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1.1. Mangel – einer der Ursprünge des Seins
from Das Phänomen des Mangels: Sein, Mensch und Gemeinschaft. Synthese Einer Interdisziplinären Untersuch
by LLRI
1. MANGEL ALS WIRKLICHKEIT DES SEINS
1.1. Mangel – einer der Urspünge des Seins Bereits der griechische Philosoph Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) erschloss das Wesen und den Zusammenhang des Mangels. Beim Versuch, die Wirklichkeit zu erklären, entdeckte Aristoteles drei ursprüngliche Anfänge des Seins – die Materie, den Mangel (στέρεσις, privatio) und die Form. „Allen Ursprüngen gemeinsam ist, dass sie die allerersten sind, aus denen etwas entweder ist oder entsteht, oder aber erkannt wird“ (Aristotle and Barnes, 1984, S. 60). Ohne diese Elemente könnten keine Prozesse stattfinden, die das Sein selbst definieren und ermächtigen. Damit Dinge entstehen, sein und sich wandeln können, braucht es a) das, was entsteht; b) das, was dem Entstandenen gegensätzlich ist; c) das, woraus etwas entsteht. Das, was entsteht, wird von Aristoteles als Form definiert, der Gegensatz der Form ist der besagte Mangel, und das, in welchem die Gegensätze allen Wandels und Entstehens wirken, ist die Materie. Der Mangel als Ursprung wird durch seine konzeptuelle Trennung vom Nichts begründet. Mangel bedeutet nicht das völlige Nichts, sondern das aktuelle Nichtsein in einer bestimmten Materie, die sich aber in eine Form aktualisieren kann. Das Feuer zum Beispiel entsteht nicht aus irgendeiner Art von Nichtsein, sondern aus einem bestimmten Feuer-Nichtsein, aus dem ein Feuer entstehen kann – sagen wir, aus trockenen Ästen. Also zeigt der Mangel in Bezug auf die Materie an, wessen Nichtsein er ist, daher ist der Mangel nicht dasselbe wie das Nichtsein oder das Nichts. Der Mangel ist der Ursprung, denn er ermöglicht die Entstehung und die Wandlung alles auf der Welt Seienden. Aristoteles' Idee von den Ursprüngen des Seins verfolgt der mittelalterliche Denker Thomas von Aquin (1225–1274) weiter. In seinem Frühwerk De principiis naturae erklärt er drei Ursprünge, die jedem Seienden innewohnen, und hält erneut fest, dass die Materie und der Mangel (lat. privatio) im Objekt zusammenfallen, sich aber doch in der Auffassung unterscheiden. Denn dasselbe Objekt, das Bronze ist, ist bis zur Erscheinung der Form einer Statue formlos. Das Verständnis von Bronze und Formlosigkeit ist jedoch ein anderes, denn es gibt einen Unterschied
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