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HERZKLOPFEN 2.0 WIE JUNGE MENSCHEN HEUTE LIEBE DEFINIEREN

Ein Gastbeitrag von Vanessa Frontzeck

Ich arbeite seit über 16 Jahren mit Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern – ob in Schulen, therapeutischen Wohngruppen oder als Jugend- und Familiencoach. Dadurch erfahre ich tagtäglich von den Themen, die junge Menschen beschäftigen. Ein zentrales Thema ist dabei natürlich auch die Liebe. Doch was bedeutet Liebe heutzutage eigentlich?

„Der ist toxisch“, „die ist viel zu anstrengend“, „die hat mich einfach geghostet“ … das sind Aussagen, die in Gesprächen mit jungen Menschen häufig fallen. Ist es wirklich so einfach? Ist die andere Person der Grund, warum es nicht funktioniert? Der Zugang zur Gefühlswelt fällt heute oft schwer. Wissenschaftler:innen weisen darauf hin, dass eine zunehmend piktographische Reduktion der Emotionen, sprich Emojis, die Darstellung komplexer Gefühlsäußerungen erschwert. Durch gefilterte Darstellungen in den sozialen Medien und Hemmungen, wahre Gefühle zu zeigen, ist es schwieriger geworden, selbst noch zu wissen, was man will oder fühlt. Der Druck nach außen hin zu performen, ist hoch.

Ich kenne viele junge Menschen, die das Gefühl haben, Beobachtende ihres eigenen Lebens zu sein und die keine Ahnung haben, welche Rolle sie eigentlich einnehmen könnten. Das war früher ein wenig anders. Die Anzahl potentieller Partner:innen war limitierter. Es gab weder Dating-Apps, noch Instagram-Nachrichten oder Snaps und somit bot sich diese Breite an Kontakten zu anderen Menschen nicht. Dadurch, dass es keine digitalen Spots gab, war auch der Fokus der jungen Menschen weniger auf das gelegt, was in der großen, weiten Welt passiert. Die Jugendlichen setzten sich mehr mit ihrer direkten Umgebung auseinander. Allerdings konnten sie dafür weniger frei entscheiden, wie ihr Leben aussehen soll. Da gab es häufig einen vorgezeichneten Weg; das hat sich spätestens im Zuge der Globalisierung gewandelt. Heute möchten sich junge Menschen nicht unbedingt festlegen, sondern frei sein. Und das hat ja durchaus auch Positives!

Alex (21) aus Kempten berichtet aber auch von den negativen Folgen, die das mit sich bringt: Viele Mädels, die er datet, „sind weniger auf Beziehung aus; sie möchten reisen und sich selbst entdecken“. Seiner Beobachtung nach schmeißen viele Gleichaltrige Beziehungen schnell weg, wenn das Gegenüber nicht so aussieht, wie in den sozialen Medien. Außerdem werden die Möglichkeiten im großen Stile ausgecheckt – da wird mit drei, fünf, … zwölf anderen gleichzeitig getextet, um herauszufinden, welche Option die Beste ist. Der Aufwand, der früher notwendig war, um jemanden kennenzulernen, war höher. Heute reichen Swipes oder Likes und schnell ist man im Gespräch und somit im Dschungel der Möglichkeiten.

Richard (31) bemängelt fehlende Ehrlichkeit. Seiner Meinung nach belügen sich viele selbst, da sie sich bestmöglich darstellen wollen. Das war sicherlich früher auch ein Thema, nur gab es weniger Bewertung durch die digitale Masse. Geprägt von Hektik und Hetze der heutigen Zeit, vermisst er die Geduld im Beziehungskontext. Geduld mit dem Gegenüber, aber auch mit sich selbst. Außerdem hebt er hervor, dass die Bequemlichkeit ein großes Problem in zwischenmenschlichen Beziehungen darstellt. Junge Menschen würden seiner Meinung nach keine anstrengende Partnerschaft wollen. Aber: Anstrengung ist wich tig – auch in Beziehungen. Das hebt eine Verbindung auf ein anderes Level – die Verbindung zueinander, aber auch zu sich selbst! Denn dort, wo mich jemand anderes stresst, habe ich viel leicht ein eigenes Thema, das ich mir anschauen und dadurch wachsen darf!

Vielleicht ist das der Schlüssel? Bei uns selbst anfangen! Ein gu ter Schritt für uns alle ist dabei, in uns hineinzuhören: Wir wissen doch eigentlich tief im Inneren, was uns guttut. Wir dürfen wieder mehr uns selbst vertrauen und auf unsere Intuition hören. Lasst euch überraschen, in welcher Form eure Liebe aufblüht – ob in einem Hobby, der Natur, sozialem Engagement, Freundschaften oder einer Partnerschaft.

Es ist sicherlich eine große Aufgabe für junge Menschen, die Werte der Liebe mit den Möglichkeiten von heute in Einklang zu bringen. Wie Alex und viele weitere junge Menschen aber zeigen, sind die Voraussetzungen gegeben.

WAS BEDEUTET LIEBE FÜR DICH? WIR HABEN NACHGEFRAGT

„Liebe ist für mich etwas Einzigartiges und auch das Schönste auf der Welt! Ohne Beziehung ist das Leben auch schön, aber man merkt, wenn man jemanden an seiner Seite hat, ist es einfach noch viel schöner.“
Salvatore Manfredi (21) aus Kempten

„Verbundenheit, Vertrauen und die Bereitschaft, für jemanden da zu sein, sowohl in glücklichen als auch schlechten Zeiten. Es ist eine emotionale Bindung, die Wachstum und Unterstützung fördert. Liebe ist ein ständiger Austausch von Respekt und Verständnis, der durch gemeinsame Erlebnisse und geteilte Freuden gestärkt wird. Liebe ermöglicht ein tieferes Verständnis für sich selbst und den anderen.“
Lea Mühlegger (23) aus Kempten

„Liebe ist für mich, verstanden zu werden, ohne verurteilt zu werden. Liebe ist, zu reparieren anstatt wegzuschmeißen und zu ersetzen. Liebe ist, zusammen zu wachsen!“
Baba Lamine (25) aus Kempten/Ravensburg

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