immo aktuell 1/2024 Leseprobe

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6. Jahrgang / Februar 2024 / Nr. 1

immo aktuell

Immobilien – Steuern – Recht

Karin Fuhrmann | Johann Höllwerth | Sabine Kanduth-Kristen | Simone Maier-Hülle

Alexandra Patloch-Kofler | Florian Petrikovics | Katharina Pinter | Markus Reithofer

Bernhard Woschnagg | Christian Zenz

Nachhaltigkeitsberichterstattung

ESG-Regulatorik – ein Überblick

Der aktuelle Fall

Immobilienerwerbe unter Ehegatten

Immobilien und Recht

3. MILG: Kategorie- und Richtwertmietzinse

3. MILG: WGG-Aspekte

Wertsicherungsklauseln und ihre (scheinbaren) Grenzen

Die flexible Kapitalgesellschaft

Praxisinformationen

Blick in die Immobilienbranche

Rechtsprechung von VwGH und OGH samt Anmerkungen

Einmaliger Leitfaden mit Lösungen zu umstrittenen Fragen

Steuern. Wirtschaft. Recht. Am Punkt.

Rechtsvergleichend & interdisziplinär

KERSCHNER | KLEIBER | ERTL

2. Auflage 2023 214 Seiten, kart. 978-3-7073-4769-2

€ 52,–

digital erhältlich

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Inhaltsverzeichnis

Kolumne

Blick in die Immobilienbranche

Der aktuelle Fall

Immobilienerwerbe unter Ehegatten

Michael Nester / Florian Petrikovics..........

Fachbeiträge Steuern

ESG-Regulatorik – ein Überblick

Amalia Takacs / Bernhard

Rechtsprechung Steuerrecht

VwGH-Judikatur

Sabine Kanduth-Kristen / Andreas Kampitsch.

Fachbeiträge Recht

Die „Mietpreisbremse“ für Kategorie- und Richtwertmietzinse

Erich René Karauscheck................................

Der wohnungsgemeinnützigkeitsrechtliche Teil des 3. MILG

Wertsicherungsklauseln und ihre (scheinbaren) Grenzen

Die flexible Kapitalgesellschaft – eine Kurzdarstellung

Rechtsprechung Immobilienrecht

OGH-Judikatur

Herausgeber:

Mag. Karin Fuhrmann; Hon.-Prof. HR Dr. Johann Höllwerth; Univ.-Prof. Dr. Sabine Kanduth-Kristen, LL.M.; Mag. Simone Maier-Hülle; Dr. Alexandra Patloch-Kofler; Mag. Florian Petrikovics; Mag. Katharina Pinter; Mag. Markus Reithofer, MSc, MRICS; Mag. Bernhard Woschnagg; Mag. Christian Zenz.

Beirat:

Dr. Stefan Artner; Mag. Dr. Peter Denk, M.Sc. (Oxon.) MBA CREA (IREBS); Dr. Stephan Eberhardt; Dr. Erich René Karauscheck; FH-Doz. Univ.-Lekt. Mag. Christoph Kothbauer; Mag. Herbert Kovar; Dr. Manuela Maurer-Kollenz; Dr. Reinhard Pesek; KR Helmut Puchebner; Mag. Daniel Richter; Mag. Franz Rittsteuer; Wolfgang Schwetz, MSc, BA, MRICS; Mag. Wolfgang Siller; Prof. Mag. Walter Stingl; Dr. Roman Thunshirn; Mag. Lukas Till; Dr. Markus Vaishor; Mag. Patrick Walch; Dr. Daniela Witt-Dörring.

Medieninhaber und Medienunternehmen: Linde Verlag Ges.m.b.H., 1210 Wien, Scheydgasse 24. Telefon: 01/24 630 Serie. Telefax: 01/24 630-723. E-Mail: office@lindeverlag.at. Internet: http://www.lindeverlag.at. DVR 0002356; Rechtsform der Gesellschaft: Ges.m.b.H.; Sitz: Wien. Firmenbuchnummer: 102235x. Firmenbuchgericht: Handelsgericht Wien. ARA-Lizenz-Nr. 3991; ATU 14910701. Gesellschafter: Anna Jentzsch (35 %) und Jentzsch Holding GmbH (65 %). Geschäftsführung: Mag. Klaus Kornherr und Benjamin Jentzsch.

Erscheinungsweise und Bezugspreise: Periodisches Medienwerk: immo aktuell – Immobilien – Steuern – Recht. Grundlegende Richtung: Fachinformationen rund um Immobilien und verwandte Themen des (Steuer-)Rechts.

Erscheint sechsmal jährlich. Jahresabonnement 2024 (6 Hefte) zum Preis von EUR 318,10 (Print) bzw. 372,30 (Print & Digital), jeweils inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Einzelheft 2024: EUR 70,70 (inkl. MwSt., zzgl. Versandspesen).

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ISSN: 2663-9343

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E-Mail: office@jentzsch.at. Internet: www.jentzsch.at.

Blick in die Immobilienbranche

Walter Senk ist Chefredakteur der Immobilien-Redaktion und Journalist mit dem Fachgebiet „Immobilien“. Er konzipiert und betreut Newsletter und Magazine für Medien und Unternehmen, moderiert Veranstaltungen und leitet Podiumsdiskussionen.

Die Probleme am Wohnungsmarkt werden immer drängender.

Der (unerreichbare) Traum vom Eigenheim

Es lässt sich nicht mehr leugnen, dass wir am Wohnungsmarkt vor einem echten Problem stehen. Für Wohnungssuchende sind nicht in erster Linie gestiegene Wohnungspreise, sondern primär die gestiegenen Finanzierungskosten eine Herausforderung; gemeinsam mit der KIM-Verordnung ist es beinahe unmöglich, Eigentum zu schaffen. Die Politik zeigt relativ wenig Initiative, denn es müssten sofort Lösungen oder Ideen angeboten werden. „Österreich braucht jetzt ein Gegensteuern durch neue Impulse, um den Abwärtstrend zu stoppen“, sagt Mario Schiavon, Rechtsanwalt bei Deloitte Legal im Bereich Real Estate, und gibt einige Beispiele, wie eine Erleichterung für Mieter und Käufer aussehen könnte: „Änderung der Liebhabereibestimmungen, unnötig strenge Vergabekriterien für Immobilienkredite entschärfen, Steuerrecht modernisieren, Reduktion der Mietnebenkosten oder Entlastung durch Reduktion der Kaufnebenkosten.“ Eigentlich peinlich für die Politik, dass die BUWOG in ausgewählten Projekten im Frühjahr 2024 den BUWOG-Wohnbonus anbietet, der in seiner Höhe der Grunderwerbsteuer entspricht und den Kundinnen und Kunden gewährt wird. Mario Schiavon plädiert überhaupt für die Abschaffung der Grunderwerbsteuer für die selbstbewohnte Immobilie und somit für eine Umstellung der Grundbucheintragungsgebühr von 1,1% des Kaufpreises auf einen dem Aufwand der Behörde entsprechenden Pauschalbetrag: „Die Eintragung des Wohnungseigentumsrechts darf nicht mehr kosten als ein Reisepass!“

Überlaufener Mietenmarkt

Das Marktgeschehen verlagert sich stark auf den Mietenmarkt. Hier sammeln sich diejenigen, die ohnehin Miete gesucht hätten, diejenigen, die derzeit keinen Kredit bekommen, und diejenigen, die abwarten, wie sich die Situation in den kommenden Monaten oder Jahren entwickeln wird. Die Folge: Der Mietenmarkt wird überlaufen. „Bereits im Laufe des vergangenen Jahres konnten wir trotz der starken Bauaktivität von 2020 bis 2022 am Mietenmarkt eine Verknappung wahrnehmen“, erklärt Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen: „Wir haben weniger Kündigungen, und die Bewohnerinnen und Bewohner bleiben längerfristig in ihren Wohnungen in Ermangelung von Alternativen.“

Vertragsbrüche

Die Konkurrenz ist groß, und um auf Nummer sicher zu gehen, „sichern“ sich die Interessenten mit der Unterschrift auf dem Mietanbot bzw Mietvertrag ab. Das führt zu einer weiteren unangenehmen Folge. Mietverträge werden von den Mieterinnen und Mietern nicht mehr eingehalten, von verbindlichen Mietanboten ganz zu schweigen. „In den letzten Monaten haben sich die Beschwerden unserer Mitgliedsunternehmen gehäuft, dass sich die Klientinnen und Klienten nicht mehr an abgeschlossene Mietverträge halten“, so Arno Wimmer, Bundesberufsgruppensprecher der Immobilienmakler in der WKO. Sie werden zwar unterzeichnet, aber die Miete wird nicht angetreten. „Eigentlich hat sich diese Entwicklung durch das Bestellerprinzip verschärft“, so Arno Wimmer „Bis zur Einführung des Bestellerprinzips bestand bei einem verbindlichen Mietanbot, das vom Vermieter angenommen wurde, die Möglichkeit, die Mieterprovision beim Mieter geltend zu machen.“ Mit Einführung des Bestellerprinzips kann beim Mieter, sofern mit diesem kein rechtswirksamer Suchauftrag abgeschlossen wurde, keine Provision mehr geltend gemacht werden.

Erste Erkenntnisse zum Bestellerprinzip

Das Bestellerprinzip zeigt aber in dem ohnehin schon angespannten Markt weitere Nachteile: „20% Einbruch von Mietwohnungsanzeigen, gewerbliche Anzeigen gehen zurück, teurere Nettomieten und natürlich der gefährliche Trend zur Selbstvermarktung“, meint Obmann des WKÖFachverbandes Immobilien und Vermögentreuhänder Gerald Gollenz: „Unsere erste qualifizierte Datenanalyse gibt uns leider Recht: Mieterinnen und Mieter ersparen sich nichts, im Gegenteil!“

Rückgang der Baubewilligungen

Dazu kommt ein Rückgang der Baubewilligungen, was sich ab 2025 und besonders auch in den Folgejahren 2026 und 2027 auf die Fertigstellungszahlen auswirken wird. „Die Bauträger allein können unter den derzeit gegebenen Rahmenbedingungen die großen Herausforderungen für die Wohnungswirtschaft nicht stemmen“, appelliert Andreas Holler, für die Projektentwicklung verantwortlicher Geschäftsführer der BUWOG, an die Politik.

Der aktuelle Fall

Immobilienerwerbe unter Ehegatten

1.Sachverhalt

Die Abgabepflichtige X hat im Jahr 2000 ein bebautes Grundstück in Wien geschenkt bekommen und ist alleinige Eigentümerin der Liegenschaft.

Im Jahr 2022 treffen die Abgabepflichtige und ihr Ehepartner Y eine formlose, schriftlich festgehaltene Vereinbarung: Gegen eine Zahlung in Höhe von 100.000€ erwirbt der Ehepartner einen Anteil von 10% der Liegenschaft von seiner Ehepartnerin X. Die Zahlung erfolgt unmittelbar nach Abschluss der schriftlichen Vereinbarung. Das Ehepaar vereinbart weiters, auf eine Eintragung des Erwerbs im Grundbuch zu verzichten.

Infolge eines Abflusses von mehr als 50.000€ vom Bankkonto des Mannes wird seitens dessen Bank eine Meldung gemäß §3 Abs1 Kapitalabfluss-Meldegesetz an das Bundesministerium für Finanzen vorgenommen.

Die Abgabepflichtige X erklärt den Zufluss von 100.000€ im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2022 nicht als Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen. Der Ehepartner Y führt auf den Kaufpreis keine Grunderwerbsteuer ab.

Im Jahr 2024 wird seitens des zuständigen Finanzamts ein Ergänzungsersuchen an den Ehepartner Y übermittelt. Darin wird der Ehepartner Y um belegmäßigen Nachweis und Erläuterung der Hintergründe des Zahlungsmittelabflusses ersucht.

Die Abgabepflichtige X und Ehepartner Y wollen daraufhin Selbstanzeigen machen und wenden sich diesbezüglich an die steuerliche Vertretung.

2.Würdigung auf den ersten Blick

2.1.Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen

Gemäß §30 EStG sind Einkünfte aus der Veräußerung von im Inland gelegenen Grundstücken (Grund und Boden, Gebäude, grundstücksgleiche Rechte) als Einkünfte aus privater Grundstücksveräußerung zu erfassen. Unter Veräußerung ist jedweder entgeltlicher Übertragungsvorgang (Verkauf, Tausch etc) zu ver-

Im Familienverband kommt es häufiger zu Transaktionen, die von den Beteiligten nicht im Hinblick auf die steuerlichen Auswirkungen geprüft werden. Aufgrund der in der jüngeren Vergangenheit laufend erweiterten Möglichkeiten der Finanzverwaltung zur Erlangung von Information betreffend potenziell steuerpflichtige Vorgänge werden solche Transaktionen vermehrt von der Finanzverwaltung geprüft. 1 Rz

stehen, wobei abweichend zum sonstigen Rechtsgeschäft bereits der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts (Vertragsabschluss) als Veräußerungszeitpunkt gilt.1

Mit Abschluss einer gültigen Vereinbarung zur Übertragung eines Grundstücks lägen somit grundsätzlich Einkünfte aus privater Grundstücksveräußerung vor. Im konkreten Fall könnte die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß §30 Abs2 Z1 EStG nicht zur Anwendung gelangen, da die Abgabepflichtige X nach Abschluss der Vereinbarung weiterhin ihren Hauptwohnsitz in der gegenständlichen Immobilie innehatte und somit der Hauptwohnsitz nicht aufgegeben wurde.

Da der letzte entgeltliche Erwerb vor dem Jahr 2000 stattgefunden hat, wären die Einkünfte aus privater Grundstücksveräußerung gemäß §30 Abs4 EStG pauschal zu ermitteln und würden 4.200€ betragen.

2.2.Grunderwerbsteuer

Gemäß §1 Abs1 GrEStG unterliegen Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründen, der Grunderwerbsteuer.

Der Erwerb zwischen Ehegatten gilt gemäß §7 Abs1 Z1 litc GrEStG stets als unentgeltlich. Die Grunderwerbsteuer ist daher gemäß §4 Abs1 GrEStG vom Grundstückswert unter Anwendung des Stufentarifs gemäß §7 Abs1 Z2 lita GrEStG zu ermitteln und bis zum 15. des auf den Abschluss des Vertrags zweitfolgenden Monats an das Finanzamt zu entrichten.

3.Beratungsansatz

Die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen setzen einen Veräußerungsvorgang und somit ein rechtsgültiges Verpflichtungsgeschäft (=Vertrag) voraus. Die Grunderwerbsteuer stellt ebenfalls auf das Vorliegen eines Vertrags ab.

Im Rahmen der Beratung ist es daher naheliegend, das Vorliegen eines gültigen Vertrags

Michael Nester, MSc ist Steuerberater und Director bei der TPA Steuerberatung GmbH in Wien.
Mag. Florian Petrikovics ist Steuerberater und Partner bei der TPA Steuerberatung GmbH in Wien.

zu prüfen. Die Vereinbarung erfüllt grundsätzlich die steuerlichen Voraussetzungen an Verträge zwischen nahen Angehörigen (Vorliegen einer eindeutigen Vereinbarung, klarer Inhalt, aufgrund der Schriftform nach außen in Erscheinung getreten).2

Bei weiterführender zivilrechtlicher Prüfung stellt sich jedoch heraus, dass der Vertrag die zwingende Formvorschrift des §1 litb Notariatsaktsgesetz nicht erfüllt. Gemäß dieser Bestimmung bedürfen zwischen Ehegatten abgeschlossene Kauf-, Tausch-, Renten- und Darlehensverträge sowie Schuldbekenntnisse, welche von einem Ehegatten dem anderen gegeben werden, der Notariatsaktsform. Bei Nichterfüllung dieser Formvorschrift ist der Vertrag ex ante nichtig und somit nie rechtlich wirksam geworden.

Somit wurde im vorliegenden Fall, mangels zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfts, rechtsgrundlos eine Zahlung von Ehepartner Y an die Abgabepflichtige X geleistet, und es be-

2 Rz 1127 EStR.

steht ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch. Mangels Verpflichtungsgeschäfts können auch keine Einkünfte aus privater Grundstücksveräußerung vorliegen; es wurde kein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Die Finanzverwaltung hat vom Gesetzgeber in den letzten Jahren mehrere Werkzeuge (zB Kapitalabflussmeldegesetz, Gemeinsamer Meldestandardgesetz etc) bekommen, die auch die Verwirklichung von steuerlichen Sachverhalten im Privatbereich nachverfolgbar machen. Der Gestaltungsanfälligkeit des Privatbereichs kann die Finanzverwaltung mit den Regelungen für Verträge zwischen nahen Angehörigen teilweise beikommen. Neben den steuerlichen Vorschriften für nahe Angehörige sollte jedoch immer auch auf die zivilrechtlichen Voraussetzungen für Verträge zwischen Ehegatten Bedacht genommen werden.

Gesetzgebungs-Update

Ministerratsvortrag: Konjunkturpaket „Wohnraum und Bauoffensive“

Am 28. 2. 2024 wurde im Rahmen eines Ministerratsvortrags das Konjunkturpaket „Wohnraum und Bauoffensive“ vorgestellt. Mit dem Paket sollen wichtige konjunkturelle Impulse gesetzt werden, leistbarer Wohnraum geschaffen und der Zugang zu Eigentum erleichtert werden. Mit dem Paket werden folgende Schwerpunkte gesetzt:

• Unterstützung der Baukonjunktur und Erhöhung der Sanierungsquote:

–befristete erhöhte AfA (dreifacher Wert des gesetzlich vorgesehenen AfA-Satzes) für Wohngebäude (Neubauten mit Fertigstellung zwischen 1.1.2024 und 31.12.2026) bei Erreichen ökologischer Standards;

–verbesserte Abschreibungsmöglichkeit bei Sanierungsmaßnahmen;

–Ökozuschlag von 15 % für klimafreundliche Sanierungsmaßnahmen bei vermieteten Wohngebäuden;

–Verlängerung des „absehbaren Zeitraums“ im Rahmen der Liebhabereibeurteilung um fünf Jahre.

• Mehr und leistbaren Wohnraum schaffen:

–Wohnraum-Bau-Offensive: Zweckzuschuss in Höhe von 1 Mrd €;

–Kompetenzänderung im Volkswohnungswesen, um mehr Möglichkeiten für die Bundesländer zur Wohnraummobilisierung zu schaffen;

–Aufstockung des Wohnschirms um weitere 60 Mio €.

• Schaffung von Eigentum erleichtern:

–befristete Abschaffung der Nebengebühren (Grundbucheintragungs- und Pfandrechtseintragungsgebühr) für das Eigenheim bis zu 500.000€ (Freibetrag);

–finanzielle Zinsunterstützung für niedrig verzinste Förderdarlehen zur Wohnraumschaffung.

• Qualität des vorhandenen Wohnraums verbessern:

–Einführung eines Handwerkerbonus Plus von 20 % bis zu einem Höchstsatz von 2.000€; –Sonderprogramm aus dem Energieeffizenztopf des Umweltförderungsgesetzes.

ESG-Regulatorik – ein Überblick

ESG-Regulatorik

Die Abkürzung ESG steht für „environmental – social – governance“ – somit Themen rund um die Umwelt, Soziales sowie verantwortungsvolle Unternehmensführung. Während CSR („corporate social responsibility“) ein umfassendes Konzept hinsichtlich ethischen Verhaltens von Unternehmen darstellt, ist ESG daten- und faktenorientiert und beschäftigt sich mit der Messung sowie datenmäßigen Erfassung dieser ethischen Leistung (ESGPerformance).1 In diesem Beitrag soll ein Überblick über die verschiedenen regulatorischen Maßnahmen zum Thema ESG gegeben werden.

1.ESG – Entwicklung und Relevanz

ESG hat sich inzwischen zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Wirtschaftslebens entwickelt und ist für Unternehmen aktueller als je zuvor. Relevanz und Tragweite des Themas werden durch die rasanten regulatorischen Entwicklungen der letzten Jahre noch verdeutlicht.2 Die Ausgangsbasis für die rege Tätigkeit der internationalen und nationalen Gesetzgeber bildet das Pariser Klimaschutzübereinkommen, ein globales Klimaübereinkommen der Vereinten Nationen. Im Pariser Klimaschutzübereinkommen haben sich auch die Mitgliedstaaten der EU zu dem Ziel verpflichtet, die globale Erderwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen und darüber hinaus die Treibhausgasemissionen weltweit bis Mitte des 21. Jahrhunderts auf (netto) null zu reduzieren.3 Zudem hat sich die EU im EU-Klima- und Energiepaket 2030 ein Ziel zur Treibhausgasemissionsreduktion bis zum Jahr 2030 von 40 % gegenüber 1990 gesetzt.4 2019 präsentierte die EU mit dem Green Deal einen ersten Fahrplan für die wichtigsten Maßnahmen und Strategien zur Umsetzung der Zielvorgaben des Pariser Klimaschutzübereinkommens. Dabei ging sie über das Treibhausgasemissionsreduktionsziel des Pariser Klimaschutzübereinkommens weit hinaus, indem sie es auf 55 % Reduktion ausweitete.5 Angesichts dieser Entwicklungen hat die Europäische Kommission den Aktionsplan für die Finanzierung nachhaltigen Wachstums6 veröffentlicht, um zu gewährleisten, dass Finanzflüsse in Richtung

1 Vgl Dathe/Dathe/Dathe/Helmod, Corporate Social Responsibility (CSR), Sustainability and Environmental Social Governance (ESG) (2022) 117.

2 Vgl Kerbl/Winkelbauer, ESG-Reporting und Steuern, in Ruhm/Kerbl/Bernwieser, Der Konzern im Gesellschaftsund Steuerrecht – Ergänzungsband 2023 (2023) 6.

3 Vgl https://unfccc.int/process-and-meetings/the-parisagreement/the-paris-agreement (Zugriff am 12.2.2024).

4 Vgl https://climate.ec.europa.eu/eu-action/climate-stra tegies-targets/2030-climate-energy-framework_de (Zugriff am 12.2.2024).

5 Vgl https://www.consilium.europa.eu/en/policies/greendeal/ (Zugriff am 12.2.2024).

6 Vgl European Commission, Action plan on financing sustainable growth, abrufbar unter https://finance.ec. europa.eu/publications/renewed-sustainable-financestrategy-and-implementation-action-plan-financingsustainable-growth_en (Zugriff am 12.2.2024).

nachhaltiger Investitionen gelenkt werden und somit die Ziele des Green Deal erreicht werden.7

Diese Entwicklungen treiben die Tätigkeit der Gesetzgeber sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene noch stärker voran, wodurch einige neue Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESG-Reporting) von Unternehmen veröffentlicht wurden und werden. Das bringt für Unternehmen nicht nur Herausforderungen mit sich, sondern eröffnet ihnen auch Chancen.8 Zu diesen Vorschriften gehören die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) sowie die ESRS (European Sustainability Reporting Standards), weiters die Taxonomie-Verordnung und im Bereich der Finanzierung insbesondere die SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation).

2.CSRD – Corporate Sustainability

Reporting Directive

Mit der Non-Financial Reporting Directive (NFRD)9, die in Österreich durch das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG)10 umgesetzt wurde, besteht innerhalb der EU bereits seit 2017 für (große) kapitalmarktorientierte Unternehmen von öffentlichem Interesse (public interest entity; PIE) mit durchschnittlich mehr als 500 Beschäftigten sowie für Finanzdienstleister und Versicherungsunternehmen die Verpflichtung, einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu veröffentlichen bzw eine nichtfinanzielle Erklärung innerhalb des Lageberichts aufzunehmen.11 Die Anfang Jänner 2023

7 Vgl https://finance.ec.europa.eu/sustainable-finance/over view-sustainable-finance_de (Zugriff am 12.2.2024).

8 Vgl Hirschböck/Wagner, ESG-Reporting – Status quo, Herausforderungen und Chancen, in Fraberger/Plott/ Walter , FS Zöchling – Gegenwart und Zukunft des Konzernsteuerrechts (2022) 591.

9 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABlL330 vom 15.11.2014, S1 (NFRD).

10 Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz 2017 (NaDiVeG), BGBlI 2017/20.

11 Vgl Schallmeiner/van Bakel-Auer, Entwurf einer neuen Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, in Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel, Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung, FS Bertl (2021) 810; Schneider, Das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) – ein Überblick, RWZ2018, 6 (6).

Winkelbauer, MSc (WU), LL.M. ist fremdfinanzierter Universitätsassistent an der Abteilung für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der WU Wien und Berufsanwärter bei der TPA Steuerberatung GmbH.

Mag.a Amalia Takacs ist ESG Consultant bei der TPA Group.
Bernhard

in Kraft getretene und bis Anfang Juli 2024 in nationales Recht umzusetzende CSRD12 stellt ein umfangreiches Update gegenüber der bisher geltenden NFRD dar, die neben einer deutlichen Ausweitung des Anwendungsbereichs auch den Berichtsumfang erweitert.

Durch die im Zuge der CSRD erfolgte Ausweitung der Berichtspflichten auf sonstige große Unternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die an einem geregelten Markt der EU notiert sind, sowie auf kleine, nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungen soll insbesondere eine höhere Transparenz und Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsinformationen erreicht werden. Durch die Einführung von eigenen Nachhaltigkeitsstandards (ESRS) soll die Qualität der veröffentlichten Informationen deutlich verbessert werden.13 Anders als die NFRD sieht die CSRD neben einer verpflichtenden Veröffentlichung im Lagebericht und der Veröffentlichung des Berichts in einem digitalen und maschinenlesbaren Format auch eine externe Prüfpflicht der veröffentlichten Nachhaltigkeitsberichte vor.14

In Österreich fallen insbesondere haftungsbeschränkte Unternehmen in der Rechtsform der AG und GmbH in den Anwendungsbereich der CSRD, wobei auch Rechtsformen, bei denen keine natürlichen Personen als Gesellschafter mit unbeschränkter Haftung vorhanden sind („kapitalistische Personengesellschaft“), wie insbesondere die GmbH & Co KG, umfasst sind.15 Zu beachten ist, dass aufgrund der inflationsbedingten Anhebung der Schwellenwerte16 für die Größenklassen in der Bilanzrichtlinie17

12 Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.12.2022 zur Änderung der Verordnung (EU) 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, ABlL322 vom 16.12.2022, S15 (CSRD).

13 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU, 2004/109/EG und 2006/43/EG und der Verordnung (EG) 534/2014 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, COM(2021) 189 final (21.4.2021) (CSRD-Vorschlag); Fuhrmann/Winkelbauer, CSRD –Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten, immo aktuell 2022, 124 (124).

14 Vgl Art19a Abs1, Art29a Abs1 Bilanzrichtlinie idF CSRD; Fuhrmann/Winkelbauer, ESG-Nachhaltigkeitsberichterstattung, ZLB 2022, 114 (114).

15 Vgl mwN Gedlicka/Hummer/Wedl/Wosak, Der Anwendungskreis der CSRD, RWZ2023, 395 (395f).

16 Delegierte Richtlinie (EU) 2023/2775 der Kommission vom 17.10.2023 zur Änderung der Richtlinie2013/34/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch Anpassung der Größenkriterien für Kleinstunternehmen und für kleine, mittlere und große Unternehmen oder Gruppen, ABlL2775 vom 21.12.2023, S1.

17 Richtlinie (EU) 2013/34 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/ 43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/ 349/EWG des Rates, ABlL182 vom 29.6.2013, S19, geändert durch die CSRD.

der erweiterte Anwenderkreis der CSRD etwas reduziert wurde.18 Die Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gilt somit zukünftig für folgende Unternehmen, sofern sie ihren Sitz in der EU haben:

• alle großen Unternehmen, unabhängig von einer Börsenotierung, die zwei der drei folgenden Größenkriterien erfüllen: –Bilanzsumme > 25Mio€; –Nettoumsatzerlöse >50Mio€; –Zahl der durchschnittlichen Beschäftigten >250;

• große Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen jeder Rechtsform (inklusive Genossenschaftsbanken und Versicherungsunternehmen auf Gegenseitigkeit sowie genossenschaftlich organisierte Versicherungsunternehmen);

• alle kapitalmarktorientierten (börsenotierten) Unternehmen, deren übertragbare Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates zugelassen sind.

Zusätzlich zur Ausweitung auf alle großen Unternehmen und kapitalmarktnotierten KMU soll die Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht nach einer Übergangsfrist in bestimmten Fällen auch für Drittlandsunternehmen (Nicht-EUUnternehmen) gelten, soweit sie in den letzten zwei Geschäftsjahren einen EU-Umsatz über 150Mio€ generiert haben.19

Für Muttergesellschaften von großen Konzernen iSd Bilanzrichtlinie besteht laut CSRD die Pflicht zu einer konsolidierten Nachhaltigkeitsberichterstattung, wobei für Tochterunternehmen eine Befreiung von der Berichtspflicht vorgesehen ist, wenn sie in eine der CSRD entsprechende konsolidierte Nachhaltigkeitsberichterstattung eines übergeordneten Mutterunternehmens einbezogen werden und in ihrem eigenen Lagebricht auf den befreienden Bericht des Mutterunternehmens verweisen. Große Tochterunternehmen, die auf einem europäischen Kapitalmarkt gehandelt werden, können von dieser Befreiung allerdings keinen Gebrauch machen.20

Die CSRD sieht eine stufenweise Einführung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten vor, die sich wie folgt darstellen:21

• Anwendung für Geschäftsjahre beginnend mit 1.1.2024: alle Unternehmen, die bereits unter den Anwendungsbereich der NFRD, die in Österreich mit dem NaDiVeG umgesetzt wurde, fallen.

18 Vgl mwN Mittelbach-Hörmanseder/Pfanner, Inflationsbedingte Anhebung der Schwellenwerte für Größenklassen, RWZ2023, 365 (366); Wiedermann-Ondrej, Die Berichterstattung wird europäisch, RWK2024, 9 (11f).

19 Vgl zu Nicht-EU-Unternehmen im Detail Gedlicka/ Hummer/Wedl/Wosak, RWZ2023, 395 (399).

20 Vgl Art19a Abs9 und Art29a Abs8 Bilanzrichtlinie; mwN Gedlicka/Hummer/Wedl/Wosak, RWZ2023, 395 (401).

21 Vgl Art5 CSRD; Art40a Bilanzrichtlinie; Kerbl/Winkelbauer in Ruhm/Kerbl/Bernwieser, Der Konzern, 10.

• Anwendung für Geschäftsjahre beginnend mit 1.1.2025: alle großen Unternehmen, unabhängig von einer Kapitalmarktnotierung, die bisher nicht unter den Anwendungsbereich der NFRD fallen.

• Anwendung für Geschäftsjahre beginnend mit 1.1.2026: alle kapitalmarktnotierten kleinen und mittleren Unternehmen (ausgenommen Kleinstunternehmen), deren übertragbare Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates zugelassen sind, sowie nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen.

• Anwendung für Geschäftsjahre beginnend mit dem 1.1.2028: Drittlandsunternehmen (Nicht-EU-Unternehmen), die in den letzten zwei Geschäftsjahren konsolidierte Nettoumsatzerlöse von mehr als 150Mio€ in der EU generierten und –eine große Tochtergesellschaft mit Sitz innerhalb der EU haben; –eine kapitalmarktnotierte Tochtergesellschaft, deren übertragbare Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates zugelassen sind, haben, die zwei der drei folgenden Größenkriterien erfüllen:

–Bilanzsumme >450.000€;

–Nettoumsatzerlöse >900.000€; –Zahl der durchschnittlichen Beschäftigten >10; –eine Zweigniederlassung innerhalb der EU mit Nettoumsatzerlösen im letzten Geschäftsjahr von mehr als 40Mio€ haben.

Dabei besteht für kapitalmarktnotierte KMU die Möglichkeit, von einer Opt-out-Klausel Gebrauch zu machen, wonach die Berichtspflichten erst nach einem zweijährigen Übergangszeitraum und somit erst ab dem Jahr 2028 anzuwenden sind.22

3.ESRS – European Sustainability

Reporting Standards

Um die Qualität, Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit der von Unternehmen offenzulegenden Nachhaltigkeitsinformationen zu gewährleisten, hat die EU in Form einer delegierten Verordnung zur CSRD am 22.12.2023 eigene Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlicht. Die ESRS wurden von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt und sind seit dem 1.1.2024 in Geltung. Alle derzeit veröffentlichten ESRS sind sektoragnostisch23 und sollen bis zum 30.6.2024 (Vorschlag der Kommission vom 17.10.2023 zur Verschiebung dieser Frist um zwei Jahre) um sektorspezifische Standards, also Standards für bestimmte

22 Vgl Art19a Abs7 Bilanzrichtlinie; Kerbl/Winkelbauer in Ruhm/Kerbl/Bernwieser, Der Konzern, 10. 23 Vgl Delegierte Verordnung (EU) 2023/2772 der Kommission vom 31.7.2023 zur Ergänzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, ABlL2772 vom 22.12.2023, S1.

Branchen, ergänzt werden.24 Weiters gibt es seit Jänner 2024 ESRS-Entwürfe der EFRAG für börsenotierte und andere KMU.25

Die ESRS bestehen aus zwölf Standards, die neben allgemeinen Anforderungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung spezifische ESGThemenstellungen abdecken:26

• ESRS 1: allgemeine Anforderungen;

• ESRS 2: allgemeine Angaben;

• ESRS E1: Klimawandel;

• ESRS E2: Umweltverschmutzung;

• ESRS E3: Wasser- und Meeresressourcen;

• ESRS E4: biologische Vielfalt und Ökosysteme;

• ESRS E5: Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft;

• ESRS S1: eigene Belegschaft;

• ESRS S2: Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette;

• ESRS S3: betroffene Gemeinschaften;

• ESRS S4: Verbraucher und Endnutzer;

• ESRS G1: Unternehmenspolitik.

Davon enthalten die ersten beiden Standards ESRS1 und ESRS2 (auch „generelle Standards“ genannt) allgemeine Anforderungen und Angaben zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen. Weiters folgen fünf Standards zum Thema Umwelt (ESRSE1 bis ESRSE5), vier Standards zum Thema Soziales (ESRSS1 bisS4) und abschließend ein Standard zum Thema Governance (ESRSG1).27

Das Kernstück der ESRS bildet die doppelte Wesentlichkeitsanalyse. Dies erfordert sowohl eine Analyse der Wirkungen des Unternehmens auf Mensch und Umwelt (Inside-out- oder Auswirkungswesentlichkeit) einerseits als auch eine Analyse der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen, insbesondere dessen finanzielle Situation (Outside-inoder finanzielle Wesentlichkeit), andererseits.28 Anhand der Wesentlichkeitsanalyse sollen die wesentlichen ESG-Themen für das jeweilige Unternehmen ermittelt werden, über die es anschließend gemäß ESRS berichten muss.

4.Taxonomie-Verordnung

Die am 18.6.2020 erlassene Taxonomie-Verordnung29 stellt ein einheitliches Klassifikati-

24 Vgl Art29b Abs1 Bilanzrichtlinie idF CSRD; Europäische Kommission , Vorschlag für einen Beschluss des europäischen Parlaments und Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Fristen für den Erlass der Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung für bestimmte Sektoren und bestimmte Unternehmen aus Drittstaaten, COM(2023) 596 final (17.10.2023); Wiedermann-Ondrej, RWK2024, 9 (11).

25 Vgl mwN Schönhart/Schönauer, Künftige EU-Nachhaltigkeitsstandards für (kapitalmarktorientierte) KMU, RWK2024, 4.

26 Vgl DelVO (EU) 2023/2772.

27 Vgl DelVO (EU) 2023/2772.

28 Vgl DelVO (EU) 2023/2772; Itkin, Das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit – Herzstück der Nachhaltigkeitsberichterstattung, ZFR2023, 585.

29 Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. 6. 2020 über die Einrich-

onssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten dar und soll, dem EU-Aktionsplan für die Finanzierung von nachhaltigem Wachstum entsprechend, ua dazu beitragen, Kapitalströme zu nachhaltigeren Investitionen umzulenken.30 Dank des einheitlichen Klassifikationssystems der Taxonomie-Verordnung kann somit eine Bewertungsgrundlage geschaffen werden, ob und zu welchem Grad eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig anzusehen ist.31 Eine Beurteilung der Wirtschaftstätigkeiten eines Unternehmens hat dabei vor dem Hintergrund der folgenden sechs Umweltziele zu erfolgen:32

1.Klimaschutz;

2.Anpassung an den Klimawandel;

3.nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen;

4.Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft;

5.Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung;

6.Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme.

Der Anwendungsbereich33 der Taxonomie-Verordnung umfasst Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen, sowie Unternehmen, die eine nichtfinanzielle Erklärung oder eine konsolidierte nichtfinanzielle Erklärung iSd NFRD veröffentlichen müssen.34 Durch die Ausweitung der Berichtspflichten durch die CSRD wird sich in Zukunft auch der Anwenderkreis der Taxonomie-Verordnung deutlich vergrößern.35 Finanzunternehmen wie Kreditinstitute sind zur Offenlegung geschäftsspezifischer Kennzahlen verpflichtet,36 während Nicht-Finanzunternehmen, die unter den Anwendungsbereich der NFRD fallen, gemäß Art8 Abs1 Taxonomie-Verordnung Angaben über die ökologische Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftstätigkeiten in der (konsolidierten) nichtfinanziellen Erklärung zu veröffentlichen haben.37 Außerdem haben sie gemäß Art8 Abs2

29 tung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088, ABlL198 vom 22.6.2020, S13 (TaxonomieVerordnung).

30 Vgl mwN Kerbl/Winkelbauer in Ruhm/Kerbl/Bernwieser, Der Konzern, 15ff.

31 Vgl Klimscha/Lehner, EU-Taxonomie, NR2021, 302 (307); Roider/Wedl, Die EU-Taxonomie-Verordnung –Implikationen für Unternehmen und deren Abschlussprüfer, RWZ2022, 118 (119).

32 Vgl Art9 Taxonomie-Verordnung.

33 Der Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung umfasst ebenfalls von Mitgliedstaaten bzw der Union selbstverabschiedete Maßnahmen zur Festlegung von Anforderungen an Finanzmarktteilnehmer oder Emittenten iZm Finanzprodukten oder Unternehmensanleihen, die als ökologisch nachhaltig bereitgestellt werden.

34 Vgl Art1 Abs2 Taxonomie-Verordnung.

35 Vgl Gehmayr/Gross, Die EU-Taxonomie: Welche Maßnahmen müssen von Unternehmen bezüglich der Vorgaben der EU-Taxonomie gesetzt werden? CFOaktuell 2022, 14 (16).

36 Vgl mwN Krakuhn/Hoffmann/Lothholz, Die Bedeutung der EU-Taxonomie-Verordnung für die Berichterstattung von Kreditinstituten, IRZ2020, 563.

37 Vgl Art8 Abs1 Taxonomie-Verordnung; Gstaltner/ Winkelbauer , Abschreibungen von Immobilien im Lichte der EU-Taxonomie-Verordnung, immo aktuell 2023, 159 (159).

Taxonomie-Verordnung ihre taxonomiekonformen Anteile an Umsatzerlösen, Investitionsausgaben (CapEX) sowie Betriebsausgaben (OpEX) offenzulegen.38

Eine taxonomiekonforme Wirtschaftstätigkeit liegt vor, wenn die folgenden vier Kriterien kumulativ erfüllt werden:39

• Die Wirtschaftstätigkeit muss einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung von mindestens einem der sechs Umweltziele leisten.

• Durch die Wirtschaftstätigkeit darf keines der anderen Umweltziele wesentlich beeinträchtigt werden („do no significant harm“; DNSH).

• Bei der Wirtschaftstätigkeit müssen soziale Mindeststandards eingehalten werden.40

• Die Wirtschaftstätigkeit hat den mittels delegierter Rechtsakte erlassenen spezifischen technischen Bewertungskriterien zu entsprechen.

5.SFDR – Sustainable Finance Disclosure Regulation (Offenlegungsverordnung)

Wie auch die Taxonomie-Verordnung entstammt die am 10.3.2021 in Kraft getretene SFDR (auch Offenlegungsverordnung)41 dem EU-Aktionsplan für die Finanzierung von nachhaltigem Wachstum.42 Mit der Offenlegungsverordnung wird ua das Ziel verfolgt, Informationsasymmetrien hinsichtlich Nachhaltigkeitskriterien zwischen Anbietern von Finanzprodukten und Anlegern in deren Investitionsentscheidungen zu verringern, weshalb sie diverse Berichtspflichten für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater vorsieht.43 Der Begriff des Finanzmarktteilnehmers umfasst gemäß Art2 Z1 Offenlegungsverordnung insbesondere bestimmte Kreditinstitute, die entweder als Portfolioverwalter oder als Verwalter von Fonds auftreten, Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte anbieten, Wertpapierfirmen sowie Verwaltungsgesellschaften, die offene Fonds wie Alternative Investmentfonds (AIF) oder Organismen für gemeinsame Anlage in Wertpapieren (OGAW) auflegen. Unter Finanzberatern werden gemäß Art2 Z11 Offenlegungsverordnung

38 Vgl Art8 Abs2 Taxonomie-Verordnung; Hirschböck/ Wagner in Fraberger/Plott/Walter, FS Zöchling, 591 (594).

39 Vgl Art3 Taxonomie-Verordnung, ausführlich zu den einzelnen Punkten Roider/Wedel , RWZ2022, 118 (119ff).

40 Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die Grundprinzipien und Rechte aus den acht Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie die Internationale Charta der Menschenrechte.

41 Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, ABlL317 vom 9.12.2019, S1 (Offenlegungsverordnung).

42 Vgl Zahradnik/Richter-Schöller, Bedeutung der Offenlegungs-VO für Banken, in Hysek, Nachhaltigkeitsrecht für Banken (2023) 249.

43 Vgl ErwGr10 Offenlegungsverordnung.

bestimmte Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten, sowie AIF- und OGAW-Verwaltungsgesellschaften erfasst.44

Die Offenlegungsverordnung sieht neben einer unternehmensbezogenen auch eine produktbezogene Informationspflicht vor, die zB die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen auf der Internetseite oder in Kapitalmarktprospekten vorschreibt.45 Auf Unternehmensebene müssen zB Informationen zur Handhabung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen oder Beratungstätigkeiten,46 Erklärungen zu den bedeutendsten negativen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren47 sowie Angaben darüber, inwieweit die Vergütungspolitik mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken übereinstimmt,48 angegeben werden.49 Auf Produktebene müssen gemäß Art10 Offenlegungsverordnung zudem noch nichtaggregierte Angaben getätigt werden, wobei zwischen den folgenden drei Kategorien an Finanzprodukten unterschieden wird:

• Finanzprodukte, die ökologische oder soziale Merkmale bewerben (Art8, „hellgrün“);

• Finanzprodukte, die eine nachhaltige Investition anstreben (Art9, „dunkelgrün“);

• sonstige Finanzprodukte (Art6).

Für die „grünen“ Kategorien von Finanzprodukten sieht die Taxonomie-Verordnung zusätzliche Informationspflichten vor, die spezifische Angaben zum prozentuellen Anteil der Investition in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten des Finanzprodukts umfassen. Die dafür benötigte Informationsbasis soll aus der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen entnommen werden können.

6.CS3D – Corporate Sustainability Due Diligence Directive

Die EU arbeitet derzeit an einer Richtlinie, welche Sorgfaltspflichten in Lieferketten bzw „chains of activities“ von Unternehmen adressiert. Im Februar 2022 übermittelte die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Vorschlag für die sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD oder CS3D), und am 30.1.2024 folgte ein finaler Richtlinienentwurf.50

44 Vgl mwN Zahradnik/Richter-Schöller in Hysek, Nachhaltigkeitsrecht für Banken, 251ff; Baumüller/Scheid/ Needham, Die Corporate Sustainability Reporting Directive als Schlüsselelement von Sustainable Finance, IRZ2021, 337 (338).

45 Vgl Baumüller/Scheid/Needham, IRZ2021, 337 (338).

46 Vgl Art3 Offenlegungsverordnung.

47 Vgl Art4 Offenlegungsverordnung.

48 Vgl Art5 Offenlegungsverordnung.

49 Vgl Baumüller/Scheid/Needham, IRZ2021, 337 (338).

50 Vgl https://www.consilium.europa.eu/de/press/pressreleases/2023/12/14/corporate-sustainability-due-dili gence-council-and-parliament-strike-deal-to-protectenvironment-and-human-ri ghts/ (Zugriff am 13.2. 2024).

Vom Anwendungsbereich der CS3D direkt erfasst sind Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und Nettoumsatzerlösen von mehr als 150Mio€. Für Unternehmen in „High-Impact“Sektoren, wie zB Textilindustrie, Landwirtschaft oder auch Bauwirtschaft, gelten niedrigere Schwellenwerte von 250 Mitarbeitern und 40Mio€ Nettoumsatzerlösen. Das gilt auch für Unternehmen aus Drittstaaten.51 KMU müssen damit rechnen, dass die CS3D aufgrund ihrer umfassenden Regelungen indirekt auch für sie relevant wird.

Von der CS3D sollen Bürger, Unternehmen und auch Entwicklungsländer profitieren. Im Fokus stehen der Schutz der Menschen- und Arbeitsrechte, erhöhte Transparenz und erhöhter Rechtsschutz sowie eine intakte Umwelt für heutige und zukünftige Generationen. Die Richtlinie schafft ein harmonisiertes Rahmenwerk für Unternehmen. Dadurch sollen ua der Zugang zu Finanzmitteln erleichtert werden und das Risikomanagement sowie die Anpassungsfähigkeit verbessert werden. Entwicklungsländer profitieren insbesondere vom Schutz der Menschenrechte und der Umwelt sowie von der verstärkten Anpassung an internationale Standards, wodurch letztendlich bessere Lebensbedingungen für die Menschen geschaffen werden sollen.52

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

In Anbetracht dieser umfangreichen Entwicklungen und regulatorischen Maßnahmen wird jedenfalls deutlich, dass ESG-Themen einen immer größeren Stellenwert in der Unternehmenswelt einnehmen. Neben gesetzlichen Vorgaben werden Unternehmen auch aus anderen Beweggründen angehalten, sich mit dem Thema ESG intensiv zu beschäftigen. Dazu gehören insbesondere Aspekte der Finanzierung oder Refinanzierung sowie Fragen zum Geschäftsmodell und zur Marktpositionierung. Zusätzlich zur verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung eröffnen Themenfelder wie die Berechnung des corporate carbon footprint, ESG-Ratings oder die Verpflichtung zu den SDGs (sustainable development goals) weitere ESG-spezifische Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen.

Die Autoren danken a. Univ.-Prof. Dr. Matthias Petutschnig und Mag. Karin Fuhrmann für die kritische Durchsicht des Manuskripts.

51 Vgl https://commission.europa.eu/business-economyeuro/doing-business-eu/corporate-sustainability-duediligence_en?prefLang=de &etrans=de (Zugriff am 13.2.2024); European Commission, Proposal for a Directive of the European Parliament and the Council on Corporate Sustainability Due Diligence and amending Directive (EU) 2019/1937, 2022/0051(COD) (24.1.2024).

52 Vgl https://commission.europa.eu/business-economyeuro/doing-business-eu/corporate-sustainability-duediligence_en?prefLang=de &etrans=de (Zugriff am 13.2.2024).

Rechtsprechung Steuerrecht

Rechtsprechung

§2 GrEStG, §5 Abs1 GrEStG immo aktuell 2024/1 Bauherreneigenschaft bei separaten Baukörpern

VwGH 13. 12. 2023, Ro 2021/16/0006, Ro 2021/16/0007

Kann […] keiner der Miteigentümer als Bauherr des gesamten Gebäudes angesehen werden, verbleibt als einzige Möglichkeit eine differenzierende, auf die jeweiligen Baukörper abstellende, Betrachtung, weil jede Baumaßnahme denknotwendig einem Bauherren zugeordnet werden muss (vgl dazu VwGH 2.7.1998, 97/16/0276, wonach es – in derartigen Fällen – zwingend einen zwischen dem Grundverkäufer und dem Grunderwerber geschalteten Bauherren geben muss).

Sachverhalt: Die Mitbeteiligten sind Eheleute, die mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 29.6. 2019 einen Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft von einer gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft gekauft hatten. Bereits im Jahr 2018 hatte die Wohnbaugesellschaft Alleineigentum an der betroffenen Liegenschaft erworben und plante darauf die Errichtung einer Wohnhausanlage. Nach den Feststellungen des BFG war zwischen den Mitbeteiligten und der Wohnbaugesellschaft von Anfang an abgesprochen gewesen, dass die Wohnbaugesellschaft das Wohngebäude bis zum zweiten Obergeschoss errichte und darüber – im dritten und obersten Geschoss – von den beiden Mitbeteiligten selbständig und auf eigene Rechnung eine eigene Wohneinheit errichtet werde. Dies wurde danach auch so gehandhabt, so vergaben die Mitbeteiligten und die Wohnbaugesellschaft jeweils eigenständig die Aufträge an die einzelnen Gewerke, wobei es hinsichtlich der konkret Ausführenden teilweise personelle Überschneidungen gab (insb beim Baumeister und beim Elektriker). Auch die Planung des (gesamten) Wohnhauses wurde von derselben Ziviltechniker-Gesellschaft geleistet, die allerdings jeweils separat für die einzelnen Baukörper (bis zum zweiten Obergeschoss von der Wohnbaugesellschaft, für das dritte Obergeschoss von den Mitbeteiligten) beauftragt wurde. Der von den Mitbeteiligten geplante und errichtete Teil des Wohnhauses hob sich sowohl optisch (in Form eines Bungalows auf dem Wohngebäude der Wohnbaugesellschaft) als auch in der Art der deutlich gehobeneren Ausstattung vom übrigen Gebäude ab. Der Kaufpreis für den Miteigentumsanteil betrug (lediglich) jeweils 66.369,15€ (pro Mitbeteiligtem) und setzte sich aus dem Grundanteil und anteiligen Gemeinschaftskosten, welche die Mitbeteiligten an die Wohnbaugesellschaft für die von ihnen genutzten allgemeinen Liegenschaftsanteile leisteten, zusammen.

Die Grunderwerbsteuererklärung wurde auf Basis der Gegenleistung für den reinen Grundanteil (ohne anteilige Gemeinschaftskosten) eingereicht; das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer auf Basis des Grundstückswerts (inkl des anteilig erworbenen Gebäudes) vorläufig fest.

Dagegen wandten sich die Mitbeteiligten an das BFG, welches der Beschwerde weitestgehend Folge gab; die Grunderwerbsteuer jedoch auf Basis des gesamten Kaufpreises (also inkl anteiliger Gemeinschaftskosten) ermittelte.

Gegen das Erkenntnis des BFG wurde Amtsrevision erhoben; diese verwarf der VwGH jedoch als unbegründet.

Rechtliche Beurteilung: […] Sollen auf dem Grundstück, das Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, Baumaßnahmen – etwa die Errichtung von Gebäuden oder die Sanierung vorhandener Gebäude – durchgeführt werden, sind demnach die anfallenden Baukosten Teil der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer, wenn der Erwerber (Käufer) nicht als Bauherr anzusehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist der Käufer nur dann als Bauherr anzusehen, wenn er

a)auf die bauliche Gestaltung des Hauses Einfluss nehmen kann,

b)das Baurisiko zu tragen hat, dh den bauausführenden Unternehmungen unmittelbar berechtigt und verpflichtet ist, und

c)das finanzielle Risiko tragen muss, dh, dass er nicht bloß einen Fixpreis zu zahlen hat, sondern alle Kostensteigerungen übernehmen muss, aber auch berechtigt ist, von den Bauausführenden Rechnungslegung zu verlangen,

wobei diese Kriterien kumulativ vorliegen müssen (vgl etwa VwGH 30.1.2014, 2013/16/0078, mwN).

Der VwGH hat in diesem Zusammenhang mehrfach ausgesprochen, dass beim Erwerb von Miteigentumsanteilen an einer Liegenschaft, mit denen allenfalls das Wohnungseigentum verbunden werden soll, die Bauherreneigenschaft der Miteigentümergemeinschaft entscheidend ist. Dies deshalb, weil nur die Gesamtheit der Miteigentümer rechtlich über das gemeinsame Grundstück verfügen kann, wobei von einer Miteigentümergemeinschaft erst dann gesprochen werden kann, wenn die betreffenden – handelnden – Personen Miteigentümer geworden sind (vgl etwa VwGH 29.7.2004, 2003/16/0135, mwN).

Diese Fälle zeichneten sich daher insb dadurch aus, dass die jeweiligen Erwerber (Miteigentümer) entgegen dem äußeren Anschein nicht nur Anteile am unbebauten Grundstück bzw am Grundstück mit dem vorhandenen, zu renovierenden oder zu revitalisierenden Gebäudebestand erwerben wollten, sondern vielmehr Anteile am schlussendlich umgesetzten, im Zeitpunkt des Erwerbs der Miteigentumsanteile bereits weitgehend oder sogar vollständig geplanten und kalkulierten Bauprojekt. Vor diesem Hintergrund hat der VwGH die Bauher-

reneigenschaft der (späteren) Erwerber verneint, die vor Begründung ihrer Miteigentümerstellung weder eine Einflussmöglichkeit auf die Gestaltung der im konkreten Fall durchzuführenden baulichen Maßnahmen gehabt, noch ein entsprechendes Risiko getragen haben (vgl erneut VwGH 29.7.2004, 2003/16/0135; ebenso VwGH 28.9.2000, 99/16/0519; 27.1.1999, 96/ 16/0142; 17.12.1998, 98/16/0187; 3.10.1996, 95/16/0003; 28.4.1994, 93/16/0122, jeweils mwN; vgl in diesem Sinne – noch im Anwendungsbereich des GrEStG 1955 – bereits VwGH 17.2.1978, 1207/77; 11.6.1981, 1287/80; 26.11.1981, 81/16/0031; 17.2.1983, 82/16/ 0143, alle zur Frage der Bauherreneigenschaft der Miteigentümergemeinschaft).

Eine derartige, einem Bauherrenmodell vergleichbare, Konstellation ist – wie das BFG richtig erkannt hat – im vorliegenden Revisionsfall nicht gegeben. Die Besonderheit des vorliegenden Revisionsfalls liegt darin, dass die durchgeführten Baumaßnahmen – einerseits die Errichtung des Baukörpers bis zum zweiten Obergeschoss, andererseits die Errichtung der Wohneinheit der Mitbeteiligten auf dem zweiten Obergeschoss, somit als „Bungalow“ auf dem Dach des Gebäudes – weitgehend getrennt voneinander umgesetzt wurden. Nach den umfassenden Feststellungen des BFG wurde das Gebäude bis zum zweiten Obergeschoss in –wirtschaftlicher, rechtlicher und organisatorischer – Alleinverantwortung der Wohnbaugesellschaft errichtet, während für die Errichtung der Wohneinheit darüber die Alleinverantwortung bei den Mitbeteiligten lag. „Überschneidungsbereiche“ haben sich lediglich aufgrund der bautechnischen Gegebenheiten (etwa hinsichtlich der Statik des Gebäudes) sowie insb aufgrund des rechtlichen Rahmens (etwa vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen und baurechtlichen Vorgaben) für die Umsetzung eines derartigen Projekts ergeben.

Bei dieser Sachlage kommt der Miteigentümergemeinschaft – gebildet aus der Wohnbaugesellschaft und den Mitbeteiligten – die Bauherreneigenschaft für das gesamte Gebäude (somit dem Baukörper bis zum zweiten Obergeschoss und der darüber liegenden Wohneinheit) naturgemäß nicht zu. Dies war allerdings auch von den Miteigentümern nicht beabsichtigt, wie sich aus den Verwaltungsakten – auf die in der Amtsrevision verwiesen wird – ausdrücklich ergibt, hätte dies ansonsten für alle Beteiligten insb nicht erwünschte Haftungsfolgen nach sich gezogen. Genauso wenig kommt aber den einzelnen Miteigentümern – der Wohnbaugesellschaft einerseits und den Mitbeteiligten andererseits – die Bauherreneigenschaft für das gesamte Gebäude zu, hat schließlich keiner der Miteigentümer die dafür erforderlichen Kriterien (Einflussnahme auf die Gestaltung, Tragung des Baurisikos und des finanziellen Risikos) zur Gänze – somit hinsichtlich des gesamten Gebäudes – erfüllt. Kann aber keiner der Miteigentümer als Bauherr des gesamten Ge-

bäudes angesehen werden, verbleibt als einzige Möglichkeit eine differenzierende, auf die jeweiligen Baukörper abstellende, Betrachtung, weil jede Baumaßnahme denknotwendig einem Bauherren zugeordnet werden muss (vgl dazu VwGH 2.7.1998, 97/16/0276, wonach es – in derartigen Fällen – zwingend einen zwischen dem Grundverkäufer und dem Grunderwerber geschalteten Bauherren geben muss).

Entscheidend ist daher, dass die Mitbeteiligten im Hinblick auf die Errichtung „ihrer“ Wohneinheit sämtliche in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Kriterien für das Vorliegen der Bauherreneigenschaft erfüllt haben, wie auch die Amtsrevision zugesteht. Dieser Beurteilung steht – vor dem Hintergrund der dargestellten Besonderheiten des vorliegenden Revisionsfalls – auch nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Beantragung der Baugenehmigung die Mitbeteiligten noch nicht Miteigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft waren. Das BFG hat somit zu Recht die Kosten für die Errichtung der Wohneinheit der Mitbeteiligten nicht als Teil der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer angesehen. […]

Anmerkung

Im gegenständlichen Fall wäre die Erhebung der Grunderwerbsteuer für die Baukosten des von den Mitbeteiligten eigenständig errichteten Baukörpers – nach den Feststellungen des BFG – nur schwerlich zu rechtfertigen. Diese hatten ihren eigenen Teil des Gebäudes selbst geplant und auf eigenes (finanzielles) Risiko errichtet bzw errichten lassen. Kern der Auseinandersetzung war jedoch, dass die beiden zum Zeitpunkt der Bauplanung und -ausführung noch nicht Miteigentümer des Grundstücks waren. Sie hatten also wohl erst mit dem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag Miteigentum an der Liegenschaft bzw ihre Eigentumswohnung erworben. Das war aber nach den Ausführungen des VwGH in diesem Fall nicht entscheidend, weil der Wohnbaugesellschaft in Hinblick auf den von den Mitbeteiligten errichteten Baukörper keine Bauherreneigenschaft zukam; mangels Miteigentums (der Mitbeteiligten und der Wohnbaugesellschaft) gab es auch keine Miteigentümergemeinschaft, der die Bauherreneigenschaft für das gesamte Gebäude zukommen konnte. Dementsprechend hält der VwGH fest, dass bei dieser besonderen Sachlage, bei der im Wesentlichen ein eigenständiger Baukörper auf einem anderen Bauwerk selbständig errichtet wird, für jeden Baukörper eine eigenständige Betrachtung anzustellen ist, wer als Bauherr in Betracht kommt. Dies waren in Bezug auf den eigenständigen Bungalow auf dem von der Wohnbaugesellschaft errichteten Gebäude die beiden Mitbeteiligten. Damit war die Grunderwerbsteuer (nur) für den Erwerb des Grundanteils (und der anteiligen Gemeinschaftsflächen) zu entrichten, nicht jedoch für die gesamten Baukosten.

Andreas Kampitsch

Die „Mietpreisbremse“ für Kategorie- und Richtwertmietzinse

Neuerungen durch das 3. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz – 3.MILG (BGBl I 2023/176)

Erich René Karauscheck

Dr. Erich René Karauscheck ist Partner bei der Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien mit Schwerpunkt Bestandrecht und Versicherungsvertragsrecht.

Am 30.12.2023 erfolgte die Kundmachung des 3.Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes (3.MILG), das am 31.12.2023 in Kraft getreten ist. Die Änderungen betreffen den Kategorie-D-Mietzins iSd §16 Abs5 MRG (hier wird bekanntlich zwischen Kategorie D brauchbar und unbrauchbar unterschieden) iVm §16 Abs6 MRG, den Richtwertmietzins

§5 RichtWG und verschiedene Entgeltbestandteile nach dem WGG (§§13 Abs6, 14 Abs7, 39 Abs18 und 14 WGG). Die Darstellung der neuen Valorisierungsbestimmungen im WGG wird an dieser Stelle nicht vorgenommen.

1.Valorisierung des Kategorie-DMietzinses

Die Valorisierungsvorschrift für den Kategoriemietzins iSd §16 Abs5 MRG findet sich in §16 Abs6 MRG. Der Intention des Gesetzgebers folgend soll eine Mietpreisbremse, eine Verlangsamung der Weitergabe der inflationsbedingten Teuerung, dadurch erfolgen, dass der Kategorie-D-Mietzins erst wieder am 1.4.2025 nunmehr eine jährliche (Wert-)Anpassung erfährt. Im Jahr 2024 kommt es also zu keiner Mietzinsanhebung. Es wurde weiters eine 5%ige Anhebungsobergrenze normiert, womit eine Deckelung bewirkt wird. Die nächste Veränderung findet also erst am 1.4.2025 statt. Ausgangswert der Berechnung ist der von der Bundesanstalt Statistik Austria verlautbarte Jahresdurchschnittswert des Verbraucherpreisindex 2000 (oder des an seine Stelle tretenden Index des Vorjahres) des Vorjahres, also des Jahres 2024. Die Beträge dürfen sich allerdings nicht um mehr als 5% gegenüber dem letzten Anhebungszeitpunkt erhöhen. Für das Folgejahr, also für den 1.4.2026, gilt eine Anhebungsgrenze von ebenfalls 5%. Nunmehr wird auf die durchschnittliche Veränderung des VPI2000 für das Jahr 2025 abgestellt. Ab dem Jahr 2026 soll nach der derzeitigen Intention des Gesetzgebers eine 5% übersteigende durchschnittliche Inflation der drei Vorjahre nur zur Hälfte berücksichtigt werden. Am 1.4.2027 und sodann jährlich verändern sich sohin am 1.4. die Kategoriebeträge in dem Maß, als dies der durchschnittlichen jährlichen Veränderung des VPI2000 in den letzten drei dem Valorisierungszeitpunkt vorausgegangenen Jahren entspricht. Maßgeblich für die Berechnung ist die Inflation der letzten drei Jahre vor dem Anhebungsstichtag; damit soll ein sprunghafter Anstieg vermieden werden. Der Gesetzgeber hat in den Materialien ein Berechnungsbeispiel angeführt:

Beispiel

Wenn die Inflation in den drei vorangegangenen Jahren 4,6%, 5,0% und 5,1% beträgt, erhöhen sich die Kategoriebeträge um den Durchschnittswert von 4,9%.

Sofern die durchschnittliche Inflation der dem Valorisierungszeitpunkt vorangegangenen Jahre 5% übersteigt, ist der 5% übersteigende Anteil bei der Anhebung nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Auch hier helfen die Materialien mit einem Berechnungsbeispiel:

Beispiel

Wenn also die Inflation in den drei vorangegangenen Jahren 4,9%, 5,8% und 6,1% beträgt, ergibt sich ein Durchschnittswert von 5,6%. Der 5% übersteigende Teil des Durchschnittswertes (0,6%) ist für die Anhebung nur zur Hälfte zu berücksichtigen, sodass sich in diesem Beispiel die Kategoriebeträge um 5,3% erhöhen.

Sollte ab 2027 die durchschnittliche Inflation der vorangegangenen Jahre höher als 5% sein, kommt es somit nur im Ausmaß der Hälfte der Überschreitung der 5%-Grenze zu einer Entkoppelung von der tatsächlichen inflationsbedingten Teuerung. Begrüßenswert ist, dass die Kundmachung der geänderten Kategoriebeträge und des Zeitpunkts des Beginns ihrer mietrechtlichen Wirksamkeit nunmehr nicht mehr durch das Bundesministerium für Justiz im Bundesgesetzblatt, sondern durch die Bundesanstalt Statistik Austria auf ihrer Webseite erfolgt. Jeder, der mit Indexanpassungen konfrontiert ist, ist es gewohnt, die Homepage der Statistik Austria zu Rate zu ziehen und in diese Einsicht zu nehmen, sodass dadurch eine größere Transparenz erzielt wird. Kothbauer weist zu Recht darauf hin, dass diese Novelle nicht nur für Neuabschlüsse, sondern auch für bestehende

Verträge und deren Valorisierung infolge §16

Abs9 MRG relevant ist.1

2.Valorisierung der Richtwerte gemäß §5 RichtWG

Gemäß Art2.3. des 3.MILG kommt es auch zu einer neuen Valorisierungssystematik bezüglich der Richtwerte gemäß §5 RichtWG. Nunmehr erfolgt ebenfalls ab dem 1.4.2025 die jährliche Anpassung. 2024 kommt es also zu keiner Anpassung oder Anhebung der Richtwerte. Anders als bisher vorgesehen kommt es nicht mehr zu einem Zweijahresintervall, sondern zu einem Jahresintervall. Im Jahr 2025 liegt die Anhebungsgrenze wieder bei 5% und verändern sich am 1.4.2025 die mietrechtlichen Richtwerte in dem Maß, als es der durchschnittlichen Veränderung des Verbraucherpreisindex2010 (oder eines allfällig an seine Stelle tretenden Index) im Jahr 2024 (hier also der Jahresinflation des Jahres 2024) entspricht. Die Richtwerte dürfen sich gegenüber dem letzten Anhebungszeitpunkt nicht um mehr als 5% erhöhen. Der letzte Änderungszeitpunkt des Richtwertes war der 1.4.2023. Dessen ungeachtet bleibt das Jahr 2023 gänzlich ausgeblendet und ist nur die Inflation des Jahres 2024 relevant. Die weitere Veränderung findet am 1.4.2026 statt. Am 1.4.2026 vermindern oder erhöhen sich die Richtwerte gegenüber dem jeweils letzten Änderungszeitpunkt in dem Maß, das der durchschnittlichen Veränderung des VPI2010 (oder des an seine Stelle tretenden Index) im Jahr 2025 entspricht.

Das klare Ziel des Gesetzgebers besteht darin, eine Verlangsamung der Teuerung im Wohnbereich vorzunehmen. Sofern also die Jahresinflation im Jahr 2025 höher als 5% ist, kommt es im Ausmaß der Überschreitung der 5%-Grenze nicht zu einer Mietzinsanhebung für Richtwertmieten. Ab 1.4.2027 und sodann (nach Intention des aktuellen Gesetzgebers) jährlich verändern sich die Richtwerte in dem Maß, als es der durchschnittlichen Veränderung des VPI2010 in den drei dem Valorisierungszeitpunkt vorangegangenen Jahren, also der durchschnittlichen Inflation der letzten drei Jahre, entspricht. Sofern die durchschnittliche Inflation der drei vor dem Valorisierungszeitpunkt gelegenen Jahre 5%

übersteigt, ist der 5% übersteigende Anteil bei der Anhebung nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Auch hier erfolgt die Kundmachung der Richtwerte und des Zeitpunkts des Beginns der mietrechtlichen Wirksamkeit durch die Bundesanstalt der Statistik Austria auf ihrer Homepage. Auch dies ist zu begrüßen. Generell ist zur Tragweite der Mietpreisbremse auf §16 Abs9 Satz1 MRG zu verweisen.2

3.Fazit

Auf die Änderungen, welche die WGG-Entgeltbestandteile iSd Art3.3. MILG erfahren haben, wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Es handelt sich bei der vorliegenden Novelle nicht um ein Verfassungsgesetz. Die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit wurde nicht erzielt. Die Neuregelung kommt auf freie Mietzinse im Bereich der Voll- und Teilausnahme vom MRG und auf angemessene Mietzinse iSd §16 Abs1 MRG (somit auch für Geschäftsräume) nicht zur Anwendung. Die von den Regierungsparteien gefundene Einigung darf als typischer dilatorischer Formell-Kompromiss, welcher die tatsächliche Einigung auf einen späteren Zeitpunkt delegiert, aufgefasst werden. Im Herbst werden Nationalratswahlen stattfinden; vor diesem Zeitpunkt wollte niemand eine mutige und für alle Mietverhältnisse tragfähige Lösung schaffen. Damit ist zu befürchten, dass es sich um ein „Linderungsgesetz“, um eine „erste Hilfe“ (first aid) – im wahrsten Sinne des Wortes – handelt. Die schärfsten Auswirkungen der zuletzt beobachteten Preisspirale werden für Mieter im Vollanwendungsbereich für Kategorie-D-Mieten und Wohnungsmietverträge, welche dem Richtwertgesetz (und dem WGG) unterliegen, gemildert, gleichzeitig wird allerdings keine Lösung geschaffen, welche Rechtssicherheit und Rechtsfrieden auch vor dem Hintergrund der derzeit anhängigen Prozesse iZm Wertsicherungsvereinbarungen (sei es in Verbandsprozessen oder in nunmehr auch angekündigten Massenprozessen) in bestehenden Mietverträgen schafft. Die Position der Vermieter, welche ebenfalls einer indexbedingten Teuerung ausgesetzt sind, ist unberücksichtigt geblieben, was vor dem Hintergrund der jüngsten Judikatur des OGH zu konsumentenschutzwidrigen Wertsicherungsklausen (zB OGH 24.5.2023, 8Ob 37/23h; 4.7.2023, 5Ob 89/23h) besonders bedauerlich ist.

1 Kothbauer, 3. MILG: „Mietpreisbremse“ für Kategorieund Richtwertmietzinse sowie WGG-Entgeltbestandteile, immolex 2024/2, 6, führt aus, dass bei Neuabschlüssen von Kategorie-D- Verträgen aufgrund der klaren Anordnung des §16 Abs9 Satz1 MRG auch die Wertsicherung bestehender Kategorieverträge betroffen ist, da durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung kein höherer Hauptmietzins vereinbart werden darf, als nach §16 Abs1 bis7 MRG zu diesem Zeitpunkt zulässig ist. Die Festsetzung der Kategoriemietzinse hat Auswirkung für die Verwaltungskostenpauschale des §21 Abs1 Z7 MRG iVm §22 MRG, die Nichtüberwälzbarkeit der Erhöhung des Hauptmietzinses gemäß §18 Abs5 Z1 MRG, die Einnahmenverrechnung in der Hauptmietzinsabrechnung gemäß §20 Abs1 Z1 litb MRG sowie den Mindestmietzins für vor dem 1.3.1994 abgeschlossene Mietverträge (§45 MRG) sowie die Anhebungsgrenze im Falle des Eintritts in Wohnungsverträge (§46 Abs2 MRG). 2 Kothbauer, immolex 2024/2, 6.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Mit dem 3. MILG soll eine Verlangsamung der Weitergabe der inflationsbedingten Teuerung dadurch bewirkt werden, dass es im Jahr 2024 zu keiner Wertanpassung des Kategorie-DMietzinses sowie der Richtwerte gemäß § 5 RichtWG kommt. Ab 1.4.2025 ist eine jährliche Wertanpassung vorgesehen. Die geänderten Beträge werden in Zukunft von der Bundesanstalt Statistik Österreich veröffentlicht.

Der wohnungsgemeinnützigkeitsrechtliche Teil des 3. MILG

Alexander Kollmann ist Referent im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, Abteilung für Wohnungs- und Siedlungspolitik.

Durch das am 1.1.2024 in Kraft getretene 3. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz (3.MILG)1 wird die Wertsicherung in mehreren Bereichen des wohnrechtlichen Normenbestands signifikanten Beschränkungen unterworfen.2 Dieser Beitrag befasst sich ausschließlich mit dem WGG-rechtlichen Teil des 3.MILG.

1.Überblick

Das 3. MILG stellt ein Novum gegenüber den vorherigen Iterationen3 inflationsbegründeter Eingriffe in mietrechtliche Valorisierungsbestimmungen dar: Zum ersten Mal wurde durch den Gesetzgeber auch in wohnungsgemeinnützigkeitsrechtliche Valorisierungsbestimmungen eingegriffen. Während die Eingriffe im Bereich des MRG und RichtWG jeweils in den Kategoriemietzins sowie den Richtwert4 erfolgen, tangiert der wohnungsgemeinnützigkeitsrechtliche Teil des 3.MILG das WGG-Grundentgelt, das Wiedervermietungsentgelt, das Entgelt für die sogenannten SEBG-Wohnungen5 sowie den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB). Nachfolgend wird ausschließlich der WGGbezogene Teil des 3.MILG behandelt, wobei insbesondere die Eingriffe in das WGG-Grundentgelt sowie in den EVB bevorzugt behandelt werden. Dazu sollen zuerst die durch die WGGNovelle 20166 erfolgte Auftrennung zwischen Grundentgelt und EVB und das dadurch eingeführte „neue System“ erläutert werden, bevor eine detaillierte Analyse der durch das 3.MILG erfolgten Änderungen im WGG erfolgt.

2.Auftrennung von EVB und Grundentgelt durch die WGG-Novelle 2016

Durch die WGG-Novelle 2016 wurden insbesondere (neben sowie aufgrund der Neuregelung des EVB) die Entgeltbestimmungen der §§13 Abs6, 39 Abs18 sowie 14 Abs7a WGG umgestellt.7 Im Gegensatz zur restlichen Novelle traten diese Bestimmungen erst mit 1.7.2016 in Kraft.8

1 BGBl I 2023/176.

2 IA 3558/A 27.GP.

3 BGBl I 2008/50 und BGBl I 2016/12.

4 Rosifka merkt hier richtigerweise an, dass der Richtwertmietzins selbst keiner gesetzlichen Valorisierung unterliegt, er ist nur auf Grundlage des valorisierten Richtwerts unter Berücksichtigung allfälliger Zu- und Abschläge zu berechnen; siehe Rosifka , Preisänderungsklauseln in Wohnungsmietverträgen, VbR2023, 160.

5 Schillingeröffnungsbilanzgesetz – SEBG, BGBlI 1954/38.

6 BGBl I 2015/157.

7 Knoll/Scharmer, IWD – Rechtsänderungen im Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, wobl 2016, 317.

8 Siehe dazu ArtIV Abs1q, der besagt, dass die §§13 Abs6, 14 Abs7a, 14d Abs2 und 39 Abs18 WGG ungeachtet bisheriger vertraglicher Vereinbarungen mit 1.7.2016 in Kraft treten.

Im Anwendungsbereich des WGG gilt hinsichtlich der Entgeltbildung gemäß §13 Abs1 WGG grundsätzlich das Kostendeckungsprinzip, wonach ein angemessenes Entgelt zu vereinbaren ist, das von der gemeinnützigen Bauvereinigung (GBV) nicht höher, aber auch nicht niedriger angesetzt werden darf, als es zur Deckung der Aufwendungen für die Bewirtschaftung ihrer Baulichkeiten und unter Berücksichtigung eines im Sinne der Grundsätze des §23 WGG gerechtfertigten Betrags zur Deckung der Kosten der Wirtschaftsführung der Bauvereinigung sowie nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung zur Bildung von Rücklagen erforderlich ist.9

Das Kostendeckungsprinzip wird an einigen Stellen des WGG durchbrochen; sowohl das Wiedervermietungsentgelt gemäß §13 Abs6 WGG, das Entgelt gemäß §39 Abs18 WGG als auch das WGG-Grundentgelt nach §14 Abs7a WGG stellen Ausnahmen hiervon dar.

Bis zur WGG-Novelle 2016 konnte gemäß §13 Abs6 WGG für Wohnungen der Ausstattungskategorien A undB anstelle der Entgeltbestandteile des §14 Abs1 Z1 bis3 WGG ein Betrag bis maximal 70% des jeweils geltenden Burgenländischen Richtwerts angesetzt werden. Der EVB gemäß §14 Abs1 Z5 WGG war hierbei vollumfänglicher Bestandteil des Wiedervermietungsentgelts. Die Valorisierung dieses Betrags war an den Richtwert gekoppelt und erfolgte gemäß §5 RichtWG. Neben dem auf diese Weise gebildeten Betrag (zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der WGG-Novelle 2016 3,44€/m2) konnte von der GBV zusätzlich die angemessene Verzinsung der zur Finanzierung von Grundstückskosten aufgewendeten Eigenmittel verrechnet werden.10 Für Wohnungen der Ausstattungskategorien C und D konnte nur mehr ein kostendeckendes Entgelt nach §14 Abs1 WGG vereinbart werden, für das bei vollständiger Entschuldung der Baulichkeit ebenfalls der Betrag gemäß §14 Abs7a WGG als Obergrenze galt.11

9 Schinnagl/Puhr in Böhm/Pletzer/Schinnagl/Spruzina/ Stabentheiner , GeKo Wohnrecht III (2023) §§13, 14 Rz11.

10 Schinnagl/Puhr in Böhm et al, GeKo Wohnrecht III, §§13, 14 Rz132f.

11 Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht23 (2015) §13 WGG Rz19.

Mag.

Seit der WRN199912 ist die Weitereinhebung von Beträgen gemäß §14 Abs1 Z1 und2 WGG, die nicht mehr zur Verzinsung und Tilgung von Fremdmitteln einschließlich von Darlehen aus öffentlichen Mitteln verwendet werden (der sogenannten „Auslaufgewinne“, früher auch „Auslaufannuitäten“), gemäß §14 Abs7a WGG begrenzt. Unter Einschluss des EVB aller Stufen durfte dieses Grundentgelt bei vollständiger Tilgung aller Fremdmittel den Betrag nach §13 Abs6 WGG idF vor der WGG-Novelle 2016 nicht überschreiten.13 Das Grundentgelt bei bereits bestehendem Mietverhältnis entspricht hierbei weitestgehend dem bei Neuabschluss zu vereinbarenden Wiedervermietungsentgelt gemäß §13 Abs6 WGG.14

Die WGG-Novelle 2016 brachte eine grundlegende Änderung dieser Entgeltbildungsvorschriften: Ausgangspunkt war eine gänzliche Neuregelung des EVB. Die bisherigen drei Stufen in jeweils für zehn Jahre gleichbleibender Höhe und die daraus resultierenden hohen Sprünge waren nach den Erläuterungen wenig sachgerecht, das neu eingeführte Modell mit einem Ausgangsbetrag von (indexierten) 0,50€/m2 (mittlerweile 0,56€/m2) für fünf Jahre ab Erstbezug der Baulichkeit mit anschließendem Anstieg von ca 12% pro Jahr sollte zu einer Glättung dieser Sprünge führen.15

Das bisher richtwertorientierte Wiedervermietungsentgelt gemäß §13 Abs6 WGG wurde mit einem Höchstbetrag von (indexierten) 1,75€/m2 (aktuell 1,95€/m2)16 für die Entgeltbestandteile gemäß §14 Abs1 Z1 bis3 WGG gedeckelt. Selbiges gilt für die Bestimmung des §39 Abs18 WGG im Hinblick auf die Entgelte für die sogenannten SEBG-Wohnungen. Der EVB wurde hiervon entkoppelt und findet in diesem Betrag keine Deckung mehr, sondern wird daneben verrechnet. Bei der Berechnung des mit der Novelle erstmals geltenden Höchstbetrags von 1,75€/m2 hat der historische Gesetzgeber daher den bisherig maximalen EVB der Höchststufe von 1,71€/m2 vom damals geltenden und um 30% verminderten burgenländischen Richtwert von 3,44€/m2 abgezogen und aufgrund der (späten) erstmaligen Wertsicherung mit 1.4.2018 um 2Cent/m2 erhöht.17 Von diesem Betrag unabhängig können die weiteren Entgeltbestandteile gemäß §14 Abs1 Z4 bis9 WGG zusätzlich verrechnet werden.18

Die WGG-Grundmiete gemäß §14 Abs7a WGG wurde durch die Novelle ebenfalls vom

12 BGBl I 1999/147.

13 Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht23, §14 WGG Rz8.

14 Prader/Pittl, WGG2.05 (Stand 1.10.2023, rdb.at) §14 Rz24.

15 ErlRV 895 BlgNR 25. GP, 12.

16 Veröffentlichung wohnwirtschaftlicher Werte des Revisionsverbands laut §19a Entgeltrichtlinienverordnung (Stand: 1.4.2023).

17 ErlRV 895 BlgNR 25. GP, 6.

18 Prader, Die wichtigsten Änderungen der WGG-Novelle 2016, immolex 2016, 14.

Richtwertsystem entkoppelt. Bezüglich der weiteren Entgeltkomponenten gilt grundsätzlich das bereits zu §13 Abs6 WGG Ausgeführte.19

3.Übergangs- und Valorisierungsbestimmungen der WGG-Novelle 2016 Durch die Koppelung an das RichtWG und dessen §5 war eine eigene Valorisierungsbestimmung für die Entgelte gemäß §§13 Abs6, 14 Abs7a sowie 39 Abs18 WGG bis zur WGG-Novelle 2016 nicht notwendig, die Wertsicherung des EVB erfolgte durch Verweis auf die Indexierung des Kategoriemietzinses gemäß §16 Abs6 MRG. Im Rahmen der durch die Novelle erfolgten Entkoppelung vom Richtwertsystem wurden sowohl für die Entgelte gemäß §§13 Abs6, 14 Abs7a sowie 39 Abs18 WGG als auch für den EVB nach §14d Abs2 WGG eigene Valorisierungsbestimmungen normiert, die nach den Erläuterungen gesetzliche Wertsicherungen darstellen.20

Nach dieser erstmals am 1.4.2018 erfolgten Wertsicherung ändern sich oa Beträge jedes zweite Jahr zum 1.4. entsprechend der Veränderung des von der Statistik Austria verlautbarten Jahresdurchschnittswerts des Verbraucherpreisindex (VPI) 2010 gegenüber dem Durchschnittswert des Jahres 2015. Gemäß §19a ERVO sowie der durch die Novelle eingefügten Verordnungsermächtigung in §14d Abs3 WGG ua für den EVB sind diese sich ändernden Beträge (den Erläuterungen entsprechend auch als wohnwirtschaftliche Werte bezeichnet)21 nach Befassung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (nunmehr nach dem BMG das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft)22 vom Revisionsverband23 zu veröffentlichen.24

Gemäß ArtIV Abs1q WGG traten die Bestimmungen der Novelle grundsätzlich mit 1.1.2016 in Kraft, während für die §§13 Abs6, 14 Abs7a, 14d Abs2 und 39 Abs18 WGG, ungeachtet bisheriger vertraglicher Vereinbarungen, ein Inkrafttreten für den 1.7.2016 normiert wurde. Gleichzeitig waren gemäß §39 Abs32 WGG die mit 31.12.2015 geltenden Bestimmungen zur Wertsicherung dieser Beträge ab dem 1.1.2016 nicht mehr anzuwenden. Die Beträge aufgrund der neuen Indexierungsregelung wurden, wie oben bereits ausgeführt, erstmals mit 1.4.2018 geändert.25

19 Schinnagl/Puhr in Böhm et al, GeKo Wohnrecht III, §§13, 14 Rz112ff.

20 ErlRV 895 BlgNR 25. GP, 12.

21 ErlRV 895 BlgNR 25. GP, 12.

22 Bundesgesetz über die Zahl, den Wirkungsbereich und die Einrichtung der Bundesministerien (Bundesministeriengesetz 1986 – BMG), BGBl 1986/76 idF BGBlI 2022/98.

23 Diese Veröffentlichungen sind von sämtlichen die Voraussetzungen des §5 WGG erfüllenden Revisionsverbänden vorzunehmen.

24 Schinnagl/Puhr in Böhm et al, GeKo Wohnrecht III, §§13, 14 Rz136.

25 Rosifka, Neuregelung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages sowie Änderungen beim Wiedervermietungsentgelt, wobl2016, 262.

Die Formulierung „ungeachtet bisheriger vertraglicher Vereinbarungen“ ist hierbei mE insbesondere im Lichte der sogenannten „Janusköpfigkeit“ der Entgeltsbestimmungen des WGG zu lesen, auf die auch in den Erläuterungen zum 3.MILG vonseiten des Gesetzgebers explizit verwiesen wird.26 Die Janusköpfigkeit als solche spiegelt den ambivalenten Charakter des WGG wider; einerseits enthält es wohnzivilrechtliche Normen, die die privatrechtlichen Verhältnisse der GBV zu anderen Rechtssubjekten regeln sollen, andererseits stellt das WGG auch als öffentliches Recht mitsamt sondergewerberechtlicher und gebarungsrechtlicher Vorschriften ein spezielles Unternehmensrecht für die GBV dar. Als Ausfluss dieser unterschiedlichen Teile der Rechtsordnung sind mit der Vollziehung des WGG daher sowohl die Gerichte als auch die Landesaufsichtsbehörden betraut.27

Insofern stellen die §§13ff WGG für die GBV einseitig zwingendes Recht dar; während den Vertragspartner einer GBV benachteiligende Vereinbarungen gemäß §21 Abs1 Z1 WGG von Rechtsunwirksamkeit bedroht sind, bleiben ihn begünstigende Bestimmungen zwar aufrecht, können jedoch Sanktionen der Landesaufsichtsbehörde gegen die GBV nach sich ziehen, wobei diese keinen Einfluss auf die bereits erfolgte Vertragsgestaltung selbst haben. Aus diesem Umstand ergibt sich insbesondere, dass der GBV bei der Ausgestaltung ihrer Indexierungsvereinbarungen im Falle einer avisierten Erhöhung über die gesetzlich normierten Wertsicherungsbestimmungen hinaus durch die wohnzivilrechtlichen Bestimmungen Grenzen gesetzt werden, während eine die gesetzlich vorgesehene Wertsicherung unterschreitende Indexierung nur durch die gebarungsrechtlichen Vorschriften beschränkt wird.28

Während Rosifka und Schinnagl für die Indexierung des Entgelts nach §13 Abs6 WGG eine ex lege wirkende Erhöhung der Beträge ohne Notwendigkeit einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung bislang abgelehnt haben,29 kann mE demgegenüber jedoch vertreten werden, dass die Wertsicherung in diesen Fällen ohne die Notwendigkeit einer vertraglichen Wertsicherungsvereinbarung ex lege erfolgt. Das primäre Ziel des Gesetzgebers bei der WGG-Novelle 2016 war die Auftrennung des bisherigen Entgelts und des EVB. Vor allem vor diesem Hintergrund erfolgte mE die vorliegende Textierung der Übergangsbestimmung.30

26 AB 2398 BlgNR 27.GP, 9.

27 Sommer, Wohnungsgemeinnützigkeit und Good Governance, in Lugger/Holoubek , Die österreichische Wohnungsgemeinnützigkeit – ein europäisches Erfolgsmodell (2008) 86.

28 Schuster in Schwimann/Böhm, ABGB IV2, §§13, 14 WGG Rz8f.

29 Rosifka, wobl 2016, 262; Schinnagl/Puhr in Böhm et al, GeKo Wohnrecht III, §§13, 14 Rz137.

30 Siehe dazu auch Rosifka, wobl 2016, 262, der zumindest in Bezug auf die §§14 Abs7a und 14d Abs2 WGG von einer gesetzlichen Valorisierung ausgeht.

Zumal die vertraglichen Vereinbarungen der GBV mit ihren Wohnungsnutzern die gesetzliche Änderung von EVB und Grundentgelt (Wiedervermietungsentgelt) nicht vorhersehen konnten, musste der Gesetzgeber mE eine derartige Übergangsbestimmung wählen, um dem gebarungsrechtlichen Teil des WGG Genüge zu tun und dem neuen Regime des EVB auch bei bestehenden Verträgen zum Durchbruch zu verhelfen. Der Einschub „ungeachtet bisheriger vertraglicher Vereinbarungen“ kann durchaus als Indiz für die gesetzliche Valorisierung des vertraglich vereinbarten Entgelts angesehen werden, was mE (vorgreifend) durch die Wahl der exakt gleichen Formulierung in §39 Abs39 WGG im Rahmen des 3.MILG tendenziell bestätigt wird, zumal im Fall des 3.MILG lediglich die Valorisierungsbestimmung abgeändert wird. Durch die WGG-Novelle 201931 wurde in §14 Abs1 WGG aufgrund des Kostendeckungsprinzips die Veränderlichkeit des Entgelts expressis verbis klargestellt und aus diesem Grund letztlich ausdrücklich die Nichtanwendbarkeit des §6 Abs1 Z5 KSchG normiert. In der Literatur32 wird diese Einfügung rein auf das kostendeckende Entgelt und die diesem zugrunde liegenden Komponenten, wie zB sich verändernde Bauzinse oder eine Änderung der Finanzierungskosten aufgrund variabel verzinster Darlehen, bezogen. ME kann insbesondere die Wortfolge, dass für die Veränderlichkeit des Entgelts keine vertragliche Änderung erforderlich ist, anknüpfend an die WGG-Novelle 2016 auf die Valorisierungsbestimmungen des WGG angewendet werden.

4.Das 3. MILG

Der Initiativantrag zum 3.MILG wurde am 30.8.2023 in den Nationalrat eingebracht und am 15.12.2023 mit den Stimmen von ÖVP und Grünen beschlossen.33 Im ursprünglichen Initiativantrag waren sämtliche Änderungen im WGG als Verfassungsbestimmungen konzipiert, in der 10. Sitzung des Ausschusses für Bauten und Wohnen am 12.12.2023 wurde er mittels Abänderungsantrags insofern modifiziert, als die vorgeschlagenen Änderungen im WGG nunmehr einfachgesetzlich erfolgen sollten.34 Die Novelle trat nach Kundmachung am 30.12.2023 mit dem darauffolgenden Tag in Kraft.35

Dem wohnungsgemeinnützigkeitsrechtlichen Teil des 3.MILG wird gemäß den Erläuterungen eine drohende hohe VPI-induzierte Steigerung am nächsten Valorisierungstermin für die erfassten Entgeltkomponenten zugrunde gelegt.36 Nach den durch die Statistik

31 BGBl I 2019/85.

32 Schinnagl/Puhr in Böhm et al, GeKo Wohnrecht III, §§13, 14 Rz16; Prader/Pittl, WGG2.05, §14 Rz1.

33 IA 3558/A 27. GP.

34 AB 2398 BlgNR 27.GP, 3ff.

35 BGBlI 2023/176.

36 AB 2398 BlgNR 27.GP, 3ff (insbesondere 8f).

Austria herausgegebenen Daten zur Inflationsentwicklung wären unter Annahme einer Inflation von 8,6% für 2022 sowie 7,8% für 2023 in Summe 16,4%37 für die Indexierung anzusetzen gewesen.38 Im Gegensatz zum Richtwert und dem Kategoriemietzins findet die nächste Anpassung im WGG bereits am 1.4.2024 statt.39

Die bisher alle zwei Jahre erfolgte Valorisierung der Entgeltbestandteile nach den §§13 Abs6, 14 Abs7a, 14d Abs2 sowie 39 Abs18 Z2 WGG wird auf eine jährliche Valorisierung umgestellt. Dadurch soll es nach den Erläuterungen zu einer (betragsmäßigen) Glättung der notwendigen Anpassungen zugunsten der Mieter und sonstigen Nutzungsberechtigten kommen.40 Am 1.4.2024 kann sich der Betrag für die oa Entgeltbestandteile gegenüber dem letzten Änderungszeitpunkt um maximal 5% erhöhen. Dies bedeutet einen realen Verlust zukünftiger Einnahmen der GBV, ein Aufholen (im Sinne einer Bremse) ist mangels Nachholeffekt durch das System des 3.MILG nicht mehr möglich. Dieser Verlust wird allerdings durch den aufgrund nunmehr annualer Valorisierung entstehenden Zinseszinseffekt wohl zumindest im Ansatz gemildert werden können. Für die Valorisierungen der nächsten beiden Jahre am 1.4.2025 und am 1.4.2026 gilt als jeweils neuer Ausgangswert der Wert, der sich aus der Veränderung des VPI 2010 zum jeweiligen Jahresdurchschnittswert des Vorjahres ergibt, wobei eine Erhöhung erneut mit maximal 5% begrenzt ist. Mit 1.4.2027 wird das System erneut umgestellt. Ab diesem Zeitpunkt ist jährlich in Ausweitung des Betrachtungszeitraums die Veränderung auf Grundlage des Durchschnittswerts der jeweils vorangegangenen drei Jahre heranzuziehen. Sollte die auf diese Art berechnete Veränderung 5% übersteigen, ist der 5% übersteigende Teil nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Ergibt sich also am 1.4.2027 aufgrund der neu postulierten Berechnungsweise eine Steigerung von 6%, würde dies zu einer Indexierung in Höhe von maximal 5,5% führen.

Die aktuell nach einer Schnellschätzung der Statistik Austria bei 4,5% liegende Inflation für den Jänner 2024 macht die konkrete Anwendbarkeit der 5%-Schranke zum übernächsten Indexierungstermin am 1.4.2025 alles andere als gewiss. Es ist nicht denkunmöglich, dass die neu postulierten Grenzen nach dem 1.4.2024 ausschließlich als reiner Absicherungsmechanismus nach oben im (Not-)Fall einer drastisch erhöhten zukünftigen Inflationsentwicklung

37 Statistik Austria, Verbraucherpreisindex (erstellt am 17.1.2024).

38 AB 2398 BlgNR 27.GP, 8.

39 Kothbauer, 3. MILG: „Mietpreisbremse“ für Kategorieund Richtwertmietzinse sowie WGG-Entgeltbestandteile, immolex 2024, 6.

40 AB 2398 BlgNR 27. GP, 9.

Teil des Normenbestands bleiben könnten. Im Hinblick auf die teilweise sprunghaft erfolgende Inflationsentwicklung der Jahre 2022 und 2023 ist die Sinnhaftigkeit einer solchen Absicherung mE nicht gänzlich von der Hand zu weisen.41

In der Übergangsbestimmung des §39 Abs39 WGG wird wie bereits im Rahmen der WGG-Novelle 2016 eine Geltung „ungeachtet bisheriger vertraglicher Vereinbarungen“ für die §§13 Abs6, 14 Abs7a, 14d Abs2 und 39 Abs18 Z2 WGG normiert. Die Einfügung, dass die Bestimmungen für alle Valorisierungen nach Inkrafttreten des Gesetzes anzuwenden sind, soll nach den Erläuterungen darüber hinaus eine reine Ex-nunc-Wirkung der neuen Valorisierungsregeln des 3.MILG klarstellen.42 Im Verweis auf die Übergangsbestimmungen zur WGG-Novelle 2016 ist mE eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers im Hinblick auf eine ex lege erfolgende Wertsicherung ohne eine darüber hinausgehend notwendige vertragliche Wertsicherungsvereinbarung zu erblicken.43

Hinsichtlich der Frage nach der verfassungskonformen Ausgestaltung des WGG-Teils des 3.MILG kann bezüglich der allgemeinen grundrechtlichen Thematik staatlicher Eingriffe in Preisbildungs- und Indexierungsregime auf die sehr umfangreichen Erläuterungen des mietrechtlichen Teils des 3.MILG verwiesen werden, wobei insbesondere auf den durch die Judikatur bestätigten, im Mietrecht bestehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinzuweisen ist.44

Der auch in den Erläuterungen angeführte gesetzliche Gemeinwohlauftrag an GBV ist hierbei nichts anderes als ein Ausfluss der Wohnversorgung als Teil der staatlichen Daseinsfürsorge, die weder allein vom Markt noch vom Staat selbst ohne Mitwirkung des jeweils anderen Akteurs ausreichend erfüllt werden kann. Daher werden durch den Staat wirtschaftliche Unternehmen in Form der GBV zur Erfüllung öffentlicher Zwecke herangezogen, die dadurch zwar teilweise in ihrer unternehmerischen Freiheit eingeschränkt werden, andererseits zur Erfüllung ihrer gemeinnützigen Aufgaben auch gewisse Vorteile in Form steuerlicher Begünstigungen erhalten. Vor diesem Hintergrund erfolgt der Eingriff in die Indexierungsbestimmungen in einem Bereich, der aufgrund der staatlichen Inpflichtnahme von GBV ohnehin bereits dem Grunde nach beschränkt ist.45 Eine abschließende Klärung

41 Siehe statistik.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffent liche-finanzen/preise-und-preisindizes/verbraucher preisindex-vpi/hvpi (Zugriff am 1.2.2024).

42 AB 2398 BlgNR 27.GP, 9.

43 AB 2398 BlgNR 27. GP, 9.

44 Kothbauer, immolex 2024, 6ff, sowie AB 2398 BlgNR 27.GP, 3ff mwN.

45 Funk in Korinek/Nowotny, Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (1994) 329f.

der Verfassungskonformität des 3.MILG wird aber wohl erst nach einer etwaigen Befassung des VfGH vorliegen.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Das 3.MILG wirkt in Bezug auf die mit 1.4.2024 stattfindenden Erhöhungen jedenfalls iSd Wohnungsnutzer kostendämpfend. Es bringt

a)einen Umbruch im seit 2016 bestehenden System der Valorisierung bestimmter Entgeltbestandteile im WGG in Form valorisierter Ausgangswerte hin zu einer

Valorisierung bezogen zunächst auf den jeweils letzten Änderungszeitpunkt und dann einen dreijährigen Durchschnittszeitraum,

b)eine Umstellung auf eine jährliche Wertsicherung

c)und bekräftigt mE wie bereits die WGGNovelle 2016 und die WGG-Novelle 2019 (in Bezug auf die Veränderlichkeit des Entgelts) die gesetzliche Valorisierung dieser Entgeltbestandteile.

Der vorliegende Beitrag gibt ausschließlich die Privatmeinung des Autors wieder.

Wertsicherungsklauseln und ihre (scheinbaren) Grenzen

Dr. Markus Bitterl ist Partner bei Bitterl König Rechtsanwälte mit Schwerpunkt auf Miet- und Immobilienrecht sowie Erbrecht.

Die Kombination aus mietrechtlichen Abtretungs- und Eintrittsrechten und einem Kündigungsschutz, der eine Beendigung des Mietverhältnisses gegen den Willen des Mieters –von nur selten vorliegenden Ausnahmen abgesehen – vom Verhalten des Mieters abhängig macht, erfordert eine sorgfältige Betrachtung der oberstgerichtlich aufgezeigten Grenzen von Wertsicherungsvereinbarungen. Die Entscheidungen zu 2Ob 36/23t und 8Ob 37/23h lassen dabei für bestehende Wertsicherungklauseln mehr Hoffnung, als es bei erstmaliger Lektüre den Anschein haben mag.

1.Vorbemerkung

Die Entscheidungen des OGH vom 21.3.2023, 2Ob 36/23t, und vom 24.5.2023, 8Ob 37/23h, haben insbesondere hinsichtlich ihrer Bedeutung für mietvertragliche Wertsicherungsklauseln eine umfangreiche Resonanz in der Fachliteratur erfahren. Aufgrund der Vielzahl der bereits vorliegenden Stellungnahmen sollen hier nur einige ausgewählte Aspekte näher beleuchtet werden, die mE bisher zu wenig Beachtung erfahren haben.

2.OGH 21.3.2023, 2 Ob 36/23t

In der Entscheidung 2 Ob 36/23t hatte der OGH die folgende Klausel zu beurteilen:

„Der Netto-Mietzins von € [...] wird auf den vom österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Index der Verbraucherpreise 1976 wertbezogen. Sollte dieser Index nicht verlautbart werden, gilt jener als Grundlage für die Wertsicherung, der diesem Index am meisten entspricht.“

Diese Klausel sei aus zwei Gründen unwirksam: Erstens verstoße sie gegen §6 Abs1 Z5

KSchG, denn der Klausel seien „keinerlei nähere Aussagen dazu zu entnehmen, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, welcher Index dem Verbraucherpreisindex ‚am meisten entspricht‘ und wer dies beurteilt“. 1 Zweitens verstoße die Klausel auch gegen §6 Abs2 Z4 KSchG, weil bei kundenfeindlichster Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten könne.2

2.1.Transparenz der Klausel

Mit der ersten Begründung ist das sogenannte „kleine Transparenzgebot“ des §6 Abs1 Z5 KSchG angesprochen, das eine Klausel zur Entgeltänderung für unwirksam erklärt, es sei denn, dass der Vertrag „auch eine Entgeltsenkung vorsieht, dass die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt sind sowie dass ihr Eintritt nicht vom Willen des Unternehmers abhängt“. Diese Transparenz sei bei der Vereinbarung eines Ersatzindex mit der Formulierung „der diesem Index am meisten entspricht“ nicht gegeben.

1 OGH 21.3.2023, 2Ob 36/23t, Rz10.

2 OGH 21.3.2023, 2Ob 36/23t, Rz10.

Obwohl diese Begründung mehr Zustimmung3 als Kritik4 erfahren hat, ist sie nicht überzeugend. Es fehlt nicht an Kriterien zum Auffinden des am meisten entsprechenden Index und es ist nicht ins Belieben des Vermieters gestellt, welchen Index er heranziehen möchte. Es muss jener Index zugrunde gelegt werden, der dem VPI 1976 am meisten entspricht. Die Kriterien dieser Entsprechung sind dem Index selbst und seiner Bedeutung für den gegenständlichen Vertrag zu entnehmen.

Der Index hat im Vertrag die Funktion, in Anbetracht der potenziell mehrjährigen Dauer von Mietverhältnissen und der erfahrungsgemäß stattfindenden Geldwertveränderung das Äquivalenzverhältnis zwischen den Leistungen der Vertragsparteien, von denen eine ein Verbraucher ist, zu wahren. Zu diesem Zweck wurde mit dem VPI 1976 ein Index herangezogen, der die Preisentwicklung anhand eines Warenkorbs misst, welcher das durchschnittliche Konsumverhalten der privaten Haushalte in Österreich abbildet.5 Dieser Index bzw die anderen Verbraucherpreisindizes sind selbstverständlich nicht der einzige Maßstab für Preisveränderungen, es gibt ebenso Indizes für Großhandelspreise, Baukosten, Importpreise, Häuser- und Wohnungspreise und etliche weitere. Damit ist aber auch geklärt, welcher Index dem VPI 1976 am ehesten entsprechen würde, wenn dieser nicht mehr veröffentlicht werden sollte. Es muss ein Index sein, der die Funktion erfüllen kann, das vertragliche Äquivalenzverhältnis zu wahren, und der zu diesem Zweck die Geldwertveränderung anhand des Konsums privater Haushalte abbildet.

Welcher Index das dann sein wird, kann naturgemäß nicht vorhergesagt werden. Im einfachsten Fall wird es ein VPI mit einem anderen Basisjahr sein. Gegebenenfalls kann auf den unionsrechtlich verpflichtend zu führenden Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) zurückgegriffen werden.6 Wird überhaupt kein die Inflation messender Index mehr veröffentlicht, wird es andere Maßstäbe geben (müssen), die etwas über Geldwertveränderung und Kaufkraft in unserer Volkswirtschaft

3 Karauscheck, Eine unglückliche Wertsicherungsklausel im „kundenfeindlichsten Sinn“ ausgelegt, immo aktuell2023, 121; Scharmer, Zur Zulässigkeit von Wertsicherungsvereinbarungen (Indexklauseln) in Verbraucher-Mietverträgen – Grundsätzliches und Spezielles aus Anlass der „Paukenschläge“ OGH 2 Ob 63/23 und 8 Ob 37/23h, wobl2023, 291; Prader, OGH kippt Wertsicherungsvereinbarung in Mietverträgen, Zak2023, 164.

4 Leitner, Wirksamkeit von Indexklauseln in Mietverträgen, wobl 2023, 422.

5 Bundesanstalt Statistik Österreich, FAQs zum Verbraucherpreisindex (2023), http s://www.statistik.at/filead min/pages/214/FAQ_zum_Verbraucherpreisindex.pdf (Zugriff am 24.1.2024).

6 VO (EU) 2016/792 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2016 über harmonisierte Verbraucherpreisindizes und den Häuserpreisindex sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) 2494/95 des Rates, ABlL135 vom 24.5.2016, S11.

aussagen. Man kommt hier tatsächlich an die Grenze des Formulierbaren, wie Karauscheck feststellt.7 Dies auch deshalb, weil wir uns ein völlig anderes Wirtschaftssystem vorstellen müssten, nämlich eines ohne allgemein-öffentliche Zahlungsmittel, die Wertschwankungen unterliegen können, um überhaupt in den Problembereich zu kommen, dass es unklar sein könnte, welcher Index demjenigen am ehesten entspricht, der die allgemeine Inflation aus der Sicht privater Haushalte und ihres typischen Konsumverhaltens abbildet.

Wenn es aber einen klaren Maßstab gibt, nach dem der entsprechende Index zu bestimmen ist, stellt sich die Frage, „wer dies beurteilt“,8 nicht. Die Antwort ergibt sich aus der Sache selbst, es gibt hier keine freie Auswahl, schon gar nicht für den Vermieter. Und wenn es zur Uneinigkeit über diese Frage kommt, wird das angerufene Gericht zu beurteilen haben,9 welcher Index dem nicht mehr verlautbarten am ehesten entspricht, handelt es sich dabei doch um eine typische Rechtsfrage.

2.2.Zur Bedeutung eines Schwellenwerts Überzeugender ist die zweite Begründung der Unwirksamkeit der dargestellten Klausel: Da bei kundenfeindlichster Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten könne, verstoße die Klausel auch gegen §6 Abs2 Z4 KSchG. Dem ist für die verfahrensgegenständliche Klausel nicht zu widersprechen.

Ein anderes Ergebnis erscheint aber angezeigt, wenn die Wertsicherungsklausel einen ausreichend hohen Schwellenwert enthält, bei dessen Überschreiten erst eine Mietzinsanpassung eintreten soll. Eine in Mietverträgen häufig verwendete Schwelle ist eine Veränderung des zugrunde liegenden Index um 5%, bei deren Überschreiten die Mietzinsanpassung erfolgen soll. Wie Karauscheck bereits dargelegt hat, kennen wir eine jährliche Inflation von 30%, der eine Indexveränderung von 5% über zwei Monate rechnerisch entspricht, nicht.10

Eine derartige Sachverhaltsannahme erscheint daher auch nicht vom in Verbandsverfahren geltenden Prinzip der kundenfeindlichsten Auslegung der zu prüfenden Klausel gedeckt zu sein. Der Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung besagt, dass diejenige Interpretationsvariante einer Klausel der Gesetzmäßigkeitsprüfung zugrunde zu legen ist, die für den Kunden am ungünstigsten ist.11 Dabei ist vom objektiven Wortlaut der Klausel auszugehen.12 Es handelt sich bei der kundenfeindlichsten Auslegung somit um ein Prinzip der Auslegung eines

7 Karauscheck, immo aktuell 2023, 121 (122).

8 OGH 21.3.2023, 2Ob 36/23t, Rz10.

9 So auch Leitner, wobl 2023, 422 (426).

10 Karauscheck, immo aktuell 2023, 121 (124).

11 RIS-Justiz RS0016590; OGH 4.5.2006, 9Ob 15/05d.

12 RIS-Justiz RS0008901.

Wortlauts. Vereinfacht formuliert: Es wird davon ausgegangen, dass die Klausel ganz wörtlich genommen und vom Unternehmer unter Verweis auf den blanken Wortlaut ohne Rücksicht auf die den Verständnishorizont des redlichen Erklärungsempfängers prägenden Umstände bei Vertragsabschluss angewendet wird.

Etwas anderes als die Interpretation eines Wortlauts ist aber die Annahme von Sachverhalten, die – von den unmittelbaren Nachkriegsjahren13 abgesehen – der historischen Erfahrung in der Zweiten Republik völlig widersprechen und weder dem konkreten Vertragstext noch dem Gesetzestext, der zur Klauselprüfung herangezogen wird, zugrunde liegen. Das Ausdenken theoretischer Sachverhalte, deren Eintritt nur unter Umständen vorstellbar ist, die eher an die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage denken lassen, ist nicht Teil methodischer Vertragsauslegung, auch nicht, wenn sie im kundenfeindlichsten Sinn erfolgen soll.

Wollte man dies anders sehen, müsste man in Kauf nehmen, dass die Folgen solcher Gedankenspiele zu krassen Unbilligkeiten führen: Lässt man die Wertsicherung – trotz angemessenen Schwellenwerts – in bestehenden Verträgen entfallen, bleibt der Vermieter unbefristet an den Vertrag gebunden, auch wenn der Mietzins seine Kaufkraft fast völlig verloren hat. Dies allein aus dem Grund, dass unter einer Sachverhaltsannahme, die in unser aller Lebenserfahrung keine Rolle spielt, der Mietzins innerhalb von zwei Monaten ab Vertragsschluss hätte angehoben werden können, auch wenn er tatsächlich nicht angehoben worden ist, weil der theoretisch angenommene Sachverhalt eben nicht – und auch nicht davor oder danach in der Geschichte der Zweiten Republik14 – eingetreten ist. Diese Folge erscheint unbillig, weil der Mieter auch ein unbefristetes Mietverhältnis jedenfalls nach weniger als drei Jahren aufkündigen kann,15 etwa weil ihm der Mietzins zu hoch ist, während der Vermieter an den bei Wegfall der Klausel gleichbleibenden Mietzins gebunden bleibt.

Im Übrigen widerspricht auch der gegenständliche Normzweck der Zugrundelegung eines völlig abstrakten Sachverhalts. §6 Abs2 Z4 KSchG soll den Verbraucher vor Überraschungen schützen.16 Eine Inflation von 30% pa würde aber nicht plötzlich nach Vertragsschluss in den nächsten zwei Monaten auftreten. Man würde wohl schon länger unter volkswirtschaftlich prekären Umständen leben. Der rasante Geldwertverfall wäre wohl von vornherein eingepreist, wahrscheinlich gäbe es staatli-

13 Nur 1946 und 1947 lag die Inflation über 30%, schon 1948 darunter (Beer/Gnan/Valderrama, Die wechselvolle Geschichte der Inflation in Österreich, OeNB Monetary Poliy & The Economy Q3-Q4/2016, 19).

14 Vgl FN 13.

15 Vgl OGH 27.5.2021, 9Ob 13/21h, in welcher ein in AGB enthaltener Kündigungsverzicht des Mieters für drei Jahre als gröblich benachteiligend beurteilt wurde.

16 ErlRV 744 BlgNR 14.GP, 26.

che inflationsbekämpfende Eingriffe, die auch das Mietverhältnis und die Regeln zur Mietzinsanpassung betreffen. Jedenfalls wäre in einer solchen galoppierenden Inflation niemand über eine entsprechende Entgeltänderung, sofern sie überhaupt möglich wäre, überrascht. Auch aus diesem Grund ist der Wortlaut der Norm teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass er selbst bei kundenfeindlichster Auslegung einer Klausel nicht die Anwendbarkeit auf Phantasiesachverhalte beinhaltet. Diese Überlegungen gelten, dies sei noch einmal betont, für Klauseln mit angemessen hohen Schwellenwerten.

3.OGH 24.5.2023, 8Ob 37/23h

In der Entscheidung 8 Ob 37/23h hatte der OGH die folgende Klausel zu beurteilen:

„Es wird Wertbeständigkeit des in §3 genannten Hauptmietzinses nach Maßgabe der in §5 RWG vorgesehenen Wertsicherung (Neufestsetzung) der Richtwerte – ausgehend von dem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Richtwert – vereinbart. Sollte diese Wertsicherung nicht mehr zur Anwendung gelangen können, so erfolgt die Wertsicherung nach dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt monatlich verlautbarten Verbraucherpreisindex 2015 oder dem an seine Stelle tretenden Index. Ausgangsbasis für diese Wertsicherung ist die für den Monat der letzten Festsetzung der Richtwerte verlautbarte Indexzahl. Anpassungen werden unmittelbar nach Änderung des RWG vorgenommen.“

Auch diese Klausel sei aus zwei Gründen unwirksam: Erstens verstoße sie gegen §6 Abs2 Z4 KSchG, weil bei kundenfeindlichster Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten könne. Zweitens sei die Klausel auch gröblich benachteiligend iSd §879 Abs3 ABGB, weil die Erhöhung des Richtwerts auch darauf zurückzuführen sein könne, dass „es schon in der Zeit vor Abschluss des Mietvertrags zu einem Anstieg des Preisniveaus gekommen ist, sodass eine nachträgliche Anhebung des auf dieser Grundlage vereinbarten Mietzinses insoweit auch sachlich nicht gerechtfertigt ist“. 17

3.1.Nochmals zu §6 Abs2 Z4 KSchG

Soweit die Klausel auf die Neufestsetzung des Richtwerts Bezug nimmt, kann eine Erhöhung innerhalb von zwei Monaten ab Vertragsschluss aufgrund des Mechanismus des §16 Abs9 MRG nur für Verträge eintreten, die in einem engen Zeitraum vor dem 1. April abgeschlossen werden, nämlich zwischen 5. und 31. März. Für diese ist die verpönte Entgeltänderung tatsächlich möglich.

17 OGH 24.5.2023, 8Ob 37/23h, Rz15.

Aber was ist mit den übrigen Verträgen? Warum sollte sich der Vermieter auf Klauseln, bei denen der Eintritt des verpönten Erfolges gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht berufen dürfen? Ist der Klauselverwender für die zwischen 1.April und 4.März abgeschlossenen Verträge verpflichtet, vertraglich Dinge auszuschließen, die gesetzlich gar nicht möglich sind – was müsste man in Verträgen vorsichtshalber noch alles expressis verbis ausschließen? Auch wenn der Vermieter in allen Fällen das gleiche Formular verwendet haben mag, so ist für die allermeisten Vertragsverhältnisse der Eintritt einer Entgelterhöhung innerhalb der ersten zwei Monate auf Basis der geltenden Rechtslage schlicht nicht möglich. Wenn aber das gesetzlich Verbotene gemäß §879 Abs1 ABGB gar nicht vereinbart werden kann, kann auch nicht verlangt werden, dass es explizit ausgeschlossen werden muss.

Soweit die Klausel auf den VPI 2015 Bezug nimmt, gilt das oben Ausgeführte. Es fehlt auch hier am Schwellenwert, dessen Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis führen müsste.

3.2.Inflation vor Abschluss des Mietvertrags Mit der zweiten Begründung verweist der OGH auf das Berufungsgericht18 und hält fest, dass die Anpassung der Richtwerte zumindest zum Teil auch darauf zurückzuführen sein könne, dass schon vor Mietvertragsabschluss ein Preisanstieg stattgefunden habe, der in der Richtwertanhebung ebenfalls abgebildet werde. Das soll bedeuten: Der Mieter müsste für eine Geldwertänderung bezahlen, die er nicht vollständig im Rahmen seines Mietverhältnisses selbst „erlebt“ hat, das Äquivalenzverhältnis wird nicht gewahrt, sondern zu seinen Ungunsten verschoben.

Der OGH unterlässt eine nähere Begründung und belässt es bei einem Verweis auf die Entscheidung des Berufungsgerichts19. Allerdings hat das Berufungsgericht eine wichtige Unterscheidung getroffen, die der OGH nicht in seine Entscheidung aufgenommen hat. Ohne diese Unterscheidung bleibt der knappe Hinweis auf den Anstieg des Preisniveaus vor Mietvertragsabschluss aber unverständlich.

Auf den ersten Blick könnte man der Meinung sein, es handle sich bei den als unwirksam beurteilten Wertsicherungsklauseln um solche, die dem Richtwert unterliegende Mietzinse betreffen. Für solche wäre die Aussage, dass eine Wertsicherung auf Grundlage der Neufestsetzung der Richtwerte gröblich benachteiligend ist, sofern das Mietverhältnis – und darauf müsste es wohl hinauslaufen – nicht schon seit dem Wirksamwerden des bisherigen Richtwerts besteht, doch sehr überraschend.

18 OGH 24.5.2023, 8Ob 37/23h, Rz15.

19 OLG Linz 25.1.2023, 2R 183/22b.

Aber hat der OGH das gemeint? Immerhin verweist er zustimmend auf die Ausführungen des Berufungsgerichts. Dieses hat den vom OGH wiedergegebenen Gedanken aber ausdrücklich nur auf den Bereich der Mietzinsbildung nach §16 Abs1 MRG, also den angemessenen Mietzins, bezogen. Bei einer Wertsicherungsklausel sei „die Ausgestaltung unter Bezugnahme auf Richtwerterhöhungen, ohne aber dieses Mietzinssystem und die damit zulässigerweise verbundenen Entgeltänderungen abzubilden“, überraschend, so das Berufungsgericht, dies entspreche „im Bereich der Mietzinsbildung nach §16 Abs1 MRG […] nicht der Erwartungshaltung eines durchschnittlichen Kunden“, damit führe schon die Geltungskontrolle zum Entfall der Klausel.20

Die angefochtene Wertsicherungsklausel sei aber auch gröblich benachteiligend, denn sie könnte „eine Mietzinsanpassung an eine Geldentwertung nach sich ziehen, die nicht während der Vertragslaufzeit, sondern bis zu 23 Monate davor eingetreten wäre, was einen groben Eingriff in das Äquivalenzverhältnis darstellt“ 21 Daher sei die Klausel „im Bereich des angemessenen Mietzinses nach §879 Abs3 ABGB“ unzulässig.22

Für den Bereich der Richtwert- und Kategoriemieten gibt das Berufungsgericht eine völlig andere Begründung für die Unzulässigkeit der gegenständlichen Wertsicherungsklausel. Dort stützt das Berufungsgericht die Unwirksamkeit nicht auf §879 Abs3 ABGB, sondern auf dessen Abs1. Für diese Mieten sei das Problem, dass „die beanstandete Wertsicherungsklausel den Mietzins linear erhöhe – unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Zu- und Abschläge zu diesem Zeitpunkt noch vorliegen“ 23 Die Klausel sehe also nicht vor, dass bei Mietzinsanpassungen geprüft werde, ob die im bisher vorgeschriebenen Mietzins enthaltenen Zuschläge zum Richtwert auch weiterhin gerechtfertigt seien. Die Klausel sei daher „im Bereich des Richtwertmietzinses und Kategoriemietzinses unzulässig nach §879 Abs1 ABGB“. 24

Diese Begründung näher zu untersuchen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Sie hat auch nicht Eingang in die Entscheidung des OGH gefunden.

Es ist aber wichtig, festzuhalten, dass für den Bereich der Richtwertmieten das Berufungsgericht, dem der OGH zustimmt, eben nicht ausgesprochen hat, dass eine sich auf die Neufestsetzung der Richtwerte beziehende Wertsicherungsklausel unzulässig ist, wenn sie zu einer Mietzinsanpassung führen könnte, deren korrespondierende Geldentwertung nicht zur Gänze während der Vertragslaufzeit stattgefunden hat. Folglich kann auch der Entscheidung

20 OLG Linz 25.1.2023, 2R 183/22b, 20.

21 OLG Linz 25.1.2023, 2R 183/22b, 21 f.

22 OLG Linz 25.1.2023, 2R 183/22b, 22.

23 OLG Linz 25.1.2023, 2R 183/22b, 21.

24 OLG Linz 25.1.2023, 2R 183/22b, 22.

des OGH zumindest nicht explizit entnommen werden, dass die dargestellte Wertsicherungsklausel bei Richtwert- und Kategoriemieten unzulässig ist. Da der OGH die Differenzierung des Berufungsgerichts jedoch nicht übernommen hat, müssen wir auf eine nähere Klärung noch warten.

Die Erstreckung der dargestellten Überlegung des Berufungsgerichts auf Richtwert- und Kategoriemieten wäre aber sachlich nicht nachvollziehbar. Denn dem Vermieter ist es in diesem Bereich verwehrt, die seit der letzten Festsetzung der Richtwerte eingetretene Geldentwertung in den vertraglichen Mietzins einzupreisen. Auch bei einem Mietvertragsabschluss 23 Monate nach der letzten Richtwertfestsetzung kann der Vermieter nur den geltenden Richtwert verlangen. In diesem ist stets nur die vorangegangene Geldentwertung berücksichtigt, nicht die bis zur nächsten Richtwertfestsetzung zu erwartende. Dass die Anpassung des Mietzinses bei der nächsten Festsetzung die Geldentwertung für Zeiten „mitnimmt“, die vor der Vertragslaufzeit stattgefunden hat, ist dem Umstand geschuldet, dass der Mieter bis dahin inflationsbedingt eigentlich einen zu niedrigen Mietzins bezahlt hat. Das angemessene Äquivalenzverhältnis wird durch die nachträgliche Anpassung an die Geldwertveränderung seit der letzten Richtwertfestsetzung nicht gestört, sondern erst hergestellt.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Die beiden verfahrensgegenständlichen Wertsicherungsklauseln waren mangels Schwellenwerts tatsächlich nicht zu retten. Ob die Rechtsprechung bei einem Schwellenwert von zB 5% aufrechterhalten wird, bleibt zwar abzuwarten, würde aber ahistorische Sachverhaltskonstruktionen voraussetzen, die auch mit dem Prinzip der kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel kaum zu begründen sind. Dass bei Vereinbarung eines konkreten Index der diesem am meisten entsprechende Index als Ersatz vereinbart wird, führt nicht zu Intransparenz oder Belieben des Vermieters. Der konkret ausgewählte Index und seine Funktion im Vertrag beinhalten die Kriterien, um den am meisten entsprechenden Index zu bestimmen. Die Wertsicherung durch Verweis auf die Neufestsetzung des Richtwerts kann im Bereich der Richtwertmieten nicht ernstlich als gröblich benachteiligend bezeichnet werden, denn dem Vermieter ist es verwehrt, die vor Vertragsschluss eingetretene Inflation seit der letzten Richtwertfestsetzung einzupreisen. Für Richtwert- und Kategoriemieten hat der OGH dies auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, der Verweis auf das Berufungsgericht beinhaltet die wichtige Differenzierung zwischen angemessenem Mietzins und Richtwertmietzins. Die nähere Klärung bleibt abzuwarten.

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Die flexible Kapitalgesellschaft –eine Kurzdarstellung

Mit Jänner 2024 hat der Gesetzgeber das österreichische Gesellschaftsrecht durch die Einführung der flexiblen Kapitalgesellschaft erweitert. Die neue Rechtsform bringt einige Neuerungen und bietet Gründern flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten. Ein kurzer Blick über einige der neuen Möglichkeiten lohnt sich daher. Dieser Beitrag stellt insbesondere die neuen Unternehmenswertanteile, den Erwerb eigener Anteile sowie die Kapitalerhöhungsmöglichkeiten dar.

1.Rechtlicher Rahmen

Bereits das Regierungsprogramm hat zu Beginn des Jahres 2020 angekündigt, eine „neue Kapitalgesellschaftsform für Start-ups und innovative Unternehmen“ zu schaffen.1 Zu Beginn der Entstehung sollte die neue Rechtsform „Austrian Limited“ heißen;2 unter diesem Titel wurde sogar ein Gutachten erstellt.3

Rechtsgrundlage der flexiblen Kapitalgesellschaft (FlexCo) ist das FlexKapGG. Das FlexKapGG umfasst 29 Paragrafen. Zu diesen legen die erläuternden Bemerkungen auf zwölf Seiten einige Aspekte der gesetzgeberischen Intentionen dar.4

Beispielhaft seien insbesondere folgende Besonderheiten der FlexCo hervorgehoben:

• Gemäß §1 Abs2 FlexKapGG gelten für die FlexCo subsidiär alle Bestimmungen, die auch für GmbHs gelten (somit nicht das GmbHG).5

• Eine FlexCo muss gemäß §2 FlexKapGG zwingend als solche gekennzeichnet sein (= „Flexible Kapitalgesellschaft“ oder „Flexible Company“) oder einen Firmenzusatz (= „FlexKapG“ oder „FlexCo“) aufweisen.

• Das Stammkapital der FlexCo beträgt 10.000€ und muss – abweichend zu §10 Abs1 GmbHG – „nur“ zu einem Viertel einbezahlt werden (§5 FlexKapGG). Eine FlexCo-Gründung ist daher bereits mit einer Bareinlage von 2.500€ möglich.6

• Sofern im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, sind – abweichend von §34 Abs1 GmbHG –

1 Siehe Die neue Volkspartei/Die Grünen, Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020–2024 (2020) 62, abrufbar unter https://www.bundes kanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregie rung/regierungsdokumente.h tml (Zugriff am 20.2. 2024).

2 Siehe ausführlich zur Genese S.Bydlinski, Von der Austrian Limited zur FlexCo, ÖJZ2023, 884.

3 Siehe dazu J.Reich-Rohrwig/Kinsky/S.-F. Kraus, Austrian Limited (2021).

4 Siehe ErlME 276 BlgNR 27.GP.

5 Vgl Rastegar, Subsidiäres GmbH-Recht und Auslegung, ecolex2023, 909.

6 Vgl Ludvik/Grabmayr, Die flexible Kapitalgesellschaft, SWK26/2023, 1015 (1016).

Umlaufbeschlüsse auch ohne Einverständnis aller Gesellschafter zulässig (§7 Abs1 FlexKapGG). Zudem kann im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden, dass Beschlussfassungen auch in Textform erfolgen (somit kann in der Praxis zB via E-Mail oder DocuSign unterfertigt werden).7

• Neben „normalen“ FlexCo-Anteilen kann es auch Unternehmenswertanteile geben (siehe zu diesen Pkt3.).

• Anteile an einer FlexCo können ohne Notariatsakt in Form einer anwaltlichen oder notariellen Urkunde übertragen werden (§12 FlexKapGG).

• Die FlexCo darf eigene Anteile erwerben (siehe zu diesen Pkt4.).

• Die FlexCo hat flexiblere Kapitalerhöhungsmöglichkeiten als eine GmbH (siehe hierzu Pkt5.).

• Gemäß §25 FlexKapGG ist es möglich, eine GmbH in eine FlexCo (und umgekehrt) umzuwandeln.

2.Übertragung von Anteilen

2.1.FlexCo-Anteile

Bei einer GmbH ist für Anteilsübertragungen ein Notariatsakt erforderlich (§76 Abs2 GmbHG).8

§12 FlexKapGG sieht für die Übertragung von „normalen“ FlexCo-Anteilen hingegen folgende Möglichkeiten vor:

• anwaltliche (Privat-)Urkunde;

• notarielle (Privat-)Urkunde;

• Notariatsakt.

Die Möglichkeit, Anteile via Notariatsakt zu übertragen, bleibt unverändert aufrecht. Als Alternative zum Notariatsakt sieht §12 FlexKapGG aber eine Formpflicht sui generis vor, welche auf den bereits bestehenden Vorschriften für (Privat-)Urkunden aufbaut, die von Notaren oder Rechtsanwälten errichtet werden.9

7 Vgl Ludvik/Grabmayr, SWK26/2023, 1015 (1018).

8 Dies gilt auch für Übernahmeerklärungen bei Kapitalerhöhungen (§52 Abs4 GmbHG).

9 Siehe dazu §10 Abs4 RAO bzw §5a NO.

Mag. Alexander Albl, LL.M. ist Rechtsanwalt bei der Albl & Frech Rechtsanwälte OG und Kooperationspartner der TPA Steuerberatung GmbH.

2.2.Unternehmenswertanteile

Abweichend von den bereits gelockerten Formvorschriften bei Übertragung von FlexCo-Anteilen sieht §9 Abs6 FlexKapGG vor, dass für die Übertragung von Unternehmenswertanteilen die (einfache) Schriftform ausreicht.

3.Unternehmenswertanteile

3.1.Allgemeines

Wie bereits dargestellt, kann die FlexCo zwei unterschiedliche Gattungen von Anteilen ausgeben:

• „normale“ FlexCo-Anteile und

• Unternehmenswertanteile.

Während die „normalen“ FlexCo-Anteile Geschäftsanteilen an GmbHs entsprechen,10 sind Unternehmenswertanteile eine „korporative Beteiligungsform mit eingeschränkten Rechten“. 11 Konkret sind die Unternehmenswertanteile in den §§9 bis11 FlexKapGG geregelt.

3.2.Regelung im Gesellschaftsvertrag

Gemäß §9 Abs1 FlexKapGG ist zwingende Voraussetzung für die Ausgabe von Unternehmenswertanteilen, dass dies im Gesellschaftsvertrag12 vorgesehen ist.

3.3.Adressatenkreis

Als Inhaber eines Unternehmenswertanteils haben die erläuternden Bemerkungen in erster Linie Mitarbeiter vor Augen. Wenngleich die Unternehmenswertanteile somit in erster Linie für Mitarbeiter konzipiert wurden, können auch Personen, die über kein aufrechtes Dienstverhältnis mit der FlexCo verfügen, Unternehmenswertanteile halten.13

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass eine FlexCo gemäß §15 Abs1 Z6 FlexKapGG eigene Unternehmenswertanteile (sowie FlexCo-Anteile) halten darf.

3.4.Ausgabebegrenzung

Unternehmenswertanteile vermitteln ihren Inhabern einen Anteil am Stammkapital der FlexCo. Gemäß §9 Abs1 FlexKapGG darf die FlexCo Unternehmenswertanteile nur im Ausmaß bis zu 24,99% des Stammkapitals ausgeben.

3.5.Haftung

Im Unterschied zu den „normalen“ FlexCo-Anteilen sind die Haftungsbestimmungen des §70 Abs1 und2 GmbHG sowie des §83 Abs2 und3 GmbHG für Inhaber eines Unternehmenswertanteils nicht anzuwenden (§9 Abs2 FlexKapGG).

10 Vgl Aubrunner/Fürst, Unternehmenswertanteile der FlexCo, GesRZ2023, 359 (359).

11 Zib, Publikumsschutz und Transparenz im Entwurf zum GesRÄG 2023 und FlexKapGG, NZ2023, 382 (385).

12 Bzw der Errichtungserklärung.

13 Vgl ErlRV 2320 BlgNR 27.GP, 4; siehe auch Aubrunner/ Fürst, GesRZ2023, 359 (360).

3.6.Nachschusspflicht

Eine Nachschusspflicht gemäß §72 GmbHG trifft Inhaber von Unternehmenswertanteilen nicht (§9 Abs2 FlexKapGG).

3.7.Teilnahmerecht

Inhaber von Unternehmenswertanteilen sind nach Maßgabe von §9 Abs4 FlexKapGG von der Leitung der FlexCo ausgeschlossen; sie dürfen allerdings an Generalversammlungen teilnehmen.

3.8.(Eingeschränktes) Stimmrecht

Zudem haben Inhaber von Unternehmenswertanteilen – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen14 – kein Stimm- und Anfechtungsrecht sowie keine Klagebefugnis auf Feststellung der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen.

3.9.Informationsrecht

GmbH-Gesellschafter haben ein umfassendes und grundsätzlich auch unbeschränkbares Informationsrecht.15 Dieses beruht allerdings nur zum Teil auf §22 GmbHG; das vollumfängliche Ausmaß wurde durch die Rechtsprechung des OGH statuiert.16 Via §1 Abs2 FlexKapGG gelten sowohl das GmbHG als auch die dazu ergangene Rechtsprechung ebenso für FlexCo-Gesellschafter.17

Gemäß §9 Abs4 FlexKapGG stehen Unternehmenswertbeteiligten allerdings ausdrücklich nur die Informations- und Einsichtsrechte nach §22 Abs2 und3 GmbHG zu. Die erläuternden Bemerkungen halten dazu ausdrücklich fest, dass die Intention des Gesetzgebers somit war, Unternehmenswertbeteiligten nur die in §22 Abs2 und3 GmbHG genannten, nicht jedoch die durch den OGH entwickelten Informationsund Einsichtsrechte zukommen zu lassen.

3.10.Anspruch auf Bilanzgewinn

Inhaber von Unternehmenswertanteilen haben Anspruch auf Bilanzgewinn (und Liquidationserlös) im Verhältnis ihrer eingezahlten Stammeinlagen (§9 Abs3 FlexKapGG). Eine abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag bzw in der Errichtungserklärung ist zulässig, sofern die Unternehmenswertbeteiligten mit den Gründungsgesellschaftern zwingend gleichbehandelt werden.

3.11.Mitverkaufsrecht

Inhaber von Unternehmenswertanteilen genießen gemäß §10 Abs1 FlexKapGG ein gesetzliches Mitverkaufsrecht. Dieses wird dann schla-

14 Siehe §9 Abs5 und Abs9 FlexKapGG; siehe dazu im Detail auch Aubrunner/Fürst, GesRZ2023, 359 (363f).

15 RIS-Justiz RS0060098; siehe auch Temmel/Peric in Gruber/Harrer, GmbHG2 (2018) §22 Rz45.

16 Vgl Temmel/Peric in Gruber/Harrer, GmbHG2, §22 Rz45.

17 So auch Aubrunner/Fürst, GesRZ2023, 359 (363f).

gend, wenn die Gründungsgesellschafter18 ihre Anteile mehrheitlich verkaufen. Im Gesellschaftsvertrag bzw in der Errichtungserklärung können weitere Mitverkaufsfälle vorgesehen werden.19

3.12.Anteilsbuch und Firmenbuch

Die Inhaber der Unternehmenswertanteile werden nicht im Firmenbuch eingetragen. Das Firmenbuch wird stattdessen den gesamten Ausgabebetrag von allen Unternehmenswertanteilen in tabellarischer Form anzeigen (§9 Abs6 FlexKapGG).

Die FlexCo20 muss ihre Unternehmenswertbeteiligten allerdings in ein Anteilsbuch eintragen (§9 Abs7 FlexKapGG).21 Zudem müssen die Geschäftsführer auch eine Namens- und Anteilsliste beim Firmenbuch anmelden, wobei nur die Namensliste in die Urkundensammlung aufgenommen wird (§9 Abs8 FlexKapGG).

3.13.Umwandlung in „normale“ FlexCo-Anteile

Eine Umwandlung von Unternehmenswertanteilen in „normale“ FlexCo-Anteile ist durch Herabsetzung des Stammkapitals samt entsprechender (ordentlicher) Kapitalerhöhung möglich (§9 Abs9 FlexKapGG).

3.14.Problematik der Einlagenrückgewähr

Soweit das Gesetz keine Sonderbestimmungen für die neue FlexCo enthält, gilt ua auch das GmbHG für Unternehmenswertbeteiligte. § 83 GmbHG regelt das Verbot der Einlagenrückgewähr.

Aus § 83 GmbHG folgt, dass angestellte Gesellschafter kein überhöhtes Gehalt beziehen dürfen. Ist das Gehalt aber fremdunüblich zu hoch, ist der Dienstvertrag im Ausmaß des nicht fremdüblichen Teils des Gehalts nichtig und unwirksam. Die FlexCo ist dann verpflichtet, den zu hohen Betrag zurückzufordern.

Wenngleich die Anwendung des Verbots der Einlagenrückgewähr auf allenfalls zu hohe Gehälter von angestellten Unternehmenswertbeteiligten mE nicht sinnvoll ist, sieht das FlexKapGG eine explizite Ausnahme nicht vor. Da das FlexKapGG die Haftung der Unternehmenswertbeteiligten für überhöhte Gehälter an sie selbst nicht ausdrücklich ausschließt, bleibt

18 Gemäß §10 Abs2 FlexKapGG sind Gründungsgesellschafter jene, die im Gesellschaftsvertrag bestimmt sind und im Zeitpunkt der Einräumung der Unternehmenswertanteile über eine Mehrheit der Geschäftsanteile verfügen.

19 Zur Kritik an der Kaufpreisfindung (Durchschnittsermittlung) siehe zB die Stellungnahme der KSW, 52/ SN-276/ME 27.GP, 4, abrufbar unter https://www.par lament.gv.at/gegenstand/XXVII/SNME/251008 (Zugriff am 20.2.2024).

20 Zu beachten ist, dass §9 Abs7 FlexKapGG eine persönliche Pflicht der Geschäftsführung zur Führung des Anteilsbuches normiert.

21 Siehe dazu im Detail Aubrunner/Fürst, GesRZ2023, 359 (361ff).

zu befürchten, dass § 83 GmbHG somit anwendbar ist.

4.Erwerb eigener Anteile

Eine wesentliche Besonderheit der FlexCo liegt in der erheblichen Erleichterung des Rückerwerbs und der Veräußerung eigener Anteile. Die Regelung stellt eine Mischung aus §65 AktG und §81 GmbHG dar.22

4.1.Zulässige Erwerbsfälle

Der Erwerb eigener Anteile ist in §15 FlexKapGG geregelt. Der Erwerb ist in den folgenden sieben Fällen zulässig:

• unentgeltlicher Erwerb;

• exekutiver Erwerb (Hereinbringung einer Forderung der FlexCo);

• Erwerb im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge;

• Erwerb zur Entschädigung von Minderheitsgesellschaftern;

• Erwerb auf der Grundlage eines Beschlusses der Generalversammlung zum Zweck der Einziehung von Anteilen;

• Erwerb auf der Grundlage eines Beschlusses der Generalversammlung zu jedem erlaubten Zweck;

• Erwerb von Unternehmenswertanteilen.

4.2.Erwerb eigener Anteile durch Dritte

Die Regelungen über den Erwerb eigener Anteile gelten nicht nur für die FlexCo selbst, sondern auch für die Tochtergesellschaften23 sowie für Treuhänder der FlexCo und von Tochtergesellschaften (§18 FlexKapGG).

4.3.Ausmaß

Das Ausmaß eigener Anteile am Stammkapital darf gemäß §15 Abs4 Satz1 FlexKapGG mit „zweckfrei“ erworbenen Anteilen (= Erwerb auf der Grundlage eines Beschlusses der Generalversammlung zu jedem erlaubten Zweck) ein Drittel des Stammkapitals nicht überschreiten. Das Gesetz sieht diese Drittelgrenze ausdrücklich nur für den „zweckfreien“ Erwerb vor; andere Erwerbsfälle sind nicht erfasst.24 Daher ist es zulässig, dass aufgrund anderer Erwerbsfälle die Drittelgrenze überschritten wird.25

4.4.Finanzierung des Erwerbs

Die FlexCo darf ihre eigenen Anteile nur erwerben, wenn der Erwerbspreis aus frei ausschüttbarem Vermögen finanziert werden kann.26 Zur Verfügung stehen somit der Cashflow, der Ge-

22 Vgl Kalss, Die FlexCo, die kleine Schwester der GmbH, die schnell wachsen wird, GesRZ2023, 345 (345).

23 ISd §189a Z7 UGB.

24 Vgl Kalss, GesRZ2023, 345 (349).

25 Vgl Kalss, GesRZ2023, 345 (349).

26 Vgl Rieder, Der Ministerialentwurf zur Einführung der Flexiblen Kapitalgesellschaft (GesRÄG 2023) RdW2023, 465 (465); H.Foglar-Deinhardstein, Die FlexCo als flexible Gesellschafterin ihrer selbst, ÖJZ2023, 911 (913).

winn (einschließlich des Gewinnvortrags aus vergangenen Jahren) und Rücklagen; nicht hingegen gebundene Rücklagen und das Stammkapital.27

4.5.Ruhen der Rechte

Der FlexCo stehen aus den eigenen Anteilen keine Rechte zu (§15 Abs6 FlexKapGG). Die FlexCo hat daher insbesondere keine Stimmund Anfechtungsrechte, und es stehen ihr keine Dividenden zu; zulässig ist es aber natürlich, die Anteile zu veräußern.28

4.6.Pflicht zur Veräußerung der eigenen Anteile

Gemäß §16 Abs1 FlexKapGG muss die FlexCo binnen einer Frist von einem Jahr eigene Anteile veräußern, wenn der Erwerb entgegen den gesetzlichen Bestimmungen29 erfolgt ist.

Ist der Erwerb auf Basis der Bestimmungen des §15 FlexKapGG erfolgt, muss die FlexCo eigene Anteile nur dann zwingend veräußern, wenn der Anteil eigener Anteile die Hälfte des Stammkapitals übersteigt (§16 Abs2 FlexKapGG). Hierfür hat die FlexCo drei Jahre Zeit. Es reicht zudem, wenn „nur“ der die Hälftegrenze übersteigende Anteil veräußert wird. 30

5.Kapitalerhöhungsmaßnahmen

In Anlehnung an das AktG schlägt das FlexKapGG für die FlexCo im Bereich der Kapitalerhöhung neue Wege ein. Die FlexCo hat nunmehr drei Möglichkeiten der Kapitalerhöhung:

• die ordentliche Kapitalerhöhung;

• die bedingte Kapitalerhöhung; und

• das genehmigte Kapital.

5.1.Ordentliche Kapitalerhöhung

Der FlexCo steht – genau wie einer GmbH – die ordentliche Kapitalerhöhung zur Verfügung. Dies ergibt sich aus §1 Abs2 FlexKapGG iVm §52 GmbHG. Für die ordentliche Kapitalerhöhung gilt – im Unterschied zum GmbHG – die Formerleichterung des §12 Abs2 FlexKapGG; für die Übernahmeerklärung ist demnach auch die Form einer anwaltlichen bzw notariellen (Privat-)Urkunde ausreichend. Ansonsten sind die Bestimmungen des GmbHG, die dazu ergangene Rechtsprechung und Literatur zu §52 GmbHG zu beachten.31

27 Vgl Kalss, GesRZ2023, 345 (349).

28 Vgl Kalss, GesRZ2023, 345 (347).

29 Dies sind §15 Abs1, 2 oder4 FlexKapGG.

30 Vgl Kalss, GesRZ2023, 345 (350).

31 Vgl Jaritz, Kapitalerhöhungsmaßnahmen bei der FlexCo, GesRZ2023, 351 (352).

5.2.Bedingte Kapitalerhöhung

Neben der ordentlichen Kapitalerhöhung ist auch eine bedingte Erhöhung zulässig. Die Gesellschafter können eine Erhöhung des Stammkapitals beschließen, die nur so weit durchgeführt werden kann, als von einem unentziehbaren Umtausch- oder Bezugsrecht Gebrauch gemacht wird, das die FlexCo auf die neuen Geschäftsanteile einräumt (§19 Abs1 FlexKapGG).

Bedingte Kapitalerhöhungen dürfen nur

• zur Bedingung von Umtausch- oder Bezugsrechten für Finanzierungsinstrumente aus §22 FlexKapGG,

• zur Vorbereitung eines Zusammenschlusses oder

• zur Einräumung von Anteilsoptionen für Arbeitnehmer

erfolgen. Die Zulässigkeit der bedingten Kapitalerhöhung legt nahe, dass der Gesetzgeber die typischen Mitarbeiterbeteiligungsmodelle (vesting) im Auge gehabt haben dürfte.32

5.3.Genehmigte Kapitalerhöhung

Der Gesellschaftsvertrag der FlexCo kann den Geschäftsführern die Möglichkeit einräumen, für die Dauer von fünf Jahren Geschäftsanteile bis zur Hälfte des Stammkapitals gegen Einlageleistungen auszugeben und somit das Stammkapital zu erhöhen (§21 FlexKapGG). Über die Modalitäten der Ausgabe der Anteile und deren inhaltliche Ausgestaltung entscheiden grundsätzlich die Geschäftsführer.33

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Insbesondere die Liberalisierung des bisweilen eher „steifen“ Gesellschaftsrechts macht die FlexCo mE attraktiv. So sind für den Alltag insbesondere die Möglichkeit der Beschlussfassung in Textform sowie die Übertragung von Anteilen ohne das Erfordernis eines Notariatsakts hervorzuheben. Die Schaffung einer neuen Anteilsklasse, der sogenannten Unternehmenswertanteile, wird sich mE zukünftig im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungen größter Beliebtheit erfreuen. Ebenso sind die Erleichterung des Rückerwerbs und der Veräußerung eigener Anteile sowie die flexiblen Kapitalerhöhungsmaßnahmen von großem praktischem Wert für alle Beteiligten.

Die FlexCo ist daher gekommen, um zu bleiben.

32 So auch Ludvik/Grabmayr, SWK26/2023, 1015 (1018).

33 Vgl Jaritz, GesRZ 2023, 351 (355).

Rechtsprechung Immobilienrecht

Rechtsprechung

Johann Höllwerth

§523 ABGB; §§828 f ABGB; §838a ABGB; §85 EheG immo aktuell 2024/2 Räumungsklage gegen die neue Lebensgefährtin des Ex-Mannes

OGH 22.11.2023, 7 Ob 145/23h

In Verfahren, die der Wahrung des Gesamtrechts dienen, ist jeder Teilhaber (Miteigentümer) allein und ohne Zustimmung der übrigen sowie ohne richterliche Ermächtigung klagebefugt. Allerdings fehlt dem Eingriff eines Dritten die Eigenmacht schon dann, wenn nur ein Teilhaber den Eingriff gestattet hat.

Sachverhalt: [1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnung in Wien (in der Folge: Eigentumswohnung). Dabei handelt es sich um die Ehewohnung. Die Klägerin und ihr geschiedener Ehegatte (in der Folge: Ex-Mann) sind darüber hinaus je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft in Wien samt darauf errichtetem Einfamilienhaus (in der Folge: Liegenschaft oder Einfamilienhaus).

[2] Der geschiedene Ehegatte der Klägerin bewohnt das Einfamilienhaus etwa seit Jahreswechsel 2019/2020. Damals war er aufgrund einer außerehelichen Beziehung aus der Ehewohnung ausgezogen. Bereits vor diesem Zeitpunkt hielt er sich des Öfteren auf der Liegenschaft auf. Die Klägerin hielt sich nur gelegentlich dort auf. Anlässlich des Auszugs zum Jahreswechsel 2019/2020 wurde zwischen der Klägerin und ihrem Ex-Mann die zukünftige Benutzung der Ehewohnung sowie des Einfamilienhauses nicht thematisiert.

[3] Im Jänner 2020 tauschte die Klägerin das Türschloss zur Ehewohnung. Im Zuge des daraufhin eingeleiteten Besitzstörungsverfahrens holte ihr ExMann seine restlichen Sachen ab; seit diesem Zeitpunkt bewohnt die Klägerin die Eigentumswohnung, ihr geschiedener Ehegatte das Einfamilienhaus.

[4] Im Jahr 2020 erfuhr die Klägerin erstmals definitiv davon, dass die Beklagte die Lebensgefährtin ihres geschiedenen Ehegatten ist. Ab 1.1.2020 konnte die Klägerin das Einfamilienhaus nicht betreten, weil ihr Ex-Gatte das Schloss gewechselt hatte. Nachdem sie von ihm mehrfach erfolglos Schlüssel zum Haus gefordert hatte, klagte sie ihn im August 2021 auf Duldung des Zutritts und Aushändigung der Schlüssel. Das Bezirksgericht L* gab dieser Klage Ende Juni 2021 statt. Letztlich erhielt sie die Schlüssel im Mai 2022.

[5] Auch nach Rechtskraft des Scheidungsurteils im August 2021 fanden zwischen der Klägerin und ihrem Ex-Gatten keine Gespräche über die Benützung des Einfamilienhauses statt. Mittlerweile wurde ein gerichtliches Aufteilungsverfahren eingeleitet. Die Klägerin erhielt kein Entgelt für die Benützung der Liegenschaft durch ihren geschiedenen Gatten, er trug aber die Betriebskosten. Die Klägerin hatte nie

ihre Zustimmung zur Benützung der Liegenschaft durch die Beklagte erteilt.

[6] Die Klägerin begehrte mit ihrer am 19.5.2022 eingebrachten Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr die Liegenschaft EZ * binnen vierzehn Tagen geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben.

[7] Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Es liege eine Benützungsregelung vor, wonach der ExGatte der Klägerin die Liegenschaft allein benutzen dürfe. Die Aufnahme einer nahestehenden Person, wie insb einer Lebensgefährtin, sei von dessen Recht auf Benützung der Liegenschaft zu Wohnzwecken abgeleitet und davon gedeckt. Schließlich habe die Klägerin kein Interesse an der Mitbenützung des Einfamilienhauses, weil ein gemeinsames Wohnen mit ihrem Ex-Gatten dort ohnehin nicht in Betracht komme. Letztlich sei die Klageführung rechtsmissbräuchlich, weil es der Klägerin nur darauf ankomme, das Familienleben ihres Ex-Gatten und seine Beziehung zur Beklagten zu stören.

[8] Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Da zwischen der Klägerin und ihrem geschiedenen Gatten keine Benützungsvereinbarung bestehe, könnten beide Miteigentümer zwar die gesamte Liegenschaft benützen, eine Benützung der gesamten Liegenschaft durch Dritte, sofern diese über bloße Besuche hinausgehe, sei allerdings ohne Zustimmung der Klägerin nicht zulässig, sodass die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin als titellose Benützerin anzusehen sei.

[9] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung Folge. Das Erstgericht habe eine Benützungsregelung zwischen den ehemaligen Ehegatten zutreffend verneint. Zutreffend weise die Beklagte aber darauf hin, dass sich das Erstgericht nicht mit anderen Formen des Gebrauchs der gemeinsamen Sache auseinandergesetzt habe, aufgrund dessen die Klägerin nicht gegen die Beklagte durchdringen könne. Der einzelne Miteigentümer dürfe die Sache auch ohne Rücksprache mit den anderen benützen und im Rahmen der Verkehrsübung durch dritte Personen, insb Familienangehörige, Gäste etc, benützen lassen. Die Aufnahme von Lebensgefährten in den eigenen Haushalt zum gemeinsamen Wohnen entspreche der Verkehrsübung. Die Nutzung der Liegenschaft durch die Beklagte sei somit von dem aus dem Miteigentumsrecht abgeleiteten Gebrauchsrecht ihres Lebensgefährten gedeckt. Insofern sei das Eigentumsrecht der Klägerin beschränkt. Die Klage sei daher abzuweisen.

[…] Der OGH gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung: […] [13] 1.1. Eine schon in erster Instanz unterlaufene Nichtigkeit, die auf das Urteil des Berufungsgerichts durchschlägt und vom Berufungsgericht nicht – auch nicht in den Entscheidungsgründen – verneint wurde, kann in der Revision geltend gemacht bzw sonst von Amts wegen berücksichtigt werden (RIS-Justiz RS0042925 [T5, T11, T12]).

[14] 1.2. Für die Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, kommt es auf den Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen an (RS0013639 [T1, T11 ua]).

[15] 1.3. Bei Anhängigkeit eines Aufteilungsverfahrens können auch Ansprüche gegenüber Dritten – bei entsprechender Rechtsgestaltungsbefugnis des Aufteilungsgerichts – ins Außerstreitverfahren fallen. Die Frage, ob einem Dritten Benützungsrechte an einem zur Aufteilungsmasse gehörigen Gegenstand zustehen, ist hingegen nicht im Aufteilungsverfahren zu klären. Klagt also – wie hier – ein geschiedener Ehegatte einen Dritten auf Räumung einer in die Aufteilungsmasse fallenden Wohnung, die nicht Ehewohnung ist, ist der streitige Rechtsweg zu wählen (4Ob 273/97v = RS0108791; Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB5 [2022] §85 EheG

Rz10; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht2 [2022] §85 EheG

Rz13; Garber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB – Klang-Kommentar3 [2019] §85 EheG Rz61).

[16] 1.4. Räumungsklagen wegen titelloser Benützung nach eigenmächtiger Änderung der bestehenden Gebrauchsordnung fallen auch nicht unter §838a ABGB (10Ob 53/08d; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB 4 [2015] §838a Rz4 mwN).

[17] 1.5. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend von der Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges ausgegangen.

[18] 2. Unter Miteigentum versteht man die Teilung des Rechts an der ungeteilten Sache nach Bruchteilen dergestalt, dass jedem Miteigentümer die gleichen Befugnisse an der Sache zustehen, er aber über seinen Anteil nach Belieben verfügen kann. Es steht daher jedem Miteigentümer grundsätzlich auch das Recht auf Benutzung der gemeinsamen Sache zu (RS0044145).

[19] 3.1. Einigen sich die Miteigentümer auf eine bestimmte Aufteilung der Benützung, liegt eine vertragliche Benützungsvereinbarung vor. Dabei werden die Benützungsverhältnisse durch Zuweisung der gemeinschaftlichen Sache oder körperlich begrenzter Teile der Sache zur ausschließlichen Benützung durch einen Teilhaber dauernd oder zumindest für eine bestimmte (längere) Zeit vertraglich geregelt (RS0009664; RS0013577). Sie kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch schlüssig zustande kommen, was etwa bei langjähriger und von allen Miteigentümern unwidersprochen gehandhabter Übung angenommen wird (RS0013638 [T3, T5]; vgl dazu H.Böhm/Palma in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 [Stand 1.8.2017, rdb.at] §828 Rz30; Klausberger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3, §828 Rz9). Im Zweifel ist nicht eine so weitgehende Bindung, sondern bloß eine nicht bindende faktische Gebrauchsregelung anzunehmen (RS0009664 [T1]).

[20] 3.2. Den Vorinstanzen ist zuzustimmen, dass eine schlüssige Benützungsvereinbarung dergestalt, dass der geschiedene Ehegatte der Klägerin das Einfamilienhaus zur Gänze allein nutzen darf, nicht vorliegt. Der Ex-Gatte ist Ende 2019/Anfang 2020 aus der Ehewohnung ausgezogen. Weder damals und auch zu keinem späteren Zeitpunkt wurde die künftige Nutzung der Ehewohnung und des Einfamilienhauses zwischen den beiden thematisiert. Nachdem die Klägerin Anfang des Jahres 2020 das Einfamilienhaus nicht betreten konnte, forderte sie ihren Ex-Gatten zur Aushändigung der Schlüssel auf. Diese bekam sie jedoch erst nach einer erfolgreichen Klagsführung gegen ihn im Jahr 2022. Es mag daher zwar sein, dass die Klägerin bisher faktisch die Nutzung des Einfamilienhauses durch ihren Ex-Gatten geduldet hat, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte für einen diesbezüglichen Rechtsfolgewillen der Klägerin.

[21] 4. Eine faktische Benützungsordnung liegt vor, wenn die Miteigentümer die Benützung der gemeinsamen Sache formlos handhaben, ohne dass im Hinblick auf die gelebte Praxis ein Rechtsfolgewille besteht (Klausberger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3, §828 Rz9; H.Böhm/Palma in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02, §828 Rz30).

[22] 4.1. Grundsätzlich ist jeder Teilhaber berechtigt, die gemeinschaftliche Sache auch ohne vorherige Absprache mit den übrigen Teilhabern zu benützen. Bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit (zB Einfamilienhaus – 4Ob 269/99h) darf jeder Teilhaber die gemeinschaftliche Sache derart gebrauchen, dass er hierdurch den Gebrauch durch die anderen nicht beeinträchtigt. Dabei ist nicht auf abstrakte Gebrauchsmöglichkeiten anderer Miteigentümer abzustellen, sondern auf den konkreten Gebrauch durch den anderen Bedacht zu nehmen (RS0013211 [T7]; RS0013197 [T4]; SproharHeimlich in Schwimann/Kodek, ABGB5, §828 Rz28).

[23] 4.2. Eigenmächtige Veränderungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur an der Substanz oder auch bloß am Gebrauch sowie Verfügungen eines Teilhabers, die in das Anteilsrecht zumindest eines weiteren eingreifen würden, sind rechtswidrig und geben dem anderen Abwehrrechte (1Ob 128/06i; 10Ob 53/08d; 1Ob 145/12y; Sprohar-Heimlich in Schwimann/ Kodek, ABGB5, §829 Rz9; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4, §828 Rz12). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die bisherige Benützung der gemeinschaftlichen Sache auf einer vereinbarten oder richterlichen Benützungsregelung oder einer bloß faktischen Gebrauchsordnung beruht (10Ob 53/08d). Gestattet sind lediglich Änderungen der Benützungsart, die die anderen Miteigentümer nicht beeinträchtigen (1Ob 128/06i; Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB5, §828 Rz29). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer

Veränderung ist die bisherige Ausübung des Mitbesitzes (1Ob 213/07s; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4, §828 Rz9). Ohne Beanspruchung eines konkreten Gebrauchs durch den klagenden Miteigentümer liegt aber keine titellose Benützung durch die anderen Miteigentümer vor (1Ob 213/07s; 9Ob 85/00s; 4Ob 162/20g).

[24] 4.3. In Verfahren, die der Wahrung des Gesamtrechts dienen, ist jeder Teilhaber (Miteigentümer) allein und ohne Zustimmung der übrigen sowie ohne richterliche Ermächtigung klagebefugt (vgl RS0013417; Sailer/Painsi in Bydlinski/Perner/Spitzer, ABGB7 [2023] §828 Rz7; Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB5, §828 Rz21). Dazu gehört etwa die Erhebung einer Räumungsklage gegen titellose Benützer (5Ob 561/93; 10Ob 53/08d; Sailer/ Painsi in Bydlinski/Perner/Spitzer, ABGB7, §828 Rz7; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4, §828 Rz13). Allerdings steht dem Miteigentümer dieses Recht nur insoweit zu, als er sich nicht in Widerspruch zu anderen Miteigentümern setzt (5Ob 46/22h; RS0012114 [T1, T23]; RS0012137 [T10]). In diesem Sinn entspricht es auch der jüngeren Rechtsprechung des OGH zur Negatorienklage (§523 ABGB), dass dem Eingriff eines Dritten die Eigenmacht schon dann fehlt, wenn nur ein Teilhaber den Eingriff gestattet hat (2Ob 155/08w mwN; 5Ob 60/20i; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4, §833 Rz1; Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB5, §833 Rz6; Gamerith in Rummel, ABGB3 [2003] §833 Rz1; anderer Meinung 7Ob 703/87; 6Ob 119/04z; Apathy, Der possessorische Schutz gegenüber Eigenmächtigkeiten eines Miteigentümers, JBl1977, 341 [352]; Klausberger in Fenyves/Kerschner/ Vonkilch, ABGB3, §833 Rz15), wofür insb Vertrauensschutzüberlegungen sprechen (vgl H.Böhm/Palma in Kletečka/Schauer, ABGBON1.02, §833 Rz9). Die zitierte Rechtsprechung zu §523 ABGB muss mangels eines sachlichen Unterschieds auch für die Räumungsklage gelten (vgl schon 3Ob 135/14w; 3Ob 21/13d [obiter]). Den anderslautenden Entscheidungen 7Ob 703/87 und 6Ob 119/04z kann insoweit nicht gefolgt werden.

[25] 4.4. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der ehemalige Gatte der Klägerin den bestehenden Zustand aufrechterhalten und weiterhin mit der Beklagten als Lebensgefährtin im Einfamilienhaus zusammenleben will. Mit ihrer Klage setzt sich die Klägerin als Hälfteeigentümerin in Widerspruch zum Verhalten des anderen Miteigentümers, sodass ihr Klagebegehren gegen die Beklagte als Dritte scheitern muss.

[26] 5. Die Revision der Klägerin ist daher erfolglos.

[27] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§50, 41 ZPO.

Anmerkung

Werden innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung (vgl §95 EheG) oder während eines danach noch laufenden Aufteilungsverfahrens (OGH 26.3.1996, 4Ob 2018/ 96k) das eheliche Gebrauchsvermögen oder die ehelichen Ersparnisse betreffende Ansprüche verfolgt, ist verfahrensrechtlich besondere Vorsicht geboten. §235 Abs1 AußStrG 1854 sah zwingend die Überweisung einer Rechtssache an das zuständige Außerstreitgericht vor, wenn ein Ehegatte innerhalb des genannten Zeitraums Ansprüche gegen den anderen Ehegatten hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse, soweit sie der Aufteilung unterliegen, im streitigen Verfahren geltend machte. Nach der dazu entwickelten Rechtsprechung erfasste die Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges nicht nur Leistungsklagen, sondern auch Klagen auf Feststellung eines dem Aufteilungsverfahren unterworfenen Rechts oder Rechtsverhältnisses (RIS-Justiz RS0008568). Ebenso wurden Rechtsgestaltungsansprüche der Ehegatten auf Zivilteilung ins außerstreitige Verfahren verwiesen (OGH 11.1.1984, 1Ob 767/83; 25.2.1997, 1Ob 35/ 97x). Zu den unter §235 Abs1 AußStrG 1854 fallenden Ansprüchen gehörten auch die Klage eines geschiedenen Ehegatten auf Räumung der zur Aufteilungsmasse gehörenden Ehewohnung (OGH 6.4.1995, 2Ob 1514/95) und Kondiktionsansprüche im Verhältnis zwischen Ehegatten, die sich auf den Aufwand zur Errichtung eines zur Aufteilungsmasse gehörigen Hauses (OGH 13.5.1993, 8Ob 519/93) oder auf den Hälfteanteil an dem einem Ehegatten zugeflossenen Erlös aus der Vermietung von zum ehelichen Gebrauchsvermögen zählenden Wohnungen (OGH 17.3.1999, 9 ObA 356/ 98p) bezogen. Dieser Vorrang des Aufteilungsverfahrens gilt auch nach Aufhebung des §235 Abs1 AußStrG 1854 durch das Außerstreitgesetz 2003, BGBlI 2003/111, weiter (OGH 27.5.2008, 10Ob 16/08p). Damit soll verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde (RS0111605). Wird entgegen diesen Grundsätzen dennoch der – unzulässige – streitige Rechtsweg eingeschlagen, begründet dies Nichtigkeit der Entscheidung und des vorangegangenen Streitverfahrens (vgl OGH 22.12.1994, 2Ob 593/94). Im vorliegenden Fall war allerdings zu entscheiden, ob der Klägerin gegenüber einer dritten Person ein Anspruch auf Räumung einer gegebenenfalls in die Aufteilungsmasse fallenden Wohnung zusteht. Ein solcher Anspruch ist nicht Gegenstand des Aufteilungsverfahrens, womit der streitige Rechtsweg eröffnet war. In der Sache bezieht sich der Senat auf die ständige Rechtsprechung, nach der jedem Teilhaber einer Gemeinschaft das Recht zusteht, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wah-

rung seines Anteilsrechts bedarf (RS0013417). Dies schließt auch die Möglichkeit einer Räumungsklage (vgl OGH 28.11.2017, 9Ob 74/ 17y) und ein Vorgehen gegen den oder gegen einen anderen Miteigentümer ein, der den Mitgebrauch des anderen oder der übrigen Teilhaber beeinträchtigt (vgl OGH 14.8.2008, 2Ob 155/08w). Der Ex-Mann der Klägerin hat deren Mitgebrauch auch tatsächlich gestört, weil er dieser den Zutritt zum Einfamilienhaus unmöglich machte, indem er das Schloss wechselte. Der Ex-Mann stört diesen Mitgebrauch der Kläger mE auch weiterhin, indem er mit seiner Lebensgefährtin das Einfamilienhaus allein benützt, was nahelegen könnte, dass die Klägerin nach der wiedergegebenen Rechtsprechung deshalb gegen ihren Ex-Mann vorgehen könnte. Gegen dessen Lebensgefährtin ist sie nach der vorliegenden Entscheidung allerdings machtlos, weil der ExMann – obwohl er sich damit über den Willen der zweiten Miteigentümerin hinwegsetzt – die Mitbenützung durch die Lebensgefährtin will. Ein einigermaßen sonderbares Ergebnis. Es mag ja sein, dass dem Eingriff eines Dritten die Eigenmacht fehlen kann, wenn ein Teilhaber den Eingriff gestattet; aber gilt das auch dann, wenn sich der gestattende Teilhaber evident gemeinschaftswidrig verhält? Hier mit „Vertrauensschutzüberlegungen“ zu argumentieren (Rn24), überzeugt nicht so ganz, hat doch die Klägerin davor schon die Herausgabe der Schlüssel zum Einfamilienhaus in einem gerichtlichen Verfahren (erfolgreich) erzwungen, womit das rechtswidrige Verhalten des ExMannes ausgewiesen und damit ein „Vertrauen“ auf dessen rechtskonformes Verhalten wohl ausgeschlossen war.

Schließlich harmoniert die Conclusio der vorliegenden Entscheidung, wonach der ehemalige Gatte der Klägerin den bestehenden Zustand aufrechterhalten und weiterhin mit der Beklagten als Lebensgefährtin im Einfamilienhaus zusammenleben will und sich deshalb die Klägerin mit ihrer Klage in Widerspruch zum Verhalten des anderen Miteigentümers setzte, mE nicht mit der zuvor gegebenen Begründung überein. Nach dieser ist der tragende Grund für die Klageabweisung der Umstand, „dass dem Eingriff eines Dritten die Eigenmacht schon dann fehlt, wenn nur ein Teilhaber den Eingriff gestattet hat“. Dass sich die Klägerin in Widerspruch zum Verhalten ihres Ex-Mannes setzt, gilt ja vice versa auch für diesen, sodass daraus mE kein entscheidendes Argument für oder gegen die Berechtigung des Klagebegehrens abgeleitet werden kann.

§1472 ABGB immo aktuell 2024/3

Zum Begriff der „erlaubten Körper“ gemäß §1472 ABGB

OGH 12.9.2023, 4 Ob 69/23k

Im Fall der Errichtung der Gesellschaft durch Gesetz oder aufgrund spezialgesetzlicher Er-

mächtigung sowie Alleingesellschafterstellung der öffentlichen Hand liegt wertungsmäßig eine nach §1472 ABGB privilegierte juristische Person vor, gegen welche eine Ersitzungszeit von 40Jahren erforderlich ist.

Sachverhalt: [1] Klagsgegenständlich sind die Grundstücke 114/1 und 130/1 von Liegenschaften, die sich im Gemeindegebiet der Klägerin befinden und im Eigentum des Beklagten stehen. Über diese beiden Grundstücke führte – bis zu dessen Beseitigung Ende 2017/Anfang 2018 durch den Beklagten – ein Weg mit einer großteils geschotterten Grundfläche und einer durchgehenden Breite im Bereich von 3 bis 3,5m. Der Weg führte im direkten Weiterverlauf von der öffentlichen Gemeindestraße zunächst zu einem geringen Teil über das Grundstück 130/1 und anschließend in einer Rechtskurve über das Grundstück 114/1 vorbei am Vierkanthof des Beklagten bis zu einem Grundstück der Klägerin, das an die öffentliche Landesstraße angrenzt. Der Beklagte erwarb am 5.4.2017 die Liegenschaft mit dem Grundstück 130/1 (Weg). Mit Kaufvertrag vom 17.11.2017 erwarb der Beklagte von der Voreigentümerin, einer im Eigentum der Republik Österreich/Landwirtschaftsministerium stehenden GmbH, das Grundstück 114/1, über das der Großteil des klagsgegenständlichen Weges verläuft. Im Lastenblatt der entsprechenden EZ ist keine Dienstbarkeit des Gehens oder Fahrens eingetragen.

[2] Die klagende Marktgemeinde begehrte 1) die Feststellung, dass ihr gegenüber dem Beklagten als Eigentümer der dienenden Grundstücke 114/1 und 130/1 die Dienstbarkeit des Wegerechts (Benutzung durch einen nicht bestimmbaren Personenkreis zu Geh- und Fahrtzwecken) zustehe; 2) die Einwilligung in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Wegerechts; 3) die Beseitigung der vorgenommenen Aufschüttungen und Absperrungen, sodass der Straßenverlauf wiederhergestellt werde; 4) die Unterlassung von Beeinträchtigungen des Wegerechts, insb durch Aufschüttungen und Absperrungen. Über die beiden Grundstücke führe seit unvordenklicher Zeit, jedenfalls aber seit weit mehr als 30Jahren, ein Weg, der ein als öffentliches Gut dem Gemeingebrauch gewidmetes Grundstück mit der Landesstraße verbinde. Dieser Weg sei als Gemeindestraße seit Jahrzehnten, jedenfalls aber mehr als 30 Jahre, von einem nicht bestimmbaren Personenkreis benutzt worden und dafür habe auch ein Verkehrsbedürfnis bestanden. Er sei faktisch von der Klägerin erhalten und verwaltet worden, die auch den Winterdienst auf ihre Kosten durchgeführt habe. Es sei schon vor Jahrzehnten zur Ersitzung eines Wegerechts durch die Klägerin gekommen. Eine grundbücherliche Einverleibung sei unterblieben, da das Wegerecht seitens der Liegenschaftseigentümer niemals infrage gestellt worden sei. Die Gemeindeorgane seien gutgläubig und hätten den Weg als Teil des öffentlichen Gutes wahrgenommen. Die Benutzung durch die Allgemeinheit sei für den belasteten Liegenschaftseigentümer unübersehbar gewesen. Die Dienstbarkeit sei in einer geradezu exemplarischen Weise offenkundig gewesen, und der Beklagte habe positive Kenntnis darüber gehabt. Er habe daher die beiden Grundstücke mitsamt den Belastungen der Dienstbarkeit zugunsten der Klägerin erworben. Kurz nach Erwerb habe der Beklagte den

Weg beseitigt, indem er diesen aufgeschüttet und planiert und somit unpassierbar gemacht habe.

[3] Der Beklagte wendete ein, die Klägerin habe kein Wegerecht ersessen, da die für die Ersitzung notwendige Frist nicht vorliege, die Klägerin nicht gutgläubig gewesen und der Besitzwille nicht bekundet worden sei. Der Beklagte habe die Liegenschaft gutgläubig erworben, sodass ein allfällig ersessenes Recht mangels Eintragung im Grundbuch verloren gegangen sei. Bereits ein Voreigentümer habe den Weg abgesperrt und schon Mitte der 1980er-Jahre ein Fahrverbotsschild aufgestellt, sodass ab diesem Zeitpunkt jedenfalls die Gutgläubigkeit für eine Ersitzung weggefallen sei. Es sei zu einer Freiheitsersitzung gem §1488 ABGB gekommen. Der Beklagte habe durch die spätestens am 8.12.2017 installierten Absperrungen ein wahrnehmbares Hindernis errichtet, sodass die Benützung des Weges unmöglich gemacht worden sei. Zwar habe die am 19.11.2018 eingebrachte Klage zur Verjährungsunterbrechung gem §1497 ABGB geführt. Diese sei jedoch rückwirkend weggefallen, da die Klägerin das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt habe.

[4] Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Klägerin habe durch Ersitzung gem §1452 ABGB ein Gehund Fahrrecht auf dem klagsgegenständlichen Weg erworben, da dieser sowohl von Anrainern als auch durch Befahrung des Weges mit Gemeindefahrzeugen über einen Zeitraum von 30 Jahren genutzt worden sei. Damit habe die Gemeinde ihren Ersitzungswillen zum Ausdruck gebracht. Die Redlichkeit der Ersitzung sei dadurch gegeben, dass die verbotswidrige Benutzung jahrzehntelang unbeanstandet hingenommen worden sei; dies auch nach Aufstellung des Fahrverbotsschilds, welches zudem nicht behördlich genehmigt worden sei. Vor allem aber sei der Weg zugunsten der Allgemeinheit sehr nützlich, weil sonst das öffentliche Gut eine Sackgasse ohne geeignete Umkehrmöglichkeit wäre. Bei entsprechender Beobachtung wäre der doch immer wieder vorkommende Geh- und Fahrverkehr für jedermann erkennbar gewesen. Zur Ersitzung eines Wegerechts für die Allgemeinheit durch die Gemeinde genüge es, dass alle nach der räumlichen Nähe in Betracht kommenden Personen einen Weg offenkundig zum allgemeinen Vorteil benützen. Ab dem Zeitpunkt, in dem dieses Signal für den Belasteten bzw dessen Rechtsvorgänger unübersehbar werde, beginne die Ersitzung des Wegerechts, wobei der Besitzwille der Gemeinde zu vermuten sei. Aufgrund der Ausgestaltung des Weges im Jahr 2017 sei von einer Offenkundigkeit auszugehen. Bereits sichtbare Fahrrinnen oder eine Befestigung bzw Schotterung des Weges rechtfertigten dies. Vor allem verbinde der streitgegenständliche Weg zwei öffentliche Verkehrsflächen, sodass auch deshalb eine Offenkundigkeit evident sei. Zu einer Freiheitsersitzung nach §1488 ABGB sei es nicht gekommen. Der Beklagte habe die Zufahrt zum klagsgegenständlichen Weg im Dezember 2017 mit einer Kette abgesperrt und damit die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert. Die Klägerin habe mit der am 20.11.2018 eingebrachten Klage eine Verjährungsunterbrechung gem §1497 ABGB bewirkt. Dem Einwand des Beklagten, dass das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt worden sei, sei nicht zu folgen. Als Folge der wirksamen Ersitzung sei die Klägerin auch berechtigt, gegen die Ab-

sperrung und vorgenommenen Umgrabungen/Aufschüttungen im Sinne eines Beseitigungsbegehrens vorzugehen. Aufgrund der Weigerung des Beklagten, die Absperrung zu beseitigen, und der damit einhergehenden Wiederholungsgefahr sei auch das Unterlassungsbegehren berechtigt.

[5] Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung auf. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen sowie dessen rechtliche Beurteilung iZm dem echten und redlichen Besitz, dem Besitzwillen und der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens durch die klagende Gemeinde. Unklar sei allerdings, ob die erforderliche Ersitzungszeit abgelaufen sei, zumal diese gegen die in §1472 ABGB genannten begünstigten Rechtskörper 40Jahre betrage, jedoch bloß der Ablauf von 30Jahren festgestellt sei. Vom Feststellungsmangel sei zwar nur das Grundstück 114/1 betroffen, ein Wegservitut allein auf dem Grundstück 130/1 wäre aber für die Klägerin zwecklos. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen am Grundstück 114/1 sowie zur Nutzung des Weges durch die Allgemeinheit in den letzten 40Jahren vor Erwerb durch den Beklagten zu treffen haben. Das fortgesetzte Verfahren habe sich auf diese Punkte zu beschränken, alle übrigen Streitpunkte seien als endgültig erledigt anzusehen (§496 Abs2 ZPO). Der Rekurs an den OGH sei zuzulassen, da die Anwendung der langen, 40-jährigen Ersitzungsfrist auf juristische Personen des Privatrechts in der neueren Literatur mit ausführlicher Begründung kritisiert werde und der OGH dies in der jüngeren Rechtsprechung zuletzt ausdrücklich offengelassen habe (1Ob 120/10v; 6Ob 74/21g).

[6] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Es seien keine Feststellungen zur Nutzung des Weges in den letzten 40Jahren vor Erwerb durch den Beklagten zu treffen, sondern, wenn auf eine begünstigte Person eine nicht begünstigte als Ersitzungsgegner folge, sei eine Verhältnisrechnung anzustellen. Im Übrigen habe der OGH zu 8Ob 81/21a die Anwendung der 40-jährigen Ersitzungsfrist auf juristische Personen wie der hier maßgeblichen verneint. Es sei daher im gegebenen Fall die Erfüllung der 30-jährigen Ersitzungsfrist ausreichend.

[7] Der Beklagte beantragt mit seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben. Die Voreigentümerin des Grundstücks 114/1 sei durch bzw aufgrund eines Bundesgesetzes gegründet worden, sodass die 40-jährige Ersitzungsfrist anzuwenden sei. Im Übrigen hätten die Vorinstanzen auch die übrigen Voraussetzungen für die Ersitzung unrichtig gelöst, zumal bei Vorliegen eines Verbotsschilds jedenfalls Unredlichkeit gegeben sei und der Klägerin im Hinblick auf die Klagsführung eine ungewöhnliche Untätigkeit anzulasten sei.

[…] Der OGH gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung: […] [9] 1.1. Gem §1472 ABGB reicht gegen den Fiskus, […], gegen die Verwalter der Güter der Kirchen, Gemeinden und anderer erlaubter Körper die gemeine or-

dentliche Ersitzungszeit (von 30Jahren) nicht zu, sondern wird auf 40Jahre ausgedehnt.

[10] 1.2. In der jüngeren Rechtsprechung wurde die Frage der Anwendbarkeit der langen Frist nach §1472 ABGB auf juristische Personen des Privatrechts zunächst offengelassen (1Ob 120/10v; 6Ob 74/21g; 8Ob 73/21z).

[11] 1.3. In der Entscheidung 8Ob 81/21a ist der 8.Senat – indem er sich den in der jüngeren Literatur dargestellten überwiegenden Bedenken anschloss – von der generellen Anwendbarkeit der längeren Ersitzungsfrist gegen juristische Personen des Privatrechts abgegangen. Schon de lege lata könne der Begriff der „erlaubten Körper“ gem §1472 ABGB nicht über die (im Wesentlichen) konzessionspflichtigen und auf Gesetz beruhenden Gesellschaften hinausgehen. Diese Interpretation trage dem historischen Hintergrund Rechnung, dass zum Zeitpunkt der Einführung Erwerbsgesellschaften nur in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hätten gegründet werden können, denen aber mangels eigener Rechtspersönlichkeit die Begünstigung gerade nicht zugekommen sei. Die Beschränkung der Einbeziehung anderer Körperschaften auf jene, deren Entstehung und Eintragung eines Gesetzes oder Verwaltungsakts bedürfe, belasse dem geltenden Gesetz einen klar umrissenen Anwendungsbereich. Dieser würde dem Zweck gerecht, (nur) solche juristischen Personen durch eine längere Ersitzungs- und Verjährungsfrist zu schützen, denen eine, sich in ihren Gründungsvoraussetzungen widerspiegelnde, gesamtgesellschaftliche Bedeutung beigemessen werde und die wegen ihrer Größe und/oder komplexeren Organisationsstruktur typischerweise schwerer als Einzelpersonen in der Lage seien, einen durch Ersitzung oder Verjährung drohenden Rechtsverlust wahrzunehmen und ihm rechtzeitig entgegenzutreten. Ein derartiges besonderes Schutzbedürfnis sei für private, erwerbsorientierte Kapitalgesellschaften und Unternehmer kraft Rechtsform (§2 UGB), die von der Rechtsordnung grundsätzlich strenger behandelt würden als Einzelpersonen, zu verneinen. Jedenfalls falle eine unternehmerisch tätige GmbH, die weder durch oder aufgrund eines Gesetzes gegründet worden sei noch einer bereits für die Firmenbucheintragung vorausgesetzten öffentlichrechtlichen Konzessionspflicht unterliege, nicht unter den Begriff der erlaubten Körperschaft iSd §1472 ABGB.

[12] 2.1. §1472 ABGB sieht jedoch eine längere Ersitzungszeit nicht nur für (andere) „erlaubte Körper“ vor, sondern auch für den „Fiskus“. Daher ist zu prüfen, ob diese Ausnahmebestimmung auch auf von der öffentlichen Hand gegründete („ausgelagerte“) Kapitalgesellschaften anzuwenden ist.

[13] Im vorliegenden Fall war eine der Voreigentümerinnen des Grundstücks 114/1 eine GmbH, die vom Bundesminister für Land- und

Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (BGBl 1996/794) gegründet wurde und deren Alleingesellschafterin die Republik Österreich ist. Die gesetzliche Ermächtigung enthielt zudem detaillierte Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung und Funktion der zu gründenden Gesellschaft. Jedenfalls bei einer solchen Konstellation, nämlich Errichtung der Gesellschaft durch Gesetz oder aufgrund spezialgesetzlicher Ermächtigung sowie Alleingesellschafterstellung der öffentlichen Hand, liegt wertungsmäßig eine nach §1472 ABGB privilegierte juristische Person vor, sodass hier weitere Voraussetzungen, die in der zitierten Entscheidung des 8.Senats angeführt wurden, nicht zu prüfen sind. Vielmehr ist in Hinblick auf die vorliegende Sonderkonstellation für den Zeitraum, während dessen die belastete Liegenschaft im Eigentum der genannten Gesellschaft stand, von einer 40-jährigen Ersitzungszeit auszugehen.

[14] 2.2. Das Erstgericht wird daher im weiteren Verfahren zu prüfen und festzustellen haben, ob das genannte Grundstück innerhalb der Ersitzungszeit weitere Voreigentümer hatte und auf welche Zeitspanne sich das Eigentumsrecht der privilegierten juristischen Person erstreckte, zumal beim Zusammentreffen von nicht begünstigten mit begünstigten Rechtspersonen die Fristen verhältnismäßig zu berechnen wären (RIS-Justiz RS0034135; 6Ob 679/84; Ehgartner in H.Böhm/Palma in Kletečka/Schauer, ABGBON1.04 [Stand 1.2.2020, rdb.at] §1472 Rz8f). Dies wäre freilich dann unerheblich, wenn ohnehin festgestellt würde, dass der Weg seit 40Jahren gutgläubig benützt wurde.

[15] 3. Da bei Rekursen gegen Aufhebungsbeschlüsse zweiter Instanz das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (RS0043939), ist auch auf die – auf Klageabweisung gerichteten –Einwände des Rekursgegners (Beklagten) einzugehen.

[16] 3.1. Der Beklagte macht zunächst geltend, die Klägerin sei nicht redlich gewesen, weil nach der Rechtsprechung ein Verbotsschild die Redlichkeit des Ersitzenden jedenfalls ausschließe. Jene Personen, die das Schild ignoriert und trotz Verbotstafel den Weg befahren hätten, hätten die Unrechtmäßigkeit der Benützung des Weges jedenfalls erkennen müssen.

[17] 3.2. Grundsätzlich gilt, dass das Aufstellen einer Verbotstafel der Redlichkeit des Ersitzungsbesitzers entgegensteht, weil ihm die Unrechtmäßigkeit des Besitzes bzw der Benützung bekannt sein musste (2Ob 280/00s; 4Ob 123/14p; 4Ob 49/16h; 5Ob 1/21i). Die Redlichkeit kann jedoch dennoch gegeben sein, wenn über Jahrzehnte hinweg die Besitzausübung trotz Kenntnis der Nutzung trotz Verbotstafel seitens des Ersitzungsgegners geduldet wird (4Ob 49/16h).

[18] 3.3. Zu 4Ob 49/16h klagte eine Stadtgemeinde auf Feststellung einer Wegeservitut und Wiederherstellung des vorigen Zustands, weil Gemeindebürger einen Weg seit 50Jahren zum Spazierengehen und Fahrradfahren benutzten. Am Anfang des Weges stand ein Fahrverbotsschild (roter Außenkreis mit weißem Innenkreis), in dessen Mitte „Privatweg“ stand. Der Senat hielt die Rechtsansicht der Vorinstanzen für vertretbar, dass trotz Aufstellens des Schildes durch jahrzehntelanges Hinnehmen der verbotswidrigen Verwendung des Weges die Redlichkeit, und somit die Ersitzung durch die Gemeinde, zu bejahen sei. Dies deshalb, weil der bloße Hinweis auf Privateigentum die Redlichkeit nicht zwingend ausschließt, weil die Eigentumsverhältnisse der gutgläubigen Annahme eines Wegerechts nicht entgegenstehen. [19] 3.4. Zu 5Ob 1/21i wurde auf Feststellung einer Dienstbarkeit und Unterlassung künftiger Störungen geklagt, wobei ebenfalls zu beurteilen war, ob an einem Weg eine Servitut durch jahrzehntelange Nutzung ersessen wurde. Am Beginn des strittigen Weges befand sich ein Schild mit der Aufschrift „Privatweg – Durchfahrt verboten“. Der 5.Senat hielt die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Klage abzuweisen war, weil es dem Kläger durch das Vorhandensein des Schildes an der notwendigen Redlichkeit fehlte, für nicht korrekturbedürftig. Dabei wurde ausdrücklich Bezug auf 4Ob 49/ 16h genommen und ausgeführt, dass, anders als in der letztgenannten Entscheidung, die Tafel „Privatweg – Durchfahrt verboten“ nicht bloß als Hinweis auf den Privatbesitz zu verstehen sei, sondern die Zulässigkeit des Befahrens generell ausschließen solle. Die Redlichkeit könne nicht schon wegen nur fallweise (seitens des Ersitzungsgegners) wahrgenommenen unerlaubten Befahrens des Weges angenommen werden. [20] 3.5. Im hier zu beurteilenden Fall wurde nach den Feststellungen in den 1980er-Jahren bloß ein Fahrverbotsschild (roter Außenkreis mit weißem Innenkreis) am Anfang des Weges durch einen Vorvoreigentümer aufgestellt. Seit Jahrzehnten wird das Bestehen dieses Schildes jedoch durch die Benützer des Weges ignoriert, und die Nutzung wurde auch – trotz des Schildes – nicht weiter untersagt oder sonst unterbunden. Erst Ende 2017 wurde eine Absperrvorrichtung (zunächst eine Kette, dann ein Zaun) errichtet. Der gegenständliche Sachverhalt unterscheidet sich von jenem zu 5Ob 1/21i somit darin, dass hier das dauerhafte (jahrzehntelange) Benutzen durch etliche Verkehrsteilnehmer generell (und nicht nur fallweise) hingenommen wurde, ohne eine Sperrvorrichtung oä zu errichten. Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Redlichkeit der Klägerin zu bejahen sei, ist daher beizutreten.

[21] 4.1. Der Beklagte macht weiters geltend, es sei bereits deswegen zu einer Freiheitsersitzung gekommen, weil die Klagseinbrin-

gung die Verjährung nicht unterbrochen habe. Der Beklagte habe nämlich nur bis zum 15.9.2020 auf die Geltendmachung des Einwands der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens verzichtet. Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens sei hingegen erst im Februar 2021 gestellt worden.

[22] 4.2. Keine gehörige Fortsetzung des Verfahrens kann nur dann angenommen werden, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die darauf schließen lässt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr gelegen sei (RS0034765). Das Vereinbaren des Ruhens des Verfahrens ist dabei grundsätzlich neutral zu beurteilen, nur wenn der Kläger selbst nur zögerlich oder nicht ernstlich das Verfahren vorantreibt oder bei objektiver Betrachtung das Verhalten des Beklagten Anlass dazu gibt, anzunehmen, dass weitere Vergleichsversuche sinnlos sind, dann hat der Kläger, der nicht im frühestmöglichen Zeitpunkt die Fortsetzung des Verfahrens begehrt, die Klage nicht gehörig fortgesetzt (RS0034599). [23] 4.3. Die Vorinstanzen haben bereits zutreffend darauf verwiesen, dass die Verzögerungen seitens des (ehemaligen) Vertreters des Beklagten nicht erkennen ließen, dass dieser kein Interesse mehr an Vergleichsverhandlungen habe; vielmehr sei aufgrund der Rückmeldungen des Beklagtenvertreters davon auszugehen gewesen, dass auch der Beklagte Interesse am Vergleich habe. Bis 11.2.2021 fanden Telefonate über den beabsichtigten Vergleich zwischen den Rechtsvertretern der Parteien statt. Wenn dann die Klägerin nach Beendigung dieser Gespräche am 22.2.2021 den Fortsetzungsantrag einbringt, kann bei Gesamtwürdigung des Sachverhalts tatsächlich keine auffallende Untätigkeit der Klägerin angenommen werden. Vielmehr ist von einer Unterbrechung der Verjährung durch Klagseinbringung und gehörigen Fortsetzung des Verfahrens auszugehen.

[24] 4.4. Die Argumente des Beklagten in Richtung fehlende Redlichkeit und Verjährung sind daher nicht stichhältig.

[25] 5. Zusammenfassend ist dem Rekurs der Klägerin nicht Folge zu geben und der angefochtene Aufhebungsbeschluss zur Ergänzung der Feststellungen und Neubewertung der Ersitzungszeit zu bestätigen. […]

Anmerkung

Der Rechtserwerb durch Zeitverlauf (Ersitzung) ist kein Rechtsinstitut, das praktisch nur im ländlichen Raum eine Rolle spielt. In der zitierten Entscheidung OGH 22.4.2022, 8Ob 81/21a, ging es um die fragliche Ersitzung eines Garagenplatzes in Wien. Dort war der Großvater des späteren Beklagten vor inzwischen mehr als hundert Jahren Mieter in einem Haus geworden, das neben einer Liegenschaft mit

einer 1964 eröffneten Tiefgarage steht, in der sich der später strittige Stellplatz befindet. Der Hauseigentümer erlaubte dem Großvater, dessen Fahrzeug in dieser Garage abzustellen. 1970 wurde das Wohnhaus an eine Bank verkauft. Ein Abteilungsleiter dieser Bank gestattete dem Großvater, gratis in der Tiefgarage parken zu dürfen. Die später klagende Garagenbetreiberin (Baurechtseigentümerin) wollte den Stellplatz freibekommen. Bis 2018 war die Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin das konzessionspflichtige Kreditinstitut; auch danach war die Bank Minderheitsgesellschafterin. Der damals erkennende Senat kam zusammengefasst zum Ergebnis, dass jedenfalls eine unternehmerisch tätige GmbH, die weder durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes gegründet wurde, noch einer bereits für die Firmenbucheintragung vorausgesetzten öffentlich-rechtlichen Konzessionspflicht unterliegt, nicht unter den Begriff der erlaubten Körperschaft iSd §1472 ABGB fällt und dieser daher nicht die lange Verjährungsfrist von 40Jahren zugutekommt. Nach §1473 ABGB wirken zwar Begünstigungen der Verjährungs- und Ersitzungsfrist auch gegenüber anderen Personen, die mit dem Begünstigten in Gemeinschaft stehen. Allerdings können die wesentlichen Argumente für die Schutzwürdigkeit und Privilegierung der in §1472 ABGB genannten Körperschaften auf deren bloße Beteiligung an anderen Kapitalgesellschaften, die diese Merkmale selbst nicht aufweisen, nicht übertragen werden. Es besteht nach dieser Vorentscheidung keine erkennbare sachliche Rechtfertigung dafür, einer GmbH wie der Klägerin, die eine Garage betreibt, die Begünstigung des §1472 ABGB nur deswegen zuzubilligen, weil zu ihren Gesellschaftern eine Bank gehört. Die Mitgesellschafterstellung einer konzessionsbedürftigen Kapitalgesellschaft reichte also nicht für die Anwendbarkeit der Privilegierung des §1472 ABGB. Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob diese Ausnahmebestimmung auch auf von der öffentlichen Hand gegründete („ausgelagerte“) Kapitalgesellschaften anzuwenden ist, was der hier erkennende Senat bejaht. Als Eckpfeiler der bisherigen beiden Entscheidungen zum Thema bleibt also, dass für die Anwendbarkeit des §1472 ABGB die Alleingesellschafterstellung –man ist versucht zu sagen natürlich – ausreicht, nicht aber die bloße Beteiligung durch eine begünstigte juristische Person. Bleibt es bei dieser Abgrenzung, dann wird zumindest ein Stück weit vermieden, „dass die […] Erstreckung der Begünstigung bei Gesellschafterwechseln und bei Eingehen weiterer Beteiligungen durch die […] privilegierten Tochtergesellschaften vollkommen unübersichtliche Verhältnisse und kaum mehr nachvollziehbare Auswirkungen auf die maßgeblichen Fristen zur Folge hätte“ (so OGH 22.4.2022, 8Ob 81/21a, Rn30).

Johann Höllwerth

§16 Abs2 Z2 WEG immo aktuell 2024/4 Zum wichtigen Interesse an der Änderung des Wohnungseigentumsobjekts

OGH 9.11.2023, 5 Ob 2/23i

Die Rechtsansicht, wonach der Zweck des Umbaus, nämlich die Nutzung als Ausweichquartier für den Sohn des Antragstellers, der sich aufgrund einer angeborenen Stoffwechselerkrankung insb bei Infektionsgefahr immer wieder von seiner Familie (Ehefrau und zwei Kinder im Kleinkindalter) isolieren muss, kein wichtiges Interesse begründe, ist keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Sachverhalt: [1] Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Wien. Es bestehen 13Wohnungseigentumsobjekte: elf Wohnungen und zwei im Souterrain des Hauses gelegene Werkstätten. Die Kellerabteile sind allgemeine Teile der Liegenschaft, sie wurden im Rahmen einer Benützungsvereinbarung den einzelnen Wohnungseigentumsobjekten zugeordnet.

[2] Der Antragsteller ließ die in seinem Wohnungseigentum stehende Werkstätte und die zwei diesem Objekt zugewiesenen Kellerabteile von August 2014 bis September 2015 zu einer Wohnung umbauen. Gegenstand des Verfahrens ist sein im November 2018 gestellter Antrag auf nachträgliche Zustimmung zu diesem Umbau und zur Umwidmung (§52 Abs1 Z2 WEG iVm §16 Abs2 WEG).

[3] Das Erstgericht gab dem Antrag mit bestimmten „Einschränkungen“ statt.

[4] Das Rekursgericht gab (nur) dem Rekurs der Erstantragsgegnerin Folge und wies den Antrag zur Gänze ab.

[…] Der OGH wies den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers zurück.

Rechtliche Beurteilung: […] [6] 1. Wenn der Wohnungseigentümer nicht allein die Genehmigung der Widmungsänderung, sondern zugleich auch die Genehmigung entsprechender baulicher Änderungen begehrt, sind diese Änderungen in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Die einzelnen Maßnahmen sind also nicht in die Kategorien der Z1 und Z2 des §16 Abs2 WEG einzuordnen und gesondert alleine nach den jeweils für die einzelne Kategorie aufgestellten Erfordernissen zu beurteilen. Greifen die baulichen Maßnahmen in allgemeine Teile der Liegenschaft ein, ist daher nach §16 Abs2 Z2 WEG die Verkehrsüblichkeit oder ein wichtiges Interesse des Wohnungseigentümers erforderlich (5Ob 38/19b; vgl auch 5Ob 15/21y; RISJustiz RS0083309 [T2]).

[7] Die gesonderte Beurteilung der einzelnen Maßnahmen wäre nur zulässig, wenn diese –anders als hier – in keinem untrennbaren Zusammenhang stehen. Kein untrennbarer Zusammenhang besteht (und deren gesonderte Beurteilung ist zulässig), wenn einerseits die Umwidmung und die baulichen Adaptierungen aus objektiver Sicht faktisch voneinander getrennt werden können, die baulichen Änderungen zur

Herstellung der neuen Nutzungsmöglichkeit also nicht zwingend notwendig sind, und andererseits der Antragsteller ausreichend klar zum Ausdruck bringt, dass (auch) er die Änderungsbegehren nicht als untrennbare Einheit ansieht und insb die Widmungsänderung auch unabhängig von den Umbaumaßnahmen anstrebt (5Ob 38/19b). Auch wenn ein Wohnungseigentümer seinen Antrag ausdrücklich auf die Widmungsänderung beschränkt, sind die mit der angestrebten Widmungsänderung objektiv notwendig verbundenen Baumaßnahmen in die Beurteilung der Zulässigkeit der Widmungsänderung einzubeziehen (5Ob 15/21y; 5Ob 38/ 19b = RS0083040 [T1]).

[8] 2. Der Antragsteller bestreitet nicht, dass für die Genehmigungsfähigkeit der Umwidmung und des bereits durchgeführten Umbaus eine der beiden positiven Voraussetzungen iSd §16 Abs2 Z2 WEG gegeben sein muss. Schon im Rekursverfahren machte der Antragsteller in diesem Zusammenhang nur noch geltend, sein wichtiges Interesse an den Änderungen bestehe darin, seinem schwer kranken Sohn ein Ausweichquartier im Wohnhaus der Eltern und in nahezu ebenerdiger Lage zu verschaffen. Nach der Rechtsansicht des Rekursgerichts erfüllt dieser Wunsch jedoch die in der Rechtsprechung des OGH zum wichtigen Interesse iSd §16 Abs2 Z2 WEG entwickelten Kriterien nicht.

[9] Zum wichtigen Interesse des änderungswilligen Wohnungseigentümers iSd §16 Abs2 Z2 WEG liegt umfangreiche Judikatur des OGH vor. Danach ist ein „wichtiges Interesse“ nicht jeder bloße, wenn auch verständliche oder von achtenswerten Motiven getragene Wunsch (RS0083341). Für das Vorliegen eines wichtigen Interesses des Wohnungseigentümers an einer Änderung seines Objekts ist vielmehr darauf abzustellen, ob die Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen (RS0083341 [T18]; RS0083345 [T16]). Zweckmäßigkeitserwägungen oder eine Steigerung des Wohn- und Verkehrswerts des Objekts genügen hingegen für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht (RS0083341 [T4]; RS0083345 [T7]; vgl auch RS0110977). Ein weiteres Beurteilungskriterium ist das konkrete Ausmaß der Inanspruchnahme allgemeiner Liegenschaftsteile und deren Verhältnismäßigkeit zur Wichtigkeit des Interesses des änderungswilligen Wohnungseigentümers (5Ob 36/22p; RS0083341 [T9]).

[10] Die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer §16 Abs2 WEG zu unterstellenden Änderung unter dem Gesichtspunkt des wichtigen Interesses hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind. Bei dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber dem Außerstreitrichter einen Ermessensspielraum einge-

räumt (RS0083309 [T16]; RS0083341 [T23]; RS0083345 [T20]). Solange dieser nicht überschritten wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage iSd §62 Abs1 AußStrG vor. Nur in Fällen einer auffallenden, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hätte der OGH korrigierend einzugreifen (5Ob 36/22p mwN). Das ist hier aber nicht der Fall.

[11] Das Rekursgericht ging von einem richtigen Verständnis der von der Rechtsprechung des OGH zur Voraussetzung des wichtigen Interesses iSd §16 Abs2 Z2 WEG entwickelten Grundsätze aus. Dessen Rechtsansicht, die Zweckdienlichkeit des umgebauten Objekts zur Nutzung als Ausweichquartier für den 1982 geborenen Sohn des Antragstellers, der sich aufgrund einer angeborenen Stoffwechselerkrankung insb bei Infektionsgefahr immer wieder von seiner Familie (Ehefrau und zwei Kinder im Kleinkindalter) isolieren muss, begründe kein solches wichtiges Interesse, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und des den Gerichten bei dieser Einzelfallbeurteilung eingeräumten Ermessensspielraums.

[12] Der Begriff des „wichtigen Interesses“ in §16 Abs2 Z2 WEG stellt auch auf individuelle Gegebenheiten und die Nachvollziehbarkeit des Wunsches des Wohnungseigentümers nach der konkreten Veränderung ab (5Ob 36/22p). Das wichtige Interesse ist also anhand der subjektiven Umstände in der konkreten Sphäre des Wohnungseigentümers zu beurteilen (zu §9 MRG: 5Ob 139/18d; RS0069695) und kann damit auch auf persönlichen Bedürfnissen beruhen (vgl etwa 5Ob 218/19y [Errichtung eines Behindertenlifts]). Aber nicht jeder verständliche oder von beachtenswerten Motiven getragene Wunsch reicht aus. Der Wunsch des Wohnungseigentümers nach der konkreten Veränderung muss vielmehr, um schützenswert zu sein, fast an eine Notwendigkeit der Durchführung der Veränderung reichen, um dem Wohnungseigentümer das weitere Bewohnen seiner Wohnung nach heute üblichem Standard zu ermöglichen (5Ob 36/22p; RS0083341 [T11]).

Nach der Rechtsansicht des Rekursgerichts begründet die erst Jahre nach Durchführung des Umbaus der Werkstätte und der Aufnahme ihrer Verwendung als Wohnung bedeutsam gewordene Möglichkeit, dem Sohn ein aus medizinischen Gründen gebotenes Ausweichquartier mit den besonderen Vorzügen der Nähe zu den Eltern und einem fast barrierefreien Zugang zu bieten, schon angesichts der bestehenden Alternativen zur Deckung dieses Bedarfs kein diesem Bestreben gleichzuhaltendes Interesse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung der Änderung iSd §16 Abs2 Z2 WEG. Diese Beurteilung des Rekursgerichts ist angesichts der gesamten festgestellten Lebensumstände des Sohnes (und trotz des missverständlichen Verweises auf die Eigenbedarfskündigung nach §30 Abs2 Z8 MRG) nicht korrekturbedürftig.

[13] 3. Die weiteren vom Antragsteller als erheblich iSd §62 Abs1 AußStrG bezeichneten Rechtsfragen iZm der vom Rekursgericht bejahten Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Erstantragsgegnerin (§16 Abs2 Z1 WEG) sind daher im vorliegenden Fall nicht zu lösen. Unterliegt nämlich schon die vom Rekursgericht primär herangezogene Begründung mangels erheblicher Rechtsfrage nicht der inhaltlichen Nachprüfung durch den OGH, kann auch die nur hilfsweise herangezogene Begründung nicht an den OGH herangetragen werden (RS0042736 [T2]).

[14] Die Frage, ob der Umstand, dass die Erstantragsgegnerin zufolge Umwidmung des Objekts von Werkstätte in Wohnung bei Ausübung des ihr vertraglich eingeräumten Vorkaufsrechts einen höheren Kaufpreis zu zahlen hätte, deren schutzwürdige Interessen als Wohnungseigentümerin iSd §16 Abs2 Z1 WEG zu beeinträchtigen vermag, kann daher ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob durch die Umwidmung der Werkstätte in eine Wohnung zufolge des Rücksichtnahmegebots die Nutzung der im Wohnungseigentum der Erstantragsgegnerin stehenden zweiten Werkstätte iSd §16 Abs2 Z1 WEG beeinträchtigt. Gleiches gilt für die Auseinandersetzung mit der vom Erstgericht von Amts wegen verfügten Einschränkung der Duldungsverpflichtung und dem damit verbundenen Verstoß gegen die Bedingungsfeindlichkeit der rechtsgestaltenden Entscheidung im Verfahren nach §52 Abs1 Z2 WEG iVm §16 Abs2 WEG (vgl 5Ob 173/19f). Von all diesen Fragen hängt die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht ab; diesen kommt hier vielmehr nur theoretische Bedeutung zu. Die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen ist aber nicht Aufgabe des OGH (RS0111271 [T2]; RS0088931). […]

Anmerkung

Der Antragsteller begehrte offenbar die Umwidmung der Werkstätte in eine Wohnung (Rn13). Dem Rekursgericht dürfte missfallen haben, dass der Umbau und die Verwendung schon Jahre vor der Antragstellung erfolgten und das behauptete wichtige Interesse, nämlich die gesundheitlichen Bedürfnisse des Sohnes, offenbar auch erst längere Zeit nach dem Umbau schlagend geworden sind (Rn12). Diese Umstände mögen zwar ein wenig sympathisches eigenmächtiges Verhalten des Antragstellers dokumentieren; rechtlich ist allerdings die Sachlage zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Unter diesem Gesichtspunkt ließe sich angesichts des gesundheitlichen Bedarfs des Sohnes des Antragstellers durchaus ein gewisses Verständnis für die Annahme eines wichtigen Interesses aufbringen. Welche „bestehenden Alternativen zur Deckung dieses Bedarfs“ dem entgegengestanden sind, lässt sich der Begründung nicht entnehmen. Einmal mehr bleibt die Erkenntnis, dass bei Entscheidungen über

die Genehmigung von Änderungen nach §16 Abs2 WEG den Rekursgerichten in aller Regel die „Deutungshoheit“ zukommt und ein Revisionsrekurs – von extremen Fehlbeurteilungen abgesehen – nahezu aussichtlos ist. Der finanzielle Aufwand für ein solches Rechtsmittel ist daher meist besser in den Rückbau einer bereits erfolgten Änderung oder in eine vergleichsweise Einigung mit den „gegnerischen“ Wohnungseigentümern investiert.

Johann Höllwerth

§24 Abs6 WEG; §94 Z35 GewO 1994 immo aktuell 2024/5

Der nicht gewerblich konzessionierte

Immobilienverwalter als WEG-Verwalter

OGH 11.1.2024, 5 Ob 68/23w

Das Fehlen einer allenfalls erforderlichen Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter (§ 94 Z 35 GewO 1994) ist kein Verstoß gegen zwingende Vorschriften des WEG über die Verwaltung iSd §24 Abs 6 WEG.

Sachverhalt: [1] Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft.

[2] Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung des Umlaufbeschlusses der Eigentümergemeinschaft, mit dem eine nicht am Verfahren beteiligte deutsche Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zur Verwalterin der Liegenschaft bestellt wurde.

[3] Das Erstgericht wies die zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbundenen Anträge der Antragsteller, diesen Umlaufbeschluss infolge Unwirksamkeit mit Ex-tunc-Wirkung aufzuheben, ab.

[4] Nach §24 Abs6 WEG könne jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass die Rechtsunwirksamkeit eines Beschlusses ua wegen Gesetzwidrigkeit gerichtlich festgestellt werde. Dieses Anfechtungsrecht der Minderheit solle aber nur die Einhaltung zwingender Bestimmungen des WEG garantieren. Auf die Argumentation der Antragsteller, die bestellte Verwalterin erfülle die österreichischen gewerberechtlichen Voraussetzungen nicht, sei daher nicht einzugehen. Ein Verstoß gegen allgemeine Normen des Verwaltungsrechts sei von dem Anfechtungsgrund der Gesetzwidrigkeit nicht erfasst, sofern nicht durch die bewusste Missachtung gesetzlicher Vorschriften schwere wirtschaftliche Nachteile drohten. Ein solcher Nachteil sei hier nicht erkennbar. Zwar könnten allenfalls auch noch „krasse“ Verstöße gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einen Anfechtungsgrund bilden. Ein solcher krasser Verstoß liege hier aber nicht vor. Es sei nicht zu erkennen, warum eine in Deutschland ansässige Hausverwaltung diese Tätigkeit (nahezu ausschließlich Büroarbeit) nicht ebenso gut wie ein ortsansässiger Hausverwalter erledigen könne, und auch das Honorar sei jedenfalls nicht dermaßen überzogen.

[5] Das Rekursgericht gab den Rekursen der Antragsteller nicht Folge.

[6] Für den Anfechtungsgrund der Gesetzwidrigkeit seien nur die Bestimmungen des WEG maßgeblich und nach diesen sei die Bestellung eines deutschen Unternehmens zum Verwalter zulässig. Es gebe insb keine Verpflichtung, nur jemanden zum Verwalter zu bestellen, der über eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes des Immobilienverwalters (§94 Z35 GewO 1994) verfüge. Bestellungsfähig seien also nicht nur gewerblich konzessionierte Immobilienverwalter, sondern auch Privatpersonen, einschließlich eines zu diesem Zweck gegründeten Vereins, sofern diese nicht gewerbsmäßig iSd Gewerbeordnung (GewO), also in Gewinnabsicht tätig würden. Die bestellte Verwalterin habe eine Dienstleistungsanzeige nach §373a Abs4 GewO 1994 erstattet. Die Auslegung dieser Gesetzesbestimmung und der dort gebrauchten Wendung „vorübergehend und gelegentlich“ habe unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundlagen, insb der Aussagen des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit und zur Niederlassungsfreiheit zu erfolgen, weil die GewO 1994 insoweit die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen umsetze.

[7] Ausgehend von diesen unionsrechtlichen Grundlagen und dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt werde die hier bestellte Verwaltung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit und nicht der Niederlassungsfreiheit tätig; sie bedürfe somit keiner österreichischen Gewerbeberechtigung. Ob das Fehlen einer notwendigen Gewerbeberechtigung eine Gesetzwidrigkeit des Bestellungsbeschlusses iSd §24 Abs6 WEG bedeutete, sei daher nicht weiter zu untersuchen.

[8] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich zu. Zu der vom Rekursgericht nicht weiter untersuchten Frage, ob das Fehlen einer notwendigen Gewerbeberechtigung eine Gesetzwidrigkeit des Bestellungsbeschlusses iSd §24 Abs6 WEG bedeute, gebe es (außer den in der Entscheidung genannten, nicht weiter begründeten Zitaten) keine veröffentlichten Rechtsmeinungen. Sei dies zu bejahen, komme auch der Frage, ob in einem Fall wie dem vorliegenden eine österreichische Gewerbeberechtigung eines im Ausland sitzenden Verwalters notwendig sei oder eine Dienstleistungsanzeige nach §373a Abs4 GewO 1994 ausreiche, erhebliche Bedeutung iSd §62 Abs1 AußStrG zu.

[…] Der OGH gab dem Revisionsrekurs des Erstantragstellers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung: […] [12] 1. Jeder Wohnungseigentümer kann nach Maßgabe des §24 Abs6 WEG einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit anfechten.

[13] 2. Der Anfechtungsgrund der Gesetzwidrigkeit soll nicht im Ergebnis auf eine generelle Inhaltskontrolle der Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung hinauslaufen. Der Begriff der „Gesetzwidrigkeit“ ist daher nach ständiger Rechtsprechung des OGH einschränkend zu interpretieren. Nur ein Verstoß gegen zwingende Vorschriften des WEG über die Verwal-

tung und „krasse“ Verstöße gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit machen einen Beschluss gesetzwidrig (5Ob 144/05w; 5Ob 7/18t mwN; RIS-Justiz RS0120092).

[14] Ein Verstoß gegen allgemeine Normen, insb solche des Verwaltungsrechts, ist daher keine zur Anfechtung des Beschlusses berechtigende Gesetzwidrigkeit iSd §24 Abs6 WEG. Anderes gilt nur für den Fall, dass der Eigentümergemeinschaft durch die Missachtung solcher gesetzlicher Vorschriften schwere wirtschaftliche Nachteile drohen; darin liegt dann nämlich allenfalls ein krasser Verstoß gegen die Grundsätze der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (5Ob 144/05w; 5Ob 113/08s). Von diesem Ausnahmefall abgesehen hat das Gericht daher im Verfahren über die Anfechtung eines Beschlusses verwaltungsrechtliche Fragen nicht als Vorfrage selbständig zu beurteilen (vgl 5Ob 144/05w [baurechtliche Bewilligungsfähigkeit einer Maßnahme]).

[15] 3. Nach §19 Satz1 WEG 2002 kann die Eigentümergemeinschaft sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person zum Verwalter bestellen. Weitere Merkmale des Verwalters sind im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Der Verwalter kann daher selbst Wohnungseigentümer oder ein der Eigentümergemeinschaft nicht angehörender Dritter sein; er kann die Verwaltungstätigkeit gewerblich oder auch nur im Einzelfall ausüben. Das WEG sieht also nicht vor, dass nur eine Person zum Verwalter bestellt werden kann, die auch über eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter (§94 Z35 GewO 1994) verfügt. Das Fehlen einer solchen Gewerbeberechtigung macht die Verwalterbestellung also nicht unzulässig (Schauer in Illedits, Wohnrecht4 [2022] §19 WEG Rz6f; Schatzl/Spruzina, GeKo Wohnrecht II [Stand 15.10.2018, rdb.at] §19 WEG Rz9; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 [2015] §19 WEG Rz4; Kothbauer in Dirnbacher, Praxiskommentar WEG 2017 [2017] 314; vgl auch 5Ob 239/ 16g; RV989 BlgNR 21.GP, 55).

[16] In der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 5Ob 27/76 (MietSlg 29.504) verweist der OGH zwar darauf, dass eine Privatperson nur dann erlaubterweise zum Verwalter bestellt werden könne, sofern diese nicht gewerbsmäßig iSd GewO, also in Gewinnabsicht, tätig werde. Diese Entscheidung erging jedoch zur Rechtslage nach dem WEG 1975, das keine mit §19 Satz1 WEG vergleichbare Regelung über die Bestellung des Verwalters vorsah (vgl RV989 BlgNR 21.GP, 55), und in einem Verfahren über den Antrag auf Abberufung des Verwalters, einem zur Verwaltung der Liegenschaft gegründeten Verein, wegen grober Pflichtverletzung (§15 Abs1 Z5 WEG 1975, §18 Abs1 Z3 WEG 1975). Der OGH ließ dort die Frage der Ge-

werbsmäßigkeit in der Folge letztlich offen, weil unter einer die Abberufung des Verwalters rechtfertigenden groben Pflichtverletzung nur eine wesentliche Beeinträchtigung der Interessen der Miteigentümer unter Beachtung ihrer Individualrechte zu verstehen sei. Verwaltungsbehördliche Ahndungen wegen unbefugter Ausübung der Verwaltertätigkeit könnten aber nur den Verwalter, nicht aber die Miteigentümer als solche treffen. Die wohnungseigentumsrechtliche Unzulässigkeit der Bestellung einer „Privatperson“, also einer Person, die nicht über eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter verfügt, in dem Fall, dass diese Person die Verwaltung gewerbsmäßig ausübt bzw auszuüben beabsichtigt, lässt sich daher aus 5Ob 27/76 nicht ableiten.

[17] Der OGH berief sich in dieser Entscheidung auf Faistenberger/Barta/Call, Kommentar zum WEG, 375f, die im Rahmen der Auflistung der erlaubterweise zu bestellenden Personen bei den Privatpersonen einschränkend hinzufügen, das gelte nur, sofern sie nicht gewerbsmäßig iSd GewO tätig würden; dies aber offenbar mit Blick auf die für diese Personen geltenden gewerberechtlichen Schranken für die Ausübung der Verwaltung und ohne jeglichen Bezug auf eine wohnungseigentumsrechtliche Vorgabe. Auch E.M.Hausmann (in Hausmann/Vonkilch, WEG4 [2017] §19 Rz13), die unter Hinweis auf die Entscheidung 5Ob 27/76 die Bestellungsfähigkeit von Privatpersonen nur bejaht, soweit nicht Gewerbsmäßigkeit vorliegt, begründet dies nicht näher.

[18] Eine solche, zuletzt auch in 5Ob 239/ 16g obiter, referierte Einschränkung der Zulässigkeit der Bestellung einer Person, die über keine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter verfügt, ergibt sich weder aus §19 Satz1 WEG 2002 noch aus anderen Bestimmungen des WEG 2002. Es sind auch keine teleologischen Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen, die Eigentümergemeinschaft, die selbst diesen Normen nicht unterworfen ist, zur Berücksichtigung der gewerberechtlichen Vorgaben zu verpflichten, indem man die Zulässigkeit der Bestellung einer Person zum Verwalter und/oder die Aufrechterhaltung der Bestellung an deren Erfüllung knüpft. Darauf, ob der zu bestellende Verwalter diese Tätigkeit (zu dem für die Beurteilung der Gesetzwidrigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung) gewerbsmäßig auszuüben beabsichtigt und gegebenenfalls über die dann dafür erforderliche Gewerbeberechtigung verfügt, kommt es daher aus wohnungseigentumsrechtlicher Sicht nicht an.

[19] 4. Das Fehlen einer allenfalls erforderlichen Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter (§94 Z35 GewO 1994) ist damit kein Verstoß gegen zwingende Vorschriften des WEG über die Verwaltung iSd §24 Abs6 WEG. Die Frage, ob die im

vorliegenden Fall zur Verwalterin bestellte deutsche Unternehmergesellschaft für die Ausübung dieser Tätigkeit eine österreichische Gewerbeberechtigung braucht oder eine Dienstleistungsanzeige nach §373a Abs4 GewO 1994 ausreicht, ist damit in diesem Verfahren nicht ausschlaggebend und bloß theoretischer Natur. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des OGH (RS0111271 [T2]). […]

Anmerkung

Dem vom Fachsenat gewonnenen Ergebnis, wonach das Fehlen einer allenfalls erforderlichen Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter (§94 Z35 GewO 1994) keinen Verstoß gegen zwingende Vorschriften des WEG über die Verwaltung iSd §24 Abs6 WEG begründet, ist wohl zuzustimmen. Diese Rechtsansicht legt dann vermutlich auch den Schluss nahe, dass allein das Fehlen einer gegebenenfalls notwendigen Gewerbeberechtigung keinen wichtigen Grund nach §21 Abs3 WEG für die Kündigung des Verwaltungsvertrags liefert. Anders könnte Letzteres freilich dann zu beurteilen sein, wenn der Verwalter infolge fehlender Konzession so weit in Verwaltungsverfahren und/oder wettbewerbsrechtliche Verfahren (zB Unterlassungsklagen) verstrickt wird, dass die zielführende Wahrnehmung seiner Aufgaben ernstlich infrage gestellt ist.

Johann Höllwerth

§18 Abs6 HbG immo aktuell 2024/6 Kündigung des Hausbesorgers

OGH 11.1.2024, 8 ObA 1/24s

Das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach §18 Abs6 litd HbG setzt nicht zwingend voraus, dass der Posten bereits im Kündigungszeitpunkt aufgelassen worden wäre und die Tätigkeiten bereits anderweitig verrichtet würden; vielmehr genügt der Nachweis, dass die ernste und konkrete Absicht besteht, dies künftig so zu gestalten.

Rechtliche Beurteilung: [1] 1.1. Nach §18 Abs6 Satz1 HbG kann der Hauseigentümer, wenn dem Hausbesorger eine Dienstwohnung zusteht, nur aus erheblichen Gründen kündigen. Solche Gründe liegen gem §18 Abs6 litd HbG dann vor, „wenn der Hausbesorgerposten überhaupt aufgelassen wird“. Der Hauseigentümer hat wichtige Gründe für die Auflassung des Hausbesorgerpostens und die ernste Absicht der Auflassung nachzuweisen (RIS-Justiz RS0063161). Eine Auflassung des Postens ist anzunehmen, wenn Eigentümer oder Mieter des Hauses die gesamten Hausbesorgerarbeiten unentgeltlich übernehmen oder wenn diese von deren Bediensteten im Rahmen ihrer sonstigen Beschäftigung ohne zusätzliche Entlohnung verrichtet werden (RS0063177). Die Auflassung

des Hausbesorgerpostens darf nicht zum Schein erfolgen, etwa um einen Hausbesorger, gegen den andere Kündigungsgründe nicht zu Gebote stehen, auf diese Weise kündigen zu können (RS0063170). Durch bloße Teil- oder Behelfslösungen können die Gesamtheit der Hausbesorgertätigkeiten und damit der Hausbesorgerposten nicht substituiert werden (RS0063174; RS0063167), weil der Posten dadurch nicht überflüssig wird (vgl 8ObA 21/21b mwN).

[2] 1.2. Die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungsgrund vorliegt, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd §502 Abs1 ZPO, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen (vgl nochmals 8ObA 21/21b). Das ist hier nicht der Fall.

[3] 2. Der sich seit Juli 2023 in Altersteilzeit befindliche Kläger ist Eigentümer des zweistöckigen Hauses, in dem sich fünf Wohneinheiten befinden. Er beabsichtigt ernsthaft und unbedingt, den seit 1981 von der Beklagten innegehabten Hausbesorgerposten aufzulassen und danach alle anfallenden Hausbesorgertätigkeiten selbst zu verrichten, nämlich konkret insb: Gehsteigreinigung; Haustorsperre; Kehren, Aufwaschen und Wartung (Licht, Feuerlöscher) von Stiegenhaus und Einfahrt; Kellerbegehung und -reinigung; Hofkehrung und Müllbehälterreinigung; Gartenpflege und -kontrolle; Reinigung und Sperre der ehemaligen Waschküche; Zugänglichkeit, Kontrolle und Reinigung von Dach, Dachboden und Dachrinnen; sowie Winterdienst, wobei der Kläger bereit ist, für die Räumung des straßenseitigen Gehsteigs auf eigene Kosten wie schon bisher einen externen Winterdienst als zusätzliche Absicherung zu beauftragen. Die Lebensgefährtin des Klägers und seine Mutter, die beide im Haus wohnen, eine Mieterin im Haus und der seit Herbst 2023 ebenfalls in Altersteilzeit befindliche, andernorts wohnende Bruder des Klägers sind bereit, für diesen im Verhinderungsfall kurzfristig auch für den Winterdienst unentgeltlich einzuspringen. Der Kläger möchte den Hausbesorgerposten auflassen, weil er subjektiv mit Umfang und Qualität der Verrichtung der Hausbesorgertätigkeiten durch die Beklagte und/oder deren Vertreter seit zumindest 2016 nicht zufrieden ist; weiters möchte er Betriebskosten einsparen sowie die der Beklagten zur Nutzung überlassene Hausbesorgerwohnung und eine daneben liegende freistehende Wohnung sanieren und zusammenlegen, um sich dadurch eine weitere Einkommensquelle durch Vermietung einer höherwertigen Wohnung zu schaffen. Die 1947 geborene Beklagte ist seit 2012 nicht mehr in der Lage, die Hausbesorgertätigkeiten selbst zu verrichten, sondern wurde seit zumindest 2012 von ihrem Ehegatten sowie ihren andernorts wohnenden Kindern, Sohn und Tochter, vertreten. Seit dem Tod ihres Gatten 2021 vertritt sie nur noch ihr Sohn. Der Kläger erhob die gegen-

ständliche Aufkündigung deshalb nicht früher, weil er nach Rechtsberatung der Ansicht war, dass er das erst tun könne, sobald er in Altersteilzeit sei.

[4] 3. Von diesem zusammengefassten Sachverhalt ausgehend haben die Vorinstanzen das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach §18 Abs6 litd HbG übereinstimmend bejaht. Dies hält sich im Rahmen des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Entscheidungsspielraums.

[5] 4. Gegen diese Beurteilung vermag die Beklagte in ihrer Revision auch keine Bedenken zu erwecken:

[6] 4.1. Ihr Einwand, aus dem Umstand, dass der Kläger die Durchführung der Hausbesorgertätigkeiten selbst beabsichtige, folge „allzu deutlich“, dass der Wegfall im Kündigungszeitpunkt gerade nicht gegeben gewesen sei, ist nicht stichhaltig. Das Vorliegen des Kündigungsgrundes setzt nicht zwingend voraus, dass der Posten bereits im Kündigungszeitpunkt aufgelassen worden wäre und die Tätigkeiten bereits anderweitig verrichtet würden; vielmehr genügt der – hier von den Vorinstanzen vertretbar als erbracht angesehene – Nachweis, dass diesbezüglich die ernste und konkrete Absicht besteht, dies künftig so zu gestalten (vgl im Zusammenhang RS0063177 [T2 – künftig]; 9ObA 58/93; 8ObA 34/97a, immolex 1997/176, 315). Die Zweckmäßigkeit der Auflassung – Möglichkeit des Klägers, diese Tätigkeit nunmehr im Wesentlichen selbst auszuführen – zieht die Revision nicht in Zweifel.

[7] 4.2. Warum die solcherart konkret und ernstlich geplante unentgeltliche Übernahme der gesamten Hausbesorgerarbeiten durch den Eigentümer genau im von der Beklagten schon bisher eingeschränkt ausgeführten Umfang (nämlich ohne bereits bisher durch ein externes Unternehmen besorgten teilweisen Winterdienst) kein Grund für die Auflassung des Hausbesorgerpostens bilden sollte, ist nicht nachvollziehbar. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Posten damit nur zum Schein aufgelassen bzw durch eine bloße Behelfslösung ersetzt werden soll, zeigt die Beklagte damit nicht auf; dass Eigentümer, Mieter oder Dritte die Hausbesorgerarbeiten anstelle der Beklagten entgeltlich verrichten würden (vgl die in der Revision ins Treffen geführte Entscheidung 9ObA 219/98s), entfernt sich von den Feststellungen. [8] 4.3. Im Übrigen sind die Einbringung der Aufkündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses und die darin vorzunehmende Geltendmachung eines Kündigungsgrundes iSd §18 Abs6 HbG im Gesetz an keine Frist gebunden (vgl RS0063107). Dass der Kläger wider Treu und Glauben mit der Auflösungserklärung so lange zugewartet hätte, dass die Beklagte daraus auf seinen Verzicht auf die Geltendmachung des Auflösungsgrundes schließen hätte können, ist weder aus den Feststellungen ableitbar, noch führt die Beklagte selbst Derartiges ins Treffen:

Sie verweist in ihrer Revision nur darauf, dass die Situation seit 2016 unverändert sei, sodass keine Notwendigkeit für die Auflassung des Postens vorliege. Auch damit zeigt sie keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf. […]

Anmerkung

Die Kündigung eines Hausbesorgers ist inzwischen kein alltäglicher Fall mehr. Der hier in Anspruch genommene Kündigungsgrund nach §18 Abs6 litd HbG liegt dann vor, „wenn der Hausbesorgerposten überhaupt aufgelassen wird“. Er ist nach der Rechtsprechung des OGH dann gegeben, wenn der Hauseigentümer wichtige Gründe für die Auflassung des Hausbesorgerpostens nachweist – dieses Erfordernis ergibt sich aus §18 Abs6 Satz1 HBG – und wenn die ernstliche Absicht der Auflassung erwiesen ist. Die Auflassung des Hausbesorgerpostens steht daher nicht im Belieben des Hauseigentümers. Sie darf nicht zum Schein erfolgen, etwa, um einen Hausbesorger, gegen den andere Kündigungsgründe nicht zu Gebote stehen, auf diese Weise kündigen zu können. Änderungen, die bloß einen Wechsel in der Person des Hausbesorgers bedeuten, können diesen Kündigungsgrund nicht verwirklichen. Vielmehr ist eine Auflassung des Hausbesorgerpostens erst dann anzunehmen, wenn Eigentümer oder Mieter des Hauses die gesamten Hausbesorgerarbeiten unentgeltlich übernehmen oder wenn diese von deren Bediensteten im Rahmen ihrer sonstigen Beschäftigung ohne zusätzliche Entlohnung verrichtet werden (OGH 2.9.1998, 9ObA 219/ 98s). Dies gilt hingegen nicht für den Fall, dass diese Arbeit von Eigentümern oder Mietern bzw von Hausangestellten oder sonstigen Beauftragten dieser Personen (etwa auch durch Reinigungsunternehmen) entgeltlich verrichtet werden. Auch durch bloße Teil- oder Behelfslösungen können die Gesamtheit der Hausbesorgertätigkeiten und damit der Hausbesorger nicht substituiert werden (OGH 25.6.2001, 8ObA 140/01y; RS0063174).

Auch im Verfahren über die Aufkündigung eines Hausbesorgerpostens ist für die Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhalts der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgeblich. Dazu sind für den hier fraglichen

Kündigungsgrund konkrete Behauptungen erforderlich, denen die ernste Absicht der Klägerin entnommen werden könnte, die gesamten Hausbesorgertätigkeiten unentgeltlich (bzw ohne zusätzliches Entgelt) durchführen zu lassen (OGH 26.3.1997, 9ObA 27/97d). Im vorliegenden Fall waren diese Voraussetzungen offenbar gegeben, weil die konkret und ernstlich geplante unentgeltliche Übernahme der gesamten Hausbesorgerarbeiten durch den Eigentümer genau im von der Beklagten schon bisher eingeschränkt ausgeführten Umfang (nämlich ohne bereits bisher durch ein externes Unternehmen besorgten teilweisen Winterdienst) erfolgen sollte.

Der Grundsatz, dass Auflösungs- und Kündigungsgründe ohne unnötigen Aufschub geltend gemacht werden müssen, hält sich ungebrochen (vgl etwa OGH 29.4.2021, 8Ob 54/ 21f), er trifft allerdings in dieser Allgemeinheit nicht zu (OGH 24.11.2021, 7Ob 109/21m, immo aktuell 2022/17, 103 [Höllwerth]). Es muss vielmehr vom Vermieter ein nachträglicher schlüssiger Verzicht auf einen Auflösungs- oder Kündigungsgrund nachgewiesen werden, und es ist bei der Annahme eines solchen Verzichts besondere Zurückhaltung und Vorsicht geboten (OGH 25.4.2019, 5Ob 8/ 19s mwN). Ein schlüssiger Verzicht auf einen Kündigungsgrund unter dem Gesichtspunkt des §863 ABGB würde voraussetzen, dass das Zuwarten des Vermieters mit der Aufkündigung unter Umständen erfolgt, aus denen mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, dass der Vermieter den ihm bekannten Sachverhalt nicht mehr als Kündigungsgrund geltend machen will. Es ist daher erforderlich, dass der Mieter weiß oder aus dem Verhalten des Vermieters doch mit Recht ableiten kann, dieser kenne den vollen Sachverhalt, der die Kündigung rechtfertigte, und dem Mieter keine Umstände bekannt sind, die ein Zuwarten des Vermieters mit der Kündigung aus einem anderen Grund als dem eines Verzichts auf das Kündigungsrecht erklärlich erscheinen lassen (RS0014423; vgl auch RS0070551). Auch wenn also ein solcher Verzicht oft behauptet wird, liegt er (nahezu) ebenso oft nicht vor.

Johann Höllwerth

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