Rausfliegen mit Erfolg

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Andreas Nentwich

Rausfliegen mit Erfolg


Andreas Nentwich

Rausfliegen mit Erfolg Wie Sie die Bedrohung „Jobverlust“ managen


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ISBN 978-3-7093-0323-8

Es wird darauf verwiesen, dass alle Angaben in diesem Buch trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung des Autors oder des Verlags ausgeschlossen ist.

© LINDE VERLAG WIEN Ges.m.b.H., Wien 2011 1210 Wien, Scheydgasse 24, Tel.: 0043/1/24 630 www.lindeverlag.de www.lindeverlag.at

Umschlag: buero8 Satz: Hannes Strobl, Satz.Grafik.Design, 2620 Neunkirchen Druck: Hans Jentzsch & Co. GmbH, 1210 Wien, Scheydgasse 31 1


Inhalt

Und raus bist DU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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KAPITEL 1: Erfolg macht verwundbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helden leben gef채hrlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolg folgt Neid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolg verdirbt den Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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KAPITEL 2: Raus aus der Komfortzone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Vision zur Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umbau mit Auslagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein Mitleid mit dem Henker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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KAPITEL 3: Zum Ritual des Rauswurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Montag ist FEUERtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Platzwahl und Aufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteilsverk체ndung ohne Begr체ndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Einheimischen zum Alien in Lichtgeschwindigkeit . . . . . . . . Zuletzt Diplomatie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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KAPITEL 4: Rausflieger auf der Couch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedankenreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Im Schockraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Psycho-Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 69 74 77

KAPITEL 5: Scheidung auf ökonomisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Es ist nicht persönlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Geld statt Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Verhandlung ohne Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Versöhnung ausgeschlossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

KAPITEL 6: Zerschlagenes Porzellan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die klaffende Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vernachlässigte Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Hinterbliebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antiwerbung üble Nachrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuss ins Knie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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KAPITEL 7: Zehn Gebote für gefährdete Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gebot: Du sollst deinen Arbeitgeber prüfen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebot: Du sollst dich Vertragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebot: Du sollst selbständig bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gebot: Du sollst dir nichts herausnehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gebot: Du sollst dich vorbereiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gebot: Du sollst den Ernstfall üben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135 136 142 147 152 156 163

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INHALT


7. Gebot: Du sollst die Zeichen deuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gebot: Du sollst den ersten Schritt tun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Gebot: Du sollst nichts 端berst端rzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Gebot: Du sollst auf das Schlimmste gefasst sein . . . . . . . . . . .

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KAPITEL 8: Crash-Kurs f端r Rausflieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harte Landung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktions-Check . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ready for Take-off . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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EPILOG: Ihre Chancen stehen gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Zum Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

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Und raus bist DU Für wen dieses Buch geschrieben ist

Sie sind eine erfolgreiche Führungskraft? Mit elitärer Ausbildung und langjähriger Erfahrung gehören Sie zur Manager-Elite dieses Landes. Kraft Ihrer Funktion sind Sie ausgestattet mit Top-Gehalt und allen Privilegien, die man braucht, um dazuzugehören, vom Executive-Bonus bis zur goldenen Firmenkreditkarte. Ihre Karriere klappt wie am Schnürchen? Sie erklimmen die Erfolgsleiter im Eilzugstempo. Ihre Firma fördert und investiert in Sie. Und Sie leiten ein heikles Projekt nach dem anderen. Sie sind ein Macher? Keine Aufgabe ist Ihnen zu schwierig, keine Herausforderung zu groß. Sie agieren konsequent und lassen sich durch nichts und niemanden von Ihrem Weg abbringen. Sie werden stets am erreichten Ergebnis gemessen und nicht an Ihrer Beliebtheit. Das Lob von Geschäftspartnern ist Ihnen ebenso sicher wie der Neid der Kollegen. Sie sind Experte auf Ihrem Gebiet? Ihr Chef kommt ohne Sie nicht aus, Ihr Team bewundert Sie und der Aufsichtsrat steht voll hinter Ihnen. Gratulation! Sie stehen im Rampenlicht. Sie stehen wirklich ganz oben. Ganz oben auf der Abschussliste. Und raus bist DU

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So erfolgreich, wie Sie sind, hat der Kampf um Ihren Job längst begonnen. Erfolg macht verwundbar (Kapitel 1). Wenn Sie in Heldenmanier die Karriereleiter stürmen, leben Sie durchaus gefährlich. Während Sie versuchen, Ihren Boss zum Mond zu schießen, wächst die Zahl Ihrer Gegner auf der Erde kontinuierlich. Im unteren Stock der hierarchischen Pyramide trachtet der von Ihnen selbst gezüchtete Führungskräftenachwuchs ungeduldig danach, Ihren Stuhl zu erklimmen. Die Kollegenschaft wartet auf eine günstige Gelegenheit, Ihnen auf dem Weg in die nächste Ebene ein Bein zu stellen. Auch Ihr Chef hat Sie im Visier, weil er seinen Posten sicher nicht freiwillig räumt. Sie bieten ein ideales Ziel für einen Überraschungsangriff. In Ihrem Bestreben, sich bestmöglich zu verteidigen, erliegen Sie unter Umständen der Versuchung, einige „Charakterlosigkeiten“ zu begehen und schaffen sich damit mehr Feinde als Sie vertragen. Wenn Sie mangels Vertrauen niemandem mehr den Rücken zuwenden können, stehen Sie mit diesem plötzlich zur Wand. Eine eher unkomfortable Stellung für einen Top-Manager. Es gibt gute Gründe dafür, dass Sie bereits morgen rausfliegen. Das hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun. Im Gegenteil, Sie spielen im unternehmerischen Entscheidungsprozess eine untergeordnete Rolle. Es gibt wichtigere Überlegungen. Denken Sie an die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen: da Marktsättigung, dort Wirtschaftskrise. Und was machen die Geschäftsführungen der westlichen Welt? Da Mitbewerber aufkaufen, dort Kosten senken. Ein hervorragender Grund, alle Managementtechniken zur Optimierung komplexer Organisationen anzuwenden, von der einfachen Restrukturierung bis hin zum strategischen Outsourcing. Der gut bezahlte Arbeitsplatz ist das knappe Gut der Zukunft. Daher liebe Arbeitnehmer: Schluss mit Lethargie oder Zweckoptimismus und Raus aus der Komfortzone (Kapitel 2).

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Obwohl die Freisetzung von Mitarbeitern im verschärften wirtschaftlichen Umfeld bereits zur Tagesroutine zählt, verschafft das Ritual des Rauswurfs (Kapitel 3) den Betroffenen ein schier unglaubliches Erlebnis. Kaum jemand ist auf seinen eigenen Rauswurf ausreichend vorbereitet. Dienstnehmer empfinden ihre Kündigung als Grenzsituation. Sie durchlaufen eine persönliche Krise, die sie eher mit unschönen Filmszenen als mit Büroalltag verbinden. Die durchlebten Emotionen, vergleichbar mit einer privaten Trennung, übersteigen selbst bei professionellen Führungskräften jegliche Erwartung, wie Rausflieger auf der Couch (Kapitel 4) erzählen. In unserer sachlichen, zielorientierten Geschäftswelt bleibt jedoch kein Platz für Sentimentalität. Die Auflösung eines Dienstverhältnisses auf Bestreben Ihres Arbeitgebers ist auch bei bestem Einvernehmen ein reduzierter Formalakt ohne Emotionen. Während Sie bei einer überraschenden „Scheidung auf ökonomisch“ (Kapitel 5) um Ihre Fassung ringen, reduziert Ihr Gegenüber die Sache auf eine betont nüchterne Diskussion über „das Finanzielle“. Der Schlussstrich ist rasch gezogen. Sie werden schneller abgefertigt, als Ihnen lieb ist. Die unterschiedliche Sichtweise der Parteien über die Art und Weise, wie eine dienstliche Trennung vollzogen werden sollte, führt nicht nur bei den unmittelbar Betroffenen zu Irritationen. Oft herrscht breite Verunsicherung im gesamten Unternehmen. Die „Hinterbliebenen“ fühlen sich nicht ausreichend über Gründe und Hintergründe informiert. Sie wähnen sich mit ihrer Trauerarbeit allein gelassen und ringen mit der aufkeimenden Frage, wie lange sie selbst ihren Arbeitsplatz noch behalten. Die Organisation ist geschwächt und fehleranfällig. Es dauert Wochen und Monate, ehe das zerschlagene Porzellan (Kapitel 6) notdürftig gekittet ist und die volle Arbeitsleistung im Team wieder erbracht werden kann. Sie halten mit diesem Buch einen Krisenplan in Händen, der immer in Ihrer Schreibtischlade liegen sollte. Wenn Sie die Zehn Gebote für gefährdete Manager (Kapitel 7) befolgen, haben Sie Ihre Startposition Und raus bist DU

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für eine erfolgreiche Karriere im Vorfeld verbessert und sind gleichzeitig für einen möglichen Ernstfall gut gerüstet. Jene, die ihren beruflichen Supercrash mit Bruchlandung vor der Türe ihres ehemaligen Arbeitgebers absolviert haben, finden in diesem Buch einen dazu passenden Crash-Kurs für Rausflieger (Kapitel 8). Ordnen Sie Ihre Gedanken und karrieretechnische Ausrüstung, bevor Sie zum nächsten Karriereflug ansetzen. Ich bin Rausflieger und weiß, wovon ich spreche. Vor nicht allzu langer Zeit war ich Top-Manager in einem Top-Unternehmen. Mein Weg dahin präsentierte sich steil und mit zahlreichen Hindernissen, die jedoch nie groß genug waren, um meine Ambitionen zu bremsen. Ich setzte meine Karriereschritte wohlüberlegt. Meine Rolle als Führungskraft schien mir auf den Leib geschrieben zu sein. Was ich mir vornahm, erreichte ich auch. Erfolg und mein kontinuierlich wachsendes Selbstbewusstsein wurden meine ständigen Wegbegleiter. Mein Rauswurf traf mich vollkommen unvorbereitet. Ich befand mich in einem für erfolgreiche Manager typischen Stadium übersteigerter Zuversicht und Sorglosigkeit. Bis jetzt war alles gelungen, ich war fest im Unternehmen verankert. Dachte ich. Ich zeigte mangelnde Sensibilität für Auswirkungen organisatorischer Änderungen und deutete die Zeichen der nahenden Gefahr völlig falsch. Ein fataler Fehler mit Konsequenzen. Falls Sie denken „Mir kann so etwas nicht passieren“, dann verfügen Sie entweder über ein brillantes Netzwerk oder ein gesundes Maß an Naivität. Verinnerlichen Sie sich doch in Ruhe die Prinzipien Ihres Arbeitgebers. Ihre Firma muss im täglichen Wettbewerb bestehen. Sie verfolgt wie alle Unternehmen einen Zweck. Es geht um die Erreichung der gesteckten Ziele. Sie sind an Bord, um dazu Ihren Beitrag zu leisten. Verwechseln Sie diese Zweckgemeinschaft nicht mit unendlicher Loyalität. Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Kündigungsquote der Scheidungsrate um nichts nachsteht. Sollten Sie der Boss sein, dann lassen Sie sich dieses Buch keinesfalls entgehen. Auch Sie brauchen Erste Hilfe. Sie stehen vor einer Herausfor12

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derung, der Sie selten gewachsen sind. Mitglieder des eigenen Teams aus rein wirtschaftlichen Gründen zu feuern, gehört zu den eher entbehrlichen Aufgaben von Führungskräften. Wenn Ihnen ein Mitarbeiter keinen triftigen Grund für eine Entlassung liefert, können Sie kein Feindbild aufbauen. Ihr eigenes Wertesystem könnte mit der zu erledigenden Aufgabe kollidieren. Für ein derartiges Szenario sind Sie nicht wirklich gerüstet. Die Vorbereitung und Durchführung von Freisetzungen stand bisher nicht auf Ihrem Trainingsplan. Zu Unrecht, wie sich nun herausstellt. Lernen Sie beim Studium dieses Buches die andere Seite des Verhandlungstisches besser verstehen, ähnlich einem Verkäufer, der ein Seminar für Einkäufer besucht. Oder betrachten Sie das Werk als kleine Marktforschung, um die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter in einer Trennungssituation besser erfüllen zu können. Sie werden sich anschließend besser informiert fühlen und künftig mit mehr Ruhe und Professionalität an derartige Managementaufgaben herangehen. Wenn Sie mit Personalagenden betraut sind, dann nutzen Sie dieses Buch zur Erweiterung Ihres Horizonts. Sie lernen einiges über People Management in Krisenzeiten. Zudem eignen sich die dargelegten Überlegungen als „Health Check“ für Ihr unternehmensinternes Aus- und Weiterbildungssystem. Auch Sie sind ein potenzieller Rausflieger. Sehen Sie den Tatsachen ins Auge. Verabschieden Sie sich von Ihrer zuversichtlichen Haltung, dass Ihnen das unangenehme Erlebnis „feuern oder gefeuert werden“ Ihr ganzes Arbeitsleben lang erspart bleibt. Vertrauen Sie nicht darauf, dass Sie als Beteiligter an einem Trennungsprozess alles im Griff haben. Vertrauen ist nett, gute Vorbereitung zielführender. Nehmen Sie sich die Zeit, dieses Buch zu lesen. Es ist die günstigste Risikoversicherung, die Sie für Ihr Berufsleben abschließen können. Es hilft Ihnen mit Sicherheit, notwendige Präventivmaßnahmen zu ergreifen und Ihren möglichen eigenen Rauswurf „mit ausgezeichnetem Erfolg“ zu absolvieren. Schon allein die gedankliche AuseinandersetUnd raus bist DU

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zung mit diesem möglicherweise drohenden „Unheil“ verbessert Ihre Verhandlungsposition im realen Berufsleben signifikant. Das Durchspielen des möglichen Ernstfalls vermindert den für Sie negativen Überraschungseffekt. Das aktive Kennenlernen möglicher Verhaltensmuster auf beiden Seiten verschafft Ihnen Gelassenheit in einer für Sie höchst angespannten Gefühlslage. Sie können vorab in aller Ruhe Ihre Strategie und Taktik für den „Fall der Fälle“ erarbeiten. So gewinnen Sie Zeit und Sicherheit, durchschreiten das „Tal der Tränen“ im Eilschritt, finden sich mit Ihrem Schicksal besser zurecht und mit Sicherheit auch schneller einen neuen Job.

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5. Gebot: Du sollst dich vorbereiten Sicherlich haben Sie in Ihrer langen Karriere schon mehrfach an Krisenplänen für die Schublade gearbeitet. Diese werden an einer genau definierten Stelle im Unternehmen zentral abgelegt, um im Bedarfsfall schnell zur Hand zu sein. Mit diesen Plänen bekommen konsequente Unternehmen das entstehende Chaos systematisch in den Griff. Brauchbare Krisenpläne enthalten im Wesentlichen drei Elemente: • Definition der notwendigen Strukturen, von der Kompetenzverteilung im Management bis zur Organisation der Ressourcen für den Ernstfall. • Ablaufpläne zur Lokalisierung, Evaluierung und Lösung des Problems. • Klärung der Kommunikationswege nach innen und außen, denn eine Krise, ein Skandal, ist stets begleitet von der besonderen Aufmerksamkeit der Zuseher, natürlich bereitwillig versorgt von den Medien. Wenn das Unternehmen sich nicht aktiv um Transparenz bemüht, tun es andere. Informationsmangel, bewusst oder unbewusst, nährt die Gerüchteküche und lässt den Informationsfluss außer Kontrolle geraten. Wenn Sie sich nun kurz vorstellen, Sie würden morgen von Ihrem Chef gefeuert, löst das eine persönliche Krise bei Ihnen aus, empfinden Sie es gar als Skandal? Ja?? Und, bewahren Sie einen dafür geeigneten Krisenplan in Ihrer Schreibtischlade auf? Nein?? Sollten Sie aber. Weil Sie sicherlich im emotionalen Chaos versinken. Sie werden in diesem Moment nicht wissen, woran Sie zuerst denken, was Sie zuerst tun sollen, was Sie nicht vergessen dürfen. 156

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Sie können für diesen Fall das Drehbuch natürlich gänzlich Ihrem Chef und seinen Begleitern überlassen. Er hat sich ja gut vorbereitet, im Vorfeld mit der Personalabteilung verständigt, von der Zentrale das OK geholt, mit dem Betriebsrat gesprochen und den Aufsichtsrat informiert. Er bestimmt das Wann, Wo und Wie. Er hat den Überraschungseffekt. Für Sie bleibt immer noch die Arschkarte. Ach, Sie haben die nötige Routine, weil Sie selbst schon oft Mitarbeiter freigesetzt haben? Ich darf Sie kurz beUNruhigen: Die gegenüberliegende Seite des Verhandlungstisches fühlt sich anders an, ganz anders. Nicht jeder „Rausschmeißer“ ist automatisch mit dem Rausfliegen vertraut. Lassen Sie uns also eine Checklist erstellen. Eine komplette. Das ist wie bei einem Erste-Hilfe-Kasten. Auch wenn man inniglich hofft, ihn nie öffnen zu müssen: Wenn es dann soweit ist, sollte wirklich alles Nötige drinnen sein. Beginnen wir mit den Unterlagen für Ihre Verhandlung. Folgende Unterlagen sollten Sie griffbereit in Ihrem Büro verstauen: • Aktueller Dienstvertrag und alle sonstigen Vereinbarungen, die Sie mit Ihrem Arbeitgeber schriftlich festgehalten haben • Gehaltszettel Idealerweise enthält er auch Ihre laufenden Sachbezüge sowie die Anzahl der verbleibenden Urlaubstage. • Bonusabrechnungen der letzten drei Jahre • Eine Aufstellung sonstiger finanzieller Zuwendungen Ihres Arbeitgebers aus den letzten drei Jahren, von Stock Options über Sonderprämien bis zu den Weihnachtsgutscheinen für den Personalshop

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Dienstverhältnisses auszustellen, bestehen Sie Ihrerseits auf einem Interim-Zeugnis. Das kann Ihnen niemand abschlagen. Wenn Sie nun etwas genervt kalkulieren, wie viel Zeit Ihnen diese Vorbereitung kostet und dann erschöpft zur Erkenntnis kommen, dass Sie vor lauter Arbeiten im Büro für solche „Extrawürste“ nicht die notwendige Zeit aufbringen können, dann machen Sie doch kurz eine „Klo-Pause“, schauen beim Händewaschen in den Spiegel und fragen sich Folgendes: Stellen Sie sich vor, Sie planen Ihre Kündigung, weil Sie einen attraktiveren und besser bezahlten Job bekommen. Welche der oben genannten Schritte würden Sie dann unternehmen, um sich entsprechend zu verabschieden? Glauben Sie mir, es sind exakt dieselben.

6. Gebot: Du sollst den Ernstfall üben Erfolgreiche Manager scheinen Verhandlungsgeschick und Kommunikationstalent über die Muttermilch mitbekommen zu haben. Oder sie sind einfach nur gut vorbereitet. Der Auftritt bei der Aktionärsversammlung, die Präsentation bei der Verkaufstagung, die Verhandlung mit schwierigen Kunden, die heikle Medienpräsenz. Nichts wird dem Zufall überlassen. Alles wird sorgfältig durchdacht und geübt. Als Sparringpartner engagiert werden Filmregisseure, Nachrichtensprecher, Berufsschauspieler und PR-Berater. Das Drehbuch beschränkt sich nicht auf die Präsentation, sondern bezieht das kritische Publikum bzw. den gewieften Gegner aktiv mit ein. Und das Durchgehen möglicher unangenehmer Fragen (kein Event ohne „FAQ“Liste) ist erst das Aufwärmtraining. Das wirkliche Vorbereitungsspiel für eine heikle und entscheidende Auseinandersetzung mit einem unangenehmen Gegenüber lautet „Red Teaming“. Zehn Gebote für gefährdete Manager

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Einst in den USA im Zuge des Zweiten Weltkriegs entwickelt, wird es heutzutage im wirtschaftlichen Bereich eingesetzt. Das Spiel hat zwei Hälften. Im ersten Teil zieht sich eine Gruppe eigener Mitarbeiter gedanklich die Trikots des Gegners („Red Team“) über, und zwar mit dem Ziel, die eigene Firma so richtig aufzumischen. Es erfolgt die Beurteilung der eigenen Situation aus gegnerischer Sicht. Es werden minutiös alle Schwächen des eigenen Unternehmens aufgedeckt und darauf abzielende Angriffsmaßnahmen durchgespielt. In der zweiten Hälfte kontert dann das Team mit Gegenmaßnahmen. So werden alle möglichen Angriffspunkte durch entsprechende Präventivschläge von vornherein unwirksam gemacht bzw. eine Konterstrategie für jeden Fall der Fälle konzipiert. So beseitigt man die Gefahr, noch bevor sie entstanden ist. Die perfekte Taktik! Sie kennen dieses Spiel? Sie spielen es laufend in der Firma? Und wie oft haben Sie es schon privat gespielt? Für Ihren persönlichen Fall der Fälle? Wenn Sie sich im eigenen Interesse damit beschäftigen, den Ernstfall zu proben, dann verinnerlichen Sie sich zum Aufwärmen zwei kritische Faktoren: Erstens, Sie kämpfen nicht gegen einen Feind. Es ist vielmehr Ihr Freund, der von einem Tag auf den anderen, oft ohne jegliche Vorankündigung, die Seiten gewechselt hat. Ihr vertrauter Chef, der sich entschlossen hat, Ihnen das Vertrauen zu entziehen. Ihre Freunde aus dem Team, die Ihre Funktionen erben, die hilfsbereiten Kollegen aus der Personalabteilung, die jetzt Ihren Chef beraten. Sie alle sitzen Ihnen nun am Verhandlungstisch gegenüber. Während Sie allein auf der anderen Seite Platz nehmen müssen. Wenn Sie nicht im Spionagegeschäft arbeiten und in Ihrer Ausbildung das Umgehen mit Doppelagenten oder übermächtigen Gegnern geübt haben, dann stellt Sie diese Situation vor eine immense emotionale Herausforderung. Nicht wirklich überraschend mutieren sonst so harte, unnachgiebige und zielstrebige Manager in eigener Sache plötzlich zu orientierungslosen Schäfchen im Wolfspelz. Sie lassen ihrem „Kuschelbedürfnis“ zur Unzeit freien Lauf. Sie klammern sich an den bereits verlorenen Job und versuchen mit irra164

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tionalen Argumenten das Gegenüber davon zu überzeugen, die Entscheidung zu überdenken oder noch besser an Ort und Stelle rückgängig zu machen. Kurz, sie verhalten sich wie Verlassene in einer unglücklichen Liebesbeziehung. Wenn Sie entgegen alle Vernunft eine Liebesbeziehung zu Ihrer Firma aufgebaut haben, dann reißen Sie sich gefälligst zusammen. Trauern Sie nicht, weinen können Sie nachher zu Hause. Da nimmt Sie auch jemand in den Arm. Reagieren Sie aber auch nicht mit unbändiger Wut. Sie haben sonst keine Chance, denn Trauer und Zorn sind die größten Feinde der Selbstbeherrschung. Schärfen Sie Ihren Verstand und überwinden Sie Ihre Beißhemmung mit dem Ihnen angeborenen – oder in einschlägigen Seminaren antrainierten – Killerinstinkt. Es geht jetzt um Kohle, wie in jedem Geschäft. Aber dieses Mal geht es um Ihre Kohle. Das sind Ihre letzten Gehaltsverhandlungen in dieser Firma. Sie haben nichts zu verlieren. Der Job ist schon weg. Wenn Sie bis jetzt demütig und bewundernd zu Ihrem Chef aufgeblickt haben, dann hören Sie ganz schnell auf damit. Begeben Sie sich auf Augenhöhe, und zwar mit all Ihren Verhandlungspartnern, egal welche Hierarchiestufe im Organigramm sie vertreten. Und holen Sie so viel für sich raus, wie Sie können. Wenn Sie das 5. Gebot beherzigen, dann haben Sie die Zahl dafür ebenso im Kopf, wie Ihr Geburtsdatum und Ihre Sozialversicherungsnummer. Der zweite sensible Faktor ist wieder einmal die Frage nach dem Führungsstil. Sie erinnern sich, die Unterscheidung zwischen den „Naiven“ und den „Feiglingen“. Sie haben bei einem Trennungsgespräch ein ernstes Problem, wenn Sie keinerlei Erfahrung im Umgang mit „Feiglingen“ haben. Wenn Sie als „Naiver“ die Tugenden Großzügigkeit, Ehrlichkeit und den Glauben an das Gute hochhalten, sind Sie garantiert auf dem Holzweg. Sie agieren zu sorglos, unvorsichtig und unterschätzen die Gefahren, mit denen Sie gerade konfrontiert sind. Wenn Sie mit Ihrem Boss bisher in Harmonie bezüglich der Wahl des „naiven“ Führungsstils verbunden waren, dann stellen Sie sich einfach vor, er wäre von bösen Aliens gekidnappt worden, die ihm eine Gehirnwäsche Zehn Gebote für gefährdete Manager

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