Klar
»Das ist der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören«
Nr. 35 ✶ Sommer 2015 ✶ www.linksfraktion.de Zeitung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
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Mehr als 25 Jahre lang hat Gregor Gysi die Politik in Deutschland mitgeprägt, demnächst zieht er sich aus der ersten Reihe zurück: Im Exklusiv-Interview zieht er Bilanz – Seite 6
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Uwe Hiksch
Für gute Arbeit!
Tarifkonflikt im Sozialund Erziehungswesen
Streik bei der Deutschen Post
für gute Löhne!
mehr Anerkennung und zusätzliches Personal. Selten zuvor haben so viele BeAus gutem Grund: Immer mehr Menschen schäftigte in Deutschland geerkranken wegen Arbeitsstress und Arbeitsstreikt. Bei Bahn und Post, in Kitas verdichtung. Zudem prägen prekäre Jobs zunehund Krankenhäusern legten sie die Armend die Arbeitswelt und sorgen für Existenzbeit nieder, um sich gegen eine immer härtere Arbeitswelt zu wehren. Sie kämpfen für bes- ängste. DIE LINKE will das ändern und kämpft an der sere Bezahlung, familienfreundliche Arbeitszeiten, für Seite der Beschäftigten für eine menschenfreundliche Aus Solidarität mit dem griechischen Volk: Kurz vor dem Referendum wirbt die Fraktion DIE LINKE mit einer nächtlichen Projektion an der Fassade des Bundesfinanzministeriums in Berlin für ein »Oxi« (Nein).
Griechisches Nein zum Spardiktat
Meisterliches aus Babelsberg Beim Regionalligisten SV Babelsberg 03 haben Flüchtlinge eine eigene Mannschaft gegründet. Demnächst sollen sie in der Kreisliga auf Punktejagd gehen und wären damit das erste reine Flüchtlingsteam im deutschen Fußballbetrieb. Auf Seite 12
Martin Plenz
Frank Schwarz
Die Mehrheit sagt Nein: Mehr als 61 Prozent der griechischen Bevölkerung haben sich bei einem Referendum Anfang Juli gegen die Sparpolitik und die Diktate der Ex-Troika (Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank, EU-Kommission) ausgesprochen. Mehr auf Seite 2
Keine Rendite mit der Miete Der Film »Mietrebellen« über den Berliner Wohnungsmarkt feiert international Erfolge und ermutigt zum Widerstand gegen gierige Investoren, skrupellose Makler und rasant steigende Mieten. Mehr auf Seite 10
Arbeitswelt. Dazu hat sie die Kampagne »Das muss drin sein.« gestartet. Eine der wichtigsten Forderungen lautet: Arbeit umverteilen statt Dauerstress und Existenzangst.
So krank macht die neue Arbeitswelt – Seite 4 Welche Beschäftigten streiken und warum – Seite 5
Die Augen und Ohren der Spitzel: Abhöranlage in Bad Aibling in Bayern
Achtung,
wir werden
überwacht! Digitale Vor zwei Jahren enthüllte Edward Snowden den größten Überwachungsskandal der Geschichte: Geheimdienste, allen voran die USamerikanische NSA, spionieren die gesamte Menschheit aus - auch die deutsche Bevölkerung. Seitdem behindert die Bundesregierung die Aufklär-
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Arbeitskampf des Krankenhauspersonals
Selbstverteidigung 6 Tipps gege N
n
SA, BND & Co. ung – wohl auch, weil der deutsche Geheimdienst BND in den Skandal verstrickt ist. Mehr dazu auf Seite 3
Kommentar Schallende Ohrfeige für Angela Merkel Von Sahra Wagenknecht Die Menschen in Griechenland haben sich zum Glück nicht einschüchtern lassen. Das Ergebnis des Referendums ist eine schallende Ohrfeige für Kanzlerin Angela Merkel und die EU-Technokraten. Die griechische Bevölkerung hat deutlich »Nein« zu neuen Krediten und Kürzungsprogrammen gesagt. Statt eines neuen Rettungsrings aus Blei haben sie die Freiheit gewählt.
tralbank, EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds –, der unter anderem Mehrwertsteuererhöhungen und Rentenkürzungen vorsah, muss deshalb jetzt endgültig vom Tisch. Entweder Merkel und ihre Troika-Gang respektieren in neuen Verhandlungen endlich demokratische Entscheidungen und unterstützen nun einen Kurswechsel in Griechenland hin zu mehr Wachstum und einem Schuldenschnitt. Oder Griechenland muss sich mutig auf den eigenständigen Weg hin zu mehr Wirtschaftswachstum und Sozialstaat machen.
Auch wir als deutsche Steuerzahlerinnen und -zahler können der griechischen Bevölkerung dankbar sein: Wenn dieses Votum respektiert wird, können nicht erneut europäische Steuermilliarden für eine völlig verfehlte Politik Sahra Wagenknecht verschleudert werden. ist 1. Stellvertretende Der Vorschlag der Institu- Vorsitzende der tionen – Europäische Zen- Fraktion DIE LINKE
Editorial Der NSA-BNDSkandal muss Konsequenzen haben Liebe Leserin, lieber Leser, seit zwei Jahren haben wir es mit einem Überwachungsskandal mit unvorstellbaren Ausmaßen zu tun. Von der Existenz und dem Umfang dieses Überwachungssystems wissen wir nur durch Edward Snowden. Die erste Pflicht der Bundesregierung wäre die vollständige Aufklärung gewesen. Aber davon kann nach wie vor keine Rede sein. Schon jetzt ist erwiesen, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst BND jahrelang als Helfershelfer des US-amerikanischen G eheimdienstes NSA agiert und diesem Zugang zu Daten verschafft hat, die ihn absolut nichts angehen. Der BND hat Amtshilfe für die NSA geleistet, um deutsche und europäische Unternehmen auszuspähen, also Wirtschaftsspionage zu betreiben. Er hat mitgeholfen, befreundete europäische Regierungen und die
EU-Kommission zu belauschen, was den Beziehungen beträchtlich schaden kann. Und das offenkundig mit Wissen und zumindest stillschweigender Billigung der Verantwortlichen im Bundeskanzleramt und der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es müssen die nötigen Konsequenzen aus diesem Skandal gezogen werden. Das Duckmäusertum der Bundesregierung gegenüber der USRegierung muss endlich überwunden werden. Der BND ist keine Auslandsabteilung der NSA. Er muss endlich parlamentarisch kontrolliert, sein Eigenleben muss beendet werden. Mit solidarischen Grüßen
Gregor Gysi ist Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE
Griechisches Nein zum Kürzungsdiktat der Ex-Troika
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Seite 2 ✶ Klar ✶ Sommer 2015 ✶ www.linksfraktion.de
Junge Griechinnen und Griechen feiern das Ergebnis des Referendums auf dem Syntagma-Platz in Athen.
Anfang Juli stimmte zum ersten Mal das Volk eines europäischen Staates über die Politik der Institutionen ab. Dass das Ergebnis so eindeutig ausfiel, hat viele Gründe. In den vergangenen fünf Jahren wurde die griechische Gesellschaft durch das Kürzungsdiktat der Institutionen (Europäische Zentralbank (EZB), Internationaler Währungsfonds und EU-Kommission) so in Mitleidenschaft gezogen, wie man es vorher nur in Kriegszeiten kannte: Ein Viertel der Wirtschaftsleistung wurde zerstört, die Jugendarbeitslosigkeit stieg auf über 50 Prozent (siehe Grafiken unten). Ende Januar zeigte die griechische Bevölkerung diesem Wahnsinn das Stoppschild – und wählte die linke Partei Syriza in die Regierung. Es folgten fünfmonatige, nervenaufreibende Verhandlungen mit den Institutionen, früher Troika genannt, über die Zukunft des Landes. Doch für die Gläubiger stand ein Ende der Lohn- und Rentenkürzungen nie zur Debatte. Ihr einziges Ziel war der Re gimewechsel in Griechenland: Durch ein Scheitern der neuen Regierung sollte der Bevölkerung in ganz Europa deutlich gemacht werden, dass in einer »marktkonformen Demokratie« (Angela Merkel) neoliberale Politik nicht abgewählt werden kann.
Wenige Tage vor dem Auslaufen des zweiten Programms für Griechenland am 30. Juni legten die Institutionen ein vergiftetes Angebot vor, verbunden mit einem 48-stündigen Ultimatum. So sollte die griechische Regierung gezwungen werden, fast alle ihre Wahlversprechen aufzugeben. Bei Annahme des Vorschlags wären alle von ihr formulierten roten Linien überschritten gewesen, etwa niedrige Primärüberschüsse, keine weiteren Lohn- und Rentenkürzungen, ein starkes Investitionsprogramm und eine Umstrukturierung der Schulden. Stattdessen hätte sie unter anderem die Mehrwertsteuer, auch für Lebensmittel, stark erhöhen und die Renten erheblich kürzen müssen. Der wirtschaftliche Niedergang und damit auch die humanitäre Katastrophe in Griechenland wären weitergegangen. Statt sich dem Diktat der Gläubiger zu unterwerfen, brachte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras ein Referendum auf den Weg: Das griechische Volks sollte selbst entscheiden. Ebenso wie die griechische Regierung plädierten namhafte Ökonomen wie Jo-
seph E. Stiglitz für ein »Nein«. Dem schloss sich eine deutliche Mehrheit von mehr als 61 Prozent der Griechinnen und Griechen an: Sie stimmten für Demokratie anstatt für erneute wirtschaftliche und soziale Strangulierung. Noch in der Woche vor der Abstimmung hatten die Institutionen ein Klima der Angst zu schüren versucht, um das »Nein« zu verhindern. Die EZB gab den griechischen Banken keine neue Liquidität. Die Banken mussten schließen, die Geldautomaten gaben nur limitierte Beträge aus, Rentnerinnen und Rentner ohne Geldkarten mussten vor Sonderschaltern Schlange stehen. Doch die griechische Bevölkerung hat sich nicht erpressen lassen – eine Entscheidung, die auch im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in den Geberländern ist. Denn jetzt besteht die Hoffnung, dass nicht erneut viele Milliarden Euro benutzt werden, um sinnlos Tilgungen und Zinsen eines überschuldeten Landes zu bedienen, anstatt damit Maßnahmen für Wachstum und Wohlstand zu finanzieren. Alexander Troll
Das Verelendungsprogramm Welche Auswirkungen hatten die sogenannten Hilfsprogramme seit dem Jahr 2010 in Griechenland?
Arbeits losigkeit: +102 Prozent
Durch schnittslohn: -38 Prozent Durch schnittsrente: -45 Prozent
Menschen ohne Krankenversicherung: +500 Prozent
Mindestlohn: -26 Prozent Quelle: Griechisches Generalsekretariat für Kommunikation, 2015. Alle Angaben beziehen sich auf den Zeitraum von 2010 bis 2014.
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Achtung, wir werden überwacht! Vor zwei Jahren enthüllte Edward Snowden den größten Geheimdienstskandal der Geschichte. Seitdem behindert die Bundesregierung die Aufklärung – wohl auch, weil der deutsche Geheimdienst in den Skandal verstrickt ist. Enthüllungen den Skandal für erledigt. Dumm nur, dass kurz darauf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) höchstpersönlich als Opfer der Überwachung galt. Der Verdacht lautete, US-Geheimdienste hätten jahrelang das Han d y der deutschen Re-
gierungschefin abgehört. Erst danach forderte Merkel Aufklärung über die Abhörpraktiken der USA in Deutschland. Doch daran, das wird zwei
Geheimdienste können wissen ...
Geheimdienste können ... … Ihr Telefon abhören, … Ihre E-Mails lesen, … Ihre Computerchats live mitverfolgen, … das Mikrofon Ihres Computers anschalten und mithören, … heimlich Fotos mit der Kamera Ihres
Jahre nach Snowdens Enthüllungen deutlich, hatte die Regierung unter Angela Merkel offenbar nie ein ernsthaftes Interesse. Wohl auch, weil immer mehr Indizien dafür sprechen, dass der BND Teil des welt-
Laptops schießen, … Ihre Profile knacken (Facebook, Foren etc.), Nachrichten schreiben, illegale Internetseiten besuchen und selbst Straftaten begehen.
… welche Suchbegriffe Sie im Internet eingeben, … mit wem Sie wann telefonieren und worüber Sie sprechen, … was Sie im Internet bestellen und auch … wo Sie sich aufhalten.
Digitale Selbstverteidigung Absoluten Schutz vor Überwachung gibt es nicht. Aber mit ein paar Tricks können Sie es NSA, BND & Co. schwer machen. Der kleine Klar-Leitfaden.
1. Aller Anfang ist schwer Was auf den ersten Blick kompliziert scheint, ist es in Wirklichkeit nicht. Sie müssen sich nur mit ein paar Programmen, technischen Werkzeugen und Verhaltensweisen vertraut machen.
2. Sichere Passwörter Auch wenn es lästig ist: Legen Sie sich komplizierte Passwörter für jedes einzelne Programm zu. Noch besser: Nutzen Sie Passwortmanager wie KeePass, die erstellen gute Passwörter und verwalten sie bequem.
3. Anonym surfen Ein ungeschützter Computer hinterlässt beim Surfen im Internet mit seiner IP-Adresse digitale Spuren. Dadurch kann ein Geheimdienst erkennen, welche Internetseiten Sie besuchen, wo Sie wohnen, wer Sie sind. Ein sogenannter Tor-Browser verhindert das, indem er Ihren Computer anonymisiert: www.torproject.org.
4. E-Mails verschlüsseln Eine Mail ist nur so privat wie eine Postkarte. Wenn Sie Ihre Mails jedoch mit entsprechenden Programmen verschlüsseln, ist das vorbei. Eine sehr gute Einführung bieten www.verbraucher-sicher-online.de und https://emailselfdefense.fsf.org/de.
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Er schockte die Weltöffentlichkeit: Edward Snowden. Als seine Enthüllungen im Juni 2013 bekannt wurden, trauten viele zunächst ihren Ohren nicht. Zu unglaublich klang, was der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter zu sagen hatte: Erstens, die Geheimdienste der USA hören weltweit Telefonate ab, lesen E-Mails mit und überwachen das Internet. Zweitens, im Visier sind nicht nur Terroristen, sondern die Massenüberwachung zielt auf die Menschheit insgesamt. Drittens, die USA arbeiten dabei eng zusammen mit den Diensten Großbritanniens, Kanadas, Neuseelands und Australiens. Dem Schock folgte die Empörung, besonders in Deutschland. Plötzlich war der Blick auf das Internet ein anderer: Der einstige Freiraum war nun der Schlüssel zur Mass e nüb e r wac hu ng geworden. Zehntausende Menschen gingen auf die Straße und forderten das Ende der Überwachung und die Aufklärung des Skandals. Auch weil immer wieder der Verdacht auftauchte, der deutsche Geheimdienst BND sei darin verwickelt. So sagte Snowden über BND und den US-amerikanischen Geheimdienst NSA: »Die stecken unter einer Decke.« Doch Aufklärung betrieb im Bundestag damals nur die Opposition aus SPD, Grünen und DIE LINKE. Die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP wiegelte ab, erklärte gar wenige Monate nach Snowdens
umspannenden Spionagenetzwerkes ist. Beides lässt sich am NSA-Untersuchungsausschuss zeigen. Die Regierung blockiert die Arbeit des Ausschusses, der den Skandal aufklären soll, wo sie nur kann: Sie verweigert Informationen, stellt oftmals nur geschwärzte und damit unbrauchbare Dokumente zur Verfügung, greift immer wieder bei Zeugenaussagen ein. Trotzdem gelang es dem Ausschuss, Unglaubliches aufzudecken: So hat der BND in gigantischem Umfang über Satelliten und Kabel fließende Kommunikation ausspioniert und sensible Daten an die US-Geheimdienste NSA und CIA weitergeleitet – auch von deutschen Bürgerinnen und Bürgern. Zudem hat der BND im Gegenzug für Technik und Geheimdienstwissen seinen exklusiven Zugang zu einem der wichtigsten Internetknotenpunkte Europas in Frankfurt am Main an die britischen und US-amerikanischen Geheimdienste verhökert. Und: Der BND soll gezielt europäische Unternehmen und Politiker für die NSA ausspioniert haben. Die Regierung steht immer mehr unter Druck: Entweder wusste sie von den Taten des BND, dann hat sie daran mitgewirkt, dass die Grundrechte von Millionen Bürgerinnen und Bürgern verletzt werden. Oder sie wusste nichts davon, dann hat sie versagt. Sicher ist nur eins: Aufklärung will diese Bundesregierung aus Union und SPD nicht. Ewald Riemer
5. Smartphones sichern Zahlreiche Apps und Programme helfen, Smartphones etwas sicherer zu machen. So lassen sich unter anderem Nachrichten und Telefongespräche verschlüsseln (www.prism-break. org/de). Doch Experten warnen, dass insbesondere bei Smartphones viele Lücken unbekannt sind. Deswegen: Vertrauliche Gespräche und Nachrichtenübermittlungen mit solchen Geräten vermeiden.
6. Der Weg ist das Ziel Sie müssen am Ball bleiben und immer wieder nachforschen, was der Stand der Dinge ist, etwa bei www.privacy-handbuch.de. Machen Sie daraus einen Wettkampf. Stellen Sie sich vor, wie Geheimdienstmitarbeiter Spaß daran haben, in Ihrem persönlichen Leben rumzuschnüffeln, und verderben Sie diesen Leuten das Handwerk.
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Kranke
Folgenreiche Entwicklung: Arbeitsverdichtung und Stress nehmen in der Arbeitswelt zu.
Arbeitswelt
Immer mehr Beschäftigte leiden unter psych ischen Krankheiten. Viele dopen sich im Job. Der Befund ist dramatisch. In Deutschland haben psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt drastisch zugenommen. Im Jahr 2012 betrug die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund solcher Krankheiten mehr als 61 Millionen. Das sind fast doppelt so viele Fehltage wie im Jahr 2001. Psychische Erkrankungen sind auch der häufigste Grund für Frühberentungen: Im Zeitraum von 1993 bis 2012 hat sich die Zahl der Anträge auf Erwerbsminderungsrente aufgrund von Depressionen, Burn-out und ähnlichen Krankheiten fast verdoppelt. Betroffen sind
überdurchschnittlich oft Frauen – besonders in Branchen, in denen Schichtarbeit, Wochenenddienste und Rufbereitschaft typisch sind. Das ergab eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. Auf Stress am Arbeitsplatz reagieren viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Doping. Knapp drei Millionen Menschen haben bereits verschreibungspflichtige Medikamente genutzt, um im Job leistungsfähiger zu sein oder um Stress abzubauen. 6,7 Prozent der berufstätigen Menschen haben schon einmal zu leistungssteigernden Pillen gegriffen, regelmäßig dopen
sich 1,9 Prozent – das sind knapp eine Million Erwerbstätige. Herausgefunden hat diese Zahlen die Krankenkasse DAK und sie in ihrem aktuellen Gesundheitsreport dokumentiert. Bemerkenswert ist ein weiterer Befund: Die Einnahme vermeintlich leistungsfördernder Medikamente steigt, je unsicherer der Arbeitsplatz und je einfacher die Tätigkeit ist. Diejenigen, die solche Medikamente nehmen, um beruflich Erfolg zu haben oder zumindest
DIE LINKE hat am 1. Mai die Kampagne »Das muss drin sein.« gestartet. Eine der wichtigsten Forderungen dieser Kampagne lautet: Arbeit umverteilen statt Dauerstress und Existenzangst! Unter anderem sollen die Beschäftigten mehr Mitbestimmungsrechte bezüglich Arbeitszeit und -gestaltung erhalten. Die maximal zu-
lässige Wochenarbeitszeit soll auf 40 Stunden gesenkt werden. Zudem sollen eine Anti-Stress-Verordnung eingeführt und der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz gestärkt werden.
den Arbeitsplatz nicht zu verlieren, gehen ein hohes Risiko ein. Körperliche Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Schlafprobleme, Persönlichkeitsveränderungen und Abhängigkeit sind möglich. Ruben Lehnert
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Arbeit umverteilen statt Dauerstress und Existenzangst!
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Mehr unsichere, schlecht bezahlte Jobs Der Anteil spezieller Beschäf tigungsverhältnisse ist in den vergangenen zwanzig Jahren stark gewachsen. +39% befristete Beschäftigungsverhältnisse
+70% Teilzeitarbeit
+277% geringfügige Beschäftigung
+300 % Leiharbeit Quelle: Bundesregierung
»Menschen sind häufig billiger als Computer« Der Fachjournalist Jonas Rest über die neue »digitale Arbeiterklasse«, Minutenlöhner und Sekundenjobs
Für die »Berliner Zeitung« haben Sie die Auswirkungen der Digitalisierung in Deutschland recherchiert. Welches Phänomen hat Sie am meisten überrascht? Wie stark Menschen als Ersatz für Computerprogramme eingesetzt werden. Bei Unternehmen wie Amazon oder Zalando fallen viele Aufgaben an, die nicht oder nur zu sehr hohen Kosten automatisiert erfüllt werden können:
Kataloge sortieren, Ware klassifizieren oder Produktbeschreibungen texten. All diese Aufgaben werden zerlegt in Abermillionen Minijobs und über Internet-Plattformen erledigt. Warum machen das nicht Computer? Vielfach ist es billiger, Menschen anstelle von Computern einzusetzen! Auch in Deutschland ist dieses sogenannte Clickworking über Internet-Plattformen mittlerweile weit verbreitet. Wie muss man sich die Arbeit eines Klickarbeiters vorstellen? Die Menschen, die für solche Plattformen arbeiten, haben keine Arbeitsverträge. Sie sind »digitale Minutenlöhner«, die ausschließlich pro geleistete Aufgabe bezahlt werden. Wie viel sie verdienen, hängt davon ab, wie viele Aufträge sie machen. Als Selbstständige müssen sie sich selbst versichern. Bei Krankheit oder Urlaub bekommen sie kein Geld. Laut IG Metall verrichten in Deutschland etwa eine Million Menschen sol-
che Tätigkeiten. Sie haben mit vielen dieser Klickarbeiter gesprochen. Wie denken sie über ihre Jobs? Viele sind froh, wenn sie abends oder zwischendurch mit zwei, drei Stunden Arbeit zehn Euro zusätzlich verdienen. Zum Beispiel eine alleinerziehende Frau, die, während das Kind schläft, arbeiten kann. Auch Schüler können sich so ihr Taschengeld aufbessern. Es gibt aber auch Leute, die das hauptberuflich machen. Viele von ihnen gehen ihrer Arbeit nach wie einem normalen Bürojob: Sie fangen um 9 Uhr an und klicken bis 17 Uhr Aufträge. Kann man mit solch einem Job über die Runden kommen? Ich habe niemanden getroffen, der oder die einen solchen Job dauerhaft machen möchte. Und ich glaube nicht, dass viele Klickarbeiter auf 8,50 Euro pro Stunde kommen. Das mag zwar vereinzelt passieren. Bei den meisten liegt der Stundenlohn jedoch deutlich darunter. Die Auftragslage ist manchmal so dünn,
dass einige in dieser Zeit nicht mehr als einen Euro pro Stunde verdienen. Wie organisiert sich diese neue »digitale Arbeiterklasse«? In Deutschland gibt es bisher keine Interessenvertretung. In den USA ist das anders. Dort organisieren sich die Selbstständigen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in Deutschland eine ähnliche Entwicklung sehen werden. Interview: Ruben Lehnert Privat
Wie haben Smartphones und Internet die Arbeitswelt verändert? Jonas Rest: Diese Technologien machen es extrem einfach, Arbeit auszulagern. Arbeit, die vorher von Angestellten mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erledigt wurde, wird nun über Internet-Plattformen abgewickelt. Früher wäre es undenkbar gewesen, dass ein deutscher Energieversorger die Zählerstände seiner deutschen Kunden für Centbeträge in Indien eingeben lässt.
Jonas Rest ist ein vielfach ausgezeichneter Journalist und arbeitet als Redakteur für die »Berliner Zeitung«.
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Neue deutsche Streikkultur Deutsche Post AG
Streikende Lokführer
AG Deutsche Baehn Bezahlung und
Das Postmanagement will bis zu 20 000 Brief- und Paketzusteller in neue Tochterunternehmen abschieben. Für die gleiche Arbeit sollen sie dort 20 bis 30 Prozent weniger Lohn erhalten. Die Post hatte erst die Zahl der befristet Beschäftigten stark erhöht, nun drängt sie sie in die Tochter firmen. Beschäftigte sowie die Gewerkschaften ver.di, DPVKOM und dbb wehren sich dagegen. Im vergangenen Jahr erzielte die Post einen Gewinn von mehr als zwei Milliarden Euro. Davon profitier t auch die Bundesregierung, die indirekt Miteigentümerin ist. Sie lässt das Management gewähren, selbst wenn Leiharbeits-
Überstunden, schlecht machen den familienunfreundliche Arbeitszeiten rn, hatte ände zu das Um . Beschäftigten zu schaffen reguläund eiks nstr War zu GDL t chaf die Gewerks , alrung egie desr ren Streiks aufgerufen. Die Bun den hat n, Bah en tsch Deu der leinige Eigentümerin ihr initiierte Konflikt eskalieren lassen: Das von von Betenz Exis die Tarifeinheitsgesetz bedroht zählt. GDL die auch n dene zu ten, rufsgewerkschaf erst hte brac Eine Einigung in diesem Tarifkonflikt ) (SPD zeck Plat s thia Mat eine Schlichtung durch o Bod n ente räsid p ster Mini chen ingis und den thür HartnäckigRamelow (DIE LINKE) Anfang Juli. Die lt! ezah ausg sich hat keit der Streikenden
Sozial- und Erziehungsdienste
kräfte, zum Teil sogar angeworben von der Bundesagentur für Arbeit, als Streikbrecher eingesetzt werden. Auf mehrere Warnstreiks folgte im Juni ein unbefristeter Streik.
Universitätsklinik Charité ches Personal für die Stationen der Klinik – zum Wohle der Patienten. Dafür führten sie den ersten Streik für mehr Personal im Krankenhaus überhaupt und erzielten einen ersten Erfolg. ver.di und die Klinikleitung verständigten sich Anfang Juli auf Eckpunkte: Deutlich mehr Fachkräfte sollen in Zukunft für mehr Qualität bei der Pflege sorgen! Uwe Hiksch
Seit Jahren wurden an der Berliner Charité Arbeitsplätze gestrichen. Die Folgen: Die Pflegekräfte leiden unter Überstunden und Stress, die Patientinnen und Patienten unter einer schlechteren Betreuung. Angesichts dessen fordern die Gewerkschaft ver.di und die Pflegekräfte der Charité nicht mehr Lohn oder mehr Urlaub. Sie kämpfen für zusätzli-
Solidarität mit den Erzieherinnen
Demonstration des Pflegepersonals
Aufstand bei Amazon Seit Jahren ignoriert der Versandhändler die Forderungen seiner Beschäftigten in Deutschland. Doch die geben nicht auf. Amazon gehört zu den größten Versandhändlern weltweit. Doch bei Löhnen und Arbeitsbedingungen will der US-Konzern kein Händler sein. In Deutschland weigert er sich, den Tarif des Versandhandels an seine mehr als 10 000 Beschäftigten zu zahlen und einen entsprechenden Tarifvertrag abzuschließen. Einem Beschäftigten des Handelsriesen hierzulande entgehen so jährlich laut der Gewerkschaft ver.di bis zu 9.000 Euro. Die ersten großen Streiks bei Amazon gab es im Mai 2013: Im hessischen Bad Hersfeld streikten rund 600 und in Leipzig rund 500 Beschäftigte. Der Konflikt erfasste zwischenzeitlich sieben von neun Standorten in Deutschland. Seit mehr als zwei Jahren tobt eine wahre Streikschlacht. Amazon nutzt die vielen Standorte im In- und Ausland, um die Belegschaften auszuspielen und um
Kundgebung der Postbeschäftigten
die Wirkung von Streiks zu mindern. Stefan Najda, Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Handel der ver.diBundesverwaltung: »Amazon kann per Knopfdruck zumindest einen Teil der Warenströme zwischen Standorten verschieben.« Werde ein Versandzentrum bestreikt, schicke die Münchner Zentrale Waren aus einem anderen Lager. Eine wichtige Rolle spielen Versandzentren, die Amazon in Osteuropa besitzt: bisher zwei in Polen, ein weiteres in Tschechien. »Die Standorte bedienen vor allem den deutschen Markt. In Polen und Tschechien hat Amazon noch keine eigenen Vertriebsseiten«, berichtet Najda. In Polen wird laut ver.di ein Viertel des hiesigen Lohns bezahlt, das sind etwa 400 Euro im Monat. In Tschechien liegt der Mindestlohn nach Medienberichten gar bei nur 330 Euro. So sichert sich der USKonzern beste Profite – und
schürt die Angst der hiesigen Beschäftigten vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. In eine solche Richtung weisen auch Erfahrungen, die Tim Schmidt, Betriebsratsvorsitzender des Amazon-Versandzentrums in Rheinberg am Niederrhein, gesammelt hat.
Tim Schmidt, Betriebsratsvorsitzender des Amazon-Versandzentrums in Rheinberg am Niederrhein
»In einem Arbeitsgerichtsverfahren haben die Firmenvertreter mitgeteilt, dass es keinen größeren Personalbedarf geben werde, weil ein Teil des Warenvolumens über die Standorte in Osteuropa läuft«, sagt er. Doch die Strategie von Amazon hat Grenzen. Najda: »Wenn Amazon einmal einen Auftrag in einem Versandzentrum platziert hat, können sie diesen nicht mehr einfach verschieben.« Man habe es geschafft, die Auslieferung vor Ostern durch Streiks empfind-
lich zu stören. Testkäufe seien mit zehn Tagen Verspätung angekommen. In den Versandzentren hätten sich liegen gebliebene Waren gestapelt. Ein weiterer Vorteil: Der Organisationsgrad von ver.di an Standorten wie Bad Hersfeld oder Rheinberg ist weiter gestiegen und liegt inzwischen schon bei 50 Prozent. Und: »Wir sind europaweit gewerkschaftlich eng vernetzt«, sagt Najda. Niels Holger Schmidt
Niels Holger Schmidt
Die Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen, Jugendpfleger und Sozialarbeiterinnen sind oftmals skandalös: Berufsanfängerinnen erhalten wenig Lohn und zumeist nur befristete Verträge. Unfreiwillige Teilzeit führt zu niedrigen Einkommen und später zu Armutsrenten. Deswegen verhandeln die Gewerkschaften ver.di und GEW seit Jahresbeginn mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber über einen neuen Tarifvertrag. Ihr Ziel ist es, die Sozial- und Erziehungsdienste aufzuwerten, unter anderem mittels einer durchschnittlichen Lohnerhöhung von rund zehn Prozent. Nach einem vierwöchigen Streik sollte eine freiwillige Schlichtung eine Einigung bringen. Über das Ergebnis dieser Schlichtung beraten und entscheiden nun die Gewerkschaftsmitglieder.
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Ob bei der Bahn, der Post, im Krankenhaus oder in Kitas – der Streik als Mittel des Arbeitskampfs wird populärer. Klar zeigt aktuelle Beispiele.
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Exklusiv-Interview
Die Alternativen formulieren wir!
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Gregor Gysi im Gespräch über milliardenschwere Fehler der Bundesregierung, die Arbeitskämpfe bei Post & Co. und die Gründe für seinen geplanten Rückzug vom Fraktionsvorsitz.
DIE LINKE ist seit den vergangenen Wahlen erstmals Oppositionsführerin im Bundestag. Ist sie dieser neuen Verantwortung bisher gerecht geworden? Wir haben Alternativen zur Regierungspolitik benannt. Und wir befriedigen das Bedürfnis nach Opposition auch von Menschen, die uns nicht gewählt haben. Ich bekomme viele Zuschriften von Menschen, die uns zwar nicht gewählt haben, aber sagen, dass es gut ist, dass es DIE LINKE gibt.
Das Drama um Griechenland scheint Ihnen recht zu geben: Trotz milliardenschwerer Rettungspakete ist das Land beinahe pleite, der Bevölkerung geht es schlechter denn je. Wie hätte man vor Jahren auf die Krise in Griechenland reagieren sollen? Als den griechischen Banken die Pleite drohte, hätte man sie pleitegehen lassen müssen. Bürgerinnen und Bürgern sowie klein- und mittelständischen Unternehmen hätte man die Guthaben erstatten müssen. Aber die Großgläubiger der griechischen Banken – auch französische und deutsche Banken – hätten halt Pech gehabt, sie hatten sich verspekuliert. Hierzulande wird in vielen Medien der Eindruck erweckt, als habe die Bundesregierung dem griechischen Volk mit vielen Milliarden Euro geholfen.
Was zeichnet DIE LINKE im Bundestag aus? Wo sich alle anderen Parteien einig sind, aber die Mehrheit der Bevölkerung es des Öfteren sogar anders sieht, formulieren wir Alternativen. Der Krieg in Afghanistan fand die Zustimmung aller anderen Fraktionen, nur unsere nicht. Bei der Rente mit 67 sind alle anderen Fraktionen dafür, wir nicht. Die ganze falsche Euro-Rettung – alle anderen Fraktionen sind dafür, nur wir sind dagegen.
Das Geld ist nie an die Griechinnen und Griechen gegangen, sondern an die Banken, jedenfalls zu über 90 Prozent. Die Banken können noch so viel zocken, sie müssen keine Verluste fürchten: Die übernehmen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Derzeit wird viel über einen Grexit diskutiert, also über ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. Was würde das für Deutschland bedeuten? Mit einem Schlag müssten die deutschen Bürgerinnen und Bürger 60 Milliarden Euro zahlen, denn wir haften für 27 Prozent der griechischen Staatsschulden. Das hat die Bundesregierung gegen unseren Willen unterschrieben. Übrigens: Auch Frankreich und Italien müssten jeweils mehr als 40 Milliarden Euro zahlen. Das ist offenkundig der falsche Weg. Und wie sieht der richtige aus? Griechenland und der gesamte Süden Europas brauchen eine wirkliche Aufbaupolitik – eine Art Marshallplan. In Griechenland muss investiert werden: in Bildung, in Schiffsindustrie, in Tourismus und in alternative Energien. Dann kommt das Land voran, kann höhere Einnahmen erzielen und auch Schulden zurückzahlen.
Frank Schwarz
Trotz Niedriglohnsektor, Altersarmut und NSA-BNDSkandal: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist beliebt, die CDU liegt in Umfragen bei über 40 Prozent. Warum? Gregor Gysi: Vielen Leuten erscheint eine Alternative zu Kanzlerin Merkel nicht möglich. Das liegt vor allem daran, dass die SPD zum Anhängsel der Union geworden ist. Daran wird sich kaum etwas ändern, solange Sigmar Gabriel sich damit zufriedengibt, Vizekanzler zu sein.
DIE LINKE hat Anfang Mai die Kampagne »Das muss drin sein.« gestartet. Wie beteiligt sich die Fraktion DIE LINKE an dieser Kampagne? Wir unterstützen die Kampagne durch Anträge und Debatten im Parlament. Bundestagsabgeord-
nete sind zudem auf Straßen, Plätzen und bei Kundgebungen aktiv. Eine der Forderungen der Kampagne lautet: Befristung und Leiharbeit stoppen! Viele Menschen sind aber froh, wenn sie überhaupt einen Job haben. Wenn man über Jahre hinweg immer wieder nur Halbjahresverträge bekommt, kann man sein Leben nicht planen: Man traut sich nicht, Kinder in die Welt zu setzen oder eine Wohnung zu beziehen, wie man sie benötigt. Deshalb müssen wir gegen prekäre Beschäftigung vorgehen: gegen Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse ohne Sachgrund und gegen den Niedriglohnsektor insgesamt. Angesichts der Arbeitskämpfe bei der Bahn, der Post, im Sozial- und Erziehungswesen: Ändert sich der Zeitgeist? Hoffentlich! Ich wünsche mir, dass die Menschen sich nicht länger abfinden mit prekärer Beschäftigung.
Mit Oskar Lafontaine führt Gysi die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag ab dem Jahr 2005. Mit den beiden Frontmännern gelingt im Jahr 2007 nach der Fusion von WASG und PDS zur Partei DIE LINKE der politische Durchbruch in ganz Deutschland.
Burkhard Lange
ND-Archiv
Im Dezember 1989 begann alles: Der Rechtsanwalt Gregor Gysi wird zum Parteichef der SED-PDS gewählt. Der Bruch mit dem Stalinismus als System und der demokratische Sozialismus sollten große Ziele für den Berliner und die deutsche Linke werden.
Wie könnte man Wahlen attraktiver machen? Meine Idee ist, dass die Fraktionen im Bundestag das Recht bekommen, bei jeder Bundestagswahl eine Frage zu stellen, auf die die Bevölkerung mit Ja oder Nein antworten kann. Also Bundestagswahlen plus Volksabstimmungen? Ja, ich möchte nicht auf die repräsentative Demokratie verzichten, sie aber um solche Volksentscheide ergänzen. Der Wahlkampf würde sich ändern: Die Parteien müssten zu den
Auf der anderen Seite gehen immer weniger wählen. Was bedeutet das für die Demokratie? Wahlen spielen für viele Menschen kaum eine Rolle. Die sagen sich: »Ich habe die schon einmal gewählt, aber nichts hat sich verändert; und ich habe jene schon einmal gewählt, aber verändert hat sich auch nichts.« Hinzu ko m m t , dass
Gregor Gysi – Bilder eines Ausnahmepolitikers Seit mehr als 25 Jahren prägt Gregor Gysi die Politik in Deutschland mit. Im Herbst zieht er sich aus der ersten Reihe zurück. Klar erinnert an besondere Momente seiner Karriere.
viele Parteien vor der Wahl etwas versprechen, aber nach der Wahl etwas ganz anderes tun.
In den Jahren nach der Wende gelingt es Gysi, Querdenker und parteilose Prominente zur Mitarbeit zu bewegen. Der Schriftsteller Stefan Heym eröffnete im Jahr 1994 als Alterspräsident den Bundestag mit einer denkwürdigen Rede.
Gysi und Lothar Bisky begegneten sich im Jahr 1989 als Redner auf dem Alexanderplatz. Bis zum Tod Lothar Biskys prägten sie gemeinsam DIE LINKE. Sie waren enge Freunde und trugen maßgeblich zur Vereinigung von WASG und PDS bei.
www.linksfraktion.de ✶ Sommer 2015 ✶ Klar ✶ Seite 7 konkreten Fragen Stellung beziehen. Das würde die Demokratie attraktiver machen und die Wahlbeteiligung erhöhen.
möchte ich meinen Anwaltsberuf ausbauen und meine Moderation am Deutschen Theater fortsetzen.
Worüber würden Sie abstimmen lassen wollen? Na, vor einigen Jahren über den unverzüglichen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, heute vielleicht über das Verbot von Leiharbeit oder die gleiche Rente in Ost und West für die gleiche Lebensleistung.
In Ihrer langen politischen Karriere haben Sie viele Persönlichkeiten treffen dürfen. Wer hat Ihnen am meisten imponiert? Nelson Mandela, weil er einen Großmut an den Tag legte, der für mich und viele andere unvorstellbar ist. Ich bezweifle, dass ich nach über 20 Jahren im Gefängnis so hätte sein können wie er.
Sie haben kürzlich bekanntgegeben, im Herbst nicht erneut für den Vorsitz der Fraktion DIE LINKE zu kandidieren. Fiel Ihnen die Entscheidung schwer? Ja, aber ich habe sie schon im Mai 2013 aus vielen Gründen getroffen. Unter anderem möchte ich einen Fehler vermeiden, den viele begehen, die in der ersten Reihe der Politik stehen: Sie gehen erst, wenn sie gehen müssen. Ich glaube, ich habe für das, was ich leisten kann, den Zenit an Ansehen in der Gesellschaft erreicht. Das ist der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören und die Fraktionsleitung an andere zu übergeben.
Auf welchen politischen Erfolg sind Sie besonders stolz? Auf DIE LINKE und deren Akzeptanz in der heutigen Gesellschaft. Vor 25 Jahren war es undenkbar,
Die Parteivorsitzenden haben dafür Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch vorgeschlagen. Ich finde diesen Vorschlag gut. Kaum jemand kann sich Gregor Gysi auf der Hinterbank im Bundestag vorstellen. Das ist auch schwierig. Aber ich habe versprochen: Wenn ich die Verantwortung abgebe, werde ich die Fraktion auch nicht versuchen, heimlich weiterzuführen. Deshalb muss ich auch andere Aufgaben übernehmen. Welche? Eine Rolle in der Außenpolitik kann ich mir vorstellen. Zudem
Zur Person
Gregor Gysi, Jahrgang 1948, war von März bis Oktober 1990 Mitglied der Volkskammer, gestaltete als Parteivorsitzender die Gründung der PDS und war viele Jahre lang ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Er initiierte die Gründung der Partei DIE LINKE und führt seitdem die Bundestagsfraktion als Vorsitzender. Zwischenzeitlich war er Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin. Im Herbst wird sich der gelernte Rinderzüchter und Rechtsanwalt aus der ersten Reihe der Politik zurückziehen. Als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter aus dem Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick bleibt er dem Parlament erhalten.
Wahlkampfplakat aus dem Jahr 1990
dass eine Partei links von der Sozialdemokratie solch eine Akzeptanz in der Gesellschaft hat, wie wir sie haben. Darauf bin ich schon etwas stolz. An welches Kompliment erinnern Sie sich besonders gern? Im Januar 1990 war ich in Frankreich beim Ministerpräsidenten. Da war auch Willy Brandt. Und er sagte mir: »Ich habe einen Freund, der hat gesagt: ›Im Augenblick gibt es zwei Leute in Deutschland, die die größte Verantwortung haben – Hans Modrow und Gregor Gysi. Und die machen das ziemlich verantwortungsbewusst.‹« Sie haben gesagt, Sie entscheiden nächstes Jahr, ob Sie erneut für den Bundestag kandidieren. Wovon hängt das ab? Von mir und der Entwicklung der Fraktion und der Partei. Also davon, ob ich das Gefühl habe, gebraucht zu werden oder nicht. Und davon, ob ich von meinem Leben her das Gefühl habe, es zu brauchen oder nicht. Da will ich mich aber jetzt nicht unter Druck setzen, auch nicht setzen lassen. Interview: Ruben Lehnert, Benjamin Wuttke
Frank Schwarz (5)
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Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sollen Gregor Gysis Nachfolge antreten Ab Herbst sollen die bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, gemeinsam die Fraktion DIE LINKE führen. Diesen Personalvorschlag unterbreiteten die Vorsitzenden der Partei
DIE LINKE, Katja Kipping und Bernd Riexinger, Mitte Juni im Anschluss an Beratungen des geschäftsführenden Partei vorstands. Das letzte Wort haben die 64 Mitglieder – 35 Frauen und 29 Männer – der Fraktion DIE LINKE:
Am 13. Oktober wählen sie die neue Fraktionsspitze. Gregor Gysi, der der Fraktion seit ihrem Einzug ins Parlament im Jahr 2005 vorstand, hatte Anfang Juni angekündigt, nicht erneut als Vorsitzender zu kandidieren.
Sommer 2010 beim Fest der Linken in Berlin: Gregor Gysi interviewt die amerikanische Bürgerrechtlerin Angela Davis. In seiner Jugendzeit hatte auch Gysi eine von Hunderttausenden Protestpostkarten in die USA geschickt, um die Freilassung der inhaftierten Lehrerin zu fordern.
Der Politiker Gysi arbeitet auch als Autor und Moderator. In seiner regelmäßigen Matinee am Deutschen Theater interviewt er die verschiedensten Typen aus Kunst, Kultur, Wissenschaft und Politik. Hier ist Hape Kerkeling zu Gast.
Im Dezember 2014 wird erstmalig ein Mitglied der Partei DIE LINKE Regierungschef eines Bundeslandes: Gregor Gysi gratuliert dem Ministerpräsidenten Thüringens, seinem Genossen und Weggefährten Bodo Ramelow.
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Miete kaum noch bezahlbar Seit Jahren steigen die Kosten für Mieter. Ein Ende ist nicht in Sicht, auch weil die Mietpreisbremse unwirksam ist.
torencasting«. Kommen potenzielle Investoren zur Besichtigung, werden sie angesprochen. »Wir wollen wissen, mit wem wir es zu tun haben und ob sie die Mieterrechte kennen«, sagt Poweleit. Verirren sich Käufer zu den Besichtigungen, die gleich einziehen möchten, ist die Hausgemeinschaft vor Ort und vermittelt mittels bedruckter T-Shirts die Botschaft »Mieterschutz statt Eigenbedarf«. Timo Kühn/Paul Schwenn
konkurrieren. Das vergiftete Angebot: Höchstpreis zahlen oder, sofern nicht wegen Eigenbedarfs der Rausschmiss droht, dem neuen Eigentümer eine extrem hohe Miete zahlen. Seit Monaten ist der Protest der Bewohner weithin sichtbar. In den Fenstern hängen Plakate, auf denen steht, wie lange welche Hauspartei schon dort wohnt: 3, 15 sogar 65 Jahre. »Wir möchten, dass zukünftige Investoren wissen, wie lange wir schon hier sind«, sagt Michael Poweleit, Mitglied Kristine Ohlens und Michael der Hausgemein- Poweleit wohnen in dem vom Bund verkauften Haus schaft. in der Berliner Das ganze Haus Vorbergstraße. kämpft zusammen. Einige der Mieter haben ihre Wohnungen gekauft und engagieren sich nun für ihre Nachbarn. Dazu zählt auch das »Inves-
Frank Schwarz
gen hier unauf haltsam, Horrormeldung für Mieterinnen und in den letzten Jahren Mieter: Wohnen wird immer teurer – in um 39 Prozent.« Siebolds Großstädten und Ballungszentren, aber lebt seit seiner Geburt in Ostauch in mittelgroßen Städten. Spitzenfriesland. »Es fehlt an kleinen reiter Berlin: Hier stiegen die durchschnittund günstigen Wohnungen«, lichen Mietpreise in den Jahren 2009 bis sagt er. Um die Missstände 2014 um mehr als 56 Prozent. In Augsburg zu bekämpfen, »bedarf es der gingen sie um 50 Prozent hoch. verdiener ohnehin Unterstützung durch die öfBesonders groß sind die Sorgen bei Men- kaum mehr bezahl- fentliche Hand«. schen, die eine neue Wohnung suchen: Am bar ist. Doch die hat nicht nur den soheftigsten explodieren Mieten bei Neuver- Doch nicht nur in zialen Wohnungsbau fast kommietungen. Die kürzlich von der Bundes- Großstädten ist der plett eingestellt, sondern ihr regierung beschlossene Mietpreisbremse Wohnungsmarkt Wohneigentum an private Inwird nur wenig helfen. Sie gilt nur in weni- angespannt. Hend- vestoren verschleudert. So hat gen Gegenden und enthält zahlreiche Aus- rik Siebolds aus Au- der Bund in den vergangenen 20 nahmen: möblierte Wohnungen, Studen- rich in Niedersach- Jahren um die 90 Prozent seiner tenwohnungen, umfassend modernisierte sen kennt dieses Wohnungen verkauft. Und: Die Wohnungen, Neubauten und Umwandlun- Problem: »Gerade verbliebenen 40 000 Wohgen in Eigentumswohnungen. die Mieten von So- nungen sollen jetzt auch Die Mietpreisbremse soll bei Neuvermie- zialwohnungen stei- noch verkauft werden! tung die Miete Betroffen auf maximal davon sind So will DIE LINKE Wohnen bezahlbar machen beispielswei1 0 Prozent über dem Niveau der se Mitglieder Jeder Mensch muss das Verbot von ortsüblichen einer HausgeRecht auf bezahlbaren und Mieterhöhung allein Ve r g l e i c h s meinschaft im angemessenen Wohnraum wegen Neuvermietung. haben. DIE LINKE fordert miete deckeln. Berliner Bezirk Begrenzung der eine neue Wohnungspolitik: Doch diese VerTe m p e l h o f Mieterhöhung bei gleichsmieten Schöneberg. Neustart beim soziBestandsmieten ohne sind in den letzVor einem Jahr alen Wohnungsbau Wohnwertverbesserung ten Jahren vieerhielten sie die inklusive Neubau von jähr- auf Höhe der Inflation. lich 150 000 Wohnungen. lerorts massiv Info: Ihre WohKeine weitere Privagestiegen. Mienungen würEine Mietpreisbremse, tisierung von komten werden also den verkauft. die flächendeckend munalen Wohnungen. auf einem NiWenn sie wollund ohne Ausnahme gilt. Zwangsveau gebremst, ten, könnten Erhöhung umzüge das f ür den sie um diese des Wohngelds. stoppen. Durchschnittsmit Investoren
»Jobcenter mitverantwortlich für Zwangsräumungen« Stimmt der Eindruck, dass es in Großstädten und in kleineren Universitätsstädten sehr schwierig ist, mit einem durchschnittlich gefüllten Geldbeutel eine Wohnung zu finden? Andrej Holm: Ja, steigende Mieten und Verdrängungsdruck beobachten wir vor allem in solchen Städten. Dort nutzen Vermieter die erhöhte Nachfrage aus. Vor allem Haushalte mit geringem Einkommen bleiben dabei auf der Strecke. Immer häufiger hört man von Zwangsräumungen. Sie haben unlängst an einer der ersten wissen schaftlichen Studien zu diesem Thema am Beispiel Berlin mitgewirkt. Was haben Sie rausgefunden? Wo hohe Neuvermietungsmieten oder die Umwandlung in Eigentumswohnungen locken, setzen Vermieter Räumungsklagen selbst dann durch, wenn die Sozialämter Mietschuldenübernahmen anbieten. Da andererseits für viele Mietrückstände die strengen Auflagen
Polizisten bei einer Zwangsräumung in Berlin
der Hartz-Gesetze zu den Kosten der Unterkunft und die repressive Praxis der Jobcenter verantwortlich sind, sprechen wir von staatlicher Koproduktion der Wohnungsnot. Das staatliche Hilfssystem ist überfordert: Unzureichende Unterbringung in Notunterkünften wird zur Regel und zum Dauerzustand. Nur ein Problem in Berlin? Nein, das ist über Berlin hinaus verallgemeinerbar. Das staatliche Hilfssystem kann in Städten mit hohem Verwertungsdruck die Wohnungsnot nicht wirklich verhindern.
Der soziale Wohnungsbau wurde seit den späten 1980ern bundesweit stark zurückgefahren. Warum? Der Rückzug wurde mit allgemeinen Sparzwängen begründet. Es herrschte zudem die Überzeugung, der Markt werde es schon richten. Wohnungspolitik in der Bundesrepublik versteht sich traditionell als zeitweise Korrektur des Marktes und hat die Logik der Gewinnmaximierung nie infrage gestellt. Angesichts der schnell steigenden Mieten und des gravierenden Versorgungsproblems im Wohnbereich setzen einzelne Bundesländer und Städte nun wieder verstärkt auf die Förderprogramme. Wird das die derzeitige Wohnungsnot lindern? Angesichts der begrenzten Fördervolumen ist das nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Es gibt keine Stadt, in der die neu geförderten Sozialwohnungen die Abgänge aus früheren Förderprogrammen übersteigen. Obwohl wieder mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau gesteckt wird, sinkt die Zahl der Sozialwohnungen weiter.
Sie halten nicht viel von der sogenannten Mietpreisbremse der Bundesregierung, die seit Anfang Juni gilt. Warum? Die Mietpreisbremse hat zu viele Ausnahmen, etwa bei Modernisierungen oder Neubauten. Zudem soll sie knapp oberhalb der Durchschnittsmieten wirken und dient so vor allem den Mittelschichten. Was würde Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen wirklich helfen? Mehr Förderprogramme, kommunaler Wohnungsbau und dauerhafte Belegungsbindungen. Interview: Ralf Hutter picture-alliance/dpa (2)
Der renommierte Stadtforscher Andrej Holm über staatliches Versagen angesichts wachsender Wohnungsnot.
Andrej Holm ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berliner HumboldtUniversität und einer der bekanntesten Stadtsoziologen Deutschlands.
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Shinzo Abe, Stephen Harper, Barack Obama, Angela Merkel, François Hollande, David Cameron und Matteo Renzi (v.l.n.r.) am 7. Juni 2015 in Elmau
Frank Schwar z
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35 000 gegen 7 Während sich die Regierungschefs der G 7 Anfang Juni in einem Luxushotel verbarrikadieren, finden in München der »Gipfel der Alternativen« und eine große Demonstration statt. G-7-Gipfel in Zahlen
24 Stunden dauerte das Treffen. 16 000 Meter betrug die Länge der Absperrgitter. 20 000 Polizisten waren im Einsatz. 360.000.000 Euro soll das Treffen gekostet haben. 250.000 Euro kostete jede Minute. Quelle: Merkur, Bund der Steuerzahler
Veranstaltungen zu TTIP an diesem Alternativgipfel. Eine dieser Diskussionsrunden besucht auch Christian Schwarzenberger. Der 27-jährige Ingenieur aus Eschborn engagiert sich beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac. »Seit einem Auslandsaufenthalt in Mexiko interessiere ich mich für die globalen Folgen solcher Abkommen«, erzählt er. Am Nachmittag reiht er sich am Karlsplatz in einen bunten Demonstrationszug ein. Christian Schwarzenberger ist begeistert: »Als ich anfing, mich gegen TTIP, CETA und Co.
Frank Schwarz
Ausnahmezustand rund um Schloss Elmau in den Bayerischen Alpen: Tausende Polizisten marschieren auf, Räumpanzer und Scharfschützen beziehen Stellung. Hier treffen sich die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, Kanada und den USA zum G-7-Gipfel. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit schmieden sie geheime Pläne. Zum Beispiel zum Handelsabkommen TTIP und zum Konflikt in der Ukraine. Entscheidende Akteure wie Russland und China sind bei diesem Treffen ausgeschlossen – ebenso die gesamte Weltbevölkerung. Demokratie geht anders, wie man bereits drei Tage vor dem Gipfel auf dem Marktplatz in der Münchener Innenstadt erleben kann: beim Internationalen Gipfel der Alternativen. Hier ist jeder Mensch eingeladen, Ideen zu globaler Gerechtigkeit, ökologischer Umgestaltung und einer friedlichen Weltpolitik öffentlich zu diskutieren. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE beteiligt sich mit zwei
Polizeikette vor Geschäften in Garmisch.
zu engagieren, nahmen knapp 500 Leute an solchen Demos teil. Heute sind es 35 000.« Auch DIE LINKE mischt mit: mit einem Lautsprecherwagen, lauter Musik und vielen Mitgliedern. Das Fronttransparent trägt Niema Movassat, Sprecher für Welternährung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. »Ich will zeigen, dass die G-7-Regierungschefs nicht für mich sprechen – und erst recht nicht für die ganze Welt«, sagt der 30-Jährige. Am Wochenende, während des G-7-Gipfels, verlagert sich der Protest nach Garmisch-Partenkirchen. Auch
Christian Schwarzenberger auf der Demonstration in München gegen den G-7-Gipfel
Christian Schwarzenberger ist wieder dabei: Er zeltet in dem Camp, das Aktivisten im Ort errichtet haben. »Ständig kommen Menschen aus Garmisch vorbei, um über den G-7-Gipfel und unseren Protest dagegen zu diskutieren«, berichtet er. Am Samstag beteiligt er sich vor Ort an einer weiteren Demonstration. Am Sonntag
klettert er mit einigen Hundert G-7-Gegnern auf einem Wanderweg Richtung Schloss Elmau. Gemeinsam erreichen sie den Absperrzaun. Dort versperren ihnen Spezialkräfte der Polizei den Weg. Trotzdem ist Christian Schwarzenberger zufrieden. »Dass wir hier sind, ist ein wichtiges Zeichen«, sagt er. Sophie Freikamp/Paul Schwenn
Widerstand gegen TTIP und CETA wächst Mehr als zwei Millionen Menschen unterstützen Bürgerinitiative Was für ein Rekord! Nach nicht einmal einem Jahr haben mehr als zwei Millionen Menschen die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA unterschrieben. Damit ist diese Bürgerbewegung die bisher größte in Europa. Das zeigte sich in den letzten Monaten auch auf der Straße: Am 18. April fanden mehr als 750 Aktionen und Kundgebungen in 50 Ländern auf allen Kontinenten statt, mehr als 200 davon allein in Deutschland. Unterschriftenrekord und Protestaktionen zeigen: Je länger die undurchsichtigen TTIP-Verhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und den USA dauern, umso größer wird der Widerstand. Das haben offensichtlich auch die beiden TTIP-Fanatiker Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident
Barack Obama gemerkt. Beim G-7-Gipfel kündigten sie an, die Verhandlungen zu beschleunigen – obwohl gleichzeitig mehr als 35 000 Menschen bei einer Demonstration das Ende von TTIP forderten. Auch deswegen will die Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA weiter Unterschriften sammeln. Das Ziel: bis Herbst satte drei Millionen Unterschriften europaweit. Damit bei Merkel & Co. die Ohren richtig klingeln, bereiten TTIP-Gegnerinnen und -Gegner derzeit die größte Anti-TTIP-Demonstration Deutschlands vor. Sie soll am 1 0. Oktober in Berlin stattfinden und am Kanzleramt vorbeiziehen. Mit dabei DIE LINKE und Hunderte andere Verbände, Initiativen und Gewerkschaften. Weitere Infos zur Großdemo in Berlin gibt es unter: www.ttip-demo.de und www.ttip-stoppen.de
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Keine Rendite mit der Miete Ein Film über den Berliner Wohnungsmarkt feiert internationale Erfolge und ermutigt zum Widerstand gegen den Ausverkauf der Stadt.
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Der Film »Mietrebellen« zeigt die Schattenseiten des HauptstadtBooms: gierige Investoren, skrupellose Makler, rasant steigende Mieten. Und er stellt Menschen vor, die füreinander kämpfen und sich gemeinsam wehren – gegen Zwangsräumungen in der Nachbarschaft und Immobilienspekulanten im Kiez. Gedreht haben die Dokumentation der Berliner Filmemacher Matthias Coers, Jahrgang 1969, und seine Partnerin Gertrud Schulte Westenberg. Der 78-minütige Film schildert den Kampf unterschiedlicher Berliner Mieterinitiativen. Er erzählt beispielsweise den Fall der Rentnerin Rosemarie Fließ. Die betagte Frau wird im Jahr 2013 trotz Protests und ärztlicher Bedenken unter Zwang aus ihrer Wohnung geworfen. Zwei Tage später stirbt sie in einem Obdachlosenheim. Die Dokumentation schildert die Geschichte der Familie Gülbol aus BerlinKreuzberg. Zweimal sollte sie aus ihrer Wohnung vertrieben werden – zweimal wird die Vollstreckung wegen Protests ausgesetzt. Schließlich setzen fast 1000 Polizisten, Hubschraubereinsatz inklusive, die Zwangsräumung durch. Vorgestellt wird auch eine Gruppe von Rentnerinnen, die im Stadtteil Pankow für den Erhalt ihrer Seniorenbegegnungsstätte kämpfen und aus Protest das Haus besetzen – und damit schließlich Erfolg haben. Obwohl ein Film über Berlin, wird »Mietrebellen« in vielen Städten im Ausland vorgeführt: in Wien, Dublin, Glasgow, Córdoba, Amsterdam, im Kosovo, in Istanbul, Moskau, Brest, Groningen. Teils bei Film- und Kunstfestivals, teils bei politischen Kongressen und Konferenzen. Bundesweit ist der
Film bereits in 21 Kinos gelaufen – und oft wurde nach der Vorführung im Publikum diskutiert. Filmemacher Coers hat den Film absichtlich kurz gehalten. »Der Film soll vor Ort zu Debatten über die lokale Situation führen.« Das Ganze sei ein politisches Projekt. Deshalb lädt er auch oft Initiativen oder Fachleute ein, die sich im Anschluss an die Filmvorführung vorstellen beziehungsweise das Thema vertiefen.
Mietrebellen – Widerstand gegen den Ausverkauf der Stadt
Der Dokumentarfilm von Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers ( D 2014, 78 Minuten, OmeU ) wird auch beim »Fest der Linken« am 12. September 2015 um 19 Uhr im Karl-LiebknechtHaus in Berlin gezeigt. Mehr Infos und weitere Aufführungstermine unter:
www.mietrebellen.de
Taylor, Van Morrison, Simply Red, Wader & Mark
Dehms Musik-Kritik Der Liedermacher und Bundestagsabgeordnete Diether Dehm ( DIE LINKE ) bewertet Neuerscheinungen.
James Taylor: Before This World Nach der großartigen DuettCD mit seiner früheren Frau Carole King hat James Taylor nun nach dreizehn Jahren wieder ein erstes echtes Studioalbum veröffentlicht. Mit kraftvollen Melodien wie immer. Nur: So einen scharfen Sound hat er seiner warmen Gitarre und der Softstimme noch nie beigefügt.
In Mannheim habe sich nach einer Filmaufführung eine Handvoll älterer Menschen zusammengefunden, die alle in Mietskasernen lebten, die das städtische Wohnungsunternehmen abreißen wollte. Kurz entschlossen organisierten sie eine Kundgebung vor dem Büro des Unternehmens. Ähnliche Episoden gibt es aus vielen anderen Städten zu berichten. Was in Berlin passiert, »regt in anderen Städten die Fantasie an«, sagt Coers. Als der Streifen kürzlich zum hundertsten Mal im Berliner Kino Moviemento lief, berichtete eine griechische Geografin über den Wohnungsmarkt in ihrer Heimat. Sie arbeitet an der Universität Edinburgh in Schottland und hatte »Mietrebellen« im August in London gesehen, bei einer großen Konferenz der Royal Geographical Society. Am selben Tag, an dem der Film in der englischen Hauptstadt vor wissenschaftlichem Publikum lief, wurde er in Leipzig bei einem Doku-Festival und in Hamburg bei einem großen Treffen der Hausbesetzerszene in der berühm-
Van Morrison: Duets: Re-Working the Catalogue Wenn wir schon bei den ganz Großen sind: Auch Van Morrison hat neue Songs vorgelegt, alles handgemacht. Von Natalie Cole über Bobby Womack bis Steve Winwood hat sich der Rockgigant Gesangspartner an Bord geholt, die selbst zu den Größten gehören. Wobei Vans Stimme alle überstrahlt. Simply Red: Big Love Simply Red macht es dafür tief »unter seiner Form« und ist selbst seinen Hardcore-Fans
Ausschnitte aus dem ellen« Dokumentarfilm »Mietreb
ten »Roten Flora« gezeigt. Bis jetzt ist »Mietrebellen« bereits mehr als 330 Mal öffentlich gelaufen, in 40 Städten in 15 Ländern. Ohne Werbung des Filmteams hat sich das Interesse an der Dokumentation von Berlin aus verbreitet. In Bukarest machen sich mittlerweile Freiwillige an eine Übersetzung der Untertitel. Auf Englisch, Französisch und Spanisch gibt es die schon, Griechisch und Italienisch seien fast fertig, sagt Coers. Für Anfang 2016 plant er eine DVD des Films – »für die weltweite Rezeption«. Ralf Hutter
härteste Herausforderung: süßliches Ketchup ohne einen ear-catcher. Doch: Soul kommt von Sohle, nicht von Strandsandale. Hannes Wader: Sing Von den drei alten Groß liedermachern der Ex-Bundesrepublik war Dieter Süverkrüp der modernste Formfinder, Franz Josef Degenhardt der sinnlichste und eigenwilligste Erzähler aus dem Innenleben des Imperialismus und Hannes Wader immer der mit der erotischsten Bühnen- und Breitenwirkung. Durch das
neue Album des 72jährigen schimmert sein einst mit der Arbeiterliederfaust gerecktes Kommunistenbekenntnis zwar nur noch punktuell durch. Aber: Selbst der große linke Pete Seeger hatte ja zeitlebens auch Versöhnung gesungen. Mellow Mark: Roots & Flügel Der kongeniale Mellow Mark legt frische Gesellschafts kritik im Happysound, Reggae & Co. vor. Nach erstem Anhören: Sehr empfehlenswert!
Johannes Bröckers
»Die Verstaatlichung der Börsen wäre sinnvoll«
Volker Handon
Unser Finanzsystem ist krank, weil dort »Die Psycho-Trader« (Westend, 19,99 Euro) unterwegs sind. Volker Handon muss es wissen, weil er seit 25 Jahren mit Wertpapieren handelt. Inzwischen arbeitet er auf eigene Rechnung. Wie gefährdet ist das Finanzsystem? Volker Handon: Ich halte es für sehr gefährdet, weil die Bilanzrisiken der Banken nach wie vor viel zu hoch sind und sie einem echten Belastungstest niemals standhalten können. Solange die EZB jederzeit bereit ist, im Notfall einzuspringen, besteht aktuell keine Crashgefahr. Das wissen alle Marktteilnehmer und wiegen sich daher in einer trügerischen Entspanntheit.
PREISRÄTSEL
Ja:
system. Eine sinnvollere Lösung wäre die Zusammenlegung und Verstaatlichung aller europäischen Börsen. Neben einer echten Kontrolle würde eine dauerhaft sprudelnde Einnahmequelle geschaffen, und der Staat würde davon profitieren.
Sie sind Gegner einer Finanztransaktionssteuer. Was wäre eine Alternative? Nach den bekannten Vorschlägen werden alle Beteiligten an jeder Finanztransaktion, die über eine Börse läuft, in unverhältnismäßig hoher Weise belastet. Das Handelsvolumen würde stark abnehmen, weshalb auch die kolportierten Einnahmen reine Illusion sind. Bei allen außerbörslichen Finanzgeschäften würde die Steuer ungerechterweise nicht anfallen. Sie machen aber den größten Teil aller Transaktionen aus und sind ein extremes Risiko für das Finanz-
Wie würde ein gerechtes Finanzsystem aussehen? Alle Finanztransaktionen müssten über eine staatliche Börse getätigt werden. Sämtliche unverzinsten privaten Verrechnungskonten, also alle privaten Girokonten, müssten eine hundertprozentige staatliche Deckungsgarantie erhalten. Besitzer solcher Konten können niemals Gläubiger einer Bank sein. Die Bilanzregeln für die Bewer tung von risikobehafteten Aktiva bei Banken müssen restriktiv verändert werden. Die herrschenden Regeln lassen zu viel Freiraum für die Verschleierung von Bilanzrisiken. Der Einfluss der Lobbyisten müsste transparent geregelt werden. Interview: Steffen Twardowski
Markieren Sie die fünf Unterschiede in der unteren Karikatur. Schneiden Sie den Vordruck entlang der gestrichelten Linie aus und senden Sie Ihre richtige Lö-
sung per Brief oder Postkarte an: Fraktion DIE LINKE, Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir drei-
fi
Mitmachen und gewinnen!
Welche Rolle spielt dabei die Politik? Sie war seit der Deregulierung der Finanzmärkte auf beiden Augen blind und hatte sechs Jahre Zeit, um das Bankensystem sicherer und gerechter zu machen. Es wurde zu viel Rücksicht auf üppige Ertragsquellen genommen. Die Lobbyarbeit der Finanzindustrie funktioniert nach wie vor bestens.
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BÜCHERKISTE Haben Sie heute schon ein paar Datenspuren hinterlassen? Im Internet eingekauft, Fotos auf Facebook hochgeladen, den Frühsport mit einer App getrackt? Dann sollten Sie das neue Pro- und Contra-Buch über Big Data lesen: »Die Privatsphäre ist ein Menschenrecht. Aber welchen Stellenwert wird dieses Recht in Zukunft haben? Und wie definieren wir in Zukunft die Privatsphäre? Die globalen Machtstrukturen sind in Bewegung.« Damit meinen Michael Steinbrecher und Rolf Schumann jene großen Konzerne, bei denen das Datensammeln zum Geschäftsmodell gehört. Sie zeigen, wie stark Big Data bereits unseren Alltag beeinflusst, wie verführerisch Vorteile wirken und welchen Preis wir dafür zahlen. Dafür haben sie viele Befürworter und Gegner interviewt. Lesenswert! Michael Steinbrecher, Rolf Schumann: Update. Campus, 254 Seiten, 24,99 Euro
mal die CD »Duets« von Van Morrison. Einsendeschluss ist der 15. September 2015. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Beim vorherigen Preisausschrei-
Was verstehen Sie unter Freundschaft? Hier einige Antworten von Egon Bahr, Marina Weisband, Gregor Gysi, Sahra Wagenknecht, Roger Willemsen und Claudia Roth: unauslöschliche Liebe ohne Sex, geteilte Erlebnisse, gemeinsam genießen, intensive Zuneigung, Teil der Familie sein, ein Langzeitprojekt. Wer was gesagt hat, lesen Sie bei Katja Kraus nach. Sie entlockte ihnen und anderen Porträtierten aus Politik, Sport und Kultur überraschend offene Einblicke ins Gefühlsleben, wenn sie über Freundschaft, Liebe, Vertrauen, Enttäuschungen und Brüche in Beziehungen sprachen. »Eine Freundschaft muss belastbar sein, aber sie muss nicht belastet werden«, betont beispielsweise Fußballcoach Jürgen Klopp. Ein bemerkenswertes Buch über das, was wirklich wichtig ist. Katja Kraus: Freundschaft. S. Fischer, 256 Seiten, 19,99 Euro
ben haben gewonnen: Barbara Lenhart aus Leipzig, Dietmar Zieger aus Wirges und Bernhard Idselis aus Delmenhorst. Herzlichen Glückwunsch! IMPRESSUM Herausgeberin: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin Tel.: 030/22 75 11 70 Fax: 030/22 75 61 28 klar@linksfraktion.de www.linksfraktion.de V.i.S.d.P.: Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch (Anschrift wie Heraus geberin); Leitung: Steffen Twardowski; Redaktion: Sophie Freikamp, Ruben Lehnert, Frank Schwarz, Benjamin Wuttke, Gisela Zimmer; Layout und Satz: DiG/Plus GmbH, Berlin; Druck: MediaService GmbH, Franz-MehringPlatz 1, 10243 Berlin; Redaktionsschluss: 30. Juni 2015. Dieses Material darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden!
P Ich will mehr Informationen über die parlamentarischen Initiativen der Fraktion DIE LINKE. P Ich will clara, das Magazin der Fraktion DIE LINKE, kostenlos abonnieren. P Ich will die Arbeit der Fraktion DIE LINKE aktiv unterstützen.
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Zwischen Krieg und Kreisliga
Beim Regionalligisten SV Babelsberg 03 gibt es die erste reine Flüchtlingsmannschaft Deutschlands: Welcome United 03 jubeln ihrer Mannschaft zu. Einer der bejubelten Torschützen heißt Johnson Ejike. Vor vier Jahren kam der bullige Stürmer aus Nigeria nach Deutschland. In seiner Heimat war der 34-Jährige Politiker. Nach der Präsidentschaftswahl im Jahr 2011 eskalierte die Gewalt. Ejike musste fliehen. Elter n und Geschwister blieben in Afrika. Seit seiner Ankunft in Deutschland war ihm
Flüchtlinge beim Trainingsspiel
klar: »Ich muss Fußball spielen, wie zu Hause auch.« Manja Thieme hat ihm geholfen, diesen Wunsch zu verwirklichen. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin der Flüchtlingshilfe hatte diesen Wunsch auch schon von anderen F l ü c h t l i nge n gehör t und kont ak tier te den SV Babelsberg 03. Der Verein stellte kurzerhand einen Trainingsplatz bereit und integrier-
Johnson Ejike im Trikot des Welcome United 03
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Das Team des Welcome United 03
Frank Schwarz (3)
Unterwegs für Klar
te die fußballbegeisterten Flüchtlinge sogar als offizielles Team. Die Trikots kauften in einer spontanen Aktion die Fans des Regionalligisten. Immer mehr Fußballvereine folgen nun dem Babelsberger Beispiel. So startete kürzlich der Bundesligist VfB Stuttgart die Initiative »Fußball verbindet«, bei der jugendliche
Die Rockband Kraf tklub auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor
Privat
Die Musikerin Carmel Zoum
Hannes Keller (65) aus München: Jedes Mal, wenn eine neue Ausgabe von Klar erscheint, krempeln Hannes Keller und seine Freunde vom Ortsverband DIE LINKE München-Süd die Ärmel hoch: Rund 8000 Exemplare verteilen sie in der bayerischen Landeshauptstadt. »Die Zeitung ist gut, um linke Inhalte schnell und verständlich zu vermitteln«, sagt Keller. Die Zeitung biete vielen Münchnern erstmalig einen eigenen Eindruck von der Arbeit der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.
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Flüchtlinge in der Fußballschule der Schwaben mittrainieren können. Johnson Ejike spricht fließend Deutsch und Englisch. Häufig übersetzt er für seine Mitspieler die Ansprachen des Trainers. Er hat Politikwissenschaften studiert. Doch abseits des Platzes kann er seine beruflichen Qualifikationen kaum zum Einsatz bringen. In Berlin arbeitet er als Reinigungskraft in einem Museum. »Das ist nicht mein Beruf. Leider kriege ich keine Chance, mein Können unter Beweis zu stellen«, sagt Ejike. Selbst eine Ausbildung zum Lkw-Fahrer könne das Jobcenter ihm nicht bezahlen. Vor dem Training geht der gläubige Christ oft in die Baptistenkirche in Potsdam. Dort wird die Predigt für die Flüchtlinge simultan übersetzt. »Bald ist das nicht mehr nötig, ich verstehe eh fast alles«, sagt Ejike. »In der Kabine reden wir aber nicht über Religion oder Herkunft. Fußball ist hier alles, was zählt.« Paul Schwenn Martin Plenz (3)
Ein Sportplatz im späten Frühling. 23 Spieler stehen auf dem Feld. Einer muss runter. Beim Fußball spielen elf gegen elf. Laute Diskussionen auf Arabisch, Französisch, Deutsch. In Babelsberg, mitten in Brandenburg, findet ein besonderes Fußballspiel statt: Welcome United 03 trifft auf Inter Hoppegarten – das Match zweier Flüchtlingsmannschaften. Der Gastgeber, Welcome United, ist die dritte Mannschaft des Regionalligisten SV Babelsberg 03. Gegründet im letzten Jahr, kicken in diesem Team Spieler aus mehr als zehn Nationen. Ab Sommer 2015 wollen sie in der Kreisliga um Punkte spielen. Sie wären dann die erste reine Flüchtlingsmannschaft im regulären Ligabetrieb. Das Spiel in der Sportan lage am Karl-LiebknechtStadion ist hart umkämpft. Nach einem Konter gehen die Gastgeber in Führung. Noch vor der Halbzeit schießt Wel come United das zweite Tor. In der zweiten Hälf te geling t Inter Hoppegarten der Anschlusstreffer. Für den Ausgleich reicht es nicht mehr. Beim Abpfiff reißen die Spieler von Welcome United die Arme in die Luft. Die Zuschauer am Spielfeldrand
Die nächste Klar erscheint im Herbst 2015
Der Sänger der Band Grup Yorum
Flüchtlinge willkommen
Gemeinsam mit einem Bündnis aus Flüchtlingsinitiativen hat DIE LINKE ein Zeichen gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit gesetzt. Am Internationalen Tag des Flüchtlings, am 20. Juni, unterstützte sie eine Kundgebung mit Musik am Brandenburger Tor in Berlin. Zu den gefeierten Acts gehörten unter anderem die Sängerin Carmel Zoum, die Band Grup Yorum, der Flüchtlingschor aus Syrien und die Rockgruppe Kraftklub. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: Flüchtlinge willkommen – Flucht ist kein Verbrechen.
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