#selfiextended: schriftliches Begleitschreiben

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Selfiextended Lisa GroĂ&#x;kopf



#selfiexten d e d

Irgendwas zwischen Grafikdesign und Fotografie. Schriftliches Begleitschreiben UfG Linz, Grafikdesign & Fotografie



Inhalt

9 10 14 19 20 30 48 55 61 62 66 84

Einleitung Vorwort Themenfindung Theorie #Selfie Hashtags Umfeldrecherche Ausstellungsdesign Umsetzung Konzeption Visuelle Kommunikation Dank —



Einleitung


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Now! Now! Now! Now! Now! Now! Now! Now! Now! Now! Now! Now! Now! Now! Now!


Vorwort Hoch- und Populärkultur geben sich ein Stelldichein im Fahrstuhl.

Wir leben im Zeitalter des Selfies. Das schnelle Selbstporträt wird mit der Kamera des Smartphones aufgenommen und dann umgehend in die sozialen Netzwerke eingespeist, als unmittelbare visuelle Mitteilung, wo wir uns befinden, was wir gerade tun, wie wir uns sehen und wen wir als mÜglichen Betrachter vermuten.


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Im Gegensatz zur traditionellen Porträtkunst brauchen Selfies keinen hochtrabenden Überbau. Selfies sind nicht für die Ewigkeit gedacht. Sie erinnern an den Hund aus dem Cartoon, der auf die Frage nach der Uhrzeit immer „Now! Now! Now!“ kläfft. Andererseits lassen sich durchaus Bausteine einer kunsthistorischen und visuellen DNA finden, aus denen die Strukturen und Wurzeln der Selfies entstanden sind. Selfiextended thematisiert diese Schnittstellen zwischen Populär– und Hochkultur. Die ausgewählten Werke werden durch die Leitmotive Selbstbildnis, Körper, Imagepflege, Jugend, Spiegel, Grenzüberschreitung zusammen gehalten. Der natürliche Lebensraum der Selfies ist das Internet. Die Bilderflut des Netzes ist untrennbar mit Rastlosigkeit, Reizüberflutung und Beschleunigung verbunden. Diese Aspekte werden durch die räumliche Umsetzung der Ausstellung in einem Lift visualisiert. Der Ausstellungsbesucher kann das Tempo des Bilderkonsums nicht kontrollieren, die Bilder prasseln regelrecht auf ihn ein.


Vorwort


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Warum fotografieren?


Themenfindung

Am Anfang meines Arbeitsprozesses stand eine Frage, die mich bereits l채ngere Zeit in meinem k체nstlerischen Schaffen begleitet: Warum fotografieren?


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Zu Beginn meiner gestalterischen Ausbildung vor fünf Jahren war es mein vorrangiges Ziel ästhetisch ansprechende Bilder zu produzieren. Doch je intensiver ich mich mit der Kunst– und Fotografiegeschichte befasste, umso größer wurde die Verdrossenheit selbst zur Kamera zu greifen. Immer öfter fragte ich mich, wozu das Ganze? Schöne Bilder gibt es im Überfluss, Unschöne ohnehin. Fotografie wurde für mich zu einem Medium, um Inhalte zu kommunizieren und visualisieren. Fotografieren als Selbstzweck wurde immer unattraktiver. Immer wichtiger wurde daher auch die Frage, warum Menschen, abseits von künstlerischer Motivation, fotografieren und welche soziale Funktion die Fotografie inne hat. Dabei galt mein Augenmerk insbesondere jener neuen Fotografie, die in sozialen Netzwerken, wie facebook und instagram, ihre Präsentationsfläche findet. Diese Plattformen ermöglichten die Geburt eines neuen Fotografie-Genres: dem Selfie. Gerne hätte ich mit umfassend auf kulturwissenschaftlicher Ebene mit dem Thema befasst und im Zuge dessen die Beweggründe der Selfie-Fotografen erforscht. Doch leider musste ich sehr bald feststellen, dass mir die dazu nötige Kompetenz fehlt. Doch selbst wenn es mir nicht mög-


lich war, die soziologische Seite des Stoffs zu erforschen, konnte ich mich mit der ästhetischen Bildsprache befassen. So entschloss ich mich dazu, eine Ausstellung zu kuratieren, die sich dem Thema Selfie widmet. Damit konnte ich die Bereiche Grafikdesign und Fotografie in einem Projekt vereinen und musste dazu noch nicht einmal meine persÜnliche Abneigung, selbst zu fotografieren, ßberwinden.

Themenfindung



Theorie


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„die rechte Hand / größer als der Kopf, stößt auf den Zuschauer zu / und weicht sacht aus, wie um zu schützen, was sie zeigt.“


#Selfie Kunst auf Armlänge

Selfie wurde im November 2013 vom Oxford English Dictionary zum internationalen Wort des Jahres gekürt. Doch der Trend scheint seinen Zenit noch nicht erreicht zu haben. Weiterhin werden tagtäglich unzählige der schnellen Selbstporträts in diverse Internet-Plattformen eingespeist. Durch die spontane und unkonventionelle Art und Weise, wie Selfies aufgenommen und in weiterer Folge „vertrieben“ werden, haben sich verschiedene Aspekte der sozialen Interaktion sowie der öffentliches Selbstdarstellung verändert. Auch die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichkeit haben sich dadurch deutlich verschoben.


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Obwohl ein Selfie lediglich die Kombination eines Selbstporträts und eines Schnappschusses darstellt, unterscheidet es sich wesentlich von eben jenen Formen. Traditionelle Selbstporträts entstehen deutlich weniger spontan und ungeplanter als ein Selfie. Darüber hinaus besitzt das Selfie eine eigenständige formale Bildsprache. Diese unterscheidet sich stark von der Bildsprache der Selbstbildnisse von renommierten Künstlern, aber auch von jener von den früheren Schnappschüssen von Laien. Der spezielle Amateur-Touch der Fotos ist vor allem auf die Handykamera zurückzuführen. Anders als bei Selbstporträts mit Fotoapparaten, ist es nicht möglich, das Handy (auf einem Tisch, Stativ, etc.) abzustellen und das Foto per Selbstauslöser zu schießen. Auf Grund dessen existieren heute zwei verschiedene Arten von Selfies: das Spiegel-Selfie und die viel häufiger auftretenden Selfies, welche mit ausgestreckten Armen aufgenommen werden. Diese beiden Kategorien unterscheiden sich formal von einander, aber auch die Motivwahl scheint von der Aufnahmeart abhängig zu sein. Während es dem Fotografen beim Spiegel-Selfies möglich ist, die Komposition vor der Aufnahme zu überprüfen und mitzugestalten, ist dies ohne


#Selfie

Spiegel eine weitaus schwierigere Aufgabe. Zudem erlaubt die Aufnahme mit ausgestrecktem Arm nur eine geringe Distanz zwischen der Linse und Motiv. Dies führt zum typischen Selfie-Look, welcher häufig von schiefen Aufnahmewinkel, kleinen Bildausschnitten und übergroßen Nasen dominiert wird. Um die, vom Weitwinkelobjektiv verzogene Nase wiederrum etwas zu verkleinern, werden die Fotos zumeist von schräg oben aufgenommen. All jene Faktoren lassen nur einen geringen Spielraum an Variationen der Selfiekompositionen zu und führen schlussendlich zu der gemeinsamen genormten Bildsprache der Selfies. Ein wenig anders verhält es sich bei den oben erwähnten Spiegel-Selfies. Hier gibt es das Problem des schiefen Aufnahmewinkel, der Weitwinkelverzerrung und des kleinen Bildausschnittes nicht, da ja die Entfernung zum Spiegel beliebig groß gewählt werden kann. Da es beim Spiegel-Selfie möglich ist, den gesamten Körper abzubilden, werden sie gerne für Halb-Akte herangezogen, welche sich im Selfieuniversum großer Beliebtheit erfreuen. Darüber hinaus finden sie Anwendung bei den sogenannten Selfie Olympics. Hier geht es darum, das blödeste und ver-


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rückteste Selfie zu machen. Die Posen hierfür erreichen einen durchaus bizarren Charakter, welche ohne Zuhilfenahme eines Spiegels nicht zum Ausdruck kämen, da andernfalls der Bildausschnitt viel zu klein wäre. Ein weiterer interessanter Gesichtspunkt der Spiegel-Selfies sind die Aufnahmeorte. Anderes als beim Selfie, mit der ausgestreckten Hand, sind hier die Möglichkeiten, wo das Selfie entstehen kann, begrenzt. Neben Schlafzimmern, Fitnessstudios und Umkleidegarderoben erfreuen sich Badezimmerspiegel einer hohen Beliebtheit. Da normalerweise gerade das Badezimmer als ein sehr privater Ort empfunden wird, entsteht hier eine bemerkenswerte Verschiebung zwischen Öffentlichkeit und Privatem. Doch nicht nur die Bildsprache, sondern auch die Entstehung eines Selfie besitzt eine Singularität in der Fotografie. Laut Definition der Oxford Dictionaries ist ein Selfie „A photograph that one has taken of oneself, typically one taken with a smartphone or webcam and shared via social media“.1 Somit ist davon auszugehen, dass die anschließende Veröffentlichung des Fotos auf diversen Social Media Plattformen bereits beim Entstehen des Bildes mitgedacht wird. Die Präsentation der eigenen Person im


#Selfie

Internet und die damit einhergehende Kreation eines Images stehen gewissermaßen in einem Widerspruch zum spontanen Schnappschuss und all seinen oben erwähnten Unzulänglichkeiten. Deswegen sind Selfies zwar improvisiert und schnell, nie aber zufällig. Denn auch die Gelegenheitsbilder müssen erst vom Fotografen als angemessen eingestuft werden, bevor sie in den Netzwerken gepostet werden. Dies setzt ein performatives Bewusstsein und ein gewisses Maß an Selbstironie voraus. Selbstironie mag ein Grund für die zahlreichen, wenig schmeichelhaften Selfies im Netz sein. Stars, wie Rihanna oder Kim Kardashian, nützen unvorteilhafte Fotos gerne, um für ihre Fans ein bisschen „echter“ und „menschlicher“ zu wirken. Gleichzeitig bestätigen diese ungünstigen Fotos die Echtheit aller Fotos, also auch jener, die sie von ihrer besten Seite zeigen. Somit wird das Image der Stars gleich mehrmals aufgewertet: Einerseits durch den Mut zu Hässlichkeit, was sie nahbarer macht und von ihrem Humor zeugt, andererseits durch den Nachweis, dass das supersexualisiertes Image der Medien tatsächlich mit ihrer echten Person übereinstimmt.2


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Trotz all dieser genannten Unterschiede zu kunsthistorischen Vorläufern findet man in zahlreichen Werke Bausteine, aus denen die Wurzeln und Strukturen der Selfies entstanden sind. Auf der Suche nach Spurenelementen findet man zum Beispiel starke Selfie-Echos in Van Goghs großartigen Selbstporträts – sie wirken ebenso eindringlich und direkt und sie sprechen von einem ähnlichen Bedürfnis, der Welt einen lebensnahen, ausdrucksstarken Blick in sein Innerstes zu gewähren. Ein weiterer wichtiger Wegbreiter für den Selfie-Look ist M. C. Escher mit seiner Lithographie Hand mit Kugel von 1935. Auf einer Kugel spiegelt sich die Gestalt des Malers mit den für Selfies typischen verzogenen Konturen. Die eigenartige Komposition wird vom verzogenen Gesicht des Künstlers in einem konvexen Spiegel bestimmt, den er in der Hand eines seltsam perspektivisch verkürzten Armes hält. Das Bild erinnert von der Entfernung, der geringen Tiefe und dem merkwürdigen Ausschnitt her an die modernen Selfies. Das wohl älteste, uns heute bekannte Prä-Selfie, ist vermutlich Parmigianinos Selbstporträt im konvexen Spiegel. Es zeigt alle Merkmale des Selfies: Das Gesicht des Porträtierten aus


einer bizarren Perspektive, den verlängerten Arm, den knappen Abstand, die bildliche Verzerrung, die nachdrückliche Intimität. Der Dichter John Ashbery schrieb über das Gemälde (und, wie es scheint, über alle guten Selfies) „die rechte Hand / größer als der Kopf, stößt auf den Zuschauer zu / und weicht sacht aus, wie um zu schützen, was sie zeigt.“3

#Selfie

1. 2. 3.

http://www.oxforddictionaries.com/definition/english/selfie (8.9.2014) http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/selfies-selbstportraets-imsocial-web-zur-imagepflege-a-905354.html (8.9.2014) http://www.monopol-magazin.de/blogs/der-kritiker-jerry-saltzblog/2013287/Jerry-Saltz-ueber-Selfies.html (11.9.2014)



Parmigianino, Selbstportr채t im konvexen Spiegel, 1523/24


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„I’m sexy and I know it.“


Hashtags Analyse des Selfie-Wesens

Obwohl das Selfie ein eigenes Genre der Kunst darstellt, kann man viele Bezüge zwischen Selfies und anderen Kunstwerken aus verschiedensten Kunstepochen herstellen. Ich versuche, die genormte Bildsprache der Selfies zu analysieren und wiederkehrende Elemente (Hashtags) zu definieren, welche die folgenden sind: Selbstbildnis, Körper, Jugend, Spiegel, Imagepflege, Grenzüberschreitung. Da jeder dieser Hashtags Stoff für eine Diplomarbeit hergibt und eine genaue Beschreibung der Thematik den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, möchte ich nur kurz auf die einzelnen Bereiche eingehen und den Bezug zu Selfies aufzeigen.


Selbstbildnis. Der wohl augenscheinlichste Zusammenhang zwischen Selfies und Disziplinen der Hochkultur, ist jener des Selbstporträts. Das Selbstbildnis zeichnet gegenüber allen anderen Formen des Porträts eine Besonderheit aus: Der Künstler ist nicht nur der Schöpfer des Werkes, sondern macht sich selbst zugleich zum Thema. Er ist der Autor und Schöpfer seines Werkes in einer Person.1 Selbstbildnisse können heute unterschiedliche Anforderungen erfüllen. So dienten sie, vor allem in der Frühen Neuzeit, der Schaffung von Identitäten. Zu dieser Zeit wurden Identitäten weniger als etwas Gegebenes betrachtet, sondern vielmehr als etwas Angenommenes und Konstruiertes – als eine von vielen Rollen, die man tagtäglich annimmt. Dadurch kommt dem Selbstbildnis, als Mittel der Image-Formung, gerade in jener Zeit eine eminente Bedeutung zu. Diese Formen der Selbstkonstruktion sind aber nicht auf die Frühe Neuzeit beschränkt und finden sich so oder ähnlich auch in Selbstbildnissen des 19. Jahrhunderts und der Moderne. Jedoch gibt es seit der Aufklärung einen entscheidenden Unterschied: Diese Identitäten werden nicht mehr nur als Rollen angesehen, sondern vor-


anging als Ausdruck des tieferen Wesens einer Person verstanden. Da durch das Aufkommen der Fotografie im 19. Jahrhundert nun Porträtaufnahmen, in bislang unbekannter Präzision und Schnelligkeit, erstellt werden konnten, war das bloße, realitätsnahe Abbild der eigenen Person mit Mitteln der Malerei überholt. Zudem drang Medizin und Psychologie immer tiefer in das Innere des Menschen ein, wodurch sich die Vorstellung von dem in sich gefestigten „Ich“ zunehmend auflöste. Das Selbstporträt trennte sich nun also von der realistischen Darstellung und auch die Konstruktion von Identitäten bekam eine untergeordnete Rolle. Fragenkomplexe nach dem Wesen einer Person im Spannungsfeld zwischen Sein und Selbstkonstruktion bestimmten von nun an die Arbeit zahlreicher Künstler. Die Erfindung der Fotografie veränderte aber nicht nur die künstlerische Herangehensweise an die Thematik, sondern ermöglichte auch kunstfernen Personen die visuelle Selbstdarstellung. Obwohl Kodak bereits 1900 die erste tragbare Box-Kamera herausbrachte (welche mit Hilfe eines Spiegels die Produktion eines Selbstporträts ermöglichte), hatte das Selbstbildnis zu diesem Zeitpunkt


noch einen überschaubaren Stellenwert in der Populärkultur. Spätere Kameramodelle ermöglichten mittels Selbstauslösers die unkomplizierte und schnelle Anfertigung von Selbstbildnissen. Die zeitlichen Verschiebung zwischen Aufnahme und Betrachten des Bildes, brachten jedoch eine Einschränkung des Spaßfaktors mit sich. Polaroidkameras, als Vorläufer, der digitalen Fotoapparate, konnten durch ihre Unmittelbarkeit die Attraktivität des Selbstbildnisses deutlich anheben und sind deshalb als ein wichtiger Wendepunkt des Selbstporträts innerhalb der Alltagskultur zu betrachten. Spiegel. Spiegel sind wichtige Hilfsmittel zur Erstellung der Neo-Selbstporträts. Obwohl der Spiegel lediglich das Mittel zum Zweck ist, ist seine symbolische Aufladung vor allem im Bezug auf Selfies nicht außer Acht zu lassen. Der Spiegel gilt als ein Medium der Selbstwahrnehmung und der narzisstischen Selbstverdoppelung, zugleich aber auch als eine Pforte, die in ein Paralleluniversum führt […].2 Die Parallelen zwischen der symbolischen Deutung von Spiegel und Selfiebildern sind nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere der Gesichtspunkt der Selbstfindung ist


klar sichtbar. Nicht nur das das Anfertigen der Fotografie selbst, sondern vor allem das Posten in den Social Media Plattformen und das damit verbundene Feedback in Form von Kommentaren und Likes, dient dem Prozess der Selbstfindung. Der Fotograf kann durch das Feedback klarer abschätzen, wie er auf seine Umgebung wirkt und somit sein Selbstbild mit dem Fremdbild vergleichen. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Spiegels ist jener des Narzissmus, welcher Selfiefotografen häufig nachgesagt wird. Nicht zufällig vermutet man vor allem bei den Spiegel-Selfies, dass der Urheber der Fotografie einen Hang zum Narzissmus hegt. Schlussendlich gibt es auch eine formale Komponente bei den Spiegel-Selfies: Die sichtbare Kamera (bzw. das Handy). Dies erinnert an Kunstwerke, in welchen der Künstler bewusst den Selbstauslöser oder eben die Kamera in die Bildkomposition integriert hat. Da zudem die Kamera somit auf den Betrachter des Bildes gerichtet wird, wird der Aspekt des Voyeurismus sichtbar. Die Frage, wer hier wen ansieht, drängt sich unweigerlich auf.


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Hashtags

Unbekannt, Sefie in Spiegel mit Smartphone Unbekannt, Selfie in Spiegel mit Smartphone


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Jugend. Der Selfiehype ist eine Modeerscheinung. Trends werden meistens von jungen Menschen geschaffen und weitergetragen. Darüber hinaus befindet sich die Heimat des Selfietrends in den Internetplattformen, welche wiederrum vorranging von Jugendlichen genützt werden. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Mehrheit der Selfies junge Menschen abbildet. Diesen Fakt habe ich aufgegriffen und weitere Werke verschiedener Fotografen ausgewählt, deren künstlerischen Schaffen sich häufig um die Darstellung junger Menschen dreht, wie etwa Rineke Dijkstra oder Tobias Zielony. Grenzüberschreitung. Grenzen sind abhängig von Zeit und Ort. Was vor 50 Jahren eine Tabuverletzung gewesen sein mag, kann heute bereits breite gesellschaftliche Akzeptanz finden. Provokation wird und wurde in der Kunst gezielt eingesetzt, um Tabuschwellen zu brechen und in weiterer Folge unsere Gesellschaft von konstruierten Vorschriften zu befreien. Obwohl es manchmal so wirkt, als wären alle gesellschaftlichen Tabus bereits überwunden, gibt es nach wie vor Grenzen, deren Überschreitung als geschmacklos und unangemessen empfunden werden. Ein Beispiel hierfür bieten die Selfies an unangebrachten Orten, wie etwa Beerdigungen oder Gedenkstät-


Hashtags

ten. Die Schauplätze werden zumeist in der für Selfies typischen Kurzbeschreibungen erläutert. Da die Bildsprache selbst aber häufig unpassend positiv ist, oftmals lächelnd oder mit erhobenen Daumen, entsteht an dieser Stelle eine schauderhafte Wirkung des vermeintlichen fröhlichen Fotos in Kombination mit der deutenden Bildunterschrift. Die Motivation dieser Fotografen mag das Schockieren des Schocks willen sein. Diese Fotos können aber auch ein Ventil darstellen, um die entstandenen Emotionen zu verarbeiten. Ein weiterer, relativ junger Selfietrend stellt eine Art Grenzüberschreitung dar: #selfieaftersex. So ist es gerade in Mode unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr ein Selfie zu schießen und es sogleich online zu stellen. Wie oben erwähnt, sind vor allem in westlichen Ländern die meisten Tabuzonen aufgehoben und das offene Sprechen über sein Sexleben wird heute nicht mehr als Grenzüberschreitung verstanden. Diese Konversationen sind jedoch weniger konkret als Bilder. Zudem spielen sie sich üblicherweise innerhalb eines vertrauten Freundeskreis ab und nicht in der uferlosen Welt des Internets.


Imagepflege. Selfies helfen ein bestimmtes Image zu erzeugen und ermöglichen einen hohen Einfluss darauf, wie man wahrgenommen werden möchte. Dass Bilder zur Imageerstellung genützt werden, ist kein neues Phänomen. Vor allem Herrscher nutzten verschiedene Medien (wie etwa Münzen, Büsten oder Gemälde), um das Bild, dass sich die Bevölkerung von ihnen machen sollte, zu steuern. Die ersten, uns heute bekannten, Bilder entstammen dem Volk der Sumer aus dem 3. – 4. Jahrtausend vor Christus. „Ein frühes sumerisches Beispiel ist die Stele des NaramSîn/Suen aus dem 3. Jahrtausend vor Christus. „Der König, der an Körpergröße die besiegten Feinde übertrifft, trägt eine Hörnerkrone, die ein Zeichen übernatürlicher Macht ist und im Alten Orient nur den Göttern zustand.“3 In den letzten fünftausend Jahren hat das Herrscher- und Politikerbild nichts an Popularität eingebüßt, was insbesondere in Diktaturen (siehe Nordkorea), aber auch bei demokratisch gewählten Politikern zu sehen ist. Dass auch Politiker dem Selfietrend folgen, ist spätestens seit der Trauerfeier von Nelson Mandela kein Geheimnis mehr. Eine Beerdigung mag nun nicht der politisch korrekte Ort für ein Selfie sein, nichtsdestotrotz zeugt der

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Hashtags

Gang mit dem Trend von Jugendlichkeit und Offenheit. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Selfie des Papstes, welches sofort als eine Öffnung des Vatikans für weltliche Impulse interpretiert wurde. Wie bereits erwähnt machen sich auch Stars Selfies zunutze, um mehr Kontrolle über die Steuerung ihres Image zu gewinnen. Sie werden zu einer Art Privatpaparazzi. Um den vorteilhaftesten Fotos mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, werden auch weniger Vorteilhafte gezeigt. Anders als bei Paparazzifotos wird die Kontrolle aber nicht abgegeben. Im Gegensatz zu den für Boulevard-Presse bestimmten Fotos, haften auch den nicht so hübschen Selfie-Porträts ein Charme an, der zwar von Unvollkommenheit zeugt, dafür aber Mut und Humor beweist. Die gleichen Mechanismen wirken aber auch außerhalb der Prominenten-Welt. So ist es absolut nicht unüblich, auch nicht ganz so schöne Selfies von sich ins Netz zu stellen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass man sein Selfie im klaren Bewusstsein onlinestellt, dass es zeitnah und unmittelbar betrachtet werden wird – ganz anders also, als Fotografien auf dem Kaminsims oder im Fotoalbum.


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Hashtags

Unbekannt, Selfie mit Papst und Jugendlichen, 2013


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Körper. (Halb)-Akte erfreuen sich innerhalb der Selfiekultur hoher Popularität. Die Entscheidung, sich selbst nackt darzustellen, war und ist immer radikal und mutig. Die Beweggründe sind vielfältig, sei es aus Neugier, aus Wut, als Provokation oder als Therapie. Doch anders als bei bisher bekannten Nacktdarstellungen mit Kunstbezug, erscheinen die Motivationsgründe für den Selfiehalbakt so eindimensional, wie die Variationen der Bildkompositionen. „I’m sexy and I know it“ gilt als Leitmotiv. Hier erreicht die narzisstische Motivation der Selfiefotografen ihren Höhepunkt. Humor und Selbstironie finden an dieser Stelle ebenso wenig Platz, wie das Thematisieren von Krankheit oder gar körperlichen Verfall. Währenddessen war vor allem der weibliche Selbstakt in der Kunst immer ein Mittel, um gesellschaftliche Schönheitsideale zu hinterfragen. Auch das Interesse an der eigenen Körper kann ein als wesentlicher Anstoß für die Darstellung der eigenen Nacktheit gelten. Dabei geht es immer um den persönlichen Blick auf das eigene Ich, auch in Bezug auf die Veränderungen, die der Körper durchläuft. „Sie her, wie schön und sexy ich bin!“ sollen die Selfieakte kommunizieren. Tun sie zumeist auch, doch die Botschaft


1. 2. 3.

Pfisterer, Ulrich & Von Rosen, Valeska: Der Künstler als Kunstwerk – Selbst‑ porträts vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgard : Phillip Reclam jun. GmbH & Co., 2006, S. 12 http://kultur-online.net/node/27579 (10.9.2014) http://de.wikipedia.org/wiki/Herrscherbild (10.9.2014)

Hashtags

ist weitaus tiefergehend, als sich manche der Fotografen bewusst sind. Grund dafür sind die benötigen Hilfsmittel zur Erstellung des Selfieganzkörperbildes: Spiegel und Kamera. Der Einsatz des Spiegels erzeugt eine intime Perspektive: Wir schauen mit den Augen des Fotografen auf dessen eignen Körper. Dadurch entsteht ein raffiniertes Spiel mit der Ambivalenz von Nähe und Ferne. Gesteigert wird das Spiel durch die auf den Betrachter gerichtete Kamera. Es ist also nicht nur der Fotograf, der auf sich selbst in den Spiegel blickt, sondern zugleich ist eine Kamera auf den Betrachter gerichtet. Doch nicht nur die Darstellung des eigenen nackten Körpers übt und übte auf Künstlerinnen eine hohe Faszination aus. Anders als bei Selbstakten, liegt hier der Fokus weniger auf Themen wie Krankheit und Altern, sondern konzentriert sich mehr auf die Darstellung von kraftvollen und schönen Körpern.


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Hashtags

Joan Semmel, Body & Sole, 2004


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BĂźcher, Ausstellungen, Installationen, Performances.


Umfeldrecherche Die Anderen

Angesichts der kurzen Lebenszeit des jungen Medienphänomens ist die Anzahl von Ausstellungen und Kunstpublikationen, welche sich dieser Thematik annehmen, noch überschaubar. Im Folgenden möchte ich auf ein Ausstellungsprojekt, zwei Installation, einen Performanceaufruf sowie einen Fotoband eingehen.


Self-Timer Stories. Das Österreichische Kulturforum New York zeigte diesen Sommer die Ausstellung Self-Timer Stories. Die, von Felicitas Thun-Hohenstein kuratierte, Gruppenausstellung enthielt österreichische Arbeiten im Zusammenspiel mit internationalen Positionen aus dem Bereich der erweiterten Fotografie. Leitmotiv dieser Zusammenstellung – der Titel lässt’s vermuten – ist die Herstellung einer Fotografie mittels „Selbstauslöser“. Die Ausstellung nimmt nicht zwar direkt Bezug auf den aktuellen Onlinetrend, ist aber eine Reaktion auf den Hype. Im Herbst wird die Ausstellung erweitert und unter dem Titel „Selbstauslöser“ im Museum der Moderne Salzburg zu sehen sein.

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National #Selfie Portrait Gallery. Im Rahmen der viertätigen zeitgenössischen Video-Kunst-Messe Moving Image kuratierten Kyle Chayka und Marina Galperina die National #Selfie Portrait Gallery. Insgesamt 19 junge Künstler aus den USA und Europa zeigen Videoarbeiten, die sich mit dem Themengebiet Selfies befassen. Die Bandbreite reicht hier von poetischen Internet Geständnissen über humorvolle Kommentare zu Exhibiti-


onismus bis hin zu experimentalen Medien Portraits. Die maximale Spiellänge der Videos ist auf 30 Sekunden limitiert. Die Installation auf der Kunstmesse besteht aus einem horizontalen und einem vertikalen Bildschirm, welche die unterschiedlichen Videos abwechselnd zeigen.

Umfeldrecherche

Art in Translation: Selfie, The 20/20 Experience. Die Installation von Patrick Specchio wurde im Frühjahr 2013 in New York ausgestellt. Sie greift gleich zwei Aspekte meiner Ausstellung auf. Der augenscheinliche Bezug ist Thematisierung der Selfies. Zudem ist der Besuch der Installation mit einer Aufzugsfahrt verbunden. Die Besucher betreten den Fahrstuhl in der Lobby, um anschließend damit ein Stockwerk hinunter zu fahren. Sobald sich die Türen öffnen, erblickt man einen Ganzkörperspiegel. Vor dem Spiegel befindet sich eine Kompaktkamera, welche mit einem Laptop in unmittelbarer Nähe verbunden ist. Die geschossenen Fotos können sogleich auf Facebook gepostet werden. Specchio ist der Ansicht, seine Installation würde die Besucher dabei unterstützen sich sexy zu fühlen und ihnen dadurch auch zu mehr Selbstwusstsein verhelfen.


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#Museum Selfie Day. Mar Dixon, Gründerin des Kulturblogs „culturethemes“, ernannte den 22. Januar zum weltweiten #Museum Selfie Day. Sie ruft Besucher diverser musealer Einrichtungen dazu auf, Selfies zu machen und diese anschließend mit entsprechenden Hashtag auf twitter zu posten. Damit berührt sie ein heikles Thema. Zahlreiche Museen haben in den vergangenen Jahren das Fotografierverbot aufgehoben, weil dies nicht mehr zeitgemäß erscheint. Darüber hinaus wird, durch das obligatorische Posten der Fotos, der Bekanntheitsgrades der Ausstellungen/Museen gesteigert. Zudem erhofft man sich, durch Zulassen des Fotografierens, eine Steigerung des Unterhaltungswertes der Ausstellung, was dem aktuellen Zeitgeist von Kunstvermittlung entspricht. Da jedoch viele Besucher das Blitzverbot missachteten sowie, auf Suche nach dem spektakulären Selfie, oftmals Werke beschädigen, wurde mehrmals nachträglich erneut ein Fotografierverbot eingeführt. Ein weiteres Argument gegen Kameras in Museen vertritt Matthias Henkel. Er sieht den kamerafreien Raum als eine Chance zur entschleunigten und konzentrierten Auseinandersetzung mit den Kunstwerken.


Umfeldrecherche

Social Network Photography: Heute schon Bilder hochgeladen? An Insight into the Worldwide Facebook Generation. Bereits im September 2011 erschien im Gofresh Verlag das Buch Social Network Photography und war somit sicherlich eine der ersten Publikationen, die den Trend der Internetfotografie genauer untersuchte. Im Buch Social Network Photography dokumentieren Laura Piantoni und Sabine Irrgang jedoch nicht nur die Selbstporträts der sozialen Neztwerke, sondern auch andere verbreite Sujets, wie etwa Fotos von Speisen oder Haustieren. Diese Sujets sind in zehn Kapitel unterteilt, manche von ihnen haben auch Unterkapiteln. Mit den ausgewählten Überschriften haben die Autorinnen zugleich eine Klassifikation der Social Network Photography geschaffen: Mit Titeln wie „Arm’s Length“, „Me in the Mirror“, „Location“ oder „Stylez“ und „My Tattoo“ lässt sich eine durchdachte Systematik erkennen. Zugleich wird der Wandel der Social Media Fotografie der letzten drei Jahre sichtbar gemacht.


Entworfen, um die Vorurteile der oberen Mittelschicht zu beherbergen und ihr Selbstbild zu steigern.


Austellungsdesign Von der geplanten Atmosphäre zum narrativen Raum

Ausstellungen zu gestalten, wird heute in zunehmenden Maße, als eine wichtige Form des kreativen Ausdrucks verstanden. Ausstellungsdesign ist interdisziplinär und seine Grenzen sind schwer zu fassen. „Auszustellen“ bedeutet, etwas zur Schau zu stellen, anzubieten, Objekte oder Kunstwerke zu zeigen. Das Gestalten einer Ausstellung konzentriert sich vor allem auf den Inhalt der auszustellenden Arbeiten und ihre Anordnung in einer bestimmten Reihenfolge, damit sie in ihrer Beziehung zueinander und unter Berücksichtigung der Betrachtungssituation interpretiert werden können.


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Ausstellungsdesign vermischt sich heute mit künstlerischen Richtungen wie Umweltkunst, Performance und Installationskunst und ist eng verknüpft mit Innenarchitektur, Grafikdesign und Beleuchtung und hat immer häufiger auch mit Film, Mode, Werbung und den neuen Medien zu tun. Das Design einer Ausstellung berücksichtigt vor allem den einfachen Dialog zwischen dem oder den ausstellenden Objekten und dem Raum, in dem diese präsentiert werden: Der Standort der Objekte und ihre Anordnung entscheiden darüber, welche Botschaft sie vermitteln. Im Mittelpunkt jeder Ausstellung steht die Absicht zu kommunizieren und der Designer konzentriert sich darauf, die beabsichtigten Botschaften angemessen zu vermitteln. Durch die klare Abfolge räumlicher Beziehungen bringt er dabei den Inhalt der Kunstwerke und die gewünschte didaktische Interpretation zum Ausdruck. Bei einer Ausstellung werden Kunstwerke neu interpretiert. Die Deutung der ausgestellten Objekte verändert sich je nach Kontext und Art der Präsentation. Das Ausstellungsdesign der ersten Museen (etwa das Britsh Museum oder das Louvre) hatte zum Ziel, möglichst viele Bil-


Ausstellungsdesign

der gleichzeitig zu präsentieren. Dies führte zu düsteren, überhäuften Innenräumen, in denen die Gemälde die gesamte Galeriewand bedeckten. Die Entwicklung der abstrakten Kunst brachte eine neue Ästhetik hervor, die den Anstoß dazu gab, das Ausstellen als Teil dieser Erfahrung werden zu lassen. Dies führte dazu schlussendlich aber auch zur einer Normierung der Ausstellungsräume. Weiße Wände und minimalistische Details bestimmen die keimfrei anmutende Atmosphäre der Museen und Galerien für moderne Kunst. Diese „geplante Atmosphäre“ repräsentiert für viele so etwas wie Elitismus, entworfen um die Vorurteile der oberen Mittelschicht zu beherbergen und ihr Selbstbild zu steigern.1 Inzwischen umfasst das Ausstellungsdesign mehr als die Gestaltung einer Ausstellung. Der Trend kulturelle Ereignisse anhand ihres wirtschaftlichen Erfolgs zu messen, führte dazu, dass Ausstellungsdesign heute die Gesamtkommunikation der Ausstellung umfasst. Dazu gehört die Entwicklung einer ganzen Reihe an Produkten – Bücher, Merchandise-Artikel, Filme, CDs, etc. Das Gestalten der tatsächlichen Ausstellung ist nur eine Komponente eines komplexeren Ereignis-


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ses, bei dem alles aufeinander abgestimmt ist. Kunst verwandelt sich dabei zu Konsumgütern und Konsumgüter werden zur Schau gestellt, als wären sie Kunstgegenstände. Da Museen und Galerien heute auf einem immer anspruchsvolleren und wettbewerbsfähigeren Freizeitmarkt reagieren (müssen), gewann die Betonung des narrativen Raums an Bedeutung. Im zeitgenössischen Ausstellungsdesign wird es zunehmend wichtiger, ein fesselndes, lohnendes „Erlebnis“ zu schaffen. Ausstellungen werden heute als kommerzielle Marken begriffen. Dass Kunst und ihre Präsentation nach ökonomischen Maßstäben bewertet wird, ist sicherlich eine signifikante Fehlentwicklung. Die positiven Nebeneffekte, nämlich der zunehmend narrative Ausstellungsraum, der zudem sicherlich auch bessere Vermittlungsarbeit leistet, sind aber nicht zu leugnen.

1. Dernie, David: Ausstellungsgestaltung – Konzepte und Techniken. Ludwigs‑ burg : avEdition, 2006, S. 30


Ausstellungsdesign



Umsetzung


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Bilderflut, Rastlosigkeit, Reizüberflutung, Beschleunigung, Spontanität.


Konzeption Die Analogisierung des Internets

Ich befragte Selfies auf einer konzeptionellen Ebene, um so herauszufinden, wie ein entsprechendes Ausstellungsformat aussehen könnte. Es kristallisierte sich heraus, dass ich zwei unterschiedliche Gesichtspunkte in der Ausstellung thematisieren möchte. Der naheliegende Aspekt war natürlich jener der Selfies selbst. Darüber hinaus wollte ich aber auch den natürlichen Lebensraum der Selfies – das Internet – zum Thema machen. Ich versuchte, folgende Aspekte des Internets durch die räumliche Umsetzung sowie durch meinen Kurationsansatz zu visualisieren: Bilderflut, Spontanität, Rastlosigkeit, Reizüberflutung, Beschleunigung.


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Kuration. Beim Kurationsprozess spielten sowohl formale Aspekte der Selfies, als auch die Thematik des Internets eine Rolle. Wie bereits beschrieben, analysierte ich sehr viele unterschiedlichste Selfies und im Zuge dessen Hashtags definiert (Selbstbildnis, Imagepflege, Körper, Grenzüberschreitung, Jugend und Spiegel). Diese Hashtags leiteten mir den Weg durch die Bilderauswahl. Bei der Auswahl der Bilder ging ich sehr rasch vor, womit ich die typische Unbefangenheit und Spontanität von Bloggestaltern thematisieren wollte. Eben wie eine Bloggestalterin wählte ich impulsiv Bilder aus, welche ich mit den Hashtags assoziierte. Dabei entstand ein bunter Mix von Selbstporträts der ersten Stunde über die Anfänge der Fotografie bis hin zu Smartphonebildern von heute. Die Auswahl zeigt in erster Linie Fotoarbeiten, aber auch Gemälde, Videostills, Skulpturen, und Dokumentationen von Performances. Ich kombinierte dabei die Arbeiten bedeutender Künstler mit Populärkultur und Auftragsarbeiten, ohne dabei eine Hierarchie unter den Werken herzustellen. Dadurch ergiebt sich eine insgesamt etwas unkonventionelle Zusammenstellung der Ausstellungsobjekte, die vor allem meine persönliche


Sichtweise auf das Thema widerspiegelt. Die finale Zusammenstellung würde vermutlich keiner kulturwissenschaftlicher Begutachtung standhalten, scheint mir aber dennoch als richtig, da sie eben ein etwas der Zwanglosigkeit der Netzkultur in einen analogen Ausstellungsraum transferiert.

Konzeption

Räumliche Umsetzung. Das Herzstück der Ausstellung ist aber sicherlich die räumliche Umsetzung. Hierbei wollte ich auf den Bilderkonsumverhalten im Internet verweisen. So wählte ich als Ausstellungsort einen Aufzug. Der Fahrstuhlschacht stellt die Präsentationswand dar, die Kabine bietet Raum für Information zur Ausstellung. Dieses Format der Ausstellung ermöglicht es, dass die Besucher an den Werken vorbeifahren, ohne dass sie das Tempo kontrollieren können. Auf der kleinen Ausstellungsfläche werden viele Bilder sehr dicht gehängt. Die Dichte und die Geschwindigkeit erzeugen eine Reizüberflutung und Hektik, die auf das Überangebot an Informationen des Netzes und beschleunigte Tempo der Generation Y verweisen.


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Logo, Farben,Typografie, Poster, Website.


Visuelle Kommunikation Pantone 485, Brix Sans & Arnhem

Wie eingangs beschrieben, wollte ich in meinem Bachelorprojekt die beiden Studienbereiche Grafikdesign und Fotografie verbinden. Während der Fotografieteil theoretischer Natur ist, ist der Grafikdesignteil anwendungsorientiert. Dabei kam ich mit mehreren unterschiedlichen Aspekten des Grafikdesigns in Berührung. Die wichtigste Aufgabe war das Entwerfen einer visuellen Identität für die Ausstellung. Als Kommunikationsmedium wählte ich die Form der Website, welche ich konzeptionierte und – der gewählten Designlinie entsprechend – gestaltete. Darüber hinaus gab es die Herausforderung der räumlichen Umsetzung. Das visuelle Erscheinungsbild sollte zeitgenössisch, frisch und modern wirken – Attribute, die auch dem Selfietrend zuzuordnen sind. Zudem wollte ich auch den ungewöhnlichen Ausstellungsraum kommunizieren.


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Logo. Der Titel der Ausstellung sollte natürlich auf das Leitmotiv der Ausstellung – das Selfie – verweisen. Zugleich sollte der Titel kommunizieren, dass das klassische Selfie nur den Ausgangspunkt für eine wesentlich vielfältigere Bildzusammenstellung darstellt. So kam ich auf die Idee, die Ausstellung #selfiextended zu nennen. Das vorangestellte Rautezeichen bezieht sich auf die Hashtags, mit denen Selfies zumeist versehen werden. Um die Erweiterung nicht nur textlich zu kommunizieren, habe ich die Spationierung der Buchstaben des Wortteils „extended“ erhöht. Das Erweiterung des Kernings ist dabei exponential ansteigend und variabel. Ergänzend zum Logo gibt es drei verschiedene Claims, die das Interesse potenzieller Besucher wecken soll. Diese lauten: Irgendwas zwischen Selbstfindung/Hype/Exhibitionismus und Narzissmus/Kulturgut/ Voyeurismus.


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ABCDEFGHIJKLMN OPQRTUV W X YZ abcdefghijklmn opqrsßtuvwxyz 123456890 The quick brown fox jumps over the lazy dog. Brix Sans Bold: Headline

ABCDEFGHIJKLMN OPQRSTUV W XYZ abcdefghijklmn opqrsßtuv w x yz 1234567890 The quick brown fox jumps over the lazy dog. Arnhem Normal: Headline

ABCDEFGHIJKLMN OPQRSTUV W XYZ abcdefghijklmn opqrsßtuv w x yz 1234567890 The quick brown fox jumps over the lazy dog. Arnhem Blond: Headline


Visuelle Kommunikation

Typografie. Als Headlinefont (welche auch beim Logo eingesetzt wird) verwende ich die Brix Sans Bold. Dazu kombinierte ich die Arnhem, welche ich sowohl für den Fließtext als auch als zusätzliche Headlinefont verwende. Lesetexte setze ich im Schriftschnitt Blond und beim Einsatz als Headlinefont verwende ich den leicht schwärzeren Schnitt Normal.


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Poster. Die erste Entscheidung bezüglich der Postergestaltung betraf das Format: dieses sollte unüblich schmal sein. Damit wollte ich auf den ungewöhnlichen Ausstellungsraum verweisen, welcher ja auch nur aus einer langen Fläche besteht. Das zentrale Element des Posters ist der Claim, welcher mittig und in großer Schriftgröße gesetzt wird. Nach jedem der fünf Wörter ist ein Zeilenumbruch. Der Zeilenabstand sowie die Ausrichtung ist variabel und auf jeden Poster unterschiedlich. Damit wollte ich mehr Dynamik erzeugen und auf die Hängung der Bilder verweisen, welche ähnlich rasterlos funktioniert. Zudem gibt es unten links einen Informationsblock, welcher über Ausstellungsdatum, –ort und Website informiert. Das Logo ist links oben platziert.


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Website. Den Aspekt der langen Ausstellungsfläche habe ich auch die Gestaltung der Website einfließen lassen und mich deshalb für eine Singlepage entschieden. Da die Seite jedoch zugleich übersichtlich bleiben soll, sind die einzelnen Menüpunkte dennoch deutlich von einander separiert. So kommt man zwar durch hinunterscrollen von einem Kapitel zum nächsten, hakt dann aber auf der nächsten Kapitelseite wieder ein. Zudem gibt es die Möglichkeit eines Buttons in Form eines nach unten gerichteten Pfeils (der zugleich Information über die Navigationsrichtung gibt), um ohne zu scrollen zur nächsten Seite zu gelangen. Darüber hinaus gibt es ein Navigationssymbol, welches beim Klicken ein Menü öffnet. Dieses legt sich ganzflächig über die Website und ermöglicht das direkte Ansteuern der einzelnen Pages. Die Gestaltung der Website ist sehr minimalistisch und setzt den Fokus auf den Inhalt. Auf jeder Seite befindet sich oben links das Logo sowie am rechten Rand der Titel des Menüpunktes, welcher um 90° gedreht ist. Die Website besteht aus folgenden fünf Menüpunkten: Intro, Vorwort, Einleitung Bilder, Ausstellung. Das Intro zeigt Claim, Logo und Ausstellungsdatum.


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Das Vorwort erklärt kurz und knapp, worum es bei selfiextended geht. Die Einleitungsseite stellt eine Erweiterung der Ausstellung dar. So können interessierte Besucher an dieser Stelle die gesehene Ausstellung kontextualisieren, ähnlich den Textseiten in einem Ausstellungskatalog. Die umfassendste Seite ist jene der Bilder. Anders als in der Ausstellung kann hier der User das Tempo selbst bestimmen. Zudem erfährt er, per Klick auf das Bild, mehr über Künstler, Titel und zugewiesene Hashtags. Die Ausstellungsseite zeigt dokumentarische Bilder der Ausstellung und ist insofern vermutlich besonders für jene Menschen, welche die Ausstellung (noch) nicht besucht haben, von Interesse. Zudem gibt es noch den Menüpunkt Kontakt, der keine eigene Seite öffnet, sondern die Konaktdaten innerhalb des Menüs einblendet.


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Ausstellungsgestaltung. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten und der einzuhaltenden Brandschutzverordnung waren die Möglichkeiten der Ausstellungsgestaltung sehr eingegrenzt. Da die Wand des Aufzugschachts auf der zum Gebäude gewandten Seite regelmäßige Tür-Unterbrechungen hat, beschloss ich nur die andere Seite zu bespielen. Diese lange Wand diente als Ausstellungsfläche. Wie bereits im Punkt Bildgestaltung beschrieben, wollte ich keine hierarchische Ordnung der Bilder entstehen lassen. Deswegen werden alle Bilder in der gleichen Größe gezeigt. Die Aufzugskabine informiert den Besucher über die Ausstellung. Die linke Wand nütze ich für den Claim sowie das Logo. Ein kurzer Infotext auf der rechten Wand vermittelt worum es in dieser Ausstellung geht. Ergänzt dazu gibt es ein Begleitheft, das weitere, umfassendere Infotexte enthält. Die Ausstellungswand sowie die Kabine sind neutral Weiß. Um einen Kontrast dazu zu bilden, hat der Boden die Corporate Design Farbe Rot. Um den vermutlich nichtsahnenden Besucher auf die Ausstellung vorzubereiten, sind zudem die Außenseiten der Lifttüren mit dem Logo gebrandet.



Danke

Univ.-Prof. Christina Frank A.Univ.-Prof. Mag.art. Gerhard Umhaller Michaela Lauks Kurt GroĂ&#x;kopf Daniel Just


Hoch- und Popul채rkultur geben sich ein Stelldichein im Fahrstuhl.


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