bau aktuell 1/2024 Leseprobe

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15. Jahrgang / Jänner 2024 / Nr. 1

Herausgegeben von Gerald Goger | Detlef Heck | Georg Karasek | Andreas Kletecˇka | Arnold Tautschnig

Interview mit Valerie Höllinger

„Standards haben einen hohen Wert und bieten einen enormen Nutzen“

Wolfgang Hussian

Regress und Schadenersatz des Generalunternehmers

Nikolaus Weselik / Maximilian Weselik

Die Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung

Georg Karasek

Aktuelle Judikatur zur Bauaufsicht

Christoph Wiesinger

Steuerliche Behandlung von Überstundenzuschlägen und SEG-Zulagen

Gerald Fuchs

Die Wiener Bauordnungsnovelle 2023

Ahmad Sameer Nawab / Leopold Winkler

Die BIM-gestützte Ökobilanz (Teil 2)

Wolfgang Hussian

Aus der aktuellen Rechtsprechung

Das letzte Wort hat Rainer Kurbos

Fundierte Aufbereitung

samt Anleitungen und Mustersätzen

Steuern. Wirtschaft. Recht. Am Punkt.

Mit Anleitungen, Grafiken & Musterschriftsätzen

BAYER | TRETTENBREIN | ZRINSKI

2024

172 Seiten, kart. 978-3-7073-4895-8

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In dieser Ausgabe von bau aktuell finden Sie ein Interview mit der Geschäftsführerin von Austrian Standards Valerie Höllinger. Bereits in der Ausgabe 5/2023 ist Rechtsanwalt Hermann Wenusch, der Vorsitzende jener Arbeitsgruppe, die die ÖNORM B 2110 überarbeitet hat, bau aktuell Rede und Antwort gestanden. Es ist kein Zufall, dass die Normung in bau aktuell wieder vor den Vorhang tritt. In den einschlägigen Rezensionen der Neuausgabe der ÖNORM B 2110 wurde einhellig das magere Ergebnis kritisiert. Selbst Kollege Wenusch hat seine Enttäuschung zum Ausdruck gebracht. Höllinger antwortet auf die Kritik, dass die Mitwirkung in den Normungsausschüssen und Komitees allen Interessierten offensteht, und weist auf den breiten Stakeholder-Mix im Überarbeitungskomitee hin. Dies habe ich zum Anlass genommen, in die Liste der Komiteemitglieder Einsicht zu nehmen. Sie ist im Anschluss an das Interview abgedruckt. Fasst man die insgesamt 23 Teilnehmer nach Gruppen zusammen, stellt man fest, dass neben den 15 Auftraggeber- und Auftragnehmervertretern, vier technische Berater, drei Anwälte und eine Ausbildungseinrichtung teilgenommen haben. Auffällig ist, dass weder die technischen Universitäten noch die rechtswissenschaftlichen Fakultäten im Komitee vertreten waren. Eine erstaunliche Zusammensetzung bei der Überarbeitung einer Vertragsnorm. Im Interview nimmt Höllinger auch zu den hohen Kosten von Normen, den bisherigen Erfahrungen mit dem NormG 2016 und zur verstummten Diskussion über die Normenflut Stellung.

Wolfgang Hussian hat die Judikatur zum Regress des Generalunternehmers gegen den Subunternehmer aufgearbeitet. Besonders interessant ist die Abhandlung des Freistellungsanspruchs, weil dieses Thema – soweit ersichtlich – in der baurechtlichen Literatur noch nicht behandelt wurde. Eine brillante Abhandlung mit großem Nutzen für den Praktiker.

Nikolaus Weselik und Maximilian Weselik beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit einem sehr praxisrelevanten Thema, dem in der österreichischen Literatur noch wenig Beachtung geschenkt wurde. Es geht um die Haftung des Architekten bei einer Baukostenüberschreitung. Diese liegt vielfach an einer unzureichenden Vertragsgestaltung. Dies liegt in erster Linie daran, dass zwischen einem Baukostenrahmen, einer Baukostenobergrenze und einer Baukostengarantie unterschieden wird. Der Baukostenrahmen gibt eine bestimmte Bandbreite an, die informativ oder verbindlich sein kann. Bei der Baukostenobergrenze wird eine Begrenzung nach oben vereinbart, für deren Überschreitung der Planer haftet. Bei der Baukostengarantie wird eine Begrenzung nach oben vereinbart, bei deren Überschreitung der Architekt verschuldensunabhängig haftet. Vielfach ist auch unklar, ob eine Kostenabrede überhaupt getroffen worden ist. Ein weiteres Problem stellen die Toleranzgrenzen dar. Schwierigkeiten bereitet auch die Schadensberechnung. Der Aufsatz der beiden Autoren greift auch auf die umfangreiche Literatur und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland zurück. Er soll eine Hilfestellung bei der Vertragsgestaltung sein, weil Fehler für den Planer existenzbedrohend werden können. Sie sind im Allgemeinen nicht von der PlanerHaftpflichtversicherung gedeckt.

Zur Abrundung findet sich ein Beitrag von mir, der aktuelle Rechtsprechung zur örtlichen Bauaufsicht zum Gegenstand hat.

In der aktuellen Rechtsprechungsübersicht finden sich diesmal zwei Entscheidungen. Die erste Entscheidung zum Abzug „neu für alt“ wurde von Wolfgang Hussian glossiert, die zweite Entscheidung zu den Rechtsfolgen einer Baukostenüberschreitung von Thomas Frad

Christoph Wiesinger beschäftigt sich diesmal mit dem PrAG 2024, das das Leisten von Überstunden für den Arbeitnehmer attraktiver machen soll. Ein Wermutstropfen ist, dass die Taggelder nicht angehoben wurden, obwohl das Schnitzel inflationsbedingt immer teurer wird.

Gerald Fuchs gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen der Wr BauO, die im Wesentlichen am 14. 12. 2023 in Kraft getreten ist. Diesmal handelt es sich nicht um kleinere Änderungen, sondern um eine grundlegende politische Neuordnung verschiedener Themenbereiche. In Schlagworten geht es um den Umweltschutz, die Erhaltung des Stadtbildes und die Nutzung von Wohnungen zur Kurzzeitvermietung. Darüber hinaus finden sich in der Novelle verschiedene verfahrensrechtliche Änderungen und Klarstellungen. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass diese Änderungen nicht alle glücklich machen werden. Erfreulich ist allerdings, dass Pflöcke eingeschlagen werden, die eine klare Linie erkennen lassen: Mehr Grün in der Stadt, Förderung alternativer Energien, verstärkter Schutz alter Gebäude und die Verschärfung der Nutzung von Wohnungen zur Kurzzeitvermietung.

Ahmad Sameer Nawab und Leopold Winkler setzen in dieser Ausgabe ihre Untersuchung über die Möglichkeiten der Ökobilanzierung mit BIM fort. Im zweiten Teil ihrer Abhandlung wird anhand eines Fallbeispiels gezeigt, mit welchem Abweichungsgrad Ökobilanzen in Abhängigkeit vom Ausarbeitungsgrad von Modellen behaftet sind. Darauf aufbauend werden Mindestkriterien für den level of geometry (LOG) und den level of information (LOI) definiert, um Ökobilanzen bereits in der Planungsphase aussagekräftig zu berechnen.

Rainer Kurbos macht sich Sorgen, dass ChatGPT Anwälte überflüssig machen könnte. Gott sei Dank kommt er zum Ergebnis, dass wirklich kreative Anwälte und Juristen nicht überflüssig werden, aber 98 % Systemerhalter, die sich nicht in der täglichen Oase der Kreativität sonnen können, die Hoffnung brauchen, dass die Komplexitätssteigerung des modernen Lebens für ihre Vollbeschäftigung auch in Zukunft ausreicht.

Dr. Georg Karasek für das Herausgeberteam

Dr. Georg Karasek ist Rechtsanwalt in Wien mit Spezialgebiet Baurecht.

Herausgeber: Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Gerald Goger, Wien. Univ.-Prof. Dr.Ing. Detlef Heck, Graz. RA Dr. Georg Karasek, Wien. Univ.-Prof. Dr. Andreas Kletečka, Salzburg. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Arnold Tautschnig, Innsbruck.

Schriftleiter: RA Mag. Clemens M. Berlakovits, Wien.

Wissenschaftlicher Beirat: RA Dr.-Ing. Helmuth Duve, Stuttgart. Mag. Wolfgang Hussian, Wien. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Andreas Kropik, Wien. RA Dr. Georg Seebacher, Graz. Dipl.-Ing. Dr. Markus Spiegl, Innsbruck. Hon.-Prof. RA Dr. Irene Welser, Wien.

Medieninhaber und Medienunternehmen: LINDE VERLAG Ges.m.b.H., A-1210 Wien, Scheydgasse 24; Telefon: 01/24 630 Serie; Telefax: 01/24 630-723; E-Mail: office@lindeverlag.at; http://www.lindeverlag.at

DVR 0002356; Rechtsform der Gesellschaft: Ges.m.b.H.; Sitz: Wien; Firmenbuchnummer: 102235x; Firmenbuchgericht: Handelsgericht Wien; ARA-Lizenz-Nr. 3991; ATU 14910701; Gesellschafter: Anna Jentzsch (35 %) und Jentzsch Holding GmbH (65 %); Geschäftsführung: Mag. Klaus Kornherr und Benjamin Jentzsch. Erscheinungsweise und Bezugspreise: Periodisches Medienwerk: bauaktuell –Baurecht – Baubetriebswirtschaft – Baumanagement. Grundlegende Richtung: Interdisziplinäre Fachinformationen rund um das Thema „Bauen“. Erscheint sechsmal jährlich. Jahresabonnement 2024 (6 Hefte) zum Preis von EUR 228,50 (Print) bzw. EUR 267,00 (Print & Digital) – jeweils inkl. MwSt., exkl. Versandspesen. Einzelheft 2024: EUR 57,90 (inkl. MwSt., exkl. Versandspesen). Abbestellungen sind nur zum Ende eines Jahrganges möglich und müssen bis spätestens 30. November schriftlich erfolgen. Unterbleibt die Abbestellung, so läuft das Abonnement automatisch ein Jahr und zu den jeweils gültigen Konditionen weiter. Preisänderungen und Irrtum vorbehalten.

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„Standards haben einen hohen Wert und bieten einen enormen Nutzen“

Georg Karasek im Gespräch mit Valerie Höllinger

Fachbeiträge

Wolfgang Hussian Regress und Schadenersatz des Generalunternehmers

Nikolaus Weselik / Maximilian Weselik Die Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung

Hussian

Abzug „neu für alt“ und Ersatz von Vorleistungen bei Warnpflichtverletzung (OGH 17. 11. 2023, 8 Ob 115/23d, mit Anmerkung von Wolfgang Hussian) Wenn ein Architekt den Vorgaben des Auftraggebers nicht entsprechende Planungen abliefert, steht ihm kein Honorar nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB zu (OGH 17. 10. 2023, 4 Ob 117/23v, mit Anmerkung von Thomas Frad)

der

Nachhaltigkeit

„Standards haben einen hohen Wert und bieten einen enormen Nutzen“

Dr. Valerie Höllinger, MBA, MBL, Geschäftsführerin von Austrian Standards, im Gespräch über die Neuausgabe der ÖNORM B 2110, die Rolle öffentlicher Auftraggeber, ihre Erfahrungen mit dem NormG 2016 und die viel beklagte Normenflut.

Die Wiener Juristin verantwortete als Geschäftsführerin des BFI Wien die Geschäftsbereiche der Privat- und Firmenkunden und geförderte Bildungsprojekte sowie Finanzen und – neben der digitalen Transformation – die Segmente Innovation & New Business, Data Science, Vertrieb, Marketing & PR, Customer Care & Quality. Davor war sie in den Branchen IT, Telekom, Getränkeindustrie und Erwachsenenbildung tätig, unter anderem bei der A1 Telekom Austria AG und ANECON (nun Nagarro).

Dr. Valerie Höllinger, MBA, MBL war langjährige stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Bundestheater-Häuser. Darüber hinaus engagierte sie sich in Beiräten im Bereich Gesundheit, Bildung und Kultur. Überdies arbeitete sie als Unternehmensberaterin.

Nachdem Dr. Valerie Höllinger MBA, MBL bereits 2021 Teil der Geschäftsführung von Austrian Standards geworden war, übernahm sie ab Jänner 2022 als CEO die gesamte Leitung des renommierten Unternehmens von DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha, die der Standardisierungsorganisation seit 2013 vorstand und nach 33 Jahren in den Ruhestand ging.

Karasek: Seit zwei Jahren sind sie Geschäftsführerin von Austrian Standards. Was hat sich dieser Zeit getan?

Höllinger: Ich habe Anfang 2022 eine solide Organisation mit dem Auftrag übernommen, Austrian Standards zukunftsfit zu machen. In a Nutshell bedeutet das, dass wir unsere internen Strukturen und Prozesse auf die aktuellen Anforderungen überprüft haben und diese in der Folge dementsprechend anpassen. So haben wir erfolgreich neue Abteilungen wie Business Development gegründet sowie bestehende Abteilungen einem Re-Design unterzogen, das die Kolleg:innen von Austrian Standards aktiv nach ihren und den Kundenbedürfnissen mitentwickeln konnten. Nach über 10 Jahren konnten wir letztes Jahr wieder ein neues Produkt launchen: „MeinNormenAbo“ bietet einen praktischen Online-Zugang zum gesamten österreichischen Normenbestand – zum günstigen Fixpreis. Aktuell arbeiten wir intensiv daran, kundenorientierte Services zu entwickeln beziehungsweise zu optimieren. Erstmals bieten wir zum Beispiel zusätzlich zu den Werkvertragsnormen ÖNORM B 2110 und ÖNORM B 2118 sowie zur ÖNORM A 2060 sogenannte Redline-Dokumente an. Ein Farbleitsystem kennzeichnet darin die wichtigsten Neuerungen.

K: Derzeit kostet der Download der Bauwerkvertragsnorm ÖNORM B 2110 271,85 Euro und jener der ÖNORM B 2118 294,66 Euro. Ein mehr als stolzer Preis! Ist das nicht übertrieben?

H: Standards haben einen hohen Wert und bieten einen enormen Nutzen. Sie bilden eine gemeinsame Sprache in der Wirtschaft und tragen beispielsweise dazu bei, Transaktionskosten zu senken. Dies ist insbesondere auch bei den ÖNORMEN B 2110 und B 2118 der Fall. Sie werden in der österreichischen Bauwirtschaft als gängige Schablonen bei der (Werk-)Vertragsgestaltung herangezogen und sorgen für Transparenz, die Rechte und Pflichten des Auftraggebers und des Auftragnehmers im

Bauprozess vertraglich zu regeln. Das sorgt für Rechtssicherheit zwischen den Vertragsparteien. Anderenfalls – da die im ABGB enthaltenen Bestimmungen zu Werkverträgen in der Praxis Spielraum für Interpretationen bieten – stiege das Risiko für Rechtsstreitigkeiten.

K: Im Mai 2023 ist nach 10 Jahren eine Neufassung der ÖNORM B 2110 erschienen. In den einschlägigen Rezensionen wurde einhellig das magere Ergebnis kritisiert. Mir ist schon bewusst, dass die Geschäftsführung keinen Einfluss auf die Inhalte hat. Dennoch stelle ich die Frage, ob es nicht die falsche Strategie ist, prohibitiv hohe Preise für neu aufgelegte Normen zu verlangen, wenn die enttäuschend dürftigen Änderungen, die sich im Wesentlichen auf Umnummerierungen und auf mehr oder weniger geglückte sprachliche Anpassungen beschränken, keinen Mehrwert für den Nutzer haben. H: Bereits beim Projektbeginn einer jeden zu überarbeitenden österreichischen Norm ist offenzulegen, was sich gegenüber der bestehenden Ausgabe ändern soll. Dies kann jeder kostenlos auf unserer Homepage im nationalen Arbeitsprogramm unter „Projektanträge“ nachlesen und zudem kommentieren – vielleicht meint man ja, dass entweder die vorgeschlagenen Änderungen zu weit gehen oder nicht sinnvoll sind. Ebenso kann jeder – erneut kostenlos – zur Stellungnahme aufliegende ÖNORM-Entwürfe auf unserer Homepage lesen und Kommentare abgeben. Klar ist, dass jede Stellungnahme von dem für die jeweilige ÖNORM inhaltlich verantwortlichen Komitee zu würdigen und zu beantworten ist. Und natürlich gibt es auch die Möglichkeit der aktiven Mitarbeit in einem fachspezifischen Komitee. Wer bei den Komitees und Gremien der Standardisierung an graue Runden von Theoretikern denkt, täuscht sich gewaltig. Wir leben Vielfalt nicht nur, für uns ist sie erfolgsentscheidend. Unsere Türen stehen offen, denn jede Stimme zählt.

Die Inhalte einer ÖNORM werden von fachkundigen Personen in einem offenen, transparenten, inklusiven Multi-Stakeholder-Prozess festgelegt. Sie entscheiden im Konsens, ob eine Änderung sinnvoll ist. Wenn Sie wissen wollen, wer in dem für die ÖNORM B 2110 verantwortlichen Komitee mitwirkt, besuchen Sie unsere Homepage und folgen Sie dem Pfad „Standardisierung – Nationale Komitees“ und wählen Sie dort das Komitee 015 „Vergabe und Verdingungswesen“ aus. Dort finden Sie unter „Teilnehmende“ jene Organisationen, die fachkundige Personen in das Komitee entsenden. Sie werden über die hohe Anzahl und den breiten Stakeholder-Mix überrascht sein.

Die Überarbeitung der ÖNORM B 2110 wurde im Jahr 2019 begonnen und führte im Mai 2023 zu einer Neuausgabe. Neu ist in der ÖNORM B 2110 unter anderem, dass sowohl das Fixgeschäft als auch die Schlussfeststellung ersatzlos gestrichen wurden und der Abschnitt „Rücktritt vom Vertrag“ überarbeitet wurde. Darüber hinaus wurden in der aktualisierten Ausgabe einzelne Anforderungen an die Leistungsabweichung und ihre Folgen präzisiert. Unterstützt wird das Auffinden von Änderungen gegenüber der vorherigen Ausgabe – wie bereits eingangs erwähnt – durch ein neues Service von Austrian Standards. In Redline-Dokumenten werden mittels eines Farbleitsystems die wichtigsten Neuerungen gekennzeichnet. Der Vorteil liegt auf der Hand: Durch dieses Farbleitsystem sehen Anwender:innen auf den ersten Blick, welche Passagen in der neuen Fassung in welcher Form geändert wurden. Auch Aktualisierungen der Verweisungen zu anderen Normen und Rechtsvorschriften werden angezeigt. Dabei werden die Dokumente manuell gesichtet und gekennzeichnet, um die wesentlichen Änderungen anwenderfreundlich darzustellen. Mit diesem Service von Austrian Standards gehört zeit- und arbeitsaufwendiges Vergleichen von Dokumentfassungen der Vergangenheit an.

K: Wie haben sich die Verkaufszahlen bei den beiden wesentlichen Bauwerkvertragsnormen B 2110 und B 2118 in den letzten Jahren entwickelt?

H: Die ÖNORM B 2110 ist gegenüber der ÖNORM B 2118 deutlich gefragter. Die Nachfrage ist vom Erscheinungstermin abhängig, nach der Herausgabe am stärksten und nimmt spätestens nach einem Jahr deutlich ab.

K: Bei den letzten Novellen des Bundesvergabegesetzes2018 wurde die Normenbindung öffentlicher Auftraggeber zunehmend ausgehöhlt. De facto ist sie abgeschafft worden, obwohl öffentliche Auftraggeber die größten Nachfrager von Bauleistungen in Österreich sind. Freut Sie als Geschäftsführerin von Austrian Standards, dass die Republik Österreich die Anwendung der von Austrian Standards International ausgearbeiteten Bauwerkvertragsnormen gar nicht will und deshalb immer mehr zurückgedrängt? Sind seitens des Normungsinstituts Initiativen bei den politischen Entscheidungsträgern angedacht, die diesen Trend umkehren?

H: Wir mischen uns keinesfalls in die öffentliche Auftragsvergabe ein. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es, eine neutrale

Plattform für die Entwicklung von Normen zur Verfügung zu stellen. Wie und von wem dann die Normen, an denen ja die Stakeholder einen Bedarf angemeldet haben – sonst hätte es das Normprojekt nicht gegeben –, genutzt werden, liegt außerhalb von unserem Aufgaben- und Einflussbereich und das ist auch gut so. Sonst würden wir nämlich unsere Neutralität verlieren und damit auch unseren Status als unabhängige nationale Normungsorganisation aushöhlen.

K: Im Jänner 2023 wurde der Partnerschaftsvertrag mit dem Fachverband Ingenieurbüros um fünf Jahre verlängert. Auf Basis dieses Kooperationsvertrages können über diesen Online-Service Standards betriebsintern geteilt und vervielfältigt werden. Dadurch soll eine rechtskonforme Anwendung von Standards sichergestellt werden. Sind auch mit anderen Nutzern von Normen (wie etwa Anwälten) ähnliche Kooperationsverträge geplant? Dies wäre schon deshalb naheliegend, weil Normen in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung für die Ermittlung des Stands der Technik herangezogen werden. Sie sind daher Anwaltskanzleien ein wesentlicher Arbeitsbehelf.

H: Anwaltskanzleien sind der Rechtsanwaltskammer zugehörig; hier gibt es bis dato keine kommerzielle Vereinbarung. Wir bieten mit „meinNormenPaket“ jedoch eine maßgeschneiderte Lösung für gesetzliche Interessenvertretungen an und stehen künftigen Kooperationsgesprächen offen und positiv gegenüber.

K: Welche Möglichkeiten von Mehrfachlizenzen bietet Austrian Standards an und warum finden sich auf der Homepage dazu keine Hinweise?

H: Austrian Standards ist die erste Adresse für Standards in Österreich. Wir bieten als One-StopShop-Partner Mehrfachlizenzen von beinahe allen nachgefragten Regelwerken am Markt an. Auf unserer Website unter „Standards professionell managen“ widmet sich eine eigene Subseite dem Thema „Nutzungslizenzen für Mehrfachnutzung“. Nachdem dieses Thema erklärungsbedürftig ist, haben wir mit einem Infoblatt und einem Video-Tutorial versucht, den Self-Service so gut als möglich zu unterstützen. Da abhängig vom Herausgeber unterschiedliche Berechnungsmodelle zur Anwendung kommen, empfehle ich jedoch am besten ein Beratungsgespräch mit unserem Sales Team. Sie erhalten dann maßgeschneiderte Angebote, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse.

K: Im Dezember 2015, also vor acht Jahren, hat der Nationalrat mit den Stimmen aller Parteien ein neues Normengesetz beschlossen. Wie sind die bisherigen Erfahrungen? Ist seither alles besser geworden?

H: Das Normengesetz 2016 bildet gemeinsam mit der EU-Normungsverordnung die rechtliche Grundlage für unser Handeln als österreichische Normungsorganisation. Darin sind beispielsweise die Grundsätze der Normungsarbeit (wie Offenheit, Transparenz, Kosten-Nutzen-Abwägung) festgeschrieben. Diese Grundsätze leiten sich bereits aus den WTO-Prinzipien ab und bestimmen seit jeher das Normenschaffen. Erfreulich ist beispielsweise,

dass die Schlichtungsstelle, die vor dem Normengesetz 2016 nur in unserer Geschäftsordnung geregelt war, Eingang ins Gesetz gefunden hat. Das zeigt, dass die Gesetzgebung die Fähigkeit besitzt, gut funktionierende Arbeitsweisen zu übernehmen. Vieles, was im Normengesetz 2016 festgeschrieben wurde, war also bis dahin bereits gelebte Praxis oder in unserer Geschäftsordnung verankert. Ich finde es aber gut, dass das nun auch kodifiziert ist und eine klare Basis für alle Beteiligten schafft.

K: Das Normengesetz 2016 hat einen breit aufgestellten Normenbeirat geschaffen. Welche Aktivitäten hat dieses Gremium seit seiner Gründung entfaltet?

H: Der Normungsbeirat, dem auch wir angehören, hat die Funktion eines beratenden Gremiums. Unter anderem soll es auch die österreichische Normungsstrategie weiterentwickeln – ein Prozess, der kurz vor dem Abschluss steht und in den wir uns auch aktiv eingebracht haben. Ich würde mir wünschen, dass der Normungsbeirat sich noch stärker auf strategischer Ebene mit der Normung auseinandersetzt und hier auch klar Prioritäten für Österreich aufzeigt, also zum Beispiel, in welchen Bereichen wir uns insbesondere auf internationaler Ebene noch stärker engagieren sollen, weil es für die österreichische Wirtschaft wichtig ist. Dieser gesamtstrategisch-politische Blick aufs große Ganze fehlt mir derzeit noch ein wenig.

K: Vor einigen Jahren wurde in der Öffentlichkeit die Normenflut intensiv diskutiert und vor allem kritisiert. Seither ist es um dieses Thema still geworden. Liegt das daran, dass die Normenflut eingedämmt wurde oder war die Kritik nur eine Sternschnuppe?

H: Fakt ist, dass nur mehr rund fünf Prozent aller österreichischen Normen rein nationalen Ursprungs sind. Die restlichen 95 Prozent werden auf europäischer und internationaler Ebene entwickelt und von uns – wenn es sich um Europäische Normen handelt – zwingend in den nationalen Normenbestand übernommen. Handelt es sich um Internationale Normen, entscheiden die Gremien über eine Übernahme. Die österreichischen Stakeholder können über uns als österreichische Normungsorganisation in den nationalen Spiegelgremien an der europäischen und internationalen Normung mitarbeiten und sich vom Spiegelgremium auch direkt ins europäische oder internationale Gremium entsenden lassen. So sorgen wir, dass Österreichs Stimme auch international Gehör findet. Diese Mitarbeit bietet – genauso wie die vorher schon angesprochene Möglichkeit, Stellungnahmen zu Normprojekten und -entwürfen abzugeben – die Möglichkeit, auch darauf einzuwirken, dass Normprojekte gar nicht zustande kommen, wenn dies von den österreichischen Stakeholdern nicht gewünscht wird. Dann stimmen wir gegen die Annahme eines Normprojekts und, wenn sich dafür die erforderliche Mehrheit findet, dann kommt das Projekt nicht zustande. Was ich damit sagen will, ist, dass wir dieser sogenannten „Normenflut“ nicht hilflos gegenüberstehen, sondern sich Engagement in der Normung immer auszahlt. Auch hier gerne nochmals der Aufruf, sich

aktiv an der Standardisierung durch die Mitarbeit in einem fachspezifischen Komitee zu beteiligen. Gemeinsam können wir Zukunft gestalten! Konkret zu Ihrer Frage möchte ich noch anmerken, dass das „Dialogforum Bau Österreich –gemeinsam für klare und einfache Bauregeln“ Anfang 2016 von Austrian Standards und der Geschäftsstelle Bau der Wirtschaftskammer Österreich ins Leben gerufen wurde. Mit dieser Initiative haben wir genau auf diese Kritik der Normenflut, die gerade im Bausektor immer wieder ausgesprochen wurde, reagiert und gemeinsam mit Fachleuten aus dem Bausektor in verschiedenen Workshops diskutiert, wo Deregulierung sinnvoll ist und wo es vielleicht Doppelgleisigkeiten und Unstimmigkeiten zwischen unterschiedlichen Regelungen gibt. Dies führte zu Überarbeitungen von Normen und zum Dialog mit anderen Regelsetzern. Das Dialogforum haben wir dann in den permanenten Ausschuss für Bauregeln bei uns im Haus übergeführt, wo die Fachleute zweimal im Jahr zusammenkommen und genau diese Themen diskutieren und Empfehlungen aussprechen, die von den Normungsgremien sehr ernst genommen werden. Ich bin davon überzeugt, dass diese Initiative maßgeblich dazu beigetragen hat, der Kritik Wind aus den Segeln zu nehmen und auf fachlicher Ebene über konkrete Projekte zu diskutieren und Verbesserungen zu erzielen. Das ist nämlich für alle Beteiligten sinnvoller, als eine Pauschalkritik an der „Normenflut“ zu üben.

K: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Dr. Georg Karasek, Rechtsanwalt in Wien.

Mitglieder des Komitees 015, AG 30 (Überarbeitung der ÖNORM B 2110)

● Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16 – Verkehr und Landeshochbau

● bergsmann – pm GmbH

● Bmstr. Ing. Günter Steurer Bauges.m.b.H.

● buildINGsuccess

● Bundesimmobiliengesellschaft mbH (BIG)

● Bundesinnung Bau

● Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft

● CML Construction Services GmbH Servicebetriebe der STRABAG SE

● ELIN GmbH

● FCP Fritsch, Chiari & Partner ZT GmbH

● FH Campus Wien

● Granit Holding GmbH

● HABAU Hoch- und Tiefbaugesellschaft mbH

● Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH

● Ingenieur- und Sachverständigenbüro PFNEISL

● KPK Pochmarski Kober Rechtsanwälte GmbH

● Land Salzburg, Amt der Salzburger Landesregierung

● ÖBB-Infrastruktur AG, Stab Einkauf

● PORR AG

● Rechtsanwalt

● Stadt Wien – Wiener Wohnen

● STRABAG AG

● Wiener Linien GmbH & Co KG

Regress und Schadenersatz

Regress und Schadenersatz des Generalunternehmers

Wolfgang Hussian

Nach Wilhelm sind die Dreiecksverhältnisse im Leben das Pikanteste, und nachdem die Jurisprudenz des Lebens Abbild sei, würden auch ihr die Dreiecke ihrer Welt als besonders schwierig und interessant gelten.1 Das mag so sein, und soweit es Bauprojekte betrifft, kommt dieser Aussage im Dreieck zwischen Auftraggeber, Generalunternehmer und Subunternehmer besondere Bedeutung zu. Und hier wiederum ist der Regress des Generalunternehmers an seinem Subunternehmer im Falle, dass der Generalunternehmer für das Verschulden des Subunternehmers zur Haftung herangezogen wird, zwar etwas Alltägliches und oftmals Unproblematisches, allerdings bei genauerem Hinsehen doch von einiger Pikanterie, die im Einzelfall dem Generalunternehmer doch einiges Kopfzerbrechen bereiten könnte. Und genau um das soll es in weiterer Folge gehen, nicht jedoch um gewährleistungsrechtliche Ansprüche und den damit möglicherweise verbundenen Regress nach § 933b ABGB.

Mag. Wolfgang Hussian leitet die Rechtsabteilung eines österreichischen Baukonzerns und ist als Vortragender und Autor zum Bauvertragsrecht tätig.

1. Allgemeines zur Haftung

des Generalunternehmers für seinen Subunternehmer1

Nach § 1313a ABGB haftet derjenige, der einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist, für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes Verschulden. Diese Bestimmung normiert die Erfüllungsgehilfenhaftung. Derjenige, dessen man sich für Erfüllung der eigenen Verpflichtung bedient, wird eben als „Erfüllungsgehilfe“ bezeichnet. Und natürlich kann sich der Geschäftsherr (in unserem Fall: der Generalunternehmer) nicht durch Delegation der Vertragserfüllung an einen Subunternehmer seiner Haftung gegenüber seinem Vertragspartner entledigen und dementsprechend ordnet § 1313a ABGB die Haftung des Geschäftsherrn für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen an.

Nur der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass dieses strenge Einstehen-Müssen nur bei Schädigung des Vertragspartners, nicht aber bei Dritten zutrifft. Schädigt der Gehilfe Dritte (etwa Nachbarn), haftet der Geschäftsherr nur, wenn er einen untüchtigen Gehilfen oder wissentlich einen gefährlichen Gehilfen eingesetzt hat (Besorgungsgehilfenhaftung gemäß § 1315 ABGB). Der Kreis jener, die statt den schädigenden Gehilfen auch den Geschäftsherrn zur Haftung heranziehen können, wird durch die Lehre vom Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erweitert.2 Der Kreis der durch den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geschützten Personen muss aber nach der Rechtsprechung eng gezogen werden, da die vom Gesetzgeber getroffene unterschiedliche Ausgestaltung von Deliktsrecht und Vertragsrecht nicht aufgehoben oder verwischt werden soll. Begünstigte Personen sind daher (nur) Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluss vorhersehbar war, die also der vertraglichen Leistung nahestehen und an denen der Vertragspartner ein sichtbares eigenes Interesse hat.3

1 Wilhelm, Generalunternehmer-Gewährleistungs-Regress, ecolex 2006, 345.

2 Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03, § 1295 Rz 53 ff.

3 OGH 29. 8. 2022, 6 Ob 241/21s.

2. Erfüllungsgehilfe

Erfüllungsgehilfe in diesem Sinn ist aber nur, wer mit dem Willen des Geschäftsherrn bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird.4 Demnach haftet der Generalunternehmer nicht, wenn der Subunternehmer im gegenständlichen Fall ohne seinen Willen tätig wird.

Demgegenüber ist der bloße Lieferant des Baustoffs für das vom Generalunternehmer herzustellende Werk nicht dessen Erfüllungsgehilfe.5 Der Generalunternehmer hat sich verpflichtet, das Werk herzustellen, nicht aber die Baustoffe selbst, weshalb weder der Produzent noch der Verkäufer des Baustoffs eine vertraglich vom Generalunternehmer dem Bauherrn gegenüber geschuldete Leistung erbringen.

3. Getrennte Vertragsverhältnisse

Der Subunternehmer steht nur mit dem Generalunternehmer, nicht aber mit dem Bauherrn in vertraglicher Beziehung.6 Die beiden Rechtbeziehungen zwischen den drei Beteiligten, nämlich zwischen Bauherrn und Generalunternehmer einerseits und zwischen Generalunternehmer und Subunternehmer andererseits, sind grundsätzlich getrennt.7 Dementsprechend bestehen auch die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag zwischen Generalunternehmer und Subunternehmer grundsätzlich unabhängig davon, welche Ansprüche zwischen Bauherrn und Generalunternehmer bestehen und in welchem Umfang davon Gebrauch gemacht wird.8

Bereits in der Entscheidung vom 29. 11. 1989, 1 Ob 704/89, wies der OGH jedoch darauf hin, dass die strikte Trennung der Vertragsverhältnisse nicht in jedem Fall sachgerecht sein müsse, insbesondere wenn dies zu grob unbilligen Ergebnissen führen würde. In der Entscheidung vom 29. 6. 2005, 9 Ob 146/04t, stellte der OGH fest, dass aus Billigkeit eine Verknüpfung der Einzelverträge geboten sein

4 OGH 20. 4. 2021, 4 Ob 23/21t.

5 OGH 10. 2. 2004, 1 Ob 265/03g.

6 RIS-Justiz RS0021876.

7 OGH 15. 10. 1998, 6 Ob 40/98w.

8 OGH 15. 12. 1999, 9 Ob 236/99t.

könne, etwa insofern, als sich der Generalunternehmer gegenüber seinem Subunternehmer nicht auf die mangelnde Fälligkeit des Werklohns wegen Nichtvorlage der vereinbarten Bautagesberichten berufen könne, wenn der Bauherr dem Generalunternehmer das Werk bereits bezahlt habe.

Soweit es jedoch die Haftung des Subunternehmers betrifft, wird allerdings der Durchgriff des Bauherrn auf die von seinem Generalunternehmer verpflichteten Subunternehmer wegen des deckungsgleichen Gewährleistungs- oder Schadenersatzanspruchs gegen den Generalunternehmer abgelehnt.9 Der Bauherr kann also den Subunternehmer mangels vertraglicher Beziehung nicht zur Haftung wegen mangelhafter Leistungserbringung heranziehen, selbst wenn der Subunternehmer dem Generalunternehmer gegenüber dafür haften würde.

Vielmehr hat der Generalunternehmer gegen seinen Subunternehmer eigene vertragliche Ansprüche auf mangelfreie Werkerstellung; überdies hat er allenfalls einen Schadenersatzanspruch gegen den Subunternehmer wegen Verletzung der vertraglichen Pflichten aus dem Subunternehmervertrag.10 Auch im Rahmen einer Vertragskette hat der Subunternehmer, der seinerseits einen Teil der Arbeiten weitergibt, gegen seinen Subunternehmer als Besteller eigene Ansprüche auf mängelfreie Werkerstellung.11

4. Ansprüche nach § 933a ABGB § 933a ABGB bestimmt, dass der Übernehmer (in unserem Fall: der Generalunternehmer) Schadenersatz fordern kann, wenn der Übergeber (in unserem Fall: der Werkunternehmer) den Mangel verschuldet hat. Wie im Gewährleistungsrecht auch kann der Besteller als Schadenersatz zunächst nur den Austausch oder die Verbesserung verlangen (§ 933a Abs 2 Satz 1 ABGB). Ein Geldersatz kommt nur dann infrage, wenn die Verbesserung oder der Austausch unmöglich oder für den Unternehmer mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre. Der Besteller kann aber auch Geldersatz fordern, wenn die Verbesserung oder der Austausch für ihn mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären. Es können aber auch in der Person des Unternehmers liegende Gründe dazu führen, dass dem Besteller die Verbesserung unzumutbar ist, etwa wenn der Mangel auf eine besondere Sorglosigkeit des Unternehmers schließen lässt und damit einen Vertrauensverlust begründet. Dasselbe gilt, wenn der Unternehmer die Verbesserung bzw den Austausch ablehnt oder nicht innerhalb angemessener Frist vornimmt. Insofern orientiert sich § 933a ABGB an der gewährleistungsrechtlichen Vorschrift des § 932 ABGB. Allerdings wird die Höhe des Geldersatzes nach schadenersatzrechtlichen Kriterien berechnet und unterscheidet sich somit insofern von der relativen Berechnungsmethode der gewährleistungsrechtlichen Preisminderung. Diese unterschiedliche Berechnung kann in der Praxis zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Schadenersatzrechtlich ist die

9 OGH 26. 3. 1997, 3 Ob 71/97f.

10 OGH 23. 5. 2007, 3 Ob 279/06k.

11 RIS-Justiz RS0018820.

objektive Wertminderung zu ersetzen, während bei der relativen Berechnungsmethode der Preis in dem Verhältnis gemindert wird, in dem der Wert der mangelhaften Sache niedriger als der Wert der mangelfreien Sache ist. Die objektive Wertminderung als Begrenzung des Schadenersatzanspruchs wird in weiterer Folge noch eine Rolle spielen. Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist allerdings, dass der Schaden beim Generalunternehmer und nicht beim Bauherrn eingetreten ist. In der Regel trifft der Schaden der mangelhaften Leistung den Bauherrn als Eigentümer des Bauwerks und nicht den Generalunternehmer.

5. Verzug des Unternehmers mit der Verbesserung

RIS-Justiz RS0086353 gibt einen Überblick über die Ansprüche des Generalunternehmers, wenn der Subunternehmer nicht in gehöriger Zeit verbessert: Unterlässt der Schuldner (Werkunternehmer) seine Verbesserung, so muss er den Gläubiger12 so stellen, wie er stünde, wenn er ordnungsgemäß erfüllt hätte. Es steht demnach das Erfüllungsinteresse zu. Der Ersatzanspruch ist primär auf Naturalersatz, also auf Behebung des Mangels, gerichtet (§ 1323 ABGB). Als Schaden kommen auch die Kosten einer vom Werkbesteller selbst oder auf seine Veranlassung hin durchgeführten Verbesserung oder allenfalls Neuherstellung durch einen Dritten, also die Kosten der Ersatzvornahme bzw das Deckungskapital, in Betracht, wenn die geschuldete Naturalrestitution durch den Schädiger untunlich ist. Dies ist insbesondere nach Verzug mit der Verbesserung der Fall. Eine andere Art des Geldersatzes könnte im Ausgleich der Differenz zwischen dem Wert der mangelhaften und dem Wert einer mangelfreien Leistung bestehen. Die Rückerstattung des Werklohns als Schadenersatz kommt, wenn die anderen Arten des Ersatzes den Nachteil ausgleichen, nicht in Betracht, sodass auch der Entgang der Zinsen vom eingesetzten der Begleichung der Werklohnforderung dienenden Kapital nicht aus dem Titel des Schadenersatzes zuerkannt werden kann.

Es ist dabei gleich, ob es sich um einen gewährleistungsrechtlichen Verbesserungsanspruch nach § 932 ABGB oder einen schadenersatzrechtlichen Anspruch nach § 933a ABGB handelt. In der Praxis wird wohl der Anspruch auf die Kosten der Ersatzvornahme der Verbesserungsarbeiten durch einen Dritten die größte Bedeutung haben.

6. Fiktive Reparaturkosten und Deckungskapital

Der Besteller muss aber nicht die Verbesserung durch Dritte vorab durchführen lassen. Vielmehr kann er das Deckungskapital als Vorschuss für die Kosten der Ersatzvornahme fordern. Der Grund für diese Vorschusspflicht liegt im allgemeinen Grundsatz, wonach der Geschädigte nicht verpflichtet ist, eigenes Kapital zur Schadensbehebung einzusetzen.13 Der Zuspruch fiktiver Reparaturkosten ver-

12 Das ist hier der Besteller.

13 OGH 18. 9. 2009, 6 Ob 154/09d.

Regress und Schadenersatz des Generalunternehmers

Regress und Schadenersatz des Generalunternehmers

bietet sich dann, wenn die Reparaturkosten höher als die objektive Wertminderung sind.14 Wird allerdings Deckungskapital für eine noch nicht durchgeführte Reparatur zugesprochen, handelt es sich im Regelfall um einen zweckgebundenen Vorschuss, für den der Empfänger verrechnungspflichtig ist.15 Wird der für einen bestimmten Aufwand geforderte und gewährte Vorschuss nicht bestimmungsgemäß verwendet, ist der Empfänger nach § 1435 ABGB zu dessen Rückzahlung verpflichtet.16

7. Schadenersatzanspruch

des Generalunternehmers

Der Regressanspruch, der sich darauf gründet, dass der Generalunternehmer vom Bauherrn wegen der mangelhaften Leistungen seines Erfüllungsgehilfen, des Subunternehmers, in Anspruch genommen wurde, ist vom allfälligen eigenen Schadenersatzanspruch des Unternehmers gegen seinen Subunternehmer wegen Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen aus dem Subunternehmervertrag zu unterscheiden.17

Wie der OGH festgestellt hat, umfasst der weite Schadensbegriff des ABGB jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen Zustand besteht.18 Ein Schaden kann demnach auch dadurch entstehen, dass das Vermögen des Geschädigten durch Entstehen einer Verbindlichkeit vermindert wurde. Es muss aber feststehen, dass eine solche Verbindlichkeit nicht nur buchmäßig besteht, sondern dass auch mit ihrer Einforderung zu rechnen ist.19 Nach diesen Grundsätzen entstünde dem Generalunternehmer somit bereits durch die Haftung gegenüber dem Bauherrn ein Schaden, noch bevor ihm Kosten (etwa durch die Behebung) entstanden sind.

Nach der Entscheidung vom 15. 10. 1998, 6 Ob 40/98w, konkurriert der eigene Schadenersatzanspruch des Generalunternehmers gegen seinen Subunternehmer wegen Verletzung der vertraglichen Pflichten aus dem Subunternehmervertrag mit seinem spezielleren Regressanspruch.20 Unklar bleibt, was mit „speziellerem Regressanspruch“ gemeint ist und ob der OGH damit zum Ausdruck bringen möchte, dass § 1313 ABGB als lex specialis den allgemeinen Schadenersatzregelungen vorgeht.21 In der späteren Entscheidung vom 13. 7. 2007, 3 Ob 35/07d, kam der OGH auf diese Entscheidung zurück und stellte fest, dass allfällige Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche des Generalunternehmers gegen den Subunternehmer Regressansprüche nicht ausschlössen. Dasselbe würde aber auch umgekehrt gelten. So sei aus der Entscheidung 6 Ob 40/98w abzuleiten, dass der Regressanspruch einerseits und ein Schadenersatzanspruch des Generalunternehmers gegen den Sub-

14 RIS-Justiz RS0022844.

15 RIS-Justiz RS0022844 (T14).

16 RIS-Justiz RS0042411.

17 OGH 15. 12. 1999, 9 Ob 236/99t.

18 RIS-Justiz RS0022537.

19 RIS-Justiz RS0022518.

20 RIS-Justiz RS0018820 (T2).

21 Unzeitig, Regress und Schadenersatz zwischen General- und Subunternehmer, bau aktuell 2019, 114.

unternehmer wegen Verletzung der vertraglichen Pflichten aus dem Subwerkvertrag andererseits in Konkurrenz stehen, also einander nicht ausschließen. Das ergibt sich nicht nur schon aus dem folgenden Satz, wonach beide Ansprüche zu prüfen seien, sondern insbesondere daraus, dass der Rückgriff verneint, der Schadenersatz aber bejaht wurde.22 Bei genauer Betrachtung lässt sich aber auch daraus keine Aussage zur Frage des Vorrangs des § 1313 ABGB entnehmen. In der Literatur wird diese Frage nicht einheitlich beantwortet.23

Dabei wirkt sich nach der Rechtsprechung eine vertragliche Haftungsbeschränkung für Schadenersatzansprüche auch auf den Regressanspruch aus. Wenn der Gehilfe durch die Schädigung des Dritten nämlich zugleich auch seine Verpflichtung gegenüber dem Besteller zur sachgemäßen und sorgfältigen Ausführung des Werks verletzt hat, ist der Regressanspruch des Bestellers ein Schadenersatzanspruch aus dem Vertragsverhältnis.24 Dementsprechend hat der OGH auch zur Haftungsbegrenzung der ÖNORM B 211025 für leicht fahrlässig verursachte Schäden festgestellt, dass die ÖNORM B 2110 nicht zwischen einem unmittelbar dem Auftraggeber zugefügten Schaden und einem diesem erst mittelbar (durch Inanspruchnahme durch den Dritten) entstehenden Schaden differenziert und dem Unternehmer damit die Haftungsbegrenzungen bei leichter Fahrlässigkeit auch im Regress zugutekomme.26

8. Regressanspruch des Generalunternehmers nach § 1313 ABGB

Die für den Regress des Generalunternehmers am Subunternehmer maßgebliche Bestimmung ist § 1313 ABGB. Satz 1 bringt zum Ausdruck, dass man grundsätzlich nicht für fremde Handlungen haftet. In den Fällen, wo das Gesetz aber das Gegenteil anordnet, bleibt dem Haftenden der Rückersatz gegen den Schuldtragenden vorbehalten (Satz 2). Ein wichtigster Anwendungsfall dieser Regelung ist der Regress des Generalunternehmers, nachdem er wegen eines Verschuldens des Subunternehmers nach § 1313a ABGB zur Haftung herangezogen wurde. Der OGH stellte klar, dass diese Bestimmung aber nicht den Regress gegen den Gehilfen des Gehilfen trägt.27 Der Generalunternehmer kann also auch im Regressweg nicht auf den Subunternehmer des Subunternehmers haftungsmäßig durchgreifen. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die Bauführung vom Generalunternehmer zur Gänze an einen Subunternehmer weitergegeben wurde, der sich wiederum eines Subunternehmers bediente. Die Leistung dieses Sub-Subunterneh-

22 OGH 13. 7. 2007, 3 Ob 35/07d.

23 Gegen einen Vorrang von § 1313 ABGB Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 (1997) Rz 17/21 FN 48; Unzeitig, bau aktuell, 2019, 114 ff; anderer Ansicht Oberhofer, Präklusion und Verjährung in Haftungsrecht der wirtschaftlich Unselbständigen, ZAS 1989, 45. 24 RIS-Justiz RS0017478.

25 Damals ÖNORM B 2110: Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen – Werkvertragsnorm (Ausgabe: 15. 3. 2013); nunmehr ÖNORM B 2110: Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen – Werkvertragsnorm (Ausgabe: 1. 5. 2023).

26 OGH 12. 7. 2017, 1 Ob 127/17h.

27 OGH 30. 6. 2022, 4 Ob 99/22w.

mers war mangelhaft und der Generalunternehmer wurde zum Ersatz der Sanierungskosten verurteilt und zahlte diese auch. Der Sub-Subunternehmer trat diesem Rechtsstreit als Nebenintervenient bei. Da der Generalunternehmer irrtümlich davon ausging, den Sub-Subunternehmer beauftragt zu haben anstatt den eigentlichen Subunternehmer, mit dem er durch das Vertragsverhältnis verbunden war, machte er die Regressansprüche nach § 1313 ABGB gegen den Sub-Subunternehmer klagsweise geltend. Der OGH entschied, dass der Umstand, dass ein Vertragspartner (zB der Generalunternehmer) bei einer sogenannten Erfüllungsgehilfenkette auch für das Verschulden des von seinem Subunternehmer verwendeten weiteren Erfüllungsgehilfen haftet,28 einen Regressanspruch des Generalunternehmers gegen den Sub-Subunternehmer nicht stützen kann.

Dem Einwand der fehlenden Aktivlegitimation hielt der klagende Generalunternehmer in der obigen Sache entgegen, dass ihm die Forderung des Subunternehmers gegen den beklagten Sub-Subunternehmer abgetreten worden sei. Dazu stellte der OGH fest, dass der Subunternehmer gar keinen Regressanspruch gegen den beklagte Sub-Subunternehmer hatte, den er hätte abtreten können, da er den Anspruch nämlich selbst noch gar nicht befriedigt hatte.29

Der Regressanspruch des Generalunternehmers setzt weiters voraus, dass die Haftung des Generalunternehmers tatsächlich besteht.30

9. Zeitpunkt des Entstehens des Regressanspruchs nach § 1313 ABGB

Nach der Rechtsprechung entsteht der Rückersatzanspruch gemäß § 1313 Satz 2 ABGB wie in den Fällen der §§ 896 und 1302 ABGB noch nicht mit dem Schaden des Dritten selbst oder mit der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs durch den geschädigten Dritten, sondern erst dann, wenn und soweit der in Anspruch genommene Teil dem Dritten tatsächlich Ersatz geleistet hat.31 Der OGH unterscheidet in diesem Zusammenhang nicht, ob ein Solidarschuldverhältnis wie in Fällen der §§ 896 und 1302 ABGB vorliegt oder nicht, wie dies bei einem Regress nach § 1313 ABGB der Fall wäre, dem kein Solidarschuldverhältnis zugrunde liegt. Diese Rechtsprechung wird von der Lehre teilweise kritisiert. Reischauer stimmt dem für die Fälle des Solidarschuldverhältnisses zu, stellt aber ansonsten auf das Entstehen der Verbindlichkeit ab. Beim Solidarschuldverhältnis ist es nachvollziehbar, dass der Regressanspruch erst nach Zahlung an den Gläubiger entsteht. Würde nämlich einer der Solidarschuldner vorab Zahlung an einen anderen Solidarschuldner leisten, bliebe er trotz Zahlung weiterhin vollumfänglich dem Gläubiger haftbar. Die Zahlung an den anderen Solidarschuldner wirkt gegenüber dem Gläubiger nicht haftungsmindernd. Sollte der andere Solidarschuldner die Schuld nicht zur Gänze begleichen, würde er somit weiterhin

28 RIS-Justiz RS0021803; RS0121745 (T3 und T7).

29 OGH 30. 6. 2022, 4 Ob 99/22w.

30 RIS-Justiz RS0028394 (T3).

31 RIS-Justiz RS0028394.

dem Gläubiger haften. Eine solche Gefahr besteht aber für den Subunternehmer nicht, wenn er an den Generalunternehmer zahlt, noch bevor dieser an den Bauherrn geleistet hat, da der Subunternehmer in der gesamten Vertragskette – wie ausgeführt –auch nach der Rechtsprechung des OGH weder einem vertraglichen Schadenersatzanspruch noch einem Regressanspruch des Auftraggebers seines Auftraggebers ausgesetzt ist. Allerdings sieht auch Reischauer, dass das Wort „Rückersatz“ in § 1313 ABGB nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen ist.32

10. Verjährung des Regressanspruchs

Nach RIS-Justiz RS0017447 beginnt die Verjährung für die als Entschädigungsklage im weiteren Sinn zu beurteilende Regressklage gemäß § 896 ABGB nicht schon mit der Kenntnis des haftungsbegründenden Sachverhalts, sondern jedenfalls nicht früher, als unverrückbar die Ersatzpflicht feststeht. So beginnt etwa die dreijährige Verjährungsfrist für die Regressforderung auch dann, wenn man eine Solidarhaftung der Streitteile gegenüber dem Geschädigten nicht annimmt, frühestens mit dem Eintritt der Wirksamkeit des abgeschlossenen Vergleichs.

Demnach könnte die Verjährung noch vor der Zahlung zu laufen beginnen, sofern die Schuld nur ausreichend klar, also unverrückbar, feststeht. Damit würde aber die Verjährungsfrist laufen, noch bevor der Anspruch entstanden ist und somit überhaupt erfolgreich eingeklagt werden könnte. Denn der Regressanspruch entsteht sowohl nach der Rechtsprechung als auch nach der herrschenden Lehre erst mit Zahlung, unabhängig vom Feststehen des Anspruchs.33

Diese Rechtsprechung stünde somit in Widerspruch zu RIS-Justiz RS0017558, wonach der eine Solidarschuldner im Innenverhältnis gegenüber dem anderen Solidarschuldner erst dann Regress nehmen kann, wenn er selbst bezahlt hat. Und auch nach RIS-Justiz RS0017558 (T2) besteht noch kein Rückgriffsrecht, auch wenn der regressierende Solidarschuldner bereits einen rechtskräftigen Exekutionstitel (über die Gesamtforderung) gegen sich hat.

Auch der OGH erkannte, dass diese jeweils die Ersatzansprüche des Geschäftsherrn gegen den Erfüllungsgehilfen treffenden Entscheidungen insofern in einem gewissen Widerspruch zur Rechtsprechung über das Entstehen des Regressanspruchs stehen, als danach die Verjährungsfrist erst mit der Leistung des Ersatzes „oder frühestens mit der Verurteilung zur Ersatzleistung“ zu laufen beginnen soll.34 Zu dem Kriterium des unverrückbaren Feststehens der Ersatzpflicht des Geschäftsherrn führte der OGH in der Entscheidung 3 Ob 35/07d näher aus und stellte fest, dass die Verjährung in diesen Fällen jeweils verneint wurde, weshalb nicht gesagt werden kann, diese Rechtsprechung stünde im Gegensatz zu jener, wonach die

32 Reischauer in Rummel, ABGB3, § 1313 Rz 4.

33 Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.09, § 1313 Rz 3.

34 OGH 13. 7. 2007, 3 Ob 35/07d.

Regress und Schadenersatz des Generalunternehmers

Regress und Schadenersatz des Generalunternehmers

Rückgriffsforderung erst mit der Befriedigung des Dritten entstünde. Die Annahme, aus den zitierten Entscheidungen wäre abzuleiten, nach der Ansicht des OGH entstünde ein Regressanspruch des Generalunternehmers gegen den nicht solidarisch haftenden Subunternehmer bereits mit der Verurteilung des Generalunternehmers zur Leistung an dessen Vertragspartner, ist somit nicht begründet.35

11. Regress nach § 896 ABGB

Es kann Fälle geben, in denen der Generalunternehmer dem geschädigten Bauherrn ex contractu und der Subunternehmer ex delicto haftet. In diesem Fall würde eine solidarische Haftung des Generalunternehmers und seines Subunternehmers vorliegen. Ein Beispiel wäre, dass der Subunternehmer vor der Übernahme das Werk beschädigt und ihn daran ein Verschulden trifft. Der geschädigte Bauherr hätte gegen seinen Vertragspartner, den Generalunternehmer, einen vertraglichen Schadenersatzanspruch und gegen den Subunternehmer, mit dem kein Vertragsverhältnis besteht, einen deliktischen Schadenersatzanspruch. Das wird auch von der Rechtsprechung bestätigt, wonach der Erfüllungsgehilfe dem Besteller nur dann haftet, wenn sein Verhalten unabhängig vom Bestehen eines Schuldverhältnisses rechtswidrig war, er also deliktisch handelte, da er zum Gläubiger in keinem Schuldverhältnis steht.36 In diesem Fall ist also die Solidarhaftung von General- und Subunternehmer gegenüber dem geschädigten Bauherrn zu bejahen und es kommt zum Regress nach § 896 ABGB. Der OGH führt dazu aus, dass die Solidarhaftung des Geschäftsherrn, also in unserem Fall des Generalunternehmers (ex contractu gemäß § 1313a ABGB) und seines Subunternehmers (ex delicto gemäß §§ 1295 und 1299 ABGB), gegenüber dem geschädigten Dritten im Sinne § 1302 letzte Halbsatz ABGB die Anwendung der Vorschriften über die vertragliche Solidarschuld und somit § 896 Satz 1 ABGB rechtfertige. Der Ausgleich zwischen den Solidarschuldnern richtet sich dabei nach dem jeweiligen Verursachungs-, Rechtswidrigkeits- und Schuldanteil jedes einzelnen Mitschuldners am Bestehen der Gesamtschuld.37 Dabei ist es nicht undenkbar, dass die Zurechnungsgründe bei einem Gesamtschuldner so gering ausgeprägt sind, dass er im Innenverhältnis nicht zum Ausgleich herangezogen wird. Das wird gerade für das Verhältnis zwischen General- und Subunternehmer relevant sein. Wie der OGH in der Entscheidung vom 21. 12. 2015, 5 Ob 125/15s, ausführt, würde selbst bei einer Solidarverpflichtung nach § 896 ABGB eine Haftung nach Köpfen nur dann eintreten, wenn kein „anderes besonderes Verhältnis“ besteht. Im Falle des Subwerkvertragsverhältnisses und des Regresses nach § 1313 Satz 2 ABGB ist ein Schaden, der durch die schuldhaft mangelhafte Leistung des Erfüllungsgehilfen verursacht wurde, daher grundsätzlich diesem zuzuweisen.

35 OGH 13. 7. 2007, 3 Ob 35/07d.

36 RIS-Justiz RS0022801.

37 RIS-Justiz RS0017514 (T12).

12.

Freistellungsanspruch des Generalunternehmers Grundsätzlich ergäbe sich aus dem Grundsatz der Naturalrestitution, dass bei einem Schaden in Form des Entstehens einer Verbindlichkeit auch ein Freistellungsanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger jedenfalls dann anzuerkennen ist, wenn die konkrete Verbindlichkeit zugunsten des dritten Gläubigers bereits entstanden ist und von ihm auch geltend gemacht und damit fällig gestellt wurde. In diesem Fall kann der Geschädigte also grundsätzlich ein Begehren auf Befreiung von dieser konkreten Verbindlichkeit gegenüber dem Schädiger stellen.38

Dieser Grundsatz wird in verschiedenen Rechtsbereichen bejaht. In einer älteren Entscheidung verneinte der OGH allerdings einen Freistellungsanspruch für Regressansprüche nach § 896 ABGB.39 Aktuelle Rechtsprechung besteht dazu – soweit ersichtlich – nicht. In der Literatur wird der Freistellungsanspruch teilweise auch im Falles des § 896 ABGB bejaht, insbesondere wenn der in Anspruch Genommene den Schaden im Innenverhältnis nicht endgültig tragen muss und ein vollständiges Rückgriffsrecht hat (wie etwa der Geschäftsherr gegen den Erfüllungsgehilfen).40

Im Anwendungsbereich des § 1313 ABGB kommt diese Überlegung nicht zu tragen, soweit man dem Wort „Rückersatz“ in dieser Bestimmung die Bedeutung gibt, dass der Geschäftsherr jedenfalls geleistet haben muss, bevor er Rückgriff an seinem Gehilfen nimmt.

Zusammenfassung

1. § 1313a ABGB normiert die Haftung des Geschäftsherrn (Generalunternehmer) für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen als Ausnahme vom Grundsatz, dass man nur für eigenes Verschulden haftet.

2. Die Vertragsverhältnisse zwischen Bauherrn und Generalunternehmer sowie Generalunternehmer und Subunternehmer sind grundsätzlich getrennt.

3. Der Generalunternehmer hat eigene Schadenersatzansprüche gegen den Subunternehmer, auch bei mangelhafter Leistung (§ 933a ABGB).

4. Der Mangelschaden wird aber in der Regel nicht beim Generalunternehmer, sondern beim Bauherrn eintreten. In diesem Fall hat der Generalunternehmer keinen eigenen Schadenersatzanspruch.

5. Bei Verzug oder Verweigerung der Verbesserung kann der Generalunternehmer die Kosten der Ersatzvornahme fordern.

6. Der Generalunternehmer muss die Ersatzvornahme nicht vorfinanzieren, sondern kann einen abrechenbaren Vorschuss als Deckungskapital vom Subunternehmer fordern. Fiktive Reparaturkosten sind mit der objektiven Wertminderung begrenzt. 38 RIS-Justiz RS0132150.

Die Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung

7. Der Regressanspruch des Generalunternehmers gegen den Subunternehmer nach § 1313 ABGB setzt die vorherige Leistung des Generalunternehmers an den Bauherrn voraus.

8. Mit Leistung des Generalunternehmers an den Bauherrn beginnt die Verjährung des Regressanspruchs gegen den Subunternehmer.

9. Es ist strittig, ob der Regress nach § 1313 ABGB als lex specialis den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts vorgeht.

10. Haftet der Generalunternehmer dem geschädigten Bauherrn ex contractu und der Subunternehmer ex delicto, liegt solidarische Haftung vor.

11. Im Falle der solidarischen Haftung wird der Regressanspruch nach § 896 ABGB ebenfalls mit der Leistung an den geschädigten Bauherrn fällig.

Die Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung

Die Haftung des Architekten für Baukostenüberschreitungen birgt eine Vielzahl an Unklarheiten und Herausforderungen für die Praxis. Die Frage, inwieweit von der Kostenschätzung des Architekten sanktionslos abgewichen werden darf, hängt von der Vertragsgestaltung und nicht eindeutiger Judikatur der Gerichte ab. Entsprechende Unklarheiten bestehen für die Vertragsparteien bereits im Rahmen der Kostenermittlung in der Planungsphase und auch bei der Kostenkontrolle während der Ausführungsphase. Dieser Fachbeitrag untersucht, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen der Kostenermittlung eine Pflichtverletzung des Architekten vorliegt und inwieweit bei der Schadensberechnung ein Vorteilsausgleich zugunsten des haftenden Architekten in Betracht kommt.

1. Architektenhaftung im Zusammenhang mit Baukostenobergrenzen und Kostenrahmen

Die Praxis zeigt, dass Architekten der Kostenermittlung in der Planungsphase sowie der Kostenkontrolle während der Ausführungsphase nicht immer die erforderliche Aufmerksamkeit schenken. Dies ist insofern überraschend, da die Haftpflichtversicherung sich daraus ergebende Ansprüche des Auftraggebers oft nicht deckt. Eine sorgfältige Kostenermittlung, Kostenkontrolle und Vertragsgestaltung sind daher jedenfalls ratsam.

Häufig bringen Auftraggeber im Bauprozess vor, dass der Architekt die geschätzten Baukosten erheblich überschritten habe und deswegen aus Schadenersatz hafte.1 Dieses Vorbringen ist jedoch aus der Sicht des Anspruchstellers oft zu ungenau und daher unzureichend, da es an einem differenzierten Sachvortrag fehlt, welche haftungsbegründende Vereinbarung vorliegt, aus welchen Gründen es zur Kostenüberschreitung kam und vor allem ob ein Schaden entstanden ist, der nicht durch infolge der Kostenüberschreitung eingetretene Vorteile reduziert oder ohnedies vermieden wird.

Die Durchsetzung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Architekten erfordert jedenfalls ein rechtswidriges Verhalten des Architekten, einen nachgewiesenen Schaden, ein Verschulden des Architekten sowie auch einen Kausalitätszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Architekten und dem eingetretenen Schaden.

1 Vgl Werner in Werner/Pastor, Der Bauprozess16 (2018) Rz 2255.

Für eine erfolgreiche Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs ist es auch relevant, ob sich die Vertragsparteien auf einen vorgegebenen Kostenrahmen oder eine bestehende Kostenobergrenze geeinigt haben.2 Denn bei einem rechtswirksam ausbedungenen Kostenrahmen verbleibt dem Architekten grundsätzlich ein haftungsfreier Toleranzspielraum, der mangels genauer vertraglicher Regelung allerdings nicht vorweg exakt eingeschätzt werden kann, worin eine gewisse Rechtsunsicherheit liegt. Verbleiben die Kosten innerhalb des Kostenrahmens, liegt noch keine Pflichtverletzung des Architekten vor, weshalb in diesem Fall ein Schadenersatzanspruch nicht in Betracht kommt. Wird hingegen eine Kostenobergrenze vereinbart, kommt bei deren Überschreitung in der Regel bereits eine Haftung des Architekten aus Gewährleistung und/oder Schadenersatz in Betracht. Übernimmt hingegen der Architekt überhaupt eine Kosten- bzw Bausummengarantie, haftet er sogar verschuldensunabhängig aus der übernommenen Garantiehaftung.

Den Architekten trifft grundsätzlich bereits im frühen Planungsstadium des Bauvorhabens eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe: Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Architekt in aller Regel zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen, ehe er dem Auftraggeber diese Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Bauvorhaben zur Zustim2 OGH 26. 1. 2010, 9 Ob 98/09s; vgl für den deutschen Rechtsbereich Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2256.

Dr. Nikolaus Weselik ist Rechtsanwalt und Partner einer Rechtsanwälte-GmbH mit Sitz in Wien. Er leitet den Fachbereich für Bau und Immobilien.

Maximilian Weselik, LL.M. (WU) ist Rechtsanwaltsanwärter in Wien. Er beschäftigt sich im Rahmen des postgradualen Studiums Wohn- und Immobilienrecht sowie des Doktoratsstudiums mit Fragen der Vertragsgestaltung bei der Verwendung von BIM.

Die Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung

mung vorlegt.3 Die dem Auftraggeber zur finanziellen Orientierung dienende Kosteneinschätzung hat durch den Architekten umso sorgfältiger und umfassender zu erfolgen, je fortgeschrittener das Bauvorhaben ist.

Der OGH hat die Anforderungen an die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze oder eines Baukostenrahmens wie folgt zusammengefasst: Für eine verbindliche Vereinbarung muss sich aus dem Gesamtzusammenhang eindeutig und unmissverständlich ergeben, dass die Baukosten in einer bestimmten Höhe verbindlich als vertraglich geschuldete Beschaffenheit der Architektenleistung einzuhalten sind. Die vertragliche Regelung muss sich daher klar und eindeutig auf die Baukosten beziehen.4 Wird hingegen lediglich eine bestimmte Bausumme der Honorarvereinbarung mit dem Architekten zugrunde gelegt, so kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht von der Vereinbarung einer Baukostenobergrenze ausgegangen werden.5

Auch die deutsche Rechtsprechung betont, dass jeweils unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu prüfen ist, ob und mit welchem Verbindlichkeitsgrad überhaupt eine Kostenabrede getroffen worden ist;6 unterschieden wird hierbei ebenfalls zwischen der Vereinbarung einer Kostengarantie, der Einigung über einen Kostenrahmen als Orientierung und der verbindlichen Absprache einer Kostenobergrenze.7

2. Architektenhaftung bei Baukostengarantien

Bei der Baukostengarantie übernimmt der Architekt verschuldensunabhängig die Mehrkosten bei einer Überschreitung der vereinbarten Baukosten, garantiert dabei aber nicht jedenfalls die Erfüllung der eigenen Leistung.8

Ob ein Garantievertrag vorliegt, stellt jeweils eine rechtliche Auslegungsfrage im Einzelfall dar. Die Bestimmung des § 880a ABGB erwähnt den Sonderfall der Erfolgszusage für die Leistung eines Dritten.9 Die in Halbsatz 2 dieser gesetzlichen Bestimmung angesprochene Erfolgszusage stellt einen Spezialfall des ansonsten im ABGB nicht ausdrücklich geregelten Garantievertrages dar.10 Die Zusage gegenüber dem Bauherrn, für die Einhaltung einer bestimmten Bausumme einzustehen, kann grundsätzlich Gegenstand eines solchen verbindlichen Garantieversprechens sein. Der Garantievertrag ist dann auf die Abdeckung des sich aus einem ungewissen künftigen Ereignis ergebenden Risikos gerichtet.11

Für die Annahme einer Baukostengarantie des Architekten sind allerdings im Hinblick auf die weitreichenden Rechtsfolgen zu Recht sehr strenge

3 Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2259.

4 OGH 26. 1. 2010, 9 Ob 98/09s.

5 Wiener, Die Haftung des Planers für die Einhaltung der Baukosten, bau aktuell 2010, 139 (141 f).

6 Vgl OLG Düsseldorf 20. 12. 1991, 22 U 145/91, BauR 1993, 356.

7 Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2259.

8 Wiener, bau aktuell 2010, 142 f.

9 Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4, § 880a Rz 4.

10 Koziol, Der Garantievertrag (1981) 1; vgl aber auch Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05, § 880a Rz 6.

11 Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05, § 880a Rz 6.

Vorgaben zu beachten. Der bloße Hinweis des Architekten etwa, die Kosten des Bauwerks würden eine bestimmte Summe nicht übersteigen, reicht dafür im Regelfall noch nicht aus, um als Bausummengarantie klassifiziert zu werden. Auch die Erklärung, „persönlich die Einhaltung einer Bausumme garantieren zu können“, oder die Aussage, „es werde zu keiner Kostenüberschreitung kommen“, soll jedenfalls nach deutscher Literatur für sich noch keine Baukostengarantie sein.12 Diese Einschätzung ist allerdings im Hinblick auf den doch klaren Wortlaut der Erklärungen durchaus fraglich.

Der OGH betonte, dass Garantiezusagen in Architektenverträgen unüblich seien und fachkundige Haftungsübernahmen, die über den wesentlichen Aufgabenbereich eines Architekten hinausgehen, klar und eindeutig formuliert sein müssen. Eine solche klare und eindeutige Formulierung fehlte in einem vom OGH entschiedenen Fall, in dem ein Architekt für Gesamtbaukosten und die Leistung einer Wasserkraftanlage haften sollte.13 Auch in der Literatur wird zu Recht darauf abgestellt, dass es für das Vorliegen einer Baukostengarantie sowohl einer eindeutigen Formulierung als auch einer leichten Auffindbarkeit im Vertragsdokument und einer entsprechenden Hervorhebung der Baukostengarantie bedarf.14

Trotz rechtswirksam vereinbarter Baukostengarantie entfällt nach deutscher Rechtsprechung eine Haftung des Architekten für die Überschreitung eines Baukostenlimits bei Anerkennung durch den Bauherrn. Eine solche Anerkennung der Überschreitung kann in der Praxis durch die Unterschrift unter sämtliche Bauunterlagen oder die Neuberechnung der Baukosten erfolgen.15 Selbiges gilt, wenn die ursprüngliche Planung einvernehmlich geändert und in erweitertem Umfang umgesetzt wird.16 Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Anwendung dieser haftungseinschränkenden Umstände nicht auch für das österreichische Recht erfolgen kann. Zu beachten ist dabei allerdings, dass für die Annahme eines rechtgültigen Verzichts auf die Geltendmachung eines Anspruchs aus der Garantieabrede unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände kein Grund zu zweifeln übrig bleiben darf. Allein das Abfinden des Auftraggebers mit der eingetretenen Kostenüberschreitung führt daher für sich wohl noch zu keinem rechtsgültigen Verzicht auf die Geltendmachung des Anspruchs aus der Garantieabrede.

3. Rechtsfolgen der Baukostenüberschreitung

Um die Verbindlichkeit der Einhaltung einer Baukostenobergrenze zu gewährleisten, bedarf es einer eindeutigen Vereinbarung als vertraglich geschuldete Beschaffenheit des Architektenwerks; andernfalls wird im Zweifelsfall keine rechtswirksame Festlegung zur Baukostenüberschreitung vermu-

12 Wiener, bau aktuell 2010, 142 f.

13 OGH 14. 10. 1997, 1 Ob 2409/96p.

14 Wiener, bau aktuell 2010, 143.

15 Vgl Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2262.

16 OLG Düsseldorf 15. 11. 1994, 21 U 98/94, BauR 1995, 411.

Die Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung

tet.17 Wenn daher in der Vereinbarung eine Baukostenobergrenze nur „angestrebt“ wird oder sie als „unverbindlich“ bezeichnet wird oder wenn die Baukosten mit dem Beisatz „voraussichtlich“ oder „möglichst“ relativiert werden, liegt noch keine verbindliche Einigung auf eine Kostenobergrenze vor.18 Im Unterschied dazu werden bei der Vereinbarung eines Baukostenrahmens vom Architekten die Baukosten entweder innerhalb einer Schwankungsbreite als verbindliche Obergrenze oder allenfalls auch nur als bloße Orientierung angegeben.19

Nach deutscher Judikatur ist vom Vorliegen einer Baukostenobergrenze auszugehen, wenn der Bauherr dem Architekten die maximale Finanzierungsmöglichkeit mitteilt und ihn zur Einhaltung der Finanzierungsgrenzen auffordert oder ihm den Auftrag auf der Grundlage der Finanzierungsmöglichkeiten erteilt. Auch mit der Formulierung im Architektenvertrag, dass dem Bauherrn „verfügbare Mittel“ mit einem bestimmten Betrag zustehen, wird nach Rechtsansicht des deutschen BGH bereits eine Baukostenobergrenze wirksam.20

Baukostenobergrenzen sind grundsätzlich strikt einzuhalten. Legen die Vertragsparteien hingegen nur eine Zirka-Summe als Baukostenrahmen zugrunde, soll dieser nach der Literatur mangels näherer Anhaltspunkte auch bei einer Überschreitung von 10 bis 15 % noch eingehalten sein.21 Dieser Grenzziehung ist durchaus zuzustimmen, da bei einer darüber hinausgehenden Überschreitung jedenfalls bereits von einer beträchtlichen Überschreitung auszugehen ist, die nach den Wertungen der Rechtsordnung gemäß § 1170a Abs 2 ABGB ebenfalls bereits Rechtsfolgen hätte.

Die erstmals im Jahr 2008 von der österreichischen Bundeskammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten herausgegebene „Honorar Information Architektur“ (HIA)22 geht in der Projektvorbereitung und Entwurfsplanung von der Aufstellung eines Kostenrahmens und der Erstellung einer Kostenschätzung aus. In weiterer Folge sieht die HIA je nach Projektfortschritt jeweils optionale Toleranzgrenzen vor, die im Zuge der Vorentwurfsplanung jeweils zirka 20 % für Neubauten und 25 % für Umbauten, im Rahmen der Entwurfsplanung jeweils zirka 15 % für Neubauten und 20 % für Umbauten und in der Phase der Ausschreibungen und Vergaben jeweils zirka 10 % für Neubauten und 15 % für Umbauten betragen. Wollen die Vertragsparteien von der Verbindlichkeit dieser Werte ausgehen, müssen sie den Inhalt der vorgenannten optionalen Bestimmungen jeweils auch rechtsgültig vereinbaren. Auch die ÖNORM B 1801-123 erwähnt im Vorwort, dass die Vorgaben

17 Vgl Wiener, bau aktuell 2010, 141; Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2264.

18 Vgl Wiener, bau aktuell 2010, 141.

19 Wiener, bau aktuell 2010, 141.

20 BGH 4. 10. 1979, VII ZR 319/78, BauR 1980, 84; vgl auch Wiener, bau aktuell 2010, 141.

21 Schmalzl in Schmalzl/Lauer/Wurm, Haftung des Architekten und Bauunternehmers5 (2006) 239.

22 Online abrufbar unter https://wien.arching.at/fileadmin/user_ upload/redakteure_wnb/D_Service/D_6_Honorare/HIABro schuereStandJuli08.pdf

23 ÖNORM B 1801-1: Bauprojekt- und Objektmanagement –Teil 1: Objekterrichtung (Ausgabe: 1. 3. 2022).

der Kostengenauigkeit von den Parteien vertraglich zu regeln sind.

Vereinbaren die Parteien eine Baukostenobergrenze, haftet der Architekt für die Überschreitung auch nach Gewährleistungsrecht, da die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze eine Beschaffenheit des Architektenwerks darstellt, deren Nichterreichung gewährleistungsrechtlich zu einem Mangel des Architektenwerks führt. Dem Architekten muss aber grundsätzlich die Gelegenheit gegeben werden, durch neue planerische Bemühungen die Baukosten auf den vorgegebenen Betrag zu senken. Im Planungsstadium kann bei drohender Überschreitung der Baukosten die Verbesserung durch den Architekten in der Regel noch in vielerlei Hinsicht geschehen. Beispielsweise kann der Materialaufwand reduziert, das Bauvolumen verkleinert oder auch konstruktiv umgeplant werden.24

Ein Verbesserungsrecht des Architekten besteht jedoch nicht, wenn der primäre Behelf der Verbesserung mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden ist.25 Ist die Beeinträchtigung des Auftraggebers jedoch wesentlich, müssen für die Verbesserung auch über dem Wert der eigenen Werkleistung liegende Kosten aufgewendet werden.26

Ein nachträgliches Weglassen von Bauteilen ist für den Auftraggeber allerdings nur dann eine zumutbare Maßnahme zur Einhaltung der Baukostenobergrenze, wenn die Planung im Ergebnis dennoch ausgewogen bleibt, sich auch der Charakter des Bauvorhabens nicht wesentlich verändert und zudem anzunehmen ist, dass der Auftraggeber von Anfang an damit einverstanden gewesen wäre, eine Verringerung der Baukosten durch Entfallen von Bauteilen in dieser Form zu akzeptieren.27 Anderenfalls kann der Auftraggeber, sofern es sich bei der Kostenüberschreitung um keinen nur unwesentlichen Mangel handelt, vom Architektenvertrag zurücktreten und auch schadenersatzrechtliche Ansprüche (beispielsweise entstandene frustrierte Aufwendungen) geltend machen. Auch der OGH bestätigte unter Verweis auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung, dass jede Überschreitung der verbindlich vereinbarten Baukostenobergrenze einen Mangel und folglich die Haftung des Architekten nach österreichischen Gewährleistungsrecht (§§ 922 ff ABGB) begründet.28

4. Sonstige Fälle möglicher Pflichtverletzungen des Architekten Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Architekten, die Kosten des Bauvorhabens im Planvorhaben richtig zu ermitteln und die Kostenermittlung dann auch im Rahmen der Bauausführung so umzusetzen, dass es zu keinen oder jedenfalls keinen beträchtlichen Kostenüberschreitungen kommt. Selbst ohne ausdrückliche Vereinbarung

24 Für den deutschen Rechtsbereich vgl Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2282.

25 Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02, § 932 Rz 48.

26 OGH 18. 12. 2006, 8 Ob 108/06z, JBl 2007, 519 (W. Faber); vgl unter anderem auch OGH 13. 3. 2008, 6 Ob 241/06v; 7. 7. 2008, 6 Ob 134/08m.

27 Für den Bereich deutschen Rechts Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2282.

bei Baukostenüberschreitung

28 OGH 26. 1. 2010, 9 Ob 98/09s. Architektenhaftung

Die Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung

eines Kostenrahmens oder einer Kostenobergrenze bewegt sich der Architekt daher in keinem wirtschaftlich freien Raum, da er jedenfalls von sich aus frühzeitig den Bauherrn zutreffend über die voraussichtlichen Baukosten zu beraten hat.29 Unterlässt der Architekt den ihm erkennbaren rechtzeitigen Hinweis auf mögliche preisliche Veränderungen, liegt ein Verstoß gegen die Beratungspflicht (§ 1299 ABGB) vor, die ihn nach einem sachverständigen Haftungsmaßstab schadenersatzpflichtig machen kann.30

Der Architekt ermittelt jedoch stets nur die zum Zeitpunkt der Kostenermittlung realistischen Kosten, weshalb den Vereinbarungen der Baubeteiligten, insbesondere den Planvorgaben des Bauherrn, besonderes Gewicht zukommt.31 Verbleiben in Bezug auf tatsächliche Vorgaben des Bauherrn beim Architekten Unklarheiten, muss der Architekt für die Ermittlung der Grundlagen den Leistungsbedarf entsprechend abklären und die Zielvorstellungen mit dem Bauherrn abstimmen.

Aus der deutschen Rechtsprechung lässt sich ein Katalog an Beispielen möglicher Pflichtverletzungen des Architekten ableiten, die grundsätzlich auch für das österreichische Recht relevant sein können. Solche den Architekten haftbar machenden Pflichtverletzungen können zB in nachfolgenden Fällen vorliegen: ungünstige Vertragsabschlüsse mit Unternehmen, ungenaue Kosteneinschätzungen, das Vergessen von Einzelpositionen im Leistungsverzeichnis, die teurere Ausführung aus ästhetischen Gründen ohne Aufklärung des Bauherrn über die Verteuerung, Rechen- und Planungsfehler oder das Vergessen der Mehrwertsteuer.32

Keine schuldhaften Pflichtverletzungen des Architekten liegen hingegen in der Regel bei Kostensteigerungen vor, die ihre Ursache in Insolvenzen beteiligter Bauunternehmen haben. Dies gilt auch für unvorhergesehene Mehrkosten eines Bauprojekts, die nicht im Einflussbereich des Architekten liegen. Keine schuldhafte Pflichtverletzung des Architekten stellen auch kostensteigernde Sonderund Änderungswünsche des Auftraggebers dar, die zu Zusatzaufträgen im Rahmen des Projekts führen. Nach der Rechtsprechung des OGH hat der mit Planungsleistungen beauftragte Architekt als Ausfluss seiner umfassenden vertraglichen Beratungspflicht jedoch jedenfalls wirtschaftliche Gesichtspunkte (wie etwa die allenfalls beschränkten Mittel des Bauherrn) zu berücksichtigen und unter Bedachtnahme auf dessen Vorgaben möglichst kostengünstig zu planen. Treten zudem Umstände ein, die eine nicht unerhebliche Überschreitung eines überschlagsmäßig eingeschätzten Kostenbetrags bewirken können, muss der Architekt darauf hinzuweisen. Bei positiver Kenntnis des Bauherrn von den aufzuklärenden Umständen und dessen Fähig-

29 OLG Hamm 21. 7. 2011, I-24 U 151/04, BauR 2012, 1981; BGH 11. 11. 2004, VII ZR 128/03, BauR 2005, 400.

30 OGH 26. 1. 2010, 9 Ob 98/09s (unter Hinweis auf OGH 18. 7. 2002, 3 Ob 53/02v).

31 Für den Bereich deutschen Rechts Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2271; OLG Köln 27. 1. 1993, 11 U 166/92, NJW-RR 1993, 986.

32 Vgl OLG Hamm 12. 5. 2004, 25 U 101/03, BauR 2005, 130; Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2272; BGH 7. 11. 1996, VII ZR 23/95, BauR 1997, 335.

keit, die Konsequenzen für die weitere Planung und Durchführung des Bauvorhabens zu erkennen, entfällt jedoch nach der Judikatur die Beratungspflicht des Architekten.33 Die Nachweispflicht für das Vorliegen dieser Umstände trifft allerdings den Architekten.

5. Schadensberechnung und Vorteilsausgleich

Liegt eine vorwerfbare Pflichtverletzung des Architekten vor, stellt sich bei der Erhebung von Schadenersatzansprüchen jeweils die Frage nach der Schadenberechnung. Die darin liegende Problematik wird in der Praxis oft wenig beachtet. Vor allem stellt sich die Frage, inwieweit ein Schaden anzunehmen ist, wenn die eingetretene Kostenüberschreitung auch zu einer Wertsteigerung des Bauprojekts führt.

Der Schaden könnte grundsätzlich entweder in der Höhe der Überschreitung der vereinbarten Baukostenobergrenze oder im Ausmaß der über dem noch tolerierbaren Überschreitungsbetrag liegenden Baukosten liegen. Der OGH geht allerdings von einer Vorteilsanrechnung aus und judiziert, dass eine durch Mehraufwendungen eingetretene Wertsteigerung des Bauvorhabens als schadensmindernd zu berücksichtigen ist.34 Auch nach der Rechtsprechung des deutschen BGH muss sich der Auftraggeber grundsätzlich die Vorteile anrechnen lassen, die ihm durch die Pflichtwidrigkeit des Architekten zugeflossen sind.35 Ein solcher Vorteilsausgleich kann beispielsweise in dem Auftraggeber zugutekommenden Steuervorteilen, in einer höheren Ertragskraft oder einem erhöhten Verkehrswert des Bauprojekts liegen. Dies kann dann im Ergebnis dazu führen, dass der Bauherr überhaupt keinen Schadenersatzanspruch durchsetzen kann, weil der Wertzuwachs des Bauwerks den Schaden ausgleicht.36

Die Grenze eines vorzunehmenden Vorteilsausgleichs wird allerdings dann überschritten, wenn der Bauherr den ihm zufallenden Vermögenszuwachs finanziell nicht tragen kann oder er sich durch einen erforderlich werdenden Finanzierungsmehraufwand in unzumutbarer Weise einschränken muss. Denn der Rechtsgedanke des Vorteilsausgleichs beruht auf den Grundsätzen von Treu und Glauben, weshalb unbillige, dem Zweck des Ersatzanspruchs zuwiderlaufende Ergebnisse im Ergebnis vermieden werden müssen.37

Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung der Schadensbehebungskosten der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz.38 Dies kann dazu führen, dass bei längeren Verfahren durch zwischenzeitig eintretende Wertsteigerungen des Bauprojekts der vorhandene

33 OGH 26. 1. 2010, 9 Ob 98/09s.

34 OGH 18. 7. 2002, 3 Ob 53/02v.

35 Vgl unter anderem BGH 7. 11. 1996, VII ZR 23/95.

36 Vgl Wiener, bau aktuell 2010, 143 f.

37 Vgl für den deutschen Rechtsbereich OLG Hamm 22. 4. 1993, 21 U 39/92, NJW-RR 1994, 211; OLG Köln 27. 1. 1993, 11 U 166/92; Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2291.

38 Vgl Hinteregger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06, § 1323 Rz 7; OGH 2. 9. 1987, 1 Ob 610/87; 30. 4. 1996, 4 Ob 2088/96d; 1. 9. 2009, 5 Ob 21/09p, ecolex 2010/9 (Rindler); 11. 7. 2016, 5 Ob 65/16v.

Schaden reduziert wird oder auch entfallen kann. Dies ist auch sachgerecht, denn die Schadenssumme könnte sich bei einer Schadensberechnung mit Vorteilsausgleich ja auch vergrößern.39

Jedenfalls zu berücksichtigen und kein Gegenstand eines Vorteilsausgleichs sind hingegen in der Regel Vermögensnachteile, die der Bauherr außerhalb des Bereichs der Baukosten erleidet. Dies können beispielsweise Zinsmehraufwendungen einer erforderlich werdenden Nachfinanzierung sein, welche bei anfänglicher Vollfinanzierung entfallen wären. Darüber hinaus können auch Eintragungskosten für ein zusätzlich erforderlich werdendes grundbücherliches Pfandrecht entstehen.40

Die Darlegungs- und Beweislast, dass der Architekt den eingetretenen Schaden verursacht hat, trifft den Bauherrn. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Vorteilsausgleichs trifft hingegen den Architekten als Anspruchsgegner. Im Ergebnis sind jedenfalls die Chancen, bei jeweils schuldhafter Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze oder der erheblichen Überschreitung eines Kostenrahmens einen Schadenersatzanspruch gegen den Architekten durchzusetzen, in Anbetracht der Vorteilsanrechnung oft deutlich reduziert.41

Fazit

Das Thema der Haftung des Architekten für Baukostenüberschreitungen leidet an Unklarheiten und bringt für die Praxis entsprechende Herausforderungen mit sich. Die Frage, inwieweit von der Kostenschätzung des Architekten

39 Vgl für den deutschen Rechtsbereich BGH 7. 11. 1996, VII ZR 23/95; Werner in Werner/Pastor, Bauprozess16, Rz 2295. 40 Rindler in Pflaum/Karlberger/Wiener/Opetnik/Rindler, Handbuch des Ziviltechnikerrechts (2007) 106.

41 BGH 7. 11. 1996, VII ZR 23/95; OLG Hamm 12. 5. 2004, 25 U 101/03; 15. 3. 2013, I-12 U 152/12, IBR 2013, 286 (A. Berger); Wiener, bau aktuell 2010, 140.

sanktionslos abgewichen werden darf, hängt vor allem von der Vertragsgestaltung ab, der daher besonderes Augenmerk zu schenken ist. Wünschenswert wäre es aber auch, wenn zum Thema der Architektenhaftung auf eindeutige Judikatur der Gerichte zurückgegriffen werden könnte. Aus rechtlicher Sicht macht es einen großen Unterschied, ob ein Kostenrahmen, eine Baukostenobergrenze oder eine Baukostengarantie Vertragsinhalt des Architektenvertrages wird. Da alle drei Rechtsinstitute gesetzlich nicht genau definiert sind, kommt auch aus diesem Grund der Vertragsgestaltung Bedeutung zu. Zu beachten ist aber auch, dass der Architekt auch ohne explizite Vereinbarung zu den Baukosten den Bauherrn über die voraussichtlichen Baukosten jeweils zutreffend und zeitnah beraten muss, anderenfalls er auch aus diesem Grund haftbar werden kann. Wollen sich die Vertragsparteien auf die in der HIA je nach Projektfortschritt unterschiedlich definierten Toleranzgrenzen möglicher Kostenüberschreitungen berufen, müssen sie diese rechtswirksam vereinbaren. Bei der Berechnung des ersatzfähigen Schadens stellt sich vor allem die Frage, inwieweit ein Schaden anzunehmen ist, wenn die eingetretene Kostenüberschreitung auch zu einer Wertsteigerung des Bauprojekts führt. Ein Vorteilsausgleich kommt beispielsweise bei Steuervorteilen des Auftraggebers, erhöhter Ertragskraft oder gesteigertem Verkehrswert des Bauprojekts, nicht jedoch bei dem Auftraggeber unzumutbarem finanziellem Mehraufwand in Betracht. Die Chancen, einen Schadenersatzanspruch gegen den Architekten durchzusetzen, sind in Anbetracht der Vorteilsanrechnung wohl oft deutlich reduziert.

News – Aktuelles aus der Branche (I)

Baukosten im Wohnbau 2023 moderat gestiegen

Der Baukostenindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau betrug für das Jahr 2023 im Durchschnitt 122,9 Punkte und erhöhte sich damit um 1,1 % im Vergleich zum Jahr davor. 2022 hatte die durchschnittliche Kostensteigerung 10,1 % betragen. Der Monat Dezember 2023 hielt bei 123,2 Indexpunkten, was einem Anstieg von 2,5 % gegenüber Dezember 2022 bzw 0,2 % gegenüber dem Vormonat November 2023 entspricht.

Im Tiefbau sind die Kosten im Jahresdurchschnitt 2023 im Brückenbau gesunken, während sie im Straßenbau und im Siedlungswasserbau gestiegen sind. Der Index für den Straßenbau erreichte im Jahresdurchschnitt 2023 130,8 Punkte und lag damit um 3,2 % über dem Vorjahr. Der Brückenbau hielt bei 125,6 Indexpunkten, was einem Rückgang von 1,5 % gegenüber 2022 entspricht. Die Kosten für den Siedlungswasserbau (126,1 Punkte) erhöhten sich gegenüber dem Jahr 2022 um 3,7 %.

Betrachtet man die Werte für Dezember 2023, so erreichte der Index für den Straßenbau 133,1 Punkte und lag damit um 5,2 % über dem Wert von Dezember 2022 (−0,8 % im Vergleich

zu November 2023). Der Brückenbau hielt bei 125,6 Indexpunkten; die Kosten stiegen somit um 1,6 % gegenüber dem Vorjahresmonat und sanken im Vergleich zum Vormonat um 0,2 %. Die Kosten für den Siedlungswasserbau (127,5 Punkte) stiegen gegenüber Dezember 2022 um 4,4 % (−0,3 % im Vergleich zum November 2023).

Die steigenden Baukosten im Jahresvergleich sind – neben den deutlichen Lohnerhöhungen im Jahr 2023 (+7 % im Wohnhaus- und Siedlungsbau bzw +7,3 % in sämtlichen Tiefbausparten im Vergleich zu 2022) – vor allem auf die Kostenanstiege in den Warengruppen Betonfertigteile sowie Transportbeton, Fertigmörtel zurückzuführen, welche Auswirkungen auf alle Bausparten hatten. Im Wohnhaus- und Siedlungsbau war die Warengruppe Fertigputz, -estrich, Fliesenkleber ein zusätzlicher Kostentreiber. Die Anstiege im Bereich der Gusseisenwaren und -rohre wirkten sich vor allem auf die Kosten im Siedlungswasserbau aus. Im Vergleich zum Jahr 2022 verzeichneten die durch Stahlprodukte geprägten Warengruppen starke Kostenrückgänge, was insbesondere die Kosten im Brückenbau senkte.

Aktuelle Judikatur zur Bauaufsicht

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit aktuellen OGH­Entscheidungen rund um die Bauaufsicht.

1. Kein Anscheinsbeweis bei Fehlern der örtlichen Bauaufsicht

Der Entscheidung vom 7. 7. 2022, 7 Ob 27/22d, 1 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der beklagte Architekt war als örtliche Bauaufsicht im Auftrag des klagenden Bauherrn tätig. Der Bauherr begehrte Schadenersatz mit der Behauptung, es seien ihm Mängelbehebungskosten entstanden, weil der Architekt im Rahmen seiner örtlichen Bauaufsicht Ausführungsfehler nicht rechtzeitig und vollständig erkannt habe. Hätte der Architekt den Bauherrn ordnungsgemäß und umfassend gewarnt, hätte er Maßnahmen gesetzt, um Ausführungsfehler zu beheben, um in weiterer Folge die ordnungsgemäße Ausführung des Gewerks sicherzustellen. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die außerordentliche Revision des Bauherrn wurde zurückgewiesen.

Zunächst hielt der OGH ganz allgemein fest, dass ein Anscheinsbeweis nur zulässig ist, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht. Ein Anscheinsbeweis dürfe nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen. Der Erfahrungssatz muss sich aus einem gleichmäßigen, sich immer wiederholenden Hergang ergeben („typischer Geschehensablauf“), dem neuesten Stand der Erfahrungen entsprechen sowie eindeutig und in jederzeit überprüfbarer Weise formuliert werden können. Er kommt dort nicht zur Anwendung, wo der Kausalablauf durch einen individuellen freien Willensentschluss eines Menschen bestimmt werden kann. Der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufs, der auch andere Verursachungsmöglichkeiten offenlässt, erlaubt die Anwendung des Anscheinsbeweises nicht.

Ob ein Anscheinsbeweis zulässig ist, ob es sich also um einen Tatbestand mit typischem Geschehensablauf handelt, der eine Verschiebung von Beweisthema und Beweislast ermöglicht, ist eine Frage der Beweislast und damit eine Frage der rechtlichen Beurteilung, die im Revisionsverfahren überprüfbar ist

Ob der Anscheinsbeweis erbracht oder erschüttert worden ist, ob also ein typischer Geschehensablauf für den Kläger spricht oder ob ein anderer Geschehensablauf vom Beklagten wahrscheinlich gemacht werden konnte, ist hingegen eine vom OGH nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigungsfrage

1 Ecolex 2022/627 (Gritsch); vgl auch Frad, Bemerkenswerte baurechtliche Entscheidungen des OGH im Jahr 2022, bau aktuell 2023, 190 (192 f).

Er bestätigte die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises verneint hatte, weil keine typische formelhafte Verknüpfung zwischen zu beweisender Tatsache und gesetzlich gefordertem Tatbestandsmerkmal vorliege. Dem Bauherrn sei der Beweis zuzumuten, dass es nicht zu den von ihm begehrten Mängelbehebungskosten gekommen wäre, hätte der beklagte Architekt im Rahmen der örtlichen Bauaufsicht das ihm abverlangte Verhalten gesetzt. Die Revision zeige keinen typischen Geschehensablauf im Sinne der Rechtsprechung auf. Dem Berufungsgericht sei daher keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen. Von „vom Willen handelnder Personen unabhängigen Geschehensabläufen“ könne keine Rede sein. Grundsätzlich treffe den Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang. Die Beweislast, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten nicht eingetreten wäre, treffe bei vertraglicher Haftung den Geschädigten. Der Geschädigte habe daher zunächst die Pflichtverletzung und den dadurch verursachten Schaden zu beweisen. Die Anforderungen an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs seien bei einer (angeblichen) Schädigung durch Unterlassen aber geringer als jene an den Nachweis der Verursachung durch positives Tun. Denn die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lasse sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen nicht stattgefunden hat. Es genüge daher die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen sei. Dieses Kriterium liege unter dem Regelbeweismaß der ZPO, wonach für eine (Positiv-)Feststellung eine hohe Wahrscheinlichkeit erforderlich ist. Da die Vorinstanzen Negativfeststellungen in Ansehung der Frage, ob Ausführungsfehler der Professionisten dem Architekten tatsächlich zur Kenntnis gelangten oder er diese überhaupt oder so rechtzeitig erkennen hätte können, dass Sanierungskosten hätten vermieden werden können, getroffen haben, sei dem Bauherrn schon der Beweis von Pflichtverletzungen des Architekten nicht gelungen. Frad hat bereits in seiner Anmerkung zur Entscheidung hervorgehoben, dass es gerade bei der örtlichen Bauaufsicht typischerweise an einem typischen Geschehensablauf fehlen werde, weil die örtliche Bauaufsicht die verschiedensten Gewerke bei unterschiedlichen Bauvorhaben mit unterschiedlichen technischen Gegebenheiten zu überwachen hat.2

2 Frad, bau aktuell 2023, 193.

Dr. Georg Karasek ist Rechtsanwalt in Wien mit Spezialgebiet Baurecht.

2. Regress des Werkunternehmers gegen die Bauaufsicht?

In der Entscheidung vom 18. 11. 2019, 8 Ob 88/19b, 3 hat sich der OGH mit der Frage beschäftigt, ob ein Regress des Werkunternehmers, der dem Bauherrn einen Schaden verursacht und ersetzt hat, gegen die örtliche Bauaufsicht möglich ist. Er kam zum Ergebnis, dass ein Regress grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist. Allerdings werde in der Regel im Innenverhältnis die überwiegende, wenn nicht alleinige Verantwortung beim Werkunternehmer liegen, sofern nicht im Einzelfall (etwa bei stark überwiegendem Verschulden der örtlichen Bauaufsicht) eine andere Beurteilung geboten ist.

Ob sich der schädigende Werkunternehmer bei der örtlichen Bauaufsicht regressieren kann, ist in der Lehre umstritten und in der bisherigen Rechtsprechung nicht eindeutig beantwortet.4 Der OGH hat bereits in der Entscheidung vom 15. 5. 2012, 3 Ob 55/12b,5 die Regressmöglichkeit bejaht. Der mit der örtlichen Bauaufsicht betraute Ingenieurkonsulent für Bauwesen und Geotechnik war allerdings darüber hinaus auch mit Koordinations- und Beratungsleistungen betraut. Die von ihm verletzten Pflichten gingen – anders als in der gegenständlichen Entscheidung – über die reine örtliche Bauaufsicht hinaus. Dass ein Regress bei Zusammentreffen eines schuldhaften Verhaltens von Professionisten und der Verletzung von Beratungspflichten möglich ist, ist unbestritten. In casu ging es jedoch um eine reine örtliche Bauaufsicht.

Ich habe bereits im Jahr 2016 die Ansicht vertreten, dass der Regress des Werkunternehmers gegen die örtliche Bauaufsicht nicht zuzulassen sei, weil dies Werkunternehmer entlasten würde, die von einer örtlichen Bauaufsicht überwacht werden, im Gegensatz zu Werkunternehmern, bei denen dies nicht der Fall ist.6 Diesem Einwand hat der OGH in der vorliegenden Entscheidung entgegengehalten, dass die Entlastung Konsequenz des unbewussten Zusammenwirkens mehrerer Schädiger durch selbständige Handlungen sei, also Konsequenz der Rechtsfigur der Nebentäterschaft. Meines Erachtens trägt dieses Argument nicht. Konsequenz der Nebentäterschaft ist die solidarische Haftung im Außenverhältnis. Die Entlastung

3 Bau aktuell 2020/1 (Karasek) = EvBl 2020/95 (Kletečka) = ImmoZak 2020/5 (Martin Weber) = ZRB 2020, 21 (Wenusch) = ZVB 2020/27 (ChiwittOberhammer); vgl auch Seebacher/ Andrieu/Painsi, En garde! ÖBA zur Abwehr! bau aktuell 2020, 75; Kerschner, Aktuelle Rechtsfragen für den Sachverständigen – 2020/2021, SV 2021, 113 (115).

4 Christandl, Koordinierungspflicht des Bauherrn und Regress zwischen Bauunternehmer und Bauaufsichtsführer, bbl 2006, 221; Seebacher/Andrieu, Der Regress an der Örtlichen Bauaufsicht als Solidarschuldnerin, bbl 2012, 109; P. Bydlinski, Die Regresskriterien bei der Schadenersatz-Gesamtschuld, RZ 2013, 57; Hussian, Der Regress zwischen Bauunternehmer und örtlicher Bauaufsicht, ZRB 2016, 11; Painsi/Andrieu/Seebacher, Judikaturtendenz schafft Haftungsrisiken: Regress des Bauunternehmers an der örtlichen Bauaufsicht und dessen Abwehr, bbl 2016, 173 (174 f); Chiwitt-Oberhammer, ZVB 2020, 139; Karasek, bau aktuell 2020, 41; Seebacher/Andrieu/Painsi, bau aktuell 2020, 75 ff; Wenusch, ZRB 2020, 26.

5 ZRB 2012, 146 (Wenusch) = bbl 2013/20 (Christandl); vgl auch P. Bydlinski, RZ 2013, 57 ff.

6 Karasek, ÖNORM B 21103 (2016) Rz 2344.

des Werkunternehmers jedoch ist keine zwingende Konsequenz der Nebentäterschaft. Der OGH führte aus, dass den an einem Rückgriff des Werkunternehmers gegen die örtliche Bauaufsicht (teilweise zu Recht) geäußerten Bedenken im Zuge der Bestimmung der Anteile im Regressprozess Rechnung zu tragen sei. Dort sei zu prüfen, inwieweit die von mir erwähnte „Entlastung“ des Werkunternehmers im Einzelfall sachlich gerechtfertigt sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nur der Werkunternehmer und nicht die Bauaufsicht die mangelfreie Erbringung des Werks schulde und die Bauaufsicht gerade nicht die (auch nur teilweise) Befreiung des Werkunternehmers von dieser Verpflichtung bezwecke. Darüber hinaus sei zu veranschlagen, dass der Bauaufsichtsführende bloß die Pflicht zur Überwachung der Ausführungsarbeiten verletzt, der Werkunternehmer jedoch den Schaden durch aktives Tun herbeigeführt habe. Dies spreche im Regelfall für die überwiegende, wenn nicht sogar die alleinige Haftung des Werkunternehmers, vor allem in Bezug auf den Mangelschaden. Kletečka hält dem entgegen, dass das Regressverhältnis nicht isoliert von jenem zwischen Werkbesteller und dem die örtliche Bauaufsicht wahrnehmenden Architekten gesehen werden könne. Dies zeige sich schon darin, dass der Rückgriff von einer entsprechenden Pflichtenlage in letzterem Verhältnis abhängt. Hätte zB der Werkbesteller keine örtliche Bauaufsicht bestellt, käme ein Regress von vornherein nicht in Betracht. Und schon hier komme der Schutzzweck ins Spiel. Der Werkunternehmer habe gerade deshalb keinen Anspruch auf die Bestellung der örtlichen Bauaufsicht, weil diese eben nur dem Schutz des Werkbestellers dient. Sein Fazit: Der OGH schließe sich zunächst jener Meinung an, nach welcher der „der Rechtswidrigkeitszusammenhang nur im Verhältnis zum Bauherrn eine maßgebliche Rolle spielen“ könne, halte dann aber – in einem gewissen Widerspruch dazu – den Zweck der Bauaufsicht für beachtlich und betont, dass dieser nicht darin bestehe, den Werkunternehmer zu entlasten. Aus der Nicht-, aber dann doch Berücksichtigung von Schutzzweckgedanken folge dann auch im Ergebnis das „Jein“ des OGH 7

3. Kosten einer Bauaufsicht bei Sanierungsarbeiten im Wege der Verbesserung

In der Entscheidung vom 25. 4. 2018, 2 Ob 230/17p, 8 hatte sich der OGH mit der Frage zu beschäftigen, ob der Werkbesteller bei einer auf Schadenersatz gestützten Verbesserung auch Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Bauaufsicht hat. Der Werkbesteller brachte vor, dass das Beiziehen einer Bauaufsicht nach der Conditio-sine-qua-nonRegel im Kausalzusammenhang mit der Schlechterfüllung stünde. Denn hätte der Werkunternehmer vertragskonform geleistet, wäre es nicht zur Notwendigkeit einer Verbesserung und damit auch nicht zum Erfordernis einer Bauaufsicht gekom-

7 Kletečka, EvBl 2020/95.

8 ZRB 2018, 140 (Wenusch) = ZVB 2018/95 (Berl).

men. Der OGH verneinte diesen Anspruch mit der Begründung, dass ein Anspruch auf Kostenersatz nur dann zu bejahen sei, wenn nach den Gepflogenheiten auf vergleichbaren Baustellen schon bei der ursprünglichen Montage eine Bauaufsicht bestellt worden wäre. Dann hätte dem Werkunternehmer bewusst sein müssen, dass sich der Werkbesteller bei einer Verbesserung durch eine Bauaufsicht gegen neuerliche Mängel absichern würde. Die Kosten der Bauaufsicht lägen nur dann im Schutzbereich der übertretenen Pflicht. Im konkreten Fall habe sich aus den Feststellungen des Erstgerichts nicht ergeben, dass bei vergleichbaren Fenstermontagen typischerweise eine Bauaufsicht bestellt wird. Allein aus der Schlechterfüllung lasse sich ein Anspruch auf Kostenersatz einer Bauaufsicht nicht ableiten. Dies sehe das Gesetz nicht vor. Der Vorrang der Verbesserung solle den Werkunternehmer schützen, weil für ihn Selbstverbesserung meist die wirtschaftlichere Lösung ist. Wenn der Werkunternehmer nun auch die Kosten einer externen Bauaufsicht tragen solle, könnte sich daraus eine den Werkunternehmer stärker belastende Ersatzpflicht ergeben, wofür jede sachliche Rechtfertigung fehle. Bei Verbesserung durch den Vertragspartner könnte ein Anspruch auf Kostenersatz einer Kontrolle nur dann erwogen werden, wenn die Verbesserung auch unter Einbeziehung solcher Kosten günstiger wäre als eine Ersatzvornahme durch ein drittes Unternehmen. Dann könnten die Kosten der Kontrolle als ersatzfähiger Aufwand zur Schadensminderung angesehen werden.

Diese Begründung ist diskussionswürdig. Der OGH stützt sich auf die Lehre vom Schutzzweck der Norm. Es geht also darum, dass die vom Schutzzweck eines Vertrages umfassten Interessen, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, aus dem Sinn und Zweck des Vertrages im Wege der Auslegung zu ermitteln sind. Anstelle der verallgemeinernden schematisierenden Betrachtung im Sinne der Adäquanztheorie soll eine am konkreten Vertragszweck ausgerichtete individualisierende Betrachtung treten. Aus dem Vertragszweck kann sich ergeben, dass bestimmte Risiken dem einen oder anderen Teil zur Last fallen sollen.9 Dabei wird auf die objektive Erkennbarkeit des Risikos für den Schuldner (hier: den Werkunternehmer) abgestellt.10

Wie weit der Schutzzweck eines singulären Vertrages geht, berührt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage.11 Der OGH beruft sich deshalb lapidar darauf, dass sich aus den Feststellungen des Erstgerichts nicht ergebe, dass bei vergleichbaren Fenstermontagen typischerweise eine Bauaufsicht bestellt wird.12 Der OGH übersieht, dass seine rechtlichen Schlussfolgerungen in Ermangelung

9 OGH 16. 6. 1987, 4 Ob 521/87; RIS-Justiz RS0017850.

10 OGH 18. 3. 2004, 1 Ob 36/04g.

11 OGH 18. 3. 2004, 1 Ob 36/04g.

12 Der OGH wörtlich: „Dass bei vergleichbaren Fenstereinbauten typischerweise eine Bauaufsicht bestellt wird, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt allerdings nicht. Vielmehr nahm das Erstgericht (nur) als erwiesen an, dass die Beiziehung einer Aufsicht ‚angesichts der Ausführungsqualität‘ des ursprünglichen Einbaus ‚technisch indiziert‘ sei.“

einer Feststellung (oder Negativfeststellung) des Erstgerichts zur Tatfrage, ob die Bestellung einer örtlichen Bauaufsicht bei Fenstermontagen üblich ist, nicht abgeleitet werden können („Dass bei vergleichbaren Fenstereinbauten typischerweise eine Bauaufsicht bestellt wird, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt allerdings nicht.“). Ob eine Verkehrsübung besteht, ist eine Tatfrage, die in der Regel durch Sachverständige von Unterinstanzen zu ermitteln ist. Dass die Vorinstanzen eine Verkehrsübung durch Beweisaufnahme ermittelt haben, ergibt sich aus der Entscheidung gerade nicht. Aus dem veröffentlichten Sachverhalt geht auch nicht hervor, dass das Erstgericht eine Negativfeststellung getroffen hätte, dass eine solche Verkehrsübung nicht besteht. Ganz im Gegenteil: Das Erstgericht nahm an, dass die Beiziehung einer Bauaufsicht technisch indiziert sei. Aber selbst dann, wenn die erste Instanz eine Verkehrsübung in einem gebotenen Beweisverfahren ermittelt und entsprechende Feststellungen getroffen hätte, darf bei allem Respekt vor Sachverständigen bezweifelt werden, ob ein Sachverständiger überhaupt eine Verkehrsübung feststellen kann, dass bei Fenstermontagen typischerweise eine örtliche Bauaufsicht bestellt wird. Genauso so wenig wird ein Sachverständiger die Frage beantworten können, ob eine Verkehrsübung besteht, im Bauwesen Einheitspreisverträge abzuschließen. Erfahrungsgemäß ist es in beiden Fällen mal so, mal so.

4. Haftung der Bauaufsicht bei Mangelhaftigkeit der Bauleistung

Der Entscheidung vom 22. 3. 2016, 5 Ob 143/15p, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ließ sein Haus umbauen und erweitern. Er beauftragte den Beklagten mit der Herstellung von Plänen, der Bauleitung, der Rechnungsprüfung und der Bauaufsicht. Der Kläger begehrt Mängelbehebungskosten und Schadenersatz. Er brachte vor, der Beklagte habe die von ihm übernommene Planung, Baukoordination, Bauleitung und Bauaufsicht mangelhaft, schleppend und ungenügend ausgeübt, was zu einer Reihe von Mängeln geführt habe, für die er jedenfalls zur ungeteilten Hand mit den jeweiligen Professionisten einzustehen habe. Diese Entscheidung befasste sich mit unterschiedlichen Aspekten der Haftung einer Bauaufsicht: Zunächst nahm der OGH zur Frage Stellung, ob auf gemischte Verträge Werkvertragsrecht oder Bevollmächtigungsrecht anzuwenden ist. Die Lehre hat dazu zwei Theorien entwickelt: Nach der Absorptionstheorie werden gemischte Verträge jenem Vertragstypus unterstellt, dessen Elemente überwiegen; nach der Kombinationstheorie hingegen sind für die jeweilige Leistungspflicht jene gesetzlichen Bestimmungen heranzuziehen, die die sachlich geeigneten Vorschriften enthalten. In älteren Entscheidungen hat die Rechtsprechung bei Architektenverträgen die Absorptionstheorie vertreten. Im Jahr 2009 wandte der OGH erstmals die Kombinationstheorie auf

einen gemischten Architektenvertrag an.13 In der gegenständlichen Entscheidung ging der OGH allerdings wieder von der Absorptionstheorie aus. Zu Beginn der Entscheidungsbegründung führte er unter dem Titel „Grundsätzliches“ aus, dass sich die Beurteilung, ob ein Architektenvertrag ein Werkvertrag oder ein gemischter Vertrag mit Elementen des Bevollmächtigungsvertrages sei, nach den Umständen des Einzelfalles richte. Obliegen dem Architekten auch die Oberleitung des Baus sowie die örtliche Bauaufsicht, komme dadurch der übereinstimmende Wille der Vertragspartner zum Ausdruck, den Architekten mit der Wahrnehmung der Interessen des Bauherrn gegenüber Behörden und Professionisten zu betrauen. Immer dann, wenn die damit übernommene Aufgabe zur Wahrung der Interessen des Auftraggebers dem mit dem Architekten geschlossenen Vertrag das Gepräge gebe, überwiegen die Elemente des Bevollmächtigungsvertrages. Allerdings kam der OGH auf diese Frage nicht mehr zurück, weil sie für die Entscheidungsfindung nicht von Bedeutung war. Es bleibt also dabei: Die oberstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage bleibt schwankend 14

In weiterer Folge befasst sich der OGH mit der Intensität der Prüfpflicht einer Bauaufsicht: Zunächst gibt er den seit Jahrzehnten bekannten Rechtssatz wieder, dass ein Architekt, der die Bauaufsicht übernimmt, die Einhaltung der technischen Regeln und die behördlichen Vorschriften durch die mit der Ausführung der Arbeiten beauftragten Bauunternehmer zu überwachen und überhaupt in umfassender Weise die Interessen des Bauherrn auch gegenüber den Professionisten wahrzunehmen hat. Der Bauaufsichtsführende dürfe jedoch wie der Bauherr selbst auf die fachgerechte Ausführung der Arbeiten vertrauen und müsse nur dort einschreiten, wo Fehler für ihn erkennbar sind.15 Interessant sind aber die weiteren Ausführungen: Eine Verpflichtung des Beklagten, wonach er es übernommen hätte, die Ausführung der Arbeiten durch die Professionisten so lückenlos zu überwachen, dass ein Entstehen von Mängeln von vornherein ausgeschlossen werden hätte können, könne nach den Feststellungen dem zwischen ihm und dem Bauherren abgeschlossenen Vertrag nicht entnommen werden. Eine solche lückenlose Überwachung entspreche auch nicht der Verkehrs-

13 OGH 29. 4. 2009, 2 Ob 203/08d (zum Millennium Tower): „Nach Auffassung des erkennenden Senats bestehen keine sachlich begründeten Bedenken, die bei gemischten Verträgen herrschende Kombinationstheorie auch auf (gemischte) Architektenverträge anzuwenden.“ Auch in der (späteren) Entscheidung vom 26. 1. 2010, 9 Ob 98/09s, wurde die Kombinationstheorie angewandt: „Die zu beurteilende Leistungspflicht betrifft konkret die Anpassung der Planung an den Baukostenrichtwert bzw ein allenfalls vereinbartes Kostenlimit. Auch nach der Kombinationstheorie, nach der jeweils die für die Beurteilung der fraglichen Leistungspflicht sachgerechteste Norm heranzuziehen ist ..., spricht nichts gegen die Anwendung von Werkvertragsrecht ...“

14 Karasek, ÖNORM B 21104 (2023) Vor Punkt 6. Rz 184 ff.

15 RIS-Justiz RS0021552; RS0058803; RS0108534.

übung und lasse sich auch aus der abgeschlossenen Honorarvereinbarung nicht ableiten, weil bei einem Entgelt von 7.000 € zuzüglich Umsatzsteuer vernünftigerweise nicht erwartet werden könne, dass ein Architekt praktisch seine gesamte Arbeitszeit einem Bauvorhaben widmet. Spannend sind auch die Ausführungen des OGH zur Kausalität: Es werde zwar judiziert, dass der Architekt an Ort und Stelle dafür Sorge zu tragen habe, dass das Bauwerk plangerecht und frei von Mängeln entsteht. Das setze aber voraus, dass er als der die Bauaufsicht Ausführende bei pflichtgemäßer Ausübung der von ihm übernommenen Aufsicht Mängel in der Ausführung der Arbeiten der unterschiedlichen Professionisten so rechtzeitig erkennen hätte können, dass er auf deren Vermeidung oder aber zumindest Beseitigung vor Fertigstellung der einzelnen Gewerke dringen hätte können. Ob das auch nur hinsichtlich einzelner der festgestellten Ausführungsmängel zutreffe, könne allein mit dem Verweis darauf, dass die angeführten Mängel auffallen mussten, nicht beantwortet werden, legt doch die Formulierung „auffallen müssen“ nahe, dass damit ein bereits eingetretener Mangel angesprochen ist. Für einzelne Gewerke ergebe sich aus den Feststellungen auch, dass der Beklagte zumindest versucht habe, auf eine Verbesserung hinzuwirken. Blieb ein solches Bemühen ohne Erfolg und hätte er auch das Entstehen des Mangels selbst bei pflichtgemäßer Ausführung seiner Aufgaben nicht verhindern können, bestehe aber keine Grundlage für seine schadenersatzrechtliche Haftung für ein Deckungskapital für die Verbesserung. Der OGH hob die Entscheidung der Vorinstanzen auf und ordnete eine Verfahrensergänzung an, um abschließend beurteilen zu können, ob eine dem Beklagten anzulastende Pflichtwidrigkeit überhaupt kausal für die vom Kläger geltend gemachten Ausführungsmängel war. Dazu bedürfe es Feststellungen, die eine Beurteilung erlauben, ob der Beklagte bei pflichtgemäßer Ausübung der Bauaufsicht überhaupt auf eine Vermeidung oder rechtzeitige Behebung jedes einzelnen vom Erstgericht festgestellten Mangels hinwirken hätte können. Erst bei Feststehen dieses Umstands komme eine Haftung der Bauaufsicht für die Mängelbehebungskosten aus dem Titel des Schadenersatzes in Betracht.

Fazit und Ausblick

N. Weselik/M. Weselik sprechen in ihrem Beitrag von einer nicht eindeutigen Judikatur der Gerichte zur Frage der Architektenhaftung bei Baukostenschätzungen.16 Dieser Befund gilt auch für einen guten Teil der hier besprochenen Entscheidungen zur Bauaufsicht.

16 In diesem Heft N. Weselik/M. Weselik, Die Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung, bau aktuell 2024, 11.

Aus der aktuellen Rechtsprechung

Abzug „neu für alt“ und Ersatz von Vorleistungen bei Warnpflichtverletzung

§§ 1295 ff ABGB

OGH 17. 11. 2023, 8 Ob 115/23d

1. Eine schuldhafte Verletzung der Warnpflicht nach § 1168a ABGB hat zur Folge, dass der Werkunternehmer den Werkbesteller so stellen muss, wie er stünde, wenn der Warnpflicht entsprochen worden wäre.

2. Nach ständiger Rechtsprechung zum Schadenersatzrecht muss sich der Geschädigte im Falle der Neuherstellung einer gebrauchten Sache, die einer beschränkten Nutzungsdauer unterliegt, jenen Vorteil anrechnen lassen, der darin gelegen ist, dass er nunmehr über eine Sache verfügt, die er entsprechend länger nutzen kann.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin beauftragte die Beklagte im Jahr 2010 mit der Verlegung von Natursteinplatten auf der Terrasse eines neu errichteten Hauses. Im Jahr 2017 kam es aufgrund übermäßiger Feuchtigkeit zu Abplatzungen und Ausblühungen an den Steinplatten, was auf das zu geringe Gefälle und die fehlende Abdichtung der Unterkonstruktion zurückzuführen war und für die Beklagte leicht erkennbar gewesen wäre. Die Neuverlegung der Natursteinplatten würde 29.573,64 € kosten. Die von der Beklagten hergestellte Terrasse war von 2011 bis 2017 uneingeschränkt nutzbar. Die gewöhnliche Nutzungsdauer solcher Natursteinplatten beträgt 50 Jahre.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten 50.178,94 € sA für die Sanierung der Unterkonstruktion und Neuverlegung der Natursteinplatten.

Die Beklagte wandte ein, dass die Steinplatten fachgerecht verlegt worden seien.

Die Vorinstanzen haben der Klägerin 26.024,80 € sA zugesprochen und das darüber hinausgehende Klagebegehren abgewiesen. Die Beklagte verantworte eine Verletzung ihrer Warnpflicht, weil sie die Klägerin auf die Untauglichkeit der Unterkonstruktion hinweisen hätte müssen. Die Klägerin habe aber keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Sanierung der Unterkonstruktion, weil es sich um Sowiesokosten handle und sie – selbst wenn Gewährleistungsansprüche mittlerweile verjährt seien – nach wie vor im Wege des Schadenersatzrechts gegen die Herstellerin der Unterkonstruktion vorgehen könne. Die Klägerin habe Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Neuverlegung der Natursteinplatten, müsse sich aber einen Abzug „neu für alt“ von 12 % anrechnen lassen, weil von einer 50 Jahre übersteigenden Nutzungsdauer des Hauses auszugehen sei und die Natursteinplatten daher jedenfalls erneuert werden müssten.

Aus der Begründung:

1. Eine schuldhafte Verletzung der Warnpflicht nach § 1168a ABGB hat zur Folge, dass der Werkunternehmer den Werkbesteller so stellen muss, wie er stünde, wenn der Warnpflicht entsproch en worden wäre (RIS-Justiz RS0102085 [T2]). Sowiesokosten, die im Zuge der Mängelbehebung anfallen, aber zur Herstellung eines mangelfreien Werks jedenfalls aufgewendet werden hätten müssen, sind hingegen nicht zu ersetzen, weil sie nicht durch die Verletzung der Warnpflicht verursacht wurden (RIS-Justiz RS0115105; RS0115106). Dass die Unterkonstruktion auch dann zu sanieren

2024/1

gewesen wäre, wenn die Beklagte die Klägerin rechtzeitig gewarnt hätte, wird von der Klägerin auch gar nicht bestritten.

2. Nichtsdestoweniger begehrt die Klägerin den Zuspruch der Kosten für die Sanierung der Unterkonstruktion, weil sie, wenn sie von der Beklagten rechtzeitig gewarnt worden wäre, die Herstellerin der Unterkonstruktion zur Sanierung aufgefordert hätte, diesen Anspruch aber nunmehr gerichtlich durchsetzen müsse, wobei sich ihre Rechtsposition durch den Verlust des verschuldensunabhängigen Gewährleistungsanspruchs verschlechtert habe. Es hat aber schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass darin kein ersatzfähiger Schaden gelegen ist, weil die Klägerin gar nicht behauptet hat, dass die Herstellerin der Unterkonstruktion kein Verschulden treffe. Die nunmehrige Rechtsposition der Klägerin gegenüber der Herstellerin der Unterkonstruktion stellt sich damit nicht anders dar, als wenn sie sogleich auf die Untauglichkeit der Unterkonstruktion hingewiesen worden wäre, ohne dass die Klägerin dem in ihrer Revision irgendetwas entgegensetzen würde.

3. Nach ständiger Rechtsprechung zum Schadenersatzrecht muss sich der Geschädigte im Falle der Neuherstellung einer gebrauchten Sache, die einer beschränkten Nutzungsdauer unterliegt, jenen Vorteil anrechnen lassen, der darin gelegen ist, dass er nunmehr über eine Sache verfügt, die er entsprechend länger nutzen kann (RIS-Justiz RS0022726; RS0030246; RS0114929). Richtig ist, dass ein solcher Abzug „neu für alt“ eine dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken widersprechende Bereicherung des Geschädigten voraussetzt (RIS-Justiz RS0030246 [T3]). Es entspricht aber der ständigen Rechtsprechung des OGH, dass die Neuherstellung von Bestandteilen eines Gebäudes, die typischerweise vor dem Ablauf der Gesamtnutzungsdauer des Hauses erneuert werden müssen, zu einer Bereicherung des Geschädigten führt (RIS-Justiz RS0030206 [T1]). Dies gilt etwa für Heizungsanlagen, Sanitärinstallationen, Malereien oder Fußbodenbeläge (RIS-Justiz RS0022849 [T1]). Die Minderung des Schadenersatzanspruchs wegen der längeren Nutzungsdauer der neu verlegten Natursteinplatten ist damit von der bisherigen Rechtsprechung des OGH gedeckt.

4.

Anmerkung:

Bei dieser Entscheidung fällt auf, dass der OGH die Frage eines Mitverschuldens des Werkbestellers gar nicht behandelte. Ob dieses überhaupt vorgebracht wurde, ist allerdings unklar. Im gegenständlichen Fall hat eine untaugliche Vorleistung, nämlich die Unterkonstruktion, zum Misslingen des Werks der Beklagten geführt. Nun ist es unstrittig, dass den Werkbesteller die Obliegenheit trifft, an der Erstellung des Werks mitzuwirken. Damit einhergehend hat er auch die für die Leistung notwendigen Vorleistungen zur Verfügung zu stellen, wobei der vertragswidrigen Nichtbereitstellung des Stoffs durch den Werkbesteller der Fall gleichzuhalten ist, dass der Stoff zu Herstellung des Werks nicht geeignet ist (Schopper in Klang, ABGB3, § 1168 Rz 59). Da die Unterkonstruktion für die darauf aufbauende Werkleistung zwin-

Mag. Wolfgang Hussian

gend erforderlich ist, kann man selbst für den Fall, dass die Vertragsparteien dies nicht ausdrücklich vertraglich geregelt haben, zumindest von der konkludenten Vereinbarung ausgehen, dass der Besteller diese zur Verfügung stellt, sofern sie nicht im Leistungsumfang des Unternehmers enthalten ist. Hat der Werkbesteller aber vertragsgemäß für die Werkerstellung notwendige Vorleistungen zur Verfügung zu stellen, liegt ein Umstand vor, der in seine Risikosphäre fällt, wenn diese nicht oder nur mangelhaft geleistet werden. Das war hier der Fall. Allerdings ist die Vorleistung „Stoff“ im Sinne des § 1168a ABGB, weshalb der Unternehmer bei Erkennbarkeit hätte warnen müssen, was hier offensichtlich nicht geschah. Auf den für die Erkennbarkeit maßgeblichen Sorgfaltsmaßstab ist bei dem hier gegebenen Zusammenhang nicht weiter einzugehen. Strittig in der Lehre und von der Rechtsprechung nicht einheitlich entschieden ist die Frage, ob der Unternehmer, der seine Warnpflicht verletzt, dem Werkbesteller erfolgreich Mitverschulden einwenden kann, wenn diesen ebenfalls ein Verschulden trifft. Die herrschen-

de Lehre bejaht dies (Schopper in Klang, ABGB3, § 1168 Rz 112). In diesem Fall hätte den Werkbesteller nämlich nicht nur der Abzug „neu für alt“ getroffen, sondern er hätte sich auch ein Mitverschulden zurechnen lassen müssen, da der Unternehmer, der die Vorleistung ausführt, dem Besteller als Erfüllungsgehilfe zuzurechnen ist. So hat der OGH ausgesprochen, dass falls der Besteller die Koordinationspflicht einem Architekten überantwortet, er für dessen Verschulden nach § 1313a einzustehen bzw sich das Gehilfenverschulden als Mitverschulden im Sinne des § 1304 zurechnen zu lassen hat, weil er dem Werkunternehmer gegenüber zur Koordinierung verpflichtet ist (OGH 25. 2. 1999, 2 Ob 376/97a). Nichts anderes kann bei anderen Formen der Mitwirkung gelten (wie etwa bei der Zurverfügungstellung geeigneter Vorleistungen). Diese Mitverantwortlichkeit des Bestellers verlangt kein echtes, weil Rechtswidrigkeit voraussetzendes Verschulden, sondern es reicht schon eine bloße Obliegenheitsverletzung (OGH 22. 10. 1991, 4 Ob 561/91). Mag. Wolfgang Hussian

Wenn ein Architekt den Vorgaben des Auftraggebers nicht entsprechende Planungen abliefert, steht ihm kein Honorar nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB zu 2024/2

§ 1168 Abs 1 ABGB

OGH 17. 10. 2023, 4 Ob 117/23v

Ein Auftragnehmer, der Werklohn begehrt, hat den Nachweis für die tatsächliche Verrichtung der Werkleistung, die Erforderlichkeit der Maßnahmen und die Ortsüblichkeit der dafür verrechneten Preise zu erbringen, weil grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat, also die Behauptungs- und Beweislast denjenigen trifft, der aus einem bestimmten Tatumstand für seinen Standpunkt etwas abzuleiten gedenkt. Bei Unterbleiben der Werkausführung im Sinne des § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB muss daher der klagende Werkunternehmer seine Leistungsbereitschaft, das Unterbleiben infolge von Umständen aufseiten des Bestellers und die Höhe seines Anspruchs behaupten und beweisen.

Die ein Hotel betreibende Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Planung der Erweiterung des bestehenden Hotelbetriebs, wobei der Klägerin vorgegeben wurde, dass die Erweiterung 25 Doppelzimmer zu jeweils zirka 30 bis 35 m2 sowie einen Wellnessbereich mit 350 m2 umfassen sollte und die Nettoherstellungskosten hierfür vorerst nicht mehr als 3,5 Mio € betragen sollten. Später trafen die Parteien eine „Vereinbarung – Planungsleistungen“, in der als Bemessungsgrundlage für das Honorar 8,7 % der Nettoherstellungskosten (exklusive Mehrwertsteuer) und als Nettoherstellungskosten die gesamten Herstellungskosten exklusive Planungskosten, Erschließungskosten, Nebenkosten, Einrichtungsund Finanzierungskosten festgelegt wurden; handschriftlich von der Klägerin hinzugefügt und von der Beklagten unterfertigt wurde die Wortfolge „derzeitige Grundlage 4,0 Mio € Nettobaukosten“, wobei die Parteien mit diesem Betrag tatsächlich die Summe der Baukosten meinten, die die Beklagte investieren wollte, und nicht etwa einen Betrag, der nur als Bemessungsgrundlage für das Honorar der Klägerin herangezogen werden sollte. In der Folge erstellte die Klägerin über einen Zeitraum von zwei Jahren jedoch mehrere Pläne, welche entweder weniger Zimmer oder – mit bis zu zuletzt 6,5 Mio € – höhere Baukosten als vorgegeben vorgesehen hätten. Alle Kostenschätzungen der Klägerin ließen auch außer Acht, dass zahlreiche Maßnahmen im Bestand für den Zubau der Erweiterung an den bisherigen Bestand sowie Kosten für zu erwartende Mehrleistungen erforderlich gewesen wären; insgesamt

waren die Kostenschätzungen der Klägerin nicht sachgerecht und nicht planungs- und leistungsphasenkonform.

Aus der Begründung:

1.1. Nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB gebührt dem Werkunternehmer trotz Unterbleibens der Ausführung des Werks gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände daran verhindert worden ist, die aufseiten des Bestellers liegen; er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er sich infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.

1.2. Ein Auftragnehmer, der Werklohn begehrt, hat den Nachweis für die tatsächliche Verrichtung der Werkleistung, die Erforderlichkeit der Maßnahmen und die Ortsüblichkeit der dafür verrechneten Preise zu erbringen, weil grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat, also die Behauptungs- und Beweislast denjenigen trifft, der aus einem bestimmten Tatumstand für seinen Standpunkt etwas abzuleiten gedenkt (vgl 1 Ob 161/14d; RIS-Justiz RS0037797). Bei Unterbleiben der Werkausführung im Sinne des § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB muss daher der klagende Werkunternehmer seine Leistungsbereitschaft, das Unterbleiben infolge von Umständen aufseiten des Bestellers und die Höhe seines Anspruchs behaupten und beweisen (RIS-Justiz RS0021904 [insbesondere T2]; RS0021768).

1.3.

1.4. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, der Klägerin sei schon der ihr obliegende Nachweis ihres (begehrten restlichen) Entgeltanspruchs nicht gelungen, weil die Werkausführung zwar deshalb unterblieben sei, weil die Beklagte einen neuen Planer bestellt habe, der Grund aber darin gelegen sei, dass die Klägerin schon keinen Planstand habe liefern können, der den vereinbarten Vorgaben hinsichtlich Zimmeranzahl und Baukostendeckelung entsprochen hätte.

Diese Einschätzung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und des den Gerichten im Einzelfall zukommenden Beurteilungsspielraums.

1.5. Die sich nur auf § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB stützende Revision zeigt dagegen keine erheblichen Rechtsfragen auf:

Soweit sie behauptet, „die Planungsleistungen“ tatsächlich erbracht zu haben, geht sie nicht von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen aus. Dasselbe gilt auch für die Darlegungen der

Revision, wonach der Klägerin keine Baukostendeckelung vorgegeben worden wäre: Zufolge der gegenteiligen Feststellung ist aus der Entscheidung 9 Ob 98/09s (= RIS-Justiz RS0125737) für die Klägerin nichts zu gewinnen; ein rechtlicher Feststellungsmangel dahin, dass keine Baukostenobergrenze vereinbart worden sei, liegt schon angesichts der konträren Feststellung der Tatsacheninstanzen nicht vor.

Eine als fehlend gerügte Feststellung, dass die Klägerin nicht schuldhaft und rechtswidrig gehandelt habe, wäre nicht dem Tatsachenbereich zuzuordnen.

Warum ein weiterer rechtlicher Feststellungsmangel in Bezug auf ein sich aus der Baukostenobergrenze von 4 Mio € ergebendes, der Klägerin zustehendes Honorar ergeben sollte, ist angesichts der Feststellungen, wonach die Klägerin den Vorgaben entsprechende Planungen nicht abgeliefert hat, nicht nachvollziehbar.

2. bis 4.

Anmerkung:

In dieser Ausgabe widmen sich N. Weselik/M. Weselik in ihrem Beitrag Fragen zur Haftung des Architekten bei einer Baukostenüberschreitung, wobei der Schwerpunkt ihrer Ausführungen im Schadenersatzrecht liegt (N. Weselik/M. Weselik, Die Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung, bau aktuell 2024, 11). In dieser Anmerkung wird die obige Entscheidung des OGH besprochen und insbesondere auf Fragen des Honoraranspruchs eines Architekten bei Baukostenüberschreitungen eingegangen. In dieser Entscheidung ist der OGH seit Längerem wieder mit Baukostenüberschreitungen im Zusammenhang mit Planern befasst worden; die letzte einschlägige Entscheidung stammt – soweit ersichtlich – aus dem Jahr 2010 (OGH 26. 1. 2010, 9 Ob 98/09s). Dies überrascht, da dieses Thema in der Beratungspraxis des Autors eine große Rolle spielt.

Der Planer wurde mit der Planung der Erweiterung eines bestehenden Hotelbetriebs beauftragt. Es handelte sich somit um einen reinen Planungsauftrag. Die herrschende Meinung qualifiziert einen Vertrag, der ausschließlich die Herstellung von Bauplänen zum Gegenstand hat, als Werkvertrag (Karasek, ÖNORM B 21104 [2023] Vor Punkt 6. Rz 184; OGH 14. 10. 1997, 1 Ob 2409/96p). Für den Werkvertrag ist charakteristisch, dass der Werkunternehmer einen Erfolg schuldet. Man spricht daher von einer „Erfolgsverbindlichkeit“ (Karasek, ÖNORM B 21104, Vor Punkt 6. Rz 184). Planerverträgen liegen in aller Regel angenommene Baukosten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Planervertrages zugrunde. Sowohl im privaten Bereich als auch im Bereich professioneller Auftraggeber (Stichwort: „Renditeobjekt“ [OGH 18. 7. 2002, 3 Ob 53/02v]) gibt es ein Budget für ein ins Auge gefasstes Bauvorhaben. Dieses Budget wird in aller Regel mit dem Planer vor Abschluss des Planervertrages besprochen. Daraus ergibt sich aber noch nicht zwingend, dass die Einhaltung dieses Budgets Vertragsbestandteil wird. Die verbindliche Vereinbarung einer Baukostengrenze bzw eines Baukostenlimits oder eines Kostenrahmens erfordert nach der Judikatur des OGH, dass sich die vertragliche Regelung klar und eindeutig auf die Baukosten bezieht. Eine solche Regelung stellt eine Beschaffenheitsvereinbarung im Rahmen des Architektenvertrages dar. Mangels Vereinbarung einer Toleranzgrenze bewirkt jede Überschreitung des vereinbarten Kostenlimits oder Kostenrahmens einen Mangel der geschuldeten Architektenleistung und löst Gewährleistungsansprüche aus (OGH 26. 1. 2010, 9 Ob 98/09s). Die Nennung von Baukosten könnte nämlich auch nur als Bemessungsgrundlage für den Honoraranspruch des Planers

dienen. Was die Parteien vereinbaren wollten, ist daher durch Vertragsauslegung zu ermitteln; nach der Judikatur ist aber vom Bauherrn darauf zu achten, dass die geplanten Baukosten Teil des Architektenvertrages als Leistungsziel werden. Im hier vorliegenden Fall war das offenbar der Fall, da nicht nur die „Nettobaukosten“, sondern auch inhaltliche Planungsvorgaben (25 Doppelzimmer zu jeweils 30 bis 35 m2 sowie ein Wellnessbereich mit 350 m2) als Planungsziele vorgegeben und somit Vertragsbestandteil wurden.

Beim Werkvertrag ist das Entgelt in der Regel nach § 1170 ABGB erst nach Fertigstellung fällig. Diese gesetzliche Regelung entspricht aber auch bei Planerverträgen nicht der Praxis, da dies dazu führen würde, dass der Planer längere Zeit kein Entgelt erhalten würde, was dessen Liquidität übermäßig in Anspruch nehmen würde. Regelmäßig werden daher Teilzahlungen bei Erreichen gewisser Zwischenziele inhaltlicher oder zeitlicher Natur vereinbart. So werden Teilzahlungen oft an die Erreichung von Leistungsphasen (wie Grundlagenanalyse, Vorentwurfsplanung, Entwurfsplanung etc [Leistungsphasen im VM.OA im Rahmen der LM.VM 2023]) geknüpft.

Bleibt es bei der gesetzlichen Regelung, wäre das Entgelt erst nach Abschluss der gesamten Planung fällig. Verfehlt der Planer die vorgegebenen Planungsziele, wird sein Honoraranspruch nicht fällig. Vollendet ist das Werk nämlich nur, wenn es vertragsgemäß fertiggestellt und übergeben wird (Kodek in Schwimann/Kodek, ABGB5, § 1170 Rz 6). Das Stadium der Gewährleistung wird somit gar nicht erreicht, sondern der Architekt erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung nicht, womit das Entgelt nie fällig wird.

Bei der Vereinbarung von Teilzahlungen ist zu fragen, was die Parteien damit vereinbaren wollten. Teilzahlungen vor Fertigstellung des Werks, die nicht bestimmte Teilleistungen abgelten sollen, sind Vorschüsse, hinsichtlich derer der Besteller vorleistungspflichtig ist, sodass sie auch bei Vorliegen behebbarer Mängel fällig sind (Kletečka in Kletečka/ Schauer, ABGB-ON1.04, § 1170 Rz 7). Die Teilzahlung allein führt daher in aller Regel nicht zu einer Genehmigung einer mangelhaften Leistung, etwa weil die Baukosten nicht eingehalten werden. Allerdings kann, wie N. Weselik/M. Weselik im erwähnten Beitrag in diesem Heft richtig ausführen, in der Unterfertigung der Bauunterlagen oder in einer Neuberechnung der Baukosten eine Anerkennung der Überschreitung und damit eine Vertragsänderung liegen. Liegt keine solche Vertragsänderung vor, bleibt dem Auftraggeber der Einwand der mangelnden Fälligkeit bei der Schlusszahlung. Kann der Architekt die Planungsziele nicht erreichen und verwendet der Bauherr die Planungsergebnisse nicht (OGH 26. 1. 2010, 9 Ob 98/09s), müsste er letztlich die Vorschüsse zurückzahlen. Soweit ersichtlich, war ein solcher Fall aber bisher in der Judikatur des OGH nicht zu entscheiden.

Im konkreten Fall war (nur) der Entgeltsanspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB zu beurteilen. Der OGH hat in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht (OLG Innsbruck 29. 3. 2023, 4 R 9/23) zutreffend einen solchen Anspruch des Planers verneint. Da er das Planungsziel im Hinblick auf die Zimmeranzahl und die Baukostendeckelung nicht erreicht hat, steht ihm kein Entgelt zu, auch wenn die Beklagte einen neuen Planer bestellt hat. Der Bauherr ist somit offenbar berechtigt, vom Vertrag zurückgetreten (Wiener, Die Haftung des Planers für die Einhaltung der Baukosten, bau aktuell 2010, 139 [142]), auch wenn dies so in der Entscheidung nicht ausdrücklich festgehalten wurde. RA Dr. Thomas Frad

Neuerungen

Neuerungen bei der steuerlichen Behandlung von Überstundenzuschlägen und SEG­Zulagen

Die Auswirkungen des Progressionsabgeltungsgesetzes 2024 auf die steuerliche Behandlung von Zuschlägen und Zulagen

Christoph Wiesinger

Mit dem Progressionsabgeltungsgesetz 2024 (PrAG 2024), BGBl I 2023/153, wurden in § 68 EStG die Grenzen für die lohnsteuerliche Begünstigung von Überstundenzuschlägen und von Schmutz­, Erschwernis­ und Gefahrenzulagen (kurz: SEG­Zulagen) und anderen Zuschlägen angehoben. Aufgrund einer Übergangsbestimmung für die Jahre 2024 und 2025 ist die Änderung im Ergebnis etwas komplexer ausgefallen.

1. Überstunden

1.1. Überstundengrundentgelt und Überstundenzuschlag

Das Entgelt für Überstunden setzt sich aus zwei Elementen zusammen,

● dem Überstundengrundentgelt, das die Fortzahlung des Entgelts für die Überstunde darstellt, und

● dem Überstundenzuschlag, dessen Funktion an sich die Verteuerung der Überstunde ist, um den Arbeitgeber davon abzuhalten, die Leistung solcher Stunden anzuordnen.1

Die Höhe des Überstundenzuschlags beträgt meist 50 %, doch sehen die Kollektivverträge zum Teil für bestimmte Zeiträume auch höhere Zuschläge vor, und zwar in Höhe von 100 % (§ 4 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe;2 § 7 des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie).3 Der Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe normiert auch einen Fall, in dem sogar in Zuschlag in Höhe von 150 % gebührt. Ohne hier auf die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen, wann ein Zuschlag von 50 % oder ein höherer Zuschlag gebührt, einzugehen, ist festzuhalten, dass diese Zuschläge im Steuerrecht unterschiedlich behandelt werden. Das Überstundengrundentgelt ist ohnehin Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG.

1.2. Lohnsteuerliche Behandlung

1.2.1. Rechtliche Regelung Zuschläge für Überstunden sind nach § 68 Abs 1 EStG bis zu einem Betrag von 400 € pro Monat lohnsteuerfrei, wobei diese Steuerbefreiung nicht nur Überstundenzuschläge, sondern auch Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie SEG-Zulagen erfasst.4 Zusätzlich sind ● in den Jahren 2024 und 2025 (entscheidend ist der Zeitraum der Erbringung der Überstunden, nicht der Zeitraum der Auszahlung) Überstundenzuschläge für die ersten 18 Überstunden

1 Ch. Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 (2021) § 10 Rz 6; Schrank, Arbeitszeit7 (2023) § 10 AZG Rz 2.

2 Online abrufbar unter https://www.wko.at/kollektivvertrag/ kollektivvertrag-baugewerbe-bauindustrie-arbeiter-2023

3 Online abrufbar unter https://www.wko.at/kollektivvertrag/kvbaugewerbe-bauindustrie-angestellte-2023

4 Siehe Punkt 2.

im Monat bis zu 200 € monatlich steuerfrei (§ 124b Z 440 lit b EStG), ● ab 2026 für die ersten 10 Überstunden im Monat bis zu 120 € monatlich steuerfrei,5 ● soweit es sich um Überstundenzuschläge in Höhe von 50 % handelt (§ 68 Abs 2 EStG). Da nur die Werte im Gesetzestext geändert wurden, sind die Ausführungen in den LStR 2002 zu dieser Bestimmung wohl weiterhin anzuwenden. Daher sind Mehrarbeitszuschläge nach § 2A Z 6 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe bzw § 6a Z 5 des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie von dieser Begünstigung ebenfalls nach wie vor erfasst (Rz 1146 der LStR 2002).

Die Begünstigung wirkt auch für die Bezieher eines Überstundenpauschales, allerdings unter Beachtung der schon bisherigen Einschränkung, dass die Leistung entsprechender Überstunden auch dokumentiert wird. Allerdings kann weiterhin auf bestehende Dokumentationen zurückgegriffen werden; in Rz 1161 der LStR 2002 wird dazu ausgeführt:

„Die befristete Befreiung kann somit für die Kalenderjahr 2024 und 2025 – ohne Vorliegen gesonderter Aufzeichnungen – nur dann ausgeschöpft werden, wenn schon bisher Überstunden in einem solchen Ausmaß geleistet wurden, dass die darauf entfallenden Überstundenzuschläge (maximal für 18 Stunden) den Freibetrag in Höhe von 200 € übersteigen.

Beispiel:

Eine Arbeitnehmerin mit einem von Bruttobezug 3.900 € hat schon bisher 16 Überstunden pro Monat geleistet. Der Überstundenteiler laut Kollektivvertrag ist 1/150, das heißt, der Überstundengrundlohn beträgt 26 € und der Überstundenzuschlag 13 €.

Der Überstundenzuschlag für 16 Überstunden (208 €) überstieg somit schon bisher den ab 1. 1. 2024 geltenden Freibetrag von 200 €; es sind daher keine gesonderten Aufzeichnungen zu führen.“

5 Nur zur Klarstellung: Die Grenze von 10 Überstunden wird befristet für zwei Jahre auf 18 Überstunden angehoben und sinkt dann wieder auf den Ausgangswert ab. Die Betragsgrenze von bisher 86 € wird zunächst auf 200 € angehoben (für eben 18 Stunden) und sinkt nach zwei Jahren auf 120 € (für dann wieder 10 Stunden) ab, was im Hinblick auf eine einzelne Überstunde damit eine weitere Betragsanhebung ist.

Dr. Christoph Wiesinger, LL.M. ist Mitarbeiter der Geschäftsstelle Bau der Wirtschaftskammer Österreich in Wien.

MMag.

Neuerungen bei der steuerlichen Behandlung von Überstundenzuschlägen und SEG­Zulagen

1.2.2. Rechtspolitische Anmerkung

Auf der einen Seite sieht der Gesetzgeber den Überstundenzuschlag vor, um die Überstunde unattraktiv zu machen,6 auf der anderen Seite normiert er eine steuerliche Begünstigung. Ist das nicht ein Widerspruch?

Das ist insofern zu verneinen, als die lohnsteuerliche Begünstigung nur dem Arbeitnehmer und nicht dem Arbeitgeber zugutekommt. Der Lenkungseffekt des Überstundenzuschlags bleibt also trotz der steuerlichen Begünstigung erhalten, denn die Überstunde verursacht beim Arbeitgeber dieselben Mehrkosten wie ein Überstundenzuschlag, der steuerlich nicht begünstigt wäre. Die steuerliche Begünstigung macht das Leisten von Überstunden für den Arbeitnehmer aber attraktiver. Der Lenkungseffekt verpufft nur dann, wenn der Arbeitnehmer unabhängig von seiner Arbeitszeit an einem möglichst hohen Einkommen interessiert ist. Geht man aber davon aus, dass vielen Arbeitnehmern Freizeit ein wertvolles Gut ist, ist eine solche Maßnahme in der Tat dazu geeignet, den Bedarf an Arbeitskraft leichter decken zu können.7 Für den praktischen Rechtsanwender spielen all diese Überlegungen freilich ohnehin keine Rolle, weil das Gesetz so oder so anzuwenden ist.

2. SEG­Zulagen und andere Zuschläge

2.1. Welche Entgeltbestandteile sind erfasst?

Unter die Begünstigung des § 68 Abs 1 EStG fallen folgende Entgeltbestandteile:

● SEG-Zulagen (zB nach § 6 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe bzw § 14 des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie) sowie

● Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, auch bei Überstundenarbeit (zB nach § 4 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe bzw § 7 des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie), aber auch

6 Siehe Punkt 1.1.

7 So auch ErlRV 2217 BlgNR 27. GP, 3.

Veranstaltungstipp der Redaktion

22. Grazer Baubetriebs­ und Bauwirtschaftssymposium

Datum/Ort:

● Zuschläge für Überstundenarbeit, wobei diese Zuschläge rechtlich zusätzlich unter dem Blickwinkel des § 68 Abs 2 EStG zu bewerten sind.8

2.2. Lohnsteuerliche Behandlung

Die genannten Zuschläge sind seit Jänner 2024 bis zu einem Betrag von 400 € pro Monat lohnsteuerfrei (§ 68 Abs 1 EStG); darüber hinaus sind sie nach Tarif zu versteuern (§ 68 Abs 3 EStG).

3. Keine Änderung bei Tag­ und Nächtigungsgeldern

Die lohnsteuerlichen Grenzen des § 26 Z 4 EStG zu den pauschalen Taggeldern (lit b leg cit) und Nächtigungsgeldern (lit c leg cit) wurden durch das PrAG 2024 nicht angehoben und bleiben daher bis auf Weiteres mit 26,40 € pro Tag (Taggelder) bzw 15 € pro Nächtigung (Nächtigungsgelder) unverändert lohnsteuerbegünstigt.

Fazit

Das PrAG 2024 zeigt ein altes Dilemma eines Interessenvertreters auf: Eine Forderung, nämlich Ausdehnung einer steuerrechtlichen Begünstigung, wurde vom Gesetzgeber erfüllt, aber inhaltlich kompliziert umgesetzt. Soll man sich darüber freuen oder nicht? Auch der Praktiker muss damit leben und steht vor derselben Frage. Die neue Regelung ist im Ergebnis zu begrüßen; freilich wäre sie wohl auch einfacher umsetzbar gewesen. Wie auch immer: Die wesentlichen Punkte der Neuregelung sind 1.) eine dauerhafte Anhebung des Steuerfreibetrags zu SEG-Zulagen und Zuschlägen für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen und für Arbeiten in der Nacht von 360 € auf 400 € sowie 2.) eine ebenfalls dauerhafte Begünstigung der Überstundenzuschläge (120 € statt 86 €), die 3.) (wenn auch nur) 2024 und 2025 befristet nochmals stärker wirkt (200 € für 18 statt 10 Stunden).

8 Siehe Punkt 1.2.1.

22. 3. 2024, Hybridveranstaltung als Präsenzveranstaltung der Technischen Universität Graz sowie als Online-Übertragung im Internet.

Inhalt:

Die Veranstaltung widmet sich dieses Jahr den zum Teil kontroversen Einschätzungen und Meinungen verschiedener am Bau beteiligter Akteure zum Thema „Digitaler Wandel im Bauwesen – Datendschungel oder Erfolg versprechender Gamechanger?“. Neben den baubetrieblichen und bauwirtschaftlichen Aspekten werden dabei auch bauvertragsrechtliche Themen aufgegriffen.

Informationen: https://www.tugraz.at/events/gbbw/home

Die Wiener Bauordnungsnovelle 2023

Ein Überblick

Mit der Wiener Bauordnungsnovelle 20231 erfolgen weitreichende und zum Teil grundlegende Änderungen im Wiener Baurecht. Diese sind – abgesehen von Sonderbestimmungen – mit 14. 12. 2023 in Kraft getreten. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick zu den erfolgten Änderungen.

1. Einleitung1

1.1. Allgemeine Regelungsziele

Mit der Wiener Bauordnungsnovelle 2023 erfolgen weitreichende und zum Teil grundlegende Änderungen, die auch das Wr KlGG und das Wr GarG umfassen. Ziel ist es, den Herausforderungen der klimatischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu begegnen.

Die Eckpunkte der Neuerungen gelten unter anderem dem Altbauschutz, der Verhinderung der Zweckentfremdung von Wohnraum (Stichwort: Kurzzeitvermietung), dem Ausbau und Maßnahmen zur Entsiegelung, der Dekarbonisierung und Begrünungen. Weitere Anpassungen erfolgen bei der Stellplatzverpflichtung, im Bereich E-Mobilität bzw Fahrräder und beim Anwendungsbereich des § 69 Wr BauO zur Abweichung von Bebauungsbestimmungen.

1.2. Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

1.2.1. Inkrafttreten

Die Wiener Bauordnungsnovelle 2023 trat im Wesentlichen mit 14. 12. 2023 in Kraft Dazu gibt es folgende abweichende Sonderbestimmungen:

● Inkrafttreten mit 13. 3. 2024 (drei Monate nach der Kundmachung): Änderungen betreffend Art III Abs 7 Wr BauO (Räume für Kinderwägen und Fahrradabstellplätze), § 64 Abs 1 lit f Wr BauO (Paketboxen), § 76 Abs 10a und 10b Wr BauO (bauliche Ausnützbarkeit), § 79 Abs 6 und 6a Wr BauO (Vorgärten, Abstandsflächen und gärtnerisch auszugestaltende Flächen) und § 80 Wr BauO (bebaute Fläche).

● Inkrafttreten mit 31. 12. 2027: Aufhebung des § 71a Wr BauO (Bewilligung für Bauten langen Bestands).

1.2.2. Übergangsbestimmungen

Für alle zur Zeit des Inkrafttretens der Wiener Bauordnungsnovelle 2023 anhängigen Verfahren gelten grundsätzlich die bisherigen Bestimmungen Dazu gibt es folgende abweichende Sonderbestimmungen:

1 Gesetz, mit dem die Bauordnung für Wien, das Wiener Kleingartengesetz 1996 und das Wiener Garagengesetz 2008 geändert werden (Bauordnungsnovelle 2023), Wr LGBl 2023/37; zur Beschlussfassung der Wiener Bauordnungsnovelle 2023 siehe https://www.wien.gv.at/infodat/ergdt?detvid=182795; Gesetzesentwurf, Vorblatt, Erläuterungen und Textgegenüberstellung in BlgWrLT 21/2023, online abrufbar unter http://www.wien.gv.at/ ma08/hist-gesetzesentwurf/2023/beilage-21-23.pdf

● § 6 Abs 6a Wr BauO (Gebiete für geförderten Wohnbau) ist nicht auf Liegenschaften anzuwenden, die bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Wiener Bauordnungsnovelle 2023 in Gebieten für geförderten Wohnbau liegen.

● § 7c Abs 3 Wr BauO (Einkaufszentren) ist auf bestehende Gebäude im Sinne des § 7c Abs 1 Wr BauO, bei welchen die Fläche der Räume, die überwiegend für das Ausstellen und den Verkauf von Waren bzw für das damit im Zusammenhang stehende Erbringen von Dienstleistungen bestimmt sind, zwischen 1.600 m2 und 2.500 m2 beträgt, nicht anzuwenden.

● § 60 Abs 1 lit d Wr BauO (Abbruchbewilligungen) ist auch auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 1. 7. 2023 anhängig gemacht wurden.

● § 62 Abs 1 Z 4 Wr BauO (Bauanzeige), § 70a Abs 10 Wr BauO (vereinfachtes Baubewilligungsverfahren) und § 127 Abs 6 Wr BauO (Verzicht auf Bestellung eines Prüfingenieurs) sind auf bereits anhängige Verfahren anzuwenden.

● § 48 Abs 2 Wr GarG (Stellplatzregulativ) berührt bestehende Stellplatzregulative nicht.

2. Zu den einzelnen Regelungen und Themenbereichen

2.1. Vorbemerkung

Die einzelnen Regelungen der Wiener Bauordnungsnovelle 2023 lassen sich nach unterschiedlichen Themenfeldern und Regelungszielen zusammenfassen, wobei sich manche Regelungen durchaus mehreren Bereichen zuordnen lassen.

2.2. Entsiegelung und bauliche Ausnützbarkeit

2.2.1. Allgemeines Generell wird das Ziel verfolgt, den Verbrauch von Flächen und insbesondere die Versiegelung von Flächen zu reduzieren.

2.2.2. Entsiegelung bzw gärtnerische Ausgestaltung in der Wr BauO Als allgemeine Regelungsbasis wurden die Möglichkeiten für Festsetzungen im Bebauungsplan erweitert (§ 5 Abs 4 lit p Wr BauO). Hinsichtlich bislang bewilligungsfreier Bauvorhaben wurden Möglichkeiten für Gartenterrassen eingeschränkt und sind Stützmauern zwar in 1,5 m statt 3 m Abstand zum Nachbarn zulässig, aber nur in Form von

Mag. Gerald Fuchs ist Dezernatsleiter bei der Magistratsabteilung 37 (Baupolizei), Kompetenzstelle Recht, des Magistrats der Stadt Wien und Lektor an der FH Campus Wien und an der Universität für angewandte Kunst Wien.

Trockensteinmauern, Steinschlichtungen oder dergleichen (§ 62a Abs 1 Z 16 und 23 Wr BauO).

Hinsichtlich der baulichen Ausnützbarkeit wurden die Anforderungen bezüglich unversiegelter Fläche erhöht (15 % statt 10 %). Daneben ist eine Kompensation mit intensiver Dachbegrünung2 möglich. Im Wohngebiet und im gemischten Baugebiet mit Ausnahme der Geschäftsviertel und Betriebsbaugebiete müssen bei den meisten Bauweisen mindestens 40 % der Fläche des Bauplatzes von jeder unterirdischen Bebauung frei bleiben (§ 76 Abs 10a und 10b Wr BauO).3

Gemäß § 79 Abs 6, 6a4 und 7 Wr BauO müssen weiters zwei Drittel der Flächen von Vorgärten und Abstandsflächen und sonstige gärtnerisch zu gestaltende Flächen (auch jene, die zwar bebaubar, aber nicht ausgenutzt werden) unversiegelt bleiben und eine bodengebundene Begrünung und Bepflanzung aufweisen. Auf gärtnerischen Flächen zulässige Bauwerke werden demonstrativ aufgezählt. Ist im Bauland die gärtnerische Ausgestaltung festgesetzt, ist im Neubaufall je angefangene 200 m2 Gartenfläche ein Baum in verschulter Qualität zu pflanzen. Schwimmbecken sind in gärtnerisch auszugestaltenden Gebieten nur eingeschränkt zulässig (60 m3 und 3 m Abstand). Zu- und Umbauten sowie Änderungen und Instandsetzungen von mindestens 25 % der Oberfläche der Gebäudehülle lösen eine Verpflichtung zur Entsiegelung aus (§ 79 Abs 8 Wr BauO).5

Der nach § 81 Abs 1 bis 5 Wr BauO zulässige Gebäudeumriss darf weiters durch technische Infrastruktur von hocheffizienten alternativen Systemen im unbedingt erforderlichen Ausmaß überschritten werden, wenn ihre Unterbringung im Gebäude aus rechtlichen, technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist und durch sie das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird.

2.2.3. Entsiegelung bzw gärtnerische Ausgestaltung im Wr GarG

Gemäß § 4 Abs 3, 5, 7 und 8 Wr GarG sind Kleingaragen in der Bauklasse I und II auf seitlichen Abstandsflächen, im Vorgarten nurmehr mit einer Nutzfläche von nicht mehr als 25 m2 zulässig. Dies ist einschränkend auch nur zulässig, wenn ihre Errichtung auf seitlichen Abstandsflächen oder auf Teilen der Liegenschaft, die der Bebauung offenstehen, nunmehr nur im Hinblick auf die Geländeverhältnisse nicht zumutbar ist.6 Sie sind grundsätzlich an die beschränkt bebaubare Fläche anzurechnen. Bei Neuherstellung von Parkplätzen im Freien ist für jeden fünften Stellplatz ein großkroniger Baum zu pflanzen. Weiters ist ein versickerungsfähige Oberflächengestaltung bei mehr als 10 nicht überdachten Stellplätzen herzustellen.

2 Mit mindestens 30 cm hoher durchwurzelbarer Substratschicht.

3 Inkrafttreten: drei Monate nach der Kundmachung (13. 3. 2024).

4 § 79 Abs 6 und 6a Wr BauO treten drei Monate nach der Kundmachung in Kraft (13. 3. 2024).

5 Laut den Erläuterungen sind jene Bereiche, die nicht mit konsentierten Gebäuden oder Gebäudeteilen oder Bauwerken (konsentierte Stellplätze, Garagengebäude etc) bebaut sind, gärtnerisch auszugestalten; vgl § 79 Wr BauO.

6 Es entfällt die Wortfolge „oder wegen des vorhandenen Baubestandes“

2.2.4. Entsiegelung bzw gärtnerische Ausgestaltung im Wr KlGG

Nun wird normiert, dass Kleingärten vorwiegend gärtnerisch genutzte und ausgestaltete Grundflächen sind; sie dürfen nicht gewerbsmäßig genutzt werden, also keine Kurzzeitvermietung (§ 2 Abs 1 Wr KlGG). Es ist ein Nachweis der gärtnerisch auszugestaltenden und der unversiegelten Fläche zu erbringen (§ 8 Abs 3 Z 6 Wr KlGG). Nicht zur bebauten Fläche zählen zusätzlich bestimmte geringfügige Lichtschächte (§ 12 Abs 5 Wr KlGG). Mindestens ein Drittel des Kleingartens darf nicht versiegelt werden und muss als bepflanzte wasseraufnahmefähige Grünfläche mit direktem Bodenanschluss ausgestaltet sein und erhalten werden (§ 16 Abs 1 Wr KlGG).

2.2.5. Bauliche Ausnützbarkeit

In Art V Abs 6 Wr BauO werden für beim Inkrafttreten der Wiener Bauordnungsnovelle 20147 bereits bestehende Gebäude auch Bauführungen zur Schaffung oder Erweiterung eines Dachraumes für die Errichtung von Betriebseinheiten für Bürozwecke erleichtert.

Ein Raum liegt gemäß § 60 Abs 1 lit a Wr BauO nunmehr vor, wenn eine Fläche zumindest zu mehr als der Hälfte ihres Umfangs von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist; ein Aufenthaltsraum muss allseits umschlossen sein.

Als bebaute Fläche gilt die senkrechte Projektion des Gebäudes einschließlich aller vor die Gebäudefront ragenden Gebäudeteile auf eine waagrechte Ebene. Überschreiten solche Gebäudeteile das genannte Ausmaß, sind sie der bebauten Fläche voll zuzurechnen. Überschreiten Vorbauten im Sinne des § 84 Abs 1 und 2 Wr BauO das genannte Ausmaß, sind sie der bebauten Fläche voll zuzurechnen (§ 80 Abs 1 und 2 Wr BauO).8

2.3. Gebäudebegrünung und grüne Infrastruktur

2.3.1. Bäume und grüne Infrastruktur Bei der Situierung von Auf- und Überfahrten ist gemäß § 54 Abs 9 und 9a Wr BauO auf bestehende Straßenbäume (auch § 53 Wr BauO-Straßen) Rücksicht zu nehmen 9 Bei Bauvorhaben, die geeignet sind, den Straßenbaumbestand zu beeinträchtigen, ist generell in den Einreichunterlagen gemäß § 63 Abs 1 lit p Wr BauO ein Baumschutzkonzept vorzulegen (zB bei Errichtung von Balkonen im Sinne des § 83 Wr BauO). In den Lageplänen (§ 64 Abs 1 lit a Wr BauO) müssen Bäume maßstabsgetreuer dargestellt werden. Es erfolgt eine Änderung der Verpflichtung zur Baumpflanzung bei Neubauten (§ 79 Abs 7 Wr BauO) und ist für je angefangene 200 m2 gärtnerisch auszuge-

7 Gesetz, mit dem die Bauordnung für Wien und das Wiener Kleingartengesetz 1996 geändert werden (Bauordnungsnovelle 2014), Wr LGBl 2014/25.

8 Inkrafttreten: drei Monate nach der Kundmachung (13. 3. 2024).

9 Eine mögliche Beeinträchtigung ist jedenfalls zu vermuten, wenn der Abstand zwischen der Auf- bzw Überfahrt und der ihr zugewandten Stammaußenkante von Straßenbäumen 2,5 m unterschreitet oder die Auf- bzw Überfahrt in deren Kronentraufbereich hineinragt.

staltender Fläche ein Baum zu pflanzen. Bei Stellplätzen im Freien ist für jeden fünften Stellplatz ein großkroniger Baum zu pflanzen (§ 4 Abs 7 Wr GarG).

2.3.2. Fassaden­ und Dachbegrünung

Gemäß Art V Abs 5 Wr BauO dürfen nunmehr an zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Wr BTV 202010 bestehenden Gebäuden Wärmedämmungen sowie die für die Begrünung von Fassaden notwendigen technischen Systeme bis 20 cm vorragen. Bei einer Kombination beider Maßnahmen sind 30 cm zulässig. Zur Anbringung einer Wärmedämmung, zur Herstellung einer Hinterlüftungsebene oder einer Kombination darf die bestehende Gebäudehöhe bzw der oberste Gebäudeabschluss um 30 cm überschritten werden.11 Bei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Wiener Bauordnungsnovelle 2023 bereits bestehenden und nach dem 1. 1. 1945 errichteten Gebäuden außerhalb von Schutzzonen, deren Dächer eine Neigung von höchstens 15 Grad aufweisen, darf die bestehende Gebäudehöhe bzw der oberste Gebäudeabschluss zur Begrünung von Dächern um weitere 15 cm überschritten werden. Eine Kombination mit einer Wärmedämmung gemäß Art V Abs 5 Wr BauO ist zulässig; die Überschreitung darf insgesamt 45 cm betragen (Art V Abs 9 Wr BauO).

Gemäß § 5 Abs 4 Wr BauO können die Bebauungspläne zusätzlich Bestimmungen über die Begrünung der Gebäudefronten, die sich nicht an einer Bauplatzgrenze befinden, enthalten.

In § 62a Abs 1 Z 14 Wr BauO wird die Bewilligungsfreiheit ausgeweitet, so insbesondere für Rankhilfen und Rankgerüste für Kletterpflanzen im Bereich der ersten drei oberirdischen Geschoße außerhalb von Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre.12 Für die Gewährung von Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen werden in § 69 Abs 2 Z 5 Wr BauO nun Maßnahmen erleichtert, die in dauerhafter Weise dem Klimaschutz oder der Klimawandelanpassung dienen.

2.4. Dekarbonisierung und PhotovoltaikOffensive

2.4.1. Dekarbonisierung

Beim nachträglichen Einbau von Flächenwärmeabgabesystemen in beim Inkrafttreten der Wr BTV 2020 bestehenden Gebäuden gilt die lichte Raumhöhe in Aufenthaltsräumen als erfüllt, wenn diese mindestens 2,40 m beträgt (Art V Abs 8 Wr BauO).

In Energieraumplänen können (unter gewissen Voraussetzungen) nunmehr auch Gebiete ausgewiesen werden, in denen die Fernwärme bis zu einem bestimmten Datum erst realisiert werden soll (§ 2b Abs 3a Wr BauO). Die Anforderungen

10 Verordnung der Wiener Landesregierung, mit der bautechnische Anforderungen festgelegt werden (Wiener Bautechnikverordnung 2020 – WBTV 2020), Wr LGBl 2020/4 (Stichtag: 1. 2. 2020).

11 Die Bestimmungen gemäß Art V Abs 9 Wr BauO (begrünte Flachdächer) können zusätzlich angewandt werden.

12 Anzeigepflichtig sind gemäß § 62 Abs 1 Z 5 Wr BauO alle Rankhilfen und Rankgerüste für Kletterpflanzen, die nicht bewilligungsfrei sind.

im Neubaufall (hocheffiziente alternative Systeme) sind ident mit jenen Gebieten, in denen bereits Fernwärme vorhanden ist, aber bis zur Errichtung des Fernwärmesystems ist auch die Verwendung eines anderen Heizsystems zulässig (Stundung gemäß § 118 Abs 8 Wr BauO).

Gemäß § 6 Abs 15 Wr BauO sind nun Wärmeversorgungsanlagen (Raumwärme- und Warmwasserversorgungsanlagen) sowie Kühlungs- und Lüftungsanlagen für Gebäude von der widmungsgemäßen Nutzung erfasst. Erdwärmesonden und dazugehörige Leitungsführungen sind gemäß § 62a Abs 1 Z 36 und Abs 9 Wr BauO bewilligungsfrei (außerhalb von Grünland-Schutzgebieten); bei Fertigstellung ist eine Meldung zu erstatten. Technische Infrastruktur von hocheffizienten alternativen Systemen darf unter bestimmten Voraussetzungen den Umriss durchstoßen und bleibt betreffend Lichteinfall (Prisma) unberücksichtigt (§ 81 Abs 6a und § 106 Abs 2 Wr BauO).

Mit § 82a Wr BauO werden Erleichterungen für Nebengebäude geschaffen, die ausschließlich der Unterbringung der technischen Infrastruktur von hocheffizienten alternativen Systemen dienen.

Die Bestimmung des § 118 Wr BauO zu den energietechnischen Anforderungen an Gebäude wird teilweise neu gefasst und in einigen Bereichen verschärft. Gemäß § 118 Abs 3 Wr BauO ist der Einsatz hocheffizienter alternativer Systeme nun auch bei Änderungen am gebäudetechnischen System für die Wärmeversorgung zu berücksichtigen und müssen Einzelbauteilsanierungen einem Sanierungskonzept folgen. Bei Einzelbauteilsanierungen und bei Änderungen am gebäudetechnischen System sind Wärmebereitstellungsanlagen für fossile Brennstoffe nicht zulässig (§ 118 Abs 3f Wr BauO). Für Gebäude in Schutzzonen sowie erhaltungswürdige gegliederte Fassaden an bestehenden Gebäuden genügt gemäß § 118 Abs 4 Wr BauO nicht mehr die Einhaltung bestimmter Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Werte). Die Verpflichtung, ein hocheffizientes alternatives System einzusetzen (§ 118 Abs 3 Wr BauO), kann in Gebieten, in denen lediglich der zukünftige Ausbau berücksichtigt wurde, unter bestimmten Voraussetzungen gestundet werden (§ 118 Abs 8 Wr BauO).

2.4.2. Photovoltaik­Offensive § 118 Abs 3b und 3c Wr BauO werden zusammengeführt und neu gefasst. Photovoltaik-Anlagen sind nunmehr auf der Liegenschaft und nicht mehr zwingend am Gebäude zu errichten. Eine Photovoltaik-Verpflichtung besteht nun nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Zubauten bei NichtWohngebäuden (je 100 m2 [neu] geschaffener Brutto-Grundfläche). Die Ermittlung der erforderlichen Kilowatt-Peak (kWp) bei Wohngebäuden gilt nunmehr je 150 m2 konditionierter BruttoGrundfläche (bisher: 300 m2).13 Gleichsam der Berechnung einer Stellplatzverpflichtung (je 100 m2) wird daher bei einer Brutto-Grundfläche < 150 m2 keine Verpflichtung anzunehmen sein. Dies ist ins-

13 Die Berechnung der Verpflichtung erfolgt mittels folgender Formel: PPV = BGFkond. / (150 × l c).

Die Wiener Bauordnungsnovelle

besondere bei Kleingärten von Relevanz.14 Das Prinzip der Kompensation mittels Ersatzflächen gilt nun auch bei Wohngebäuden.

Die Genehmigungspflicht von PhotovoltaikAnlagen gemäß § 60 Abs 1 lit j Wr BauO wird reduziert, so etwa noch im Grünland-Schutzgebiet oder bei einer Bausperre und – wenn nicht andere Materien zur Anwendung kommen – auch in der Schutzzone oder bei Anlagen mit mehr als 15 kW. Im Übrigen sind Photovoltaik-Anlagen wie auch Solaranlagen weitgehend bewilligungsfrei (§ 62a Abs 1 Z 24 und 24a Wr BauO). In § 4 Abs 9 Wr GarG werden Erleichterungen für Flugdächer mit Photovoltaik-Anlagen über Stellplätzen geschaffen.

2.5. Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung

Die Förderung der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen wurde als Ziele für Flächenwidmungs- und der Bebauungspläne aufgenommen (§ 1 Abs 2 Z 18 Wr BauO). Bei Neubauten ist zu berücksichtigen, ob Niederschlagswässer versickern oder auf andere Art dem natürlichen Wasserkreislauf oder einer Nutzung zugeführt werden (§ 63 Abs 1 lit l Wr BauO). Niederschlagswässer sind grundsätzlich zu versickert oder auf andere Art dem natürlichen Wasserkreislauf oder einer Nutzung zuzuführen (§ 99 Abs 1 bis 4 Wr BauO).15 Mit §§ 104a bis 104c Wr BauO werden Maßnahmen zur Sicherung der Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch gesetzt.16 Diese verpflichten unter anderem die Eigentümer von Gebäuden dazu, einer bedenklichen Belastung des Trinkwassers durch Blei oder Legionellen mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken.

2.6. UNESCO­Welterbe und Stadtbild

Die Berücksichtigung der UNESCO-Welterbestätten wird nun an verschiedenen Stellen verstärkt bzw ausdrücklich normiert. Dies betrifft etwa die Festsetzung von Plandokumenten, Schutzzonen und die Einbindung des erweiterten Fachbeirats für Stadtplanung, Stadtgestaltung und Welterbe (§ 2 Abs 1e und 4 sowie § 7 Abs 1a Wr BauO).17 Durch Abweichungen vom Bebauungsplan darf „keine Beeinträchtigung der UNESCO-Welterbestätten in ihrem außergewöhnlichen universellen Wert erfolgen“ (§ 69 Abs 1 Z 5 Wr BauO).

Änderungen ergeben sich daraus für die Anforderungen betreffend die äußere Gestaltung von Bauwerken (§ 85 Wr BauO). Im Nahebereich von 14 Vgl aber auch die Erläuterungen zum Entfall des § 118 Abs 3d Wr BauO: Die Ausnahmebestimmung betreffend Wohngebäude in der Bauklasse I, die mehr als zwei Wohnungen enthalten, Kleingartenhäuser und Kleingartenwohnhäuser entfällt, weil auch bei diesen Gebäudetypen solare Energieträger verstärkt zum Einsatz kommen sollen.

15 Ausnahmen sind laut den Erläuterungen möglich bei baupraktisch undurchlässigem Untergrund bzw dann, wenn eine sickerfähige Bodenschicht erst in einer Tiefe von mehr als 10 m unterhalb der Fundamentunterkante vorhanden ist.

16 Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, ABl L 435 vom 23. 12. 2020, S 1.

17 UNESCO-Welterbestätte = Kernzone (nicht Pufferzone); siehe https://www.wien.gv.at/stadtplan (Reiter: Weltkulturerbe).

UNESCO-Welterbestätten ist auf diese bei der Beurteilung, ob ein Bauvorhaben das Stadtbild stört, besonders Bedacht zu nehmen. Sinngemäß verschärft wird auch der Schutz bezüglich Gebäuden, die vor dem 1. 1. 1945 errichtet wurden. Gemäß § 60 Abs 1 lit f Wr BauO besteht nun auch eine Bewilligungspflicht für die Veränderung oder Beseitigung von maßgeblichen baulichen Ziergegenständen in Schutzzonen nun auch an Bauwerken, die vor dem 1. 1. 1945 errichtet wurden.

2.7. Schutz alter Gebäude (Errichtung vor 1945)

Der Schutz alter Gebäude wird verstärkt und die Regelungen diesbezüglich werden verschärft. So werden insbesondere Abbruchbewilligungen aus dem Titel der wirtschaftlichen Abbruchreife verschärft (§ 60 Abs 1 lit d Wr BauO).18 Aufwendungen, die durch eine fahrlässige oder vorsätzliche Vernachlässigung der Erhaltungspflicht19 entstehen, bleiben bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Abbruchreife außer Betracht. Dies gilt auch für Rechtsnachfolger des Eigentümers, wenn sie von der schuldhaften Vernachlässigung Kenntnis hatten oder Kenntnis haben mussten. Die Beurteilung erfolgt sodann unter Einbeziehung von öffentlichen Förderungen und der Berücksichtigung von wirtschaftlichen Ertragsoptimierungspotenzialen am Bauwerk. Es sind sohin Bebauungsstudien zur potenziellen Entwicklung des Gebäudes zu erstellen.20 Seitens der Behörde wird im diesbezüglichen Verfahren ein externer Sachverständiger bestellt werden, dessen Kosten vom Bauwerber zu tragen sind. Die Änderung ist auch auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 1. 7. 2023 anhängig gemacht wurden (Art V Abs 4 der Wiener Bauordnungsnovelle 2023). Für den Fall der Erteilung einer Abbruchbewilligung durch das LVwG Wien wurde eine Art aufschiebende Wirkung für den möglichen Beginn des Abbruchs normiert; es muss dafür nun zumindest zwei Wochen zugewartet werden (§ 72 Abs 3 Wr BauO).21

18 Merkblatt der Magistratsabteilung 37 zur Beurteilung der wirtschaftlichen Abbruchreife von Gebäuden gemäß § 60 Abs 1 lit d Wr BauO (Stand: Dezember 2023), online abrufbar unter https:// www.wien.gv.at/wohnen/baupolizei/pdf/merkblatt-abbruch reife.pdf

19 Mit Abänderungsantrag PGL-1415187-2023-LAT, online abrufbar unter https://www.wien.gv.at/ma08/infodat/2023/pgl-141 5187-2023-lat.pdf, wurde in der beschlussfassenden Sitzung des Wiener Landtags vom 23. 11. 2023 die Wortfolge „schuldhafte Vernachlässigung“ durch die Wortfolge „fahrlässige oder vorsätzliche Vernachlässigung“ ersetzt.

20 Solche Maßnahmen sind laut den Erläuterungen zB Verbesserungen der Ausstattungskategorie (§ 15a MRG), Umnutzungen sowie geschoßflächenunwirksame Ausbauten (zB des vorhandenen Dachraumes). Nicht davon erfasst sind größere Zubauten (zB ganzer Geschoße).

21 Wird eine Abbruchbewilligung gemäß § 60 Abs 1 lit d Wr BauO mit Erkenntnis des LVwG Wien erteilt, so darf eine Baubeginnanzeige (§ 124 Abs 2 Wr BauO) erst erstattet werden, wenn die Behörde dem Bauwerber nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses mitteilt, dagegen Revision an den VwGH zu erheben. Erhebt die Behörde rechtzeitig Revision, so darf die Baubeginnanzeige erst erstattet werden, wenn über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgesprochen worden ist. Widrigenfalls kann die Behörde Abbrucharbeiten in sinngemäßer Anwendung des § 127 Abs 8 bis 9 Wr BauO einstellen.

Bei Neubauten auf Liegenschaften, die mit Bauwerken bebaut sind, deren Abbruch einer Bewilligungspflicht unterliegt, ist nun eine rechtskräftige Abbruchbewilligung vorzulegen (§ 63 Abs 1 lit q Wr BauO).22

Die Regelungen für Sicherungsmaßnahmen bei Bauführungen im Bestand wurden auf alle Gebäude ausgedehnt, mit der Möglichkeit behördlicher Maßnahmen (§ 123 Abs 3 Wr BauO). Die Verpflichtung gemäß § 129 Abs 2 Wr BauO, Gebäude in stillgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplans zu erhalten, gilt nun auch für vor 1945 errichtete Gebäude. Lassen sich die Vielfalt, die Art und der Umfang von Baugebrechen nicht durch bloßen Augenschein feststellen, kann die Behörde die Erstellung eines Sachverständigenbefunds beauftragen (§ 129 Abs 4 Wr BauO).

Bislang bestand bei Neu-, Zu- und Umbauten die Verpflichtung zur Erstellung eines Bauwerksbuches für das Gebäude, in dem Überprüfungen für bestimmte sensible Gebäudeteile23 festgelegt werden und eine Dokumentation vorgenommen wird. Für vor 1945 errichtete Gebäude24 ist es nun generell verpflichtend, ein Bauwerksbuch anzulegen (in zwei Etappen bis 2027 bzw 2030), dies zu registrieren und eine erstmalige Überprüfung vornehmen. Die Behörde ist auch berechtigt, ein Bauwerksbuch zu beauftragen (§ 128a Wr BauO).

2.8. Nutzungseinheiten und Kurzzeitvermietung

An mehreren Stellen erfolgt eine Anpassung und Vereinheitlichung von Begrifflichkeiten. Für die Verpflichtungen des geförderten Wohnbaus wird nun auf Brutto-Grundfläche abgestellt und ist die vertragliche Sicherstellung im Umkreis von 500 m möglich (§ 6 Abs 6a Wr BauO). Bei Betriebswohnungen ist nun explizit ein Betriebskonzept vorzulegen (§ 6 Abs 13 Wr BauO).

Die Definition des Raumes im Sinne des § 60 Abs 1 lit a Wr BauO stellt nun auf mehr als die Hälfte von Wänden umschlossen statt vormals zumindest auf zur Hälfte ab.

In § 119 Wr BauO wurden die Arten von Nutzungseinheiten in Gebäuden und ihre Definitionen neu gefasst. Dies betrifft Wohneinheiten (Wohnungen, Wohneinheiten in Heimen und Beherbergungsstätten), Zimmereinheiten (in Heimen und Beherbergungsstätten), Betriebseinheiten oder sonstige Nutzungseinheiten. Damit gibt es nun keine Apartments mehr. Ausgeweitet werden die Anforderungen an Gebäude für Fahrräder und E-Bikes (§§ 119a und 120 Wr BauO).

Die Regelungen zur Nutzung von Wohnungen zur Kurzzeitvermietung werden verschärft

22 Dies wird sinngemäß auch für die Vorlage der Bestätigung des Magistrats im Sinne des § 62a Abs 5a Wr BauO gelten, dass an der Erhaltung des Bauwerks infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht.

23 Bauteile, von denen bei Verschlechterung ihres Zustands eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen ausgehen kann (insbesondere Tragwerke, Gebäudehülle, Geländer und Brüstungen).

24 Ausgenommen Kleingartenhäuser, Kleingartenwohnhäuser und Gebäude mit einer bebauten Grundfläche von nicht mehr als 50 m2

und auf ganz Wien ausgedehnt. 25 Zulässig ist eine 90 Tage pro Kalenderjahr nicht überschreitende vorübergehende kurzfristige Vermietung der Wohnung, für die eine Verpflichtung zur Entrichtung einer Ortstaxe besteht, ohne dauerhafte Aufgabe des Wohnsitzes in dieser Wohnung (§ 119 Abs 2a Wr BauO). Eine darüber hinausgehende Vermietung ist nach dem 1. 7. 2024 nur mit einer Ausnahmebewilligung gemäß § 129 Abs 1a Wr BauO zulässig. Diese kann nur unter engen Voraussetzungen auf fünf Jahre und unter anderem nur außerhalb von Wohnzonen gewährt werden. Die Regelung und die Ausnahmegenehmigung für Kurzzeitvermietung gemäß § 7a Abs 3 iVm Abs 5 Wr BauO bleiben unverändert. Gemäß § 135 Abs 6a Wr BauO ist nun schon das Anbieten einer Wohnung zu Zwecken, die über die Grenzen des § 119 Abs 2a lit a und b Wr BauO hinausgehen, ohne Ausnahmebewilligung strafbar.

Hinsichtlich der Regelungen zum Schutz von Wohnungen in Wohnzonen wurden in § 7a Wr BauO unter anderem die Ausnahmegründe gemäß Abs 5 leg cit vereinheitlicht bzw verschärft. Bezüglich des Ersatzwohnraumes muss nun ein in einer Wohnzone und im gleichen Bezirk befindlicher Wohnraum geschaffen werden, der hinsichtlich der Wohnungsgröße, der Ausstattung und der hierfür durchschnittlich fiktiv erzielbaren Miete gleichwertig ist.

2.9. Mobilität und Stellplatzverpflichtung Die Regelungen bezüglich Ladepunkten wurden ausgedehnt (§ 2 Abs 22, § 3 Abs 1 Z 4 und § 6 Abs 3b und 3c Wr GarG). Insbesondere besteht nun eine echte Nachrüstverpflichtung, nämlich die nachträgliche Installationspflicht bezüglich Ladepunkten bei Nicht-Wohngebäuden mit mehr als 20 Stellplätzen (für jeden 10. Stellplatz) bis 1. 1. 2030 (§ 6 Abs 3c Wr GarG). Da § 3 Abs 3 Wr GarG entfällt, ist nun kein bewilligungsfreies Einstellen von Fahrzeugen (PKWs oder Krafträdern) auf Liegenschaften mehr möglich. Weiters werden die Möglichkeiten für Kleingaragen eingeschränkt (§ 4 Abs 3 und 5 Wr GarG) wie auch Stellplätze bei Einkaufszentren (§ 7c Wr BauO; § 4 Abs 10 Wr GarG). Der Anwendungsbereich, um die Stellplatzverpflichtung mittels des Stellplatzregulativs auf bis auf 110 % zu erhöhen, wird erweitert (§ 48 Abs 3 Wr GarG).

Die Regelungen zum Umfang der Stellplatzverpflichtung werden neu gefasst und strukturiert (§ 50 Wr GarG). Der tatsächliche Umfang der Stellplatzverpflichtung ergibt sich gemäß § 50a Wr GarG aus einem Zonenmodell mit drei Zonen und Prozentsätzen (70 % bzw 80 % bzw 100 %).

Die Anzahl der zu schaffenden Stellplätze kann wiederum durch Einrichtung von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge oder ein Carsharing-Angebot reduziert werden (maximal 10 %).

25 Merkblatt der Magistratsabteilung 37 zur Verwendung von Wohnungen zur Kurzzeitvermietung, online abrufbar unter https:// www.wien.gv.at/wohnen/baupolizei/pdf/merkblatt-verwendung -wohnungen-kurzzeitvermietung.pdf

Die Wiener Bauordnungsnovelle

Die Verpflichtung zur Entrichtung der Ausgleichsabgabe geht nunmehr bei einem Bauwerberwechsel über (§ 53 Abs 1 Wr GarG).

2.10. Bauverfahren und sonstige Änderungen

2.10.1. Bauverfahren

Für die Zulässigkeit von Bauanzeigen wird der bisherigen Praxis folgend explizit normiert, dass die Gegenrechnung bei der Stellplatzberechnung ist zulässig ist (§ 62 Abs 1 Z 4 und Abs 2 Wr BauO).

Zum vereinfachten Baubewilligungsverfahren: Es sind weitere Ziviltechnikerbestätigungen von unterschiedlichen Personen für einzelne Bereiche (OIB-Richtlinien)26 zusätzlich zur allgemeinen Bestätigung möglich. Das Verfahren ist nun auf Antrag eines Nachbarn wieder aufzunehmen, wenn der Nachbar daran gehindert war, sein Recht geltend zu machen, und ihn daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (§ 70a Abs 1 und 10 Wr BauO).27 Das vereinfachte Verfahren gemäß § 70b Wr BauO (Baubewilligungsverfahren für Bauwerke kleinen Umfangs) ist nun bei bewilligungspflichtigen Geländeveränderungen nicht möglich. Die Möglichkeit zur Bewilligung von Bauten langen Bestands gemäß § 71a Wr BauO wird mit 31. 12. 2027 entfallen.

Die Begriffsbestimmungen wurden um die Begriffe „Markise“ und „Flugdach“ erweitert (§ 87 Abs 16 und 17 Wr BauO). Nunmehr stehen auch Hausverwaltungen in der Verpflichtung, Gebäudedaten in das Wiener Gebäude- und Wohnungsregister (WGWR) einzupflegen (§ 128b Abs 3 Wr BauO).

2.10.2. Sonstige Änderungen

Städtebauliche Verträge können auch über die Beteiligung anderer Personen (bisher: Grundeigentümer) abgeschlossen werden (§ 1a Wr BauO).

Für Einkaufszentren (§ 7c Wr BauO) gilt hinsichtlich der erfassten Flächen nun ein Grenzwert für die Fläche dieser Räume von zusammen mehr als 1.600 m2 (im „gemischten Baugebiet –Betriebsbaugebiet“: mehr als 1.000 m2). Weiters werden zwei Typen von Einkaufszentren eingeführt und eine Verpflichtung, wonach mindestens ein Drittel der oberirdischen Nutzungseinheiten (§ 119 Abs 1 Wr BauO) oberhalb des Erdgeschoßes zu errichten. Die Festsetzung eines Einkaufszentrums kann auf sieben Jahre befristet werden. Besondere Regelungen bestehen für die Situierung von Stellplätzen.

Eine Unterschreitung der Soll-Größe für Baulose (250 m2) und für Bauplätze (500 m2) ist mit Begründung zulässig (§ 16 Abs 2 Wr BauO).

Hinsichtlich des Gehsteigs ist das Kriterium der Trittsicherheit allein nicht mehr ausreichend (§ 54 Abs 8 Wr BauO). In Lageplänen ist unter anderem bei Gebäuden mit mehr als einer Wohnung oder

26 Online abrufbar unter https://www.oib.or.at/de/oib-richtlinien

27 Beachte die Übergangsbestimmungen: Gilt auch für bereits anhängige Verfahren.

Betriebseinheit der für Hausbrieffachanlagen und Paketboxen vorgesehenen Platz auszuweisen (§ 64 Abs 1 Wr BauO).28

Für die Gewährung von Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen gemäß § 69 Wr BauO darf die Ausnahme das gegebene Stadtbild nicht stören (vormals: das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild) und das UNESCO-Welterbe darf nicht beeinträchtigen werden (Sichtachsen etc). Daneben wurden für die Gewährung der Ausnahme zusätzliche Anwendungsfälle etabliert. Dies betrifft einerseits Maßnahmen, die dem Erhalt und der Sanierung eines Gebäudes dienen, das in einer Schutzzone liegt oder vor dem 1. 1. 1945 errichtet wurde, und weiters solche, die in dauerhafter Weise dem Klimaschutz oder der Klimawandelanpassung dienen.

Hinsichtlich der Regelungen im Zusammenhang mit Seveso-Betrieben29 (§ 134 Abs 6a und § 136 Abs 1 Wr BauO) besteht nun Parteistellung für die Wiener Umweltanwaltschaft und die Öffentlichkeit auch bei Vorhaben im Schutzabstand (§ 61a Abs 7 Wr BauO). Werden in einer Beschwerde gegen ein Vorhaben gemäß § 61a Abs 1 Wr BauO (bezüglich des den Seveso-Betriebs) und § 61a Abs 7 Wr BauO (im Schutzabstand) Einwendungen oder Gründe erstmals vorgebracht, sind diese nicht zulässig, wenn ihr erstmaliges Vorbringen im Rechtsmittelverfahren missbräuchlich oder unredlich ist.

Fazit

Die Wiener Bauordnungsnovelle 2023 ist eine der weitreichendsten und tiefgreifendsten Änderungen seit Langem. Dabei kommen nicht nur nachdrückliche Intentionen zu Veränderungen zum Ausdruck wie auch das Bestehen zunehmender Zielkonflikte und entstehender Spannungsfelder. Einzelnen Maßnahmen zur Verfahrensvereinfachung stehen jedenfalls eine Vielzahl an zusätzlichen inhaltlichen und administrativen Aufgaben und Herausforderungen gegenüber. Um den Intentionen der Novelle zum Durchbruch zu verhelfen, wird daher schon gemäß den finanziellen Erläuterungen ein entsprechendes Maß an Ressourcen erforderlich sein. Daneben bleibt abzuwarten, wie sich die Judikatur zu den neuen Regelungen entwickeln und die Praxis die Zielsetzungen verwirklichen wird. Eine derart große Veränderung gibt zwangsläufig viel Anlass zu Kritik und Unsicherheit, aber auch viel Hoffnung. Es bleibt spannend.

28 Inkrafttreten: drei Monate nach Kundmachung (13. 3. 2024).

29 Seveso-Betriebe sind Betriebe, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 7. 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates, ABl L 197 vom 24. 7. 2012, S 1, fallen. Gemäß § 61a Wr BauO bestehen besondere Regelungen für Seveso-Betriebe und Vorhaben in deren Schutzabstand.

Die BIM­gestützte Ökobilanz

Teil 2: Identifikation des erforderlichen Ausarbeitungsgrades von Bauelementen eines BIM­Modells für zuverlässige Ökobilanzergebnisse

Der im ersten Teil dieses Beitrags1 präsentierte Prozess einer BIM­gestützten Ökobilanz wird im gegenständlichen zweiten Teil anhand der Fallstudie eines dreistöckigen Bürogebäudes durchlaufen. Eine in die BIM­Modellierungssoftware integrierte Ökobilanz­Software als Plug­in liefert als Ergebnis das Treibhauspotenzial für die relevanten Bauteile. Dieser Prozess wird mit unterschiedlichen Ausarbeitungsgraden durchgeführt. Anhand der quantifizierten Materialmengen des Bauelements der Hochlochziegel-Außenwände mit vorgehängter Fassade diskutiert der Beitrag die Auswertung von Ökobilanzergebnissen und stellt die Abweichungen des Treibhauspotenzials in LOD 100 bis LOD 400 dar. Auf induktive Weise entwickeln die Autoren basierend auf diesen Ergebnissen einen zweistufigen Entscheidungsfindungsprozess zur Zuordnung des Ausarbeitungsgrades zu Bauelementen in der Planungsphase von Gebäuden.

5. Prozess1

Folgende vier Hauptabschnitte liegen den ausgearbeiteten Handlungsempfehlungen zugrunde:

● Modellierung von 14 Haupt-Bauelementen der Fallstudie in LOD 100 bis LOD 400;

● Datenerhebung, Datenaufbereitung und Datenübermittlung an die Ökobilanz-Software;

● Ökobilanz;

● Auswertung der Ergebnisse.

Die Modellierung der einzelnen Bauelemente des betrachteten Bürogebäudes in Autodesk Revit stellt den ersten Schritt des vorliegenden Prozesses dar und ist für die Qualität und Genauigkeit des gesamten Prozesses von wesentlicher Bedeutung.

Im zweiten Schritt der Datenerhebung werden die Materialmengen für die einzelnen Bauelemente und ihre Varianten präzise quantifiziert, indem das Plug-in „One Click LCA“2 für Autodesk Revit eingesetzt wird. Die daraus resultierenden quantifizierten Materialmengen werden einer Qualitätskontrolle unterzogen, indem sie mit denen der Materialliste des Modellierungsprogramms verglichen werden. Dieser Vergleichsprozess dient dazu, mögliche Abweichungen oder Fehlinterpretationen bei den erhobenen Daten zu vermeiden und somit eine verlässliche Grundlage für den weiteren Verlauf der vorliegenden Studie zu schaffen. Im dritten Abschnitt des Workflows liegt der Schwerpunkt auf der Durchführung der Ökobilanz für die einzelnen Varianten. In der Fallstudie wurden für 14 Bauelemente insgesamt 45 Ökobilanzen erstellt. Die Systemgrenzen werden so gewählt, dass nur die Herstellungsphasen A1 bis A3 nach der ÖNORM EN 159783 in Betracht gezogen werden. Als Grundlage wurde die international anerkannte Datenbank „ecoinvent“4 verwendet, die generische Datensät-

1 Nawab/Winkler, Die BIM-gestützte Ökobilanz (Teil 1), bau aktuell 2023, 267.

2 Online abrufbar unter https://www.oneclicklca.com

3 ÖNORM EN 15978: Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden – Berechnungsmethode (Ausgabe: 1. 10. 2012).

4 Online abrufbar unter https://ecoinvent.org/the-ecoinvent-data base

ze für Materialien zur Verfügung stellt. Sofern die Daten in dieser Datenbank nicht verfügbar waren, wurde auf die Datenbank „GaBi“5 zurückgegriffen.

6. Materialquantifizierungen

Die Quantifizierung wird exemplarisch für das Bauelement Hochlochziegelwand mit vorgehängter Fassade dargestellt. Im Fallbeispiel des Bürogebäudes betrug die Gesamtfläche der Außenwände 388,85 m2. Abbildung 4 zeigt die Materialmengen für die einzelnen Ausarbeitungsgrade. Entsprechend der definierten Ausarbeitungsgrade aus dem ersten Teil und Abbildung 1 zeigen sich Mengenänderungen und zusätzliche Materialien. In LOD 100 wurden die Hochlochziegel-Außenwände unter Berücksichtigung ihrer exakten Länge betrachtet. Des Weiteren wurden die Hochlochziegel-Außenwände im ersten und zweiten Obergeschoß miteinander verbunden, wobei die Dicke der Stahlbeton-Geschoßdecke vernachlässigt wurde. Diese Vernachlässigung ist darauf zurückzuführen, dass eine Stahlbeton-Geschoßdecke in LOG 100 ausschließlich als Fläche dargestellt wird. In LOD 200 und LOD 300 wurden die Hochlochziegel-Außenwände in Breite, Höhe und Länge einschließlich der vorhandenen Öffnungen exakt berücksichtigt. Dadurch ergaben sich keine Unterschiede in der Menge der Hochlochziegel zwischen diesen Ausarbeitungsgraden. In LOD 300 werden bereits die einzelnen Schichten des Fassadenaufbaus definieren; die Unterkonstruktion fehlt jedoch in diesem Ausarbeitungsgrad noch vollständig (siehe Abbildung 5).

7. Auswertungen der Ökobilanzen

Für jedes verwendete Material werden die spezifischen Beiträge zum Treibhauspotenzial in kg

CO2-Äq/m2 für die einzelnen Ausarbeitungsgrade dargestellt. Dies ist durch die Verknüpfung der Materialmengen mit den Ressourcennamen der jeweiligen Datenbanken möglich. Entweder werden

5 Online abrufbar unter https://sphera.com/datenbank-zur-lebens zyklusbeurteilung-lca/?lang=de

Ahmad Sameer Nawab, MEng. ist Experte für modellbasierte Arbeitsweise und arbeitet in einem österreichischen Bauunternehmen an den schnittstellenfreien Prozessen BIM – LCA – ERP.

Dipl.-Ing. Dr. techn. Leopold Winkler ist Experte und Universitätslektor im Bereich nachhaltiger und innovativer Baustellen­ und Geschäftsprozesse.

und Spezifikationen

LOD Material Menge Einheit Ressourcenname in Ökobilanz-Software

100 Hochlochziegel 0,209 m³/m² Hochlochziegel, Wienerberger

200 Hochlochziegel 0,200 m³/m² Hochlochziegel, Wienerberger

300 Gipsputz

0,015 m³/m² Gipsputz, Baumit

Hochlochziegel 0,200 m³/m² Hochlochziegel, Wienerberger

Glaswolle-Dämmung 0,276 m³/m² Glaswolle-Dämmplatte, Knauf

Alu-Verbundplatte 0,006 m³/m² Aluminium, generisch

400 Gipsputz 0,015 m³/m² Gipsputz, Baumit

Hochlochziegel 0,200 m³/m² Hochlochziegel, Wienerberger

Glaswolle-Dämmung 0,276 m³/m² Glaswolle-Dämmplatte, Knauf

Alu-Verbundplatte 0,006 m³/m² Aluminium, generisch

Aluminium 0,002 m³/m² Aluminium, generisch

Abbildung 4: Materialmengen des Fallbeispiels für eine Hochlochziegel­Außenwand mit vorgehängter Fassade pro Quadratmeter

● Länge Wände (exakt)

● Höhe Wände (nicht exakt)

● Bereite Wände (nicht exakt)

● Keine Unterkonstruktion

● Keine Öffnungen

Hochlochziegel-Außenwände:

● Gesamtfläche: 479,09 m2

● Dicke: 0,17 m

● Volumen: 81,45 m3

● Breite/Höhe/Länge Wände (exakt)

● Keine Unterkonstruktion

● Öffnungen (exakt)

Hochlochziegel-Außenwände:

● Gesamtfläche: 388,85 m2

● Dicke: 0,20 m

● Volumen: 77,77 m3

● Breite/Höhe/Länge Wände (exakt)

● Fassadenaufbau nach Schichten

● Keine Unterkonstruktion

● Öffnungen (exakt)

Fassadenaufbau von innen nach außen:

1. Gipsputz

2. Hochlochziegel

3. Fassaden-Dämmplatte aus Glaswolle

4. Aluminium- Verbundplatte

Gipsputz:

● Gesamtfläche: 388,85 m2

● Dicke: 0,015 m

● Volumen: 5,83 m3

Hochlochziegel-Außenwände:

● Gesamtfläche: 388,85 m2

● Dicke: 0,20 m

● Volumen: 77,77 m3

Fassaden-Dämmplatten aus Glaswolle:

● Gesamtfläche: 536,25 m2

● Dicke: 0,20 m

● 107,25 m3

Aluminium-Verbundplatten:

● Gesamtfläche: 536,25 m2

● Dicke: 0,0040 m

● 2,15 m3

● Breite/Höhe/Länge Wände (exakt)

● Fassadenaufbau nach Schichten

● Unterkonstruktion

● Öffnungen (exakt)

Fassadenaufbau von innen nach außen:

1. Gipsputz

2. Hochlochziegel

3. Fassaden-Dämmplatte aus Glaswolle

4. Aluminium- Unterkonstruktion

5. Aluminium- Verbundplatte

Gipsputz:

● Gesamtfläche: 388,85 m2

● Dicke: 0,015 m

● Volumen: 5,83 m3

Hochlochziegel-Außenwände:

● Gesamtfläche: 388,85 m2

● Dicke: 0,20 m

● Volumen: 77,77 m3

Fassaden-Dämmplatten aus Glaswolle:

● Gesamtfläche: 536,25 m2

● Dicke: 0,20 m

● 107,25 m3

Aluminium-Verbundplatten:

● Gesamtfläche: 536,25 m2

● Dicke: 0,0040 m

● 2,15 m3

Aluminium-Unterkonstruktion: Gesamtvolumen: 0,75 m3

Farbe Material

Hochlochziegel

Gipsputz

Glaswolle

Alu-Unterkonstruktion

Alu-Verbundplatten

Abbildung 5: Level of geometry (LOG) bzw level of information (LOI) sowie Aufbau und Spezifikationen des Hauptbauelements

Hochlochziegel-Außenwand mit vorgehängter Fassade

generische Daten oder spezifische Umweltproduktdeklarationen von Herstellern verwendet, um das Treibhauspotenzial zu berechnen. Darüber hinaus lässt sich der prozentuale Beitrag jedes Materials zum Gesamt-Treibhauspotenzial (total global warming potential – TGWP) für die einzelnen Ausarbeitungsgrade ablesen.

Für das Bauteil der Hochlochziegel-Außenwand mit vorgehängter Fassade in Aluminium ergeben sich die Werte nach Abbildung 6. Dabei ist ersichtlich, dass 100 % der kritischen Materialien und somit des Treibhauspotenzials erst in LOD 400 erfasst werden können. Bei der Wahl der Bauweise in LOD 100 ohne Fassade können nur 22 % und in LOD 300 nur 83 % des Gesamt-Treibhauspotenzial von 148 kg CO2-Äq/m2 direkt berechnet werden. Die Alu-Unterkonstruktion, die erst in LOD 400 in die Ökobilanzberechnung miteinbezogen wird, macht 25,4 kg CO2-Äq/m2 und dementsprechend 17 % des Gesamt-Treibhauspotenzial dieses Bauelements aus. Die in Abbildung 7 angeführten prozentualen Abweichungen der Treibhauspotenziale in Abhängigkeit von LOD 100, LOD 200 und LOD 300 in Bezug auf den Referenz-Ausarbeitungsgrad LOD 400 liefern Rückschlüsse auf den Einfluss des Ausarbeitungsgrades auf die Umweltauswirkungen (Treibhauspotenzial) der einzelnen Bauelemente. Sie verdeutlichen, dass bei niedrigeren Ausarbeitungsgraden (insbesondere bei LOD 100 und LOD 200) das Treibhauspotenzial einzelner Bauelemente deutlich unterbewertet wird.

Aus Abbildung 7 ist weiterhin ersichtlich, dass für die hellrorange markierten Bauelemente eine Ökobilanzberechnung in LOD 100 nicht realisierbar ist. Dies liegt daran, dass die meisten der in Abbildung 7 aufgeführten Bauelemente in LOD 100 ausschließlich als Fläche oder Volumen abgebildet werden. Daraus folgt, dass für eine sinnvolle Ökobilanzberechnung die Kenntnis der Masse erforderlich ist. Auch wenn für bestimmte Elemente

LOD 100

0102030405060708090100

LOD 200

LOD 300

LOD 400

Hochlochziegel Gipsputz Glaswolle Alu-Verbundpla e Alu-Unterkonstruk on

in LOD 100 das Volumen definiert ist, erweist sich eine Ökobilanzberechnung als nicht sinnvoll, da in einer sehr frühen Planungsphase der Materialtyp bzw die Art des Bauelements noch nicht feststeht. Eine Ausnahme bildet unter anderem die Bodenplatte und Außenwände, deren Materialien bereits in der Entwurfsphase definiert sind.

8. Handlungsanweisungen

8.1. Vorbemerkung

Basierend auf den Ergebnissen der Fallstudie wurden folgende zwei Stufen für den Ausarbeitungsgrad einzelner Bauelemente für eine BIM-gestützte Ökobilanz identifiziert.

8.2. Stufe 1

Erforderlicher Ausarbeitungsgrad für den Vergleich alternativer Bauelemente: Dieser Ausarbeitungsgrad ermöglicht einen direkten Vergleich unterschiedlicher Bauelementalternativen hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen (Treibhauspotenzial), wie beispielsweise einer Betonwand mit einer Holzwand oder Ziegelwand.

Abbildung 6: Treibhauspotenzial nach dem Ausarbeitungsgrad: oben in kg CO2­Äq/m2 Hochlochziegel-Außenwand mit vorgehängter Fassade

8

Für diese Bauelemente ist keine Ökobilanzberechnung bei LOD 100 möglich Für diese Bauelemente sind Ökobilanzberechnungen bei allen LODs möglich

Abbildung 7: Abweichung des Treibhauspotenzials bei LOD 100 bis LOD 300 bezogen auf LOD 400

8.3. Stufe 2

Erforderlicher Ausarbeitungsgrad zur Identifikation kritischer Materialien: Dieser Ausarbeitungsgrad dient der Bewertung der Umweltauswirkungen (Treibhauspotenzial) einzelner Materialien und der Identifikation kritischer Materialien innerhalb der einzelnen Bauelemente. Dadurch lassen sich die spezifischen Beiträge einzelner Materialien zum Gesamt-Treibhauspotenzial der einzelnen Bauelemente ermitteln. Diese Erkenntnisse ermöglichen die Identifikation kritischer Stellen (Hotspots) und somit im Entscheidungsfindungsprozess zielgerichtete Optimierungsmaßnahmen zur Reduzierung des Treibhauspotenzials einzelner Materialien. Beispiele dafür könnten die Substitution von Beton durch Recyclingbeton oder die Substitution von Bewehrungsstahl durch eine Variante mit Recyclinganteil sein.

Wie aus Abbildung 8 hervorgeht, ist mindestens LOD 200 für die Stufe 1 festgelegt. In diesem Ausarbeitungsgrad werden beispielsweise bereits nahezu exakte Mengen an Beton in der Ökobilanzberechnung berücksichtigt. Dadurch wird das Treibhauspotenzial des Betons aus dem Ökobilanzergebnis deutlich. Auf diese Weise wird eine Bewertung von Beton im Vergleich zu alternativen Materialien (unter anderem Holz, Stahl oder Ziegel) hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen (Treibhauspotenzial) und somit ein Vergleich unterschiedlicher Bauelementalternativen im Entscheidungsfindungsprozess ermöglicht.

Für die Stufe 2 ist mindestens LOD 300 festgelegt. In diesem Ausarbeitungsgrad wird die wesentliche Materialzusammensetzung einbezogen. Dadurch werden die Beiträge der einzelnen Materialien zum Gesamt-Treibhauspotenzial ersichtlich. Daraus ergibt sich im Entscheidungsfindungsprozess die Möglichkeit, zielgerechte Optimierungsmaßnahmen zur Reduzierung des Treibhauspotenzials auf Materialebene zu ergreifen.

Aus Abbildung 8 ist ersichtlich, dass für die Hochlochziegel-Wände LOD 200 für die Stufe 1 festgelegt ist. In diesem Ausarbeitungsgrad wird die exakte Menge an Hochlochziegeln bereits in der Ökobilanzberechnung berücksichtigt. Dadurch wird das Treibhauspotenzial des Hochlochziegels aus dem Ökobilanzergebnis deutlich. Auf diese Weise wird eine Bewertung des Hochlochziegels im Vergleich zu alternativen Materialien (unter anderem Beton oder Holz) hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen und somit ein Vergleich unterschiedlicher Bauweisen im Entscheidungsfindungsprozess ermöglicht.

Für die Stufe 2 sind LOD 300 und LOD 400 jeweils bei den Hochlochziegel-Innenwänden und Hochlochziegel-Außenwände mit vorgehängter Fassade festgelegt. In diesen Ausarbeitungsgraden wird die vollständige Materialzusammensetzung der Hochlochziegel-Innenwände und Hochlochziegel- Außenwände mit vorgehängter Fassade (insbesondere der Aluminium-Unterkonstruktion) in die Ökobilanzberechnung einbezogen. Dadurch werden die Beiträge der einzelnen Materialien zum Gesamt-Treibhauspotenzial der HochlochziegelInnenwände und Hochlochziegel-Außenwände mit vorgehängter Fassade ersichtlich. Daraus ergibt sich im Entscheidungsfindungsprozess die Möglichkeit, zielgerechte Optimierungsmaßnahmen zur Reduzierung des Treibhauspotenzials auf Materialebene zu ergreifen.

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag zur BIM-gestützte Ökobilanzierung mit seinen zwei Teilen zeigt anschaulich, dass eine BIM-gestützte Ökobilanzierung mindestens in LOD 200 aufzuführen ist. Detaillierte Ökobilanzierungen mit geringen Abweichungen verlangen je nach Bauelement nach einem detaillierten BIM-

Abbildung 8: Erforderliche Ausarbeitungsgrade in der Planungsphase von Gebäuden für die Untersuchung des Treibhauspotenzials

Modell mit LOD 300 oder LOD 400. Bei diesem hohen Detailgrad, bei dem die spezifischen Materialien der Bauelemente eindeutig feststehen, können für die Ökobilanzberechnung spezifische Umweltproduktdeklarationen anstelle von generischen Datensätzen für die Bauelemente verwendet werden. Diese präziseren Datensätze führen zu genaueren und aussagekräftigeren Ökobilanzberechnungen, indem sie die tatsächlichen Umweltaus-

wirkungen (Treibhauspotenzial) der verwendeten Materialien widerspiegeln, statt sich auf allgemeine Durchschnittswerte zu stützen. Dadurch werden kritische Materialien holistisch erkannt und die Umweltauswirkungen von Produktalternativen eindeutig quantitativ vergleichbar gemacht. Nicht zuletzt schafft diese Vorgehensweise eine verlässliche Grundlage für eine Kosten-Nutzen-Rechnung für den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks.

News – Aktuelles aus der Branche (II)

THE CORE: Exklusives 3SI-Altbauprojekt in Wien-Wieden fertiggestellt

Nach rund zwei Jahren beendet die 3SI Immogroup ihre Bautätigkeit in Wien-Wieden: Der einst graue, unscheinbare Altbau in der Petzvalgasse 4 beeindruckt nun mit einer eleganten Stuckfassade in zartem Beige, stilvollem Gründerzeitflair und exklusiven Wohnungen im hochwertig revitalisierten Regel- und neu errichteten Dachgeschoß. Mit Stand 24. 1. 2024 waren noch 13 Wohnungen verfügbar.

25 stilvolle Eigentumswohnungen, davon drei luxuriöse Penthouses, hat die 3SI Immogroup während der vergangenen Monate in der zwischen Schweizergarten und Alois-Drasche-Park gelegenen Petzvalgasse 4 entwickelt. Neben der hochwertigen Revitalisierung der Regelgeschoßwohnungen und der Allgemeinbereiche wurde der Bestand um rund 550 m2 im Dachgeschoß (inklusive großzügiger Freiflächen) erweitert.

Hofseitig wurden, wo bautechnisch möglich, attraktive Eigengärten, Balkone und Terrassenflächen neu geschaffen. Die nach Bombentreffern während des Zweiten Weltkriegs in den 1950er-Jahren schmucklos neu errichtete Fassade wurde anhand früherer Skizzen und Pläne rekonstruiert. „Die Verwandlung des noch vor Jahren grauen, sichtlich in die Jahre gekommenen Gründerzeithauses begeistert mich enorm“, betont Bauherr und 3SI-Geschäftsführer Michael Schmidt

Die 3SI Immogroup ist ein seit drei Generationen bestehendes Wiener Familienunternehmen, das sich auf die Revitalisierung und Entwicklung von Zinshäusern sowie den hochwertigen Ausbau von Dachböden spezialisiert hat. Neben der Sanierung historischer Bausubstanz trägt die 3SI Immogroup als Bauträger seit Jahren auch aktiv zu nachhaltiger Wohnraumschaffung im Neubausegment bei.

WSTW IMMO: Greenpass Gold-Zertifikat für Immoprojekt im Herzen Mödlings Mit November 2023 startete der Verkauf der frei finanzierten Eigentumswohnungen in der Achsenaugasse 8-10 im Herzen Mödlings. Kürzlich wurde das Wohnbauprojekt für seine besonders klimafitte und nachhaltige Bauweise mit dem Greenpass GoldZertifikat ausgezeichnet.

Derzeit entstehen drei moderne Wohnhäuser mit 17 Wohnungen in zentraler Altstadtlage in Mödling. Die Wohnhäuser werden nach den Kriterien von Greenpass für die Errichtung von klimaangepassten Immobilien und Freiräumen im Gold-Standard realisiert. Damit sind die Häuser ein Vorzeigeprojekt für nachhaltiges und klimaresilientes Bauen, was die Wohnungen besonders zukunfts- und investitionssicher macht.

Um das Immobilienprojekt klimafreundlich und langfristig werthaltig zu gestalten, wurde auf die Expertise von Greenpass und bauXund zurückgegriffen, die das Projekt seit Planungsbeginn begleiten. Im Rahmen einer Greenpass-Analyse wurden die Auswirkungen des Projekts auf das Mikroklima am Standort und in der näheren Umgebung berechnet. In allen sechs GreenpassThemenfeldern Klima, Wasser, Luft, Biodiversität, Energie und Kosten sowie in einigen Bonusfeldern konnten im Vergleich zu klassischen Bauprojekten deutlich geringere Umweltauswirkungen erzielt werden. Mit dem hohen Gesamterfüllungsgrad ist das in Bau befindliche Projekt eines der wenigen Greenpass Goldzertifizierten Wohnbauprojekte in Österreich.

STRABAG ist 2023 größte Autobahnsaniererin Österreichs

Im Auftrag der ASFINAG sanierte die STRABAG 2023 Abschnitte mit einer gesamten Strecke von zirka 30 km; dabei wurden vor allem Leistungen in der Fahrbahnsanierung und dem Lärmschutzbau realisiert. Von Osten nach Westen optimierte die STRABAG die Autobahninfrastruktur auf der Wiener Außenringautobahn (S1) zwischen Vösendorf und Schwechat, der Südautobahn (A2) in drei Abschnitten, der Westautobahn (A1) beim Knoten Steinhäusl Richtung Salzburg und der Inntal-Autobahn (A12) zwischen Wörgl West und Kundl. 2024 wird auf der S1 und der A1 die jeweils gegenläufige Fahrbahn saniert. Das gesamte Auftragsvolumen für diese Projekte umfasst rund 78 Mio €. 67 Wohnungen des NID-Projekts „KOLL.home“ in Wiener Neustadt fertiggestellt „KOLL.home“ steht für modernes, qualitativ hochwertiges Wohnen mit perfekter Anbindung an die Infrastruktur – nur einen Katzensprung vom Bahnhof Wiener Neustadt entfernt, direkt ans Stadtzentrum angrenzend. Die Wohnungen sind zum ruhigen, begrünten Innenhof ausgerichtet und überzeugen durch ansprechende Grundrisse und Top-Ausstattung. Die Einheiten in den oberen Stockwerken bieten einen wunderbaren Blick über die Dächer der Stadt bzw über das Steinfeld und den Föhrenwald bis zu den umliegenden Bergen.

Wer hier wohnt, ist durch die hervorragende vorhandene Infrastruktur nicht unbedingt auf das eigene Auto angewiesen und kann aber bei Bedarf die anmietbaren Carsharing-E-Pkws am Gelände für Besorgungen oder Ausflüge verwenden. Für das Abstellen des eigenen Autos sind die beiden Gebäude selbstverständlich mit einer gemeinsamen, komfortablen Tiefgarage unterkellert; ferner gibt es PKW-Stellplätze im Freien. Die Kaufpreise der wenigen noch verfügbaren, bezugsfertigen Einheiten starten bei 202.000 €.

AutoCAD und künstliche Intelligenz

Der Beitrag Fallenböcks „Macht ChatGPT Rechtsanwälte überflüssig?“ in der „Kleinen Zeitung“ vom 22. 11. 2023 (online abrufbar unter https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/17843848/macht­chat gpt­rechtsanwaelte­ueberfluessig) bewegt mich zu einer differenzierteren Prognose.

Salmiak(geist) steigt mir als Erstes in die Nase, wenn es um künstliche Intelligenz (KI) geht. Als junger Jurist sind mir die Versicherungsangestellten mit ihren Rucksackkopierern (sogenannte Matrizendrucker), mit denen sie die Gerichtsakten hektografierten, und das Diazotypie-Verfahren, welches „salmiak-powerd“ bis in die 1990er-Jahre zum Planpausen verwendet, wurde in Erinnerung.

Damals kam auch AutoCAD auf, mit anfangs mühsamen Ergebnissen. Fachleute auf dem Gebiet der Entwurfsplanung versichern mir, dass auch heute noch die Rolle von Aquafix unübertroffen ist, wenn es darum geht, gestalterische Gedanken flink zu formulieren (was zB auch für Elektronikschaltungen gilt: Auch jetzt noch ist ein Schaltkreis schneller zu Aquafix-Papier gebracht als zB mit irgendeinem Leiterplattentool gezeichnet).

Der juristentypische (Anfang im römischen Recht) Blick in die Vergangenheit schärft die Prognose, auch für ChatGPT: Dem begeisterten Bewohner der Grenzregion zum kreativen Wahnsinn fehlt oft die Wahrnehmung des juristischen Arbeitsalltags beispielsweise eines jungen Anwalts, der 200 Verkehrsunfälle pro Jahr (zum Abarbeiten) braucht, nur um zu überleben.

Genau so war auch AutoCAD: Die ersten Programmversionen erforderten ob ihrer diffizilen Handhabbarkeit AutoCAD-Gurus, hatten eine hohe Statuseignung für die, die sich als Erste damit befassen konnten, und verdeckten so den Blick auf die anfangs deutlich geringere Produktivität der AutoCAD-Planer, die weit mehr Zeit brauchten, als Pläne „zu Fuß“ zu zeichnen. Irgendwann war Gleichstand; dann gab es erhebliche Überkapazitäten, war doch der Zugewinn an Projekten gering im Vergleich mit dem Zugewinn an Planungskapazitäten.

Die Lösung brachte erst eine durchgängige Anhebung der Erfordernisse an die Details der Planung, so weit, dass eine Planung im (Salmiak-) Geist der 1960er-Jahre heute nicht einmal mehr für eine Gartenhütte reicht. Oftmals wird diese Komplexitätssteigerung beklagt, wenn etwa die Blitzschutznorm über 400 Seiten hat, während die alte jahrzehntelang bewährte Norm es auf gerade einmal 30 Seiten brachte und auch funktioniert hat.

Der von AutoCAD bewirkte Wohlstandsgewinn wurde zwar auch in höhere Kreativität (zB bei der Haustechnikplanung oder bei BIM?), zumeist aber in gestiegene Anforderungen, die ohne EDV-Unterstützung heute gar nicht mehr bewältigbar wären, investiert.

Im Bereich der Tonkunst ermöglicht es die KIgestützte Kreativität (zB ABBA-, Beatles- oder Kiss-)Avatare zu generieren, bis ins hohe Alter produktiv zu sein, wenngleich man real nur noch selten auftreten kann bzw will und auch die Niederungen der tonkünstlerischen Alltags- bzw Knochenarbeit dem Computer überlassen kann.

Und bei den Juristen: Studiert habe ich auch ob der These, dass Juristen niemals arbeitslos werden könnten, weil die, die am Arbeitsmarkt übrig blieben, einfach die Ministerien besiedelten, um dort neue Gesetze, komplizierter als je zuvor, zu deren Administration man noch mehr Juristen braucht, zu erfinden. Dieses Gleichgewicht war in sich selbstregelnd, „inhärent stabil“, wie die Techniker zu sagen pflegen.

Wer das nicht glaubt, soll einmal die alten und neuen Versionen des ASVG oder auch des allseits beliebten BVergG nur vom Textumfang her vergleichen; er versteht sofort, wo die meisten Kapazitäten versenkt wurden (nicht etwa in den Hochebenen der Kreativität, sondern in den Mühen der Ebene eines Arbeitsalltags, der die Berücksichtigung von immer mehr Details im Sachverhalt erheischt, sodass mittlerweile 50 bis 100 Seiten Begründung nicht mehr ungewöhnlich für ein Vergaberechtsurteil sind).

Damit kommen wir dann zu einer Analogie mit der Physik: Seitdem wir das Prinzip der Quanten verstanden haben, wissen wir auch in der Technik, dass man praktisch ohne Ende immer noch genauer hinsehen kann und immer noch etwas dazulernt.

Ich stimme daher mit Fallenböck überein, dass ChatGPT wirklich kreative Anwälte und Juristen nicht überflüssig machen wird; aber die 98 % „Systemerhalter“, die sich nicht in der täglichen Oase der Kreativität sonnen können, brauchen die Hoffnung, dass die Komplexitätssteigerung des modernen Lebens für ihre Vollbeschäftigung auch in Zukunft ausreicht. Der Wermutstropfen ist, dass für sie wieder das Gebot der juristischen Knochenarbeit am Sachverhalt gelten wird.

Dr. Rainer Kurbos ist emeritierter Rechtsanwalt in Graz.

Die digitale Bibliothek zum Baurecht

Die Bibliothek Baurecht umfasst alle Digitalprodukte des Linde Verlags aus den Bereichen Bauvertragsrecht, Bauträgervertragsrecht, Grundbuchsrecht, Liegenschaftsbewertungsrecht sowie Umweltverträglichkeitsrecht und Naturschutzrecht. Zudem finden sich in dieser Bibliothek Inhalte zu Baumängeln und Bauschäden, den Bautechnikverordnungen sowie den Ö-Normen, dem ClaimManagement und der Örtlichen Bauaufsicht.

Unsere Highlights:

BTVG-PRAXISKOMMENTAR

Gartner

UVP-G-KOMMENTAR

Lampert

HANDBUCH ÖRTLICHE BAUAUFSICHT

Ufertinger

BAURG KOMMENTAR

Pinetz/Schaffer/Krist/Uitz (Hrsg.)

Wissen am Punkt.

Denkmalschutz

in der Immobilienwirtschaft

Bestandschutz vs. Nachrüstung(sverpflichtung):

aktuelle Herausforderungen und Ausblick DMSG-Novelle 2023

z Denkmalschutz: Rahmenbedingungen & Aktuelles aus Sicht der Behörde

z Gratwanderung Planen und Bauen im denkmalgeschützten Bestand

z Die optimale Projektvorbereitung

z Anforderungen iZm Energieeffizienz, Brandschutz und Barrierefreiheit

z Besondere Rechtsfragen bei Erwerb und Verwertung (MRG, WEG)

z Neuerungen durch die Wiener BauO-Novelle 2023 und das EWG

z Inkl. Judikatur-Update, Projektbeispielen und innovativen Lösungsansätzen

Klaus Pfeiffer Weber & Co

Erika Pieler BVwG

Markus Zechner Zechner Consulting

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