Klar 38, Für eine Rentenrevolution

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Klar

Karussell

»Wir waren immer politisch« Exklusiv-Interview mit Wolf-Rüdiger Raschke, Keyboarder der Band Karussell, über seine musikalische Erfahrung mit Multikulti

H.-Joachim Lingelbach

Nr. 38 ✶ Sommer Sommer 2016 ✶ www.linksfraktion.de Zeitung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

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DIE LINKE: +++ Alle Erwerbstätigen zahlen in die Rentenversicherung

ein +++ Arbeitgeber müssen sich stärker an den Kosten beteiligen +++ Mindestrente von 1.050 Euro pro Monat schützt vor Altersarmut +++ auch Politiker, Beamtinnen, Selbstständige. Und: Arbeit­ geber müssen sich stärker an den Kosten beteiligen. So wird allen Menschen ein würdevolles Leben im Alter ermöglicht. Mehr dazu auf Seite 5

Montage: istockphoto.com/ZU_09, PeopleImages, internetbummer, by_nicholas

nen sich eine private Vorsorge nicht leisten. Die Riester-Rente ist gescheitert. »Es ist Zeit für eine Renten-Revolution!«, fordert DIE LINKE. In die gesetz­ liche Rentenversicherung sollen zukünftig alle einzahlen,

istockphoto.com/Alberto Pomares

Eine halbe Million Rentnerinnen und Rentner sind in Deutschland auf Sozial­hilfe angewiesen – Tendenz stark steigend. Auch immer mehr jungen Erwerbstätigen droht später Altersarmut. Viele kön-

des deutschen Kapitals: zu den Familien Piëch (Volkswagen), Quandt (BMW), Burda (Medien) und von Finck (Finanzen). Beim Steuerbetrug helfen auch hiesige Banken, unter anderem Commerzbank

»Die Politik muss mit der

Finanzmafia brechen« Im Interview wirft Sahra Wagenknecht der Bundesregierung Scheinheiligkeit vor: Statt auf Panama zu zeigen, solle sie lieber vor der eigenen Tür kehren. »Die Steuertricks der Reichen und Konzerne kosten uns jedes Jahr bis zu 100 Milliarden Euro«, sagt die Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE und erklärt, was dagegen unternommen werden kann. Mehr auf Seite 6 Sahra Wagenknecht

picture-alliance/dpa

Die Panama Papers, eines der größten Datenlecks der Geschichte, enthüllen die Machenschaften des internationalen Geldadels. Die veröffentlichten Dokumente führen zur Crème de la Crème

Multi-Milliardäre und internationale Konzerne bunkern laut Oxfam 7,6 Billionen US-Dollar in Steueroasen.

und Deutsche Bank. Deutschland belegt übrigens Platz 8 auf der Liste der wichtigsten Schattenfinanzplätze – vor Panama. Seite 6 und 7

TTIP gefährdet Integration dank Arbeit Mensch und Umwelt Seit Anfang Mai können sich Bürgerinnen und Bürger erstmals selbst über den Geheimpakt zwischen den USA und der EU informieren. Nun ist offenkundig: TTIP dient vor allem internationalen Konzernen, schwächt die Demokratie und gefährdet Mensch und Umwelt. Mehr auf Seite 4

In Thüringen gelingt es, Flüchtlinge mittels Ausbildung und Arbeit zu integrieren. Einer von ihnen ist der Syrer Ammar Wanly. Dank Förderprogrammen des Arbeitsministeriums lernte er Deutsch, absolvierte ein Praktikum in einem Zahnlabor und ist dort mittlerweile fest angestellt. Seite 2

Stefan Wogawa

Organisierte Kriminalität der Superreichen

Ammar Wanly


Kommentar Soziale Offensive jetzt!

Stefan Wogawa

Seite 2 ✶ Klar ✶ Sommer 2016 ✶ www.linksfraktion.de Der syrische Flüchtling Ammar Wanly (25) an seinem Arbeitsplatz in einem Zahntechniklabor in Apolda

Von Sevim Dag˘delen Die Vermögenskonzentration in Deutschland nimmt immer stärker zu. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer zahlreicher.

Wohnraum zu wenig investiert. Auch die Kommunen hatten zu wenig Geld. Denn Superreiche und große Konzerne sind nicht mehr ausreichend zur Finanzierung des Staates herangezogen Das reichste 1 Prozent, also worden. etwa alle Millionäre, verfügt zusammen über ein Deutschland braucht Nettovermögen von 2.750 daher dringend eine poMilliarden Euro. Das ent- litische Wende zur Wiespricht rund einem Drittel derherstellung sozialer des gesamten privaten Net- Sicherheit. Diese soziale tovermögens. Die ärmere Offensive muss sofort einHälfte der Gesellschaft, geleitet werden. Das ist also 50 Prozent aller Haus- keine Frage des Geldes, halte, verfügt lediglich über sondern des politischen Wil1 Prozent. lens. Von mehr Kitaplätzen, besseren Schulen, guter Gleichzeitig wird seit Arbeit und bezahlbarem Jahren der Sozialstaat Wohnraum profitieren alle. massiv geschleift. StaatDafür müssen wir kämpfen, liche Einrichtungen und In­ dafür werden wir noch im frastruktur befinden sich in Sommer einen Antrag in den einem prekären Zustand. Bundestag einbringen. Bereits vor den gestiegenen Flüchtlingszahlen wurde Sevim Dag˘delen ist in Verkehrsinfrastruktur, Beauftragte für Migration in Verwaltungen, Schu- und Integration der len, Kitas und bezahlbaren Fraktion DIE LINKE

Editorial Heuchelei der Bundesregierung Liebe Leserin, lieber Leser, »Der Mann mit dem Panamahut sang mir ein Liedchen vom Glück.« So trällerte die Schwedin Nina Lizell. Als Geschäftsadresse windiger Glücksritter hat Panama einen schlechten Ruf. Dass Superreiche ihr Vermögen verschleiern, wie es die Panama Papers zeigen, ist bekannt. Weniger das Ausmaß der über Briefkastenfirmen laufenden Finanzkriminalität. Allein die dort ansässige Kanzlei Mossack Fonseca gründete 214 488 dieser dubiosen Läden. Sie ist längst nicht die größte ihrer Art.

dentlich Geld gescheffelt. Kriegsflüchtlinge verrecken auf Seelenverkäufern, Steuerflüchtlinge rekeln sich auf ihren Yachten. Banken betrügen Staat und Steuerzahler.

In Deutschland wird ordentlich gespart. Beispielsweise an Personal zur Aufdeckung von Geldwäsche. Jährlich fließen 100 Milliarden Euro Schwarzgeld ins Land. Schätzt der deutsche Finanzminister. Und tut wenig dagegen. Beim Schattenfinanzindex, der auf Steueroasen hinweist, liegt Deutschland vor Panama. Unterm Panamahut stecken also nicht wenige deutsche ZoBundesregierung und cker. Von hiesigen Banken Europäische Union sind werden sie dabei tüchtig empört. Doch dahinter unterstützt. steckt viel Heuchelei. Die Umverteilung von unten Mit solidarischen Grüßen nach oben wird eher befördert denn bekämpft. Gerechtigkeit und Solidarität bleiben auf der Strecke. Für Asylsuchende werden Dietmar Bartsch Grenzen dichtgemacht, mit ist Vorsitzender der Waffenexport aber wird or- Fraktion DIE LINKE

Willkommen am Arbeitsplatz In Thüringen gelingt es, Flüchtlinge mittels Ausbildung und Arbeit zu integrieren, wie das Beispiel Ammar Wanlys zeigt. Das Labor der Zahntechnik Kipp GbR im thüringischen Apolda ist lichtdurchflutet. Ammar Wanly streicht mit einem Metallspatel weiches Wachs auf ein Gipsmodell. Am Arbeitsplatz nebenan surrt eine winzige Schleifmaschine. Der junge Mann lässt sich nicht stören und steckt einen künstlichen Zahn in die rosafarbene Masse. Konzentriert verändert er dessen Ausrichtung. Präzision ist gefragt. Hier entsteht eine Zahnprothese. »Er passt gut in unser Team«, lobt Matthias Kipp, Inhaber des Zahntechniklabors, seinen neuen Mitarbeiter. Ammar Wanly stammt aus Syrien. Der 25-Jährige hat in Damaskus Zahntechnik studiert. Berufspraxis hat er in Syrien und Dubai gesammelt. Doch sein Plan, ein eigenes Labor aufzumachen, wurde vom Krieg durchkreuzt. Um der Einberufung in die Armee oder der Zwangsrekrutierung durch Rebellen zu entgehen, flüchtete Ammar. Den Tag, als er Deutschland erreichte, kann er sofort nennen: am 28. Mai 2014. Über Dortmund und Eisenberg landete er in Erfurt, wo er heute noch wohnt. »Mir gefällt es hier. Das Haus meiner Familie in Damaskus ist inzwischen zerstört«, sagt Ammar. Eine Aufenthaltsgenehmigung hat er bis 2017. Für Heike Werner (DIE LINKE), Arbeits- und Sozialministerin in Thüringen, steht bei der Hilfe für Flüchtlinge der humanitäre

Aspekt im Vordergrund. Integration bedeutet für sie, Dafür kämpft DIE LINKE: »die zu uns flüchtenden  Im öffentlichen Dienst Menschen in unsere soll deutlich mehr Personal Gesellschaft einzubeeingestellt werden. ziehen«. Auf ihre Initi 300 000 neue Arbeitsplätze für ative hin widmet sich Geflüchtete und Langzeiterwerbslose das Ministerium der sollen öffentlich gefördert werden. sozialen Integration  Ausnahmen beim Mindestlohn sollen von Flüchtlingen: abgeschafft und Hartz IV soll durch Es geht um die Vereine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden, die Menschen mit mittlung in Praktika, niedrigem Einkommen zur um Ausbildung und BeVerfügung steht. schäftigung. Bestehende Förderprogramme wurden erweitert. Sie helfen bei der Anerkennung zeugt«, hebt Zahntechnikmeisberuflicher Abschlüsse, bieten ter Kipp hervor. Ammar habe praktische Kompetenzchecks sich zudem die deutsche Spraund sorgen für die Vermittlung che »schnell auf gutem Niveau« berufsbezogener Sprachkennt- angeeignet. nisse. Bis Ende 2017 stehen In der Wirtschaft stoßen die dafür rund 6,6 Millionen Euro Projekte zur beruflichen Inzur Verfügung. Rund 3 600 Per- tegration von Flüchtlingen sonen profitieren aktuell von auf positive Resonanz. Eine diesen Programmen. Zu den Umfrage der Industrie- und Partnern vor Ort zählen regio- Handelskammer (IHK) Süd­ nale Akteure der Flüchtlingsar- thüringen im Oktober 2015 beit – vor allem Anbieter von In- hat ergeben, dass drei von vier tegrations- und Sprachkursen – Unternehmen grundsätzlich ebenso wie die örtlichen Wirt- bereit sind, Flüchtlinge auszuschaftszusammenschlüsse. bilden und zu beschäftigen. Bei Ammar Wanly absolvierte IHK und Handwerkskammer in Erfurt zunächst einen Südthüringen sind bereits MiSprachkurs. Bei der Hand- granten als Flüchtlingskoordiwerkskammer konnte er einen natoren tätig. Fachlehrgang belegen, dann Die Erfolge haben sich hevermittelte sie ihn im Rahmen rumgesprochen. Der Umeines geförderten Projekts gang mit Flüchtlingen sei in an Matthias Kipps Firma. Im Thüringen gut organisiert und August 2015 begann Ammar »beispielhaft für andere BunWanly dort ein Praktikum. desländer«, sagt Frank-Jürgen Danach wurde seine Ausbil- Weise, Leiter des Bundesamts dung anerkannt und er selbst für Migration und Flüchtlinge eingestellt – unbefristet. »Die (BAMF). Leistungen haben mich über- Stefan Wogawa


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Keine Rendite mit der Miete In Berlin-Kreuzberg wehren sich Mieterinnen und Mieter gegen drastische Mieterhöhungen. DIE LINKE unterstützt sie dabei.

fen mit Caren Lay, der wohnungspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. »Wenn Mieterinnen und Mieter aus ihren Wohnungen saniert werden, nehmen wir das nicht hin. Meine Fraktion hat einen Antrag in den Bundestag eingebracht, um die Abzocke mit der Modernisierungsumlage einzudämmen«, sagt Caren Lay. Die Mietergemeinschaft in­ stalliert für kurze Zeit Banner an ihren Balkonen, sodass Passantinnen und Passanten erfahren, was hier passiert. Doch was darf gesagt oder kritisiert werden, ohne gleich eine fristlose Kündigung zu erhalten? »Wir wollen einfach darauf aufmerksam machen, dass man mit langjährigen Mietern so nicht umgehen

Für bezahlbare Mietwohnungen In Ballungszentren und Hochschulstädten mangelt es an bezahlbaren Wohnungen. Mancherorts herrscht Wohnungsnot. Dazu kommen jetzt noch Mieterhöhungen wegen Luxusmodernisierung. Bislang bezahlen ausschließlich die Mieterinnen und Mieter diese Modernisierung, geraten dadurch oft in die Armutsfalle und verlieren ihre Wohnung. Deswegen hat DIE LINKE im Bundestag beantragt: darf«, sagt Giles Schumm. Mittlerweile kann zumindest die ältere Dame wieder besser schlafen. Dank einer Härtefallregelung dürfen die Kosten der Luxussanierung nicht

n einen besseren Schutz der Mieterinnen und Mieter gegen Luxus­ modernisierung n eine bessere staatliche Förderung von energe­ tischer Sanierung und n einen besonderen Schutz für soziale Härtefälle in Bezug auf Alter, Einkommen und Gesundheit.

Der vollständige Antragstext: gleft.de/1j1 auf ihre Wohnung umgelegt werden. Barbara Sieg, Giles Schumm und die anderen Mietparteien werden weiterkämpfen. Timo Kühn Frank Schwarz

Es ist der 21. Oktober 2015, vermietet oder als Eigentumsals eine Mieterin in der wohnungen meistbietend verMuskauer Straße 11 in Ber- kauft. lin-Kreuzberg unerwartet Eigentlich soll die sogePost erhält. Absender war nannte Mietpreisbremse die Hausverwaltung Core im der Regierung extreme Auftrag des Vermieters Phoe­ Mietsteigerungen verhinnix III Mixed O. Angekündigt dern. Justizminister Heiko wird eine drastische Mietstei- Maas (SPD) sagte vergangenes gerung aufgrund energetischer Jahr: »Es profitieren vor allem Modernisierung. die Normalverdiener, die nicht »Da wollte ich mal meine Nach- an den Stadtrand rausgedrängt barn fragen, ob sie auch so werden wollen.« Zu dieser Pereinen Brief erhalten haben«, sonengruppe zählten sich auch sagt Barbara Sieg. Tag für Tag die Bewohner des Hauses. erfahren immer mehr Mieter Doch die Mietpreisbremse hilft in diesem und den beiden be- ihnen nicht. nachbarten Häusern via Post Sie organisieren sich und von der geplanten Baumaß- wenden sich an die Stadt. nahme. Die Mieten sollen um Aber die Gespräche bleiben 40 bis 80 Prozent steigen. Be- quasi ergebnislos. Danach troffen ist auch eine 80-jährige vereinbaren sie Frau, die seit über 50 Jahren ein Trefin dem Haus wohnt. Ihre Dafür kämpft DIE LINKE: Miete soll zukünftig um   In den nächsten mehr als 50 Prozent 10 Jahren sollen 5 Milliarden steigen. Die Angst Euro in den sozialen und gemeinnütvor Mietsteigerunzigen Wohnungsbau investiert werden. gen und dem mög  Gefördert werden sollen vor lichen Verlust der allem gemeinnützige Träger, etwa Wohnung lässt öffentliche Wohnungsgesellschaften oder Genossenschaften. niemanden mehr ruhig schlafen. Die geschaffenen Wohnungen sollen   dauerhaft als Sozialwohnungen (BeDie Mieter aus legungsbindung) für Menschen Kreuzberg stehen mit niedrigem Einkommen mit dem Problem zur Verfügung stehen. nicht allein. Vergleichbares passiert gerade in vielen deutschen Ballungsgebieten und Großstädten. Das Kalkül der Vermieter ist dabei immer gleich: Erst erhöhen sie die Mieten durch Luxussanierung, dann werden die Mieter vertrieben, die sich die gestiegenen Mieten nicht mehr leisten können. Anschließend werden die Wohnungen auch innen saniert und zum Schluss als teure Luxusappartements

Klare Forderung an die Politik: Kreuzberger Mieterinnen und Mieter vor ihrem Haus

picture-alliance/dpa

Bildung braucht Zukunft Weil viele Kitas und Schulen baufällig sind und pädagogisches Personal fehlt, fordert DIE LINKE ein Investitionsprogramm für Bildung.

Mit der Besetzung eines Hörsaals protestierten Studierende in Aachen für bessere Bildung.

Bröckelnder Putz, Risse in den Wänden, gesperrte Turnhallen, undichte Fenster, verstopfte Toiletten – bundesweit ähneln sich die Schäden an und in vielen Schulen. Selbst in dem wohlhabenden Berliner Bezirk Zehlendor f- Steglit z : Dafür kämpft DIE LINKE weist jede einzelne   Der Bund soll die Länder Schule Mängel auf. unterstützen bei der Schaffung Um dort die insgemoderner Gemeinschaftsschulen und samt 62 Schulgeder Umsetzung der Lernmittelfreiheit. bäude wieder auf   Das Recht auf Ausbildung soll im Vordermann zu Grundgesetz festgehalten werden. Betriebringen, müssbe, die nicht ausbilden, sollen eine Ausbildungsplatzabgabe zahlen. ten umgehend 410 Millionen   An den Hochschulen sollen zusätz­ liche Studienplätze eingerichtet und Euro in die Hand ausreichend Wohnheimplätze genommen werden. geschaffen werden. Aus Protest gegen diese Zustände sind in

Berlin – und in vielen anderen Bundesländern – Schülerinnen und Schüler wiederholt auf die Straße gegangen. Dabei ist der bauliche Verfall nur die eine Seite. Es fehlt auch pädagogisches Personal. Die Initiative zur Unterrichtsgarantie in Berlin listet auf, dass in jedem Schuljahr in der Hauptstadt zwei Millionen Unterrichtsstunden nicht planmäßig erteilt werden. Das entspricht etwa zehn Prozent des gesamten Unterrichts. Das deutsche Bildungssystem ist chronisch unterfinanziert. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) spricht in ihrer aktuellen Studie vom Februar dieses Jahres von mindestens 55 Mil-

liarden Euro, die in ein sozial gerechtes Bildungssystem investiert werden müssen. Geld, das sofort in die Sanierung der Gebäude, den Ausbau der Ganztagsbetreuung, in Hörsäle, in Ausstattung und Personal gesteckt werden muss. Auch wenn Bildung laut föderalem Prinzip Ländersache ist, bleibt sie doch eine gemeinsame Aufgabe, die nur zu stemmen ist durch eine dauerhafte Mitfinanzierung des Bundes. DIE LINKE schlägt deshalb ein Bund-Länder-Programm vor. Die öffentliche Hand kann damit direkt in das Bildungswesen investieren – und zwar von der Kita bis zur Weiterbildung. Gisela Zimmer


Seite 4 ✶ Klar ✶ Sommer 2016 ✶ www.linksfraktion.de

Protest gegen TTIP in Hannover Frank Schwarz (6)

Ralph Lenkert (DIE LINKE)

Am 23. April kamen 90 000 Demonstrantinnen und Demonstranten nach Hannover, um gegen die geplanten Abkommen CETA und TTIP zu demonstrieren. Anlass der Proteste war ein Treffen zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Barack Obama, der eigens zur Eröffnung der Hannover Messe angereist war. Auch DIE LINKE war mit vielen Mitgliedern und zahlreichen Abgeordneten vor Ort, um lautstark gegen die geplanten Abkommen zu demonstrieren. Zehntausende Menschen in den Straßen Hannovers

Mitglieder von DIE LINKE

Symbolische Beerdigung des Sozialstaats

Straßentheater

An der Demonstration nahmen auch viele Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE teil.

TTIP gefährdet die Kultur und ihre öffentliche Förderung, weil der kulturelle Bereich nicht wirksam und ausreichend ausgeklammert ist. Zudem haben wir es mit einem unterschiedlichen Kulturverständnis zu tun. So wird in den USA die Kulturlandschaft zu 90 Prozent privat finanziert, auch weigern sich die USA, die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt zu unterzeichnen. Für uns aber ist Kultur mehr als eine Ware, kulturelles Schaffen mehr als eine Dienstleistung und staatliche Kulturförderung kein auszuräumendes Handelshemmnis. Kultur bildet in ihrer Vielfalt das Fundament unserer Gesellschaft und unserer Identitäten. Sie ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und gehört daher besonders geschützt und gestärkt. Das gilt auch für Errungenschaften wie die Künstlersozialkasse, die Buchpreis-

bindung oder den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Kulturgüter. Die meisten Künstlerinnen, Künstler und Kulturschaffenden leben ohnehin schon in prekären Verhältnissen. Ein zusätzlicher Liberalisierungsdruck würde ihre Lage noch verschärfen. Das muss unbedingt verhindert werden! Wir werden nicht unsere hart erkämpften sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Standards und unser Demokratieund Rechtssystem mittels TTIP auf dem Altar des Neoliberalismus opfern.

Sigrid Hupach ist stellvertretende Vorsitzende und kulturpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE

TTIP gefährdet Mensch und Umwelt

Erstmals können sich Bürger selbst über den Handelspakt informieren. In der Nacht zum 2. Mai projizierte Greenpeace in blauen Buchstaben 240 Seiten der TTIP-Verhandlungen an das Bundestagsgebäude. Durch den Leak hat die Öffentlichkeit endlich Einblick in die geheimen Unterlagen des geplanten Handelsabkommens. Bisher fanden die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und Vertretern der US-Regierung unter strenger Geheimhaltung statt. Lediglich Mitglieder des Bundestags durften seit Februar in einem Geheimschutzraum einige

Unterlagen einsehen – unter strengen Auflagen und zeitlich begrenzt. Das ändert sich am 2. Mai, als vor dem Brandenburger Tor in Berlin Greenpeace mit einem gläsernen Truck vorfährt. Im Innern sind vier Arbeitsplätze eingerichtet. Jeder, der will, kann den Truck betreten und in den streng geheimen Dokumenten stöbern. Auch Klaus Ernst nutzt die Chance, um mehr über den Geheimpakt zu erfahren. Der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE: »Was

Klaus Ernst (DIE LINKE) im gläsernen Truck von Greenpeace

Jana Göttsching

Kultur braucht kein TTIP

Enthüllt!

Greenpeace gemacht hat, hat zu mehr Transparenz beigetragen als sämtliche Transparenzoffensiven der Europäischen Kommission.« Die Veröffentlichung belegt schwarz auf weiß, was DIE LINKE immer befürchtet hat: Das Abkommen dient vor allem internationalen Konzernen, es gefährdet Mensch und Umwelt und schwächt die Demokratie. Tritt der Pakt in Kraft, wird er schwerwiegende Auswirkungen auf den Alltag haben. Verbraucher- und Naturschutz würden ausgehöhlt. Zukünftig lägen in Supermärkten Lebensmittel aus genmanipulierten Pflanzen und Hormonfleisch unauffällig neben den bisherigen Produkten. Ebenso würden Chemikalien in Kinderspielzeug und Gifte in Hautcremes zum Alltag gehören. Die Kulturlandschaft bräche in sich zusammen. Und Konzerne erhielten das Recht, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen. Timo Kühn Hier gibt es die enthüllten Dokumente: gleft.de/1j9


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Betroffen sind zunehmend Menschen, die einen Vollzeitjob haben – so wie Sabine Heurs (45) aus Berlin. Im Ruhestand endlich das tun, was lange zu kurz kam: Davon träumen Millionen Menschen. Doch für viele wird der Gedanke an das Alter zum Albtraum: Die Angst vor Altersarmut wächst. Bereits heute bezieht mehr als eine halbe Million Menschen im Rentenalter nur die Grundsicherung – Tendenz steigend. Knapp eine Million Menschen im Rentenalter rackert in Minijobs: Sie tragen Zeitungen aus oder füllen Regale in Supermärkten auf. Nicht wenige müssen Pfandflaschen sammeln. Besonders betroffen sind Teilzeitbeschäftigte, Alleinerziehende, Leiharbeitskräfte, Solo-Selbstständige und Erwerbslose: Ihr Lohn ist zu niedrig, um ausreichend in die Rentenversicherung einzuzahlen. Und eine Betriebsrente erhalten sie oft gar nicht. Doch Armut im Alter droht auch gut ausgebildeten Menschen, die Vollzeit arbeiten. Eine von ihnen ist Sabine Heurs aus Berlin. Die 45-Jährige hat einen Hochschulabschluss. Als Dozentin bei der Volkshochschule im Stadtbezirk Reinickendorf gibt sie Deutschkurse. In ihrem aktuellen Rentenbescheid kann sie nachlesen, was sie einst mit 67 Jah-

ren zu erwarten hat: »Wenn ich so weiter einzahle wie bisher, habe ich 477,40 Euro Rente«, berichtet sie. Sabine Heurs ist kein Einzelfall. Sie ist eine von über 600 hochqualifizierten Vollzeitlehrkräften bei Berliner Volkshochschulen. Sie alle hangeln sich von einem kurzfristigen Honorarvertrag zum nächsten. Anders als Lehrkräfte in staatlichen Schulen müssen sie aus eigener Tasche auch den Arbeitgeberbeitrag für die Renten-, Krankenund Pflegeversicherung abführen. Unterm Strich bleibt so ein Nettoeinkommen von bestenfalls 1.300 Euro im Monat – und voraussichtlich eine Altersrente zwischen 400 und 700 Euro. Ähnliche Zukunftsängste plagen immer mehr Menschen. Wer heute für den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro arbeitet, kommt selbst nach 45 Jahren Vollzeit auf eine Rente unterhalb der Grundsicherung im Alter, also der Sozialhilfe für ältere Menschen. Es ist zu befürchten, dass künftig Millionen Neurentnerinnen und -rentner in Armut leben müssen.

junophoto.de

Angst vor Altersarmut wächst Sabine Heurs mit ihrem Rentenbescheid: Nur 447 Euro Rente soll sie im Alter bekommen.

Verantwortlich hierfür ist die Politik (siehe Chronik). Das Ziel von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP war stets dasselbe: Der Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zur Rentenversicherung sollte niedrig gehalten werden. Für den Ruhestand sollten die Beschäftigten privat vorsorgen. Sabine Heurs will sich nicht mit Alters­ armut abfinden. Sie engagiert sich in der Gewerkschaft ver.di. Als Mitglied der

Berliner VHS-Dozent_innenvertretung verlangt sie Festanstellungen zu Bedingungen wie angestellte Lehrkräfte an Schulen. »Erwachsenenbildung muss endlich genauso gut honoriert werden wie Arbeit an allgemeinbildenden Schulen«, sagt sie. Denn gute Löhne tragen dazu bei, dass die Rente später zum Leben reicht. Hans-Gerd Öfinger

2001/2002 Arbeitsminister Walter Riester (SPD)

SPD und Grüne beschließen eine neue Rentenformel: Bis zum Jahr 2030 soll das Rentenniveau um 20 Prozent sinken. Rentnerinnen und Rentner erhalten für diese Kürzung keinen Ausgleich. Zugleich wird die Riester-Rente eingeführt: eine Form der privaten Altersvorsorge, die steuerlich subventioniert wird.

Krise der privaten Altersvorsorge Ob Lebensversicherung, RiesterRente oder betriebliche Altersversorgung – sie alle sind abhängig von Kapitalmärkten. Deren Lage ist aber seit dem Ausbruch der Finanzkrise schlecht. Neukunden droht eine böse Überraschung: Ab dem Jahr 2017 soll der Garantiezins von 1,25 auf 0,9 Prozent sinken. Dieser Zinssatz bestimmt, welche Renditen Lebensversicherer ihren Kunden maximal versprechen dürfen. Damit reagiert das Finanzministerium auf die »aktuellen Marktverhältnisse«, eine Umschreibung für die Krise der kapitalmarktgedeckten Altersvorsorge. Deshalb setzen immer mehr Versicherer auf Produkte ohne Garantieleistung. Wie hoch die Privatrente am Ende dann ausfällt, kann niemand wirklich vorhersagen. Michael Stamm

2004

picture-alliance/dpa (4)

Die Chronik des großen Renten-Raubs

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD, M.)

SPD und Grüne führen den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor in die Rentenformel ein. Damit sollen Verschiebungen zwischen der Zahl der Rentnerinnen und Rentner und der Beitragszahlenden ausgeglichen werden. Tatsächlich ist es eine weitere Rentenkürzung: Das Rentenniveau sinkt auch über das Jahr 2030 hinaus.

2005

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, r.)

CDU/CSU und SPD beschließen, dass ab dem Jahr 2040 Renten vollständig besteuert werden müssen. Auf Renten, die drastisch gekürzt wurden, müssen dann höhere Steuern gezahlt werden.

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD)

2007 CDU/CSU und SPD beschließen die Rente erst mit 67 Jahren: In den Jahren 2012 bis 2030 wird das Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Für Millionen Menschen stellt das eine weitere Rentenkürzung dar.

Die gesetzliche Rente stärken »Die Riester-Rente ist gescheitert«, hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) jüngst gesagt. Er hat Recht. Die Riester-Rente nützt vor allem Banken und Versicherungskonzernen, die in Form von Provisionen viel Steuergeld abgreifen. Was Seehofer jedoch verschweigt, ist, dass CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP jahrelang die gesetzliche Rente demontiert haben. Und er bietet keine Alternative an, die Altersarmut verhindert. Allein DIE LINKE hat ein tragfähiges Konzept für eine zukunftsfähige gesetzliche Rente. Die Rentenkürzungen der vergangenen Jahre müssen zurückgenommen, das Rentenniveau muss wieder auf lebensstandardsichernde 53 Prozent angehoben werden. Zudem müssen die Arbeitgeberinnen und Arbeitge-

ber wieder hälftig an der Finanzierung der Alterssicherung beteiligt werden. Außerdem müssen alle Erwerbstätigen – also auch Politiker, Beamtinnen und Selbstständige – in die Rentenkassen einzahlen. Die Rente erst ab 67 Jahren wird abgeschafft. Selbstverständlich müssen auch die Ostrenten endlich auf das Niveau der Westrenten angehoben werden. Und statt Versicherungskonzerne mit Milliarden Euro Steuergeld zu subventionieren, sollen die Rentenansprüche von Geringverdienenden und Familien aufgebessert werden. Dazu muss die Förderung der Riester-Rente eingestellt werden. Wer will, darf seine Riester-Ansprüche in eine höhere gesetzliche Rente umwandeln. Schlussendlich soll eine einkom-

mens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente sicherstellen, dass niemand im Alter von weniger als 1.050 Euro netto leben muss. Mit diesem Konzept kann Altersarmut verhindert, der erarbeitete Lebensstandard gesichert und allen Menschen ein würdevolles Leben im Alter ermöglicht werden.

Matthias W. Birkwald ist rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE


Seite 6 ✶ Klar ✶ Sommer 2016 ✶ www.linksfraktion.de istockphoto.com/JANIFEST

t ä t li a in im r K e t r ie Organis der Superreichen Quelle: Forbes, Capgemini, Royal Bank of Canada

Ob kolumbianischer Drogenboss, syrischer Kriegsverbrecher oder deutscher Milliardär – sie alle nutzen dubiose Briefkastenfirmen in Steueroasen.

1 140 000 Millionäre lebten im Jahr 2014 ) in Deutschland (US -Dollar

123 Milliardäre lebten im Jahr 2014 r) in Deutschland (US-Dolla

Die Reichen und Mächtigen dieser Welt leben meist im Verborgenen. Sie residieren in Villen hinter hohen Mauern, bewacht von Bodyguards. Sie reisen in Privatjets, verkehren in exklusiven Clubs und abgeschirmten Luxushotels mit eigenem Strand. Ihren Reichtum bekommt die Öffentlichkeit nur sehr selten zu Gesicht. Das hat sich mit den jüngsten Enthüllungen der Süddeutschen Zeitung geändert. Im April enthüllte sie das größte Datenleck der Geschichte: die sogenannten Panama Papers. Es handelt sich um 11,5 Millionen Dokumente (E-Mails, Briefe, Verträge, Urkunden, Bankauszüge)

aus den Jahren 1977 bis 2016, die aus der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama stammen. Die Kanzlei soll mehr als 14 000 Klienten bei der Gründung von rund 214 000 Briefkastenfirmen in 21 Steueroasen in der ganzen Welt geholfen haben. Die Dokumente bieten Einblick in eine Parallelwelt, in der sich unter anderem Drogenbosse, Kriegsverbrecher, die Präsidenten von Argentinien und der Ukraine, Fußballstars und Rennpiloten tummeln. Auch die Crème de la Crème des deutschen Kapitals taucht auf: die Familien Porsche

und Piëch (Volkswagen), Quandt (BMW), Burda (Medien) und von Finck (Finanzen). Ihnen allen ist gemein, dass sie die zweifelhaften Vorteile von Briefkastenfirmen in Steueroasen nutzten oder sie bis heute nutzen (siehe Infokasten). Zwar ist der Besitz einer Briefkastenfirma nicht illegal, solange Vermögen und Gewinne versteuert werden. Doch in vielen Fällen werden die anonymen Briefkastenfirmen von Ausländern genutzt, um die Gesetze in

ihren Heimatländern zu brechen: Man verschleiert Eigentumsverhältnisse, verheimlicht Transaktionen und versteckt Vermögen oder Gewinne. Oft soll schlicht Kriminalität vertuscht werden: Mit Briefkastenfirmen werden internationale Sanktionen umgangen, wird Schwarzgeld gewaschen, werden Terrornetzwerke finanziert – und Steuern hinterzogen. Laut Oxfam werden gegenwärtig rund 7,6 Billionen USDollar in Steuerparadiesen

gebunkert. Neun von zehn multinationalen Konzernen unterhalten Filialen in Steueroasen. Die Folgen für den Staat sind dramatisch: Jedes Jahr wird er um Steuereinnahmen in Milliardenhöhe betrogen. Experten schätzen, dass Deutschland jedes Jahr bis zu 100 Milliarden Euro durch Steuertricks entgehen. Finanzexperte Fabio De Masi, für DIE LINKE Mitglied im Europäischen Parlament, for-

»Die Politik muss mit der Finanzmafia brechen« Was hat Sie bei den Enthüllungen der Panama Papers am meisten überrascht? Sahra Wagenknecht: Dass Superreiche Briefkastenfirmen nutzen, um Steuern zu hinterziehen, hat mich nicht überrascht. Dass deutsche Banken Beihilfe dazu leisten, auch nicht. Erstaunt hat mich das Ausmaß der Scheinheiligkeit. Etwa wenn der Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nun volle Transparenz fordert, nachdem er in der Europäischen Union verbissen gegen die Offenlegung der realen Eigentümer von Briefkastenfirmen gekämpft hat.

Nun hat er einen ZehnPunkte-Plan angekündigt … … der folgenlos bleiben wird, weil er an den wirklichen Problemen vorbeigeht. Statt mit dem Finger auf Panama zu zeigen, sollte er vor der eigenen Tür kehren. Was sollte Deutschland im Kampf gegen Steuer­ hinterziehung unternehmen? Wir brauchen saftige Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen. Banken, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten, sollten ihre Lizenz verlieren. Konzerne sollten ihre Gewinne, Umsätze und Steuerzahlungen länderweise offenlegen. Briefkastenfirmen und andere Konstrukte, die der

Verschleierung von Vermögen dienen, müssen verboten werden. In welcher Größenordnung könnten so zusätzlich Steuern eingenommen werden? Die Steuertricks der Reichen und Konzerne kosten uns jedes Jahr bis zu 100 Milliarden Euro. Dieses Geld brauchen wir dringend für sozialen Wohnungsbau, Bildung, Gesundheit und menschenwürdige Pflege sowie für die Sanierung von Schulen oder Brücken. Wie kann die Ohnmacht der Politik angesichts der Macht von Großbanken und multi­ nationalen Konzernen überwunden werden?

Wenn das reichste 1 Prozent der Weltbevölkerung mehr besitzt als die restlichen 99 Prozent, ist die Demokratie in höchster Gefahr. Wir müssen daher Bündnisse schmieden zur Umverteilung des Reichtums und zur Stärkung der Demokratie. Mit Streiks, sozialen Kämpfen und an der Wahlurne müssen wir Druck machen für eine Politik, die mit der Finanzmafia bricht, statt ihr hörig zu sein.

Sahra Wagenknecht ist Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE

picture-alliance/dpa

Sahra Wagenknecht über die Scheinheiligkeit des deutschen Finanzministers, große Gefahren für die Demokratie und wirksame Maßnahmen gegen Steuerflucht


Steuerschuld: ca. 28,5 Millionen Euro Strafe: Drei Jah re und sechs Mon ate Gefängnis

wikimedia/ César (cc-by-sa-3.0)

Boris Becker

Tat: Steuerbetrug. Als Hauptwohnsitz gab er Mon aco an, tatsächlich lebte der Ex-Ten nisprofi hauptsäch lich in München. Dadurch betrog er deutsche Fin anzämter um Ein kom men- und Ver mögensteuern. Steuerschuld: ca. 1,7 Millionen Euro Strafe: Zwei Jah re Haft auf Bew ähr ung und ein e Geldstrafe von 500.000 Euro

Klaus Zumwinkel Tat: Steuerhinterziehung. Der ehemalige Boss von Post und Telekom nutzte eine Stiftung in Liechtenstein, um den Fiskus zu prellen.

Deutsche Bank & Co.

Steuerschuld: knapp 1 Million Euro

Die Panama Papers führen auch ins Herz des deutschen Kapitals: in die Türme der größten heimischen Bankhäuser. Laut den Enthüllungen sollen mindesten 28 heimische Banken mit der Rechtsanwaltskanzlei Mossack Fonseca eng zusammengearbeitet haben. Für steinreiche Kunden sollen sie mehr als 1200 Briefkastenfirmen gegründet und verwaltet haben. Allein die Deutsche Bank soll bei der Kanzlei aus Panama 426 Tarnadressen für Firmeneintragungen bestellt haben. Andere Großbanken, beispielsweise die Commerzbank und die HSH Nordbank, sollen Kunden dabei geholfen haben, Scheinfirmen in Steueroasen zu

Strafe: Zwei Jahre Haft auf Bewährung und eine Geldstrafe von 1 Million Euro

Briefkastenfirmen sind Unternehmen ohne eigenen Geschäftsbetrieb. Oft bestehen sie lediglich aus einem Briefkasten und einem Anrufbeantworter. Die Eigentümer bleiben anonym, als Direktoren operieren Strohmänner. Als Steueroasen gelten Länder mit sehr niedrigen Steuern auf bestimmte Geschäftstätigkeiten, geringen Auflagen für die Gründung von Firmen und Stiftungen und hoher Geheimhaltung. Die Britischen Jungferninseln, die Bahamas sowie die USBundesstaaten Nevada und Delaware sind Beispiele für Steueroasen in Übersee. In Europa gelten etwa Luxemburg, Liechtenstein, Monaco und die Schweiz als Steueroasen.

dert seit Langem, dass Banken, die wiederholt Beihilfe zur Geldwäsche leisten, die Lizenzen entzogen werden. Die Steuerausfälle sind auch deshalb so hoch, weil internationale Konzerne mit Steuertricks ihre Steuern oft auf unter ein Prozent der Gewinne drücken – auch in Europa. Google, Ikea, Apple & Co. tricksen mit künstlichen Patent- und Lizenzgebühren, über die sie Ge-

winne nach Luxemburg, in die Niederlande oder nach Übersee verschieben. Hilfe erhält das Kartell der Steuervermeider von den EU-Finanzministern, die mit Gesetzen diesen Diebstahl legal machen. So zahlte die Burger-Kette McDonald’s im Jahr 2013 nur 1,4 Prozent Steuern auf die nach Luxemburg verschobenen Gewinne. Und der Versandhändler Amazon, der den Großteil der in Europa gemachten Gewinne ebenfalls nach Luxemburg lenkte, soll dort jahrelang sogar weni-

ger als 1 Prozent Steuern gezahlt haben. Ihren Aktionären können diese Konzerne deshalb hohe Gewinne ausschütten, weil sie extrem wenig Steuern zahlen. Die Mehrheit der Bevölkerung finanziert mit ihrer Arbeit und ihren Steuern Kitas, Schulen und Krankenhäuser, während die Reichen und Mächtigen abzocken. Spätestens seit den Panama Papers ist offenkundig: Es ist an der Zeit, die organisierte Kriminalität der Superreichen durch strenge Gesetze und scharfe Kontrollen zu bekämpfen. Ruben Lehnert

Millionäre zur Kasse! Wer ein monatliches Einkommen von bis zu 6.000 Euro hat, wird steuerlich entlastet. Auf hohe Vermögen, Spitzeneinkommen und große Erbschaften werden höhere Steuern fällig. Klar präsentiert Details des Steuerkonzepts der Fraktion DIE LINKE.

Millionärsteuer Privates Nettovermögen bis zu einer Million Euro bleibt steuerfrei, was darüber liegt, soll mit 5 Prozent besteuert werden. Für das betriebliche Vermögen von

kleinen und mittleren Unternehmen sind zusätzliche Freibeträge geplant.

n: Jährliche Mehreinnahme ro Eu n rde llia Mi 80 +

Erbschaftsteuer Große Erbschaften sollen deutlich stärker besteuert werden als bisher. Dank Freibeträgen bleibt selbstgenutztes normales Wohneigentum von der Erbschaftsteuer verschont. Jährliche Mehreinnahmen: bis zu + 10 Milliarden Euro

Bankenstadt Frankfurt am Main

Unternehmens­ besteuerung Der Körperschaftsteuersatz für Kapitalgesellschaften muss von derzeit 15 wieder auf 25 Prozent erhöht werden. Jährliche Mehreinnahmen: + 35 Milliarden Euro

Finanztrans­ aktionsteuer Beim Kauf und Verkauf von Aktien, Devisen, Wertpapieren oder Derivaten soll ein Steuersatz

Komplizen der Kriminellen

picture-alliance/dpa (2)

Tat: Steuerhinterziehun g in sieben Fällen. Gewinn e aus Devisengesch äften in der Schweiz hatte der einsti ge Man ager des FC Bayern München dem deutschen Fiskus verhei mlicht.

wikime dia/Rai ner Zenz) (cc-by-s a-2.0

Uli Hoeneß

wikimedia/Harald

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-3.0)

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eröffnen. Der Verdacht liegt nahe, dass dabei Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet wurde. Den deutschen Steuerzahlerinnen und -zahlern ist dadurch vermutlich ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Die Deutsche Steuergewerkschaft schätzt, dass dem Staat jährlich rund 50 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung und Steuerflucht entgehen, ein Fünftel davon wegen dubioser Geschäfte in und mit Steueroasen. Es ist übrigens erst wenige Jahre her, dass deutsche Banken, darunter auch die Commerzbank und die HSH Nordbank, mit vielen Milliarden Euro Steuergeld vor der Pleite gerettet wurden.

Merkel, Schäuble & Co.

Deutschland bleibt ein Steuerparadies

Deutschland belegt Platz 8 auf der Rangliste der wichtigsten Schattenfinanzplätze der Welt, zwar hinter der Schweiz und den USA, aber deutlich vor Panama. Die Regierung hat in den vergangenen Jahren viel unternommen, damit das so bleibt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich gegen europäische Mindeststeuersätze gesperrt und die Verhängung von 0,1 Prozent fällig werden, auch um Wertpapierspekulation einzudämmen.

n: Jährliche Mehreinnahme ro Eu n rde + 30 Millia

Einkommensteuer Kleine und mittlere Einkommen sollen entlastet, Spitzeneinkommen höher besteuert werden. Wer weniger als 6.000 Euro Einkommen brutto im Monat bezieht, zahlt weniger Steuern; alle anderen zahlen mehr Steuern. Die Abgeltungsteuer wird abgeschafft. Stattdessen sollen Kapitalerträge wieder genauso hoch wie Löhne besteuert werden. Jährliche Mehreinnahmen: +/- 0 Euro

von Sanktionen gegen Steueroasen verhindert. Bei europäischen Verhandlungen zur Bekämpfung von Geldwäsche blockierte die Regierung und verweigerte mehr Transparenz und schärfere Gesetze. Bis heute leidet in Deutschland die Steuerfahndung unter Personalmangel, eine Bundespolizei zur Bekämpfung von FinanzWir tschaf ts ­ minister kriminalität Wolfgang Schäuble existiert (CDU) nicht.

Bekämpfung von Steuerflucht und -betrug Um Steuerhinterziehung und steuermindernde Gewinnverlagerung zu vermeiden, soll eine Quellensteuer auf Kapitaltransfers ins Ausland eingeführt werden. Zudem soll mehr Personal bei der Steuerfahndung eingestellt und eine neue Bundesfinanzpolizei aufgebaut werden. Banken und Konzerne werden zu umfassender Information verpflichtet. Hinzu kommen drastische Strafen gegen Banken, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten.

n: Jährliche Mehreinnahme ro Eu n rde llia Mi 15 mind. +


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Gleichschaltung der Presse

Seit Erdog˘ans Wahl zum Präsidenten wurden rund 2000 Strafverfahren wegen Beleidigung gegen seine Kritiker eingeleitet. Oppositionelle Medien wurden durch Gerichte staatlichen Treuhändern unterstellt, die sie dichtmachten. Die Journalisten Can Dündar und Erdem Gül wurden wegen Geheimnisverrats zu Haftstrafen verurteilt. Sie hatten über Waffentranspor te des Geheimdienstes für Terrororganisationen in Syrien berichtet.

Merkel und Erdog˘an

Kriegstreiber in Syrien

Erdog˘an heizt den Bürgerkrieg in Syrien an. Die Türkei hält die Grenze für IS-Terroristen und al-Qaida offen und unterstützt sie durch Waffen­ lieferungen und den Ankauf von geschmuggeltem Öl. Offen droht Erdog˘an mit einem Einmarsch in das Nachbarland, um eine kurdische Autonomieregion zu verhindern.

Kampf gegen Opposition

Erdog˘an will die Demokratische Part ei der Völker (HDP) als legale politische Vertretu ng der Kurden ausschalten. Denn diese Part ei steht als linke Opposition seinen Diktatur plänen im Wege. Dutzende ihrer Bürgermeiste r sind bereits in Haft. Im Mai beschloss das Parl ament die Aufhebung der Immunität seiner Mitglieder. Jetzt drohen fast allen 59 Abgeord neten der HDP Verhaftung und Anklage nach dem Antiterrorgesetz.

Für sechs Milliarden Euro riegelt die Türkei die Grenzen zur EU ab. Aus Dank hofiert Angela Merkel (CDU) seitdem den Boss vom Bosporus.

Ulla Jelpke

Anfang des Jahres steht Merkel unter Druck: Teile der CDU meutern gegen ihre Politik. Die Kanzlerin will den Zuzug von Flüchtlingen stoppen – um fast jeden Preis. In ihrer Not drängt sie die Europäische Union (EU), ein Abkommen mit der Türkei zu verhandeln. In dem Pakt, der Ende März in Kraft tritt, verpflichtet sich die Türkei, Menschen auf der Flucht nach Europa zu stoppen. Geflüchtete, die es trotzdem von der Türkei aus bis zu den griechischen Inseln schaffen, werden zurückgeschickt. Im Gegenzug soll die EU für jede in die Türkei abgeschobene Person einen bereits dort lebenden syrischen Flüchtling aufnehmen – bis zu

einer Obergrenze von 72 000 Menschen. Die Folgen dieses Deals sind verheerend. Zehntausenden Geflüchteten wird in Griechen-

land eine faire Asylprüfung faktisch verwehrt. Sie werden in Lagern interniert und dann unter Zwang in ihre Herkunftsländer oder in die Türkei

Das fordert DIE LINKE DIE LINKE ist gegen eine Abschottung vor Flüchtlingen. Schutzsuchende brauchen sichere und legale Einreisewege – so wird gefährlichen Schleusungen die Grundlage entzogen. Zehntausende Tote an den abgeschotteten Außengrenzen der Europäischen Union (EU) sind inakzeptabel. Nicht die Flüchtlinge, die Fluchtursachen müssen bekämpft werden. Flüchtlinge sollen in

dem Land Aufnahme finden können, zu dem sie Kontakte haben und dessen Sprache sie gegebenenfalls bereits sprechen. So gelingt Integration von Beginn an. Statt Menschen gegen ihren Willen innerhalb der EU zu verteilen, muss es einen solidarischen Ausgleich auf finanzieller Ebene geben. Länder und Kommunen müssen bei der Aufnahme mit EUGeldern unterstützt werden.

Krieg gegen Kurden Seit Erdog˘an im vergangenen Sommer die Friedensgespräche mit der kurdischen PKK abgebrochen hat, wurden über 500 Zivilisten von Armee und Polizei getötet. Über Städte im Südosten der Türkei werden monatelange Ausgangssperr en verhäng t. Tausende Wohnhäuser wurden mit Panzern zerstört. Mittlerweile ist eine halbe Million Kurdinnen und Kurden auf der Flucht.

gebracht. D o r t e rhalten die meisten Flüchtlinge nur ein vorübergehendes Bleiberecht. Illegale Abschiebungen ins Bürgerkriegsland Syrien stehen auf der Tagesordnung. Für seinen Job als Frontmann der europäischen Abschottung streicht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdog˘an sechs Milliarden Euro ein. Auch die Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen zur EU sowie Visafreiheiten für türkische Staatsbürger vergolden ihm den Deal. Doch es gibt auch einen ungeschriebenen Teil des Paktes: Auffällig laut schweigt

die Bundesregierung zu den schweren Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Auffällig demonstrativ stellt sich die Kanzlerin an die Seite des türkischen Regenten: Auf Wunsch Erdog˘ans ermächtigte sie die Staatsanwaltschaft, gegen den Satiriker Jan Böhmermann zu ermitteln. Und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärt offen, Deutschland solle die Türkei nicht weiter kritisieren, es gebe schließlich beiderseitige Interessen zu wahren. Nick Brauns

Flüchtlinge hinter Stacheldraht In Griechenland zeigen sich die fatalen Folgen des Deals zwischen der Europäischen Union und der Türkei besonders deutlich. Ulla Jelpke hat sich vor Ort umgesehen.

Ein Mädchen im Flüchtlingslager Moria

Anfang April habe ich mit einer Delegation des Innenausschusses zwei Lager für Geflüchtete in Griechenland besucht: den Hotspot Moria auf der Insel Lesbos und das inoffizielle Flüchtlingscamp bei Idomeni an der Grenze zu Mazedonien, das mittlerweile von Polizei und Militär geräumt wurde. Moria gleicht einer Haftanstalt, umgeben von Stacheldraht. Die Schutzsuchenden – darunter viele Kinder und Jugendliche ohne Familie – werden dort registriert und notdürftig in Containerbauten untergebracht. Hilfsorganisatio-

nen kritisieren, dass Flüchtlinge in Moria entgegen europa- und völkerrechtlichen Grundsätzen inhaftiert werden. Die griechischen Behörden sind mit der Aufnahme der Geflüchteten und der Bearbeitung ihrer Asylanträge überfordert. Die versprochene Hilfe aus der Europäischen Union (EU) läuft nur schleppend an. Es fehlt an Personal, an Beratung und Strukturen. Stattdessen Fehlplanung pur: Neuerdings sollen Flüchtlinge den Asylantrag per Skype-Anruf stellen – dabei haben die meisten von ihnen gar keinen Zugang zu Computern und zum Internet.

In Idomeni war die Lage noch kritischer. Es mangelte an allem, an Strom, Essen und sanitären Einrichtungen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen und andere freiwillige Helfer betreuten das Lager. Für die staatlichen Stellen existierte es offiziell gar nicht. Anfang April hielten sich dort rund 17 000 Flüchtlinge auf. Mehr als die Hälfte kam aus Syrien, unter ihnen waren viele Frauen und Kinder. Einige von ihnen haben Anspruch auf Familiennachzug nach Deutschland. Nur: Umsetzen können sie diesen Anspruch angesichts des Behördenchaos nicht.

In Idomeni und Moria wurde und wird die Grausamkeit der europäischen Abschottungspolitik sichtbar, die den Schutz von Grenzen über den Schutz von Menschen stellt.

Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE


»Die Bundesanwaltschaft deckt den Verfassungsschutz«

www.linksfraktion.de ✶ Sommer 2016 ✶ Klar ✶ Seite 9

Jüngst wurde aufgedeckt, dass die mutmaßlichen NSUMitglieder Beate Zschäpe und Uwe Mundlos bei einem V-Mann gearbeitet haben. Hat das eine Rolle gespielt? Friedrich Burschel: Nicht wirklich, obwohl die beiden dort in den Jahren 2000 bis 2002 tätig gewesen sein sollen – zu einem Zeitpunkt also, als das Morden schon begonnen hatte. Und: Dieser ungeheuerliche Zusammenhang ist erst jetzt durch den Kollegen Dirk Laabs ans Licht gekommen, nicht durch die Bundesanwaltschaft (BAW), sondern durch journalistische Recherche. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit der ermittelnden Behörden mit dem Verfassungsschutz? Leider verdichtet sich der Eindruck, dass die Bundesanwaltschaft den Ver-

fassungsschutz und sein VLeute-System deckt. Die BAW bunkert weitere, für das erste NSU-Verfahren durchaus relevante Erkenntnisse in einem sogenannten Unbekannt-Verfahren. Dort werden Vernehmungen, Untersuchungs- und Ermittlungsergebnisse als geheim geparkt. In der Anklage steht nichts über das Unterstützenden-Netzwerk, das mehrere Dutzend Personen umfasste und dessen Existenz inzwischen von fast niemandem angezweifelt wird. Die BAW spielt nicht mit offenen Karten. Sie macht sich den geheimdienstlichen Quellenschutz, also den Schutz der V-Leute, zu eigen. Wie wird man eigentlich ein V-Mann? V-Leute sind keine verdeckt

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Seit zwei Jahren findet der NSU-Prozess im Oberlandesgericht München statt.

Tino Brandt wird am 16. September 1995 von der Jenaer Polizei festgenommen. Die Ermittlungen werden ein halbes Jahr später von der Staatsanwaltschaft Gera eingestellt.

Ermittelnden, keine im Untergrund arbeitenden Staatsbediensteten. Es sind Leute aus der Szene, im Übrigen auch nicht nur der rechten Szene. Man wird angeworben, etwa mit bestimmten Lockungen und Vorteilen wie Hafterleichte-

Der NSU Beim Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) handelt es sich um eine Beate Zschäpe Neonazi -Terrorgruppe, die neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin ermordet sowie zwei Sprengstoffanschläge verübt haben soll. Als mutmaßlicher Kern der Terrorzelle gelten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Laut antifaschistischen Initiativen sollen mehr als 130 Männer und Frauen aus der deutschen Neonazibewegung

Uwe Böhnhardt

Uwe Mundlos

dem Trio geholfen haben. Der Generalbundesanwalt hat jedoch zunächst lediglich fünf Personen angeklagt: Beate Zschäpe sowie vier mutmaßliche Unterstützer. Die Anklage wirft ihr zehnfachen Mord sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Die vier Männer sind unter anderem wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

Gemeinsam widerstehen!

Das Erschrecken war riesig. Am 4. November 2011 flog das Nazitrio namens NSU auf. Mehr als zehn Jahre lang war es raubend und mordend durch Deutschland getourt. Unerkannt und unbehelligt, heißt es offiziell. Bis dato wurde von Staats wegen nahezu ausgeschlossen, dass es hierzulande so etwas wie Rechtsterrorismus überhaupt gibt. Und noch immer klafft eine gewaltige Differenz zwischen den Angaben der Regierung und den Recherchen von Journalisten über die Zahl derer, die seit dem Jahr 1990 von Nazis umgebracht wurden. Übrigens in Ost und West! Versuchte Tötung aus ras-

sistischen Motiven wird zumeist weder als solche erfasst noch ausgewiesen. Doch was anders sind Sprengstoffanschläge auf Heime, in denen Geflüchtete, also Menschen leben? Im Jahr 2015 gab es doppelt so viele Attacken wie im Vorjahr. Und die Tendenz im Jahr 2016 ist weiter steigend. Es brennt lichterloh, allerorten! Ältere wähnen sich bereits in die Jahre 1930 bis 1933 versetzt, also in die Zeit, in der die Weimarer Republik zerbrach und die Macht an Faschisten überging. Ein Horrorszenario! Auch wenn ich den Vergleich nicht teile, so will ich doch an eine Lehre daraus erin-

nern. Die Nazis kamen damals nicht an die Macht, weil die NSDAP so stark war, sondern weil die Demokraten zu zerstritten waren. Also aufwachen und gemeinsam widerstehen!

Petra Pau ist Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und für DIE LINKE Obfrau im NSUUntersuchungsausschuss

rung, technischem Support wie Computer, Handys, Autos, Reisespesen oder schlicht Geld als Spitzellohn. Von Tino Brandt, dem Giga-V-Mann des Landesamts in Thüringen weiß man, dass er mindestens 200.000 D-Mark erhalten hat. Man kann sich der Loyalität der V-Leute also nicht sicher sein? Ja, das lässt sich am V-Mann Ralf Marschner, der Zschäpe und Mundlos beschäftigt haben soll, gut darstellen: Hätte er die flüchtigen NSU-Mitglieder bei sich angestellt und als V-Mann die Behörde über deren Aufenthalt informiert, hätten sie festgenommen und weitere Morde, Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle verhindert werden können. Entweder hat Marschner seinen Job nicht gemacht und die Information zurückgehalten, oder er hat den Sachverhalt gemeldet und man ist dort untätig geblieben – dann wäre das Amt mit verantwortlich für die weiteren Morde des NSU.

Was hat Sie im bisherigen Prozess besonders erschüttert? Der Auftritt einiger V-Leute und beamteter V-Mann-Führer: ihr gleichermaßen bockiges wie dreistes Auftreten. Zum Beispiel Kai Dalek, ein V-Mann des bayerischen Verfassungsschutzes, der von sich als »Ich als Verfassungsschutz« sprach. Oder Reinhard Görlitz, ein Brandenburger V-MannFührer, der vermummt und mit Perücke zur Vernehmung erschien: ein Staatsbediensteter, der jede Kooperation verweigerte und sehr kreativ mit der Wahrheit umging. Interview: Timo Kühn Friedrich Burschel arbeitet als Referent zum Schwerpunkt Neonazismus für die RosaLuxemburg-Stiftung in Berlin. Er ist akkreditierter Korres­ pondent des nicht kommer­ ziellen Lokalsenders Radio Lotte Weimar im NSU-Prozess und Mitarbeiter des Internetprojekts NSU-Watch: www.nsu-watch.info

Ausschuss arbeitet an Aufklärung Der zweite NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag will wissen, was Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste vom NSU vor dessen Selbstenttarnung im November 2011 wussten. Denn die Angehörigen der Opfer warten noch immer auf Antworten: Warum wurden ausgerechnet ihre Ehemänner, Väter und Brüder ermordet? Im Juni befragen die Abgeordneten Zeugen zur Rolle von V-Mann »Primus«. Der Neonazi aus Zwickau hatte in den Jahren 1992 bis 2002 aus Zwickau Informationen ans Bundesamt für Verfassungsschutz gegeben und soll laut Medienberichten Uwe Mundlos in seiner Bau­ firma beschäftigt haben. Jüngst musste das Bundesamt für Verfassungsschutz auch gestehen, dass sich ein weiteres Handy des V-Manns »Corelli«

NSUUntersuchungsausschuss

angefunden hat. Bei »Corelli« handelt es sich um eine hochrangige Quelle in der Naziszene mit großer Nähe zum NSU. Der V-Mann war im Jahr 2014 überraschend an einer unerkannten Diabetes verstorben. Petra Pau, für DIE LINKE Obfrau im Ausschuss, kritisiert: »Der erste NSU-Untersuchungsausschuss und andere Gremien des Bundestags wurden systematisch belogen.« Der Ausschuss wird auch den Fall »Corelli« erneut intensiv behandeln.


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Wolf-Rüdiger Raschke, Keyboarder der Band Karussell, über musikalische Erfahrungen mit Multikulti und eine besondere Auszeichnung von seiner Heimatstadt Leipzig. Musik von Karussell zeichnete sich durch musikalische und textliche Tiefgründigkeit aus. Hits wie »Ehrlich will ich bleiben«, »Wie ein Fischlein unterm Eis« oder »Als ich fortging« sind gute Beispiele dafür. Im Jahr 1989 ging diese Ära zu Ende. Es wurde stiller um Karussell, fast 17 Jahre lang. Was war passiert? Wolf-Rüdiger Raschke: Wir glaubten an einen neuen Anfang. Aber es gab keinen Platz mehr für die DDR-Rockmusik. So mussten wir, wie viele Musiker, nach neuen Wegen suchen, um unsere Existenz zu sichern. Wir mussten eine lange Durststrecke überstehen. Schließlich kamen junge Bandmitglieder hinzu und damit auch neue Klangfarben. Das verschmolz gut mit unseren Auffassungen von Melodien und Texten. Seit neun Jahren ist Karussell wieder zu Konzerten unterwegs.

picture-alliance/dpa

Inwieweit hat Ihre Band die leisen, oft gefühlsbetonten Töne beibehalten? Welche Klangfarben dominieren das Programm heute? Viele alte Texte haben ja ihre Aktualität behalten, und auf bewährte Melodien

wollen wir auch nicht verzichten. Mit dem Album »Loslassen«, das im Jahr 2011 in Berlin aufgenommen und in New York gemischt wurde, ist uns diese musikalische Kombination aus Jung und Alt gut gelungen. Wir sind inzwischen so fest zusammengewachsen, als ob es nie anders gewesen wäre. So schließt sich der Kreis aus Vergangenheit und Zukunft mit Freunden, Menschlichkeit und Musik. Welche Ergebnisse der neueren Karussell-Zeit gibt es denn? Vor zwei Jahren haben wir das Album »Karussell – Die größten Hits« produziert. Es gestaltet sich als eine musikalische Zeitreise, weckt Erinnerungen und Emotionen, begeistert aber auch durch aktuelle Songs und vereint somit

Eine Band der Generationen In diesen Tagen feiert Karussell, eine der Kultbands im Osten, ihr 40-jähriges Bestehen. Mit acht Alben, Filmmusiken und Videos tourte die Band durch Europa und Südamerika. Die Band tritt am 25. Juni beim Fest der Linken in Berlin auf.

Santana, Prince, Grisham/Brauer & Lauper

Dehms Musik-Kritik Der Liedermacher und Bundestagsabgeordnete Diether Dehm ( DIE LINKE ) bewertet Neu­erscheinungen.

H.-Joac him Lingelb ach

Bunte Kultur braucht ein buntes Deutschland

Carlos Santana: IV Von den neuen 16 Songs ist keiner überflüssig. Rhythm & Blues findet mit Reggae selten so innig zueinander wie in den Fingern des Meisters. Hitverdächtig: »Come As You Are« und »Anywhere You Want to Go«. Sein dümmlicher Ausflug in Richtung Scientology ist weggeblasen. Denn zum Glück verlieben sich Künstler meistens in eine Ideologie, die ihre

Wolf-Rüdiger Raschke: »Wir waren immer politisch.«

die Zuhörer über mehrere Generationen. Im Jahr 2015 hatte der Kinofilm »Karussell – Vier Tage auf Hiddensee« zum Schweriner Filmkunstfest Premiere. Zu unserem Bandjubiläum wird in diesem Jahr die DVD »Karussell – Ehrlich will ich bleiben: Die Geschichte der Band« erscheinen. Unsere Heimatstadt Leipzig ehrt uns in besonderer Weise: Die Leipziger Volkszeitung veröffentlicht eine Briefmarke und einen Ersttagsbrief mit den Porträts der Musiker Wie politisch ist eine Rockband bei Auftritten in der heutigen Zeit? Wir waren immer politisch, sind für eine gute Integration der Flüchtlinge. Ohne ein buntes Deutschland gibt es auch keine bunte Kultur. Wir haben schon zu DDR-Zeiten Musik mit Chilenen und Algeriern gemacht und insofern mit

oft zerfasernde Kreativität domestiziert. (Aber solange die Linke ihrer Kunst gegenüber ignorant ist, wird das dann eben auch meist keine linke.)

Prince: HITnRUN Prince’ Tod ist ein Tiefschlag für alle, die Popgeschichte in Klang und Idee noch längst nicht für ausgereizt halten. Die Wirrnis durch seinen Clinch mit dem Plattenkonzern, der ihm den Künstlernamen gar zu enteignen suchte, schien durchgestanden. Uns bleiben Trauer und Tragik: Das alte,

Multikulti gute Erfahrungen gesammelt. Für uns ist eine abwechslungsreiche, vielfältige Kultur nur denkbar, wenn alle die Chance bekommen, sich daran zu beteiligen. Im Osten ist die Band Karussell gut bekannt, im Westen weniger. Wann wird sich das ändern? Das ist ganz schwierig. Leider gibt es noch immer Sendeanstalten, die uns, im Südwesten oder Bayern, nicht spielen. Wir werden weiter daran arbeiten, den Sprung auf die gesamtdeutsche Musikbühne zu schaffen. Derzeit konzentrieren wir uns auf unsere heimischen Wurzeln und geben die meisten Konzerte im Osten. Wir freuen uns auch auf das Fest der Linken in Berlin, wo wir im Juni auftreten. Interview: Frank Schwarz

junge Genie hatte gerade wieder seinen Lauf gefunden.

Grisham: Der Gerechte Wie immer um Gerichtssäle spielt das neueste Hörbuch von Thrillermeister John Grisham, gelesen vom großartigen Charles Brauer. Der Autor ist Christ, seine Stücke haben darum Happy Ends. Aber kein Materialist der Gegenwart seziert die herrschende US-Kaste derart präzise und genüsslich wie er. Inklusive des heuchlerischen Mainstreams, von dem Tom Wolfe einst sagte, die Clintons

hätten »eine zur Norm erstarrte Diktatur gebracht aus Sex, Drugs und Political Correctness«.

Cyndi Lauper: Detour Cyndi Lauper wurde einst von Madonna in den Marketing-Hintergrund gedrängt. Es sind auf der neuen CD zwar (noch) keine Ewigkeits-Hits (wie »Time After Time« oder »Girls Just Wanna Have Fun«). Aber besser als alles, was Madonna je gebracht hat, zum Beispiel der Titelsong (featuring Emmylou Harris).


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Privat

»Linke dürfen sich nicht gegen Muslime aufhetzen lassen«

Daniel Bax

Wer aus »Angst ums Abendland« (Westend, 17,99 Euro) auf die Straße geht, hört kaum auf Fakten: Muslime machen fünf Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus. Der taz-Journalist Daniel Bax untersucht, wie die Anti-Islam-Propaganda funktioniert. Sie schreiben, dass auch Sie sich manchmal vor dem Islam fürchten. Warum? Daniel Bax: Vor dem Islam von Terroristen und Fundamentalisten fürchte auch ich mich, wie jeder andere. Und wenn ich nur dem verzerrten Medienbild aufsitzen würde, das von Muslimen häufig gezeichnet wird, dann würde ich vielleicht auch den Eindruck haben, dass diese Extremisten in irgendeiner

PREISRÄTSEL

Ja:

vermeintlichen Experten, die mit ihren Büchern vorhandene Klischees untermauern und apokalyptische Angstszenarien an die Wand malen.

Was hilft gegen die Angstmache der Rechtspopulisten? Begegnung. Denn es ist ja kein Zufall, dass Vorurteile gegen Muslime dort am meisten verbreitet sind, wo es an alltäglichen Kontakten fehlt. Und Fakten. Es gibt viele Studien, die gängige Vorurteile widerlegen. Leider ist die Angstmache ein gutes Geschäft, wie man an den Bestseller­l isten ablesen kann. Viele Leute wollen sich ihre Vorurteile über den Islam gerne bestätigen lassen, vorzugsweise von

Wohin kann der Kulturkampf gegen den Islam führen? Islamhass ist die Welle, auf der die Rechtspopulisten von heute erfolgreich surfen. Sie wissen, dass Ressentiments gegen Muslime sehr weit verbreitet sind, in allen Schichten und Milieus, und machen sich das zunutze. Mit ihren antimuslimischen Forderungen finden sie Gehör, viel mehr als mit anderen Forderungen, etwa zur Familienpolitik, die oft weniger populär sind. Sie leben davon, das Misstrauen gegen Muslime zu schüren, und spalten die Gesellschaft. Linke müs sen dem entschieden entgegentreten und dürfen sich nicht gegen Muslime aufhetzen lassen. Interview: Steffen Twardowski

Markieren Sie die fünf Unterschiede in der linken Karikatur. Schneiden Sie den Vordruck entlang der gestrichelten Linie aus und senden Sie Ihre richtige Lö-

sung per Brief oder Postkarte an: Fraktion DIE LINKE, Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir drei-

Mitmachen und gewinnen!

Weise repräsentativ sind. Zum Glück weiß ich, dass das, was die überwältigende Mehrheit der Muslime in Deutschland glaubt, fern von jedem Extremismus ist. Radikale Strömungen bilden nur eine marginale Minderheit. Die Identifikation mit Rechtsstaat und Demokratie ist unter Muslimen sogar höher als unter AfD-Wählern, wenn man die einschlägigen Studien betrachtet.

BÜCHERKISTE Krise überall: Staaten, Privathaushalte und Banken sind verschuldet. In den USA sinkt die Arbeitslosigkeit nicht mehr, Japan stagniert, und in Europa treibt die Sparpolitik manche Länder in die Depression. China, Indien und Brasilien können den globalen Abwärtstrend nicht stoppen. Robert Misik analysiert die aktuelle Kapitalismusdebatte: »Die liberale Wirtschaftstheorie hat uns zuerst in eine ökonomische Katastrophe geführt und uns danach auch noch katastrophale Rettungsrezepte verschrieben.« Doch Geld und Macht sind nun in so wenigen Händen konzentriert, dass grundlegende Änderungen unmöglich scheinen, Umverteilung allein genügt nicht mehr. Fazit: »Die Maschine ist kaputt. Und die Eliten haben keinen Plan, wie sie sie wieder flottbekommen sollen.« Robert Misik: Kaputtalismus. Aufbau, 224 Seiten, 16,95 Euro

Auf jeden Bundestagsabgeordneten kommen acht Lobbyisten, doch sicher ist das nicht, denn »vor allem die Union im Bundestag sträubt sich gegen das Register, und auch bei den Sozialdemokraten findet ein solches nicht bei allen uneingeschränkte Zustimmung«. Uwe Ritzer und Markus Balser bringen Licht ins Dickicht aus PR-Firmen, Anwaltskanzleien und Interessenverbänden. Diese manipulieren mit allen Mitteln Entscheidungsprozesse, um zu verhindern, was ihre Klienten Geld kostet, oder um ihnen zusätzlich die Taschen zu füllen. Fazit: »Lobbyismus will heute die Gesellschaft als Ganzes beeinflussen. Stimmungen und Trends zu einer konkreten politischen Entscheidung sollen möglichst gezielt verstärkt oder abgeschwächt, Themen angestoßen oder unterbunden werden.« Uwe Ritzer, Markus Balser: Lobbykratie. Droemer, 368 Seiten, 19,99 Euro

mal die CD »HitnRun Phase Two« von Prince. Einsendeschluss ist der 31. August 2016. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Beim vorherigen Preisausschreiben

haben gewonnen: Renate Bräuer aus Guben, Armin Cremer aus Alsdorf und Bettina Thünemann aus Steinfurt. Herzlichen Glückwunsch! IMPRESSUM Herausgeberin: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin Tel.: 030/22 75 11 70 Fax: 030/22 75 61 28 klar@linksfraktion.de www.linksfraktion.de V.i.S.d.P.: Heike Hänsel, Jan Korte (Anschrift wie Heraus­geberin); Leitung: Hendrik Thalheim; Redaktion: Sophie Freikamp, Timo Kühn, Ruben Lehnert, Frank Schwarz, Gisela Zimmer; Layout und Satz: DiG/ Plus GmbH, Berlin; Druck: MediaService GmbH, Franz-MehringPlatz 1, 10243 Berlin; Redaktionsschluss: 20. Mai 2016. Dieses Material darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden!

P Ich will mehr Informationen über die parlamentarischen Initiativen der Fraktion DIE LINKE. P Ich will clara, das Magazin der Fraktion DIE LINKE, kostenlos abonnieren. P Ich will die Arbeit der Fraktion DIE LINKE aktiv unterstützen.

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Die Top-Manager der Volkswagen AG bei der Jahrespressekonferenz im April in Wolfsburg

Manipulation bei Abgasen: Was wusste die Regierung?

VW-Skandal

DIE LINKE und Die Grünen wollen mittels Untersuchungsausschuss aufklären

Millionen-Boni für die

Crashpil ten

Herbert Behrens (DIE LINKE) bei einer Pressekonferenz zum Untersuchungsausschuss im April in Berlin

Die Belegschaft fürchtet um ihre Jobs, die Top-Manager kassieren ab. Im Herbst des vergangenen Jahres musste das Top-Management von Volkswagen gestehen, dass es jahrelang betrogen hatte: In rund 11 Millionen Fahrzeugen hatte der Automobilkonzern aus Niedersachsen die Software manipuliert, um extrem hohe Abgaswerte zu vertuschen. Jahrelang hatte der Konzern Kundinnen und Kunden in Europa und den USA getäuscht, die Umwelt verschmutzt und die Gesundheit von Menschen geschädigt. Die Folge: In den USA und in Deutschland klagen enttäuschte Kunden vor Gericht auf Schadensersatz in Milliarden-

höhe. Die US-amerikanische Umweltbehörde und Staatsanwaltschaften ermitteln wegen Betrugs. Für Rückruf- und Umtauschaktionen musste das Unternehmen mehr als 16 Milliarden Euro zurücklegen. Die 120 000 Arbeiter und Angestellten bei Volkswagen fürchten um ihre Jobs. Vielen Leiharbeitskräften wurden die Verträge nicht verlängert. Nur die Top-Manager des Konzerns kassieren weiterhin ab. Laut Rechenschaftsbericht bekamen die Vorstandsmitglieder für das vergangene Jahr mehr als 60 Millionen Euro. Der ehemalige Konzern-

chef Martin Winterkorn, der im Oktober wegen des Skandals zurücktreten musste, streicht fast 7,3 Millionen Euro ein, davon 6 Millionen Euro als Bonuszahlung (»erfolgsabhängige Vergütung«). Der aktuelle Chef, Michael Müller, nimmt fast 4 Millionen Euro mit. Und Andreas Renschler, der als Chef der Nutzfahrzeugsparte rund 15 Millionen Euro kassiert, zählt sogar zu den bestbezahlten deutschen Managern. Für dieses Jahresgehalt muss ein Anlagenmechaniker in Wolfsburg (Monatsgehalt: 5.000 Euro brutto) 250 Jahre lang schuften.

Im Mai hat der Bundestag auf Antrag der Opposition einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt, in dem DIE LINKE und die Grünen klären wollen, ob die Bundesregierung die Manipulation der Abgaswerte durch Automobilkonzerne begünstigt hat. Im Zentrum der Kritik steht Verkehrsminister Alexander Do­b rindt (CSU). Seinem Ministerium untersteht das Kraftfahrtbundesamt, das die Einhaltung der Abgasgrenzwerte kontrollieren soll. Leiten wird den Unter­ s uc hung s au s s c hu s s Herbert Behrens, Ver-

Gedenken an den 75. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion

Harald Petzold (DIE LINKE)

tische Erklärung von Bundestag und Bundesregierung aus. DIE LINKE hat deshalb beantragt, die sowjetischen Kriegsgefangenen als Opfer des Nationalsozialismus anzuerkennen. Dieser Antrag zielt auch auf eine gemeinsame Geste des Parlaments anlässlich des 75. Jahrestags des Überfalls auf die Sowjetunion ab.

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Unterwegs für Klar

Großer Erfolg bei Spendenlauf Unter dem Motto »Schlag den Schlag« organisierte der Sportverein Rote Socken in Berlin erstmalig einen Spendenlauf zugunsten der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Mehr als 60 Läuferinnen und Läufer im Alter von 5 bis 66 Jahren nahmen teil, darunter etliche Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. Ihr Ziel: für den guten Zweck in sechs Stunden möglichst viele Runden im Stadion zurückzulegen. Zahlreiche

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Sponsoren spendeten Geld für den Charity-Lauf. Allein der Verlag Neues Deutschland beteiligte sich mit 1.000 Euro. Die Spenderliste reichte von Eisschnellläuferin Claudia Pechstein über den 1. FC Union Berlin bis zum amtierenden Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow. Das Ergebnis war eindrucksvoll: Insgesamt wurden 2 712 Stadionrunden gelaufen, es kamen mehr als 3.700 Euro für den guten Zweck zusammen.

Die nächste Klar erscheint im Herbst 2016

Niels Holger Schmidt

Mandy Eißing

Auf Initiative der Fraktion DIE LINKE hat der Bundestag im Mai des vergangenen Jahres beschlossen, dass ehemalige sowjetische Kriegsgefangene auf Antrag einmalig 2.500 Euro erhalten können – ein guter Schritt 70 Jahre nach der Befreiung Deutschlands vom Faschismus. Aber das alleine reicht nicht. Noch immer steht eine poli-

kehrsexperte der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete aus Niedersachen kritisiert seit Langem die Nähe zwischen Verkehrsministerium und Automobilkonzernen. Dobrindt agiere »wie ein Anwalt der Auto-Lobby«, sagte er, »Verbraucher- und Umweltschutz sind für ihn Fremdwörter«. Ein Untersuchungsausschuss ist ein Mittel des Parlaments, um Skandale der Regierung oder der Verwaltung aufzudecken. Er kann wie bei Gericht Zeugen unter Eid vernehmen und Sachverständige heranziehen.

Willst Du auch die Klar verteilen? Dann sende einfa ch eine E- Mail an: versand@ Cigdem Kaya (29) aus Dinslaken: linksfraktion.de »Beim Verteilen von Klar erhalte ich oft

positives Feedback«, berichtet Cigdem Kaya aus Dinslaken. Solche Begegnungen sind für die 29-jährige Politikwissenschaftlerin Ansporn für den »Kampf um eine bessere Welt, frei von Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus«.

Klar bestellen und in der Nachbarschaft verteilen: Einfach eine E-Mail an versand@linksfraktion.de senden!


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