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SOUL BABIES - EXKLUSIV IM INTERVIEW

SOUL BABIES - LIVE AM 06.01.24 IM KÜNSTLERHAUS

Vor 20 Jahren spielten die Soul Babies unter dem Titel „Musik auf dem Boden der Tatsachen“ das allererste Live-Konzert im Künstlerhaus. Bis zur Corona-Unterbrechung waren Sänger und Pianist Murat Parlak, Bassist Christian Hof und Schlagzeuger Claus Barensteiner dort jedes Jahr zu Gast, um Klassiker der Rock- und Pop-Geschichte zu spielen. Durchaus erwartbar finden sich im Repertoire bewährte Klassiker von Billy Joel, Elton John, Robbie Williams und Frank Sinatra. Ungewöhnlich sind Interpretationen zeitloser Songs von Radiohead, Oasis, Police und Depeche Mode. Gewagt sind die klanggewaltigen Arrangements treibender Hits von Kings of Leon, Nirvana, Massive Attack, Muse, Buggles, Survivor und sogar Grace Jones. Ein Trip durch 50 Jahre Musiklandschaft und 30 Jahre Bandgeschichte eines ungewöhnlichen Pianorock-Trios.

Natürlich sollte man auch diesmal frühzeitig vor Konzertbeginn anreisen, um einen guten Sitzplatz zu ergattern. Wie immer wird die Band auch diesmal nicht ganz pünktlich beginnen. Und wie immer wird der Konzertabend am Schluss zu einem verdienten Ende kommen, da der Sänger und Pianist der Soul Babies anschließend noch einen Termin hat.

Beginn: 20:00 Uhr

Seit über 20 Jahren bereichern die Soul Babies mit ihrer Live-Performance die Allgäuer Szene. Die inzwischen raren Konzerte dauern dabei meist drei Stunden oder länger, Pausen sind Mangelware. Eine Setlist für Live-Abende gibt es nicht, den Stil seiner Interpretation sowie die Auswahl trifft Sänger und Pianist Murat Parlak schon immer spontan und intuitiv. Dabei verlässt er sich blind auf seine Band im Rücken: Christian Hof am Bass und Claus Barensteiner am Schlagzeug, der selbst sagt: „Ich spiel‘ die Songs in jeder Tonart!“ Das Programm reicht heute von Robbie Williams, Sting und Depeche-Mode-Klassikern bis hin zu klanggewaltigen Interpretationen von Radiohead, Nirvana, Muse, Kings Of Leon und Massive Attack.

Vor fast 20 Jahren habt ihr im damals ja frisch aus der Taufe gehobenen Künstlerhaus im Mai 2004 das erste Live-Konzert überhaupt gespielt. Könnt ihr euch daran noch erinnern?

Murat: Ja, sehr gut sogar! Der Abend hieß damals ‚Musik auf dem Boden der Tatsachen“‚, wohl um anzudeuten, dass die gehörte Musik auch sichtbar sein sollte und nicht aus irgendwelchen Maschinen ‚aus der Dose‘ herausgeschleudert wird. Wir saßen in der Mitte des Raumes und das Publikum war rund um uns sehr nah. Im Gebäude war ja früher das Haus International und Jahre vorher hatte ich auch dort bereits einige Auftritte als Solist. Ich ahnte schon damals, wie wichtig dieses Haus an diesem Platz für die Stadt ist!

Welche Bedeutung hatte das Künstlerhaus damals für euch?

Christian: Das Haus hätte ja eigentlich abgerissen werden sollen. Gery Kantor, der auch das legendäre Sonneck geführt hat, und der Künstler Stephan Rustige hatten daraus aber in nur einem halben Jahr einen Ort geschaffen, der wirklich Großstadtflair hat. Das Künstlercafé hieß anfangs ‚culture_squat‘, das ganze Interieur war bunt zusammengewürfelt und die Theke irgendwie zurechtgezimmert. Das hatte schon damals Charme! Mit nur zwei von Stephan organisierten Kunstausstellungen lebte dann eine schillernde Kunstszene auf, die dank des Abrissstopps noch lange nachgeklungen hat. Es gab Lesungen, Theater, Livekonzerte, Diskussionen, Abschlussklassen der Kunstakademien wurden eingeladen … eine Wahnsinnszeit!

Nur zwei Jahre später, 2006, seid ihr plötzlich auf dem Hildegardplatz die Vorband von Xavier Naidoo gewesen. Wie ist es denn dazu gekommen?

Claus: Naughty hatte mich angerufen und erzählt, dass Patrick Nuo als Support wegen Krankheit ausfällt – und das einen Tag vor dem Auftritt in Kempten! Als Herausgeber vom Live In waren er und Chris ja bestens über die Abläufe rund um das anstehende Konzert und den Ausfall des Vorprogramms informiert. Da Naughty ja mit mir und meinem Nachbarn Martin Bertele bei ‚Frantic‘ zusammengespielt hat und wir gut befreundet sind, ist er auf die Idee gekommen, ob das nicht etwas für die Soul Babies wäre. Er wusste, dass ich auf Murats Soloalbum Schlagzeug gespielt hatte und es nicht nur Coversongs waren. Wir haben dann nachmittags mit Christian schnell die Lieder von der CD geprobt und sind am nächsten Tag tatsächlich als Vorprogramm von Naidoo aufgetreten und haben ausnahmsweise kaum Covers gespielt. ‚Sons Of England‘ war unser Opener, trotz August war es saukalt und es hat geregnet.

War das euer spektakulärster Auftritt?

Christian: Nein, Island! Ein Isländer hatte uns auf einer Berghütte live erlebt und bis drei Uhr nachts mitgefeiert. Sturzbetrunken erklärte er, er wäre Chef einer isländischen Outdoor-Bekleidungsfirma und wir sollten dort bei der nächsten Firmenfeier in Reykjavík spielen. Drei Monate später kamen dann tatsächlich die Flugtickets. Schlagzeug, E-Piano und Anlage wurden für uns vor Ort organisiert, nur ich hatte meinen Bass als Bordgepäck dabei, der vom Zoll vorab penibel untersucht wurde. Die haben sogar das Batteriefach aufgeschraubt! Der Auftritt selbst dauerte dann nach dem Dinner nur eine Stunde, plötzlich sind fast alle gegangen! Wir dachten erst, das läge an uns, bis uns eine Isländerin erklärte, dass die Musik super sei, die Gäste den Alkohol nach dem Essen aber selbst zu bezahlen hatten. Da auch das Bier auf Island sehr teuer ist, trinkt man immer nur eins und zieht dann weiter ins nächste Lokal.

Die Soul Babies sind ja bekannt dafür, sehr eigenwillig bis zu vier Stunden lang von A bis Z quer durch die Musikgeschichte zu fegen. Warum gibt es keine Eigenkompositionen?

Murat: Ich denke nicht in Kategorien wie ‚Cover Musik‘ oder ‚Eigene Musik‘. Als Soul Babies interpretieren wir über 150 Klassiker der Jazz-, Rock- und Popgeschichte und wir drei wollen das so! Alles geschieht intuitiv ohne vorherige Proben, wie im Jazz werden neue Stücke nur kurz beim Soundcheck ausprobiert. Es ist eine große Ehre und Freude, diese Lieder in Piano-Arrangements zum Klingen zu bringen. Man kann doch selbst gar nichts Besseres darbieten als diese großartigen Songs. Wir spüren, wie die Menschen, die uns an solchen Abenden begleiten, von dieser Art modernen Entertainments im Geiste von Frank Sinatra begeistert sind!

Christian, erinnerst du dich noch an dein erstes Konzert mit Murat?

Christian: Klar, das war 1994 mit Baby Grand eine Geburtstagsfeier in einer durch München fahrenden Straßenbahn. Es gab in dem Wagen nur eine einzige Steckdose und wir sind vorab mal hingefahren, um auszuprobieren, ob man da überhaupt einen Bassverstärker, ein E-Piano und eine Box für den Gesang anschließen kann. Zur Feier selbst waren wir dann irgendwo zwischen die Reihen gequetscht und Sebastian Schwab hatte sein Schlagzeug halb auf die Sitze gebaut. Da wir nur ein paar Tage vorher geprobt hatten, spielten wir bloß eine Handvoll Songs rauf und runter, Nummern von Billy Joel, Elton John, Eric Clapton, Queen und den Beatles.

Und du, Claus?

Claus: Das war 2002 mit dem Soul Quartet im Klecks. Das vermutlich einzige Konzert, bei dem Murat nur gesungen und nicht Klavier gespielt hat. Sebastian Mayr hat stattdessen wunderbar groovige Stücke von Sting, Bill Withers und verschiedene Jazzklassiker auf der E-Gitarre interpretiert. Ich kann mich aber noch daran erinnern, dass ich Jahre vorher Baby Grand zum ersten Mal bei einem Konzert auf dem Fahrsicherheitszentrum-Gelände erlebt hatte. Bei Billy Joels ‚All About Soul‘ hab‘ ich mir gedacht: Mit denen will ich auch mal Musik machen!

Claus, du hast ja lange in der Indie-RockBand ‚Frantic‘ gespielt. Was unterscheidet das Schlagzeugspiel mit E-Gitarristen von dem Zusammenspiel mit einem Pianisten wie Murat?

Claus: Die Dynamik ist anders und fordert vom Schlagzeug wesentlich mehr Punch und vom Bass mehr Bindung. Wir sind zwar auch laut, aber ein Piano macht dabei einfach weniger Krach wie verzerrte Powerchords. Zum Ausgleich macht Murat an den Tasten dann live ja, was er will. Da ist man tatsächlich permanent gefordert.

Gibt es noch andere Musiker, mit denen ihr regelmäßig auftretet?

Claus: Wenn er da ist, übernimmt Chris Lakriz gern für zwei, drei Lieder Christians Bass. Chris spielte früher auch eine Zeitlang in einem Piano-Grunge-Bandprojekt namens ‚Iller‘ mit Murat und Sebastian Schwab an den Drums. Krass, irgendwie haben schon alle mit allen zusammengespielt … Sehr gern sind wir früher auch mit dem Gitarristen Werner Kienle aufgetreten, sogar ein paar Mal im Künstlercafé. Wie geht’s dem eigentlich? beigetragen. Puristen, die auf Gitarren-Rock standen, haben uns gelobt. Das war ein wichtiger Ansporn.

Ihr spielt als Trio jetzt schon über 20 Jahre zusammen. Wie hat sich euer Repertoire in dieser Zeit verändert?

Murat: Vor den Soul Babies hatte ich mich ja sehr auf Billy Joel und Elton John fixiert. Als Pianist konnte ich mich mit ihnen besser identifizieren. Doch nach und nach fing ich an, Bands wie Pearl Jam oder Soundgarden und deren Musik für das Klavier zu arrangieren. Mit den Soul Babies wagten wir uns dann in Richtung Grunge. Vor allem Nirvana. Je mehr wir spielten, desto mehr kamen wir dieser Mentalität näher. Claus’ Spiel hat da viel dazu beigetragen. Puristen, die auf Gitarren-Rock standen, haben uns gelobt. Das war ein wichtiger Ansporn.

Was sagst du zur aktuellen PopMusik?

Murat: Es ist wie im Fußball … es geht alles nur noch ums Geld! Eine Schande!

Letzte Frage: Warum heißt ihr eigentlich Soul Babies?

Christian: Das werden wir echt oft gefragt. Vor den Soul Babies spielten Murat und ich ja mit Sebastian Schwab am Schlagzeug als ‚Baby Grand‘. Parallel entstand dann mit Gitarrist Sebastian Mayr und Claus das Projekt ‚Soul Quartet‘. Beide Sebastians zogen 2002 aus beruflichen Gründen weg, da haben wir schlicht die beiden Bands samt Repertoire fusioniert. Seitdem gibt’s die Soul Babies.

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