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Recht haben – Recht bekommen Wer kennt solche Situationen nicht? Man hat ein Elektrogerät gekauft, und nach wenigen Tagen muss man feststellen, dass bei bestimmten Funktionen Störungen auftreten. Man hat sich auf den Traumurlaub gefreut, aber man sitzt im falschen Hotel mit Aussicht auf eine Müllhalde. Man bekommt von der Bank wieder einmal die Mitteilung, dass die Gebühren erhöht werden, und fragt sich, wofür. Unser Alltag ist voll von Konflikten, im Arbeitsleben, beim Einkaufen, in der Familie. Und häufig fühlt man sich im Recht und stellt sich die Frage: Wie kann ich mein Recht durchsetzen? Der erste Schritt zur Rechtsdurchsetzung ist sicherlich, dass man – ohne Juristerei zu studieren – in etwa Bescheid weiß, welche Rechte man hat und wie man diese im Fall der Fälle durchsetzen kann. Unser „Rechts-Berater“ will Ihnen diesen Überblick über Ihr Recht im Alltag und die Chancen der Durchsetzung vermitteln. Ob Sie in einem Kapitel schmökern oder über das ausführliche Stichwortverzeichnis rasch zu einem bestimmten Problem nachlesen: Sie finden die Grundzüge der rechtlichen Regelungen, viele Beispiele, die diese trockenen Regeln illustrieren, und Tipps zur Selbsthilfe bzw. zur weiteren Recherche – insbesondere auch im Internet. Doch auch unsere Warnung: Wenn es um viel geht – wenn Sie eine Wohnung kaufen, wenn Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall geltend zu machen ist, wenn Sie vom Arbeitgeber gekündigt wurden oder in einen komplizierten Erbschaftsstreit verwickelt werden –, dann müssen Profis ran. Wir empfehlen Ihnen, sich in solchen Situationen von Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern oder von kostenlosen Rechtsberatungsstellen (VKI, Arbeiterkammer, …) Rat einzuholen. Unser „Rechts-Berater“ wird Ihnen dennoch nützlich sein, weil Sie leichter verstehen werden, worüber die Berater sprechen, und weil Sie besser wissen, was an Informationen für Letztere wichtig ist, um die Sache umfassend einzuschätzen. 27
Viele Menschen haben eine gewisse Scheu, mit Behörden in Kontakt zu treten, haben ein mulmiges Gefühl beim Gang zum Finanzamt oder stecken den „Kopf in den Sand“, wenn ein blauer Brief vom Gericht zugestellt wird. Unser „Rechts-Berater“ soll Ihnen den Rücken stärken. Die staatlichen Behörden werden von unseren Steuergeldern bezahlt. In einem Zivilprozess vor Gericht zu streiten ist keine Schande, sondern manchmal unvermeidlich. Wird man zu Unrecht bestraft, muss man sich dagegen zur Wehr setzen. Dabei ist es wichtig unterscheiden zu können: Welches Recht kommt zur Anwendung? Wer ist wofür zuständig? Woher bekommt man Hilfe und weitere Informationen? Zivilrecht – Verwaltungsrecht – Strafrecht Wenn Sie ein Auto kaufen, falsch parken und danach das Pech haben, eine Stopptafel zu übersehen und einen Unfall zu verursachen, dann bekommen Sie es mit ganz verschiedenen Rechtsbereichen rund um ein Auto zu tun: Der Kaufvertrag über das Auto fällt in das Zivilrecht. Hier regelt der Gesetzgeber die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten. Das kann auch der multinationale Autokonzern oder der kleine Verbraucher sein. Es gibt allgemeine Regelungen – beispielsweise im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), das im Kern immerhin aus 1811 stammt. Und es gibt Sonderregelungen; beispielsweise für Verbraucher (Konsumentenschutzgesetz), für Mieter (Mietrechtsgesetz) oder für Handelsgeschäfte (Unterneh mensgesetzbuch). Falsch parken kann zu einer Verwaltungsstrafe führen. Man hat Verwaltungsrecht übertreten und muss zahlen. Verwaltungsrecht regelt Rechtsbeziehungen zwischen Privaten und dem Staat. Wenn man ein Haus baut, muss man Vorschriften einhalten – zum Wohl der Allgemeinheit. Daher regelt der Staat das Bauen von Häusern in den Bauordnungen. Wenn man Auto fährt, muss man – ebenfalls zum Wohl der Allgemeinheit – Regeln einhalten, sonst geht nichts mehr. Viele Bereiche des alltäglichen Lebens sind von Verwaltungsvorschriften erfasst, bis hin zur Einhaltung von „Ruhezeiten“ in so manchen Gemeindeordnungen. Wenn man einen Autounfall mit Personenschaden verursacht, kann man wegen Körperverletzung mit dem Strafrichter Bekanntschaft machen. Man verletzt eine staatliche Vorschrift und wird dafür mit Geld oder sogar Freiheitsentzug bestraft. Das Strafrecht will das geordnete Zusammenleben schützen. Das gilt auch für das Falschparken. Doch diese geringere Verletzung der Ordnung ist nur mit Verwaltungsstrafe bedroht. Gerichtlich strafbar sind dagegen Verletzungen absoluter Rechtsgüter wie Leben, Freiheit, körperliche Unversehrtheit oder Eigentum. Diese Delikte werden von den Strafgerichten verfolgt; es droht auch eine Vormerkung im Strafregister. Schließlich muss man noch die Grundlage unseres Rechtssystems erwähnen: Das Verfassungsrecht regelt das Funktionieren des Staates, die Grundrechte der Bürger und die demokratische Willensbildung durch Wahlen oder Volksabstimmungen. Gesetze werden – je nachdem, ob Bundes- oder Landesgesetze – im National- und Bundesrat oder im Landtag beschlossen und im Bundes- oder Landesgesetzblatt kundgemacht. Die Gesetze müssen der Verfassung entsprechen. Gibt es Bedenken, dann kann der 28 Einleitung
Verfassungsgerichtshof Gesetze überprüfen und allenfalls aufheben. Verordnungen werden von der Regierung – genauer von Bundesministern – erlassen und regeln die konkrete Durchführung von Gesetzen. Es muss also eine gesetzliche Grundlage geben; fehlt diese, ist wieder der Verfassungsgerichtshof am Zug. Seit Österreich Mitglied der Europäischen Union ist, ist auch das EU-Recht zu beachten. Es gibt Verordnungen, die direkt anwendbares Recht darstellen, und es gibt Richtlinien zur Harmonisierung des Rechtsbestandes der Mitgliedstaaten, die erst innerstaatlich durch Gesetze umgesetzt werden müssen. Schließlich gibt es auch noch Empfehlungen, die allerdings keine bindende Wirkung haben. Behörden Verwaltungsrecht wird von Verwaltungsbehörden vollzogen. In der Regel gibt es einen Instanzenzug, das heißt, man kann gegen eine Entscheidung der ersten Instanz ein Rechtsmittel an die nächste Instanz erheben. Doch in Verwaltungsbehörden werden weisungsgebundene Beamte tätig. Das ist auch der große Unterschied zur Gerichtsbarkeit. Die Entscheidungen in Verwaltungssachen unterliegen der Kontrolle von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof. Bei Gericht – sei es Straf- oder Zivilgericht – entscheiden weisungsfreie Richter. Im Zivilverfahren müssen die Parteien (Kläger und Beklagter) den Fortgang des Verfahrens betreiben; nur was diese vorbringen, wird zur Grundlage der Entscheidung. Im Strafverfahren dagegen betreibt in der Regel der Staatsanwalt den Prozess: Er klagt an, er legt Beweise vor oder stellt das Verfahren ein. Der Richter ist aber nicht an das Vorgebrachte gebunden; er soll erforschen, was sich wirklich zugetragen hat. Er erforscht die „materielle Wahrheit“. Auch bei Gerichtsverfahren gibt es einen Instanzenzug. Entscheidungen von Gerichten können grundsätzlich mit Rechtsmitteln (z. B. Berufung, Rekurs, Beschwerde) angefochten werden. Grundsätzlich entscheidet über Rechtsmittel das im Instanzenzug übergeordnete Gericht. In Zivilsachen ist gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes unter bestimmten Voraussetzungen noch ein weiteres Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof vorgesehen. In Strafsachen ist grundsätzlich nur ein zweistufiger Instanzenzug eingerichtet. Die österreichische Bundesverfassung sieht neben der Entscheidung durch Berufsrichter auch eine Mitwirkung des Volkes an der Rechtsprechung vor. So entscheiden in Strafsachen über Verbrechen, die mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind (z. B. Mord), und politische Delikte (z. B. strafbare Handlungen nach dem Verbotsgesetz durch nationalsozialistische Wiederbetätigung) Geschworenengerichte; bei Strafdrohungen zwischen fünf und zehn Jahren sind Schöffengerichte zuständig. Im Zivilrechtsbereich sind Laienrichter in Arbeits- und Sozialrechtssachen sowie in Han delssachen tätig und entscheiden gemeinsam in Senaten mit Berufsrichtern. Seit der Mitgliedschaft Österreichs zur Europäischen Union gibt es auch einen Rechtszug zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Zum einen können österreichische Gerichte im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren Auslegungen von Einleitung 29
EU-Recht beim EuGH erfragen, zum anderen kann man innerstaatliche Rechtsnormen auf ihre Übereinstimmung mit EU-Recht überprüfen lassen. Davon zu unterscheiden ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Dort kann man sich gegen Maßnahmen von Behörden und Gerichten, die den Menschenrechten zuwiderlaufen, beschweren.
Webtipp
Behördenwegweiser – www.help.gv.at Gerichtswegweiser – www.bmj.gv.at (Justiz/Die Gerichte) Behördenwegweiser EU – http://europa.eu/institutions/index_de.htm Europäischer Gerichtshof – http://curia.europa.eu/de/ Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte – www.echr.coe.int
Zugang zum Recht Wenn Gesetze und Verordnungen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, gelten sie als bekannt. Jeder muss sich daran halten. Dennoch ist das eine Fiktion. Nicht einmal Fachjuristen kennen alle Gesetze auswendig; das ist auch unmöglich. Daher ist es wichtig, dass man rasch und möglichst kostengünstig nachschauen kann, was rechtens ist. Das ist im Zeitalter des Internets auch möglich geworden. Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) bietet – kostenfrei im Internet (www. ris.bka.gv.at) – eine komfortable Möglichkeit, nach Bundes- und Landesgesetzen, nach Verordnungen und sogar nach Gerichtsentscheidungen zu suchen. Ein ähnliches System – EUR-Lex – bietet einen kostenlosen Zugang zum Rechtsbestand der Europäischen Union.
Webtipp
Österreichische Gesetze, Verordnungen, Entscheidungen: www.ris.bka.gv.at Europäische Rechtsnormen und Entscheidungen: http://eur-lex.europa.eu
Der zweite Schritt ist sicherlich, sich auch möglichst rasch und kostenfrei rechtliche Beratung zu organisieren. Für unentgeltliche Rechtsauskünfte zu konkreten Verfahren im Zuständigkeitsbereich der Gerichte können Sie sich an Ihr Bezirksgericht wenden, in Arbeits- und Sozialrechtssachen geben die Landesgerichte, in Wien das Arbeits30 Einleitung
und Sozialgericht Wien, in Graz das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz Auskunft.
Webtipp
Die Adressen der zuständigen Gerichte sind über www.bmj.gv.at (Justiz/Die Gerichte) abfragbar.
Die Rechtsanwaltskammern Österreichs bieten eine kostenlose „Erstauskunft“. In einem Orientierungsgespräch mit einem Rechtsanwalt wird kurz aufgezeigt, welche Möglichkeiten bestehen. Wird der Anwalt in der Folge für Sie tätig, so ist das honorarpflichtig.
Webtipp
Näheres zur anwaltlichen „Erstauskunft“ finden Sie unter www.rechtsanwaelte.at (Serviceleistungen).
Kostenlos ist auch die erste Rechtsauskunft in allen einschlägigen Tätigkeitsbereichen der Notare. Dazu gehören vor allem: Kauf-, Tausch-, Schenkungs- und Wohnungseigentumsverträge, Pacht- und Mietverträge, Ehepakte, Testamente, Verlassenschaftsabwicklungen, Vormundschaftssachen und Adoptionen.
Webtipp
Näheres zu den Dienstleistungen der österreichischen Notare finden Sie auf der Seite www.notar.at.
Mit Beschwerden und Fragen rund um die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden kann man sich auch an die Volksanwaltschaft wenden.
Webtipp
Die Volksanwaltschaft erreichen Sie unter www.volksanwaltschaft.gv.at.
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In Fragen des Arbeitsrechtes, des Sozialrechtes, des Steuerrechtes, des Wohnrechtes sowie des Konsumentenschutzes können Sie sich natürlich auch an die jeweilige Arbeiterkammer wenden.
Webtipp
Die Arbeiterkammern erreichen Sie unter der Adresse www.arbeiterkammer.at.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist die unabhängige Ver braucherorganisation Österreichs. Mit Tests und Markterhebungen in der Zeitschrift KONSUMENT versucht der VKI den Verbrauchern Entscheidungsgrundlagen für überlegte Kaufentscheidungen zu liefern. Mit Ratgebern zu verschiedensten Themen wird Hilfe in den Bereichen der Gesundheit ebenso angeboten wie bei den verschiedensten Rechtsfragen. Wir werden bei den einzelnen Kapiteln auf das Publikationsangebot des VKI zurückkommen.
Literaturtipp
Hier sei auf drei Bücher des VKI hingewiesen, die unseren „Rechts-Berater“ im Bereich des Verbraucherrechtes vertiefen: Kolba/Lehofer/Kosesnik-Wehrle, Ihre Rechte als Konsument, ÖGB Verlag Ahrens/Kolba/Rasinger, Sicher anlegen, Linde Verlag Berghuber/Kolba/Resetarits, Schulden vermeiden, Schulden abbauen, Linde Verlag Bücher des Vereines für Konsumenteninformation auf www.konsument.at (Shop/Bücher)
Im Bereich des Verbraucherrechtes verfügt der VKI aus der Praxis der Musterprozesse und Verbandsklagen über viel Erfahrung. In unserem „Rechts-Berater“ finden Sie Grundlegendes zum Thema Verbraucherrecht. Wir zitieren immer wieder auch Gerichtsentscheidungen aus der Konsumentenrecht-Entscheidungssammlung (KRES), die für Fachleute, aber auch interessierte Laien weit über 1.000 Entscheidungen zum Verbraucherrecht dokumentiert. Wenn Sie sich über aktuelle Entscheidungen informieren wollen, finden Sie diese in den „Informationen zum Verbraucherrecht“ auf der Homepage des VKI.
Webtipp
Verbraucherrecht – www.verbraucherrecht.at
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Hier finden Sie einen Großteil der im „Rechts-Berater“ angeführten Links (und mehr) in einer wohl geordneten Zusammenstellung. Konkrete Adressen und Telefonnummern von Beratungsstellen der Arbeiterkammern und des VKI finden Sie im Anhang. Wir weisen in den folgenden Kapiteln auf weitere Institutionen hin, wo Sie spezifischen Rat bekommen können. Rechtsdurchsetzung Recht haben heißt noch nicht, dass man immer auch Recht bekommt. Manchmal muss man seine Rechte auch vor Behörden oder bei Gericht durchsetzen. Das kostet allerdings Geld bzw. birgt zumindest ein Kostenrisiko. Ein Gerichtsverfahren um Zuerkennung von Schadenersatz für die vertane Urlaubsfreude nach einem total verpatzten Urlaub kann ein Mehrfaches des Streitwertes als Kostenrisiko bringen. Wer über die Deckung einer Rechtsschutzversicherung verfügt, kann da leicht streiten; wer das Risiko selbst trägt, muss sich mehrmals überlegen, ob er sein Recht weiter verfolgt. Zwar gibt es die Einrichtung der Verfahrenshilfe und bei hohen Streitwerten die Hilfe eines Prozesskostenfinanzierers, doch viele scheuen den Weg zu Gericht und müssen sich mit „billigen Kulanzen“ zufrieden geben. Gerade im Bereich des Konsumentenschutzes gibt es viele gute Verbraucherrechte, mit dem Zugang der Verbraucher zum Recht hapert es aber sehr. Der Verein für Konsumenteninformation versucht neue Wege zu gehen und hat beispielsweise mit Sammelklagen um die Rechte von geschädigten Reisenden oder Kreditnehmern gekämpft. Dennoch muss der Zugang der Verbraucher zum Recht in Zukunft noch verbessert werden. Natürlich kann man auch versuchen, durch öffentliches Interesse am eigenen „Fall“ eine Lösung herbeizuführen. Der ORF (Sendungen wie Bürgeranwalt, Konkret, Schauplatz Gericht) und die Ombudsmänner von Tageszeitungen schaffen es immer wieder, mit dem Druck der Öffentlichkeit auch Kulanzlösungen in verzwickten Rechtsfragen zu erzielen. Im jedem Fall bietet Ihnen unser „Rechts-Berater“ eine Menge an Basisinformation, damit Sie in Zukunft Ihre Rechte besser durchsetzen können. Dr. Peter Kolba
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