „Versprechen“) iSd § 862 ABGB zu verstehen (Gamerith aaO Rn 19; Weber-Wilfert/ Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, InsG § 26 KO Rn 73).
[24] Ob auch die Option – dies ist das vertraglich begründete Gestaltungsrecht, ein inhaltlich bereits festgelegtes Schuldverhältnis durch einseitige Erklärung in Geltung zu setzen (RS0115633 [T9]) – ein Antrag iSd § 26 Abs 3 IO ist, wird in Rsp und Lit unterschiedlich beantwortet:
Rsp:
[25] a) Das (tschechoslowakische) Oberste Gericht in Brünn hatte sich in der E vom 11.2.1919, Rv I 70/19, Slg (Sb) I/47, mit der Abgrenzung zwischen einem bloßen Angebot iSd § 26 KO und einem zweiseitigen Vertrag nach § 21 KO zu befassen. Es sprach aus, dass aus einem Antrag des Gemeinschuldners, der erst nach Konkurseröffnung angenommen worden ist, gegen die Masse keine Schadenersatzverpflichtung erwachse. Eine solche entstehe nur aus zweiseitigen Verträgen, bei denen der MV vom Geschäft zurücktritt. Ein Antrag dieser Art liege namentlich vor, wenn der gegenwärtige Gemeinschuldner einen Pachtvertrag abgeschlossen hatte und dann noch vor Eröffnung des Konkurses dem Vertragsgegner das Recht vorbehalten wurde, das gepachtete Grundstück während der Dauer des Pachtverhältnisses käuflich zu erwerben, und Letzterer von diesem Recht erst nach Ausbruch des Konkurses Gebrauch macht (wiedergegeben nach Weiß, Die Konkursgesetzgebung erläutert durch die Rsp [1924] 82).
[26] Bartsch/Pollak (KO3I 152) führten unter Berufung auf diese E aus, wenn in einem Pachtvertrag dem Pächter das Recht eingeräumt wird, die gepachtete Sache käuflich zu erwerben, so liege darin der Antrag zu einem Kaufvertrag.
[27] b) In 8 Ob 4/92 hielt es der OGH für den damals zu entscheidenden Fall für „nicht entscheidungswesentlich, ob es sich bei dem ‚unwiderruflichen Kaufanbot‘ der Gemeinschuldnerin um eine gewöhnliche, jedenfalls § 26 Abs 3 KO zu unterstellende Kaufoption des Kl, einen Optionsvertrag oder gar einen Kauf mit Vorbehalt des Rückverkaufes [...] handelt“.
[28] Die E wird von Gamerith dahin verstanden, dass nach ihr eine Kaufoption durch Konkurseröffnung über den „Anbotsteller“ erlösche (Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, ÖInsR § 26 Rn 22). Auch die – ein gesellschaftsrechtliches Aufgriffsrecht betreffende –E 6 Ob 64/20k1) (Pkt 2.6.) versteht die E dahin, dass sie eine „gewöhnliche“ Kaufoption unter § 26 Abs 3 KO subsumiert habe. Kletečka (in Konecny, Insolvenz-Forum 2008 19 FN 8) hält eine solche Interpretation demgegenüber für verfehlt.
c) In dem 2 Ob 278/97i zugrundeliegenden Fall hatten die Eltern ihrem Sohn mittels Übergabsvertrags gegen Zusage einer Versorgungsrente, eines Wohnrechts sowie weiterer Gegenleistungen ihre Liegenschaft übereignet, sich im Vertrag aber ein Wiederkaufs-
recht („Recht zum Rückkauf“) einräumen lassen. Nachdem der Sohn insolvent geworden war, übten die Eltern dieses Kaufrecht aus. Der IV erklärte hierauf gem § 21 KO „den Rücktritt von der im Übergabsvertrag [...] vereinbarten Rückkaufsvereinbarung“. Der OGH entschied, dass der Anspruch aus dem ausgeübten Wiederkaufsrecht ein solcher aus einem zweiseitigen, vom Gemeinschuldner und dem anderen Teil noch nicht erfüllten Vertrag sei. Ein Rücktritt des MV von dem im Übergabsvertrag vereinbarten Wiederkaufsrecht selbst sei nicht möglich. Dass die Kaufoption (Wiederkaufsrecht) nach § 26 Abs 3 KO erloschen sei, wird in der E implizit verneint. Mader lehrt unter Verweis auf die Entscheidung, dass der IV von einem vereinbarten, aber noch nicht ausgeübten Wiederkaufsrecht nicht zurücktreten könne und § 26 Abs 3 IO nicht zur Anwendung komme (Mader in Klang3 § 1068 Rn 39).
[29] d) Das Vorkaufsrecht erlischt in der Insolvenz des Eigentümers nach Rsp und L jedenfalls mit der Rechtskraft des Beschlusses über die Genehmigung des Kaufvertrags mit dem Dritten durch das Konkursgericht (8 Ob 40/21x 2) [Rn 18]; Spitzer/Told in Schwimann/Kodek5 Rn 4 ua). Dies impliziert, dass es noch nicht durch die Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen des durch das Vorkaufsrecht Belasteten erlischt, somit kein Fall des § 26 Abs 3 IO vorliegt.
[30] e) Der OGH hat jüngst unter eingehender Darlegung der divergierenden Ansichten in der Lit entschieden, dass gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte nicht unter § 26 Abs 3 IO zu subsumieren sind (6 Ob 64/20k mwN [insb Pkt 7.1]).
Lit:
[31] f) Gamerith vertrat die Ansicht, bei einem Mietvertrag mit Kaufoption verwandle sich das noch nicht ausgeübte Optionsrecht (Anspruch auf Abschluss eines Kaufvertrags) mit Konkurseröffnung in eine mit dem Schätzwert (§ 14 KO) anzumeldende Konkursforderung (Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, ÖInsR § 24 Rn 3). Zur Kaufoption vertritt Gamerith an anderer Stelle allg die Ansicht, diese erlösche durch Konkurseröffnung über den „Anbotsteller“ (s oben lit b).
[32] g) Duursma-Kepplinger/Duursma vertreten – unter Berufung auf Bartsch/
1) ÖBA 2021, 107 mit Anm von Seekirchner.
2) ÖBA 2023, 305.
Pollak und damit die bereits referierte tschechoslowakische E (s oben lit a) – die Ansicht, werde in einem Pachtvertrag dem Pächter das Recht eingeräumt, die gepachtete Sache zu kaufen, liege darin der Antrag zu einem Kaufvertrag. Ihres Erachtens ist § 26 Abs 3 KO „sowohl auf Optionen als auch auf vertragliche Vereinbarungen mit denen sich jemand verpflichtet, einem anderen ein Angebot zu machen, wodurch ein Ge staltungsrecht eingeräumt wird, aufgrund dessen schließlich der Vertrag zustande kommt, anwendbar“. Optionen seien am ehesten mit den Anträgen des § 26 Abs 3 KO zu vergleichen und daher auch dieser Vorschrift zu unterstellen. Dies führe zu sachgerechten Lösungen (Duursma-Kepplinger/Duursma in Buchegger, ZivilprozessR VI 186 f).
[33] h) Weber -Wilfert/Widhalm - Budak meinen, weil unter „Anträgen“ in § 26 Abs 3 KO Offerte und Angebote iSd § 862 ABGB zu verstehen seien, sei „auch jede Art von Optionen unter diese Vorschrift zu subsumieren“. Die Option werde nämlich als „Offert mit verlängerter Bindungswirkung“ bezeichnet. So seien Krediteröffnungsverträge nach § 26 Abs 3 (und Abs 2) KO zu beurteilen, ebenso Kaufoptionen. Auch das noch nicht ausgeübte Vorkaufsrecht sei § 26 Abs 3 KO zu unterstellen, da es als Option anzusehen sei. Die Position des nicht insolventen Optionsberechtigten sei nicht insolvenzfest. Sehr wohl sei aber grds § 21 – und demnach nicht § 26 Abs 3 – IO auf eine entgeltlich eingeräumte Option (Optionsvertrag) anzuwenden. Wiederum § 26 IO und nicht § 21 sei heranzuziehen, wenn die Option bereits vor Insolvenzeröffnung erworben, aber das dafür geschuldete Entgelt noch nicht geleistet wurde (Weber-Wilfert/ Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, InsG § 26 KO Rn 38, 73, 91; WidhalmBudak in Konecny, InsG § 21 IO Rn 92 f, 96 f, 100 ff, 105).
[34] i) Kletečka lehrt, dass § 26 Abs 3 KO auf Options-, Vorkaufs- sowie Wiederkaufsrechte und ganz allg auf Verträge nicht zur Anwendung gelange. Er begründet dies mit der mangelnden Eignung der Rechtsfolge. Würde die Option im Falle, dass sie sich aus einem Vertrag ergebe, der noch zahlreiche andere Regelungen enthalte, nach § 26 Abs 3 KO mit Insolvenzeröffnung erlöschen, so würde dies dem IV ein „Rosinenpicken“ ermöglichen. Die Option fiele weg, ohne dass der Optionsberechtigte einen Schadenersatzanspruch habe, der IV könnte aber in den Restvertrag, wenn dieser noch beiderseits iSd § 21 KO unerfüllt ist, eintreten. Der Dritte müsste dann den Vertrag erfüllen, obwohl er die für ihn vielleicht essentielle Option
verliere. Es gehe nicht an, aus einem vielschichtigen Vertrag Optionen, Vorund Wiederkaufsrechte usw mithilfe des § 26 Abs 3 KO gleichsam „hinauszuschießen“. Auch bei Hernahme eines selbstständigen Optionsvertrags führte die Heranziehung des § 26 Abs 3 KO zu schwer nachvollziehbaren Ergebnissen. Sollte ein entgeltlicher Optionsvertrag beiderseitig noch unerfüllt sein, würde das Optionsrecht nach § 26 Abs 3 erlöschen und dem Dritten verbliebe nur ein Bereicherungsanspruch als Konkursforderung. Dass dieser anders als beim Rücktritt nach § 21 KO nicht auch den Ersatz des Nichterfüllungsschadens verlangen könne, wäre wertungsmäßig kaum begründbar (Kletečka in Konecny, Insolvenz-Forum 2008 21 f).
[35] j) Trenker schließt sich den Ausführungen Kletečkas an. Er führt resümierend aus, dass ein Optionsrecht, das auf einem synallagmatischen Vertrag beruht und somit Bestandteil des subjektiven Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sei, nicht unter § 26 Abs 3 IO zu subsumieren sei (Trenker, JBl 2012, 287).
[36] k) Schopper/Skarics schließen sich den Ausführungen von Kletečka und Trenker an. § 26 Abs 3 IO ist ihres Erachtens „nicht auf Kaufoptionen des Leasingnehmers anzuwenden, die Teil der subjektiven Äquivalenz im Leasingverhältnis sind“. Die vertragliche Äquivalenz könne entgegen Gamerith auch nicht mittels des § 14 IO hergestellt werden, weil die Norm nur analog heranziehbar wäre, der ersatzlose Entfall eines „Antrags“ gem § 26 Abs 3 IO aber keine planwidrige Lücke hinterlasse (Schopper/ Skarics in BVR 2 VII Rn 1/416).
Der Senat hat dazu erwogen:
[37] Der Wortlaut des § 26 Abs 3 IO bezieht sich auf „Anträge des Schuldners“, also „Versprechen“ (= Offerten, Angebote) iSd § 862 ABGB. Wie bereits dargestellt erlöschen diese mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Offerenten. Der Oblat hat daher keine Möglichkeit mehr, die Offerte anzunehmen und damit einen Vertrag entstehen zu lassen (§ 861 S 1 ABGB).
[38] Anders als das bloß auf Gesetz beruhende Recht des Adressaten eines Angebots, dasselbe anzunehmen und dadurch den Vertrag entstehen zu lassen, ist die Option das vertraglich begründete Gestaltungsrecht, ein inhaltlich bereits festgelegtes Schuldverhältnis durch einseitige Erklärung in Geltung zu setzen (RS0115633 [T9]). Auf Optionen könnte § 26 Abs 3 IO daher allenfalls im Wege der Analogie anwendbar sein.
[39] Die Analogie setzte nach § 7 ABGB voraus, dass es sich bei der Option einerseits und bei dem unmittelbaren Regelungsgegenstand des § 26 Abs 3 IO (iVm § 862 ABGB) andererseits um „ähnliche Fälle“ handelt (vgl dazu nur G. Kodek in Rummel/Lukas4 § 7 Rn 37; Posch in Schwimann/Kodek5 § 7 Rn 10). Dies ist jedenfalls im hier zu beurteilenden Fall, in welchem vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Optionsverpflichteten die Option eingeräumt und das dafür versprochene Entgelt entrichtet, aber die Option bis zur Insolvenzeröffnung noch nicht ausgeübt wurde, zu verneinen:
[40] Anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 26 Abs 3 IO bedeutete ein Erlöschen einer Option einen Eingriff in eine bereits vertraglich abgesicherte Rechtsposition. Wurde –wie hier – die Option eingeräumt und das hierfür versprochene Entgelt entrichtet, so ist der Optionsvertrag sogar bereits beiderseitig erfüllt. Das österr Recht lässt (argumento e contrario § 21 IO) aber beiderseitig vollständig erfüllte Verträge von der Insolvenzeröffnung unberührt. Ein solcher Vertrag kann allenfalls der Anfechtung nach §§ 27 ff IO unterliegen (Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, ÖInsR I § 21 Rn 1). Es stünde mit dieser Grundwertung der IO in Widerspruch, würde eine vertraglich eingeräumte Option allein wegen der Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen des Optionsverpflichteten erlöschen.
[41] Wie von Kletečka und Trenker dargelegt, eröffnete die Anwendung des § 26 Abs 3 IO auf Optionen, die sich aus einem Vertrag ergeben, der noch andere Regelungen enthält (hier: über eine Vermietung), dem IV zudem die – vom Gesetzgeber unzweifelhaft nicht gewollte – Möglichkeit zu einem „Rosinenpicken“. Durch die Anwendung des § 26 Abs 3 IO auf die Option in einem solchen Fall bestünde die Gefahr, dass das von den Parteien angestrebte Synallagma bzw Äquivalenzverhältnis beeinträchtigt wird. Durch „Hinausschießen“ des Optionsrechts qua § 26 Abs 3 IO könnte die Situation eintreten, dass der vormals Optionsberechtigte nunmehr an einen restlichen Vertrag gebunden wäre, den er niemals in dieser Form geschlossen hätte, wäre ihm nicht die betreffende Option eingeräumt worden (mag er auch das für die Option entrichtete Entgelt bereicherungsrechtlich zurückerlangen).
[42] Auch die bisherige Rsp des OGH geht überwiegend bei Optionen (Gestaltungsrechten) zumindest implizit davon aus, dass diese nicht durch die Insolvenzeröffnung nach § 26 Abs 3 IO erlöschen.
[43] Auf einem anderen Blatt steht, ob der IV an den Vertrag gebunden ist, der zustandekommt, indem die Option ihm gegenüber ausgeübt wird (möglicher Rücktritt von diesem Vertrag nach § 21 IO analog; dazu noch im Folgenden). Der Senat gelangt aus den genannten Gründen zu folgendem Zwischenergebnis:
§ 26 Abs 3 IO findet auf die noch nicht ausgeübte Option jedenfalls dann keine Anwendung, wenn sie noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Optionsverpflichteten eingeräumt und das für sie versprochene Entgelt entrichtet wurde.
[44] Ob § 26 Abs 3 IO auf unentgeltliche Optionen anzuwenden wäre, ist hier nicht zu entscheiden, ebensowenig die Behandlung des – hier ebenso nicht gegebenen – Falls, dass eine Option bereits eingeräumt, das Entgelt aber zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Optionsverpflichteten noch nicht entrichtet ist.
[45] Die der Kl am 23.10.2009 gewährte (entgeltliche) Kaufoption ist demnach nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen. Es ist daher zu prüfen, ob hier die besondere Vorschrift des § 24 IO (Bestandvertrag) oder die allg Vorschrift des § 21 IO (sonstiger Vertrag) Anwendung findet:
[46] Wird dem Mietkäufer nach Ablauf der Mietzeit eine Kaufoption eingeräumt, dann ist der Mietkauf als zeitlich aufeinander folgende Koppelung zweier Verträge anzusehen (RS0128740). Ein solcher Mietkaufvertrag ist damit zum einen ein Gebrauchsüberlassungsvertrag, zum anderen ein Optionsvertrag und damit die Grundlage für das allfällige Entstehen eines anschließenden Kaufvertrags (vgl 3 Ob 532/953); 10 Ob 26/13s; BGH IX ZR 283/88).
[47] Hinsichtlich der Gebrauchsüberlassung ist (im Falle der Insolvenz über das Vermögen des Bestandgebers) § 24 IO maßgebend. Zöge man beim Mietkauf insofern § 21 IO heran, so wäre es – mit der aus § 24 IO ersichtlichen Wertung unvereinbar – dem IV möglich, ein Mietverhältnis ohne Weiteres zu beenden. Dass solches mit dem notwendigen Mieterschutz in Konflikt stände, erkennt auch der Bekl in der Revisionsbeantwortung.
[48] Hinsichtlich der Kaufoption ist demgegenüber § 21 IO maßgebend. Es ist somit eine „gespaltene Behandlung“ oder „getrennte Betrachtung“ von Mietverhältnis und Kaufoption vorzunehmen (vgl Oberhammer in Konecny/Schubert, InsG § 24 KO Rn 4; Schopper/Skarics in
BVR 2 VII Rn 1/416; für DE zB Hoffmann in MüKoInsO II Rn 55 ff]).
[49] Wurde hinsichtlich der Kaufoption der Vertrag bereits vollständig erfüllt, so bleibt die Option e contrario § 21 Abs 1 IO aufrecht. Wird die Option sodann ausgeübt, so kann der IV analog § 21 IO aber von dem damit zustandegekommenen, beiderseits noch nicht erfüllten Kaufvertrag zurücktreten (RS0064545; Gamerith aaO § 21 Rn 3). Er muss freilich in diesem Fall dem anderen nach § 21 IO Schadenersatz leisten. Die Vorschrift ist nur per analogiam anwendbar, weil sie unmittelbar nur für bei Insolvenzeröffnung bereits bestehende Verträge gilt, der Kaufvertrag aber erst mit Optionsausübung zustande kommt. Der Ähnlichkeitsschluss ist hier berechtigt, zumal der unmittelbar von § 21 IO geregelte Fall (Vorliegen eines noch vom Schuldner geschlossenen, noch nicht beiderseitig erfüllten Vertrags) und der hier als ähnlich beurteilte Fall (Vorliegen eines noch nicht beiderseitig erfüllten Vertrags, der zwar erst nach Insolvenzeröffnung zustande kommt, dies aber aufgrund einer noch vom Schuldner dem anderen eingeräumten Option) gemeinsam haben, dass der Vertrag noch nicht beiderseitig erfüllt ist und dass der Vertrag auf keinem eigenen Willensentschluss des IV beruht. Warum der unterschiedliche Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags es rechtfertigen sollte, dass im einen, nicht aber im anderen Fall der IV nach § 21 IO zurücktreten kann, wäre wertungsmäßig nicht zu begründen.
Dies bedeutet für den zu entscheidenden Fall:
[50] Die Kl übte ihr Optionsrecht mit Schreiben vom 14.7.2020 aus. Der Bekl antwortete, dass sE ein Fall des § 26 Abs 3 IO und nicht des § 21 IO vorliege. Aus den zuvor dargelegten Gründen war der Rechtsstandpunkt des Bekl irrig. Durch die Ausübung der Option kam ein Kaufvertrag über die Liegenschaft mit dem (auch im Schreiben vom 14.7.2020 angeführten) Kaufpreis von € 94.000 laut der Liste zum „Miet- und Kaufoptionsvertrag“ vom 23.10.2009 zustande.
[51] Der Bekl hatte daher nur die Möglichkeit, von diesem Vertrag nach § 21 IO zurückzutreten und der Kl Schadenersatz zu leisten, oder den durch Ausübung des Optionsrechts zustande gekommenen Kaufvertrag zu erfüllen und seinerseits von der Kl Erfüllung (dh Zahlung von € 94.000) zu fordern (§ 21 Abs 1 IO).
[52] Bringt der IV zum Ausdruck, dass § 21 IO nicht anwendbar sei, so kann sein Verhalten grds nicht dahin verstanden werden, dass er vom Vertrag nach § 21
IO zurücktrete (4 Ob 541/88; 1 Ob 57/05x [Pkt 1]). Um Klarheit zu erhalten, ob der IV iSd § 21 Abs 1 IO in den Vertrag eintritt oder von diesem zurücktritt, muss der Gläubiger in einem solchen Fall grds den in § 21 Abs 2 IO vorgesehenen Antrag an das InsGer stellen, dem IV eine Frist zur Erklärung iSd § 21 Abs 1 IO zu setzen, bei deren ergebnislosem Ablauf nach Abs 2 S 1 „angenommen wird, dass der IV vom Geschäft zurücktritt“.
Die Kl unterließ es, diesen Weg zu beschreiten. Dies würde an sich dazu führen, dass der Schwebezustand, dessen Beendigung § 21 Abs 2 IO dienen soll, nach wie vor bestünde, also dass ein durch Ausübung der Option mit Schreiben vom 14.7.2020 zustande gekommener Kaufvertrag zu einem Preis von € 94.000 vorläge, den der IV zu erfüllen hätte, von dem er aber nach wie vor zurücktreten könnte (Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, ÖInsR § 21 Rn 31; Widhalm-Budak in Konecny, InsG § 21 IO Rn 272 mwN).
[53] Ab Verwertung der Liegenschaft durch den IV wäre (und ist) ein Antrag nach § 21 Abs 2 IO geradezu sinnwidrig gewesen. Es ist aber nach dem konkret festgestellten Verhalten des Bekl auch davon auszugehen, dass der Bekl, hätte ihm über Antrag der Kl das Gericht vor der Verwertung der Liegenschaft eine Frist zur Erklärung nach § 21 Abs 2 Satz 1 IO gesetzt, weiterhin die Position eingenommen hätte, es läge kein Fall des § 21 IO, sondern des § 26 Abs 3 IO vor. Die hypothetische Durchführung des Verfahrens nach § 21 Abs 2 IO hätte damit dazu geführt, dass „angenommen wird, dass der IV vom Geschäft zurücktritt“. Zum gleichen Ergebnis käme man, nähme man an, der Bekl hätte innerhalb der ihm vom Gericht gesetzten Frist den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Darauf, dass er innerhalb der Frist erklärt hätte, in den Vertrag einzutreten, könnte sich der Bekl demgegenüber angesichts seines Gesamtverhaltens wegen des Verbots des venire contra factum proprium nicht berufen (RS0128483).
[54] Es ist damit von einer Schadenersatzpflicht des Bekl nach § 21 IO auszugehen.
[55] Entgegen der Ansicht des Bekl steht dieser Schadenersatzpflicht nicht die vertragliche Regelung entgegen, wonach im Falle der Unmöglichkeit der Ausübung des Optionsrechts aus Gründen, die ausschließlich der Sphäre der Vermieterin zuzurechnen sind, das Optionsentgelt
3) ÖBA 1996, 80.
zurückzuzahlen ist. Es ist der Kl nicht zu unterstellen, dass sie durch die genannte Klausel auf Schadenersatzansprüche verzichten wollte. Das vom Bekl zugrunde gelegte Verständnis hätte der Vermieterin die den beiderseitigen Vertragswillen nicht zu unterstellende Möglichkeit eröffnet, jederzeit die Liegenschaft zu für sie besseren Konditionen einem Dritten zu verkaufen, ohne eine Schadenersatzpflicht gegenüber der kaufoptionsberechtigten Kl befürchten zu müssen.
[56] Der Schadenersatz lautet auf das Erfüllungsinteresse, das bei § 21 IO konkret berechnet werden kann, also unter Zugrundelegung eines Deckungsgeschäfts (Perner in KLS § 21 IO Rn 49). Ein solches liegt hier vor, zumal die Kl die Liegenschaft dem Bekl, nachdem dieser ihre Optionsausübung nicht anerkannte, freihändig – nicht auf Grundlage des mittels Ausübung der Option perfektionierten Kaufvertrags, sondern auf Grundlage eines zweiten Kaufvertrags – gemeinsam mit ihrem Sohn abkaufte.
[57] Die vorliegende Schadenersatzklage ist entgegen der Ansicht des Bekl nicht wegen ungenügenden Inhalts der Forderungsanmeldung unschlüssig. In der Forderungsanmeldung werden der Abschluss des Miet- und Kaufoptionsvertrags und die Verwertung der Liegenschaft durch den IV vorgebracht; ferner, dass die Kl hierauf gemeinsam mit ihrem Sohn die Liegenschaft zu einem Gesamtkaufpreis von € 327.000 erworben habe. Es ist unstr (und wird sogar vom Bekl selbst ins Treffen geführt), dass die Kl mit an den Bekl gerichtetem anwaltlichen Schreiben vom 14.7.2020 erklärte, ihr Optionsrecht zum Preis von € 94.000 in Anspruch zu nehmen. Zumal, wie ausgeführt, von einem Rücktritt des Bekl nach § 21 IO von einem – qua Optionsausübung zustandegekommenen – Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von € 94.000 auszugehen ist, hat die Kl alle tatsächlichen Voraussetzungen ihres Schadenersatzanspruchs in Bezug auf den Ankauf der Liegenschaft zu einem höheren Preis vorgebracht. Auch brachte sie (noch) hinreichend vor, wegen der fehlenden Zustimmung des Bekl zur Kaufoptionsausübung einen Mietschaden erlitten zu haben. Gleiches gilt für die Kosten des Grunderwerbs durch den höheren Kaufpreis und die höheren Kreditfinanzierungskosten. Hinsichtlich dieser Aspekte erweist sich iÜ – worauf noch einzugehen ist – der Sachverhalt als weitestgehend unstr, weshalb das Fehlen dbzgl Feststellungen durch die Vorinstanzen nicht schadet. Unstrittiges Parteienvorbringen ist auch im Rechtsmittelverfahren ohne weiteres der E zu Grunde zu legen (2 Ob 142/16w [Pkt I] mwN; RS0121557 [T1, T8]).
[58] Eine rechtliche Ableitung der Ansprüche in der Forderungsanmeldung oder Klage ist für die Schlüssigkeit nicht erforderlich. Die Klageforderung muss nur aus dem Sachverhalt abzuleiten sein.
[59] Weil durch Ausübung der Option ein Kaufvertrag zustande kam und nach diesem die Kl (laut der Liste A zum Kaufvertrag) für die Liegenschaft nur € 94.000 zahlen hätte müssen, sie aber mit ihrem Sohn € 327.000 (Deckungsgeschäft) zahlte, beträgt der Schaden unmittelbar durch den höheren Kaufpreis grds € 233.000.
[60] Die Kl hätte sich die Mieten für den Zeitraum August 2020 bis Februar 2021 erspart (7 x € 756 [wobei nur die Zahlung der halben Miete für Februar 2021 str ist, dies sind € 378]). Damit erhöht sich ihr Schaden um € 4.914 (noch nicht spruchreif mangels Feststellung: € 378; nicht berechtigt: darüber hinausgehender Mietzinsschaden iHv € 27.972).
[61] Die Schadensposition „€ 18.947,60 (höhere Nebenkosten bei Grunderwerbsteuer, Eintragungsgebühr und Kaufvertragserrichtung aufgrund höheren Kaufpreises)“ wurde vom Bekl nicht substantiiert bestritten, sodass auch dieser Betrag der Kl grds zusteht.
[62] Hinsichtlich der vom Bekl bestrittenen Schadensposition „€ 45.375,30 (höhere Kosten durch notwendige Fremdfinanzierung, zumal der Optionspreis durch Eigenmittel bezahlt werden hätte können)“ fehlen demgegenüber Feststellungen.
[63] Berechtigt ist der Einwand des Bekl, die Kl habe bloß hälftiges Miteigentum an der Liegenschaft erworben. Es liegt hierdurch nämlich auch nur „ein halbes Deckungsgeschäft“ vor. Auf eine abstrakte Schadensberechnung hat sich die Kl nicht gestützt.
Der Schaden der Kl beträgt daher:
A) ½ von € 233.000 = € 116.500 (nicht berechtigt: der verbleibende Rest auf die in dieser Hinsicht in der Klage begehrten € 225.200, dies sind €108.700)
B) zzgl € 4.914 (diese Miete zahlte die Kl zG) (noch nicht spruchreif: € 378; nicht berechtigt: der begehrte weitere Mietzinsschaden von € 27.972)
C) zzgl ½ von € 18.947,60 = € 9.473,80 (für höhere Vertragskosten etc) (nicht berechtigt: die restlichen € 9.473,80)
D) zzgl Kosten der Kreditfinanzierung von € 163.500 (halber tatsächlicher Kaufpreis) abzüglich € 94.000 (diesen Betrag hätte die Kl sowieso aufbringen müssen). Die Kl hat somit grds Anspruch auf Ersatz der Kosten der Finanzierung eines Kredits von € 69.500. Darüber muss noch ein Beweisverfahren durchgeführt und der Sachverhalt ergänzt werden.
[64] Vom Schadenersatzanspruch der Kl abzuziehen ist aufgrund des zutreffenden Einwands des Bekl ein Betrag von € 70.000, zumal bei Erwerb der Liegenschaft qua Ausübung der Option dieser Betrag beim Bekl verblieben wäre.
[65] Es ist damit mit Teilurteil eine Insolvenzforderung iHv € 60.887,80 festzustellen (= € 116.500 + € 4.914 + € 9.473,80 – € 70.000) und das Begehren auf Feststellung einer weiteren Insolvenzforderung iHv € 216.145,80 (= € 108.700 + € 27.972 + € 9.473,80 + € 70.000) abzuweisen. Hinsichtlich eines Betrags von € 45.375,30 (Kreditfinanzierung) und € 378 (halbe Miete August 2021) ist mangels dbzgl Feststellungen noch keine Spruchreife gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen sind insoweit aufzuheben und dem ErstG die neuerliche E nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Anmerkung:
Diese E behandelt die Frage, ob die Option ein „Antrag“ iSd § 26 Abs 3 IO ist, der bei Insolvenzeröffnung erlischt. Der OGH verneint diese Frage (Rn 40–43). Durch die Ausübung der Option nach Eintritt der Insolvenz entsteht daher ein Kaufvertrag, von dem der Insolvenzverwalter allerdings – da der Kaufvertrag beidseitig noch nicht erfüllt ist – nach § 21 IO zurücktreten kann (Rn 49). Anders als bei Anwendbarkeit des § 26 IO hat der auf Grund der Option Erwerbende bei Rücktritt nach § 21 IO einen Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens gegen die Masse, den er als Insolvenzforderung geltend machen kann. Da dies der von mir vorgeschlagenen Lösung entspricht (Klete čka, GesRZ 2009, 84f), wird es nicht verwundern, dass ich die E für richtig halte.
Die Gegenmeinung, welche die Option wie eine Offerte des Schuldners behandeln will, wurde zT unzureichend mit der Behauptung, es handle sich um eine „sachgerechte Lösung“ „begründet“ (Duursma-Kepplinger/Duursma in Buchegger, Beiträge VI 186f). Schon beachtlicher erscheint prima vista der Hinweis darauf, dass die Option manchmal als „Offerte mit verlängerter Bindungswir
kung“ bezeichnet wird (Weber-Wilfert/ Widhalm-Budak in Konecny, InsG § 26 Rn 38). Solche Lehrbuchsätze haben aber natürlich nur den Sinn, den Studierenden die Wirkungen der Option durch ein Bild näher zu bringen. Der fundamentale Unterschied zwischen einem bloßen Anbot und einem bereits zustande gekommenen Vertrag darf dabei aber natürlich nicht übersehen werden (Welser/ Klete čka, BR15 I Rn 457).
Mit der vorliegenden E hat der OGH diesem Unterschied Rechnung getragen und darauf hingewiesen, dass sich die Bindungswirkung der Offerte aus dem Gesetz, jene der Option aber aus der vertraglichen Einigung ergibt (Rn 38). Scheint dieses Argument auf den ersten Blick lediglich der Konstruktion verhaftet, handelt es sich dabei aber in Wahrheit tatsächlich um den maßgebenden Gesichtspunkt. Die unterschiedliche Behandlung von Anboten und Verträgen in der IO erklärt sich mE nämlich daraus, dass das Gestaltungsrecht beim Anbot nur durch Zugang entsteht, also ohne jegliches Zutun durch den Erklärungsempfänger. Hingegen hat sich bei der Option der Optionsberechtigte das Gestaltungsrecht bereits selbst durch Abschluss eines Vertrages „erwirtschaftet.“ Dies lässt ihn im Vergleich zu einem Oblaten als schutzwürdiger erscheinen und rechtfertigt die Differenzierung durch die IO.
Auf Grund des Sachverhalts der vorliegenden E konnte der OGH seine Ausführungen auf die entgeltliche Option, bei der das Optionsentgelt auch bereits entrichtet wurde, beschränken (Rn 43f). Den Fall einer entgeltlichen Option, bei der das Optionsentgelt noch nicht geleistet wurde, und die unentgeltliche Option lässt der OGH ausdrücklich offen. Auch diese lassen sich aber – trotz der fallbezogenen Beschränkung des Rechtssatzes – bereits aus der Argumentation des OGH beurteilen. Die vom OGH vorgenommene Differenzierung danach, ob die Bindungswirkung auf Gesetz (Offerte) oder Vertrag (Option) beruht, welche von der soeben aufgezeigten ratio getragen wird, schließt die Anwendung des § 26 Abs 3 IO auch bei noch ausstehender Leistung des Optionsentgelts und bei unentgeltlichen Optionen aus. Dass die Unentgeltlichkeit den § 26 Abs 3 IO nicht anwendbar macht, ergibt sich schon aus § 58 Z 3 IO, der den noch nicht erfüllten Schenkungsvertrag behandelt. Da bei der unentgeltlichen Option das Gestaltungsrecht bereits eingeräumt sein wird, wird idR auch diese Bestimmung nicht zum Tragen kommen; die unentgeltliche Option kann dann nur noch uU nach § 29 IO angefochten werden. Bei der entgeltlichen Option erspart der Ausschluss des § 26 IO im Übrigen auch schwierige
Abgrenzungsentscheidungen, wenn das Optionsentgelt nur teilweise entrichtet wurde. Die Anwendung des § 26 Abs 3 IO endet in allen Fällen mit dem Zustandekommen des Vertrages.
Ist das Optionsentgelt noch nicht (vollständig) beglichen, kann dies lediglich Auswirkungen auf das Wahlrecht des Insolvenzverwalters haben. Ist das Optionsentgelt noch (teilweise) ausständig, kann dieser nämlich bereits vom Optionsvertrag nach § 21 IO zurücktreten, wenn die Parteien das Entstehen des Gestaltungsrechts von der (vollständigen) Zahlung des Entgelts abhängig gemacht haben. Die Option ist ja dann beidseitig noch nicht vollständig erfüllt (Klete čka, GesRZ 2009, 84). Ob der Verwalter von der Option oder vom Hauptvertrag zurücktritt, macht aber dann, wenn ohne Rücktritt die Option ausgeübt worden wäre, in Bezug auf den Ersatz des Nichterfüllungsschadens keinen Unterschied.
Da § 26 Abs 3 IO generell auf Verträge nicht anwendbar ist, gilt das Gesagte auch für Vorkaufsrechte, Wiederkaufsrechte und gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte (Klete čka, GesRZ 2009, 83ff; zu Letzteren jüngst 6 Ob 64/20k, ÖBA 2021, 107 [Seekirchner]).
Wie gesagt, ist die Argumentation des OGH äußerst überzeugend. Der einzige Zweifel an der E bezieht sich auf die Höhe des festgestellten Anspruchs. Der OGH hat der Kl deshalb nur die Hälfte der Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten Kaufpreis und dem sich aus der Option ergebenden Kaufpreis zugesprochen, weil die Kl die Liegenschaft gemeinsam mit ihrem Sohn erworben hat. Sie hat daher nur die Hälfte des Kaufpreises des konkreten Deckungsgeschäfts bezahlt. Der Ersatzanspruch der Kl hätte aber natürlich auch abstrakt durch Bildung der Differenz zwischen dem Verkehrswert und dem günstigeren Kaufpreis aus der Option ermittelt werden können. Dazu führt der OGH aus, dass sich die Kl nicht auf eine abstrakte Schadensberechnung gestützt habe.
Die Berechnung des Schadens ist jedenfalls eine Rechtsfrage. Nur wenn die Kl ausdrücklich nur eine Art der Schadensberechnung wählt, könnte man in Anlehnung an die Rechtsprechung zur ausdrücklichen Berufung auf nur einen Rechtsgrund (RS0037610) eine entsprechende Beschränkung des Gerichts annehmen. Die Kl hat aber – jedenfalls in der Forderungsanmeldung – ihren Schaden nicht nur mit der Differenz zum Preis des Deckungsgeschäfts, sondern auch mit jener zum (als gleichhoch angenommenen) „Marktpreis“ veranschlagt (Rn 6). Da das Vorbringen in der Prü
fungsklage iW dem Vorbringen in der Forderungsanmeldung entsprach (Rn 9), dürfte sie das auch in der Klage so gehalten haben. Ohne Kenntnis des Akts kann aber selbstverständlich nicht beurteilt werden, ob der Bekl die von der Kl behauptete Höhe des Marktwerts substantiiert bestritten, welches Vorbringen die Kl erstattet und welche Beweisanträge sie gestellt hat. Eine endgültige Beurteilung dieser Frage ist daher dem Rezensenten nicht möglich.
Univ.-Prof. Dr. Andreas Kletečka, Salzburg
2927.
https://doi.org/10.47782/oeba202307052601
Art 25 WIKrRL; § 20 HIKrG; § 16 VKrG. Aus der Regelung des § 20 Abs 1 HiKrG idF BGBl I 2015/135 zog der OGH schon vor der E des EuGH C383/18 Lexitor den Umkehrschluss, dass laufzeitunabhängige Entgelte bei vorzeitiger Tilgung nicht aliquot zu reduzieren seien. Nach der E des EuGH zu C555/21 UniCredit Bank Austria AG steht das Unionsrecht in Gestalt von Art 25 WiKrRL einem solchen Umkehrschluss nicht entgegen. Aus unionsrechtlicher Sicht ist es daher nicht geboten, nach § 20 Abs 1 HIKrG aF bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits auch laufzeitunabhängige Kosten verhältnismäßig zu verringern. OGH 18. 4. 2023, 5 Ob 25/23x
Aus den Entscheidungsgründen:
[1] Der Kl ist ein nach § 29 KSchG klagebefugter Verein zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen. Die Bekl ist ein KI und bietet ihre Leistungen bundesweit an. Sie ist Unternehmerin und verwendet im Verkehr mit Verbrauchern iZm dem Abschluss hypothekarisch sichergestellter Darlehensverträge Vertragsformblätter, die unter dem Punkt „Vorzeitige Rückzahlung“ das Recht auf vorzeitige Darlehensrückzahlung durch den Darlehensnehmer sowie die Verringerung der von ihm diesfalls zu zahlenden Zinsen und der laufzeitabhängigen Kosten regeln. Diese Verträge enthalten zuletzt den Satz: „Klargestellt wird, dass die laufzeitunabhängigen Bearbeitungsspesen nicht – auch nicht anteilig – rückerstattet werden.“
[2] Jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 25.8.2020 hat die Bekl in ihren Vertragswerken diese Klausel gegenüber Verbrauchern im geschäftlichen Verkehr
verwendet. Einer Aufforderung des Kl im Abmahnschreiben vom 25.2.2020, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung iSd § 28 Abs 2 KSchG bzgl dieser Klausel bis spätestens 17.3.2020 abzugeben, kam die Bekl nicht nur nicht nach, sondern teilte dem Kl mit, dass sie von der Zulässigkeit der Klausel ausgehe.
[3] Der kl Verein begehrte die Verpflichtung der Bekl, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt, und/oder bei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung dieser Klausel oder die Verwendung sinngleicher Klauseln sowie die Berufung auf diese oder sinngleiche Klauseln zu unterlassen und die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.
[4] Die Klausel widerspreche Art 25 Abs 1 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU (WiKrRL), wonach der Verbraucher bei vorzeitiger Rückzahlung das Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits habe, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit eines Vertrags richten. Zum iW gleichlautenden Art 16 Abs 1 der RL 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge (VKrRL) habe der EuGH in der Rechtssache C-383/18 am 11.9.2019 (Lexitor) ausgesprochen, dass sowohl laufzeitabhängige als auch laufzeitunabhängige Kosten zu ermäßigen seien. Diese Rsp sei auch auf Hypothekar- und Immobilienkredite anzuwenden. Der in Umsetzung der WiKrRL erlassene § 20 Abs 1 des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes (HiKrG) habe sich an dem in Umsetzung der VKrRL geschaffenen § 16 Abs 1 des Verbraucherkreditgesetzes (VKrG) orientiert. Die Bestimmungen hätten gleichermaßen für den Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine verhältnismäßige Verringerung der vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen und laufzeitabhängigen Kosten vorgesehen, über laufzeitunabhängige Kosten hingegen keine Aussage getroffen. Beide Bestimmungen seien richtlinienkonform iSd E des EuGH Lexitor dahin auszulegen, dass auch laufzeitunabhängige Kosten zu reduzieren seien. Die Klausel beeinträchtige den Verbraucher iÜ auch gröblich iSd § 879 Abs 3 ABGB.
[5] Die Bekl wendete ein, die E des EuGH Lexitor sei nur zur VKrRL ergangen und auf Immobilienkredite nicht anzuwenden. Wenn auch die Bestimmungen der RL und der sie umsetzenden Gesetze nahezu gleich seien, sei aufgrund der Besonderheiten von Hypothekarverträgen und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definition der Gesamtkosten des Kredits
in den Richtlinien zu differenzieren. Bei Hypothekar- und Immobilienkrediten fielen wesentlich mehr laufzeitunabhängige Kosten an. Die E Lexitor wirke sich auf die inkriminierte Klausel daher nicht aus. Selbst wenn man das anders sehen wollte, wäre § 20 Abs 1 HiKrG aufgrund seines klaren Wortlauts und des eindeutigen Willens des Gesetzgebers einer richtlinienkonformen Interpretation idS nicht zugänglich. Das Veröffentlichungsbegehren sei nicht berechtigt. Die Bekl begehrte ihrerseits die Gegenveröffentlichung eines abweisenden Urteils und berief sich darauf, dass im konkreten Fall ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehe, zumal die inkriminierte Klausel zwingender Vertragsinhalt sei und der Rechtsstreit aufgrund der Veröffentlichungen durch den klagenden Verein auf www. verbraucherrecht.at publik geworden sei.
[6] Das ErstG wies das Unterlassungsund Veröffentlichungsbegehren ab und gab dem Gegenveröffentlichungsbegehren statt.
[7] Das BerG gab der Berufung des klagenden Vereins Folge und der Klage statt. […]
[11] Der Senat hat aus Anlass der Revision mit Beschluss vom 19.8.2021, AZ 5 Ob 66/21g, das Revisionsverfahren bis zur E des EuGH über den vom OGH an diesem Tag gestellten Antrag auf Vorabentscheidung ausgesetzt. Nunmehr hat der EuGH mit Urteil vom 9.2.2023, C-555/21 UniCredit Bank Austria AG diese Vorabentscheidung getroffen. Das Revisionsverfahren ist daher fortzusetzen. […]
[13] Die Revision ist zulässig, zumal die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, die regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung sind, eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, sofern derartige Klauseln bisher vom OGH noch nicht zu beurteilen waren (RS0121516). Dies ist im Hinblick auf § 20 Abs 1 HiKrG (aF) der Fall. Die Revision ist auch berechtigt
[14] 1.1. § 20 Abs 1 HiKrG BGBl I 2015/135 lautete in der bis 31.12.2020 anzuwendenden Fassung wie folgt:
„Der Kreditnehmer hat das jederzeit ausübbare Recht, den Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zT oder zG zurückzuzahlen. Die vorzeitige Rückzahlung des gesamten Kreditbetrags samt Zinsen gilt als Kündigung des Kreditvertrags. Die vom Kreditnehmer zu zahlenden
Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und ggf entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; laufzeitabhängige Kosten verringern sich verhältnismäßig.“
[15] 1.2. Mit § 20 Abs 1 HiKrG wurde Art 25 Abs 1 der WiKrRL in das nationale Recht umgesetzt (§ 1 HiKrG). Danach stellten die Mitgliedstaaten sicher, dass die Verbraucher das Recht haben, ihre Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag vollständig oder tw vor Ablauf des Vertrags zu erfüllen. In solchen Fällen hat der Verbraucher das Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet.
[16] 1.3. In der Rs C-383/18 Lexitor sprach der EuGH aus (Rn 36), Art 16 Abs 1 der VKrRL sei dahin auszulegen, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegte Kosten betreffe. Diese E erging ausschließlich zur Auslegung von Art 16 Abs 1 VKrRL und traf zu Art 25 WiKrRL keine Aussage.
[17] 1.4. Mit der Novelle BGBl I 2021/1 strich der Gesetzgeber aufgrund dieser E nicht nur in § 16 Abs 1 VKrG, sondern auch in § 20 Abs 1 HiKrG (jeweils) im letzten Satz das Wort „laufzeitabhängig“. Hintergrund war die Überlegung, dass § 16 Abs 1 VKrG bei vorzeitiger Rückzahlung nur eine Verringerung der laufzeitabhängigen Kosten vorsehe, was nach dem Urteil Lexitor zu einschränkend sei (ErläutRV 478 BlgNR 27. GP 2). Aufgrund der beinahe wortgleichen Vorgaben sei § 16 Abs 1 VKrG beinahe wortgleich wie § 20 HiKrG formuliert, sodass auch § 20 HiKrG entsprechend geändert werden solle (EBRV 478 BlgNR 27. GP 4). § 20 Abs 1 HiKrG idF dieser Novelle trat mit 1.1.2021 in Kraft und ist auf Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 geschlossen bzw gewährt werden (§ 31 Abs 5 HiKrG).
[18] 2.1. Da der erkSen im Gegensatz zum BerG insoweit nicht von „acteclaire“ ausging, legte er mit Beschluss vom 19.8.2021, 5 Ob 66/21y, dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
„Ist Art 25 Abs 1 der WiKrRL dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass sich im Fall der Ausübung des Rechts des Kreditnehmers, den
Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zT oder zG zurückzuzahlen, die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen und die von der Laufzeit abhängigen Kosten verhältnismäßig verringern, während es für laufzeitunabhängige Kosten an einer entsprechenden Regelung fehlt?“
[19] 2.2. Der EuGH hat mit Urteil vom 9.2.2023 in der Rechtssache C-555/21 UniCredit Bank Austria AG wie folgt geantwortet:
„Art 25 Abs 1 WiKrRL ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die vorsieht, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits nur die Zinsen und die laufzeitabhängigen Kosten umfasst, nicht entgegensteht.“
Der EuGH befasst sich mit dem Begriff der „Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“ gem Art 4 Z 13 der WiKrRL, der sämtliche Kosten umfasse, die der Verbraucher iZm dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind. Ausdrücklich ausgenommen davon sind Notargebühren, Gebühren für die Eintragung der Eigentumsübertragung in das Grundbuch, wie Kosten für die Grundbucheintragung und damit verbundene Steuern, sowie Entgelte, die der Verbraucher für die Nichteinhaltung der im Kreditvertrag festgelegten Verpflichtungen zahlen muss (Rn 24). Ob derartige Kosten zu diesen Gesamtkosten gehören, obliegt der Prüfung des nationalen Gerichts (Rn 25). Unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe der WiKrRL stellt der EuGH weiter fest, dass die in Art 25 Abs 1 WiKrRL vorgesehene Ermäßigung den Besonderheiten des Wohnimmobilienkreditvertrags Rechnung tragen muss und nicht darauf abzielt, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, in der er sich befände, wenn der Kreditvertrag für eine kürzere Laufzeit oder einen geringeren Betrag oder ganz allgemein zu anderen Bedingungen geschlossen worden wäre, sondern darauf, den Vertrag an die sich durch die vorzeitige Rückzahlung geänderten Umstände anzupassen. Damit kann das Ermäßigungsrecht nicht die Kosten umfassen, die unabhängig von der Vertragslaufzeit dem Verbraucher entweder zu Gunsten des Kreditgebers oder zu Gunsten Dritter für Leistungen auferlegt werden, die zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung bereits vollständig erbracht worden sind (Rn 28 ff).
[20] Zur Frage, welche Kosten von der Laufzeit abhängen und der verhält nismäßigen Kürzung unterliegen können,
stellt der EuGH auf das ESIS-Merkblatt ab, das der Kreditgeber dem Verbraucher gem Art 14 Abs 1 und 2 WiKrRL auszufolgen hat. Dieses Merkblatt sieht eine Aufschlüsselung der vom Verbraucher zu zahlenden Kosten danach vor, ob es sich um einmalige oder regelmäßige Kosten handelt (Rn 34), und ermöglicht es damit sowohl dem Verbraucher als auch dem nationalen Gericht zu prüfen, ob eine Art von Kosten objektiv mit der Vertragslaufzeit zusammenhängt (Rn 35). Diese standardisierte Aufschlüsselung verringert den Handlungsspielraum der KIe. Die in der E Lexitor noch angesprochene Gefahr eines missbräuchlichen Verhaltens des Kreditgebers rechtfertigt es daher nicht, die laufzeitunabhängigen Kosten in das in Art 25 Abs 1 der WiKrRL vorgesehene Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits einzubeziehen (Rn 32 ff). Sache der nationalen Gerichte ist es aber, dafür Sorge zu tragen, dass Kosten, die dem Verbraucher unabhängig von der Laufzeit des Kreditvertrags auferlegt werden, nicht objektiv ein Entgelt des Kreditgebers für die vorübergehende Verwendung des vertraglich vereinbarten Kapitals oder für Leistungen darstellen, die dem Verbraucher zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung noch erbracht werden müssten. Insoweit geht der EuGH von einer Nachweispflicht des Kreditgebers aus, ob es sich bei den betreffenden Kosten um einmalige oder regelmäßige handelt (Rn 38 f).
[21] 2.3. Aus der Regelung des § 20 Abs 1 HiKrG idF BGBl I 2015/135 zog (wie schon zur gleichlautenden Regelung des § 16 Abs 1 VKrG) der OGH vor der E des EuGH Lexitor den Umkehrschluss, dass laufzeitunabhängige Entgelte bei vorzeitiger Tilgung nicht aliquot zu reduzieren seien. Während dieser Umkehrschluss aufgrund der E Lexitor für den Bereich des VKrG zumindest zweifelhaft scheint, steht nach der E des EuGH C-555/21 UniCredit Bank Austria AG Art 25 WiKrRL einem solchen Umkehrschluss nicht entgegen. Aus unionsrechtlicher Sicht ist es daher nicht geboten, bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits laufzeitunabhängige Kosten tatsächlich verhältnismäßig zu verringern. Die von den Vorinstanzen aufgeworfene Frage richtlinienkonformer Interpretation des § 20 Abs 1 HiKrG (auch) im Lichte der E Lexitor zur VKrRL (hierzu 3 Ob 216/21t1); 5 Ob 197/21p2), die eine richtlinienkonforme Interpretation contra legem in Bezug auf § 16 Abs 1 VKrG aF ablehnen) stellt sich daher hier nicht. […]
[22] 2.4. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die beanstandete Klausel nicht dem bis vor Schluss der Verhandlung erster Instanz in Geltung
stehenden § 20 Abs 1 HiKrG aF widersprach und diese Bestimmung nicht im Widerspruch zu Art 25 WiKrRL und dem dort vorgesehenen Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits stand.
[23] 3.1. Nach der E des EuGH C-555/21 haben die nationalen Gerichte – um den in Art 41 lit b der WiKrRL vorgesehenen Umgehungsschutz zu gewährleisten –dafür Sorge zu tragen, dass die Kosten, die dem Verbraucher unabhängig von der Laufzeit des Kreditvertrags auferlegt werden, nicht objektiv ein Entgelt des Kreditgebers für die vorübergehende Verwendung des vertraglich vereinbarten Kapitals oder für Leistungen bilden, die dem Verbraucher zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung noch erbracht werden müssten. Der EuGH verlangt vom Kreditgeber einen Nachweis, ob es sich bei betreffenden Kosten um einmalige oder unregelmäßige Kosten handelt.
[24] 3.2. Die hier beanstandete Klausel nimmt die laufzeitunabhängigen Bearbeitungsspesen pauschal von der Rückerstattung aus, wobei sich aber aus dem Inhalt des Kreditvertrags aufgrund eines Sternchenhinweises die genaue Erläuterung der Bearbeitungsspesen ergibt, worauf die Bekl im erstinstanzlichen Verfahren auch ausdrücklich hingewiesen hatte.
[25] 3.3. Die dort genannte Bearbeitung des Kredits/Darlehensantrags, die Erstellung der Kredit/Darlehensunterlagen und die Kosten der Bonitätsprüfung sind aber begrifflich einmalige und daher objektiv laufzeitunabhängige Kosten. Jedenfalls für den Verbandsprozess muss es für die vom EuGH postulierte Prüf- und Nachweispflicht ausreichen, dass die Bekl als Kreditgeberin darlegt, welche Kosten sie konkret unter dem Begriff der „laufzeitunabhängigen Kosten“ iSd beanstandeten Klausel versteht und insofern von der Ermäßigung bei vorzeitiger Rückzahlung ausschließen will. Diese vertragliche Regelung ist dann nach ihrem – im Verbandsprozess kundenfeindlichsten (RS0016590) – Bedeutungsinhalt darauf zu prüfen, ob sie tatsächlich nur laufzeitunabhängige Kosten deckt. Dies ist hier zu bejahen.
[26] 4. Damit ist es dem klagenden Verein nicht gelungen, eine Verletzung des § 20 Abs 1 HiKrG aF durch die Bekl unter Beweis zu stellen. Eine Verletzung des § 879 Abs 3 ABGB scheidet aus, weil sich die Prüfung gröblicher Benachteili-
gung iS dieser Vorschrift am dispositiven Recht als Maßstab eines gerechten Interessensausgleichs zwischen den Parteien zu orientieren hat (3 Ob 216/21t [zu § 16 Abs 1 VKrG]). Wenn die Klausel bestimmt, dass die laufzeitunabhängigen Bearbeitungsspesen unabhängig von der Laufzeit der Finanzierung auch bei vorzeitiger Rückzahlung der Finanzierung nicht zurückerstattet werden, entspricht dies dem dispositiven Recht.
[27] 5.1. Die Unterlassungsklage ist daher abzuweisen. Die Zulässigkeit der Klausel nach der neuen Rechtslage ab 1.1.2021 braucht daher nicht geprüft zu werden. […]
[29] 6.1. Die Ermächtigung zur Veröffentlichung des abweisenden Teils eines Unterlassungsbegehrens („Gegenveröffentlichung“) ist nach stRsp an strengere Voraussetzungen geknüpft als die Urteilsveröffentlichung zu Gunsten des obsiegenden Kl (RS0079624 [T14]). Dem Bekl ist bei berechtigtem Interesse ein Anspruch auf Veröffentlichung des klageabweisenden Teils der E zuzugestehen, so etwa um einen beim Publikum durch die Veröffentlichung des klagestattgebenden Teils der E entstehenden „falschen Eindruck“ richtigzustellen oder weil gerade die betroffenen Klauseln zu den gesetzlich zwingenden Angaben in Verbraucherverträgen gehören (RS0079624 [T7]). ISd Schutzes des wirtschaftlichen Rufs der obsiegenden Bekl ist es für eine Veröffentlichung ausreichend, wenn das In-Frage-Stellen ihrer Klauseln einem breiten Publikum bekannt geworden ist oder die E in einem öffentlich ausgetragenen Meinungsstreit von allgemeinem Interesse ist (RS0079624 [T8]). Diese Voraussetzungen für die Gegenveröffentlichung hat die Bekl darzutun (RS0079624 [T14]). Dies ist ihr nach der zutreffenden Auffassung des ErstG gelungen.
[30] 6.2. Nach den Feststellungen wurde in mehreren Medien und vom klagenden Verein auf seiner Homepage über die E des EuGH in der Rechtssache Lexitor und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen berichtet. Der klagende Verein vertrat (ohne Differenzierung) die Auffassung, die Erwägungen in der Sache Lexitor seien auch auf Immobilienund Hypothekarkredite anwendbar. Der konkrete Rechtsstreit wurde überdies durch die Veröffentlichung der E des BerG auf der Homepage des klagenden Vereins bekannt gemacht, die von diesem lancierte Presseaussendung von österreichischen Medien aufgegriffen. Die Frage der richtlinienkonformen Interpretation von § 16 Abs 1 VKrG und § 20 Abs 1 HiKrG ebenso wie die Frage, ob letztere Bestimmung entsprechend
der Er wägungen des EuGH in der Sache Lexitor auszulegen ist, waren Gegenstand öffentlicher Diskussion. Von einem Informationsbedürfnis der beteiligten Verkehrskreise betreffend die Zulässigkeit der von der Bekl verwendeten Klausel, insb im Lichte der nunmehr vorliegenden E des EuGH, ist daher auszugehen. Auch in Ansehung der Stattgebung des Gegenveröffentlichungsbegehrens ist die Auffassung des ErstG daher zu teilen.
2928.
https://doi.org/10.47782/oeba202307052901
§§ 1009, 1478, 1486 ABGB; § 11 MaklerG. Ein Makler vermittelt für einen „Auftraggeber“ Geschäfte mit einem Dritten, ohne ständig damit betraut zu sein (§ 1 MaklerG). Nach § 11 S 1 MaklerG verjähren Ansprüche aus dem Makler vertragsverhältnis in drei Jahren ab Fälligkeit. Vereinbaren – wie hier – zwei Versicherungsmakler im Innenverhältnis, dass von vereinnahmten Maklerprovisionen an jenen Makler, der diesen Vertrag „eingebracht“ hat, 75% weiterüberwiesen werden und 25% einbehalten werden, entspricht dies jedoch einer Treuhandkonstruktion. Ein Sachverhalt, der es rechtfertigen könnte, die dreijährige Verjährungsfrist des § 11 MaklerG analog anzuwenden, liegt demnach nicht vor. Ein Anspruch auf Herausgabe von einbehaltenen Provisionen richtet sich daher nach den allgemeinen Regeln des § 1009 ABGB.
OGH 22. 3. 2023, 7 Ob 40/23t
Aus den Entscheidungsgründen:
[1] Der Kl ist unselbständiger Mitarbeiter eines Versicherers und nebenberuflich selbständiger Versicherungsmakler. Die bekl GmbH ist ebenfalls Versicherungsmaklerin. Beide verfügen über eine Gewerbeberechtigung für die „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten“.
[2] Jene Versicherungsmakler (wie der Vater des Kl), die sich der Bekl zunächst als Bürodienstleister bedient hatten, begannen iwF Versicherungsverträge, die sie als unselbständige Mitarbeiter eines Versicherers aus finanziellen Gründen entweder nicht bei diesem Versicherer abschließen konnten „oder aufgrund von Kundenwünschen über einen Makler günstiger abschließen sollten,“ über die Bekl abzuschließen. Die Bekl trat dabei gegenüber diesem Versicherer sowie auch gegenüber anderen Versicherern
im Außenverhältnis als Versicherungsmaklerin auf. Im Innenverhältnis war zwischen den einzelnen Versicherungsmaklern und der Bekl vereinbart, dass grds von den von der Bekl „vereinbarten“ (gemeint wohl: vereinnahmten) Maklerprovisionen an den Makler, der diesen Vertrag zur Bekl gebracht hatte, 75% weiterüberwiesen werden, 25% sollten von der Bekl für ihre Dienstleistungen einbehalten werden.
[3] Als der Vater des Kl in Pension gegangen war, übertrug er die Versicherungsverträge hinsichtlich der Kunden Ing E GMBH, S Gesellschaft m.b.H, H E und K O (kurz: Er, S, E und O) vorerst intern innerhalb des Versicherers an den Kl, der bereits damals unselbständiger Mitarbeiter dieses Versicherers war. Der Kl arbeitete zum damaligen Zeitpunkt auch bereits im Rahmen der Bekl.
[4] Im Zuge der „Übergabe der Verträge“ vom Vater auf den Kl besprachen die beiden gemeinsam mit dem früheren Geschäftsführer der Bekl, wie die Betreuung weitergehen sollte. Die drei vereinbarten, dass die Kunden S, E und Er iwF vom Kl in die Bekl eingebracht und de facto vom früheren Geschäftsführer der Bekl betreut werden sollten. Der Kl selbst sollte den Kunden O weiter betreuen.
[5] Der Kl brachte in etwa 2006 die Verträge der vier genannten Kunden in die Bekl ein. Gegenüber dem Versicherer schien ab diesem Zeitpunkt die Bekl als Maklerin auf, sämtliche Provisionen wurden an die Bekl ausbezahlt.
[6] Die Aufteilung der Provisionen wurde so gehandhabt, dass die Bekl den Versicherungsmaklern den zustehenden (75%igen) Anteil nach dem jeweiligen Prozentschlüssel direkt auszahlte.
[7] Die Provisionsabrechnungen, die die Bekl an die Makler übersendete, enthielten neben den zusammengefassten monatlichen Zahlungen eine Aufstellung der einzelnen den Maklern zugeordneten Versicherungsverträge samt Polizzennummern und Sparte sowie den als Provision überwiesenen Betrag. Nicht enthalten war jedoch der Betrag, den die Bekl vom Versicherer als Provision erhielt.
[8] Die Bekl traf ab etwa 2003 mit jenen Maklern, die viel Umsatz erbrachten, eine sogenannte „Vereinbarung Bestandsgarantie“. Diese Vereinbarung regelt ua die Aufteilung der Provisionsansprüche zwischen der Bekl und diesen Mitarbeitern. Danach wird jeder von einem Mitarbeiter an die Bekl herangetragene Versicherungsvertrag diesem
Mitarbeiter zugeordnet und die daraus resultierende Provision für die Betreuungszeit durch die Bekl garantiert (Pkt II.). Von den von den Versicherern an die Bekl aufgrund der Courtagevereinbarungen ausbezahlten Provisionen verbleiben der Bekl 25%, der Mitarbeiter erhält 75% der zur Auszahlung gelangenden Provision (Pkt III.).
[9] Der Kl unterschrieb diese Vereinbarung im zeitlichen Zshg mit der Pensionierung seines Vaters nicht, sondern erst kurz vor Prozessbeginn. Der Inhalt dieser Vereinbarung wurde jedoch tatsächlich so gelebt, dass die grundsätzliche Auf teilung, die in Punkt III. enthalten ist (25% an die Bekl, 75% an den Mitarbeiter) vorgenommen wurde.
[10] Im Jahr 2011 flossen aus den Versicherungsverhältnissen von Er, S und E keine Beträge an den Kl. Die Bekl behielt hinsichtlich dieser Kunden bis 2015 (mit einer möglichen Ausnahme) sämtliche Provisionen ein.
[11] Der Kunde O kündigte seine Verträge im Jahr 2016, sodass seit dieser Zeit keine Verträge mehr bei der Bekl verblieben.
[12] Mit Stufenklage vom 22.3.2021 begehrte der Kl von der Bekl die Rechnungslegung über sämtliche Provisionseingänge aus Versicherungsverträgen mit den Kunden Er, S, und E in den Jahren 2011 und 2013 bis dato und hinsichtlich des Kunden O* in den Jahren 2011 und 2013 bis 2016, jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres, wobei die Rechnungslegung durch Dokumentkopien zu belegen sei. Ferner begehrte er die Zahlung der sich aus dieser Rechnungslegung ergebenden Beträge, deren ziffernmäßige Festsetzung vorerst vorbehalten bleibe.
[13] Zusammengefasst brachte er vor, es bestehe zwischen ihm und der Bekl eine Zusammenarbeit aufgrund einer „Vereinbarung Bestandsgarantie“. Diese Vereinbarung diene der Aufteilung der Provisionen, die die Bekl von den Versicherern erhalte, auf die „Mitarbeiter“ der Bekl. Nach dieser Vereinbarung liege die Tätigkeit der „Mitarbeiter“ in der Vermittlung und Betreuung der Kunden; diese seien als selbständige Unternehmer tätig. Die Bekl trete nur im Außenverhältnis zu den Versicherern als Versicherungsmaklerin auf; im Innenverhältnis betreibe sie kein Eigengeschäft. Sie erbringe für die einzelnen Makler Bürodienstleistungen und vereinnahme die Provisionen. Jeder von einem Mitarbeiter an die Bekl herangetragene Versicherungsvertrag mit einem Kunden sei diesem Mitarbeiter zugeordnet und die daraus resultierende Provision für die
Betreuungszeit durch die Bekl garantiert („Bestandsgarantie“). Von den Provisionen erhalte die Bekl vereinbarungsgemäß einen Regieanteil von 25%, der Mitarbeiter erhalte 75%. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei aufrecht. Er habe vor kurzem Unregelmäßigkeiten bei der Gebarung der Provision durch die Bekl festgestellt und keine oder nur unzureichende Auskünfte erhalten; er habe Anspruch auf Vorlage einer Abrechnung in Form der Mitteilung eines Buchauszugs. Zu seinem Kundenstamm gehörten auch die vier im Klagebegehren genannten Kunden. Aus Versicherungsverträgen dieser Kunden habe ihm die Bekl für die Jahre 2011 sowie 2013 bis dato keine Provisionsanteile zugeleitet. Der Kunde O werde nicht mehr über die Bekl geführt, sodass das Begehren mit Ende 2016 begrenzt sei.
[14] Die Bekl wendete ein, eine derartige „Vereinbarung Bestandsgarantie“ sei zwischen den Parteien nicht abgeschlossen worden; die vorgelegte Vereinbarung sei weder datiert noch allseitig unterschrieben. Sämtliche Provisionen seien ordnungsgemäß abgerechnet und ausbezahlt worden. Der Kl habe hinsichtlich der genannten Kunden keine Vermittlungsleistungen erbracht; alle Arbeiten für diese Kunden hätten zwei andere Personen vorgenommen. Allfällige Provisionsansprüche des Kl seien zudem verjährt; er habe bis 2020 die monatlichen Abrechnungen und Auszahlungen nie beanstandet.
[15] Das ErstG gab mit Teilurteil dem (modifizierten) Rechnungslegungsbegehren der Stufenklage statt.
[16] Das BerG gab der Berufung der Bekl tw Folge. Es bestätigte mit Teilurteil die Stattgebung des Rechnungslegungsbegehrens des Kl hinsichtlich der Versicherungsverträge mit den Kunden/ Versicherungsnehmern Er, S und E für die Jahre 2018 bis inklusive 2021. Dieser Teil des Rechnungslegungsbegehrens blieb von der Bekl unbekämpft und ist daher in Rechtskraft erwachsen. Das Mehrbegehren des Kl auf Rechnungslegung auch über Provisionseingänge aus Versicherungsverträgen mit den Kunden Er, S und E in den Jahren 2011 und 2013 bis inklusive 2017 und ab 1.1.2022 sowie hinsichtlich des Kunden O in den Jahren 2011 und 2013 bis einschließlich 2016 wies es ebenso ab wie das darauf bezogene Zahlungsbegehren.
[25] Gegen den klagsabweisenden Teil des Teilurteils des BerG richtet sich die Revision des Kl […]
[27] Die Revision ist zulässig und auch tw berechtigt.
[28] 1. Der Kl bekämpft zwar formal die Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens betreffend Provisionseingänge aus den Versicherungsverträgen mit den Kunden Er*, S* und E* auch für die Zeit „ab dem 1.1.2022“. Die Revision enthält dazu jedoch keine Argumente. Der Kl nimmt nicht zur rechtlichen Beurteilung des BerG Stellung, dass die Rechnungslegungspflicht für Provisionseingänge des Jahres 2022 erst mit Ablauf des 31.12.2022 bestehe. Da sich ein Rechnungslegungsbegehren schon begrifflich nur auf bereits erfolgte/erhaltene Zahlungen beziehen kann und nicht auch auf künftige Ansprüche, hat das BerG diesen Teil des Rechnungslegungsbegehrens, soweit er sich auf künftige Ansprüche des Kl gegenüber der Bekl bezieht, zu Recht abgewiesen (3 Ob 59/18z [Pkt 2.4.]).
2. Zum Rechnungslegungsbegehren
[29] 2.1. Wer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Vermögen anzugeben verpflichtet ist, oder wer von der Verweigerung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, ist nach Art XLII Abs 1 EGZPO zu beeideten Angaben des Vermögens oder der Schulden verpflichtet. Für beide Fälle fordert Art XLII Abs 2 EGZPO ein privatrechtliches Interesse des Kl.
[30] 2.2. In Betracht kommt hier der erste Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO. Dieser schafft keine eigene zivilrechtliche Verpflichtung, sondern setzt eine solche neben dem privatrechtlichen Interesse an der Ermittlung des Ver mögens für die Befugnis zur Klage voraus (RS0034986). Der Anspruch steht dem zu, der gegen einen ihm aus materiellrechtlichen Gründen zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, zu erheben vermag, wenn dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsausübung zumutbar ist (RS0106851).
[31] 2.3. Die Auskunftspflicht soll es dem Anspruchsberechtigten, dem es an den für eine Prozessführung erforderlichen Informationen fehlt, ermöglichen, sein Recht durchzusetzen. Das ist etwa der Fall, wenn der berechtigte Vertragspartner sonst seine Rechte nicht oder nicht ohne große Schwierigkeiten ausüben könnte oder über Art und Umfang seiner Rechte oder Pflichten im Unklaren bliebe (RS0035050 [T2]). So kann etwa der Anspruch auf Rechnungslegung zur Nachprüfung des Betrags einer zustehenden Provision von einem selbständigen Handelsvertreter oder einem provisions-
berechtigten Angestellten im Wege einer Stufenklage geltend gemacht werden (RS0035140).
[32] 2.4. Nach den Feststellungen hatte die Bekl aus den vom Kl ver mittelten Versicherungsverträgen in den streitgegenständlichen Zeiträumen Provisionseingänge, wovon ihm vereinbarungsgemäß ein Anteil weiterzuleiten gewesen wäre, dessen Höhe ihm aber mangels einer entsprechenden Abrechnung unbekannt ist. Der Bekl ist die begehrte Abrechnung über ihre Provisionseinnahmen auch zumutbar. Der Kl ist idZ als Machtgeber anzusehen und hat einen Rechnungslegungsanspruch entsprechend § 1012 ABGB.
[33] Das grds Bestehen des Rechnungslegungsanspruchs ist im Revisionsverfahren auch nicht str.
[34] 3. Der Anspruch auf Rechnungslegung verjährt als bloßer Nebenanspruch mit dem Hauptanspruch (RS0028102; RS0028134). Dementsprechend kann eine an sich bestehende Rechnungslegungspflicht in Bezug auf bereits verjährte (Haupt-)Leistungen nicht mehr durchgesetzt werden (RS0034930).
[35] Entgegen der Ansicht des BerG und der Bekl sind die klagsgegenständlichen Leistungsansprüche des Kl, die er aus der vertraglichen Vereinbarung mit ihr ableitet, nicht verjährt, sodass ihm der Rechnungslegungsanspruch zusteht.
[36] 4. Nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung tritt die Bekl im Außenverhältnis gegenüber den Versicherern als Versicherungsmaklerin auf. Im Innenverhältnis vereinbarten die Parteien, dass grds 75% der von der Bekl vereinnahmten Provisionen an ihn überwiesen werden sollen, wenn er den Versicherungsvertrag zur Bekl gebracht hat, und 25% sollen von der Bekl für ihre Dienstleistungen einbehalten werden.
[37] Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist hinsichtlich der Abrechnung und Weiterleitung der Provisionen einer treuhändigen Abwicklung ähnlich. Die Bekl hält die von ihr vereinnahmten Provisionen – jedenfalls zu einem gewissen Anteil – treuhändig für den Kl und ist aufgrund der getroffenen Vereinbarung verpflichtet, den vereinbarten Anteil dem Kl zukommen zu lassen (RS0010432; RS0010444). Als Gewalthaberin des mit dem Kl begründeten Rechtsverhältnisses ist die Bekl grds zur Herausgabe seines Anteils an der Provision – dem aus dem Abschluss des Versicherungsvertrags erhaltenen Vorteil – an den Machtgeber verpflichtet (§ 1009 ABGB). Der Her-
ausgabeanspruch nach § 1009 ABGB ist kein Schadenersatz-, sondern ein Erfüllungsanspruch des Geschäftsherrn aus dem Vertragsverhältnis. Er steht in keinem synallagmatischen Zshg mit dem Entlohnungsanspruch des Beauftragten (hier 25% der Provision; RS0019312 [T4]). Nach der Rsp verjährt der Herausgabeanspruch nach § 1009 ABGB in der allgemeinen Verjährungsfrist von 30 Jahren (RS0019397; 7 Ob 107/62; 2 Ob 217/09i [Herausgabe der Gewinnbeteiligung im Rahmen eines Automatenaufstellungsvertrags unterliegt 30 -jähriger Verjährung]; 9 Ob 2/17k [Anspruch des Mandanten auf Herausgabe der beim beauftragten Rechtsanwalt eingegangenen Barschaft unterliegt der 30 -jährigen Verjährungsfrist]; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1486 Rn 9 mwN [30 -jährige Verjährungsfrist für einen Anspruch des Machtgebers auf Herausgabe von Erlös und Gewinn und § 1009 ABGB und den darauf gegründeten Rechnungslegungsanspruch als Nebenanspruch]; P. Bydlinski in KBB6 § 1009 Rn 4).
[38] 5. Keine (analoge) Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 11 MaklerG sowie des § 1486 Z 1 ABGB.
[39] 5.1. Ein Makler vermittelt für einen „Auftraggeber“ Geschäfte mit einem Dritten, ohne ständig damit betraut zu sein (§ 1 MaklerG). Nach § 11 Satz 1 MaklerG verjähren Ansprüche aus dem Maklervertragsverhältnis in drei Jahren ab Fälligkeit. § 31 MaklerG knüpft die Fälligkeit der Provisionsansprüche des (Versicherungs-)Maklers an deren Abrechnung durch den Versicherer, die längstens einen Monat nach deren Entstehung (§ 30 Abs 2 MaklerG) zu erfolgen hat. Mit der Abrechnung oder in dem Zeitpunkt, in dem sie spätestens hätte erfolgen müssen, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 11 MaklerG zu laufen (Knotzer in Straube/ Ratka/ Rauter, UGB4 § 31 MaklerG Rn 2; Koban/Jabornegg in Fenyves/ Perner/Riedler, VersVG Anh zu §§ 43–48 Rn 236 f). Diese verjährungsrechtliche Sonderbestimmung wurde geschaffen, weil nicht nur die Forderungen gewerblich tätiger Makler, sondern auch die Provisionsansprüche der Gelegenheitsmakler in drei Jahren verjähren sollen (EBRV 2 BlgNR 20. GP 23; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.07 § 1486 Rn 4).
[40] Nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des MaklerG war die Verjährung des Provisionsanspruchs eines Maklers nach § 1486 Z 1 ABGB zu beurteilen (9 Ob 51/03w), wodurch sich am Ergebnis einer dreijährigen Verjährungsfrist nichts ändern würde.
[41] 5.2. Die von § 11 MaklerG erfassten „Ansprüche“ sind solche, die aus dem Maklervertrag resultieren, sohin Provisionsforderungen nach § 6 MaklerG und Aufwandersatz iSd § 9 MaklerG (Humpel/Michtner in Illedits/ Reich-Rohrwig, WohnR4 § 11 MaklerG Rn 2; Kothbauer in GeKo WohnR II § 11 MaklerG Rn 5). Der Kl macht aber gegenüber der Bekl keinen „Anspruch aus dem Maklervertragsverhältnis“ geltend, besteht doch im Innenverhältnis der Parteien kein Maklervertrag. Vielmehr ist die Bekl als Gewalthaberin verpflichtet, die von ihr vereinnahmte Provision in einem bestimmten Verhältnis an den Kl für den von ihm vermittelten Versicherungsvertrag zu zahlen.
[42] Ein Analogieschluss – wie ihn das BerG vornimmt – setzt eine Gesetzeslücke voraus, also eine Situation, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf. Es muss also eine „planwidrige Unvollständigkeit“, eine nicht gewollte Lücke vorliegen (RS0098756). Eine solche Lücke besteht nicht, gilt doch die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 1478 ABGB. Der Anspruch des Kl hat auch keinen „Provisionscharakter“, sondern ist dadurch geprägt, dass die Bekl für ihn treuhändig Versicherungsprovisionen einhebt und diese ihm gegenüber abzurechnen hat. Ein Sachverhalt, der es rechtfertigen könnte, die dreijährige Verjährungsfrist des § 11 MaklerG analog auf das Vertragsverhältnis der Parteien anzuwenden, liegt hier nicht vor.
[43] 5.3. Nach § 1486 Z 1 ABGB verjähren Forderungen für Lieferung von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstigen Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb in drei Jahren. Nach dieser Bestimmung verjähren die Forderungen für Leistungen, nicht aber die Forderung auf solche Leistungen. Der Anspruch eines Auftraggebers auf Herausgabe des Erlöses oder Gewinns nach § 1009 ABGB betrifft nicht eine Gegenleistung für eine erbrachte Leistung, sondern ist der Anspruch auf Leistung aus dem Vertrag selbst. Der kurzen, dreijährigen Verjährung unterliegen beim Bevollmächtigungsvertrag nur der Anspruch des Gewalthabers auf Provision und Auslagenersatz, nicht aber der Anspruch des Machtgebers auf Herausgabe von Erlös und Gewinn sowie der darauf gegründete Rechnungslegungsanspruch (7 Ob 107/62; Mader/Janisch aaO).
[44] Der Kl vermittelt Versicherungsverträge an Kunden. Dieser Versicherungsvertrag ist im Rahmen der Abrechnung über die Bekl ihm zugeordnet und diese
garantiert ihm gegenüber daraus einen entsprechenden Anteil an den vom Versicherer vereinnahmten Provisionen. Der Kl erbringt daher keine „sonstigen Leistungen“ iSd § 1486 Z 1 ABGB gegenüber der Bekl, sodass sein Anspruch auf anteilige Provision seine Grundlage auch nicht in einer Leistung an die Bekl (arg: „Forderung für ...“) hat. Der Anspruch des Kl auf Herausgabe seines Anteils an der Provision ist ein vertraglicher Anspruch aus der Erfüllung des Mandatsverhältnisses mit der Bekl, der in keinem synallagmatischen Zshg mit dem Entlohnungsanspruch der Beauftragten (25% der Provision) steht. Gegenständlich sind keine Ansprüche zu beurteilen, denen zugrunde liegt, dass der Kl an oder für die Bekl Leistungen erbracht hätte. Eine (auch analoge) Anwendung des § 1486 Z 1 ABGB scheidet daher aus.
[45] 5.4. Bei gemischten Verträgen ist für die Beurteilung jeder einzelnen Leistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende Vorschrift heranzuziehen (RS0013941), das ist nach der sogenannten Kombinationstheorie die Vorschrift jenes Vertragstyps, dem die einzelne Pflicht entstammt (2 Ob 217/09i [Pkt 4.]). War die Bekl zur Ausfolgung des dem Kl gebührenden Provisionsanteils verpflichtet und ist dessen Anspruch als Herausgabeanspruch iSd § 1009 ABGB zu qualifizieren, so entspricht es der Rsp des OGH, dass dieser Anspruch der 30 -jährigen Verjährung unterliegt (RS0019397).
[46] 6. Der Anspruch des Kl auf Rechnungslegung betreffend die im Revisionsverfahren strittigen Zeiträume ab 2011 ist daher nicht verjährt.
[47] Der Revision ist daher tw Folge zu geben und dem Rechnungslegungsanspruch des Kl auch für die Zeiträume 2011 bis einschließlich 2017 stattzugeben.
[48] 7.1. Im Teilurteil über das Rechnungslegungsbegehren ist grds über die bisherigen Verfahrenskosten auf Basis der Bewertung des Rechnungslegungsbegehrens zu entscheiden (Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rn 1.200; Konecny in Fasching/Konecny, ZPO 3 Art XLII EGZPO Rn 129; M. Bydlinski in Fasching/ Konecny, ZPO 3 § 52 ZPO Rn 5).
2929. https://doi.org/10.47782/oeba202307053201
§§ 63, 82 GmbHG. Nach stRsp zum Verhältnis eines an einer GmbH be
teiligten Treugebers zur Gesellschaft, sind nach dem Trennungsprinzip die Gesellschaftsbeteiligung und das Treuhandverhältnis voneinander zu trennen. Auch aus dem Umstand des Vorliegens eines Treuhandverhältnisses ist keine Haftung des Treugebers für die Leistung der Stammeinlage durch den Treuhänder abzuleiten. Ausnahmsweise haftet aber auch der Treugeber für die vom Treuhänder übernommene Einlagepflicht, wenn die Zwischenschaltung eines Treuhänders offenkundig Umgehungs bzw Missbrauchszwecken dient. Wird – wie hier – eine Treuhandkonstruktion gewählt, nach der eine Limited nach dem Recht Großbritanniens einzige Gesellschafterin einer österr GmbH ist, und dient diese Konstruktion dazu, die wirtschaftlichen Eigentümer nach außen hin nicht in Erscheinung treten zu lassen, führt dies per se nicht zu einer Haftung der Treugeber für die geltend gemachte Stammeinlage. Ebensowenig konnte die bloße (erlaubte) Inanspruchnahme der von der englischen Rechtsordnung bereitgestellten Gesellschaftsform der Limited rechtsmissbräuchlich sein, auch wenn dadurch im Inland ggf bestehende höhere Anforderungen für die Kapitalaufbringung umgangen werden sollten.
OGH 25. 1. 2023, 6 Ob 31/22k
Aus der Begründung:
[1] Im Jahr 2010 gründeten der im August 2020 verstorbene W K und J P, beide mit Wohnsitz in Österreich, die M Ltd mit dem Registersitz in W, Großbritannien. Da sie beide namentlich nicht aufscheinen wollten, wurde ein Treuhanddirektor eingesetzt, der unmittelbar nach der Bestellung zurücktrat, und W K und J P eine Generalvollmacht für die M Ltd eingeräumt hatte, um für die M Ltd uneingeschränkt tätig werden zu können. Die Rechtsform der Limited und die Treuhandkonstruktion wählten W K und J P bewusst, um Haftungen und die wesentlich höheren Gründungskosten einer GmbH zu vermeiden. Der tatsächliche Hauptverwaltungssitz der M Ltd befand sich in Österreich.
[2] Geplant war die Eintragung der M Ltd in das österr Firmenbuch. Nachdem diese jedoch nicht genehmigt worden war, suchte W K eine andere Lösung und schlug die Gründung einer GmbH vor. Diese erfolgte im Jahr 2012 in der Form, dass die M Ltd als einzige Gesellschafterin die M GmbH („M GmbH“) mit Sitz in Österreich gründete. Die notwendige Hälfte des Stammkapitals der M GmbH in Höhe von € 17.500 wurde
vom Geschäftskonto der M Ltd bei einer inländischen Bank gezahlt und zwischen W K und J P besprochen, dass es sich dabei jeweils zur Hälfte um 50% ihrer jeweiligen Stammeinlage handeln solle. Die M Ltd konnte und sollte ihre Gesellschafterrechte betreffend den W K zugeordneten Hälfteanteil nur in dessen Sinne ausüben. Zweck dieser Treuhandhaltung war die Verschleierung der wirtschaftlichen Verhältnisse an der M GmbH. Alleiniger eingetragener Geschäftsführer der M GmbH war J P. Fak tischer Geschäftsführer hingegen war W K, der betriebsintern und nach außen als Geschäftsführer auftrat und an der Spitze der Entscheidungshierarchie stand.
[3] Die M Ltd wurde am 18.12.2018 aus dem englischen Register gelöscht. Im August 2019 wurde über das Vermögen der M GmbH das Konkursverfahren eröffnet und die Kl zur MVin bestellt. Die restliche Stammeinlage der als Alleingesellschafterin eingetragenen M Ltd haftete zu diesem Zeitpunkt mit € 17.500 aus, wobei mittlerweile ein Hälfteanteil von € 8.750 von J P bezahlt wurde.
[4] Die Kl begehrt die Zahlung von € 8.750 sA. Die M Ltd habe einen Hälfteanteil an der M GmbH treuhändig für W K gehalten. Dieser sei indirekt beherrschender Gesellschafter der M GmbH gewesen und habe faktisch sowohl intern als auch nach außen die Geschäftsführung ausgeübt. Er habe mit J P die M Ltd in der Absicht gegründet, die wahren Eigentümer der Gesellschaft zu verschleiern und möglichst wenig Kapital in die Gesellschaft einzubringen, sodass der Haftungsfonds für die Gläubiger möglichst gering gehalten werden habe sollen. Es liege ein offenkundiger Umgehungsfall vor, bei dem aufgrund des Gläubigerschutzes der mitbeherrschende Treugeber nicht besser gestellt werden solle, als ein direkt beteiligter Gesellschafter. Die Bekl hafte daher für den noch ausständigen Teil der Stammeinlage der M GmbH. Nach der Löschung der M Ltd bestehe eine Restgesellschaft als Offene Gesellschaft weiter, weshalb die Bekl die Stammeinlage auch aufgrund der gesetzlichen Nachhaftung schulde. W K habe das Geschäftskonto der M Ltd auch zu privaten Zwecken genutzt und hafte aufgrund eingetretener Vermögensmischung für die Schulden der M Ltd und somit auch für die offene Stammeinlage der M GmbH. Er habe weiters dadurch, dass er Kunden der M GmbH abgeworben habe, den Konkurs selbiger verschuldet. Schließlich habe er für die M GmbH eine Finca in Spanien erworben, den Kaufvertrag aber auf seine Gattin abschließen lassen, die als Eigentümerin eingetragen worden sei. Kaufpreis und Investitionskosten habe indes
die M GmbH bezahlt. Die Herausgabe der Finca an die M GmbH sei verweigert worden und der Gesellschaft sei dadurch ein Schaden von rd € 300.000 entstanden.
[5] Die Bekl wendet ein, W K sei nie beherrschender wirtschaftlicher Eigentümer der M GmbH oder der M Ltd gewesen. Eine Durchgriffshaftung bestehe nicht. Eine solche bestünde nur in Einzelfällen, wozu die Behauptungen der Kl aber nicht ausreichten. Für die Insolvenz der M GmbH sei J P allein verantwortlich gewesen. Über den angesprochenen Kundenstamm habe W K selbst verfügt; er sei nicht in die M GmbH eingebracht worden und habe daher auch nicht abgeworben werden können. Es sei aus steuerlichen Gründen geplant gewesen, die im Eigentum seiner Frau stehende Finca an die GmbH zu vermieten. Die Kaufpreiszahlung für die Finca sei mit ausständigen Provisionsforderungen des W K, die den Kaufpreis überstiegen, ratenweise gegenverrechnet worden.
[6] Das ErstG gab dem Klagebegehren statt.
[7] Das BerG billigte die Rechtsansicht des ErstG und bestätigte dessen Entscheidung.
[9] Die Revision der Bekl ist zulässig Sie ist iSd eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt
[11] 2. Die Revision lässt – wie schon die Berufung – die Beurteilung der Vorinstanzen unbekämpft, wonach die M Ltd 50% der Anteile an der M GmbH als Treuhänderin für W K als Treugeber hielt.
[12] 3. Eine Haftung des W K als Treugeber für die von der M Ltd als Treuhänderin zu leistende Stammeinlage besteht nicht:
[13] 3.1. Die Frage, ob ein verbandsrechtliches Verhältnis des Treugebers W K zur M GmbH bestand, unterfällt dem Ausnahmetatbestand des Art 1 Abs 2 lit f Rom I-VO und unterliegt daher dem Gesellschaftsstatut der M GmbH; sie ist somit nach inländischem Recht zu beurteilen (6 Ob 220/20a1) [ErwGr 2.2.]). Davon gingen die Parteien und die Vorinstanzen (implizit) ohnehin aus.
[14] 3.2. Es entspricht stRsp des OGH zum grdsen Verhältnis eines an einer GmbH beteiligten Treugebers zur Gesellschaft, dass nach dem Trennungsprinzip Gesellschaftsbeteiligung und Treuhandverhältnis voneinander zu trennen sind (6 Ob 71/21s [ErwGr 3.3.2.]; 6 Ob 216/18k [ErwGr 1.4.]; 2 Ob 67/14p; 6 Ob 37/08x). Der Treugeber hat nicht etwa eine aus sei-
ner gesellschafterähnlichen Stellung abgeleitete Teilrechtsposition innerhalb der Gesellschaft; Gesellschafter ist vielmehr ausschließlich der Treuhänder. Er allein ist Träger der gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten, zwischen dem Treugeber und der Gesellschaft bestehen keine Rechtsbeziehungen (RS0123563; RS0010762 [T1]). Das gilt auch für eine offene Treuhand (RS0123563 [T3]). Der Treuhänder übt der Gesellschaft gegenüber eigene Rechte im eigenen Namen aus und ist aktiv sowie passiv klagslegitimiert. Die Gesellschaft wiederum hat alle geschuldeten Leistungen vom Treuhänder zu fordern und geschuldete Leistungen an diesen zu erbringen (6 Ob 71/21s [ErwGr 3.3.2.]; 6 Ob 216/18k [ErwGr 1.4.]).
[15] 3.3. Diese Grundsätze gelten auch für die aus dem Gesellschafterverhältnis entspringende Verpflichtung zur Leistung der Stammeinlage gem § 63 Abs 1 GmbHG. Daher ist aus dem bloßen Umstand des Vorliegens eines Treuhandverhältnisses keine Haftung des Treugebers für die Leistung der Stammeinlage durch den Treuhänder abzuleiten. Die abstrakte Gefahr, dass die Gläubiger der GmbH bei einem finanzschwachen Treuhänder auf dessen mögliche Befreiungsansprüche gegen den Treugeber verwiesen wären, reicht dafür alleine nicht aus (aA BGH II ZR 225/91 BGHZ 118, 107 mwN; Pentz in Rowedder, GmbHG6 § 24 Rn 18). Denn den Interessen der Gesellschaftsgläubiger an der Erlangung ihres Haftungsfonds stehen jene idR ebenso beachtenswerten Interessen des Treugebers gegenüber, an seiner bloß mittelbaren Beteiligung festzuhalten und nach außen hin nicht in Erscheinung zu treten (Cetin, Treuhandbeteiligungen an GmbHs [2014] 157). Dass die wirtschaftliche Zuordnung der Gesellschaftsanteile zum Treugeber nicht offengelegt werden soll, entspricht dem Wesen der Treuhand und führt nicht von vornherein zu deren Missbilligung. Anders als bei der Kapitalerhaltung, die selbst bei zG geleisteter Einlage zu beachten ist und umfänglich über die Einlagepflicht hinausgeht, geht es hier auch nicht um Fragen der Rückzahlung verbotener Leistungen (dazu unter Pkt 5.1.1. f) der Gesellschaft, bei der, va zur Missbrauchsverhinderung, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Vordergrund steht.
[16] 3.4. Im Hinblick auf den Zweck des § 63 Abs 1 GmbHG, der va die Kapitalaufbringung sicherstellen soll, ist für ein Überwiegen der Gläubiger interessen an einem weiteren dbzgln Haftungsfonds auch nicht ausschlaggebend, ob der Treugeber gesellschaftsintern mit Leitungs- oder Herrschaftsrechten ausgestattet ist, dem Treugeber also eine
mitbeherrschende Rechtsposition zukommt (dies genügen lassend Baier in Gruber/Harrer, GmbHG2 § 63 Rn 10; vgl Gruber, Treuhandbeteiligung an Gesellschaften [2001] 228 ff, 282 f; zur vergleichbaren dt Rechtslage vgl Ulmer in FS Odersky 886). Eine dem treuhändig gehaltenen Gesellschaftsanteil entsprechende Mitbestimmung iSd in der zitierten Lit geforderten Risikobeherrschung betreffend die Kapitalausstattung der Gesellschaft wird dem Treugeber überdies im Regelfall auch ohne gesonderte Einräumung durch die Mitgesellschafter – wenn auch indirekt –schon über die Vertragsbeziehung zum Treuhänder möglich sein. Auch eines Interessenausgleichs gegenüber den Mitgesellschaftern bedarf es wegen einer gesellschaftsinternen Ausstattung des Treugebers mit Leitungs- oder Herrschaftsrechten regelmäßig nicht, läge es doch an ihnen, vertraglich für eine von ihnen gewünschte unmittelbare Haftung des Treugebers zu sorgen (idS auch Cetin, Treuhandbeteiligungen an GmbHs 158).
[17] 3.5. Ausnahmsweise haftet aber auch der Treugeber für die vom Treuhänder übernommene Einlagepflicht, wenn die Zwischenschaltung eines Treuhänders offenkundig Umgehungs- bzw Missbrauchszwecken dient. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Treuhänder nur deshalb eingeschaltet wurde, um eine dbzgl Haftung des Treugebers zu vermeiden und der Treuhänder von vornherein nicht über die erforderlichen wirtschaftlichen Mittel verfügt, seiner Verpflichtung zur Leistung der Stammeinlage nachzukommen („Strohmann“; so zur vergleichbaren dt Rechtslage Schütz in MünchKomm, GmbHG4 § 24 Rn 51; Leuschner in Habersack/ Casper/Löbbe, GmbHG GroKo3 § 24 Rn 29; Roth/Thöni in FS 100 Jahre GmbHG 247). In diesen Fällen ist ein erweiterter Haftungsfonds in Form der solidarischen Haftung des Treuhänders und des Treugebers für die Aufbringung der Stammeinlage auch im Hinblick auf den dann höher als die Treugeberinteressen zu bewertenden Schutz der Gesellschaftsgläubiger sachgerecht (ähnlich Schopper in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 63 Rn 12, der allerdings zusätzlich eine gesellschaftsinterne mitbeherrschende Stellung des Treugebers verlangt; aA und generell gegen eine Haftungserstreckung F. Schumacher in U. Torggler, GmbHG § 63 Rn 3; zur dt Rechtslage etwa Ebbing in Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG3 § 24 Rn 45), die dadurch nicht auf den mit
Unsicherheiten behafteten (dazu Baier in Gruber/Harrer, GmbHG2 § 63 Rn 10) und aufwändigeren Weg über eine Pfändung und Überweisung eines im Regelfall bestehenden Befreiungsanspruchs des Treuhänders gegen den Treugeber verwiesen bleiben.
[18] 3.6. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
[19] Die bei der Gründung der M GmbH gewählte Treuhandkonstruktion unter Beteiligung der M Ltd, die dazu diente, dass die wirtschaftlichen Eigentümer nach außen hin nicht in Erscheinung traten, führte per se nicht zu einer Haftung des W K für die geltend gemachte Stammeinlage. Ebensowenig konnte die bloße (erlaubte) Inanspruchnahme der von der englischen Rechtsordnung bereitgestellten Gesellschaftsform der Limited rechtsmissbräuchlich sein, auch wenn dadurch im Inland ggf bestehende höhere Anforderungen für die Kapitalaufbringung umgangen werden sollten (9 ObA 125/08k). Dass der M Ltd, von deren Geschäftskonto überdies die Hälfte der Stammeinlage stammte, als Treuhänderin die Mittel zur Aufbringung der insges übernommenen Stammeinlage von vornherein fehlten, wurde weder behauptet noch festgestellt. Daher scheidet ein auf die Treugeberstellung des W K gestützter Anspruch der Kl auf Zahlung der restlichen Stammeinlage aus.
[20] 3.7. Auf die Ausführungen der Revision, wonach eine Haftung des Treugebers für die Stammeinlage eine höchstpersönliche Verpflichtung und daher unvererblich sei, muss nicht mehr eingegangen werden.
[21] 4. Eine Restgesellschaft in Form einer Offenen Gesellschaft nach Löschung der M Ltd aus dem englischen Register besteht nicht:
[22] 4.1. Erfolgte kein Heimfall an die englische Krone und war auch keine Wiedereintragung im Heimatregister zu erreichen, wurde das in Österreich gelegene Vermögen einer vor dem Brexit gelöschten Limited, die damit ihre Rechtsfähigkeit verloren hat, einer mit der gelöschten Limited nicht identen österr juristischen Person („Restgesellschaft“) zugewiesen (6 Ob 178/14s [ErwGr 4.6.]), um das etwa bei Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht sachgerechte Ergebnis zu vermeiden, dass die Gesellschafter (anders als die Gesellschafter der Limited) unbe -
schränkt als Gesamtschuldner für die Gesellschaftsschulden haften (6 Ob 178/14s [ErwGr 4.8.]). Auf diese „Restgesellschaft“ sind die Normen der Nachtragsliquidation für die GmbH analog anzuwenden (6 Ob 178/14s [ErwGr 4.8.]).
Aus den Bestimmungen des UGB über die Haftung der Gesellschafter einer OG ist für die Kl daher nichts zu gewinnen.
[23] 4.2. Bestand im Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union („Brexit“) bereits eine solche inländische Restgesellschaft, deren Rechts- und Handlungsfähigkeit nach österr Gesellschaftsrecht zu beurteilen war (6 Ob 178/14s [ErwGr 4.6.]), bliebe auch der Wegfall der Niederlassungsfreiheit durch den Brexit darauf ohne Einfluss. Zu einer Gesamtrechtsnachfolge auf die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bildenden Gesellschafter (oder den Alleingesellschafter) käme es lediglich bei einer im Zeitpunkt des Brexit existenten englischen Limited mit Verwaltungssitz im Inland (9 Ob 74/21d; 10 Ob 41/21h; RS0134015). Das ist hier aber nicht der Fall.
[24] 5. Ob nach den weiteren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen eine Haftung der Bekl besteht, kann noch nicht beurteilt werden:
[25] 5.1.1. Auch Fragen der Erhaltung des Gesellschaftskapitals der M GmbH, etwa der Einlagenrückgewähr, unterfallen dem Ausnahmetatbestand des Art 1 Abs 2 lit f Rom I-VO und unterliegen daher dem Gesellschaftsstatut (17 Ob 12/21w [ErwGr 5.1. f]; 9 Ob 68/13k [ErwGr III 1.6.]). Sie sind nach inländischem Recht zu beurteilen (vgl auch 6 Ob 220/20a [ErwGr 2.2.]).
[26] 5.1.2. Normadressaten des in § 82 GmbHG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind grds die Gesellschaft und die Gesellschafter. Dritte sind idR nur bei Kollusion oder grober Fahrlässigkeit rückgabepflichtig (RS0105536). Verboten sind auch – bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise –auf Veranlassung eines Gesellschafters vorgenommene Zuwendungen der Gesellschaft an einen dem Gesellschafter nahestehenden Dritten, so etwa nahe Angehörige, zumal die Zuwendungen dann wirtschaftlich gesehen dem Gesellschafter selbst zukommen (6 Ob 114/17h [ErwGr 1.3.]). Dies gilt jedenfalls für den Ehegatten des Gesellschafters (6 Ob 195/18x [ErwGr 2.2.]). Neben dem (unmittelbaren) Gesellschafter sind nach der Rsp sowohl der Treugeber des Gesellschafters (1 Ob 719/78) als auch der mittelbare Gesellschafter (6 Ob 21/20m) Adressaten des Verbots der Einlagenrückgewähr.
[27] Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall W K als Verbotsadressat zu qualifizieren und werden Zuwendungen der M GmbH an seine Ehegattin, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, vom Verbot erfasst.
[28] 5.1.3. Nach dem klägerischen Vorbringen läge daher eine Einlagenrückgewähr vor. Eine solche könnte aber auch gegeben sein, wenn sich eine allfällige Gegenleistung bzw die behauptete Gegenverrechnung mit Provisionsansprüchen nicht als ausreichend werthaltig erweist und das Geschäft dem Fremdvergleich nicht standhielte (6 Ob 89/21p2) [ErwGr 3.1.]; 6 Ob 232/16k 3) [ErwGr 1.3. f]).
[29] 5.1.4. Ausgehend von der vom Revisionsgericht nicht geteilten Rechtsansicht der Vorinstanzen, wurden zum dbzgln Vorbringen keine Feststellungen getroffen. Dies führt zur Aufhebung der E der Vorinstanzen. Im fortgesetzten Verfahren wird das ErstG diese Feststellungen nachzuholen haben.
[30] 5.2.1. Das ErstG ging offenbar davon aus, dass die vom Geschäftskonto der M Ltd erfolgte (tw) Zahlung der Stammeinlage der M GmbH aus dem Ver mögen der M Ltd erfolgte. Ob W K selbst Gesellschafter der M Ltd war, ist noch nicht abschließend geklärt. Das wurde zwar vom ErstG entsprechend dem zunächst übereinstimmenden Vorbringen der Parteien als unstr festgehalten. IdF behauptete die Kl allerdings, dass dessen Geschäftsanteil an der M Ltd treuhändig von der S Ltd gehalten worden sei. Nach den Feststellungen des ErstG wählten W K und J P schon betreffend die M Ltd eine „Treuhandkonstruktion“ und waren sie „wirtschaftliche“ Eigentümer der M Ltd. Das BerG und auch die Revision gehen davon aus, dass die M Ltd mittels einer Treuhandkonstruktion gegründet worden sei. Vor diesem Hintergrund ist aus der bloßen Behauptung, W K habe das Geschäftskonto der M Ltd auch zu privaten Zwecken verwendet, nicht abzuleiten, aus welchem Rechtsgrund dadurch eine Haftung der Bekl für die hier geltend gemachte Verbindlichkeit der M Ltd bestehen soll. Im fortgesetzten Verfahren wird diese behauptete Anspruchsgrundlage ebenso zu erörtern sein wie deren kollisionsrechtliche Anknüpfung, und die Kl wird ihr Vorbringen dementsprechend zu konkretisieren haben.
https://doi.org/10.47782/oeba202307053401
§§ 5c, 355 EO. § 5c Abs 3 EO normiert für die Unterlassungsexekution
einen Wahlgerichtsstand, der am Ort der titelwidrigen Handlung oder des eingetretenen Erfolgs anknüpft. Bestehen mehrere Erfolgsorte im Inland, so kommen auch mehrere Wahlgerichtsstände in Betracht. Ist etwa bei Begehung einer Internettat im Ausland angesichts der grds ubiquitären Abrufbarkeit von Websites der Erfolgsort im gesamten Bundesgebiet denkbar, so kann der Betreibende das zuständige Exekutionsgericht im Inland frei wählen, was auch sonst bei mehreren zur Verfügung stehenden (Wahl)Gerichtsständen die Regel ist. Dies gilt auch, wenn – wie hier – der Erfolg des Titelverstoßes nicht nur im Sprengel eines einzigen Gerichts, sondern öster reichweit eingetreten ist. OGH 15. 12. 2022, 3 Ob 207/22w
Aus der Begründung:
[2] Aufgrund einer vollstreckbaren einstweiligen Verfügung hat es die in Serbien ansässige Verpflichtete gegenüber der ebenfalls in Serbien ansässigen Betreibenden zu unterlassen, in Österreich ohne Zustimmung der Betreibenden Folgen bestimmter (konkret bezeichneter) TV-Shows zu senden und/oder im Internet zur Verfügung zu stellen und/ oder zu vervielfältigen sowie solche Handlungen durch Dritte zu ermöglichen.
[3] Aufgrund dieses Titels stellte die Betreibende einen Exekutionsantrag gem § 355 EO. Die Verpflichtete habe gegen die Unterlassungsverpflichtung dadurch verstoßen, dass sie eine bestimmte Folge einer TV-Show in Österreich über Live -Stream und über eine Streamingplattform zur Verfügung gestellt habe. Die Zuständigkeit des ErstG richte sich nach § 5c Abs 3 EO. Die beanstandete Sendung sei über das Internet in ganz Öster reich und damit auch im Sprengel des angerufenen ErstG abrufbar gewesen.
[4] Das ErstG sprach aus, dass es als Exekutionsgericht (örtlich) unzuständig sei.
[5] Das RekG gab dem Rekurs der Betreibenden Folge und sprach aus, dass „das ErstG für die E über den Exekutionsantrag zuständig“ sei. Mit dem Wahlgerichtsstand nach § 5c Abs 3 EO idF der GREx solle bei einer Unterlassungsexekution das Erfordernis eines Ordinationsantrags nach § 28 JN vermieden werden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die genannte Bestimmung auch dann anzuwenden sei, wenn der Betreibende das Exekutionsgericht infolge österreich-
weiten Erfolgseintritts frei wählen könne, höchstgerichtliche Rsp fehle. [...]
[8] Der Revisionsrekurs ist zulässig ; er ist aber nicht berechtigt
[9] 1. Die inländische Gerichtsbarkeit ist im Anlassfall unstr gegeben, zumal der Exekutionstitel ein Verbot bestimmter Handlungen in Österreich ausspricht und nach den Behauptungen der Betreibenden im Exekutionsantrag die Verpflichtete weiterhin derartige Handlungen setzt (RS0046154 [T7]; 3 Nc 5/12h; 3 Nc 6/13g).
[10] 2. Nach der Rechtslage vor der GREx bestimmte sich bei einer Exekution nach § 355 EO die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts in den Fällen des § 18 Z 4 EO aF nach dem (Wohn-)Sitz des Verpflichteten, weil dort die erste Exekutionshandlung, nämlich die Zustellung der Exekutionsbewilligung, zu bewirken war (RS0000652; RS0053178 [T2]). War bei einer solchen Exekution – wie hier –zwar die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, fehlte es aber an einem (Wohn-) Sitz des Verpflichteten im Inland, so war von Amts wegen der Akt dem OGH zur Ordination gem § 28 JN vorzulegen (3 Ob 113/94).
[11] 3.1. Die GREx hat die exekutionsrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften neu geordnet und in § 5c EO die Regelungen für die örtliche Zuständigkeit bei einer Exekution zur Erwirkung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen klarer gefasst. Danach richtet sich (auch) bei einer Duldungs- und Unterlassungsexekution nach § 355 EO die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Verpflichteten (§ 5c Abs 2 iVm § 4 Abs 1 EO). Darüber hinaus kann eine Exekution zur Erwirkung einer Unterlassung auch bei dem Gericht beantragt werden, in dessen Sprengel die gegen den Exekutionstitel verstoßende Handlung gesetzt wurde oder ihr Erfolg eingetreten ist (§ 5c Abs 3 EO).
[12] Nach der klaren Systematik dieser Regelung soll insb für den Fall, dass bei einer Unterlassungsexekution kein allgemeiner Gerichtsstand des Verpflichteten im Inland besteht, (so wie in § 4 Abs 2 EO) ein Auffangtatbestand geschaffen werden (RV 770 BlgNR XXVII. GP 6). Nach dem eindeutigen Wortlaut wurde dieser Auffangtatbestand in der Form eines Wahlgerichtsstands normiert, der am Ort der titelwidrigen Handlung im Inland oder – insb bei einer Tathandlung im Ausland – am Erfolgsort im Inland anknüpft.
[13] 3.2. Diese schon nach dem Wortlaut eindeutige Auslegung wird durch die Gesetzesmaterialien (RV 770 BlgNR XXVII. GP 8) bekräftigt. Nach diesen soll mit § 5c Abs 3 EO zusätzlich ein Wahlgerichtsstand für Unterlassungsexekutionen an jenem Ort vorgesehen werden, an dem die gegen den Exekutionstitel verstoßende Handlung gesetzt wurde oder ihr Erfolg eingetreten ist. Mit diesem Wahlgerichtsstand soll insb die Erforderlichkeit eines Ordinationsantrags nach § 28 JN bei einer Unterlassungsexekution gegen einen Verpflichteten, der im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, vermieden werden.
[14] 4. Als Ergebnis folgt, dass in § 5c Abs 3 EO für die Unterlassungsexekution ein Wahlgerichtsstand normiert wurde, der am Ort der titelwidrigen Handlung oder des eingetretenen Erfolgs anknüpft. In Bezug auf die Anzahl der in Betracht kommenden Gerichtsstände macht das Gesetz keine Einschränkungen. Bestehen mehrere Erfolgsorte im Inland, so kommen auch mehrere Wahlgerichtsstände in Betracht. Ist etwa bei Begehung einer Internettat im Ausland angesichts der grds ubiquitären Abrufbarkeit von Websites (EuGH C-507/17 Google Rn 56) der Erfolgsort im gesamten Bundesgebiet denkbar, so kann der Betreibende das zuständige Exekutionsgericht im Inland frei wählen, was auch sonst bei mehreren zur Verfügung stehenden (Wahl-)Gerichtsständen die Regel ist (vgl § 102 JN; § 5 Abs 1, § 6 EO; 1 Ob 105/13t). Entgegen der Ansicht der Verpflichteten gilt dies auch für den hier vorliegenden Fall, dass der Erfolg des Titelverstoßes nicht nur im Sprengel eines einzigen Gerichts, sondern österreichweit eingetreten ist.
[15] 5. Das RekG hat die Zuständigkeit des angerufenen ErstG zu Recht bejaht; der Spruch war im Weg einer Maßgabenbestätigung richtig zu stellen. Da die E des RekG mit der Rechtslage im Einklang steht, war dem Revisionsrekurs der Verpflichteten der Erfolg zu versagen.
2931.
https://doi.org/10.47782/oeba202307053501
§ 1078 ABGB, § 5 GBG. Enthält – wie hier – die Eintragung eines Vorkaufsrechts keine Berufung auf die ihr zugrunde liegende Vertragsurkunde oder einen sonstigen Rechtsgrund und deutet der damit allein maßgebliche Wortlaut („Vorkaufsrecht“) eine Erweiterungsvereinbarung nicht einmal an, ist eine Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf „andere Veräußerungs
arten“ iSd § 1078 ABGB zweifelsfrei nicht im Hauptbuch eingetragen. OGH 5. 12. 2022, 5 Ob 158/22d
Aus der Begründung:
[1] Der Vater des ASt hat diesem eine in seinem Alleineigentum stehende Liegenschaft mit notariellem Schenkungsvertrag vom 25.1.2022 geschenkt. Auf dieser Liegenschaft lastet ein Vorkaufsrecht für die Stadt Wien. Die dbzgl Eintragung C-LNr 2 lautet „Vorkaufsrecht für Stadt Wien“ und enthält keine weiteren Hinweise oder Zusätze.
[2] Der ASt begehrte die Einverleibung seines Eigentumsrechts ob dieser Liegenschaft; dies mit der Beschränkung durch das im Schenkungsvertrag vom 25.1.2022 vereinbarte Besitznachfolgerecht auf den Überrest für seine Schwester.
[3] Das ErstG wies den Antrag mit der Begründung ab, dass der begehrten Einverleibung das eingetragene Vorkaufsrecht der Stadt Wien sowie der fehlende urkundliche Nachweis der Staatsbürgerschaft entgegenstünden.
[4] Das RekG gab dem Rekurs des ASt nicht Folge. […]
[8] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
[9] 1. Für das Grundbuchsgericht bildet ein einverleibtes Vorkaufsrecht grds ein Eintragungshindernis. Das Grundbuchsgericht darf die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft, bei der ein Vorkaufsrecht einverleibt ist, nur bewilligen, wenn a) gar kein Vorkaufsfall vorliegt, b) der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder c) urkundlich nachgewiesen wird, dass dem Vorkaufsberechtigten die Liegenschaft zum Kauf angeboten wurde und er von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hat (5 Ob 52/21i; RS0021839). Im Vorkaufsfall ist für die Bewilligung der Einverleibung des Eigentums also der urkundliche Nachweis der Zustimmung der Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots erforderlich (5 Ob 17/15h; RS0020157).
[10] Liegt kein Vorkaufsfall vor, bleibt das verbücherte Vorkaufsrecht bestehen, haftet weiterhin auf der belasteten Liegenschaft und kommt erst zum Tragen, wenn der Erwerber seinerseits die Liegenschaft veräußern will (6 Ob 179/18v; 5 Ob 17/15h; RS0014294).
[11] Bleiben Zweifel, ob der Vorkaufsfall eingetreten ist, wirkt das verbücherte Vorkaufsrecht wie ein vom Grundbuchs-
gericht von Amts wegen zu beachtendes Veräußerungsverbot, das ohne zureichenden urkundlichen Nachweis der Zustimmung des Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots der Einverleibung eines Eigentumsübergangs entgegen steht, weil derartige Zweifelsfragen nicht im Grundbuchsverfahren gelöst werden können (RS0020201).
[12] 2. Ist eine Sache mit einem (reinen) Vorkaufsrecht iSd § 1072 ABGB belastet, dann bildet nur der Abschluss eines Kaufvertrags den Vorkaufsfall. Die Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf „andere Veräußerungsarten“ iSd § 1078 ABGB bedarf einer besonderen Vereinbarung (RS0109624).
[13] Liegt eine Vereinbarung vor, nach welcher sich das Vorkaufsrecht auch auf „andere Veräußerungsarten“ erstrecken soll („erweitertes Vorkaufsrecht“), dann kommt es auf die Vereinbarung an, ob die Anbotsverpflichtung bei jeder Veräußerung oder nur bei bestimmten Veräußerungsarten besteht. Wird ein Vorkaufsrecht pauschal und ohne Einschränkung für alle Veräußerungsarten vereinbart, kann es grds ausgeübt werden, sofern nur irgendein Veräußerungsfall vorliegt (5 Ob 17/15h).
[14] Andere Veräußerungsarten iSd § 1078 ABGB sind alle Geschäfte, die das endgültige Ausscheiden einer Sache aus dem Vermögen einer Person und ihre Übertragung auf eine andere bezwecken oder bewirken (RS0107637). Der vorliegende Schenkungsvertrag zwischen nahen Angehörigen bildet demnach eine „andere Veräußerungsart“ im Sinn des § 1078 ABGB und ist grds ein möglicher Vorkaufsfall (5 Ob 17/15h; RS0020199 [T1]; zur Problematik des Einlösungspreises s RS0020204).
[15] 3. Nach § 5 GBG ist, wenn die Eintragung eines bücherlichen Rechts in einer Kurzfassung nicht möglich ist, eine Berufung auf genau bezeichnete Stellen der der Eintragung zugrunde liegenden Vertragsurkunde mit der Wirkung zulässig, dass die bezogenen Stellen als im Hauptbuch eingetragen anzusehen sind (RS0060233 [T2]).
[16] Eine solche ausdrückliche Bezugnahme macht nicht etwa den gesamten Vertragsinhalt, sondern lediglich die bezeichnete Stelle zum Inhalt der Eintragung im Hauptbuch (RS0060233 [T2]). In Ermangelung einer genauen Bezeichnung des betreffenden Vertragspunkts ist nur die Eintragung im Hauptbuch maßgeblich (6 Ob 43/21y; RS0060231; Rassi in Kodek, GrundbuchsR 2 § 5 GBG Rn 7).
[17] 4. Die hier zu beurteilende Eintragung des Vorkaufsrechts enthält keine Berufung auf die ihr zugrunde liegende Vertragsurkunde oder einen sonstigen Rechtsgrund. Der damit allein maßgebliche Wortlaut („Vorkaufsrecht“) deutet eine Erweiterungsvereinbarung nicht einmal an. Grundbuchsperrende Wirkung gegenüber einer anderen Veräußerungsart entfaltet das verbücherte Vorkaufsrecht aber nur, wenn die Erweiterungsabrede im Hauptbuch eingetragen ist oder das Hauptbuch dbzgl zumindest auf die Urkundensammlung verweist (6 Ob 179/18v; 5 Ob 195/99h; 5 Ob 4/76).
[18] Damit ist eine Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf „andere Veräußerungsarten“ iSd § 1078 ABGB zweifelsfrei nicht im Hauptbuch eingetragen. Mangels Eintragung einer Erweiterungsabrede bildet ausschließlich der Verkauf den Vorkaufsfall; bei der vorliegenden Schenkung kann das Vorkaufsrecht daher nicht ausgeübt werden (RS0020203). Damit bedarf es weder des Nachweises eines Anbots gegenüber der Vorkaufsberechtigten noch deren Zustimmung.
Europäischer Gerichtshof (EuGH) und Gericht 1. Instanz (EuG) Bearbeitet von Univ.-Prof. Mag. Dr. Brigitta Lurger, LL.M. (Harvard)
unter Mitarbeit von Mag. Maximilian Korp, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Graz
EuGH-Entscheidungen
130.
https://doi.org/10.47782/oeba202307053601
Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – RL 93/13/EWG –Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Vertrag mit doppeltem Zweck – Art 2 Buchst b –Begriff des Verbrauchers – Kriterien;
1. Art 2 Buchst b der RL 93/13/ EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass unter den Begriff des Verbrauchers iS dieser Bestimmung
eine Person fällt, die gemeinsam mit einem anderen Kreditnehmer, der nicht im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, einen Kreditvertrag abgeschlossen hat, der teilweise für eine mit ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängende Verwendung und teilweise für eine nicht mit dieser Tätigkeit zusammenhängende Verwendung bestimmt ist, wenn der gewerbliche oder berufliche Zweck derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt.
2. Art 2 Buchst b der RL 93/13 ist dahin auszulegen, dass das vorlegende Gericht für die Fest stellung, ob eine Person unter den Begriff des Verbrauchers iS dieser Bestimmung fällt und insbesondere, ob der gewerbliche oder berufliche Zweck eines von dieser Person abgeschlossenen Kreditvertrags derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt, alle maßgeblichen quantitativen und qualitativen Umstände im Zusammenhang mit diesem Vertrag zu berücksichtigen hat, wie vor allem die Aufteilung der Verwendung des Kreditbetrags zwischen einer gewerblichen oder beruf lichen und einer nicht gewerblichen oder nicht beruflichen Tätigkeit und, im Fall einer Mehrzahl von Kreditnehmern, ob nur einer von ihnen einen gewerblichen oder beruflichen Zweck verfolgt oder ob der Kreditgeber die Gewährung eines Kredits für Konsumzwecke von einer teilweisen Verwendung des Kreditbetrags zur Begleichung von Verbindlichkeiten abhängig gemacht hat, die im Zusammenhang mit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen.
EuGH (5.Kammer) 8. 6. 2023, C570/21, YYY
Aus der Begründung:
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art 2 Buchst b der RL 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl 1993, L 95, S 29).
2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen I.S und K.S einerseits und einer Bank, der YYY. SA., andererseits wegen der Zahlung eines Betrags nebst Zinsen an diese Bank auf der Grundlage von Klauseln in einem an
den Wechselkurs einer ausländischen Währung gebundenen Hypothekenkreditvertrag.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Polnisches Recht
14. Art 221 der Ustawa – Kodeks cywilny (Zivilgesetzbuch) vom 23.4.1964 (Dz U 1964, Nr 16) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung definiert den Begriff „Verbraucher“ als „natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft mit einem Unternehmer abschließt, das nicht unmittelbar mit ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängt“.
15. Art 3851 § 1 des Zivilgesetzbuchs lautet: „Die Bestimmungen eines Verbrauchervertrags, die nicht individuell ausgehandelt wurden, sind für den Verbraucher unverbindlich, wenn sie seine Rechte und Pflichten in einer Art und Weise gestalten, die gegen die guten Sitten verstößt und ihn grob benachteiligt (verbotene Vertragsklauseln). Dies gilt nicht für Bestimmungen, die die Hauptleistungen der Parteien festlegen, insbesondere den Preis oder die Vergütung, wenn sie eindeutig formuliert sind.“ [...]
17. Die Kläger des Ausgangsver fahrens, I.S und K.S, heirateten, ohne einen Ehevertrag abgeschlossen zu haben. Am 28.2.2006 beantragten sie bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten des Ausgangsverfahrens einen Hypothekenkredit über einen Betrag von polnischen Zloty (PLN) 206.120 (etwa € 45.800) mit Schweizer Franken (CHF) als Indexierungswährung. Dieser Kredit sollte zum einen für die Refinanzierung von Verbraucherverbindlichkeiten im Zusammenhang mit einem Verbraucherkredit, einem Girokonto sowie einer Kreditkarte und zum anderen zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten an einer Wohnung verwendet werden.
18. Am 21.3.2006 schlossen die Kläger des Ausgangsverfahrens mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten des Ausgangsverfahrens einen an Schweizer Franken gebundenen Hypothekenkreditvertrag über PLN 198.996,73 (etwa € 44.200) mit einer Laufzeit von 300 Monaten. Die erste Rate dieses Kredits war zum einen für die Rückzahlung
von PLN 70.000 (etwa € 15.600) auf ein Girokonto auf den Namen einer von I.S geführten Gesellschaft und zum anderen für die Zahlung verschiedener Versicherungsprämien in Höhe von PLN 1.216,80 (etwa € 270), von PLN 3.979,93 (etwa € 880) und von PLN 3.800 (etwa € 840) bestimmt. Die zweite Rate war zum einen zur Rückzahlung verschiedener finanzieller Verbindlichkeiten der Kläger des Ausgangsverfahrens über Summen in Höhe von PLN 9.720 (etwa € 2.200), von PLN 7.400 (etwa € 1.600) und von PLN 9.000 (etwa € 2.000) sowie zum anderen zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten an einer Wohnung in Höhe von PLN 93.880 (etwa € 20.900) vorgesehen.
19. Sowohl zum Zeitpunkt der Stellung des Kreditantrags als auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags übte I.S eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus K.S dagegen ging im Rahmen eines Arbeitsvertrags einer Tätigkeit als Schlosser nach.
20. Die Kläger des Ausgangsverfahrens erhoben beim vorlegenden Gericht Klage auf Rückzahlung eines Betrags von PLN 13.142,03 (etwa € 2.900) zuzüglich Zinsen, den YYY. gemäß den Klauseln des Kreditvertrags über die Fälligkeit der monatlichen Tilgungsraten und die Höhe der Verbindlichkeit erhalten hatte, mit der Begründung, dass diese Klauseln missbräuchlich seien.
21. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass YYY. vor dem vorlegenden Gericht ua geltend machte, dass der in Rede stehende Kredit zur Rückzahlung eines Kredits in Verbindung mit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gewährt worden sei, so dass sich die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht auf den Rechtsschutz nach Art 3851 des Zivilgesetzbuchs berufen könnten.
22. Außerdem geht aus diesem Ersuchen hervor, dass I.S in der mündlichen Verhandlung vor dem vorlegenden Gericht am 11.1.2021 bestätigte, dass eine Summe in Höhe von PLN 70.000 (etwa € 15.600), die im Rahmen des in Rede stehenden Kreditvertrags gewährt wurde, zur Rückzahlung einer Verbindlichkeit auf ihrem Geschäftskonto verwendet worden sei und dieses Konto nach dieser Rückzahlung geschlossen worden sei. I.S erklärte zudem, dass die Rückzahlung Voraussetzung für den Abschluss dieses Vertrags gewesen sei.
23. Unter diesen Umständen hegt das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich
der Auslegung des Begriffs des Verbrauchers iS von Art 2 Buchst b der RL 93/13, und zwar vor dem Hintergrund, dass im Rahmen eines „gemischten“ Kreditvertrags ein weder überwiegender noch nebensächlicher Teil des Kreditbetrags, nämlich 35%, verwendet worden sei, um einen Kredit im Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit eines der Kläger des Ausgangsverfahrens zurückzuzahlen, und dass der andere Teil dieses Betrags, nämlich 65%, für Konsumzwecke außerhalb einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit bestimmt gewesen sei. Das vorlegende Gericht fragt sich im Wesentlichen, ob die auf der Grundlage der Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit bei Verbrauchersachen vorgenommene Auslegung des Begriffs des Verbrauchers im Urteil vom 20.1.2005, Gruber, C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32, auf die Auslegung des Begriffs des Verbrauchers iS von Art 2 Buchst b der RL 93/13 entsprechend angewandt werden könne. Mit diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Person, die einen Vertrag abgeschlossen hat, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der für einen teils beruflichen oder gewerblichen, teils nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnenden Zweck bestimmt ist, sich nur auf diese Zuständigkeitsvorschriften berufen kann, wenn der berufliche oder gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt.
24. Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass aus dem 17. Erwägungsgrund der RL 2011/83 und aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr 524/2013 hervorgehe, dass bei der Definition des Begriffs des Verbrauchers bei Verträgen mit doppeltem Zweck, dh bei Verträgen, die teilweise für gewerbliche oder berufliche und teilweise für nicht gewerbliche oder nicht berufliche Zwecke abgeschlossen würden, der gewerbliche oder berufliche Zweck so gering zu sein habe, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Vertrags nicht überwiege.
25. Außerdem fragt sich das vorlegende Gericht, welche Kriterien im Rahmen einer solchen Definition zu berücksichtigen seien. Es möchte insbesondere wissen, ob der Umstand, dass nur einer der Kläger des Ausgangsverfahrens einen gewerblichen oder beruflichen Zweck verfolgt habe, sowie der Umstand, dass der in Rede stehende Kredit ohne die Rückzahlung der Verbindlichkeit des betreffenden Unternehmens für einen nicht gewerblichen oder nicht beruflichen Zweck nicht gewährt worden
wäre, insoweit maßgebliche Kriterien darstellten.
26. Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy Woli w Warszawie (Rayongericht WarszawaWola in Warschau, Polen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind Art 2 Buchst b der RL 93/13 sowie deren Erwägungsgründe dahin auszulegen, dass sie der Definition einer Person, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt und gemeinsam mit einem Kreditnehmer, der keiner solchen Tätigkeit nachgeht, einen an eine Fremdwährung gebundenen Kreditvertrag abgeschlossen hat, der teilweise für die gewerbliche oder berufliche Verwendung durch einen der Kreditnehmer bestimmt war und teilweise für Zwecke, die nicht dessen gewerblicher oder beruflicher Tätigkeit zuzurechnen waren, als „Verbraucher“ nicht entgegenstehen, und zwar nicht nur dann, wenn die gewerbliche oder berufliche Verwendung so nebensächlich ist, dass sie im Gesamtzusammenhang des betreffenden Vertrags nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, und es nicht darauf ankommt, dass der nicht gewerbliche oder nicht berufliche Aspekt überwiegt?
2. Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Sind Art 2 Buchst b der RL 93/13 sowie deren Erwägungsgründe dahin auszulegen, dass der Begriff „Verbraucher“ in dieser Bestimmung auch eine Person umfasst, die zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübte, während der andere Kreditnehmer eine solche Tätigkeit nicht ausübte, wenn diese beiden Personen anschließend mit einer Bank einen an eine Fremdwährung gebundenen Kreditvertrag abschließen, dessen Kapital teilweise für die gewerbliche oder berufliche Verwendung durch einen der Kreditnehmer bestimmt war und teilweise für Zwecke, die nicht der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen waren, und wenn die gewerbliche oder berufliche Verwendung nicht nebensächlich war und im Gesamtzusammenhang des Kreditvertrags nicht nur eine ganz untergeordnete Rolle spielte, wobei der nicht gewerbliche oder nicht berufliche Aspekt überwog, und ohne Verwendung des Kreditkapitals für einen gewerblichen oder beruflichen Zweck die Kreditvergabe für einen nicht gewerblichen oder nicht beruf-
lichen Zweck nicht möglich gewesen wäre?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
27. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art 2 Buchst b der RL 93/13 dahin auszulegen ist, dass er der Einstufung einer Person als Verbraucher entgegensteht, die gemeinsam mit einem anderen Kreditnehmer, der nicht im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, einen Kreditvertrag abgeschlossen hat, der teilweise für eine mit ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängende Verwendung und teilweise für eine nicht mit dieser Tätigkeit zusammenhängende Verwendung bestimmt ist, wenn die Verbindung zwischen diesem Vertrag und der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit dieser Person nicht so nebensächlich ist, dass sie im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, aber derart gering ist, dass sie in diesem Gesamtzusammenhang nicht überwiegt.
28. Nach stRsp sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehört (Urteil vom 7.11.2019, Kanyeba u. a., C-349/18 bis C-351/18, EU:C:2019:936, Rn 35 und die dort angeführte Rsp).
29. Nach dem Wortlaut von Art 2 Buchst b der RL 93/13 ist unter dem Begriff des Verbrauchers eine natürliche Person zu verstehen, die bei Verträgen, die unter diese RL fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruf lichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
30. Die Verbrauchereigenschaft ist somit anhand eines funktionellen Kriteriums zu beurteilen, nämlich, ob die in Rede stehende Vertragsbeziehung außerhalb der Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit liegt (Urteil vom 27.10.2022, S V. [Im Miteigentum stehendes Gebäude], C- 485/21, EU:C:2022:839, Rn 25 und die dort angeführte Rsp). Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass der Begriff des Verbrauchers iS von Art 2 Buchst b der RL 93/13 objektiven Charakter hat und von den konkreten Kenntnissen, die die betreffende Person haben mag, oder den Informationen, über die sie tatsächlich verfügt, unabhängig ist (Urteil vom 21.3.2019, Pouvin und Dijoux, C-590/17, EU:C:2019:232, Rn 24 und die dort angeführte Rsp).
31. Dem Wortlaut von Art 2 Buchst b der RL 93/13 lässt sich jedoch nicht entnehmen, ob und, wenn ja, in welchen Fällen eine Person, die einen Vertrag mit doppeltem Zweck abgeschlossen hat, der nur teilweise ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, als Verbraucher iS dieser RL anzusehen ist.
32. Zum Regelungszusammenhang von Art 2 Buchst b der RL 93/13 und den mit ihr verfolgten Zielen ist festzustellen, dass diese RL, wie sich aus ihren Art 1 Abs 1 und Art 3 Abs 1 ergibt, auf missbräuchliche Klauseln „in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern“ Anwendung findet, die „nicht im Einzelnen ausgehandelt“ wurden (Urteil vom 15.1.2015, Šiba, C-537/13, EU:C:2015:14, Rn 19 und die dort angeführte Rsp).
33. Nach dem zehnten Erwägungsgrund dieser RL sollten einheitliche Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln, vorbehaltlich der in diesem Erwägungsgrund angeführten Ausnahmen, für „alle Verträge“ zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern iS von Art 2 Buchst b und c der RL gelten (Urteil vom 27.10.2022, S V. [Im Miteigentum stehendes Gebäude], C- 485/21, EU:C:2022:839, Rn 22 und die dort angeführte Rsp).
34. Die RL 93/13 definiert somit die Verträge, auf die sie anwendbar ist, unter Bezugnahme auf die Eigenschaft der Vertragspartner, dh darauf, ob sie im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handeln oder nicht (Urteil vom 21.3.2019, Pouvin und Dijoux, C-590/17, EU:C:2019:232, Rn 23 und die dort angeführte Rsp).
35. Ein solches Kriterium entspricht dem Gedanken, auf dem das mit dieser RL geschaffene Schutzsystem beruht, nämlich dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können (Urteil vom 3.9.2015, Costea, C-110/14, EU:C:2015:538, Rn 18 und die dort angeführte Rsp).
36. In Anbetracht dieser schwächeren Position sieht Art 6 Abs 1 der RL 93/13 vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Es handelt sich um eine zwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten
der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen (Urteil vom 17.5.2022, Ibercaja Banco, C- 600/19, EU:C:2022:394, Rn 36 und die dort angeführte Rsp).
37. Zudem hat der Gerichtshof bereits anerkannt, dass ein weites Verständnis des Begriffs des Verbrauchers iS von Art 2 Buchst b der RL 93/13 es ermöglicht, den durch diese RL gewährten Schutz allen natürlichen Personen zu sichern, die sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befinden (vgl in diesem Sinne Urteil vom 21.3.2019, Pouvin und Dijoux, C-590/17, EU:C:2019:232, Rn 28).
38. Daher sprechen, wie der Generalanwalt in den Nrn 61 und 66 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, der zwingende Charakter der in der RL 93/13 enthaltenen Bestimmungen und die mit ihnen verbundenen besonderen Erfordernisse des Verbraucherschutzes dafür, einer weiten Auslegung des Begriffs des Verbrauchers iS von Art 2 Buchst b dieser RL den Vorzug zu geben, um die praktische Wirksamkeit der RL zu gewährleisten.
39. Obwohl die Bestimmungen der RL 93/13 grundsätzlich nur anwendbar sind, wenn der in Rede stehende Vertrag eine Ware oder Dienstleistung zum Gegenstand hat, die zu einer anderen als der gewerblichen oder beruflichen Verwendung bestimmt ist, könnte somit eine natürliche Person, die einen Vertrag über eine Ware oder eine Dienstleistung für eine Verwendung abschließt, die sich teilweise auf ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit bezieht und die daher nur teilweise nicht dieser Tätigkeit zugerechnet werden kann, in bestimmten Fällen als Verbraucher iS von Art 2 Buchst b dieser RL eingestuft werden und sich damit auf den in dieser RL gewährten Schutz berufen.
40. Um die Beachtung der vom Gesetzgeber der Europäischen Union auf dem Gebiet der Verbraucherverträge verfolgten Ziele und die Kohärenz des Unionsrechts zu gewährleisten, ist insbesondere der in anderen unionsrechtlichen Regelungen enthaltene Begriff des Verbrauchers zu berücksichtigen (vgl in diesem Sinne Urteil vom 5.12.2013, Vapenik, C-508/12, EU:C:2013:790, Rn 25).
41. Wie die Kläger des Ausgangsverfahrens, die polnische Regierung und die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen hervorheben, ist insoweit die RL 2011/83 von maßgeblicher Bedeutung.
42. Abgesehen davon, dass die Definitionen des Begriffs des Verbrauchers in Art 2 der RL 93/13 und in Art 2 der RL 2011/83 einander weitgehend entsprechen, verfolgt die RL 2011/83 auch das gleiche Ziel wie die RL 93/13. Die RL 2011/83 hat nämlich die Rechte der Verbraucher in Bezug auf Verträge zum Gegenstand, die mit Unternehmern abgeschlossen wurden, und ist darauf ausgerichtet, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, indem den Verbrauchern Information und Sicherheit bei Geschäften mit Unternehmern gewährleistet werden (vgl in diesem Sinne Beschluss vom 15.4.2021, MiGame, C-594/20, EU:C:2021:309, Rn 28).
43. Außerdem weist die RL 2011/83, wie der Generalanwalt in Nr 72 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, eine enge Verbindung mit der RL 93/13 auf, da die RL 2011/83 die RL 93/13 geändert hat und diese beiden RL auf denselben Vertrag anwendbar sein können, sofern dieser Vertrag gleichzeitig in ihren jeweiligen sachlichen Anwendungsbereich fällt. Im Übrigen hat der Unionsgesetzgeber diese Verbindung kürzlich durch den Erlass der RL (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der RL 93/13/EWG des Rates sowie der RL 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Anwendung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (ABl 2019, L 328, S 7) bekräftigt.
44. Daher ist im Hinblick auf die Auslegung von Art 2 Buchst b der RL 93/13 der 17. Erwägungsgrund der RL 2011/83 zu berücksichtigen, der die Absicht des Unionsgesetzgebers in Bezug auf die Definition des Begriffs des Verbrauchers bei Verträgen mit doppeltem Zweck verdeutlicht und aus dem hervorgeht, dass diese Person auch als Verbraucher betrachtet werden sollte, wenn der Vertrag teilweise für gewerbliche oder berufliche und teilweise für nicht gewerbliche oder nicht berufliche Zwecke abgeschlossen wird und der gewerbliche oder berufliche Zweck im Gesamtzusammenhang des Vertrags nicht überwiegend ist.
45. Die Relevanz der Auslegung von Art 2 Buchst b der RL 93/13 im Licht des 17. Erwägungsgrundes der RL 2011/83 wird durch den 18. Erwägungsgrund der RL 2013/11 und den 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr 524/2013 bestätigt, die dieselbe Klarstellung zur Definition des Begriffs des Verbrauchers bei Verträgen mit doppeltem Zweck enthalten. Auch wenn die RL 2013/11 und die Verordnung Nr 524/2013 die Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und
damit andere Fragen als diejenigen betreffen, die in den RL 93/13 und 2011/83 im Hinblick auf den Verbraucherschutz geregelt sind, belegen diese Erwägungsgründe die Absicht des Unionsgesetzgebers, dieser Definition einen übergreifenden Charakter beizumessen.
46. Soweit diese Erwägungsgründe in Gesetzgebungsakten enthalten sind, die nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens erlassen wurden, genügt der Hinweis, dass, wie in Rn 38 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der zwingende Charakter der in der RL 93/13 enthaltenen Bestimmungen und die mit ihnen verbundenen besonderen Erfordernisse des Verbraucherschutzes dafür sprechen, einer weiten Auslegung des Begriffs des Verbrauchers iS von Art 2 Buchst b dieser RL den Vorzug zu geben, um die praktische Wirksamkeit der RL zu gewährleisten. Folglich spricht die teleologische Auslegung der RL 93/13 für den vom Unionsgesetzgeber in den Erwägungsgründen dargelegten Ansatz, wonach eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck abgeschlossen hat, der teilweise der gewerblichen oder beruf lichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, als Verbraucher anzusehen ist, wenn der gewerbliche oder berufliche Zweck derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt.
47. Die vom Gerichtshof in den Rn 31 und 45 des Urteils Gruber vorgenommene und in den Rn 29 bis 32 des Urteils vom 25.1.2018, Schrems (C- 498/16, EU:C:2018:37), zur Auslegung der Art 15 bis 17 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von E in Zivil- und Handelssachen (ABl 2001, L 12, S 1) sowie in den Rn 87 bis 91 des Urteils vom 14.2.2019, Milivojević (C- 630/17, EU:C:2019:123), zur Auslegung der Art 17 bis 19 der Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von E in Zivil- und Handelssachen (ABl 2012, L 351, S 1) bestätigte Auslegung des Begriffs des Verbrauchers steht einer Auslegung von Art 2 Buchst b der RL 93/13 im Licht des 17. Erwägungsgrundes der RL 2011/83 ebenfalls nicht entgegen.
48. Im Urteil Gruber hat der Gerichtshof nämlich die Art 13 bis 15 des Übereinkommens vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher E in Zivil- und Handelssachen (ABl 1972, L 299, S 32) in der Fassung der nachfolgenden Übereinkommen über den
Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem Überein kommen (im Folgenden: Brüsseler Überein kommen) ausgelegt.
49. Wie sich insbesondere aus den Rn 32, 33 und 43 des Urteils Gruber ergibt, betraf dieses Urteil die Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften für Verbrauchersachen im Brüsseler Übereinkommen, die von der in diesem Übereinkommen geregelten allgemeinen Zuständigkeitsvorschrift, dh der Zuständigkeit der Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, abweichen und als von dieser allgemeinen Vorschrift abweichende Zuständigkeitsvorschriften eng dahin auszulegen sind, dass sie keiner Auslegung zugänglich sind, die über die in diesem Übereinkommen ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinausgeht.
50. Vor diesem besonderen Hintergrund und unter gleichzeitiger Berücksichtigung weiterer maßgeblicher Aspekte im Rahmen der Auslegung der von diesem Übereinkommen vorgesehenen Zuständigkeitsvorschriften, wie der Erfordernisse der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts sowie des Ziels eines angemessenen Schutzes des Verbrauchers, das mit den Bestimmungen des vierten Abschnitts von Titel II des Überein kommens verfolgt wird (vgl in diesem Sinne Urteil Gruber, Rn 34 und 45), hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Person, die einen Vertrag abgeschlossen hat, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der für einen teils beruflichen oder gewerblichen, teils nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnenden Zweck bestimmt ist, sich nur auf die im Brüsseler Übereinkommen vorgesehenen besonderen Zuständigkeitsvorschriften im Bereich der mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträge berufen kann, wenn der berufliche oder gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt (vgl in diesem Sinne Urteil Gruber, Rn 39 und 54).
51. In Anbetracht dessen, dass Art 2 Buchst b der RL 93/13 keine eng auszulegende Vorschrift ist, und unter Berücksichtigung der ratio legis dieser RL zum Schutz der Verbraucher bei missbräuchlichen Vertragsklauseln kann die enge Auslegung des Begriffs des Verbrauchers, die im Urteil Gruber zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der in den Art 13 bis 15 des Brüsseler Übereinkommens vorgesehenen abweichenden Zuständigkeitsvorschriften für Verträge mit doppeltem Zweck vorgenommen wurde, somit nicht entsprechend auf den Begriff des Ver-
brauchers iS von Art 2 Buchst b der RL 93/13 erstreckt werden.
52. Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist ferner darauf hinzuweisen, dass eine natürliche Person, die sich in der Situation eines Mitschuldners im Rahmen eines mit einem Gewerbetreibenden abgeschlossenen Kreditvertrags befindet, unter den Begriff des Verbrauchers iS von Art 2 Buchst b der RL 93/13 fällt, wenn sie zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, und sich, wenn sie sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer entsprechenden Situation befindet wie der Schuldner, gemeinsam mit diesem auf den in dieser RL vorgesehenen Schutz berufen kann (vgl in diesem Sinne Urteil vom 9.7.2015, Bucura, C-348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn 35 bis 39).
53. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art 2 Buchst b der RL 93/13 dahin auszulegen ist, dass unter den Begriff des Verbrauchers iS dieser Bestimmung eine Person fällt, die gemeinsam mit einem anderen Kredit nehmer, der nicht im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, einen Kreditvertrag abgeschlossen hat, der teilweise für eine mit ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätig keit zusammenhängende Verwendung und teilweise für eine nicht mit dieser Tätigkeit zusammenhängende Verwendung bestimmt ist, wenn der gewerbliche oder berufliche Zweck derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt.
Zur zweiten Frage
54. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, anhand welcher Kriterien festgestellt werden kann, ob eine Person unter den Begriff des Verbrauchers iS von Art 2 Buchst b der RL 93/13 fällt, und insbesondere, ob der gewerbliche oder berufliche Zweck eines von dieser Person abgeschlossenen Kreditvertrags derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt.
55. Nach der Rsp hat das nationale Gericht, das mit einem Rechtsstreit über einen Vertrag befasst ist, der möglicherweise in den Geltungsbereich dieser RL fällt, unter Berücksichtigung aller Beweise und insbesondere des Wortlauts des Vertrags die Frage zu prüfen, ob die betreffende Person als Verbraucher iS der RL 93/13 eingestuft werden kann. Hierzu muss das nationale Gericht sämtliche Umstände des Einzelfalls, insbesondere
die Art der Ware oder Dienstleistung, die Gegenstand des Vertrags ist, berücksichtigen, die belegen können, zu welchem Zweck die Ware oder Dienstleistung erworben wird (vgl in diesem Sinne Urteile vom 3.9.2015, Costea, C-110/14, EU:C:2015:538, Rn 22 und 23, und vom 21.3.2019, Pouvin und Dijoux, C-590/17, EU:C:2019:232, Rn 26).
56. Gleiches gilt für einen Kreditvertrag, der sich teilweise auf die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Kreditnehmers und teilweise auf Zwecke außerhalb dieser Tätigkeit bezieht, zum einen im Hinblick auf die Beurteilung des Umfangs jedes dieser beiden Teile im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags und zum anderen im Hinblick auf den überwiegenden Zweck dieses Vertrags.
57. Insoweit kann die Aufteilung des Kreditbetrags zwischen einer gewerblichen oder beruflichen und einer nicht gewerblichen oder nicht beruflichen Tätig keit ein maßgebliches quantitatives Kriterium darstellen. Nicht quantitativen Kriterien kann jedoch ebenfalls maßgebliche Bedeutung zukommen, wie dem Umstand, dass im Fall mehrerer Kreditnehmer nur einer von ihnen mit dem im Rede stehenden Vertrag einen gewerblichen oder beruflichen Zweck verfolgt, oder gegebenenfalls der Frage, ob der Kreditgeber die Gewährung des ursprünglich ausschließlich zu Konsumzwecken bestimmten Kredits von einer teilweisen Verwendung des Kreditbetrags zur Begleichung von Verbindlichkeiten abhängig gemacht hat, die mit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängen.
58. Diese Kriterien sind weder abschließend noch ausschließlich, so dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, sämtliche Umstände des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags zu prüfen und auf der Grundlage der ihm vorliegenden objektiven Beweise zu beurteilen, inwieweit der gewerbliche oder berufliche bzw der nicht gewerbliche oder nicht berufliche Zweck dieses Vertrags in dessen Gesamtzusammenhang überwiegend ist.
59. Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art 2 Buchst b der RL 93/13 dahin auszulegen ist, dass das vorlegende Gericht für die Feststellung, ob eine Person unter den Begriff des Verbrauchers iS dieser Bestimmung fällt und insbesondere, ob der gewerbliche oder berufliche Zweck eines von dieser Person abgeschlossenen Kreditvertrags derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt, alle maßgeblichen quantitativen und qualitativen Umstände im Zusammen-
hang mit diesem Vertrag zu berücksichtigen hat, wie vor allem die Aufteilung der Verwendung des Kreditbetrags zwischen einer gewerblichen oder beruflichen und einer nicht gewerblichen oder nicht beruflichen Tätigkeit und, im Fall einer Mehrzahl von Kreditnehmern, ob nur einer von ihnen einen gewerblichen oder beruflichen Zweck verfolgt oder ob der Kreditgeber die Gewährung eines Kredits für Konsumzwecke von einer teilweisen Verwendung des Kreditbetrags zur Begleichung von Verbindlichkeiten abhängig gemacht hat, die im Zusammenhang mit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen.
https://doi.org/10.47782/oeba202307054101
Hrsg. von Artmann, Bieber, Mayrhofer, Schmidt und Tumpel. Linde Verlag 2022, 1. Auflage, 276 Seiten, kartoniert, ISBN 9783707345452, € 59,00.
Im Mai 2021, zu einer Zeit der Hochblüte der Kryptos, fand an der Johannes-Kepler-Universität Linz eine Online-Tagung (wir hatten Covid-19Zeiten) zu verschiedenen rechtlichen und steuerlichen Aspekten von Kryptoassets statt. Darauf basierend ist das hier zu besprechende Buch im Linde Verlag Mitte 2022 erschienen. Auch wenn seit dem Zeitpunkt der Tagung Kryptoassets eine gehörige Talfahrt durchgemacht haben, ist nun Erholung in Sicht und steigendes Interesse zu verzeichnen. Die Beiträge sind daher nach wie sehr relevant. Durch die Verabschiedung der MiCA-VO, der Verordnung über Märkte in Crypto Assets, ist womöglich ein neuer Schub für das Interesse an diesem Thema zu erwarten.
Das Herausgeberteam Prof. Dr. Eveline Artmann, Prof. Dr. Thomas Bieber, Prof. Dr. Michael Mayrhofer, RA Dr. Niklas Schmidt und Prof. Dr. Michael Tumpel steht für sich schon für erste Qualität. Die hier abgedruckten Beiträge sind durch die Bank hochinformativ und lesenswert.
Lukas Klever stellt in seinem ausführlichen Beitrag „Crypto Assets im bürger-
lichen Recht – Zugleich Überlegungen zu Sach- und Geldbegriff des AGBG“ substantielle Überlegungen zur rechtlichen Einordnung von Kryptoassets an. Letztlich kommt er zum Schluss, dass Kryptoassets als Sache i. S. d. § 285 ABGB zu werten sind. Er räumt weitergehenden Diskussionsbedarf ein – und es wäre spannend zu wissen, wie die neue steuerliche Unterwerfung von Kryptoassets unter das Regime der Kapitalertragssteuer die Betrachtung geändert hätte. Auch wird die neue MiCA-VO wohl einiges an der Qualifizierung ändern.
In ihrem Beitrag „Crypto Assets und Gesellschaftsrecht“ beleuchtet Eveline Artmann die Verwendung einer DAO (Decentralized Autonomous Organization) als gesellschaftsrechtliches Konstrukt. Sie verwendet das Fallbeispiel von „The DAO“, um die verschiedenen Hürden aufzuzeigen. Fazit ist, dass die Zulassung einer DAO als gesellschaftsrechtliche Form eine rechtspolitische Frage ist und zahlreiche steuerliche Probleme und Fragen der Geldwäsche nach sich zieht.
Thomas Wolkerstorfer gibt in seinem Beitrag „Die digitale Sammelurkunde und die Blockchain“ einen sehr guten Überblick über die in Österreich erfolgte Novelle des Depotgesetzes, mit der die digitale Sammelurkunde eingeführt worden ist. Der Fiktion der Körperlichkeit, also der Gleichstellung der digitalen mit der herkömmlichen physischen Sammelurkunde, hätte es nicht bedurft, wenn sich der österreichische Gesetzgeber, ebenso wie der deutsche, dazu durchgerungen hätte, das Thema digitales Wertpapier anzugehen und gesetzlich zu klären.
Mit genau diesem Problem, dem Erfordernis der Körperlichkeit von Wertpapieren im österreichischen Recht, hat auch Shivam Subhash zu kämpfen (verwiesen sei auf seinen Exkurs: Die Schaffung von Effekten [S. 93 ff.] bzw. Punkt 7. [S. 103 ff.]). In seinem Beitrag „Digitale Finanzplattformen als (alternativer) dezentraler Kapitalmarkt auf Basis von DLT-Systemen und die Rolle zentraler Finanzmarktstrukturen im Rahmen der Schaffung und Übertragung von Effekten“ beschreibt der Autor sehr anschaulich, wie solch ein dezentraler Kapitalmarkt funktionieren könnte. Sollte sich der österreichische Gesetzgeber doch einmal zur Anerkennung digitaler Wertpapiere entschließen, so ist dieser Beitrag mehr als wertvoll.
Immer wieder das Erfordernis der Körperlichkeit: Ebendiesem Problem begegnet auch Claus Schneider in seinem Aufsatz „Die Tokenisierung von Wertpapieren“. De lege lata ist eine
Tokenisierung von Wertpapieren nicht möglich. Es wird interessant sein zu sehen, wie der österreichische Gesetzgeber auf die neue MiCA-Verordnung und das DLT-Pilotregime der EU reagieren wird.
Georg Tuder und Armin Ahari befassen sich mit der aufsichtsrechtlichen Beurteilung von Crypto-Assets und deren Handelsplattformen. Auch diese sehr umfassende Analyse zeigt deutlich, wie sehr es davon abhängt, ob Crypto Assets, seien es Utility Crypto Assets oder Security Crypto Assets, als Zahlungsmittel oder als Wertpapier eingestuft werden (von der Einstufung als Ware ganz zu schweigen).
Die zwei Beiträge über Datenschutz in der Blockchain, einer von Thomas Riesz
und einer von Felix Pischel, führen sehr schön vor Augen, dass in der Blockchain entgegen allgemeiner Vermutung nichts anonym, sondern höchstens pseudonym ist. Hierzu passt sehr schön das Thema der „heißgeliebten“ Geldwäschebekämpfung. Bernd Wiesinger behandelt in seinem Beitrag die Bedeutung von Kryptowährungen für den Tatbestand der Geldwäsche und verdeutlicht dies am Beispiel Bitcoin.
Steuerliche Fragen zu Crypto Assets werden sowohl im Beitrag „Tokens im Ertragsteuerrecht“ von Karl Stückler und Lorenz Schilling als auch von Michael Tumpel in „Umsatzsteuerrecht und Crypto Assets“ abgehandelt. Mit der um sich greifenden Verwendung von Kryptoassets sind dies wichtige und zukunftsweisende Themen.
Last, but not least sei auch der Beitrag von Matthäus Metzler zur Vererbung von Kryptoassets genannt. Die rechtlichen Aspekte und praktischen Implikationen eines Erbfalls gehen weit über Kryptoassets hinaus und betreffen den gesamten digitalen Nachlass einer Person.
Diese Rezension ist etwas länger als üblich ausgefallen. Aber zum einen leistet das Buch Pionierarbeit bei Rechtsfragen zu Kryptoassets. Zum anderen ist angesichts der neuen EU-rechtlichen Vorgaben und einem (hoffentlich gegebenen) Aufwachen des österreichischen Gesetzgebers eine zweite Auflage sehr zu wünschen.
Die Bankwissenschaftliche Gesellschaft, 1952 von em. o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Krasensky gegründet, ist die einzige unabhängige und übersektorale wissenschaftliche Gesellschaft im Bankbereich in Österreich. Ihr Ziel ist die Auseinandersetzung mit langfristigen Entwicklungen im Bankwesen, die praxisbezogene Aus- und Weiterbildung leistungsfähiger Mitarbeiter der Banken und die Forschungsförderung. Neben den wissenschaftlichen Abteilungen – Forum für Bankrecht und Austrian Working Group on Banking and Finance – sorgt die Abteilung BankVerlagWien für die Herausgabe des BankArchivs, der Schriftenreihen sowie von Fachbüchern, während in der Abteilung Bankakademie die gesamten Aus- und Weiterbildungsaktivitäten zusammengefasst sind.
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