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SELBST BEI MINUSGRADEN AUF DEM SATTEL FROSTPENDLER STEFAN WISSMÜLLER IM INTERVIEW
from 0831 (01/02.2024)
von Amelie Klein
Die Mitglieder des Community-Events „Frostpendeln” haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Radfahren auch im Winter attraktiv zu machen. Mit über 1.670 Teilnehmenden sorgen die passionierten Radpendler:innen seit 2020 für Gemeinschaft, Spaß und mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Stefan Wißmüller aus Freidorf bei Rettenberg ist Teil der Frostpendler-Community und hat mit den „Allgäuer Schneeradlern” seine eigene regionale Gruppe gegründet. Gemeinsam wollen sie aufzeigen, dass Radfahren auch bei kaltem Wetter möglich ist. Wir haben Stefan, der sich auch beim ADFC Kempten-Oberallgäu engagiert, nach seinen persönlichen Beweggründen gefragt und ihn um ein paar Tipps und Tricks für das sichere und gesunde Radfahren im Winter gebeten.
Seit wann fährst du im Winter Rad und warum hast du damit angefangen?
Nach vielen ‚Autojahren‘ habe ich vor circa zwölf Jahren wieder mit dem Radfahren angefangen. Ausschlaggebend war ein Arztbesuch, bei dem ich mehr Bewegung verordnet bekommen habe. Zuerst bin ich nur im Sommer bei Ausflügen geradelt.
Später, als ich in die Nähe meines Arbeitsplatzes gezogen bin, habe ich angefangen, das Fahrrad in meinen Alltag zu integrieren und bin immer öfter damit zur Arbeit gefahren. Seit etwa zehn Jahren fahre ich das ganze Jahr über Rad, also auch bei Regen, Eis und Schnee.
Wie ist die Gruppe ‚Allgäuer Schneeradler‘ entstanden, wer macht mit und vor allem: Kann man noch einsteigen?
Frostpendeln wurde mir damals über Facebook vorgeschlagen. Ich fand die Aktionen gut, weil sie der Politik und den Verkehrsplanern zeigen, dass auch im Winter gepflegte und geräumte Radwege notwendig sind. Weil ich die Idee so toll fand, habe ich meine eigene Gruppe gegründet, die ‚Allgäuer Schneeradler‘. In diesem Team sind Freunde, Familie und Bekannte von mir, aber auch einige, die ich vorher noch nicht kannte. Die Aktion läuft noch bis zum 29. Februar 2024. Interessierte können also gerne noch Teil unserer Gruppe werden. Auf der Plattform kann man auch Nachrichten an andere Mitglieder schreiben, um beispielsweise private Touren mit anderen zu planen. Es sind bei uns durchaus interessante Persönlichkeiten dabei.
Wie hoch schätzt du das Gefahrenpotential beim Fahren auf Eis und Schnee ein?
Natürlich muss man im Winter besser aufpassen und auch die Geschwindigkeit den Verhältnissen anpassen. Aber ich habe im Winter auch nicht mehr Stürze als in den warmen Monaten. In meiner ganzen ‚Fahrradkarriere‘ bin ich zweimal im Winter gestürzt und hatte außer blauen Flecken und Kratzern am Fahrrad nichts. Im Schnee fällt man meistens sanfter. Mit der Zeit bekommt man Routine und Erfahrung und fährt vorausschauender. Mittlerweile fühle ich mich auch im Winter sicher auf dem Fahrrad.
Die Gefahr beim Radfahren sehe ich eher in manchen rücksichtslosen Autofahrern. Ich habe das Gefühl, dass im Winter noch aggressiver gefahren wird als im Sommer. Manche Autofahrer haben einfach kein Verständnis, wenn ich auf der Fahrbahn fahre, weil die Radwege nicht geräumt sind oder der Schnee von der Fahrbahn auf den Radweg geräumt wurde.
Wie bereitet man sich am besten auf das Radfahren bei Kälte vor? Braucht man besondere Kleidung oder Ausrüstung?
Für die Übergangszeit benutze ich ganz einfache Gartenhandschuhe, mein Jeanshemd und ein Tuch unter dem Helm und bin damit zufrieden. Wenn es kälter wird, rüste ich nach dem Zwiebelprinzip auf, sodass ich mich immer wohl fühle. Solange ich in Bewegung bleibe, friere ich nicht.
Bei der Fahrradausrüstung habe ich schon viel ausprobiert und bin bei einem Fatbike mit Stollenreifen gelandet, weil ich damit auf verschneiten Wegen am besten zurechtkomme. Neben den richtigen Reifen sind auf jeden Fall eine gute Beleuchtung und der richtige Luftdruck wichtig. Wenn viel Schnee liegt, kann der Luftdruck auch etwas niedriger sein, um eine bessere Bodenhaftung zu gewährleisten. Außerdem ein Putztuch, um die Kette am Ziel abzuziehen und das Salzwasser abzuwischen. Reifenpannenspray funktioniert bei sehr niedrigen Temperaturen nicht mehr, es hat dann eher die Konsistenz von Grießbrei – das kann man im Winter getrost zu Hause lassen.
ICH FAHRE AUCH IM WINTER ÜBER 100 KILOMETER IN DER WOCHE MIT DEM RAD UND BIN KERNGESUND
Wie schaffst du es trotz der Kälte im Winter gesund zu bleiben?
Ein Leben ohne Bewegung ist viel ungesünder als Radfahren im Winter. Sport ist auch bei Kälte gesund, wenn man seine Grenzen kennt und nicht übertreibt. Es ist wichtig, das Tempo oder die Belastung dem Wetter und der Temperatur anzupassen. Ganzjährige Bewegung an der frischen Luft macht widerstandsfähiger. Früher war ich selten lange draußen und war öfter erkältet. Jetzt fahre ich auch im Winter über 100 Kilometer in der Woche mit dem Rad und bin kerngesund. Wichtig ist, dass man sich nicht überanstrengt, wenn man erkältet ist – das holt einen immer wieder ein.
Welche Vorteile hat das Radfahren im Winter für dich?
Ich genieße die Ruhe auf den Wegen, denn es ist meistens weniger los. Die Landschaft ist wunderschön und vor ein paar Tagen haben Kinder auf meiner Strecke einen Schneemann auf der Wiese gebaut. Das sind meine kleinen Freuden im Alltag. Es macht einfach Spaß, wenn ich alleine auf dem Illerdamm am Stau des Berufsverkehrs vorbeifahren kann. Übrigens hat sich auch mein Einkaufsverhalten mit dem Fahrrad stark verändert. Früher bin ich viel mit dem Auto zu Discountern und Supermärkten gefahren, weil ich dort einen Parkplatz hatte. Heute kaufe ich viel im Städtle bei Fachgeschäften ein, weil ich überall ‚meinen Parkplatz‘ habe.
Warum würdest du anderen empfehlen, beim Frostpendeln mitzumachen?
Wenn du zeigen willst, dass man auch im Winter Rad fahren kann, wenn du Spaß an Bewegung an der frischen Luft hast, wenn du etwas für deine Gesundheit tun willst oder wenn du einfach nach der Arbeit beim Radfahren den Kopf frei bekommen willst, dann bist du bei den Allgäuer Schneeradlern genau richtig. Und ganz nebenbei kannst du den Verkehrsplanern und Politikern zeigen, dass wir auch im Winter gepflegte Radwege brauchen. Vielleicht kann ich am Ende sogar meine Frau überreden, die Allgäuer Schneeradler zum gemeinsamen Kässpatzenessen einzuladen ;-).