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Plattenrezensionen Blues Pills
Holy Moly! Sechs Jahre nach ihrem grandiosen gleichnamigen Debüt-Album und vier Jahre nach ihrem zweiten Langspieler „Lady In Gold“ erscheint endlich die lang ersehnte dritte Scheibe der Blues Pills: „Holy Moly!“ wurde sie getauft, und genau wie ihre Vorgänger überzeugt sie - auch äußerlich – durch ein liebevoll gestaltetes Artwork. Personell hat sich, seit „Lady In Gold“ einiges verändert. Der bisherige Bassist Zack Anderson wurde kurzerhand zum neuen Gitarristen umfunktioniert und mit Kristoffer Schander wurde ein neuer Mann am 4-Seiter eingestellt. Dementsprechend groß ist auch die Spannung, wie sich das Personalkarussell auf den Sound auswirken wird.
Die erste Singleauskopplung „Proud Woman“ wurde bereits im März, pünktlich zum Weltfrauentag, veröffentlicht und ist gleichzeitig der Opener auf dem Album. Eine stolze Elin Larsson schafft hier eine neue Hymne für alle stolzen Frauen dieser Welt. Gleichzeitig macht die Band direkt deutlich mit welcher Energie wir rechnen dürfen. Und mit Energie geht es auch weiter. Die ersten Songs gehen direkt in die Vollen und lassen dem Hörer kaum Luft zum Durchatmen. Exemplarisch wäre hier „Low Road“ zu nennen, bei dem man sich schlagartig in einer wilden Verfolgungsjagd bei Höchsttempo wiederfindet. Während die Musiker auf ihren Instrumenten quer durcheinander rasen, hält eine starke Elin Larsson die Zügel fest in der Hand und gibt dem Ganzen damit einen unglaublichen Drive und volle Dynamik. Doch auch die ruhigen Töne finden immer wieder Ihren Platz und überzeugen auf ganzer Linie. Mit Songs wie „California“, „Dust“, oder „Whish I´d Know“ zeigt die Band endgültig, dass Sie zu den Großen ihres Genres gehört. So versteht sie es die Stimmung in den Stücken perfekt auf den Zuhörer zu übertragen und ihn tief in die Songs eintauchen zu lassen. Besonders Sängerin Elin Larsson glänzt und zeigt, dass Sie noch reifer geworden ist und ihren Dynamikumfang nochmals erweitern konnte. Chapeau! Apropos Dynamikumfang: Der zeichnet dieses Album wahrlich aus. Die Lieder variieren in ihrem Tempo und spielen mit den verschiedensten Rhythmen. So entwickelt sich ein Sound, der sich nicht mit einfachen Standard-4/4-Takten begnügt, sondern auch mal kantige, manchmal schon unkonventionelle Wege geht. Das Resultat sind ehrliche und mitreißende Stücke, wie z.B. „Song From A Mourning Dove“, „Rhythm In The Blood“ oder „Kiss My Past Goodbye“. Der Hauptgrund für diese Dynamik ist auch das großartige Zusammenspiel aller Instrumente und der Platz, der ihnen auch für instrumentale Alleingänge gelassen wird. Dieser Platz war leider beim Vorgänger „Lady In Gold“ etwas ins Hintertreffen geraten. Vielleicht liegt dies auch daran, dass „Holy Moly!“ diesmal im eigenen Tonstudio aufgenommen und von der Band in Eigenregie produziert wurde. Im Übrigen wurde das Album zu 100 Prozent analog aufgenommen, was sich besonders im Sound bemerkbar macht und den Songs den besonderen Klang gibt. Zwischendurch wähnt man sich in einer längst vergangenen Zeit und vergisst dabei völlig, dass es sich hier um eine Scheibe aus dem Jahr 2020 handelt. Letztlich ist „Holy Moly!“ ein in sich sehr stimmiges Album. Eines, das den Zuhörer abholt, mit auf die Reise nimmt und dann ganz behutsam wieder absetzt.
Von Stephan Heuer