SWI 1/2024 Leseprobe

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34. Jahrgang / Jänner 2024 / Nr. 1

Katharina Luka / Stefanie Miklos

Pillar II: Umsetzung und praktische Implikationen

Pillar II: Implementation and Practical Implications

Michael Lang

DBA Malta: Anrechnungs- statt Freistellungsmethode?

DTC Malta: Credit Instead of Exemption Method?

Eric Coenen / Iris Tschatsch

Die Grenzgängerregelung im DBA Deutschland

Employment Income of Frontier Workers

Thomas Kollruss / Leah Esser / Tom Gray

KESt-Erstattung bei Schachteldividendenbezug

Refund of Withholding Tax on Intercompany Dividends

EAS, News aus der EU, Rechtsprechung

Legal Opinions, EU News, Court Decisions

Institut für Finanzrecht

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Redaktion: Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Michael Lang, Mag. Stefan Menhofer A-1210 Wien, Scheydgasse 24, Tel.: +43 (0)1 24 630/729, Fax: +43 (0)1 24 630/751

INHALT / CONTENTS

Luka / Stefanie Miklos

Globale Mindestbesteuerung (Pillar II): Umsetzung in Österreich und praktische Implikationen

Global Minimum Taxation (Pillar II): Implementation in Austria and Practical Implications

Michael Lang

DBA Malta: Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode auf Grundlage einer EAS-Rechtsauskunft des BMF?

Tax Treaty with Malta: Change from Exemption Method to Credit Method Based on an Express Answer Service by the Austrian Ministry of Finance?

Eric Coenen / Iris Tschatsch

SWI-Jahrestagung: Die Grenzgängerregelung nach Art15 Abs6 DBA Deutschland

SWI Conference: Employment Income of Frontier Workers According to Article 15 Para 6 of the Tax Treaty with Germany

Thomas Kollruss / Leah Esser / Tom Gray 23

Unionsrechtlicher Anspruch einer Drittstaatenkapitalgesellschaft auf Erstattung von Kapitalertragsteuer bei Schachteldividendenbezug Entitlement of a Third-Country Company Under EU Law to Refund Withholding Tax on Intercompany Dividends Peter Haunold / Christian Stangl / Michael Tumpel

Toifl

zum Internationalen Steuerrecht

Rechtsansichten des Finanzministeriums zu steuerlichen Tagesfragen*)

Aus der Arbeit der BMF-Fachabteilungen

BMF-Rechtsansichten Legal Opinions  Keine Abkommensberechtigung bei liechtensteinischer Steuer nach dem Aufwand

Unterliegt eine in Liechtenstein wohnhafte natürliche Person, die Gesellschafter einer österreichischen GmbH und in Österreich lediglich beschränkt steuerpflichtig ist, der liechtensteinischen Steuer nach dem Aufwand, stellt sich die Frage, ob dieser Person die Vorteile des DBA Liechtenstein zustehen.

Gemäß Art30 des liechtensteinischen Gesetzes vom 23. 9. 2010 über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; SteG) kann bei Personen, die erstmals oder nach mindestens zehnjähriger Landesabwesenheit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Liechtenstein nehmen, nicht die liechtensteinische Staatsangehörigkeit besitzen, keine Erwerbstätigkeit in Liechtenstein ausüben und vom Ertrag ihres Vermögens oder anderen ihnen aus dem Ausland zufließenden Bezügen leben, auf Antrag anstelle der Vermögens- und Erwerbssteuer eine Steuer nach dem Aufwand erhoben werden. Wird dem Antrag, über den die liechtensteinische Finanzverwaltung im Ermessen entscheidet, stattgegeben, so richtet sich die Bemessung der Besteuerung nach dem gesamten Aufwand des Steuerpflichtigen; die Steuer nach dem Aufwand beträgt 25% dieses Aufwands.

Für die Anwendbarkeit des DBA Liechtenstein müssen sowohl der sachliche als auch der persönliche Anwendungsbereich erfüllt sein. Da die Steuer nach dem Aufwand eine Paulschalbesteuerung darstellt, die sich nicht nach dem Einkommen des Steuerpflichtigen bemisst und in ihrer Ausgestaltung weder das Leistungsfähigkeits- noch das Welteinkommensprinzip berücksichtigt, erfüllt ihr Besteuerungsgegenstand nicht die Definition einer Steuer vom Einkommen im Sinne des Art2 Abs2 DBA Liechtenstein. Darüber hinaus wird die Steuer nach dem Aufwand, obwohl sie im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens erhoben worden ist, in Art2 Abs3 DBA Liechtenstein nicht als eine unter das Abkommen fallende Steuer aufgelistet. Die liechtensteinische Steuer nach dem Aufwand fällt daher nicht in den sachlichen Anwendungsbereich gemäß Art2 DBA Liechtenstein.

Selbst wenn der sachliche Anwendungsbereich des DBA Liechtenstein eröffnet wäre, würde eine natürliche Person, die in Liechtenstein nach dem Aufwand besteuert wird, nicht die Ansässigkeitsvoraussetzungen im Sinne des Art4 DBA Liechtenstein erfüllen, obwohl eine der innerstaatlichen Voraussetzungen für die Besteuerung nach dem Aufwand die Aufnahme des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts in Liechtenstein ist. Denn die in Art4 Abs1 DBA Liechtenstein vorgesehene Definition „einer in einem Vertragstaat ansässigen Person“ will solche persönlichen Beziehungen zu einem Staat erfassen, die nach dem innerstaatlichen Steuerrecht die Grundlage einer umfassenden Besteuerung (unbeschränkte Steuerpflicht) bilden (vgl Tz8 OECD-MK zu Art4 OECD-MA). Dies ist nicht erfüllt, da die Besteuerung nach dem Aufwand nicht das gesamte Welteinkommen erfasst, sondern auf aus dem Ausland stammende Einkünfte eingeschränkt ist. Somit ist auch der persönliche Anwendungsbereich gemäß Art1 iVm Art4 DBA Liechtenstein nicht erfüllt. Für allfällige von der Pe rson aus Österreich bezogene Einkünfte (zB GmbH-Ausschüttungen) besteht daher keine Abkommensberechtigung nach dem DBA Liechtenstein. (EAS3449 vom 18. 12. 2023)

*)Die hier wiedergegebenen Texte sind originalgetreue Zitate aus Anfragebeantwortungen durch Fachabteilungen des Bundesministeriums für Finanzen. Die Namen der Anfrager sowie die Geschäftszahl der Erledigung sind der SWI nicht bekannt; über die hier abgedruckten Texte können daher von der Redaktion keine weiteren Auskünfte erteilt werden. In Klammer beigefügt ist das Datum der Erledigung durch die BMF-Fachabteilung. (SWI)

Umsetzung von Pillar II in Österreich

Globale Mindestbesteuerung (Pillar II): Umsetzung in Österreich und praktische Implikationen

Umsetzung von Pillar II in Österreich Implementation of Pillar II in Austria

GLOBAL MINIMUM TAXATION (PILLAR II): IMPLEMENTATION IN AUSTRIA AND PRACTICAL IMPLICATIONS

By the end of December 2023, Austria passed the Minimum Taxation Act (“Mindestbesteuerungsgesetz”; MinBestG), implementing the global minimum taxation into national law. The global minimum taxation is intended to ensure that (multi)national groups of companies with consolidated revenues of at least 750 million Euro are subject to an effective tax burden of at least 15% worldwide. The Austrian Minimum Taxation Act is essentially based on the corresponding EU directive, but also takes into account the workings published by the OECD. Compliance obligations generally apply to each constituent entity located in Austria. As the new rules impose a huge administrative burden, affected groups and constituent entities should promptly deal with the transposition and implementation of the global minimum taxation.

I.Das österreichische Mindestbesteuerungsgesetz (MinBestG)

1.Die globale Mindestbesteuerung im Überblick

Am 14. 12. 2023 wurde in Österreich das Mindestbesteuerungsgesetz (MinBestG) mittels Mindestbesteuerungsreformgesetzes (MinBestRefG) durch den Nationalrat einstimmig beschlossen und mit 20. 12. 2023 vom Bundesrat genehmigt. Die Kundmachung des Gesetzes im BGBl erfolgte am 30. 12. 2023.1) Österreich setzt damit die auf den OECD-Mustervorschriften zu Pillar II2) basierende EU-Richtlinie 2022/25233) zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union um.

Mit dem Konzept der globalen Mindestbesteuerung/Pillar II bzw dem MinBestG soll sichergestellt werden, dass (multi)nationale Unternehmensgruppen mit Konzernumsätzen von mindestens 750 Mio Euro weltweit einer effektiven Steuerbelastung von mindestens 15% unterliegen. Hierfür wird zunächst die Effektivsteuerbelastung in einer länderweisen Betrachtung für alle in einer Steuerjurisdiktion ansässigen Geschäftseinheiten (sogenanntes jurisdictional blending) ermittelt.4) Für diese Berechnung relevant sind die eigens definierten und gesondert zu ermittelnden Positionen der angepassten erfassten Steuern bzw des Mindeststeuergewinns, welcher mittels sogenannter MindeststeuerMehr-Weniger-Rec hnung ermittelt wird und in der Regel von einer lokalen Mehr-Weniger-Rechnung abweicht.5) Damit können Situationen eintreten, in denen trotz eines nominellen Steuersatzes von weit über 15% (wie dies zB in Österreich der Fall ist) Ergänzungssteuer anfällt, weil der gemäß MinBestG ermittelte effektive Steuersatz unter 15% liegt.

Bei Unterschreiten des Mindeststeuersatzes von 15% in Bezug auf ausländische Geschäftseinheiten wird grundsätzlich auf Ebene der österreichischen betroffenen Ge-

*)Dr. Katharina Luka und Stefanie Miklos, MSc (WU), LL.B. (WU) sind Steuerberaterinnen bei Deloitte in Wien.

1)BGBl I 2023/187.

2) OECD, Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy – Global Anti-Base Erosion Model Rules (Pillar Two) (2021)

3)Richtlinie (EU) 2022/2523 zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union, ABl L 328 vom 22. 12. 2022, S1, berichtigt in ABl L 13 vom 16. 1. 2023, S9; im Folgenden: Pillar-II-RL.

4)Ausnahmen, zB für im Minderheitseigentum stehende Geschäftseinheiten oder Joint Ventures, sind zu beachten (vgl zB §§51 und 61 MinBestG).

5)ErlRV 2322 BlgNR 27. GP, 1.

schäftseinheiten (in der Regel die oberste Muttergesellschaft, eine zwischengeschaltete Muttergesellschaft oder eine im Teileigentum stehende Muttergesellschaft) eine Ergänzungssteuer im Wege einer Primärergänzungssteuer6) (PES) bzw Sekundärergänzungssteuer7) (SES) eingehoben.8) Außerdem hat Österreich auch die von der OECD bzw der EU eingeräumte Möglichkeit9) einer nationalen Ergänzungssteuer (NES)10) für sämtliche im Inland gelegene niedrigbesteuerte Geschäftseinheiten umgesetzt, welche unabhängig von den Anteilsverhältnissen im vollständigen Ausmaß (100%) eingehoben und in der Praxis wohl die meiste Relevanz haben wird.11)

Als Erleichterung bzw um den Unternehmensgruppen insbesondere in der Anfangsphase die komplexe und aufwendige Detailkalkulation der Ergänzungssteuer zu erleichtern, finden sich im MinBestG auch die international akkordierten permanenten (NESSafe-Harbour sowie vereinfachte Berechnung für unwesentliche Geschäftseinheiten) und temporären (CbCR-Safe-Harbour sowie SES-Safe-Harbour) Safe-Harbour-Regelungen wieder.12)

2.Verwaltungsvorschriften

Unabhängig von einer gegebenenfalls zu entrichtenden Ergänzungssteuer sind sämtliche österreichische Geschäftseinheiten grundsätzlich zur Abgabe eines (standardisierten) Mindeststeuerberichts (GloBE infomation return) verpflichtet. Der Mindeststeuerbericht hat umfangreiche Angaben zu den einbezogenen Geschäftseinheiten, zur Unternehmensstruktur, zur Berechnung des Effektivsteuersatzes und des Ergänzungssteuerbetrags sowie zu den in Anspruch genommenen Wahlrechten zu enthalten.13)

Es wurde allerdings die Möglichkeit geschaffen, diese Verpflichtung zu zentralisieren, zB auf eine einzige im Inland gelegene Geschäftseinheit bzw auf eine ausländische oberste Muttergesellschaft oder eine andere als berichtspflichtig benannte ausländische Geschäftseinheit, sofern ein multi- oder bilaterales Abkommen zum automatischen Austausch der jährlichen Mindeststeuerberichte mit den betroffenen ausländischen Staaten existiert.14) In diesem Fall sind für die österreichischen Geschäftseinheiten entsprechende Mitteilungspflichten gegenüber dem Finanzamt für Großbetriebe vorgesehen. Der Mindeststeuerbericht sowie die entsprechende Mitteilung sind fünfzehn Monate nach dem letzten Tag des Geschäftsjahres bzw achtzehn Monate, wenn das Geschäftsjahr ein Übergangsjahr ist, abzugeben.15) Wird der Mindeststeuerbericht vorsätzlich nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt, droht eine Geldstrafe bis zu 100.000 Euro; grobe Fahrlässigkeit wird mit einer Strafe von bis zu 50.000 Euro geahndet.16)

6)Im OECD- bzw EU-Regelungswerk bezeichnet als „income inclusion rule“ (IIR).

7)Im OECD- bzw EU-Regelungswerk bezeichnet als „undertaxed profits rule“ (UTPR).

8)Je nach lokaler Umsetzung der Regelungen iZm der globalen Mindestbesteuerung sind gegebenenfalls nationale Ergänzungssteuern sowie eine Anrechenbarkeit dieser in Österreich bzw die Anwendbarkeit einer Safe-Harbour-Regelung zu beachten.

9)ErlRV 2322 BlgNR 27. GP, 1; ErwGr 13 und Art11 Pillar-II-RL; OECD, Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy – Administrative Guidance on the Global Anti-Base Erosion Model Rules (Pillar Two) (Februar 2023).

10)Im OECD- bzw EU-Regelungswerk bezeichnet als „domestic minimum top-up tax“ (DMTT).

11)Siehe auch Schlager, Neues „Mindestbesteuerungsgesetz“ in Begutachtung, SWK 28/2023, 1082.

12)§§52 bis 57 MinBestG; ErlRV 2322 BlgNR 27. GP, 1; ErwGr 24 und Art32 Pillar-II-RL; OECD, Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy – Administrative Guidance on the Global AntiBase Erosion Model Rules (Pillar Two) (Juli 2023); OECD, Safe Harbours and Penalty Relief: Global AntiBase Erosion Rules (Pillar Two) (2022).

13)§§69 bis 73 MinBestG; OECD, Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy – GloBE Information Return (Pillar Two) (2023).

14)§§69 bis 70 MinBestG.

15)§72 MinBestG.

16)§75 MinBestG.

Umsetzung von Pillar II in Österreich

Die Erhebung der Mindeststeuer (NES, PES oder SES) in Österreich soll als Selbstbemessungsabgabe über einen einzigen inländischen Abgabenschuldner als zentrale Zahlstelle für die gesamte Unternehmensgruppe erfolgen. Dieser Abgabenschuldner kann mittels Beauftragung durch die oberste Muttergesellschaft grundsätzlich frei gewählt werden, das MinBestG sieht aber auch eine bestimmte Rangfolge vor, wenn keine Beauftragung erfolgt und mehr als eine Geschäftseinheit im Inland existiert.17)

Mit der Zentralisierung des Abgabenschuldners gehen umfangreiche Haftungsbestimmungen – jede in Österreich gelegene Geschäftseinheit haftet für die Mindeststeuer – sowie die Möglichkeit eines steuerneutralen, gesellschaftsrechtlichen Ausgleichs18) einher.

Die Selbstberechnung und Abfuhr sowie die Einreichung einer entsprechenden Voranmeldung sind schließlich bis zum 31. 12. des auf den Voranmeldungszeitraum (= Kalenderjahr, in dem das Geschäftsjahr endet) zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen.19)

II.Praktische Herausforderungen in der Umsetzung

1.Überblick

Das umfangreiche internationale Regelungswerk zu Pillar II geht in dessen Umsetzung bei den betroffenen Unternehmensgruppen und Geschäftseinheiten mit einem enormen Compliance-Aufwand einher. Bereits die seitenlangen Modellregelungen und Kommentarliteratur der OECD20) sowie das MinBestG mit seinen insgesamt 84 Paragrafen und den umfangreichen begleitenden Erläuterungen erfordern einerseits einen immensen Aufbau an Know-how und führen andererseits zu einem hohen administrativen Aufwand und folglich zu Belastungen sowohl für das Budget als auch die personellen Kapazitäten in den Steuer- und (Konzern-)Rechnungslegungsabteilungen der betroffenen Unternehmensgruppen.

So werden allein die Ermittlung der effektiven Steuerbelastung und die vorgesehenen Erklärungspflichten – je nach Größe und Komplexität der betroffenen Unternehmensgruppen – eine entsprechende Umsetzung in den IT-Systemen sowie getestete und qualitätsgesicherte Pillar-II-Berechnungs- und -Meldeprozesse erfordern. Betroffene Unternehmensgruppen bzw deren österreichische Geschäftseinheiten sind gefordert, ehestens Überlegungen anzustellen, wie insbesondere die erforderlichen Daten zeitgerecht bereitgestellt werden können, da das österreichische MinBestG mit 31. 12. 2023 in Kraft getreten und erstmals auf ab dem 31. 12. 2023 beginnende Wirtschaftsjahre anzuwenden ist.21)

2.Umfang der Pillar-II-Unternehmensgruppe

In den Anwendungsbereich des MinBestG fallen österreichische Geschäftseinheiten (multi)nationaler Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz gemäß Konzernabschluss der obersten Muttergesellschaft von mindestens 750 Mio Euro in zumindest zwei der letzten vier Wirtschaftsjahre.22) Bestimmte Rechtsträger sind vom Anwendungsbereich ausgenommen, zB staatliche Unternehmen, internationale und gemeinnützige Organisationen und Pensionsfonds, ebenso wie (Immobilien-)Investmentfonds, wenn diese an der Konzernspitze stehen.23)

17)§76 MinBestG.

18)§76 MinBestG.

19)§77 MinBestG.

20)Siehe https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economyglobal-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.htm (Zugriff am 4. 1. 2024).

21)§84 MinBestG; die Sekundärergänzungssteuer (SES) ist abweichend davon erst für ab dem 31. 12. 2024 beginnende Wirtschaftsjahre anwendbar.

22)§3 MinBestG.

23)§4 MinBestG.

Fällt eine Unternehmensgruppe in den Anwendungsbereich des MinBestG, gilt es zunächst zu erheben, welche Geschäftseinheiten der Unternehmensgruppe für Pillar-IIZwecke relevant sind. Hierbei stellen die Regelungen grundsätzlich auf den Konsolidierungskreis ab. Neben jenen Geschäftseinheiten (Gesellschaften und Betriebsstätten), die auf einer Line-by-Line-Basis (dh voll- oder teilkonsolidiert) in den Konzernabschluss einbezogen werden, sind allerdings auch solche Geschäftseinheiten relevant, die nur aufgrund von Größen- oder Wesentlichkeitskriterien oder weil sie veräußert werden sollen nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht für At-Equity-konsolidierte Joint Ventures, an denen die oberste Muttergesellschaft zumindest 50% der Anteile hält. Diese sind auch mangels Voll- oder Teilkonsolidierung für Zwecke der globalen Mindestbesteuerung relevant, allerdings sind gesonderte Berechnungsvorschriften zu beachten.24)

Bereits die Abgrenzung der umfassten Geschäftseinheiten sowie deren Behandlung für Pillar-II-Zwecke kann in der praktischen Umsetzung zu Herausforderungen führen. Dies trifft zB insbesondere bei nicht konsolidierten Geschäftseinheiten aber auch bei JointVenture-Beteiligungen zu. In beiden Fällen werden die für die weitere Berechnung erforderlichen Daten oft nicht im erforderlichen Umfang vorliegen bzw zusätzliche Reportings erforderlich sein.

3.Anknüpfungspunkt Konzernabschluss

Wie eingangs bereits erwähnt, sind für die Ermittlung des effektiven Steuersatzes die angepassten erfassten Steuern sowie der Mindeststeuergewinn zu ermitteln.25) Ausgangspunkt für die Berechnung dieser Positionen ist der Einzelabschluss der jeweiligen Geschäftseinheit nach dem Konzernrechnungslegungsstandard der obersten Muttergesellschaft, dh in der Regel das Ergebnis aus der Handelsbilanz II (HB II).26)

Die Heranziehung der Konzernrechnungslegungsstandards für Steuerzwecke stellt dabei ein absolutes Novum dar, zumal mit der HB II auf ein reines Konsolidierungsinstrument abgestellt wird. Durch die international sehr unterschiedlich ausgestalteten Steuersysteme und demzufolge der steuerlichen Gewinnbegriffe haben sich die OECD-/Inclusive-Framework-Staaten jedoch darauf geeinigt, nicht auf die nationalen Steuersysteme abzustellen, sondern eben vielmehr auf den Gewinnbegriff auf Basis international anerkannter Rechnungslegungsstandards zurückzugreifen. Damit soll eine einheitliche Bemessungsgrundlage geschaffen werden, deren Datengrundlage – zumindest dem ersten Anschein nach – ohnehin bereits im Rahmen des Konzernreportings verfügbar ist.27) Allerdings besteht in der Praxis für Unternehmensgruppen die erste Herausforderung bereits darin, bestehende Reporting-Packages anzupassen, da diese sogenannte HB II in vielen Fällen in der geforderten Form schlichtweg einfach nicht existiert. Grund dafür kann etwa sein, dass die erforderlichen Buchungen zur Anpassung an die Konzernrechnungslegungsstandards erst auf Ebene der obersten Muttergesellschaft für den gesamten Konzern vorgenommen werden. In anderen Fä llen werden Buchungen auf Konzernebene vorgenommen, aber nicht in die HB II rückgetragen, obwohl diese sowie der daraus resultierende Steuereffekt einem Einzelabschluss zuzuordnen wären (zB Drohverlustrückstellungen). Darüber hinaus enthalten Reporting-Packages in der Praxis häufig Effekte aus der Kaufpreisallokation für Unternehmenserwerbe oder Zwischenergebniseliminierungen (inklusi ve zugehöriger latenter Steuern),28) wobei diese

24)§61 MinBestG.

25)§§14 bis 45 MinBestG; ErlRV 2322 BlgNR 27. GP, 3; ErwGr 11 Pillar-II-RL.

26)§§14 und 37 MinBestG.

27)Vgl Schanz/Schramm, Die globale Mindeststeuer – eine Gratwanderung zwischen fairer Besteuerung und Überadministration, Schmalenbach Impulse (2022); Benzinger/Hachmeister, Implikationen aus Sicht der Rechnungslegung, ISR 2023, 93.

28)Vgl dazu im Detail mwN Benzinger/Hachmeister, ISR 2023, 93.

Umsetzung von Pillar II in Österreich

Beträge für die Ermittlung des Mindeststeue rgewinns nicht einbezogen werden dürfen.

Gemäß österreichischer Umsetzung der Pillar-II-Regelungen im MinBestG gilt der Konzernrechnungslegungsstandard unabhängig da von als Basis, ob die Berechnung für Zwecke einer PES, NES oder SES erfolgt. Daher haben auch österreichische Geschäftseinheiten ausländischer Unternehmensgruppen sämtliche erforderlichen Berechnungen nach dem Konzernrechnungslegungsstandard vorzunehmen. Dies kann zB IFRS oder US-GAAP, aber auch jeder andere ausländische EU- oder Nicht-EU-Rechnungslegungsstandard sein. Bei ös terreichischen Unternehmensgruppen wird in der Regel UGB oder IFRS relevant sein.

4.Erhebung der Datenpunkte

Ausgehend vom Einzelergebnis der jeweiligen Geschäftseinheit nach dem Konzernrechnungslegungsstandard sind sowohl für die Ermittlung der angepassten erfassten Steuern als auch des Mindeststeuergewinns im MinBestG genau definierte Anpassungen vorzunehmen.29) Diese Anpassungen sind in der Praxis oft herausfordernd und setzen eine umfangreiche und vielfältige Datengrundlage voraus. Während einzelne Datenpunkte relativ einfach den Rechnungslegungsdaten entnommen werden können (zB ausgenommene Dividenden), ist für andere Datenpunkte die Aushebung aus anderen Datengrundlagen, zB den Steuerdaten, erforderlich (zB Korrekturen iZm asymmetrischen Wechselkurseffekten). Derartige Daten werden aber oftmals nicht in vorhandene IT-Systeme eingepflegt und müssen daher manuell erhoben werden bzw liegen diese in vielen Fällen auf Ebene der obersten Muttergesellschaft gar nicht oder nicht im erforderlichen Detailierungsgrad vor. Überhaupt verfügen Unternehmensgruppen unter Umständen über viele unterschiedliche IT-Systeme, die möglicherweise (noch) nicht harmonisiert sind, wodurch die Datenerhebung weiter erschwert wird.

Eine weitere praktische Herausforderung stellt die Datenerhebung und Evidenzierung iZm der Zusammensetzung und Entwicklung der latenten Steuerpositionen dar, welche für die Determinierung der angepassten erfassten Steuern unbedingt erforderlich ist. Hier erfordern die Regelungen zum Teil eine Detailanalyse der latenten Steuerpositionen sowie deren Entwicklung im Zeitverlauf. Die Praxis zeigt in diesem Zusammenhang allerdings, dass es Tax-Reporting-Packages aktuell noch am erforderlichen Detaillierungsgrad mangelt, um den Ansprüchen der Datenerhebung für Zwecke der globalen Mindestbesteuerung gerecht zu werden.30)

Konzernen kann daher derzeit nur empfohlen werden, ihre Reporting- und IT-Systeme umfangreich zu analysieren bzw auszubauen, um die vollständige Datenerhebung so einfach, schnell und koordiniert wie möglich zu gestalten. Dadurch wird zukünftig auch die organisatorische, inhaltliche und personelle Verknüpfung der Steuerfunktion mit der (Konzern-)Rechnungslegung essenziell werden, um die geeigneten Prozesse, die neben der Datenerhebung insbesondere auch die Berichterstattung umfassen, zu implementieren bzw zu verknüpfen und zu optimieren. Auch bereits vorhandene Steuerkontrollsysteme werden an die neuen Anforderungen anzupassen sein. Angesichts der Anzahl der erforderlichen Datenpunkte und des Detaillierungsgrades der notwendigen Informationen scheint die Implementierung geeigneter ERP-Systeme sinnvoll, sofern diese bisher noch nicht oder noch nicht vollumfänglich genutzt werden.

5.Monitoring der Pillar-II-Umsetzung in den relevanten Ländern

Wurden die relevanten Geschäftseinheiten sowie die Steuerjurisdiktionen, in denen diese agieren, ermittelt, besteht eine besondere Herausforderung darin, den Gesetzgebungs-

29)§§14 und 37 MinBestG; für weitere Details siehe zB Schlager, SWK 28/2023, 1082.

30)Vgl auch Schanz/Schramm, Die globale Mindeststeuer.

prozess in den relevanten Steuerjurisdiktionen zu überwachen und die lokalen Besonderheiten mit den verschiedenen Umsetzungswahlrechten31) zu beachten. Während der Grundgedanke der Pillar-II-Regelungen nämlich noch die Erhebung einer allfälligen Ergänzungssteuer bei der obersten Muttergesellschaft im Rahmen der PES war, räumen sowohl die OECD- als auch die EU-Regelungen32) den jeweiligen Steuerjurisdiktionen die Möglichkeit ein, eine allfällige Ergänzungssteuer im Rahmen einer NES selbst zu erheben. Es wird davon auszugehen sein, dass diese Möglichkeit von den teilnehmenden Steuerjurisdiktionen überwiegend in Anspruch genommen wird, sodass sich zusätzlich zur obersten Muttergesellschaft auch für die lokalen Geschäftseinheiten entsprechende Berechnungs- und Meldeverpflichtungen ergeben werden.33) Auch Österreich hat die Möglichkeit einer NES in Anspruch genommen, sodass das MinBestG auch für österreichische Geschäftseinheiten ausländischer Unternehmensgruppen anwendbar ist und sich daher für diese entsprechende Melde- und Abfuhrverpflichtungen ergeben.34)

Zusätzlich lassen die OECD-Regelungen einen gewissen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Umsetzung dieser nationalen Ergä nzungssteuern zu, der einen wesentlichen Einfluss auf die praktische Handhabung haben kann (zB Ermittlung auf Basis des lokalen Rechnungslegungsstandards anstelle des Konzernrechnungslegungsstandards).35)

Die nationale Umsetzung in den betroffenen Steuerjurisdiktionen kann daher Besonderheiten mit sich bringen, die gegebenenfalls abweichende Berechnungen der Mindeststeuer erfordern.

Ein Austausch der diesbezüglich relevanten Informationen innerhalb der Unternehmensgruppe (dh zwischen der obersten Muttergesellschaft und den relevanten Geschäftseinheiten) ist daher jedenfalls sicherzustellen. Dies sowohl in Hinblick auf die laufenden Gesetzgebungsprozesse als auch in Hinblick auf gegebenenfalls abweichende Berechnungen. Informationen zur lokalen Umsetzung sind auch im Mindeststeuerbericht entsprechend anzugeben.36)

Ebenso müssen die betroffenen Unternehmensgruppen sicherstellen, dass sämtliche verfahrensrechtlichen Vorgaben in den betroffenen Steuerjurisdiktionen zeitgerecht eingehalten werden, da sich lokal abweichende Meldeverpflichtungen sowie Fristigkeiten zur Meldung und Abfuhr einer NES ergeben können.

6.Zentraler vs dezentraler Prozessansatz

Durch die Einführung nationaler Ergänzungssteuern in zahlreichen Ländern kann sich auch der Ansatz, Pillar II in der Unternehmensgruppe handzuhaben, ändern. Dem ursprünglichen Gedanken der Regelungen folgend, dass ohne Einführung einer NES eine allfällige Ergänzungssteuer primär auf Ebene der obersten Muttergesellschaft eingehoben wird, wurde die Pillar-II-Umsetzung bisher üblicherweise auf Konzern-

31) OECD, Administrative Guidance on the GloBE Model Rules (Februar 2023); OECD, Administrative Guidance on the GloBE Model Rules (Juli 2023).

32)ErlRV 2322 BlgNR 27. GP, 1; ErwGr 13 und Art11 Pillar-II-RL; OECD, Administrative Guidance on the GloBE Model Rules (Februar 2023).

33)Während es in einigen Steuerjurisdiktionen bereits finale Gesetze bzw entsprechende Gesetzesentwürfe gibt, die ua eine NES vorsehen, ist die Umsetzung in vielen Ländern noch unklar oder wird erst zeitlich verzögert erfolgen (insbesondere außerhalb der EU). Auf Basis der Pillar-II-RL waren die neuen Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung bis Ende 2023 von den EU-Ländern umzusetzen, wobei einzelne EU-Länder für eine verspätete Umsetzung gemäß Art50 EU-Richtlinie optiert haben. Nichtsdestoweniger führen diese teilweise dennoch bereits ab 2024 eine NES ein (zB Slowakei).

34)§6 MinBestG.

35) OECD, Administrative Guidance on the GloBE Model Rules (Februar 2023); OECD, Administrative Guidance on the GloBE Model Rules (Juli 2023).

36) OECD, GloBE Information Return.

III.Fazit

Umsetzung von Pillar II in Österreich

ebene vorangetrieben (zentraler Projektansatz), da in der Regel nur die oberste Muttergesellschaft Steuerpflichtige ist und sie entsprechende Meldeverpflichtungen treffen. Dies erfordert einen umfangreichen Datenaustausch im Konzern, um der obersten Muttergesellschaft die Berechnung der Mindeststeuer zu ermöglichen. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass sämtliche Daten qualitätsgesichert vorliegen, da diese auf Ebene der obersten Muttergesellschaft zu einer Ergänzungssteuer für eine niedrigbesteuerte Geschäftseinheit führen können. Unabhängig davon, ob überhaupt Ergänzungssteuer anfällt oder nicht, werden diese schließlich durch die oberste Muttergesellschaft gebündelt und ua im Mindeststeuerbericht verarbeitet. Lokale Geschäftseinheiten treffen in diesen Fällen neben der Bereitstellung der (qualitätsgesicherten) erforderlichen Daten in der Regel keine wesentlichen Verpflichtungen.

Durch die Einführung nationaler Ergänzungssteuern ist die oberste Muttergesellschaft (oder eine zwischengeschaltete oder im Teileigentum stehende Muttergesellschaft) allerdings nicht mehr (alleinige) Abgabenschuldnerin einer Ergänzungssteuer. Vielmehr werden im Falle einer NES sowohl die oberste Muttergesellschaft als auch die lokalen Geschäftseinheiten (für jene Steuerjurisdiktionen, in denen eine NES umgesetzt wird) Abgabenschuldner, und es sind auf beiden Ebenen (Konzern und lokal) entsprechende Meldeverpflichtungen zu erfüllen.

Der Pillar-II-Prozess könnte daher konzernintern auch dezentral organisiert werden, sodass die einzelnen Geschäftseinheiten die Berechnung der Mindeststeuer auf lokaler Ebene vornehmen, wobei auch hierbei sicherzustellen ist, dass die konzerninterne Weiterleitung der erforderlichen Daten zur Berechnung der nationalen Ergänzungssteuer sichergestellt wird, damit diese in den Mindeststeuerbericht aufgenommen werden können.

Dies hätte zwar den Vorteil, dass die lokalen Geschäftseinheiten in vielen Fällen meist über das größte Wissen über die lokale gesetzliche Umsetzung verfügen und damit den Berechnungsaufwand reduzier en könnten. Andererseits möchte eine Unternehmensgruppe (unter Beachtung lokaler Besonderheiten) wohl eine einheitliche Interpretation der Regelungen sowie Vorgehensweise in Bezug auf die Berechnungen sicherstellen. Dies wird allerdings nur dann möglich sein, wenn sämtliche Informationen zentral zusammenlaufen. Dazu kommt, dass durch das jurisdictional blending, dh die länderweise Berechnung des effektiven Steuersatzes und der Ergänzungssteuer, womöglich völlig unabhängige Konzerngesellschaften eines Landes nun für Zwecke der Berechnung der Mindeststeuer eng abgestimmt sein müssen, die entsprechenden Prozesse aufgrund der Konzernstruktur und/oder -historie jedoch möglicherweise noch fehlen.

Unternehmensgruppen werden sich daher Gedanken machen müssen, inwieweit die Pillar-II-Prozesse zentral gesteuert, aber dennoch an die lokalen Geschäftseinheiten ausgelagert werden sollen. Dementsprechend sind auch die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die einzelnen Geschäftseinheiten festzulegen. Ein Austausch relevanter Daten wird allerdings in jedem Fall und in beide Richtungen unerlässlich sein.

Für die Umsetzung der neuen Reglungen des MinBestG bleibt nicht mehr viel Zeit – die ersten Erklärungen müssen zwar erst frühestens Mitte 2026 bei den Finanzbehörden eingereicht werden, jedoch müssen sich die Konzerne bereits jetzt intensiv mit der Implementierung eines detaillierten Prozederes zur Datenerhebung und Berechnung der Mindeststeuer auseinandersetzen, um den zeitlichen Anforderungen zu entsprechen. Dabei müssen Konzerne insbesondere auch aufgrund etwaiger Reporting-Verpflichtungen im Konzernabschluss bzw für eine eventuelle Rückstellungsbildung in der Lage sein, bereits vorab die Berechnung einer eventuellen Mindeststeuer vornehmen zu können.

Tax Treaty with Malta: Change to Credit Method?

Michael Lang*)

DBA Malta: Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode auf Grundlage einer EAS-Rechtsauskunft des BMF?

DBA Malta: Wechsel zur Anrechnungsmethode?

Tax Treaty with Malta: Change to Credit Method?

TAX TREATY WITH MALTA: CHANGE FROM EXEMPTION METHOD TO CREDIT METHOD BASED ON AN EXPRESS ANSWER SERVICE BY THE AUSTRIAN MINISTRY OF FINANCE?

The Austrian Ministry of Finance published an Express Answer Service and stated that the exemption method according to Art23(1) DTC Malta applies only in cases in which only the source state has the right to tax. In its reasoning, the Austrian Ministry of Finance emphasizes that Art23(1) DTC Malta in its German version stipulates that the exemption method can only be applied provided that “only” the source state has the right to tax. Therefore, as regards remunerations in respect of an employment exercised by Austrian crew members aboard an aircraft pursuant to Art15(3) DTC Malta, the state of residence (Austria) may tax as well as the source state (state in which the place of effective management of the enterprise is situated). Thus, according to the Austrian Ministry of Finance, the exemption method cannot be applied in such cases. Michael Lang deals with the consequences of such an interpretation of the method article and the question whether such interpretation of the exemption method is, in general, in line with the treaty interpretation principles under the Vienna Convention on the Law of Treaties.

I.EAS-Rechtsauskunft des BMF

Vom 17. 11. 2023 datiert eine interessante EAS-Rechtsauskunft des BMF:1)

„Gehört eine Person, die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und auch iSd DBA Malta ansässig ist, dem Flugpersonal einer Fluggesellschaft an, deren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung sich in Malta befindet, stellt sich die Frage, ob deren Gehälter im Ansässigkeitsstaat Österreich besteuert werden dürfen.

Gemäß Art15 Abs3 DBA Malta dürfen, ungeachtet der Absätze 1 und 2 des Art15 DBA Malta, Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffs oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Die Bestimmung erlaubt somit die Besteuerung in jenem Staat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Fluggesellschaft befindet (Malta), allerdings nicht in ausschließlicher Weise, wie dies bei Verwendung des Wortes ,nur‘ der Fall wäre.

Art15 Abs3 DBA Malta schränkt daher den Besteuerungsanspruch des Ansässigkeitsstaates des Flugpersonals (Österreich) nicht ein und Einkünfte dieser Art können auch im Ansässigkeitsstaat des Flugpersonals (Österreich) besteuert werden.

Art23 Abs1 DBA Malta sieht als Grundnorm zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anwendung der Befreiungsmethode vor, bezieht sich jedoch explizit nur auf jene Fälle, in denen die Verteilungsnormen des DBA Malta Österreich (als Ansässigkeitsstaat) das Besteuerungsrecht entzieht. Dies ist durch das Wort ,nur‘ in Art23 Abs1 DBA Malta zum Ausdruck gebracht. Somit findet Art23 Abs1 in Bezug auf die von Art15 Abs3 DBA Malta erfassten Einkünfte keine Anwendung. Die in Art23 Abs2 DBA Malta vorgesehene Anrechnungsmethode findet ebenso wenig Anwendung, da ein Verweis auf Art15 Abs3 DBA Malta in der Auflistung der im Quellenstaat steuerpflichtigen Einkünfte fehlt.

*)Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Michael Lang ist Vorstand des Instituts für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU, wissenschaftlicher Leiter des LLM-Programms International Tax Law und Sprecher des Doctoral Program in International Business Taxation (DIBT) der WU. – Herrn Dominic Krenn danke ich herzlich für die kritische Diskussion dieses Manuskripts und die Unterstützung bei der Literaturrecherche und der Fahnenkorrektur.

1)EAS3448 vom 17. 11. 2023, 2023-0.825.422. Die Rechtsauskunft enthält noch eine weitere Passage, die aber aus den weiteren Überlegungen ausgeklammert werden soll: „Darüber hinaus kann die Anwendung der in Art2 Abs5 DBA Malta vorgesehenen ,Remittance-base-Klausel‘ nicht ausgeschlossen werden, wobei es sich hier aus Sicht des BMF um eine Sachverhaltsfrage handelt, die im Einzelfall der Beurteilung des zuständigen Finanzamts obliegt.“

DBA Malta: Wechsel zur Anrechnungsmethode?

Im Ergebnis wird dem Wortlaut des Abkommens nach das Besteuerungsrecht Österreichs weder auf Ebene der Verteilungsnormen (Art15 Abs3 iVm Art15 Abs1 DBA Malta) noch auf Ebene des Methodenartikels (Art23 Abs1 und Abs2 iVm Art15 Abs3 DBA Malta) eingeschränkt.

Im Wege einer teleologischen Auslegung des Art23 DBA Malta kann jedoch die Anrechnungsmethode auch für Einkünfte iSd Art15 Abs3 DBA Malta angewendet werden, um damit dem Ziel und Zweck des Abkommens gerecht zu werden. Dieses Ergebnis wird auch auf die durch das MLI abgeänderte Präambel des DBA Malta gestützt, die als Ziel dieses Abkommens explizit nicht nur die Beseitigung der Doppelbesteuerung, sondern auch die Notwendigkeit der Vermeidung der Nicht- oder Niedrigbesteuerung vorsieht. Dementsprechend ist der auszulegenden DBA-Bestimmung unter mehreren möglichen Interpretationen derjenige Sinn beizumessen, welcher ihre effektive Anwendung gewährleistet und nicht zu einem Ergebnis führt, das dem Ziel und Zweck der eingegangenen Verpflichtungen widerspricht. Sind zwei Auslegungsvarianten des Doppelbesteuerungsabkommens möglich, so ist jener der Vorzug zu geben, die den Eintritt von Doppelbesteuerung oder ungerechtfertigter Doppelnichtbesteuerung beseitigt.“

II.Konsequenzen der vom BMF vertretenen Rechtsauffassung

Die Konsequenzen der Rechtsauffassung des BMF gehen weit über Art15 Abs3 DBA Malta hinaus: Wenn die vom BMF zu Art15 Abs3 DBA Malta vertretene Auffassung zutreffend ist, kommen dieselben Konsequenzen auch in allen anderen Fällen, in denen der Quellenstaat abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht hat, ohne dass es ihm aber in der jeweiligen Verteilungsnorm ausschließlich eingeräumt wurde, zum Tragen. Wann immer der Quellenstaat zwar besteuern darf, aber eben nicht „nur“ der Quellenstaat besteuern darf, wäre daher die Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode zu beseitigen:

• Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen dürfen nach Art6 DBA Malta in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt.

• Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaates dürfen nach Art7 DBA Malta im anderen Vertragsstaat insoweit besteuert werden, als sie einer dort gelegenen Betriebsstätte zugerechnet werden können.

• Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens dürfen nach Art13 Abs1 DBA Malta im Belegenheitsstaat besteuert werden.

• Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat darstellt oder zu einer festen Einrichtung im anderen Vertragsstaat gehört, dürfen nach Art13 Abs2 DBA Malta dort besteuert werden.

• Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art dürfen nach Art14 Abs1 DBA Malta insoweit im anderen Vertragsstaat besteuert werden, als sie einer dort gelegenen festen Einrichtung zugerechnet werden können.

• Einkünfte aus im anderen Vertragsstaat ausgeübter unselbständiger Arbeit dürfen nach Art15 Abs1 DBA Malta dort besteuert werden.

• Vergütungen für eine Tätigkeit als Aufsichts- oder Verwaltungsrat einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft dürfen nach Art16 DBA Malta dort besteuert werden.

• Künstler und Sportler dürfen mit ihren aus in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogenen Einkünften nach Art17 DBA Malta in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sie ihre Tätigkeit ausüben.

Demzufolge blieben nur wenige Fälle, in denen die Freistellungsmethode zur Anwendung kommt. Voraussetzung für die Anwendung des Art23 Abs1 DBA Malta ist nach Auffassung des BMF, dass bereits nach der Verteilungsnorm „nur“ der Quellenstaat das Besteuerungsrecht hat:

• Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr können nach Art8 Abs1 DBA Malta nur in dem Vertragsstaat besteuert wer-

den, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Art23 Abs1 DBA Malta kommt dabei in den seltenen Fällen in Betracht, in denen der Geschäftsleitungsstaat des Unternehmens nach Art8 DBA Malta nicht mit dem Ansässigkeitsstaat jener Person identisch ist, die dieses Unternehmen betreibt.

• Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe und Luftfahrzeuge dient, dürfen nach Art13 Abs2 letzter Satz DBA Malta nur im Geschäftsleitungsstaat des Unternehmens besteuert werden. Auch hier ist Art23 Abs1 DBA Malta lediglich dann anwendbar, wenn Ansässigkeitsstaat der das Unternehmen betreibenden Person und Geschäftsleitungsstaat des Unternehmens auseinanderfallen.

• Vergütungen, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften an eine natürliche Person für die diesem Staat oder seiner Gebietskörperschaft erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen nach Art19 Abs1 DBA Malta nur in diesem Staat besteuert werden.

Auf dem Boden der in der EAS-Rechtsauskunft zum Ausdruck kommenden Auffassung des BMF wird damit die Freistellungsmethode zur bloßen Ausnahme. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist die Anrechnungsmethode anwendbar, und zwar entweder kraft ausdrücklicher Anordnung in Art23 Abs2 DBA Malta für die Einkünfte, die nach den Abs2 der Art10, 11 und 12 im anderen Vertragsstaat besteuert werden dürfen, oder im Wege der vom BMF vertretenen „teleologischen Auslegung“, die dann wohl nicht bloß für Art15 Abs3 DBA Malta, sondern auch für alle anderen oben erwähnten gleichgelagerten Fälle zum Tragen kommen muss.

Nicht bloß der Anwendungsbereich, sondern auch die normative Bedeutung des Art23 Abs1 DBA Malta ist auf Grundlage dieser Auffassung äußerst gering: In den geschilderten Fällen räumt bereits die Verteilungsnorm „nur“ dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht ein und schließt daher das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates aus. Die nochmalige Anordnung in Art23 Abs1 DBA Malta, dass der Ansässigkeitsstaat diese Einkünfte von der Besteuerung ausnimmt, ist daher überflüssig. Die einzige Bedeutung des Art23 Abs1 DBA Malta liegt daher im zweiten Satzteil der Vorschrift, wodurch der Ansässigkeitsstaat zur Anwendung des Progressionsvorbehalts ermächtigt wird. Ob es dieser Ermächtigung aber überhaupt bedarf, kann bezweifelt werden: Erst jüngst hat der VwGH zum DBA Türkei entschieden, dass Österreich auch dann den Progressionsvorbehalt vornehmen kann, wenn der Steuerpflichtige für abkommensrechtliche Zwecke im anderen Vertragsstaat ansässig ist.2) Die Regelung, die den Ansässigkeitsstaat zum Progressionsvorbehalt ermächtigt, hat sich somit als bloß deklarativ erwiesen.3) Übertragen auf Art23 Abs1 DBA Malta wäre diese Vorschrift dann zur Gänze überflüssig.

III.Bisherige österreichische Rechtsauffassung

Die österreichische Finanzverwaltung vertrat allerdings bisher eine andere Auffassung als nunmehr in der EAS-Rechtsauskunft 3448: In den Fällen, in denen die Verteilungsnorm dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht zuwies, ohne dass dort bereits das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates ausgeschlossen wurde, erachtete das BMF Art23 Abs1 DBA Malta und damit die Freistellungsmethode für maßgebend. Dies zeigt sich beispielsweise in der vom BMF erteilten EAS-Rechtsauskunft 1956.4) Dort geht

2)VwGH 7. 9. 2022, Ra 2021/13/0067; siehe dazu auch Drolle/Jäger, Anwendung des Progressionsvorbehaltes im Quellenstaat, ecolex 2023, 533 (533ff); Schmidjell-Dommes, VwGH: Progressionsvorbehalt auch bei in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen, aber im Ausland ansässigen Personen, SWI 2023, 242 (242ff).

3)Dazu die Diskussion bei Klokar/Knotzer, SWI-Jahrestagung: Progressionsvorbehalt im Quellenstaat Österreich, SWI 2023, 589 (589ff).

4)EAS1956 vom 26. 11. 2001, ST 146/1-IV/4/01.

DBA Malta: Wechsel zur Anrechnungsmethode?

das BMF im Kontext des Art14 DBA Malta von der Anwendung der Freistellungsmethode bei einer in Österreich ansässigen Person aus, indem es ausführt:

„Von den Geschäftsführerbezügen aus Malta dürfte nur jener Teil ausgeschieden werden, der nachweisbar auf Aktivitäten entfällt, die in einer maltesischen festen Einrichtung im Sinn von Art14 DBA Malta ausgeübt wurden.“

Diese Auffassung wurde von Anfang an vertreten. Philipp, der damals die für DBA-Verhandlungen zuständige Abteilung des BMF leitete, führte in einem anlässlich des Abschlusses des DBA Malta 1979 verfassten Fachaufsatz aus:5)

„Die Doppelbesteuerung wird im Regelfall nach der Befreiungsmethode unter Progressionsvorbehalt beseitigt. Nur bei Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren wird die im Quellenstaat im eingeschränkten Ausmaß erhobene Steuer auf die Steuern vom Einkommen angerechnet, die der Wohnsitzstaat von diesen Einkünften erhebt.“

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu diesem DBA vertraten dieselbe Auffassung:6)

„Die Doppelbesteuerung wird durch das Abkommen in Österreich grundsätzlich nach der sogenannten ‚Befreiungsmethode‘ beseitigt, das heißt, dass die einzelnen Besteuerungsobjekte in jeweils einem der beiden Vertragsstaaten zur ausschließlichen Besteuerung zugeteilt werden. Nur im Fall von Dividenden, Zinsen und Lizenzen (dies gilt nicht für Schachteldividenden, die in Österreich entsprechend dem innerstaatlich bestehenden Schachtelprivileg – §10 Körperschaftsteuergesetz 1966 in der geltenden Fassung – auch vertraglich von der Besteuerung ausgenommen sind) wird die Doppelbesteuerung nach der sogenannten ‚Anrechnungsmethode‘ beseitigt, das heißt, dass zwar beide Vertragsstaaten in solchen Fällen ein Besteuerungsrecht besitzen, dass der Wohnsitzstaat des Empfängers der Einkünfte aber verpflichtet ist, die im anderen Vertragsstaat erhobene Steuer auf seine eigene Steuer, die auf diese Einkünfte entfällt, anzurechnen.“

Im Zusammenhang mit Art23 findet sich dort noch folgender Satz:7)

„Beide Staaten wenden im Allgemeinen die Befreiungsmethode unter Progressionsvorbehalt an.“

Auch der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses des Nationalrats erweckt keineswegs den Eindruck, dass – was aber die Konsequenz der in der EAS-Rechtsauskunft 3448 vertretenen Auffassung wäre – die Anrechnungsmethode im DBA Malta dominierend wäre:8)

„Die Doppelbesteuerung wird grundsätzlich nach der sogenannten ,Befreiungsmethode‘ beseitigt, das heißt, dass die einzelnen Besteuerungsobjekte in jeweils einem der beiden Vertragsstaaten zur ausschließlichen Besteuerung zugeteilt werden. Nur im Fall von Dividenden, Zinsen und Lizenzen wird die Doppelbesteuerung nach der sogenannten ‚Anrechnungsmethode‘ beseitigt, das heißt, dass zwar beide Vertragsstaaten in solchen Fällen ein Besteuerungsrecht besitzen, dass der Wohnsitzstaat des Empfängers der Einkünfte aber verpflichtet ist, die im anderen Vertragsstaat erhobene Steuer auf seine eigene Steuer, die auf diese Einkünfte entfällt, anzurechnen.“

Schließlich hat die Berichterstatterin BR Kubanek anlässlich der Beschlussfassung im Bundesrat das Konzept des DBA Malta am 1. 2. 1979 nahezu gleichlautend erläutert:9)

„Durch das vorliegende Abkommen soll die Doppelbesteuerung zwischen den Vertragsstaaten grundsätzlich nach der sogenannten ,Befreiungsmethode‘ beseitigt werden, das heißt, dass die einzelnen Be-

5) Philipp, Doppelbesteuerungsabkommen mit Malta, ÖStZ1979, 252 (254).

6)ErlRV 1045 BlgNR 14. GP, 22.

7)ErlRV 1045 BlgNR 14. GP, 24.

8)AB 1131 BlgNR 14. GP, 1.

9)Stenographisches Protokoll der 383. Sitzung des Bundesrates vom 1. 2. 1979, 13424.

steuerungsobjekte in jeweils einem der Vertragsstaaten zur ausschließlichen Besteuerung zugeteilt werden. Bei Dividenden, Zinsen und Lizenzen soll die Doppelbesteuerung nach der sogenannten ,Anrechnungsmethode‘ beseitigt werden, das heißt, dass zwar beide Vertragsstaaten in solchen Fällen ein Besteuerungsrecht besitzen, dass aber der Wohnsitzstaat des Empfängers der Einkünfte verpflichtet ist, die im anderen Vertragsstaat erhobene Steuer auf seine eigene Steuer anzurechnen.“

Zugegebenermaßen sind die anlässlich der parlamentarischen Genehmigung des DBA entstandenen Gesetzesmaterialien für die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags nicht von Bedeutung. Sie können nämlich nicht Zeugnis über die von beiden Verhandlungsteams beim Abschluss vertretene Auffassung geben.10) Allenfalls könnten sie gemeinsam mit Dokumenten, die im anderen Staat im Rahmen der Ratifikation verfasst wurden, für die Interpretation herangezogen werden.11) Jedenfalls aber überrascht es, dass das BMF in der EAS-Rechtsauskunft 3448 von einer bisher vom BMF seit 1979 und auch von der Bundesregierung und dem zuständigen Ausschuss des Nationalrats bei der parlamentarischen Genehmigung des DBA Malta vertretenen Auffassung abgeht, ohne auf diese Meinungsänderung auch nur hinzuweisen.

IV.Vertragstext in den beiden authentischen Sprachen

Von Bedeutung für die Auslegung ist jedenfalls der englischsprachige Text des DBA. Denn neben dem deutschsprachigen ist auch der englischsprachige Text authentisch. Am Ende des Abkommens findet sich die Passage: „Geschehen zu Bonn, am 29. Mai 1978, in zwei Urschriften, jede in deutscher und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.“ Daher genügt es nicht, das DBA alleine anhand des deutschsprachigen Textes auszulegen. Die englischsprachige Version ist in gleicher Weise heranzuziehen. In der im BGBl ebenfalls kundgemachten englischsprachigen Fassung lautet Art23 Abs1 DBA Malta wie folgt:

„(1) Where a resident of a Contracting State derives income or owns capital which may be taxed in the other Contracting State in accordance with the provisions ·of this Convention, the first mentioned State shall, subject to the provisions of paragraph (2) hereof, exempt such income or capital from tax but may, in calculating tax person, apply the tax which would have been applicable if the exempted income or capital had not been so exempted.“

Interessanterweise enthält die englischsprachige Version dieser Vorschrift kein Wort „only“. Die deutsch- und die englischsprachige Fassung dieses Textes unterscheiden sich daher erheblich: Während die deutschsprachige Version den Ansässigkeitsstaat bloß dann zur Freistellung zu verpflichten scheint, wenn die Einkünfte nach diesem Abkommen „nur“ im Quellenstaat besteuert werden, sieht die englischsprachige Version –im Einklang mit dem auch aus Art23A Abs1 OECD-MA bekannten Text – die Freistellung im Ansässigkeitsstaat immer dann vor, wenn der Quellenstaat nach dem Abkommen besteuern darf. Eine Entsprechung zum Wort „nur“, das das BMF in der EAS-Rechtsauskunft 3448 veranlasste, die Freistellung für Einkünfte nach Art15 Abs3 DBA Malta zu versagen, fehlt im englischsprachigen Text. Es liegt somit ein Widerspruch zwischen den beiden in gleicher Weise authentischen Texten des Art23 Abs1 DBA Malta vor.

Art33 WVK beschäftigt sich mit der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen mit mehr als einer authentischen Sprache:

„(1)Ist ein Vertrag in zwei oder mehr Sprachen als authentisch festgelegt worden, so ist der Text in jeder Sprache in gleicher Weise maßgebend, sofern nicht der Vertrag vorsieht oder die Vertragsparteien vereinbaren, dass bei Abweichungen ein bestimmter Text vorgehen soll.

(2)[…]

10)Dazu zuletzt Lang, Zurechnungskonflikt bei Durchgriff durch eine Schweizer Gesellschaft, SWI 2022, 118 (122).

11)Näher Lang, Der Anwendungsbereich der Anrechnungsmethode nach dem DBA Österreich – Schweiz, SWI 2011, 192 (196).

Malta: Wechsel zur Anrechnungsmethode?

(3)Es wird vermutet, dass die Ausdrücke des Vertrags in jedem authentischen Text dieselbe Bedeutung haben.

(4)Außer in Fällen, in denen ein bestimmter Text nach Absatz 1 vorgeht, wird, wenn ein Vergleich der authentischen Texte einen Bedeutungsunterschied aufdeckt, der durch die Anwendung der Artikel 31 und 32 nicht ausgeräumt werden kann, diejenige Bedeutung zugrunde gelegt, die unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Vertrags die Wortlaute am besten miteinander in Einklang bringt.“

In der völkerrechtlichen Rechtsprechung finden sich Hinweise, die bei zwei oder mehreren authentischen Vertragssprachen der Fassung größere Bedeutung beimessen, in deren Sprache der Text verhandelt wurde.12) Die Urteile des Ständigen Internationalen Gerichtshofs in Mavrommatis 13) sowie in Exchange of Greek and Turkish Populations sind dafür Beispiele.14) Die Annahme liegt nahe, dass die Verhandlungen zum DBA Malta in englischer Sprache geführt wurden. Dies spricht dann auch dafür, schon aus diesem Grund der englischen Fassung Vorrang einzuräumen.

Selbst wenn man aber diese Überlegung verwirft, weil das DBA selbst davon spricht, dass „jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich“ ist und somit gerade nicht den Vorrang einer bestimmten Sprachfassung erkennen lässt, gibt es andere gute Gründe, jener Interpretation des Art23 Abs1 DBA Malta zu folgen, die aus seiner englischsprachigen Fassung hervorleuchtet: Zumindest der erste Satzteil des Art23 Abs1 DBA Malta wäre völlig überflüssig, wenn er bloß wiederholend bestätigen würde, dass Einkünfte, die nur im anderen Vertragsstaat besteuert werden können, im Ansässigkeitsstaat von der Besteuerung ausgenommen werden. Die Ausnahme dieser Einkünfte von der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat ergibt sich ohnehin schon aus den wenigen Verteilungsnormen, die das ausdrücklich anordnen.

Vor allem aber führt die aus dem deutschsprachigen Text gewonnene Interpretation zu einem irritierenden Ergebnis: Die Einkünfte, die nach dem DBA im Quellenstaat besteuert werden können, fallen nach der deutschsprachigen Fassung dieser Vorschrift nicht unter Art23 Abs1 DBA Malta. Denn die deutschsprachige Fassung erfasst nur die –seltenen – Einkünfte, die nach den Verteilungsnormen nur im Quellenstaat besteuert werden können. Die EAS-Rechtsauskunft 3448 des BMF räumt in einem ersten Schritt zutreffend ein, dass Österreich als Ansässigkeitsstaat in den unter Art15 Abs3 DBA Malta fallenden Fällen überhaupt nicht an der Besteuerung gehindert ist. Konsequenterweise müsste das für die zahlreichen oben erwähnten gleichgelagerten Konstellationen, in denen der Quellenstaat zwar besteuern darf, aber nicht das ausschließliche Besteuerungsrecht hat, genauso gelten. Obwohl der persönliche und der sachliche Anwendungsbereich des DBA eröffnet ist, bliebe es somit bei der Doppelbesteuerung.

Erst in einem zweiten Schritt erachtet die EAS-Rechtsauskunft des BMF im Sinne einer „teleologischen Interpretation“ die Anwendung der Anrechnungsmethode für geboten. Dafür gibt es aber keine Begründung. Denn der Anwendungsbereich der Anrechnungsmethode ist nach dem klaren Wortlaut des Art23 Abs2 DBA Malta auf die „Einkünfte, die nach den Absätzen 2 der Artikel 10, 11 und 12 in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden können“, beschränkt. Wer die Anwendung der Freistellungsmethode im Anwendungsbereich des Art15 Abs3 DBA Malta und in den erwähnten gleichgelagerten Fällen unter Berufung auf das Wort „nur“ in Art23 Abs1 DBA Malta ausschließt, müsste wohl auch die Anwendung der Anrechnungsmethode aufgrund der abschließenden Aufzählung in Art23 Abs2 DBA Malta in gleicher Weise ausschließen. Hält man – richtigerweise – die Vermeidung der Doppelbesteuerung für geboten, wenn es sich um nach dem DBA ansässige Personen handelt, und die Steuer nach Art2 DBA Malta vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens umfasst ist, lässt sich kein Argument finden, das

12) Dörr in Dörr/Schmalenbach, Vienna Convention on the Law of Treaties (2018) Art33 Rn 7ff.

13)StIGH 30. 8. 1924, Mavrommatis Palestine Concessions, PCIJ Ser A No 2, 19.

14)StIGH 21. 2. 1925, Exchange of Greek and Turkish Populations, PCIJ Ser B No 10, 18.

dafür spricht – wenn es um Lückenfüllung geht –, die Anrechnungsmethode gegenüber der Freistellungsmethode zu bevorzugen.

Der Blick auf die englischsprachige Fassung des DBA löst all diese Probleme: Nach diesem Text des Art23 Abs1 DBA Malta sind alle Einkünfte, für die der andere Vertragsstaat nach einer Verteilungsnorm das Besteuerungsrecht hat, im Ansässigkeitsstaat von der Besteuerung freizustellen. Die einzige Ausnahme ist Art23 Abs2 OECD-MA. Diese Vorschrift beschreibt die wenigen Fälle, für die ausnahmsweise die Anrechnungsmethode maßgeblich ist. Auf die unter Art15 Abs3 DBA Malta fallenden Einkünfte – und alle anderen Einkünfte, die im anderen Vertragsstaat besteuert werden können – ist somit Art23 Abs1 DBA Malta anwendbar. Der Ansässigkeitsstaat hat diese Einkünfte nach Art23 Abs1 DBA Malta – unter Progressionsvorbehalt – von der Steuer zu befreien.

Wer die deutschsprachige und die englischsprachige Fassung des Art23 Abs1 DBA Malta gegenüberstellt, muss daher zum Ergebnis kommen, dass alleine die englischsprachige Fassung zu einer in sich konsistenten Lösung führt. Die aus Art33 WVK zu gewinnenden Wertungen machen deutlich, dass die überzeugenden Argumente dafür sprechen, auch die deutschsprachige Fassung des Art23 Abs1 DBA Malta so zu lesen, als ob das Wort „nur“ dort nicht enthalten wäre. Diese Interpretation entspricht dem Verständnis, das aus der englischsprachigen Fassung des Textes zweifelsfrei zu gewinnen ist.

V.Bedeutung der Präambel

In der EAS-Rechtsauskunft 3448 des BMF spielt die durch das MLI in das DBA Malta eingefügte Präambel auch noch eine Rolle. Die aus der Rechtsauskunft zu entnehmende Begründung soll nochmals wiedergegeben werden:

„Dieses Ergebnis wird auch auf die durch das MLI abgeänderte Präambel des DBA Malta gestützt, die als Ziel dieses Abkommens explizit nicht nur die Beseitigung der Doppelbesteuerung, sondern auch die Notwendigkeit der Vermeidung der Nicht- oder Niedrigbesteuerung vorsieht. Dementsprechend ist der auszulegenden DBA-Bestimmung unter mehreren möglichen Interpretationen derjenige Sinn beizumessen, welcher ihre effektive Anwendung gewährleistet und nicht zu einem Ergebnis führt, das dem Ziel und Zweck der eingegangenen Verpflichtungen widerspricht. Sind zwei Auslegungsvarianten des Doppelbesteuerungsabkommens möglich, so ist jener der Vorzug zu geben, die den Eintritt von Doppelbesteuerung oder ungerechtfertigter Doppelnichtbesteuerung beseitigt.“

Dazu muss man sich aber zunächst den Wortlaut der Präambel – wie sie auch in das DBA Malta aufgenommen wurde – vor Augen halten:

„Intending to eliminate double taxation with respect to the taxes covered by this agreement without creating opportunities for non-taxation or reduced taxation through tax evasion or avoidance (including through treaty-shopping arrangements aimed at obtaining reliefs provided in this agreement for the indirect benefit of residents of third jurisdictions).“

Die EAS-Rechtsauskunft des BMF überschätzt die Bedeutung der Präambel. Es handelt sich jedenfalls um keine „Subject-to-Tax-Klausel“, die die Freistellung im Ansässigkeitsstaat von der Besteuerung im anderen Vertragsstaat abhängig macht.15) Die OECD schlägt vor, diese Präambel allen DBA vorzuschalten, und zwar unabhängig davon, welchen Inhalt sie haben. Damit relativiert die OECD die Bedeutung dieser Präambel für Auslegungszwecke selbst: Denn es hängt eben von den jeweiligen Abkommensvorschriften und deren Anwendungsvoraussetzungen ab, ob die Abkommensberechtigung gegeben ist oder nicht. Ziel und Zweck der maßgebenden Abkommensvorschriften ist dabei entscheidend. Eine allgemein gehaltene Präambel kann dazu wenig beitragen.

15) Lang, Verhinderung von Doppel- und Doppelnichtbesteuerung, in Bendlinger/Kofler/Lang/SchmidjellDommes, Die österreichischen DBA nach BEPS, SWI-Spezial (2018) 62 (64ff).

DBA Malta: Wechsel zur Anrechnungsmethode?

Die EAS-Rechtsauskunft des BMF unterstellt, die Präambel hätte vor Augen, dass die DBA den Eintritt von „ungerechtfertigter Doppelnichtbesteuerung“ beseitigen sollen. Es geht in der Präambel aber gar nicht um die Frage, ob Nichtbesteuerung – aus wessen Blickwinkel auch immer – gerechtfertigt ist: Neben dem allgemeinen Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung spricht die Präambel davon, dass ein DBA nicht „creating opportunities for non-taxation or reduced taxation“ intendiert. Diese Zielsetzung steht aber unter der ausdrücklichen Einschränkung, dass die Schaffung dieser Möglichkeiten nur dann verpönt sein soll, wenn sie „through tax evasion or avoidance“ erfolgt. „Creating opportunities for non-taxation“ als generell nicht erwünscht zu beschreiben, wäre auch zu weit gegangen. Denn die DBA sind nach wie vor so gestaltet, dass sie Besteuerungsrechte zuordnen, ohne die Staaten zu verpflichten, diese Rechte auszuüben. Es kann daher auch weiterhin zur Nichtbesteuerung kommen. Eine Zielsetzung, die durch die Abkommensvorschriften selbst widerlegt werden könnte, wäre schon deshalb bedeutungslos.16)

Dazu kommt noch, dass die Bedeutung der erwähnten Einschränkung alles andere als klar ist: Der darin enthaltene Hinweis auf „tax evasion“ wirft Fragen auf. Dass doppelte Nichtbesteuerung, die dadurch entsteht, dass sich der Steuerpflichtige außerhalb des geltenden Rechts bewegt, indem er die ihn treffenden Pflichten ignoriert, nicht zu den Zielen eines Abkommens gehört, bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung: Nur wer vom Anwendungsbereich einer DBA-Vorschrift umfasst ist, kann von ihren Rechtsfolgen profitieren. Die hinter dieser Formulierung stehende Annahme der Präambel ist banal und der Hinweis auf „tax evasion“ überflüssig.17)

Der Hinweis auf „avoidance“ ist wiederum aus einem anderen Grund wenig hilfreich.18) Ob eine Vorschrift gegen ihre eigene Umgehung gewappnet ist, hängt nicht von der allgemeinen Zielsetzung des Abkommens, sondern von den tatbestandlichen Voraussetzungen der Anwendung der entsprechenden Vorschriften und ihren Rechtsfolgen ab. Es ist zB eine Erfahrungstatsache, dass formal anknüpfende Regelungen dem Steuerpflichtigen bei seinen Gestaltungen oft eine größere Zahl anderer Wege offenlassen, zum selben oder zumindest einem ähnlichen wirtschaftlichen Ergebnis zu gelangen, als Regelungen, die von vornherein wirtschaftlich anknüpfen. Ein Staat, der in seinen Abkommen für bestimmte Einkünfte konsequent dieselbe Quellensteuerbeschränkung vorsieht, wird seltener Bemühungen von Steuerpflichtigen ausgesetzt sein, mit ihren Gestaltungen in den Anwendungsbereich einer bestimmten DBA-Regelung zu gelangen, als Staaten, die in ihren DBA für vergleichbare Einkünfte unterschiedliche Quellensteuerhöchstsätze vorsehen. Ob also der Versuch, eine Vorschrift zu „umgehen“, gelingt, ist keine Frage der Präambel eines DBA, sondern hängt davon ab, wie umgehungssicher – und damit: wie konsistent – eine konkrete Vorschrift ausgestaltet und mit anderen Vorschriften abgestimmt ist.

All dies zeigt, dass die Einfügung der Präambel in das OECD-MA und in bilaterale DBA keineswegs ein „game changer“ war. Die Präambel kann wohl den Inhalt schon zuvor bestehender Vorschriften nicht ändern. Selbst wenn die Präambel schon von Anfang an im DBA Malta enthalten gewesen wäre, würde sich die Frage stellen, ob sich deshalb der Inhalt der Vorschriften des DBA ändert. Denn es kommt bei der Interpretation der einzelnen Abkommensvorschriften nicht auf allgemein gehaltene Postulate, sondern jeweils konkret auf deren Ziel und Zweck an. Außerdem ist sogar der Präambel zufolge Nichtbesteuerung nur dann verpönt, wenn Möglichkeiten geschaffen werden, „through

16)So schon Lang in Bendlinger/Kofler/Lang/Schmidjell-Dommes, Die österreichischen DBA nach BEPS, 62 (64).

17) Lang in Bendlinger/Kofler/Lang/Schmidjell-Dommes, Die österreichischen DBA nach BEPS, 62 (64).

18)Dazu auch Lang in Bendlinger/Kofler/Lang/Schmidjell-Dommes, Die österreichischen DBA nach BEPS, 62 (64).

[…] tax avoidance“ zu ihr zu gelangen. In Österreich ansässige Steuerpflichtige werden sich wohl nicht alleine aufgrund des Umstands, dass sie Einkünfte beziehen, für die Malta im DBA Malta das Besteuerungsrecht eingeräumt ist und die in Österreich freizustellen sind, pauschal vorwerfen lassen müssen, jene Abkommensvorschriften zu umgehen, die die Steuerpflicht in Österreich zulassen.

Daher kann unter Berufung auf die Präambel eine allfällige niedrige Besteuerung für Einkünfte nach Art15 Abs3 DBA Malta im Quellenstaat keineswegs dazu führen, dass Art23 Abs1 DBA Malta seinen Anwendungsbereich verliert. Es liegt im Wesen der Freistellungsmethode, dass der Ansässigkeitsstaat die dem anderen Staat zuordenbaren Einkünfte – unter Progressionsvorbehalt – freizustellen hat. Wer die Freistellungsmethode in seinen DBA verankert, muss akzeptieren, dass auch dann freizustellen ist, wenn im anderen Staat nicht oder nur wenig besteuert wird. Eine „Subject-to-TaxKlausel“ könnte dieses Ergebnis verändern, eine bloße Präambel nicht.

VI.Zusammenfassende Würdigung

Die hier angestellten Überlegungen legen nahe, dass es sich bei der Einfügung des Wortes „nur“ in die deutschsprachige Fassung des Art23 Abs1 DBA Malta um ein Redaktionsversehen handelt: Die DBA-Verhandlungen wurden vermutlich in englischer Sprache geführt, und bei der Kontrolle der Übersetzung der englischen in die deutsche Fassung wurde offenbar übersehen, dass sich in die deutschsprachige Fassung irrtümlich das Wort „nur“ eingeschlichen hat.

Im vorliegenden Fall lässt sich dieses Redaktionsversehen ohne Schwierigkeiten im Auslegungsweg beheben:19) Die englischsprachige Fassung enthält keine Entsprechung zu dem Wort „nur“, sodass demnach in allen Konstellationen, in denen der Quellenstaat Besteuerungsrechte hat, der Ansässigkeitsstaat nach Art23 Abs1 DBA Malta die Einkünfte freizustellen hat. Gute Gründe sprechen dafür, dem englischsprachigen Text den Vorzug zu geben und daher – mit der Ausn ahme der in Art23 Abs2 DBA Malta ausdrücklich ausgenommenen zweiten Absätze der Art10, 11 und 12 DBA Malta – alle Einkünfte, die im Quellenstaat nach dem Abkommen besteuert werden können, im Ansässigkeitsstaat freizustellen.

19)Vgl zum Umgang mit Redaktionsfehlern in DBA ausführlich Lang, Doppelbesteuerungsabkommen und Redaktionsfehler, in Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Personengesellschaften (2013) 463 (477f).

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Periodisches Medienwerk: SWI – Steuer & Wirtschaft International – Tax And Business Review. Grundlegende Richtung: Beiträge zum internationalen Steuer- und Wirtschaftsrecht. Erscheint monatlich, Jahresabonnement (Print) 2024 EUR 384,90, (Print & Digital) 2024 EUR 449,10, jeweils inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Auslandsversandspesen werden separat verrechnet. Unterbleibt die Abbestellung, so läuft das Abonnement automatisch zu den jeweils gültigen Konditionen auf ein Jahr weiter. Abbestellungen sind nur zum Ende eines Jahrganges möglich und müssen bis jeweils spätestens 30. November schriftlich erfolgen. Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit ausdrücklicher Bewilligung des Verlages gestattet. Es wird darauf verwiesen, dass alle Angaben in dieser Fachzeitschrift trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung des Verlages oder Autors ausgeschlossen ist. Für Publikationen in den Fachzeitschriften des Linde Verlags gelten die AGB für Autorinnen und Autoren (abrufbar unter https://www.lindeverlag.at/agb) sowie die Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lindeverlag.at/datenschutz).

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Grenzgänger im DBA Deutschland

SWI-Jahrestagung: Die Grenzgängerregelung nach Art15 Abs6 DBA Deutschland

Grenzgänger im DBA Deutschland

Frontier Workers According to the Tax Treaty with Germany

SWI CONFERENCE: EMPLOYMENT INCOME OF FRONTIER WORKERS ACCORDING TO ARTICLE 15 PARA 6 OF THE TAX TREATY WITH GERMANY

On November 15th, 2023, the 18th annual SWI conference was held in Vienna. Various recent cases on international tax law were presented and discussed from the perspective of practitioners, judges, tax auditors, and experts from the tax administration. This contribution summarizes the main points of discussion on a selected case.1)

1) I.Sachverhalt und Entscheidung des VwGH 2)

Die Revisionswerberin war im Streitjahr 2016 als Ärztin in einer deutschen Klinik beschäftigt, die 27km von ihrem Wohnsitz entfernt war. Ab 1. 4. 2016 erhöhten sich ihre zu leistenden Wochenstunden von 24 auf 32 Stunden, die auf eine 5-Tage-Woche verteilt waren. Daneben leistete die Revisionswerberin auch Bereitschaftsdienste. Ein solcher Bereitschaftsdienst dauerte entweder 16 oder 24 Stunden. Ein Normaldienst dauerte in der Regel acht Stunden. Im Streitjahr erbrachte die Revisionswerberin insgesamt 41 Rufbereitschaftsdienste. In 26 Fällen dauerten diese Dienste 16 Stunden, die übrigen 15 Fälle dauerten 24 Stunden. Vor und nach einem Bereitschaftsdienst im Ausmaß von 16 Stunden waren regelmäßig Normaldien ste von acht Stunden zu leisten. Im Fall eines Bereitschaftsdienstes von 24 Stunden war kein Normaldienst davor oder danach zu leisten.

In der von der Revisionswerberin eingebrachten Einkommensteuererklärung 2016 ging sie davon aus, dass sie ihre Grenzgängereigenschaft verloren habe und somit keine Steuerpflicht in Österreich mehr vorliege. Das Finanzamt hingegen erließ einen Einkommensteuerbescheid, in dem es vom Vorliegen der Grenzgängereigenschaft ausging und die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit der österreichischen Einkommensteuer unterzog. Die Revisionswerberin habe nach Ansicht des Finanzamts nicht den Nachweis erbracht, dass sie an mehr als 45 Tagen nicht an ihren Wohnsitz in Österreich zurückkehrte. Das BFG bestätigte die Sicht der Abgabenbehörde und bejahte die Grenzgängereigenschaft.3)

Das BFG ließ die Revision zu, weil es noch keine Rechtsprechung des VwGH zur Grenzgängerregelung iSd Art15 Abs6 DBA Deutschland iZm einer Ärztin gebe, die über Nacht dauernde Bereitschaftsdienste leistet. Die Revision war aber nach Ansicht des VwGH nicht begründet: Nach der Grenzgängerregelung des Art15 Abs6 DBA Deutsch-

*)Eric Coenen, LL.M. (WU) und Iris Tschatsch, LL.M. (WU) sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien.

1)Am 15. 11. 2023 fand zum achtzehnten Mal die vom Linde Verlag und vom Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien gemeinsam veranstaltete SWI-Jahrestagung in Wien statt. Aktuelle Fälle aus der Praxis des internationalen Steuerrechts wurden aus Sicht der Betriebsprüfung, des BMF, des BFG, des VwGH und der Beratungspraxis diskutiert. Unter der Moderation von Univ.Prof. Dr. DDr. h.c. Michael Lang diskutierten Dr. Adebiola Bayer, LL.M., StB Mag. Gerald Gahleitner, LL.M., Mag. Judith Herdin-Winter, WP/StB Mag. Gabriele Holzinger, Mag. Matthias Kornberger, WP/ StB Mag. Christoph Plott, WP/StB Dr. Roland Rief, WP/StB Mag. Reinhard Rindler, Horst Rinnhofer, LL.M., Dr. Sabine Schmidjell-Dommes, HR Dr. Franz Philipp Sutter, Präs. Dr. Peter Unger und Laura Weiss-Turcan, LL.M. Dieser Beitrag gibt die Argumente wieder, die in der Podiumsdiskussion zu einem der Fälle ausgetauscht wurden.

2)VwGH 21. 6. 2023, Ro 2021/15/0036.

3)BFG 6. 9. 2021, RV/3100178/2019; siehe dazu auch Obmascher, Grenzgängereigenschaft einer Spitalsärztin mit Bereitschaftsdiensten, BFGjournal 2021, 347.

land ist für Grenzgänger vorgesehen, dass dem Ansässigkeitsstaat der unselbständig tätigen Person das Besteuerungsrecht für die im Tätigkeitsstaat erzielten Einkünfte zusteht. Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist, dass sowohl der Arbeitsort als auch der Wohnsitz in Grenznähe sind und die Person arbeitstäglich pendelt.4) Nach Ansicht des VwGH sei die ratio legis des Art15 Abs6 DBA Deutschland, dass Grenzgänger den Mittelpunkt der Lebensinteressen an ihrem Wohnsitz haben und zum Tätigkeitsstaat keine näheren Bindungen aufweisen.5) Die Grenzgängerregelung des Art15 Abs6 DBA Deutschland sieht darüber hinaus keine ausdrückliche „Toleranzregel“ im Hinblick auf das tägliche Pendeln vor. Für den VwGH bedeutet das aber nicht, dass eine tatsächliche tägliche Rückkehr zu erfolgen hat. Es genügt vielmehr, dass in der Regel täglich vom Arbeitsort in den Wohnsitzstaat zurückgekehrt wird.6)

Zur Frage, ob die Nichtrückkehr an 55 Tagen nach der Normalarbeitszeit im vorliegenden Fall die Anwendbarkeit der Grenzgängereigenschaft ausschließt, äußerte sich der VwGH wie folgt: Der relevante Arbeitstag iSd Art15 Abs6 DBA Deutschland ist nicht als Kalendertag zu verstehen, sondern als 24-Stunden-Intervall ab Arbeitsantritt. Erfolgt somit im Anschluss an einen 24-Stunden-Dienst eine unmittelbare Rückkehr an den Wohnsitz, steht dies einer täglichen Rückkehr nicht entgegen. Nicht schädlich wären zudem geringfügige zeitliche Überschreitungen dieses 24-Stunden-Intervalls. Demnach ist nur dann von einem Nichtrückkehrtag auszugehen, wenn der Grenzgänger über den 24-Stunden-Dienst hinaus berufsbedingt weiterhin am Arbeitsort verweilt.

II.Diskussion

Franz Phillip Sutter: Wenn ich mir die vom VwGH herausgearbeitete ratio legis der Grenzgängerregelung vor Augen führe, frage ich mich, welche Schlüsse sich daraus für das Homeoffice ziehen lassen. Wenn zB aufgrund des Homeoffice kein (arbeits)tägliches – der VwGH interpretiert das Wort „täglich“ im Abkommenstext als „arbeitstäglich“ –Pendeln stattfindet, wird die besonders enge Nahebeziehung zum Ansässigkeitsstaat dadurch nur weiter gestärkt und nicht zu Gunsten des Tätigkeitsstaates gelockert. Gerade darin liegt aber die Rechtfertigung des erweiterten Besteuerungsrechts des Ansässigkeitsstaates nach der Grenzgängerregelung. Deshalb sollte mE das Homeoffice tendenziell nicht „schädlich“ für die Grenzgängereigenschaft sein, weil dadurch der Zweck der Bestimmung nicht gefährdet wird. Insofern war ich überrascht, in der Konsultationsvereinbarung7) zwischen Österreich und Deutschland zu lesen, dass Homeoffice-Tage dort pauschal als schädliche Nichtrückkehrtage qualifiziert werden. Dies entspricht mE nicht der Teleologie, die der Regelung zugrunde liegt. Durch das jüngste Änderungsprotokoll8) wird dies nun für das Homeoffice auch geändert, wobei nach dem Erkenntnis des VwGH und der darin betonten ratio legis eben auch die alte Rechtslage bereits Homeoffice-freundlich sein könnte. Zudem wurde nunmehr ua auch für das DBA Deutschland eine neue ausdrückliche Toleranzklausel von 45 Tagen eingeführt.

Sabine Schmidjell-Dommes: Der vorliegende Fall ist insofern besonders, als die Revisionswerberin keine Grenzgängerin sein wollte. Aus unserer Sicht stellte sich die Fra-

4)VwGH 23. 2. 2010, 2008/15/0148; 24. 6. 2004, 2001/15/0113.

5)Der VwGH verweist dazu auf eine Entscheidung des BFH, siehe BFH 1. 3. 1963, VI 119/61, die auf dem DBA Deutschland – Schweiz beruht; siehe auch BFH 11. 11. 2009, I R 15/09.

6)Der VwGH bezieht sich hierbei auf ein früheres Erkenntnis, das zum DBA Schweiz ergangen ist, siehe VwGH 30. 11. 1962, 0364/61.

7)Erlass des BMF vom 30. 4. 2019, Konsultationsvereinbarung zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Auslegung der Grenzgängerregelung nach Art.15 Abs.6 des österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens vom 24. August 2000, BMF-010221/0113-IV/8/2019.

8)Siehe allgemein zum Änderungsprotokoll Schmidjell-Dommes, Das neue Änderungsprotokoll zum DBA Deutschland, SWI 2023, 462; siehe auch Klokar, Die Neuregelung bei der Besteuerung von Grenzgängern im DBA Deutschland, SWK 26/2023, 1010.

Grenzgänger im DBA Deutschland

ge, was ein Arbeitstag ist. Bereits 2019 haben sich die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten im Rahmen einer Konsultationsvereinbarung darauf geeinigt, wie mit Schichtarbeit umzugehen ist: Bei Bereitschaftsdiensten, die am Arbeitsort abgeleistet werden, entsteht kein Schädlichkeitstag im Sinne der Schädlichkeitsregelung: „Bei Schichtdienst, der an einem Kalendertag beginnt und am nächsten Kalendertag endet (zB 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr am Folgetag), entsteht hierdurch kein weiterer schädlicher Kalendertag im Sinne der Schädlichkeitsregelung. Entsprechendes gilt auch bei Bereitschaftsdiensten, wenn die Bereitschaft am Arbeitsort abgeleistet wird.“ 9) Der VwGH hat nun dazu klargestellt, dass ein Arbeitstag iSd Art15 Abs6 DBA Deutschland nicht einen Kalendertag, sondern maximal 24 Stunden ab Arbeitsantritt umfassen kann. Ab 24 Stunden geht der VwGH von einer Pause aus.

Für die Zukunft ist im Revisionsprotokoll, das im August 2023 unterschrieben wurde und bereits ab 1. 1. 2024 gelten soll, eine Vereinfachungsregelung für das Homeoffice vorgesehen, wonach Tätigkeiten innerhalb der Grenzregion von 30km beiderseits der Grenze für die Grenzgängereigenschaft unschädlich sein sollen. Innerhalb dieser Region besteht volle Freizügigkeit. Voraussetzung ist, dass der Hauptwohnsitz innerhalb dieser Grenzregion liegt und die unselbständige Tätigkeit üblicherweise in der Grenzregion ausgeübt wird.

Darüber hinaus wurde die 45-Tage-Regel für Fälle in das Protokoll zum DBA aufgenommen, in denen jemand außerhalb der Grenzzone oder in einem Drittstaat tätig wird. Die Idee war, dass es innerhalb der Grenzregion keinen Unterschied machen sollte, ob die Tätigkeit beim Arbeitgeber oder im Homeoffice ausgeübt wird. Erst das Verlassen der Grenzregion sollte für die Grenzgängereigenschaft schädlich sein, wobei eine 45-TageToleranzregelung zur Anwendung gelangt.

Peter Unger: Es gibt auch BFH-Rechtsprechung,10) wonach eine berufsbedingte Nichtrückkehr unschädlich sein soll. Dies widerspricht aber im Ergebnis der Teleologie der Regelung. Ob jemand freiwillig am Arbeitsort bleibt oder berufsbedingt nicht zurückkehrt, ändert nichts an de r tatsächlichen Nahebeziehung zum Ansässigkeitsstaat. Es kommt also nicht darauf an, ob man zurückkehren kann oder nicht, sondern nur darauf, ob man zurückkehrt oder nicht. Entscheidend ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen. Das BFG als Tatsacheninstanz ist in solchen Fällen in einer sehr schwierigen Situation, was die Beweisführung und Tatsachenfeststellung betrifft. Es ist schwierig festzustellen, ob an 55 Tagen keine Rückkehr stattgefunden hat. Mit dieser VwGH-Entscheidung und dem neuen Änderungsprotokoll sollte nun weniger Konfliktpotenzial geschaffen werden.

Roland Rief: Ich habe mich gefragt, wo genau die Grenze zu ziehen ist. Im vorliegenden Fall wurden 26 Nichtrückkehrtage als unschädlich angesehen. Die Verwaltungsmeinung aus der Konsultationsvereinbarung sieht eine Grenze von 45 Nichtrückkehrtagen vor. Wo würde der VwGH die Grenze ziehen?

Franz Phillip Sutter : Das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Daher kann ich dazu keine genaue Tagesanzahl nennen.

Michael Lang: Für mich ist die Entscheidung sehr schlüssig begründet. Der VwGH hat das Beste aus der Regelung gemacht, die bereits auf das Abkommen von 1954 zurückgeht und 2000 unverändert übernommen wurde. Dort war eine tägliche Rückkehr vorgesehen, die aber nicht praktikabel war. Daher war die teleologische Reduktion des VwGH sehr sinnvoll, weshalb nicht tatsächlich auf die tägliche Rückkehr abzustellen ist.

Im Hinblick auf das Änderungsprotokoll ist aus meiner Sicht nun fraglich, ob weiterhin nicht auf den konkreten Tag, sondern auf ein 24-Stunden-Intervall abzustellen ist. Inte-

9)Erlass des BMF vom 30. 4. 2019, BMF-010221/0113-IV/8/2019.

10)BFH 17. 11. 2010, I R 76/09; 11. 11. 2009, I R 15/09.

Frontier Workers According to the Tax Treaty with Germany

ressant ist, dass der VwGH den Begriff „Arbeitstag“ ausgelegt hat, obwohl dieser Begriff im Abkommen nicht vorkommt. Der Begriff des Arbeitstags ist erst jetzt durch das Änderungsprotokoll in das DBA aufgenommen worden. Aus meiner Sicht hat sich durch das Änderungsprotokoll einiges geändert: Zum einen ist nun eine abkommensrechtliche Grundlage für die 45-Tage-Regel geschaffen worden. Zum anderen ist die vom VwGH zum bisherigen DBA konstatierte Teleologie der Grenzgängerregelung nicht mehr so stark ausgep rägt: Es wird nicht mehr auf das Pendeln abgestellt, sodass auch das permanente Homeoffice unter die Regelung fällt, was aber mE ohnehin auch schon vorher so war.11) Im neuen Abkommen wird es zweifelsfrei so sein, dass Homeoffice für die Grenzgängerregelung unschädlich ist. Ein sehr interessanter Effekt des Änderungsprotokolls ist folgender: Wenn jemand innerhalb des Wohnsitzstaates tätig ist, aber an einer entsprechenden Zahl von Tagen außerhalb der Grenzregion von 30km, dann ist die neue Grenzgängerregelung nicht mehr anwendbar. Dies kann der Fall sein, wenn man zB von Salzburg nach Wien fährt und dort seine unselbständige Tätigkeit ausübt: Eine noch stärkere Nahebeziehung zum Ansässigkeitsstaat kann daher dazu führen, dass man aus dem Art15 Abs6 des DBA herausfällt. Die erwähnte Entscheidung des VwGH kann man daher vor dem Hintergrund der Teleologie der Regelungen des Änderungsabkommens nicht unbesehen auf die neue Rechtslage übertragen.

Sabine Schmidjell-Dommes: Die Konsultationsvereinbarung zur Toleranzregel von 45 Tagen gibt es bereits seit 1986,12) was mE als Übung der Vertragsstaaten nach Art31 Abs3 litb WVK anzusehen ist. Und eine solche Übung ist auch bei der Auslegung zu berücksichtigen.

Michael Lang: Über die Bedeutung des Art31 Abs3 WVK kann man auch lange diskutieren. Das Schweizer Bundesgericht13) hat aus meiner Sicht14) sehr überzeugend ausgeführt, dass der Bestimmung eine sehr geringe Bedeutung beizumessen ist. Das Schweizer Bundesgericht hat sich noch dazu explizit der Auffassung des VfGH angeschlossen, wonach die „subsequent practice“ nach Art31 Abs3 litb WVK nicht von den Ministerien geprägt wird, sondern von den lokalen Finanzämtern.15) Aufgrund des Steuergeheimnisses haben die Behörden kaum Möglichkeiten, in einem Abgabenverfahren nachzuweisen, dass die Finanzämter tatsächlich in beiden Staaten übereinstimmend vorgehen.16) Der VwGH hat daher in seiner Entscheidung zu Recht den Inhalt der Konsultationsvereinbarung weder nach Art31 Abs3 lita noch nach litb WVK herangezogen.

11) Lang, Homeoffice nach der Konsultationsvereinbarung zum DBA Deutschland – Österreich, SWI 2020, 331 (339ff).

12)Verständigungsvereinbarung vom 7. 10. 1986, AÖF 283/1986.

13)Schweizer Bundesgericht 23. 6. 2023, 9C_682/2022.

14) Lang, Schweizer Bundesgericht zur Bedeutung des OECD-Kommentars, SWI 2023, 418.

15)VfGH 25. 9. 2015, V 41/2015.

16) Lang, Die Auffassung des BMF zur Bedeutung des OECD-Kommentars für die Auslegung von DBA, IStR 2023, 549 (551).

Konsultationsvereinbarungen zum DBA Deutschland

Am 22. 12. 2023 wurden zwei Konsultationsvereinbarungen zum DBA Deutschland in der Findok veröffentlicht: zum einen zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Besteuerung von Ärzten gemäß dem deutsch-österreichischen DBA (Erlass des BMF vom 22. 12. 2023, 2023-0.913.347, BMF-AV 2023/154), zum anderen zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Auslegung der Grenzgängerregelung nach Art15 Abs6 und Art19 Abs1a DBA Deutschland (Erlass des BMF vom 22. 12. 2023, 2023-0.913.349, BMF-AV 2023/155).

Erstattung von Kapitalertragsteuer bei Schachteldividendenbezug

Unionsrechtlicher Anspruch einer Drittstaatenkapitalgesellschaft auf Erstattung von Kapitalertragsteuer bei Schachteldividendenbezug

Erstattung von Kapitalertragsteuer bei Schachteldividendenbezug

Refund of Withholding Tax Levied on Intercompany Dividends

ENTITLEMENT OF A THIRD-COUNTRY COMPANY UNDER EU LAW TO REFUND WITHHOLDING TAX ON INTERCOMPANY DIVIDENDS

This article proves that a third-country corporation is entitled to a full refund of the German withholding tax levied on intercompany dividends on the basis of the free movement of capital (Art 63 TFEU). The opposite view of the Lower Tax Court Düsseldorf, 7 K 1424/18 KE, is not applicable.

I.Einführung und Grundproblematik

Die Besteuerung grenzüberschreitender Dividendenzahlungen zwischen Kapitalgesellschaften mit Kapitalertragsteuer bzw Quellensteuer stellt eine zentrale Problemstellung des internationalen Steuerrechts dar. Betrachtet man Deutschland als Quellenstaat der Dividende, ist hierbei im deutschen internationalen Steuerrecht eine Besteuerungsasymmetrie zu verzeichnen. Denn während Schachteldividenden1) zwischen inländischen Kapitalgesellschaften bzw im reinen Inlandsfall im Ergebnis wirtschaftlich nicht besteuert werden,2) mithin faktisch keiner (Kapitalertrag-)Steuerbelastung unterliegen, werden entsprechende Schachteldividenden einer deutschen Kapitalgesellschaft an eine Drittstaatenkapitalgesellschaft im Grundsatz einer Definitivbelastung mit deutscher Kapitalertragsteuer unterworfen (§ 32 Abs 1 Nr 2 dKStG). Die partielle Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer nach § 44a Abs 9 dEStG und auf Basis abkommensrechtlicher Regelungen3) iVm § 50c dEStG ändert hieran im Grunde nichts. Demzufolge sind Drittstaaten-Mutterkapitalgesellschaften im Grundsatz einer Definitivbelastung mit deutscher Kapitalertragsteuer ausgesetzt und unterliegen einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung in Bezug auf Dividenden aus deutsche n Kapitalgesellschaften. Oftmals verbleibt es bei einer Sockelbelastung mit deutscher Kapitalertragsteuer iHv 5 % bis 15 % der Bruttodividende.

Im Ergebnis werden durch den deutschen Kapitalertragsteuerabzug Schachteldividenden an Drittstaatenkapitalgesellschaften im Quellenstaat Deutschland höher besteuert als bei einem vergleichbaren Inlandsfall. Dies stellt eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 63 AEUV dar.4) Eine Rechtfertigung für diese Beschränkung, bei der der Quellenstaat nur Dividenden an Gebietsfremde besteuert, jedoch vergleichbare Dividendenzahlungen an gebietsansässige Empfänger nicht, ist nicht vorhanden.5) Insbesondere kommt die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse in einem solchen Fall als Rechtfertigung nicht in Betracht.6) Demzufolge sollte eine Drittstaatenkapitalgesellschaft auf dieser Basis einen unionsrechtlichen Erstattungsanspruch hinsichtlich der deutschen Kapitalertragsteuer auf Schachteldividendenbezüge haben.

*)Die Autoren sind im internationalen Steuerrecht tätig.

1)Beteiligung an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft zu Beginn des Kalenderjahres von mindestens 10 % des Grund- oder Stammkapitals (§ 8b Abs 1 Satz 1 und Abs 4 Satz 1 dKStG).

2)§ 8b Abs 1 dKStG; § 36 Abs 2 Nr 2 dEStG; Veranlagung zur Körperschaftsteuer.

3)Art 10 Abs 2 OECD-MA.

4)Vgl auch EuGH 22. 11. 2018, Sofina, C-575/17, Rn 47–54.

5)Vgl EuGH 22. 11. 2018, Sofina, C-575/17, Rn 55–78; 20. 10. 2011, Kommission/Deutschland, C-284/09, Rn 78 f.

6)Ständige Rechtsprechung des EuGH; siehe EuGH 20. 10. 2011, Kommission/Deutschland, C-284/09, Rn 78 mwN; 22. 11. 2018, Sofina, C-575/17, Rn 58, 62.

Dieser Beitrag untersucht vor dem Hintergrund des Urteils des FG Düsseldorf vom 2.3. 2022, 7 K 1424/18 KE, den potenziellen unionsrechtlichen Erstattungsanspruch einer Drittstaatenkapitalgesellschaft auf Basis der Kapitalverkehrsfreiheit in Bezug auf Kapitalertragsteuer bei Schachteldividenden aus deutschen Tochterkapitalgesellschaften.

II.Sachverhalt (Auffassung des FG Düsseldorf 2. 3. 2022, 7 K 1424/18 KE)

Mit genanntem Urteil hat das FG Düsseldorf entschieden, dass eine zu 100 % an einer deutschen Kapitalgesellschaft beteiligte japa nische Kapitalgesellschaft (Drittstaatenkapitalgesellschaft) keinen Anspruch auf Erstattung der erhobenen7) deutschen Kapitalertragsteuer auf Basis der Kapitalverkehrsfreiheit hat (Art 63 AEUV).8) Maßgeblich waren die Streitjahre 2009 bis 2011. Auf der Ebene der japanischen Muttergesellschaft waren die Schachteldividenden ähnlich § 8b dKStG steuerfrei und eine Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer war dort nicht mö glich. Nach Auffassung des FG Düsseldorf wird im vorliegenden Sachverhalt die Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit verdrängt, auch wenn die Niederlassungsfreiheit aufgrund der Ansässigkeit der dividendenempfangenden Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat nicht anwendbar ist.9)

Für die Frage, ob in Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt die Kapitalverkehrsfreiheit oder die Niederlassungsfreiheit einschlägig ist, sei auf die tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falls abzustellen (tatsächliche Beteiligungsquote der Drittstaatenkapitalgesellschaft an der deutschen Kapitalgesellschaft) und nicht auf den Gegenstand der innerstaatlichen Regelungen, die keine Beteiligungsvoraussetzung enthalten und es nicht ermöglichen, zu bestimmen, ob sie vorwiegend unter Art 49 oder 63 AUEV fallen.

Zudem hätte der EuGH bislang nur zu Konstellationen entschieden, bei denen die Dividenden zwischen zwei Mitgliedstaaten der Union gezahlt wurden oder es um die Besteuerung von Dividenden ging, die aus Drittstaaten stammten. Über die Konstellation der Zahlung einer Dividende aus einem Mitgliedstaat (Deutschland) an eine in einem Drittstaat ansässige Kapitalgesellschaft (Japan) hat der Gerichtshof bislang nicht entschieden, so das FG Düsseldorf. Die vorhandene Rechtsprechung des EuGH sei so zu verstehen, dass auch im zu beurteilenden Streitfall auf die konkreten Umstände des Sachverhalts, also die konkrete Beteiligungshöhe und die Möglichkeit der Einflussnahme der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft abzustellen ist. Hierbei bezieht sich das FG Düsseldorf isoliert auf das Urteil des EuGH vom 13. 11. 2012, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-35/11, und lässt die weitergehenden sowie konturierenden Ausführungen des Urteils vom 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 51 ff, zur Abgrenzung der Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit bei Dividendenbezug einer Drittstaatenkapitalgesellschaft aus EU-Kapitalgesellschaften im relevanten Bereich außer Betracht.

Weiters liegt im Streitfall der 100%-Beteiligung einer Drittstaatenkapitalgesellschaft an einer deutschen Kapitalgesellschaft eine Investition eines Drittstaatenangehörigen in eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft vor, sodass die Frage des Marktzugangs betroffen ist und damit die Frage der Niederlassungsfreiheit. Somit sei zu vermeiden, dass die Auslegung von Art 63 AEUV dazu führt, dass der Drittstaatenangehörige (hier die japanische Muttergesellschaft) in den Genuss der Niederlassungsfreiheit kommt.

Im Übrigen würde im vorliegenden Fall auch ein verdrängendes Exklusivverhältnis der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegen, weil die Kapital-

7)Im Streitfall 15 % der jeweiligen Brutto-Schachteldividende iVm DBA Japan 1966 (gültig bis 27. 10. 2016).

8)Vgl FG Düsseldorf 2. 3. 2022, 7 K 1424/18 KE, Rz 31 ff.

9)FG Düsseldorf 2. 3. 2022, 7 K 1424/18 KE, Rz 41–51.

Erstattung von Kapitalertragsteuer bei Schachteldividendenbezug

verkehrsfreiheit völlig zweitrangig sei. Der Kapitalverkehr erschöpfe sich hier in der Bezahlung der Dividenden als Gegenleistung für die Überlassung des Kapitals durch die Drittstaatenkapitalgesellschaft. Zudem sei nahezu nur die Niederlassungsfreiheit betroffen, weil das Leistungsverhältnis (Dividendenausschüttung) durch die Beteiligung der Drittstaatenkapitalgesellschaft (Klägerin) an der inländischen Kapitalgesellschaft geprägt sei und nicht mit dem reinen Ziel der Geldanlage erfolge. Über die Anwendung der Standstill-Klausel nach Art 64 Abs 1 AEUV braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da die Kapitalverkehrsfreiheit – verdrängt durch die Niederlassungsfreiheit –nicht anwendbar sei.

III.Unionsrechtliche und steuerrechtliche Analyse

1.Keine Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit

Mit Urteil vom 13. 11. 2022, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-35/11, Rn 88 ff, entschied der EuGH grundlegend zur Prüfungssystematik bei der Abgrenzung und Anwendung der Grundfreiheiten bei Dividendenbezug. Setzt die betreffende (beschränkende) Steuerregelung keine bestimmte Beteiligungsquote an der Beteiligungsgesellschaft voraus, kann daher nicht festgestellt werden, ob die betreffende Regelung vorwiegend in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit (sicherer Einfluss, Beteiligungsquote regelmäßig mehr als 25 %) oder in den Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit fällt (alleinige Absicht der Geldanlage), ist eine differenzierende Betrachtung anzustellen. Handelt es sich um Dividenden mit Ursprung in einem Mitgliedstaat, sind die tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falls zu berücksichtigen, also die konkrete Beteiligungsquote der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft. Dies, um zu klären, ob die Regelung unter Art 49 oder 63 AEUV fällt. Handelt es sich hingegen um Dividenden mit Ursprung in einem Drittstaat, kann sich die in einem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft unabhängig vom Umfang ihrer Beteiligung an der Tochtergesellschaft allein auf Art 63 AEUV berufen; bei dieser Konstellation bleibt die konkrete Beteiligungsquote der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft unberücksichtigt.10) Die vorgenannten Aussagen des EuGH zur Abgrenzung der Grundfreiheiten beziehen sich auf eine Muttergesellschaft mit Satzungssitz in der EU als Dividendenempfängerin (EU-Kapitalgesellschaft).

Allerdings hat der EuGH im Fall Kronos International die Abgrenzung der Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit bei Dividendenbezug weiter konkretisiert, und zwar in Bezug auf eine Drittstaatenkapitalgesellschaft, die Dividenden aus EUTochterkapitalgesellschaften und Drittstaaten-Tochtergesellschaften bezieht. Streitgegenständlich war in diesem Fall eine US-Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in den USA und Geschäftsleitung in Deutschland, die Schachtelbeteilig ungen an deutschen und ausländischen EU-Tochterkapitalgesells chaften sowie Drittstaatenkapitalgesellschaften (Kanada) hielt und daraus Dividenden bezog (Beteiligungsquote jeweils 100 % bzw fast 100 %). Die potenziell beschränkende deutsche Steuerregelung sah eine Mindestbeteiligung von zehn Prozent am Kapital der ausschüttenden Tochtergesellschaft vor, war also nicht nur auf Beteiligungen anwendbar, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, sondern auch auf Dividenden, die auf der Grundlage einer Beteiligung bezogen werden, die keinen solchen Einfluss verleiht.

Mit seinem Urteil im Fall Kronos International überträgt der EuGH seine Abgrenzung der Grundfreiheiten aus dem Fall Test Claimants in the FII Group Litigation explizit auf eine dividendenbeziehende Gesellschaft, die nach dem Recht eines Drittstaats gegründet

10)Bestätigend auch EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 38–41.

ist, also auf eine Drittstaaten-Mutterkapitalgesellschaft.11) Zwar kann sich eine solche Drittstaaten-Mutterkapitalgesellschaft, die Dividenden mit Ursprung aus einem EU-Mitgliedstaat bezieht, bezüglich der Besteuerung dieser Dividenden nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen. Sie kann aber die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 63 AEUV gegen die potenziell beschränkende nationale Steuerregelung geltend machen, die nicht ausschließlich auf Situationen anwendbar ist, in denen die Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ausübt:

„Daher ist festzustellen, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der die Niederlassungsfreiheit aufgrund der Zugehörigkeit der Dividenden beziehenden Gesellschaft zur Rechtsordnung eines Drittstaats nicht geltend gemacht werden kann, eine nationale Regelung über die steuerliche Behandlung von Dividenden mit Ursprung in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat, die nicht ausschließlich auf Situationen anwendbar ist, in denen die Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ausübt, nach Art. 63 AEUV zu beurteilen ist. 12)

Folglich kann sich eine gemäß dem Recht eines Drittstaats gegründete Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat unabhängig vom Umfang ihrer Beteiligung an der Dividenden ausschüttenden Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat auf diese Vorschrift [Art 63 AEUV] berufen, um die Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung auf den Prüfstand zu stellen.“ 13)

Die mit dem Urteil zu Kronos International erfolgte Konkretisierung der Abgrenzung der Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit gilt analog und ohne Einschränkung, wenn die dividendenempfangende Drittstaatengesellschaft – neben ihrem Satzungssitz – auch noch ihren Ort der Geschäftsleitung im Drittland hat.14) Denn unabhängig davon, wo sich der Ort der Geschäftsleitung befindet, handelt es sich bei einer Drittstaatenkapitalgesellschaft nicht um eine Gesellschaft eines Mitgliedstaats, die die Niederlassungsfreiheit geltend ma chen kann (Art 49 und 54 AEUV).15) Daher bleibt es auch bei diesem Fall uneingeschränkt dabei, dass die Niederlassungsfreiheit aufgrund der Zugehörigkeit der Dividenden beziehenden Muttergesellschaft zur Rechtsordnung eines Drittstaats ex ante nicht geltend gemacht werden kann. In einem solchen Fall ist eine nationale Regelung über die steuerliche Behandlung von Dividenden mit Ursprung in einem Mitgliedstaat oder einem Drittstaat, die nicht ausschließlich auf Situationen anwendbar ist, in denen die Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die ausschüttende Tochtergesellschaft ausübt, allein nach Maßgabe der Kapitalverkehrsfreiheit (Art 63 AEUV) zu beurteilen.16)

Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt somit, dass sich eine Drittstaatenkapitalgesellschaft als Bezieherin von Dividenden aus EU-Tochterkapitalgesellschaften unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung (allein) auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 63 AEUV berufen kann, wenn es um die Besteuerung dieser Dividenden durch einen Mitgliedstaat geht und die betreffende mitgliedstaatliche Regelung nicht ausschließlich auf Situationen anwendbar ist, in denen die Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ausübt.17)

Die herausgearbeitete und differenzierte Abgrenzung der Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit durch den EuGH in Situationen (zB bei Beteiligung an Kapi-

11)Vgl EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 41–43.

12)EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 51.

13)EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 52.

14)Dies ist im vorliegenden Fall bei der japanischen Muttergesellschaft gegeben.

15)Vgl auch EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 42 f, 45 f, 49.

16)Vgl EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 51 f.

17)Vgl EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 51 f.

Erstattung von Kapitalertragsteuer bei Schachteldividendenbezug

talgesellschaften), bei denen in Bezug auf den Investor/Gesellschafter oder die Beteiligungsgesellschaft die Niederlassungsfreiheit schon ex ante nicht einschlägig sein kann (zB bei einer Drittstaatengesellschaft), und dem einschränkenden Abstellen auf den Gegenstand der mitgliedstaatlichen Regelung und nicht auf die tatsächlich vorliegenden (Beteiligungs-)Verhältnisse zur Feststellung, ob die in Rede stehende nationale Regelung unter die Kapitalverkehrsfreiheit oder die Niederlassungsfreiheit fällt, überzeugt.18) Hierdurch wird zum einen gewährleistet, dass der gebotene Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit nicht durch eine überschießende Verdrängungswirkung der Niederlassungsfreiheit faktisch leer läuft. Zum anderen wird erreicht, dass Drittstaatenangehörige über die Auslegung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in den Genuss der für sie nicht geltenden Niederlassungsfreiheit kommen, weil zusätzlich auf das Kriterium der Regelung des Marktzugangs in der EU in Bezug auf die in Rede stehende nationale Regelung hinsichtlich ihres Regelungsgehalts abgestellt wird (siehe Pkt III.3.).

Im Hinblick auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 2. 3. 2022, 7 K 1424/18 KE, folgt daher, dass sich die 100%ige japanische Muttergesellschaft einer deutschen Tochterkapitalgesellschaft auf Art 63 AEUV berufen kann, um eine vollständige Erstattung der erhobenen deutschen Kapitalertragsteuer zu erhalten.

2.Keine verdrängende Exklusivwirkung der Niederlassungsfreiheit

Für die vom FG Düsseldorf vorgebrachte verdrängende Exklusivwirkung der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit besteht kein Raum. Da bei Dividendenbezug einer Drittstaatenkapitalgesellschaft von EU-Tochtergesellschaften in Bezug auf die Drittstaaten-Muttergesellschaft schon allein und ausschließlich die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig ist und die Niederlassungsfreiheit ex ante nicht gilt,19) kann die Niederlassungsfreiheit gar nicht vorrangig zur Anwendung kommen. Im vorliegenden Sachverhalt gibt es kein Konkurrenzverhältnis zwischen der Kapitalverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit. Würde eine solche verdrängende Exklusivwirkung der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit bei Dividendenbezug einer Drittstaatengesellschaft aus EU-Tochtergesellschaften existieren, wie nur das FG Düsseldorf postuliert, hätte der EuGH im Fall Kronos International nicht die Kapitalverkehrsfreiheit für allein einschlägig erachten können.

3.Kein Marktzugang einer Drittstaatengesellschaft in der EU

Schließlich argumentiert das FG Düsseldorf mit einer zu weiten Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit, weil mit der vorliegenden Konstellation einer 100%igen Beteiligung einer Drittstaatengesellschaft (japanischen Mutter) an einer EU-Tochtergesellschaft (Deutschland) der Marktzugang einer Drittstaatengesellschaft in der EU betroffen wäre und diese Gesellschaft somit unzulässig in den Genu ss der Niederlassungsfreiheit käme, würde man die Kapitalverkehrsfreiheit in diesem Fall für anwendbar erachten.

Das FG Düsseldorf übersieht dabei, dass es bei der in Rede stehenden Steuerregelung gar nicht um den Marktzugang in der EU, sondern nur um die Besteuerung von Dividenden geht. So hat der EuGH bereits im Fall Test Claimants in the FII Group Litigation entschieden, dass die Besteuerung von Dividenden nicht die Voraussetzungen des Marktzugangs einer Gesellschaft in der EU betrifft und auch nichts damit zu tun hat, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich außerhalb des territorialen Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit befindet, über die Auslegung der Kapitalverkehrsfreiheit in den Genuss der Niederlassungsfreiheit kommt. Mit seinem Urteil im Fall Kronos Internatio-

18)Vgl zu dieser Abgrenzungssystematik EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 36–54. 19)EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 41–46, 51 f; 13. 11. 2022, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-35/11, Rn 96 f, 99.

nal hat der EuGH dies entsprechend bei einer Drittstaaten-Mutterkapitalgesellschaft mit Beteiligungen von 100 % und fast 100 % an EU-Tochtergesellschaften in Bezug auf die Besteuerung der erhaltenen Dividenden durch einen Mitgliedstaat (Deutschland) entschieden:

„Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass aufgrund dessen, dass der Vertrag die Niederlassungsfreiheit nicht auf Drittländer erstreckt, zu vermeiden ist, dass die Auslegung von Art. 63 Abs. 1 AEUV in Bezug auf die Beziehungen zu Drittländern es Wirtschaftsteilnehmern, die sich außerhalb des territorialen Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit befinden, erlaubt, in den Genuss dieser Freiheit zu gelangen.

Wie der Generalanwalt in Nr. 64 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausführt, besteht diese Gefahr aber in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht. Die deutsche Regelung betrifft nämlich nicht die Voraussetzungen des Marktzugangs einer Gesellschaft dieses Mitgliedstaats in einem Drittland oder einer Gesellschaft eines Drittlands in diesem Mitgliedstaat. Sie betrifft ausschließlich die steuerliche Behandlung von Dividenden aus Investitionen, die der Bezieher der Dividenden [Drittstaaten-Mutterkapitalgesellschaft] in eine in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland ansässige Gesellschaft getätigt hat.“ 20) Bezogen auf den vorliegenden Fall des FG Düsseldorf betrifft die Erhebung deutscher Kapitalertragsteuer ausschließlich die steuerliche Behandlung von Dividenden aus Investitionen, die die japanische Muttergesellschaft als Bezieherin der Schachteldividende in einem EU-Mitgliedstaat (Deutschland) getätigt hat. Die Besteuerung von Dividenden (mit Kapitalertragsteuer) betrifft nicht den Marktzugang einer Drittstaatengesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat. Demzufolge trifft die Argumentation des FG Düsseldorf vom Marktzugang einer Drittstaatengesellschaft in der EU und die überschießende Auslegung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht zu.

4.Die Standstill-Klausel ist nicht einschlägig

Damit die Standstill-Klausel nach Art 64 Abs 1 AEUV einschlägig sein kann, muss die betreffende beschränkende mitgliedstaatliche Regelung, der rechtliche Rahmen, in den sich die betreffende Beschränkung einfügt, bereits zum 31. 12. 1993 bestanden haben und seither ununterbrochen Teil der nati onalen Rechtsordnung gewesen sein.21) Hier und im vorliegenden Sachverhalt verhält es sich jedoch so, dass die Beschränkung in Bezug auf die Besteuerung von Schachteldividenden an Drittstaatenkapitalgesellschaften durch eine Belastung mit deutscher Kapitalertragsteuer erstmals mit der Einführung des § 8b Abs 1 dKStG iVm § 36 Abs 2 Nr 2 dEStG auf rein inländische Dividendenausschüttungen erfolgte (ab 2001/2002;22) StSenkG 200023)), mithin weit nach dem Stichtag des 31. 12. 1993. Denn erst mit Einführung bzw Anwendung von § 8b Abs 1 Satz 1 dKStG auf Dividenden zwischen Kapitalgesellschaften im reinen Inlandsfall wurde die empfangende inländische Kapitalgesellschaft aufgrund der Erstattung der Kapitalertragsteuer im Weg der Veranlagung gemäß § 36 Abs 2 Nr 2 dEStG iVm § 8b Abs 1 Satz 1 dKStG faktisch wirtschaftlich nicht mit der Dividende besteuert bzw nicht (definitiv) mit Kapitalertragsteuer belastet, während es bei grenzüberschreitenden Dividendenzahlungen bei einer ausländischen (Drittstaaten-)Muttergesellschaft grundsätzlich bei einer Definitivbelastung24) mit deutscher Kapitalertragsteuer bleibt (§ 32 Abs 1 Nr 2 dKStG).

20)EuGH 11. 9. 2014, Kronos International, C-47/12, Rn 53 f.

21)Vgl EuGH 26. 2. 2019, X GmbH, C-135/17, Rn 38 mwN, 41 f.

22)Vgl Schreiben des dBMF vom 28. 4. 2003, IV A 2 – S 2750 a – 7/03, BStBl 2003 I, 292.

23)Vgl Steuersenkungsgesetz 2000 vom 23. 10. 2000, dBGBl I 2000, 1433.

24)Insbesondere dann, wenn unter Berücksichtigung von § 44a Abs 9 dEStG und Art 10 Abs 2 DBA insgesamt keine Reduktion der deutschen Kapitalertragsteuer auf 0 % erfolgt.

Erstattung von Kapitalertragsteuer bei Schachteldividendenbezug

Für Zeiträume vor Anwendung des § 8b Abs 1 Satz 1 dKStG wurde der grenzüberschreitende Sachverhalt aufgrund der Besteuerung der Dividende im reinen Inlandsfall25) bei der empfangenden Kapitalgesellschaft durch den Quellenstaat Deutschland grundsätzlich nicht schlechter behandelt.26)

Mithin ist das zeitliche Kriterium der Standstill-Klausel nach Art 64 Abs 1 AEUV nicht gegeben. Dies wird auch durch die ständige Rechtsprechung des EuGH zur Einführung einer begünstigenden Besteuerung von Dividenden nur für den Inlandsfall nach dem 31. 12. 1993 bestätigt:

„Der Gerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass, wenn die von einer gebietsansässigen Gesellschaft an ausländische Körperschaften ausgeschütteten Dividenden am 31. Dezember 1993 entweder gleich behandelt wurden wie die Dividenden, die an gebietsansässige Körperschaften ausgeschüttet wurden, oder günstiger behandelt wurden als die an gebietsansässige Körperschaften ausgeschütteten Dividenden, aber nach diesem Zeitpunkt eine Steuerbefreiung zugunsten der an gebietsansässige Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden eingeführt wurde, davon auszugehen ist, dass das zeitliche Kriterium nicht erfüllt ist, da das bestimmende Merkmal für eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, nämlich die Steuerbefreiung, zu einem späteren Zeitpunkt abweichend vom Grundgedanken der bisherigen Regelung und unter Schaffung eines neuen Verfahrens eingeführt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 2014, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, C-190/12, EU:C:2014:249‚ Rn. 50 bis 52).“ 27)

„Das vorlegende Gericht weist schließlich darauf hin, dass der gesamte Regelungszusammenhang, in den § 9 Nr. 7 GewStG 2002 eingebettet sei, durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz) vom 23. Oktober 2000 (BGBl. 2000 I S. 1433) weitreichend geändert worden sei. Die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens durch dieses neue Gesetz habe nämlich dazu geführt, dass die im Rahmen der Neuregelung ausgeschütteten Dividenden grundsätzlich von der Gewerbesteuer befreit würden, sofern sie die Voraussetzungen von § 9 Nr. 7 GewStG 2002 erfüllten, während nach der früheren Regelung die von juristischen Personen bezogenen Dividenden grundsätzlich der Steuer unterlegen hätten und § 9 Nr. 7 GewStG 2002 eine Ausnahme dargestellt habe.

Die Beschränkung sowohl des persönlichen als auch des materiellen Anwendungsbereichs der in § 9 Nr. 7 GewStG 2002 vorgesehenen Kürzung, verbunden mit der in Rn. 79 des vorliegenden Urteils angesprochenen Änderung des gesamten Regelungszusammenhangs, widerspricht aber dem Vorbringen der deutschen Regierung, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften seien trotz der zwischen dem 31. Dezember 1993 und dem Erlass der genannten einzelstaatlichen Rechtsvorschrift eingetretenen gesetzgeberischen Änderungen im Wesentlichen unverändert geblieben.“ 28)

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Standstill-Klausel nach Art 64 Abs 1 AEUV nicht einschlägig ist und keine Abweichung vo n der vollständigen Erstattung der erhobenen deutschen Kapitalertragsteuer auf Schachteldividenden an Drittstaaten-Mutterkapitalgesellschaften nach Art 63 Abs 1 AEUV zulässt. Dies gilt insbesondere auch für die japanische Muttergesellschaft im vorliegenden Sachverhalt des FG Düsseldorf.

25)Vgl auch EuGH 22. 12. 2008, Truck Center , C-282/07, Rn 44, 49; 22. 11. 2018, Sofina, C-575/17, Rn 51.

26)Vgl auch EuGH 20. 10. 2011, Kommission/Deutschland , C-284/09, Rn 49, 51, 65, 79; 16. 6. 2022, ACC Silicones, C-572/20.

27)EuGH 13. 9. 2019, College Pension Plan of British Columbia, C-641/17, Rn 97.

28)EuGH 20. 9. 2018, EV, C-685/16, Rn 79, 82.

Refund of Withholding Tax Levied on Intercompany Dividends

IV.Keine Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer im ausländischen Sitzstaat

Im gegenständlichen Fall einer japanischen Muttergesellschaft mit 100%iger Beteiligung an einer deutschen GmbH wird die deutsche Schachteldividende im Sitzstaat der empfangenden Drittstaaten-Muttergesellschaft nicht besteuert (Beteiligungsertragsbefreiung entsprechend § 8b dKStG). Deutschland kann sich demzufolge zur Versagung der Kapitalertragsteuererstattung nicht darauf berufen, dass die deutsche Kapitalertragsteuer praktisch durch Anrechnung auf die im Sitzstaat der ausländischen Empfängergesellschaft geschuldete Steuer auf die Dividende neutralisiert wird.29)

V.Fazit

Eine Drittstaatenkapitalgesellschaft kann sich als Bezieherin von Schachteldividenden30) aus einer deutschen Kapitalgesellschaft unabhängig von der Höhe ihrer konkreten Beteiligung auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 63 AEUV berufen und auf dieser Basis grundsätzlich die vollständige Erstattung der erhobenen deutschen Kapitalertragsteuer verlangen. In einer solchen Konstellation ist ausschließlich die Kapitalverkehrsfreiheit (Art 63 AEUV) einschlägig. Eine Verdrängung durch die Niederlassungsfreiheit (Art 49, 54 AEUV) ist nicht gegeben. Die Standstill-Klausel nach Art 64 Abs 1 AEUV steht einer vollständigen Erstattung der erhobenen deutschen Kapitalertragsteuer auf Schachteldividenden an Drittstaaten-Mutterkapitalgesellschaften nicht entgegen.

Das Urteil des FG Düsseldorf vom 2. 3. 2022, 7 K 1424/18 KE (Revision anhängig unter I R 16/22), zur Erstattung von Kapitalertragsteuer auf Schachteldividenden an eine 100%ige japanische Mutterges ellschaft widerspricht dem Unionsrecht und der vorhandenen Rechtsprechung des EuGH.

Ausblickend dürfte das DBA-Besteuerungsrecht Deutschlands bei Schachteldividenden an Drittstaatenkapitalgesellschaften in Höhe eines Sockelbetrags von 5 % bis 15 % der Bruttodividende gemäß Art 10 Abs 2 DBA vor dem Hintergrund der vorrangigen Kapitalverkehrsfreiheit (Art 63 AEUV) weitgehend obsolet sein. Eine gesetzgeberische Lösung entsprechend der Steuerpflicht von Streubesitzdividenden31) scheidet aus.

29)Vgl auch EuGH 20. 10. 2011, Kommission/Deutschland, C-284/09, Rn 67–71.

30)Mindestbeteiligung von 10 % iSd § 8 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 Satz 1 dKStG.

31)Vgl hierzu die Umsetzung von EuGH 20. 10. 2011, Kommission/Deutschland, C-284/09; BT-Drs 17/12465 vom 26. 2. 2013.

Aktualisierte Informationen zu Russland und Belarus

Drei steuerliche Informationen des BMF zu Russland bzw Belarus sind in der Findok abrufbar:

• Info des BMF vom 6. 12. 2023, Umfassende Amtshilfe im Bereich Steuern vom Einkommen (1. Jänner 2024), 2023-0.865.584;

• Info des BMF vom 6. 12. 2023, BMF-Info über die ertragsteuerlichen Auswirkungen der Aussetzung des Informationsaustausches mit Belarus und Russland, 20230.863.890;

• Info des BMF vom 6. 12. 2023, Suspendierung des Doppelbesteuerungsabkommens durch Russland, 2023-0.867.389. Im Wege einer Verbalnote vom 8. 8. 2023 wurden durch Russland zahlreiche Bestimmungen des DBA Russland mit sofortiger Wirkung suspendiert. Die suspendierten Bestimmungen sind somit auch auf österreichischer Seite mit Kundmachung im BGBl ausgesetzt.

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EuGH: Zurverfügungstellung von Webcam-Services ist keine Leistung betreffend die Eintrittsberechtigung zu Veranstaltungen

In seinem Urteil vom 23. 11. 2023, Westside Unicat, C-532/22, hatte sich der EuGH mit der Frage nach dem mehrwertsteuerlichen Leistungsort der Übertragung interaktiver Videositzungen per Streaming zu befassen. Die Rechtsfrage stellte sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC Westside Unicat SRL (im Folgenden: Westside Unicat) und der Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice Cluj-Napoca (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Cluj-Napoca [Klausenburg], Rumänien) sowie der Administrația Județeană a Finanțelor Publice Cluj (Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Cluj, Rumänien) (im Folgenden zusammen: Steuerbehörde) über die Entscheidung dieser Behörde, die von dieser Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen in Rumänien als mehrwertsteuerpflichtig zu erachten.

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Westside Unicat ist eine in Rumänien ansässige Gesellschaft, die ein Videostudio betreibt. Ihre wirtschaftliche Haupttätigkeit besteht darin, bei der StreamRay USA Inc. (im Folgenden: StreamRay) digitale Inhalte erotischer Art insbesondere in Form von persönlichen Online-Videochat-Sitzungen (im Folgenden: Videochats) mit Modellen zu vermarkten. StreamRay ist eine in den Vereinigten Staaten registrierte juristische Person, die die Videos dieser Sitzungen auf ihrer Website live überträgt und ihren Kunden – natürlichen Personen – die für die Interaktion mit den Modellen erforderliche Schnittstelle zur Verfügung stellt.

Die Modelle, die die Dienstleistungen von Westside Unicat nutzen, schließen mit dieser Gesellschaft einen in der Vorlageentscheidung als „Partnerschaftsvertrag“ bezeichneten Vertrag ab. Sie unterzeichnen auch eine Erklärung, in der sie StreamRay bestätigen, dass sie das Studio, dh Westside Unicat, dazu bestimmen, „alle Beträge“, die ihnen für die im Rahmen dieser Videochats erbrachten Darbietungen zustehen, „zu erheben und einzuziehen“, und stimmen ausdrücklich zu, dass diese Beträge vom Studio an sie gezahlt werden. StreamRay, die Dienstleistungen im eigenen Namen erbringt, legt die Geschäftsbedingungen fest, zu denen ihre Kunden die in Rede stehenden Darbietungen ansehen und mit den Modellen interagieren können. Insbesondere legt diese Gesellschaft den Preis fest, den ihre Kunden dafür zahlen, und erhebt diesen. Von dem so erhobenen Preis geht ein Prozentsatz an Westside Unicat, die wiederum einen Teil davon an die Modelle weitergibt.

Nach einer Steuerprüfung, bei der die abzuführende Mehrwertsteuer für den Zeitraum vom 1. 9. 2019 bis zum 30. 6. 2020 ermittelt wurde, erließ die Steuerbehörde am 13. 11. 2020 einen Steuerbescheid, nach dem Westside Unicat zusätzliche Mehrwertsteuer in Höhe von 640.433 rumänischen Lei schuldete. Die entsprechende Entscheidung wurde damit begründet, dass entgegen der Auffassung, die Westside Unicat bei der Ausstellung der an StreamRay gerichteten Rechnungen vertreten habe, Rumänien als Ort der Dienstleistungen anzusehen sei, die Westside Unicat an StreamRay erbracht habe. Westside Unicat sei nämlich der Veranstalter der in Rede stehenden interaktiven Darbietungen, wie sich aus den mit StreamRay geschlossenen Verträgen ergebe. Diese Darbietungen

*)Dr. Peter Haunold ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei Deloitte in Wien. Dr. Christian Stangl ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Wien. Univ.-Prof. Dr. Michael Tumpel ist Vorstand des Instituts für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Universität Linz und Dean der JKU Business School.

stellten jedoch Unterhaltungsveranstaltungen im Sinne von Art53 MwStSyst-RL dar, sodass die im Urteil vom 8. 5. 2019, Geelen, C-568/17, gefundene Lösung anzuwenden sei, wonach als Ort einer Dienstleistung in Form des Angebots interaktiver erotischer Live-Webcam-Darbietungen der Ort anzusehen sei, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten habe.

Nach erfolglosem Einspruch gegen diesen Steuerbescheid erhob Westside Unicat Klage beim Tribunalul Maramureș (Regionalgericht Maramureș, Rumänien), das der Klage mit Urteil vom 19. 10. 2021 teilweise stattgab. Dieses Gericht war nämlich der Ansicht, dass StreamRay die Veranstalterin der in Rede stehenden Unterhaltungsveranstaltungen sei, da sie ihren Kunden den Zugang zu interaktiven Videositzungen erotischer Art ermögliche. Die Steuerbehörde legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel bei der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj, Rumänien), dem vorlegenden Gericht, ein. Zur Begründung dieses Rechtsmittels macht sie im Wesentlichen geltend, dass sowohl in Bezug auf den Veranstalter der Unterhaltungsve ranstaltung als auch in Bezug auf alle in eigenem Namen handelnden Wirtschaftsteilnehmer, die zur Ermöglichung eines Zugangs der Öffentlichkeit zu dieser Veranstaltung beitrügen, davon auszugehen sei, dass sie einen solchen Zugang ge währten. Vorliegend sei aber davon auszugehen, dass Westside Unicat ebenso wie der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache, in der das Urteil vom 8. 5. 2019, Geelen, C-568/17, ergangen sei, als Veranstalter der in Rede stehenden interaktiven Videositzungen erotischer Art Zugang zu diesen gewähre. In diesem Zusammenhang hat das vorleg ende Gericht Zweifel, ob die von Westside Unicat erbrachten Dienstleistungen unter den Begriff der Dienstleistungen betreffend die Eintrittsberechtigung für Unterhaltungsveranstaltungen im Sinne von Art53 MwStSyst-RL fallen und, falls ja, wie diese Bestimmung anzuwenden ist.

Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.Ist Art53 MwStSyst-RL dahin auszulegen, dass er auch auf Dienstleistungen der streitgegenständlichen Art Anwendung findet, nämlich auf Dienstleistungen, die ein Videochat-Studio an den Betreiber einer Website erbringt und die aus interaktiven Sitzungen erotischer Art bestehen, die gefilmt und in Echtzeit über das Internet übertragen werden (Live-Streaming von digitalen Inhalten)?

2.Falls Frage 1 bejaht wird: Ist für die Zwecke der Auslegung der in Art53 MwStSyst-RL verwendeten Wendung „der Ort, an dem diese Vera nstaltungen tatsächlich stattfinden“, auf den Ort abzustellen, an dem die Modelle vor der Webcam auftreten, den Ort, an dem der Veranstalter der Sitzungen seinen Sitz hat, oder den Ort, an dem die Kunden die Bilder ansehen, oder wird ein anderer Ort als die bereits genannten berücksichtigt?

Zur ersten Vorlagefrage hält der EuGH zunächst fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen darin bestehen, digitale Inhalte in Form interaktiver Videositzungen erotischer Art zu erstellen, die von einem Aufnahmestudio gefilmt werden, um sie dem Betreiber einer Plattform für Verbreitungen über das Internet zur Verbreitung durch diesen auf dieser Plattform zur Verfügung zu stellen. Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist die erste Frage daher so zu verstehen, dass mit ihr geklärt werden soll, ob Art53 MwStSyst-RL dahin auszulegen ist, dass er auf Dienstleistungen Anwendung findet, die von einem Studio zur Aufzeichnung von Videochats an den Betreiber einer Plattform für Verbreitungen über das Internet erbracht werden und die darin bestehen, digitale Inhalte in Form interaktiver Videositzungen erotischer Art zu erstellen, die von einem solchen Studio gefilmt werden, um sie diesem Betreiber zur Verbreitung durch diesen auf der genannten Plattform zur Verfügung zu stellen.

Hierzu weist der EuGH zunächst zum einen darauf hin, dass die Art44 und 45 MwStSyst-RL eine allgemeine Regel für die Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts bei Dienstleistungen enthalten, während die Art46 bis 59a dieser Richtlinie eine Reihe besonderer Anknüpfungspunkte vorsehen (EuGH 13. 3. 2019, Srf konsulterna, C-647/17, Rn 20). Wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH ergibt, haben die Art44 und 45 MwStSyst-RL keinen Vorrang vor ihren Art46 bis 59a. In jedem Einzelfall ist zu fragen, ob er einem der in den Art46 bis 59a genannten Fälle entspricht. Anderenfalls fällt er unter die Art44 und 45 MwStSyst-RL (EuGH 13. 3. 2019, Srf konsulterna, C-647/17, Rn 21). Daraus folgt, dass Art53 MwStSyst-RL nicht als eng auszulegende Ausnahme von einem allgemeinen Grundsatz angesehen werden darf (EuGH 13. 3. 2019, Srf konsulterna, C-647/17, Rn 22).

Zum anderen hat der EuGH in Bezug auf interaktive erotische Live-Webcam-Darbietungen im Urteil vom 8. 5. 2019, Geelen, C-568/17, Rn 36 bis 42, zwar entschieden, dass derartige Sitzungen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung sind, da ihr Zweck darin besteht, ihren Abnehmern eine Quelle der Unterhaltung zu bieten, und der Begriff der Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung sich nicht auf Dienstleistungen beschränkt, die in physischer Anwesenheit der Abnehmer dieser Tätigkeiten erfolgen. Wenn der EuGH in jenem Urteil anschließend aus diesen Erwägungen abgeleitet hat, dass solche Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der besonderen Anknüpfungsregelung fielen, die damals in Art9 Abs2 litc GS1 der 6. MwSt-RL in der durch die Richtlinie 2002/38/EG des Rates vom 7. 5. 2002 (ABl L 128 vom 15. 5. 2002, S41) geänderten Fassung sowie in Art52 lita MwStSyst-RL in der zum Zeitpunkt des Sachverhalts der Rechtssache, in der jenes Urteil erging, geltenden Fassung vorgesehen war, ist indessen festzustellen, dass die in der vorliegenden Rechtssache gestellte Frage nicht die Auslegung dieser besonderen Anknüpfungsregelung betrifft, sondern die Auslegung einer anderen besonderen Anknüpfungsregelung, die, da sie durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. 2. 2008 (ABl L 44 vom 20. 2. 2008, S11) eingeführt wurde, zum Zeitpunkt des Sachverhalts der Rechtssache, in der jenes Urteil erging, noch nicht in Kraft und noch nicht in das Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt war.

Während sich die besondere Anknüpfungsregelung, die in Art9 Abs2 litc GS1 der 6. MwSt-RL und in Art52 lita MwStSyst-RL in den zum Zeitpunkt des Sachverhalts der Rechtssache, in der das Urteil vom 8. 5. 2019, Geelen, C-568/17, erging, geltenden Fassungen vorgesehen war, jedoch allgemein auf Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung oder auf ähnliche Tätigkeiten sowie gegebenenfalls auf damit zusammenhängende Dienstleistungen bezog, hat die besondere Anknüpfungsregelung in Art53 MwStSyst-RL namentlich die Dienstleistungen an einen Steuerpflichtigen betreffend die Eintrittsberechtigung sowie die damit zusammenhängenden Dienstleistungen für Veranstaltungen auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Unterhaltung oder für ähnliche Veranstaltungen wie Messen und Ausstellungen zum Gegenstand. Folglich lässt sich die Schlussfolgerung, zu der der EuGH im Ur teil vom 8. 5. 2019, Geelen, C-568/17, hinsichtlich des Anwendungsbereichs der damals in Art9 Abs2 litc GS1 der 6. MwSt-RL und in Art52 lita MwStSyst-RL aufgestellten besonderen Anknüpfungsregelung gelangt ist, nicht auf die besondere Anknüpfungsregelung des Art53 MwStSyst-RL übertragen, der zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt anwendbar war. Was hingegen den Anwendungsbereich dieser zweiten Regelung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Veranstaltung“ nach seiner üblichen Bedeutung eine öffentliche Darbietung bezeichnet. Daraus kann demnach in Ermangelung einer spezifischen Definition in der MwStSyst-RL abgeleitet werden, dass der Begriff „Dienstleistung betreffend die Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen“, wie er in Art53 dieser Richtlinie verwendet wird, so zu verstehen ist, dass er Dienstleistungen

erfasst, die der Organisation dessen, was Gegenstand dieser Darbietung ist, nachgelagert sind und darauf abzielen, der Öffentlichkeit den Zugang zu ihr zu gewähren.

Dieses Ergebnis wird zunächst durch Art33 DVO (EU) 282/2011 bestätigt, wonach zu den mit der Eintrittsberechtigung zu Verans taltungen auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnlichen Veranstaltungen zusammenhängenden Dienstleistungen nach Art53 MwStSyst-RL die Dienstleistungen gehören, die direkt mit der Eintrittsberechtigung zu diesen Veranstaltungen in Verbindung stehen und an die Person, die einer Veranstaltung beiwohnt, gegen eine Gegenleistung gesondert erbracht werden. Da es sich nämlich bei den mit einer Eintrittsberechtigung zusammenhängenden Dienstleistungen um diejenigen handelt, die an die Person, die einer Veranstaltung beiw ohnt, gesondert erbracht werden, ist die Hauptdienstleistung als diejenige anzusehen, die dieser Person erbracht wird, um ihr das Recht auf Eintritt zu dieser Veranstaltung zu gewähren.

Sodann heißt es in Art32 dieser Durchführungsverordnung, dass zu den Dienstleistungen betreffend die Eintrittsberechtigung zu Unterhaltungsveranstaltungen iSd Art53 MwStSyst-RL Dienstleistungen gehören, deren wesentliche Merkmale darin bestehen, gegen eine Eintrittskarte oder eine Vergütung das Recht auf Eintritt zu einer Veranstaltung zu gewähren, was bedeutet, dass es sich dabei nur um solche Dienstleistungen handelt, die sich auf den Vertrieb des Rechts auf Eintritt zu der fraglichen Veranstaltung an Dienstleistungsempfänger beziehen. Schließlich ergibt sich aus Art33a dieser Durchführungsverordnung im Licht des 15. Erwägungsgrundes der DVO (EU) 1042/2013, dass Art53 MwStSyst-RL anwendbar ist, wenn die Eintrittskarten für Veranstaltungen nicht direkt durch den Veranstalter, sondern durch Vermittler im eigenen Namen vertrieben werden, was wiederum bedeutet, dass die in Art53 MwStSyst-RL genannten Dienstleistungen mit dem Vertrieb des Rechts auf Eintritt zu der fraglichen Veranstaltung an Dienstleistungsempfänger zusammenhängen.

Daraus folgt, dass die in Art53 MwStSyst-RL vorgesehene besondere Anknüpfungsregelung so zu verstehen ist, dass sie nicht für Dienstleistungen gilt, die zur Durchführung einer zu einer Veranstaltung führenden Tätigkeit erbracht werden, sondern nur für Dienstleistungen, die darin bestehen, das Recht auf Eintritt zu einer solchen Veranstaltung an Dienstleistungsempfänger zu vertreiben.

Daher ist festzustellen, dass die Dienstleistungen, die von einem Studio zur Aufzeichnung von Videochats an den Betreiber einer Plattform für Verbreitungen über das Internet erbracht werden und die darin bestehen, digitale Inhalte in Form interaktiver Videositzungen erotischer Art zu erstellen, die von einem solchen Studio gefilmt werden, um sie diesem Betreiber zur Verbreitung auf der genannten Plattform zur Verfügung zu stellen, nicht unter Art53 MwStSyst-RL fallen. Solche Dienstleistungen stellen nämlich weder Dienstleistungen dar, die den Dienstleistungsempfängern das Recht auf Zugang zu diesen Inhalten gewähren sollen, noch damit zusammenhängende Dienstleistungen, sondern Dienstleistungen, die für die Verbreitung dieser Inhalte durch den Betreiber an seine eigenen Kunden erforderlich sind.

Zwar verfügt das Studio zur Aufzeichnung vo n Videochats über die Geräte, die für das Aufnehmen und Aufzeichnen der erotischen Darbietung verwendet werden, die dann auf diese Weise verbreitet wird, doch reicht dies nicht für die Annahme aus, dass dieses Studio den Zugang zu den sich daraus ergebenden interaktiven Videositzungen gewährt, da weder der Besitz dieser Geräte noch ihre Bedienung für sich genommen bedeuten, dass diese Sitzungen öffentlich präsentiert werden. Diese Erwägung entspricht im Übrigen dem Ansatz des Mehrwertsteuerausschusses, bei dem es sich um einen durch Art398 MwStSyst-RL eingesetzten beratenden Ausschuss handelt. Aus den aus seiner Sitzung vom 19. 4. 2021 hervorgegangenen Leitlinien dieses Ausschusses (Dokument B – taxud.c.1[2021]6378389 – 1016) geht nämlich hervor, dass der Ausschuss

fast einstimmig zu der Auffassung gelangt ist, dass die Bereitstellung digitaler Inhalte durch einen Steuerpflichtigen keine Eintrittsberechtigung zu einer Unterhaltungsveranstaltung iSd Art53 MwStSyst-RL darstellt, wenn Dienstleistungen in Form interaktiver Sitzungen, die gefilmt und in Echtzeit über das Internet übertragen werden (zB Videochat), von einem Steuerpflichtigen, der Eigentümer der digitalen Inhalte ist, an einen Endkunden, dh einen Zuschauer, erbracht werden und diese Inhalte dem Steuerpflichtigen von einem anderen Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellt wurden.

Nach alledem antwortet der EuGH auf die erste Vorlagefrage, dass Art53 MwStSyst-RL dahin auszulegen ist, dass er keine Anwendung auf Dienstleistungen findet, die von einem Studio zur Aufzeichnung von Videocha ts an den Betreiber einer Plattform für Verbreitungen über das Internet erbracht werden und die darin bestehen, digitale Inhalte in Form interaktiver Videositzungen erotischer Art zu erstellen, die von einem solchen Studio gefilmt werden, um sie diesem Betreiber zur Verbreitung durch diesen auf der genannten Plattform zur Verfügung zu stellen.

Da die zweite Frage nur für den Fall gestellt wurde, dass sich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, dass Art53 MwStSyst-RL auf Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anwendbar ist, war die zweite Frage in Anbetracht der Antwort auf die erste Frage nicht zu beantworten.

Anmerkung: Nach Auffassung der Finanzverwaltung in den UStR (Rz641f) erfordern sonstige Leistungen betreffend die Eintrittsberechtigung zu Veranstaltungen iSd §3a Abs11a UStG die physische Anwesenheit des Leistungsempfängers. Keine Eintrittsberechtigung für eine Veranstaltung im Sinne dieser Leistungsortregelung liegt demzufolge in Fällen der Online-Teilnahme des Leistungsempfängers vor. Das vorliegende Urteil bestätigt diese Rechtsauffassung.

Umfassende Amtshilfe im Bereich Steuern vom Einkommen

Mit folgenden Staaten und Territorien besteht mit Stand 1. 1. 2024 eine umfassende Amtshilfe (Änderungen nach dem 1. 1. 2023 fett): Ägypten, Albanien, Algerien, Andorra, Anguilla, Antigua und Barbuda, Argentinien, Armenien, Aruba, Aserbaidschan, Australien, Bahamas, Bahrain, Barbados, Belarus*, Belgien, Belize, Benin, Bermuda, Bosnien-Herzegowina, Botsuana, Brasilien, Britische Jungferninseln, Brunei, Bulgarien, Burkina Faso, Chile, China (Volksrepublik), Cook Inseln, Costa Rica, Curaçao, Dänemark, Deutschland, Dominica, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Estland, Eswatini, FäröerInseln, Finnland, Frankreich, Georgien, Ghana, Gibraltar, Grenada, Griechenland, Großbritannien, Grönland, Guatemala, Guernsey, Hongkong, Indien, Indonesien, Irland, Island, Isle of Man, Israel, Italien, Jamaika, Japan, Jersey, Jordanien, Kaimaninseln, Kamerun, Kanada, Kap Verde, Kasachstan, Katar, Kenia, Kolumbien, Korea (Republik), Kosovo, Kroatien, Kuwait, Lettland, Libanon, Liberia, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Macao, Malaysia, Malediven, Malta, Marokko, Marshall Inseln, Mauretanien, Mauritius, Mexiko, Moldau, Monaco, Mongolei, Montenegro, Montserrat, Namibia, Nauru, Neuseeland, Niederlande, Nigeria, Niue, Nordmazedonien, Norwegen, Oman, Pakistan, Panama, Papua-Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Ruanda, Rumänien, Russland*, Samoa, San Marino, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Senegal, Serbien, Seychellen, Singapur, Sint Maarten, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Südafrika, Tadschikistan, Taiwan (Chinesisches Taipei), Thailand, Tschechische Republik, Tunesien, Türkei, Turkmenistan, Turks- und Caicosinseln, Uganda, Ukraine, Ungarn, Uruguay, Vanuatu, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigte Staaten von Amerika, Vietnam und Zypern.

* Österreich tauscht mit Belarus und Russland seit März 2022 keine Informationen aus.

Literaturrundschau

LITERATURE SURVEY

Literaturrundschau Literature Survey

Unterbetriebsstätten im DBA-Recht

Haase (StuW 2023, 356ff) führt aus, dass in reinen Kapitalgesellschaftsstrukturen Unterbetriebsstätten nicht denkbar sind, weil die Kapitalgesellschaft eine Abschirmwirkung entfaltet und deren Betriebsstätte daher keine solche der Gesellschafter sein kann. Auch Einzelunternehmer können lediglich mehrere (gleichwertige) Betriebsstätten im In- und Ausland, jedoch keine Unterbetriebsstätten unterhalten. Daran anschließend geht Haase der Frage nach, ob bei mehrstöckigen (transparenten) Personengesellschaften die durch die Personenuntergesellschaft vermittelte Betriebsstätte eine Unterbetriebsstätte der Personenobergesellschaft sei oder eine Betriebsstätte des inländischen Gesellschafters der Personenobergesellschaft. Von der herrschenden Lehre in Deutschland und auch vom BFH werde das Konzept der Un terbetriebsstätte abgelehnt. Haase tritt dem mit systematischen Überlegungen für die Anerkennung einer DBA-rechtlichen Unterbetriebsstätte entgegen.

Finale Verluste bei Subject-to-Tax- und Switch-over-Klauseln Stoppek (ISR 2024, 7ff) stellt die Rechtsprechung des EuGH zum Kriterium der objektiven Vergleichbarkeit im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen die europarechtliche Niederlassungsfreiheit bei der Frage des Vorliegens finaler Verluste dar. Darauf aufbauend untersucht er das Kriterium der objektiven Vergleichbarkeit bei der Verwehrung des Imports finaler Verluste ausländischer Betriebsstätten in jenen Fällen, in denen unilaterale und bilaterale Subject-to-Tax- und Switch-over-Klauseln anzuwenden sind. Er kommt zu dem Ergebnis, dass eine objektive Vergleichbarkeit bei der Anwendung der Subject-to-Tax- und Switch-over-Klauseln vorliege. Ein potenzieller Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ergebe sich nur bei der Anwendung des §20 Abs2 dAStG, da durch diese Norm der unmittelbare Abzug von Verlusten der ausländischen Betriebsstätte beim inländischen Stammhaus verwehrt wird. Bei den übrigen Klauseln ergeben sich keine relevanten Auswirkungen, da durch die Anwendung der Anrechnungsmethode Verluste im Inland berücksichtigt werden und somit auch bei einer grenzüberschreitend tätigen Gesellschaft keine Ungleichbehandlung vorliege.

Staatliche Beilhilfen

– the Never Ending Apple Case

Die Europäische Kommission hatte Apple 2016 aufgefordert, in Irland 13 Mrd Euro Steuern wegen des Vorliegens einer unzulässigen staatlichen Beihilfe nachzuzahlen. Das EuG erklärte die Nachforderung 2020 für nichtig. Die Kommission ging in Berufung beim EuGH. GA Pitruzzella befand nunmehr in seinem im November 2023 veröffentlichten Gutachten für den EuGH, dass der Fall wegen verschiedener rechtlicher Fehler zur erneuten Entscheidung an das EuG zurückverwiesen werden sollte. Mason (TNI 2023, 1315ff) analysiert, ob der Apple-Fall in die vom EuGH in seiner Fiat-Entscheidung beschriebene Ausnahme von Gibraltar passen könnte. Dass die Unterbesteuerung auf eine von der OECD in Irland genehmigte Begünstigung zurückzuführen war, soll eine potenzielle staatliche Beihilfe nicht ausschließen. Wenn die größten Teile der Einnahmen von Apple nirgendwo besteuert werden können, könnte dies genau jene Art von systemischer Einkommensfehlallokation sein, auf die sich die Kommission bei der Durchsetzung der Regeln für staatliche Beihilfen konzentrieren sollte.

*)WP/StB Dr. Gerald Toifl ist Geschäftsführer der Toifl Steuerberatung GmbH in Salzburg.

Sabine Schmidjell-Dommes*)

Rechtsprechung zum Internationalen

Steuerrecht

Rechtsprechung Court Decisions COURT DECISIONS

• VwGH: Bereitschaftsdienste, die das Ausmaß von 24 Stunden wesentlich übersteigen, gelten für Zwecke der Anwendung der Grenzgängerregelung des DBA Deutschland als schädliche Nichtrückkehrtage

–Der für Art15 Abs6 DBA Deutschland relevante Arbeitstag ist nicht als bestimmter Kalendertag, sondern grundsätzlich als ein 24-Stunden-Intervall ab Arbeitsantritt zu verstehen.

–Der Antritt einer 24-Stunden-Arbeitsschicht inklusive Bereitschaftsdienst am Tätigkeitsort mit nachfolgendem unmittelbarem Rückpendeln an den Wohnsitz ist selbst bei geringfügiger Überschreitung des 24-Stunden-Intervalls für die Anwendung der Grenzgängerregelung unschädlich.

–Schließt jedoch an einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst noch ein Normalarbeitsdienst am Tätigkeitsort an, ist der Rahmen eines einzelnen Arbeitstages bereits deutlich überschritten, und es liegt ein Tag der schädlichen Nichtrückkehr für Zwecke der 45-Tage-Regelung vor.

Sachverhalt: Die in Österreich ansässige Revisionswerberin war im Beschwerdejahr 2016 als Spitalsärztin an einem deutschen Krankenhaus beschäftigt. Die Entfernung zwischen dem Wohnsitz der Revisionswerberin und ihrem Arbeitsort betrug ca 27km. Neben Regeldiensten leistete die Revisionswerberin auch Rufbereitschaftsdienste bzw Bereitschaftsdienste.

Vor bzw nach (Ruf-)Bereitschaftsdiensten schloss sich regelmäßig ein Normaldienst im Ausmaß von acht Stunden an. Während des Bereitschaftsdienstes war ein Aufenthalt der Ärztin im Krankenhaus erforderlich; der Rufbereitschaftsdienst konnte auch außerhalb des Krankenhauses verbracht werden, allerdings musste die Revisionswerberin –sollte sie gerufen werden – binnen zehn Minuten ihren Dienst antreten. Die Revisionswerberin leistete im Beschwerdejahr insgesamt 13-mal Bereitschaftsdienst und 41mal Rufbereitschaftsdienst. Die iZm Rufbereitschaften zu leistenden Dienste dauerten 26-mal 16 Stunden, und zwar jeweils von 16:00 Uhr bis 7:15 Uhr, und 15-mal 24 Stunden (9:00 Uhr bis 9:00 Uhr). Dabei war es regelmäßig so, dass sich an einen Normaldienst von acht Stunden nahtlos eine 16-stündige Rufbereitschaft (wochentags) anschloss, diese wiederum gefolgt vom Normaldienst. Nach den Bereitschaftsdiensten und 24-stündigen Rufbereitschaften war der Dienst hingegen jeweils beendet.

Die Entlohnung der Bereitschaftsdienste erfolgte als Arbeitszeit; die Rufbereitschaften wurden im Beschwerdejahr pauschal mit 40% des Stundenentgelts abgegolten. Um ihrer Verpflichtung iZm dem Rufbereitschaftsdienst nachzukommen, mietete die Revisionswerberin ein Zimmer, das sich ca zehn Autominuten vom Krankenhaus entfernt befand. Darüber hinaus wurde ihr vonseiten des Arbeitgebers auch ein Apartment in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus zur Nutzung während der Rufbereitschaft zur Verfügung gestellt.

Die Revisionswerberin ging davon aus, dass (Ruf-)Bereitschaftsdienste als schädliche Nichtrückkehrtage anzusehen sind und sie daher nicht mehr als Grenzgängerin eingestuft werde, da sie an mehr als 45 Tagen nicht an den Wohnort zurückgekehrt sei. Folglich bestehe auch keine Einkommensteuerpflicht mehr in Österreich.

Das BFG gab der Beschwerde keine Folge und nahm eine differenzierte Betrachtung vor: Der bloße Umstand, dass ein Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienst über

*)Dr. Sabine Schmidjell-Dommes ist Leiterin der Abteilung für Internationales Steuerrecht im BMF.

Nacht stattfindet und daher eine Übernachtung am Arbeitsort in Deutschland bedingt, bewirkt für sich keine schädliche Nichtrückkehr. Nur wenn sich an den Bereitschaftsdienst wiederum ein weiterer Dienst anschließt, liegt eine beruflich bedingte Nichtrückkehr nach dem Ende des Arbeitstages vor.1) Die Grenzgängereigenschaft der Revisionswerberin sei damit im Streitjahr nicht verloren gegangen, und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen nach der Grenzgängerregelung des Art15 Abs6 DBA Deutschland dem österreichischen Besteuerungsanspruch.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin ordentliche Revision.

(VwGH 21. 6. 2023, Ro 2021/15/0036)

Der VwGH führt aus: „[…] Ratio legis der Aufnahme spezifischer Verteilungsnormen für Grenzgängerinnen und Grenzgänger ist, dass ,die Grenzgänger den Mittelpunkt ihres Lebens an ihrem Wohnsitz haben und […] sie in dem Land, in dem sie arbeiten, lediglich ihrer Berufstätigkeit nachgehen, ohne engere Bindungen an dieses Land zu haben‘

(BFH 1. 3. 1963, VI 119/61, BStBl 1963 III S212, zum DBA Deutschland – Schweiz; ebenso BFH 11. 11. 2009, I R 15/09, BStBl 2010 II S602, Rz20).

Damit weisen sie – ungeachtet ihrer ausländischen Arbeitsausübung – ungebrochen eine besonders verdichtete Nahebeziehung zu ihrem Wohnsitzstaat auf, der von den DBAVertragsstaaten bisweilen auch durch eine Sonderverteilungsnorm zu Gunsten des Wohnsitzstaates steuerlich Rechnung getragen wird. Tagespendler und Tagespendlerinnen im Grenzraum werden dadurch ihren (Wohnungs-)Nachbarn im Wohnsitzstaat steuerlich gleichgestellt (vgl nochmals bereits BFH 1. 3. 1963, VI 119/61, BStBl 1963 III S212, zum DBA Deutschland – Schweiz). Zudem wird ihrer starken Verankerung im Wohnsitzstaat auch fiskalisch durch eine dementsprechende Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Vertragsstaaten Rechnung getragen. Schließlich werden dadurch auch steuerliche Sogwirkungen von Nachbarländern mit niedrigerem Steuerniveau auf die Grenzbevölkerung des Wohnsitzstaates und dadurch ausgelöste Verwerfungen auf dessen Arbeitsmarkt vermieden.

Die Grenzgängerregelung des DBA Deutschland enthält im Hinblick auf das Erfordernis des (arbeits)täglichen Pendelns der von ihr erfassten Arbeitnehmenden ihrem Wortlaut nach (,täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehrt‘) keine explizite ,Toleranzregel‘. Im Gegensatz dazu finden sich im österreichischen Abkommensnetz in anderen Grenzgängerregelungen bereits in der Formulierung des täglichen Rückkehrerfordernisses ausdrückliche Toleranzvorbehalte (vgl Art15 Abs4 DBA Italien 1985: ,und sich üblicherweise zur Arbeit dorthin begibt‘; sowie Art15 Abs4 DBA Liechtenstein 1970: ,und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben‘; Hervorhebungen hinzugefügt).

Ungeachtet dessen hat der VwGH bereits zum alten DBA Schweiz aus 1953, BGBl 1954/251, das – gleichfalls wie das im Revisionsfall anwendbare DBA Deutschland –keine explizite Toleranzregel kannte, festgehalten, dass in einer Verständigungsvereinbarung zwischen den Finanzverwaltungen der damaligen Vertragsstaaten betreffend einen Toleranzvorbehalt ,zweifellos insoweit eine angemessene Auslegung des Gesetzes erblickt werden [kann], als eine Überschreitung der Grenze nicht buchstäblich für jeden Arbeitstag gefordert wird, sondern sinngemäß als Grenzgänger bereits derjenige angesehen wird, der in der Regel täglich vom Arbeitsort in den Wohnsitzstaat zurückkehrt, sodaß nur ausnahmsweise Übernachtungen des Steuerpflichtigen am Arbeitsort noch nicht zum Verlust der Grenzgängereigenschaft führen‘.

1)BFG 6. 9. 2021, RV/3100178/2019; siehe dazu Schmidjell-Dommes, Rechtsprechung zum Internationalen Steuerrecht: BFG zur Grenzgängereigenschaft einer Spitalsärztin mit Bereitschaftsdiensten, SWI 2022, 633.

Dagegen wäre es – so der VwGH damals weiter – mit dem Abkommen nicht mehr vereinbar, wenn ,auch bei regelmäßiger Übernacht ung am Arbeitsort der Steuerpflichtige dennoch als Grenzgänger angesehen werden soll‘ (vgl VwGH 30. 11. 1962, 0364/61).

Diese Auslegung gilt vor dem Hintergrund der beschriebenen Teleologie der Aufnahme von Grenzgängerregelungen in DBA, die nicht durch einzelne Nichtrückkehrtage in Frage gestellt wird, nach der Überzeugung des VwGH auch für das DBA Deutschland.

Im Revisionsfall ist nun strittig, inwieweit die festgestellten (Ruf-)Bereitschaftsdienste der als Spitalsärztin tätigen Revisionswerberin im Streitjahr das tägliche Rückkehrerfordernis nachhaltig erschüttert haben.

Die Revision verweist dazu darauf, dass die Revisionswerberin an 55 Tagen nicht nach Ableistung ihres Normaldienstes am selben Kalendertag habe nach Hause zurückkehren können, weil sich an ihren 8-stündigen Normaldienst nahtlos (Ruf-)Bereitschaftsdienste angeschlossen hätten und somit berufliche Hindernisse einer unmittelbaren Rückkehr an den Wohnsitz entgegengestanden wären.

Die Bestimmung des Art15 Abs6 DBA Deutschland stellt allerdings nicht auf eine mögliche Rückkehr an den Wohnsitzort nach Erreichen der Normalarbeitszeit ab, können doch durchgehende Arbeitszeiten an einem Arbeitstag auch für Grenzgänger durchaus länger als die Normalarbeitszeit dauern.

Für Art15 Abs6 DBA Deutschland ist es auch nicht wesentlich, ob Arbeitnehmende am selben Kalendertag von der Arbeitsstelle zurückkehren können, an dem sie zur Arbeitsstelle gefahren sind. Dies würde – wie auch die Revision einräumt – zu unsachlichen Ergebnissen bei Schichtdiensten führen, je nachdem, wann ein (Schicht-)Dienst beginnt und ob er vor oder nach Mitternacht endet.

Mit dem Abstellen auf ein tägliches Rückpendeln in Art15 Abs6 DBA Deutschland soll vielmehr das besonders enge Band beschrieben werden, in dem die Vertragsstaaten die Rechtfertigung gesehen haben, das Besteuerungsrecht für die im Grenzraum erwirtschafteten unselbständigen Einkünfte (weiterhin) dem Wohnsitzstaat zuzuweisen. Mit dem Merkmal der täglichen Rückkehr wird dabei – wie ausgeführt – insbesondere auch eine Abgrenzung zu anderen Arbeitsausübungsformen wie Wochenpendelnden oder Gastarbeitenden vorgenommen, welche eben nicht (regelmäßig) nach jedem Arbeitstag an ihren Wohnsitz zurückkehren, insofern einen stärkeren Nexus zum Tätigkeitsstaat aufweisen und daher – ungeachtet eines Wohnsitzes im Grenzraum – nicht mehr unter Art15 Abs6 DBA Deutschland fallen sollen.

Der für Art15 Abs6 DBA Deutschland relevante Arbeitstag ist sohin nicht als bestimmter Kalendertag, sondern grundsätzlich als ein 24-Stunden-Intervall ab Arbeitsantritt zu verstehen. Der Antritt einer 24-Stunden-Arbeitsschicht inklusive Bereitschaftsdienst am Tätigkeitsort mit nachfolgendem unmittelbarem Rückpendeln an den Wohnsitz ist insofern nicht geeignet, das beschriebene enge Band einer täglichen Arbeitsrückkehr zu durchbrechen. Selbst geringfügige zeitliche Überschreitungen dieses 24-StundenIntervalls (für Vor- und Nachbereitungen) sind dabei nach Ansicht des VwGH unschädlich.

Anders verhält es sich allerdings, wenn an einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst anschließend auch noch ein Normalarbeitsdienst am Tätigkeitsort zu leisten ist und damit der Rahmen eines einzelnen Arbeitstages bereits deutlich überschritten ist. Hier kann nicht mehr von einem Arbeitstag gesprochen werden, nach dem die Arbeitnehmenden an ihren Wohnsitz zurückkehren können. Vielmehr müssen sie in einem solchen Fall berufsbedingt über einen vollen 24-Stunden -Arbeitstag hinaus zusammenhängend am

Betriebsstandort verweilen, womit diesfalls von einem betrieblich bedingten Nichtrückkehrtag auszugehen ist.

Dem BFG ist sohin zuzustimmen, wenn es im Revisionsfall angesichts der festgestellten Dienstzeiten von lediglich 26 berufsbedingten Nichtrückkehrta gen ausgegangen ist. Wenn es darin keine Durchbrechung der Grenzgängereigenschaft gesehen hat, kann ihm vor dem Hintergrund der beschriebenen Teleologie des Art15 Abs6 DBA Deutschland nicht entgegengetreten werden. […]“

Anmerkung: Das DBA Deutschland, BGBl III 2002/182 idF BGBl III 2012/32, sieht in Art15 Abs6 vor, dass „Grenzgänger“ täglich zwischen Arbeitsort und Wohnort pendeln müssen. Die zuständigen Behörden haben sich darauf verständigt, dass eine Toleranzregelung iHv 45 Tagen zur Anwendung gelangen soll. Somit ist es potenziellen Grenzgängern unschädlich, an maximal 45 Tagen nicht an den Wohnort zurückzukehren. Darüber hinaus haben die zuständigen Behörden beider Staaten vereinbart, dass bei Bereitschaftsdiensten, die am Arbeitsort abgeleistet werden, kein Schädlichkeitstag im Sinne der Schädlichkeitsregelung entsteht (Erlass des BMF vom 30. 4. 2019, BMF-010221/ 0113-IV/8/2019, BMF-AV 2019/68): „Bei Schichtdienst, der an einem Kalendertag beginnt und am nächsten Kalendertag endet (zB 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr am Folgetag), entsteht hierdurch kein weiterer schädlicher Kalendertag im Sinne der Schädlichkeitsregelung. Entsprechendes gilt auch bei Bereitschaftsdiensten, wenn die Bereitschaft am Arbeitsort abgeleistet wird.“

Im vorliegenden Fall war fraglich, ob es sich lediglich um unschädliche Bereitschaftsdienste iSd Konsultation oder bereits schädliche Nichtrückkehrtage gehandelt hat, die bei Überschreiten der 45 Tage zur Nichtanwendbarkeit der Grenzgängerregelung führen. Die Revisionswerberin war der Auffassung, dass Zweites erfüllt sei. Der VwGH kommt zum Ergebnis, dass unschädliche Bereitschaftsdienste nur insoweit vorliegen können, als diese – gegebenenfalls gemeinsam mit „normalen“ Diensten – nicht das Ausmaß von 24 Stunden überschreiten.

Die Entscheidung des VwGH ist mE auch für die ab 2024 geltende Neuregelung des Art15 Abs6 DBA Deutschland, welche am 21. 8. 2023 unterzeichnet wurde,2) relevant: Die Neuregelung verlangt innerhalb des 30-km-Gürtels kein tägliches Pendeln mehr. Insofern wäre der im Revisionsverfahren anhängige Fall nunmehr ohne Notwendigkeit des Tagezählens lösbar und die Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat mE wohl unstrittig.

Wenn jedoch Tätigkeiten außerhalb der Grenzzone oder in Drittstaaten erbracht werden, können Arbeitstage außerhalb der Grenzzone oder in einem Drittstaat nach wie vor für die Anwendbarkeit der Grenzgängerregelung schädlich sein. Die Vertragsstaaten haben sich hier wiederum auf die 45-Tage-Toleranzgrenze verständigt, somit dürfen Tätigkeiten während eines Kalenderjahres höchstens an 45 Arbeitstagen außerhalb der Grenzzone oder in einem Drittstaat ausgeübt werden. Ein schädlicher Arbeitstag liegt vor, wenn die Tätigkeit ganz oder teilweise an einem Arbeitstag außerhalb der Grenzzone oder in einem Drittstaat erbracht wird. Nicht als Arbeitstage gelten Tage, an denen ganztägig nicht gearbeitet wird, wie insbesondere im Fall von Krankheit, Urlaub oder Karenz. Wochenend- oder Feiertage können tatsächliche Arbeitstage darstellen, wenn eine Person an diesen Tagen tatsächlich eine Tätigkeit ausübt und dafür vergütet wird. Leistet eine natürliche Person daher (Ruf-)Bereitschaftsdienste außerhalb der Grenzzone oder in einem Drittstaat, die durch den Arbeitgeber auch vergütet werden, dann wären diese nach der neuesten Rechtsprechung des VwGH insofern schädlich, als sie länger als 24 Stunden dauern.

2)Die parlamentarische Beschlussfassung ist in Österreich am 18. 10. 2023 (Plenum Nationalrat) und am 8. 11. 2023 (Plenum Bundesrat) erfolgt. Die Veröffentlichung im BGBl bleibt abzuwarten. Dazu auch Schmidjell-Dommes, Das neue Änderungsprotokoll zum DBA Deutschland, SWI 2023, 462.

Internationales Steuerseminar Schweiz (IStS)

61. Wintertagung in St. Moritz

3. –  5. März 2024

Referenten:

Dr. Martin Arzethauser

Ralf Bauderer

Fabian Baumer

Dr. Michael Beusch

Dr. Achim Dannecker

Natalie Dini

Pascal Duss

Prof. Dr. Lars P. Feld

Mag. Gerald Gahleitner

Fritz Güntzler

Dr. Matthias Herter

Thomas Hoppe

Franz Hruschka

Jesco Idler

Univ.­ Prof. Dr. Sabine Kirchmayr­ Schliesselberger

Dr. Claudia Klümpen ­ Neusel

Nadine Köster

Prof. Dr. Dres. Juliane Kokott

Prof. Dr. René Matteotti

Tamara Pfammatter

Dr. Michael Schwenke

Dr. Benjamin Twardosz

Olivier Vergniolle

Dr. Christian von Oertzen

Jan Weissbrodt

Michael Will

Dr. Monika Wünnemann

Über das Internationale Steuerseminar

Die Wintertagung findet jährlich – diesjährig zum 61. Mal – in St. Moritz statt und dient dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch und der Aussprache über aktuelle Entwicklungen des internationalen Steuerrechts sowie der Besteuerungspraxis. Gesprächspartner sind international tätige Rechtsanwälte, Steuerberater und Führungskräfte von Unternehmen. Den Eröffnungsvortrag zum Thema „Steuerpolitik als Instrument zur Wirtschaftsförderung?“ hält Herr Prof. Dr. Lars P. Feld.

Themen u.a.

· Europarechtliche Chancen und Grenzen der Wirtschaftsförderung

· Neuausrichtung der Abkommenspolitik vor dem Hintergrund von Pillar 1?

· Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens und von Steuerprozessen in Unternehmen

· Aktuelle Aufgabenstellungen und Steuerthemen im Family Office

Seminarleitung

Prof. Dr. Xaver Ditz, Bonn

Dr. Alberto Lissi, Zürich

Tagungsort

Kulm Hotel, 7500 St. Moritz, Schweiz

Termin

3. März 2024 bis 5. März 2024

Seminargebühr

CHF 1.950,– je Teilnehmer; jeder weitere Teilnehmer einer Firma CHF 1.450,–; Erstteilnehmer unter 40 Jahren CHF 975,–.

Veranstalter

Internationales Steuerseminar Schweiz (IStS) T +41 ­ 44 ­215 77 10

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