Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Romanisches Seminar Sommersemester 2015 PS: Der Jakobsweg als transkultureller Raum. Galicien am Ende des Pilgerwegs. Dozent: Gabriel Pérez Durán Referentinnen: JB, ND 18.05.15
Eine Perspektive von Galicien – Gegensatz Zentrum/ Peripherie 1. Allgemeines zu Galicien − Geographische Lage: Nordwesten Spaniens − 2.748.695 Einwohner
− − −
(Stand: Januar 2014, Instituto Nacional de Estadística, Cifras oficiales de población resultantes de la revisión del Padrón municipal a 1 de enero http://www.ine.es/dynt3/inebase/es/index.html? padre=517&dh=1).
Fläche: 29.574 km² = 6% der Gesamtfläche Spaniens
(Quelle: Seoane Pérez, Francisco, Pérez Caramés, Antía und Otero Millán, Jorge (2012). ‚Para unha mellora das nosas cidades: Creativas, accesíbeis, habitábeis’, Grial, 195, S.46)
Küstenstädte und weitere urbane Zentren: 62,2 Prozent des Privatsektors (Quelle: Seoane Pérez, Francisco, Pérez Caramés, Antía und Otero Millán, Jorge (2012). ‚Para unha mellora das nosas cidades: Creativas, accesíbeis, habitábeis’, Grial, 195, S.46)
Amtssprachen: Spanisch und Galicisch
Status der Sprachen in der Verfassung Artículo 3 1. El castellano es la lengua española oficial del Estado. Todos los españoles tienen el deber de conocerla y el derecho a usarla. 2. Las demás lenguas españolas serán también oficiales en las respectivas Comunidades Autónomas de acuerdo con sus Estatutos. 3. La riqueza de las distintas modalidades lingüísticas de España es un patrimonio cultural que será objeto de especial respeto y protección. (Quelle: http://www.laconstitucion.es/1978/4/articulo-3/2/titulo-preliminar/titulo-preliminar)
„Kooffizieller Status” der drei kooffiziellen Sprachen galicisch, katalanisch und baskisch -
Die drei kooffiziellen Sprachen haben keine Rechtsgleichheit mit dem Kastilischen Im Estatuto de Autonomía de Galicia (1981, Quelle: http://www.xunta.es/estatuto/titulopreliminar) Artikel 5, 2 steht: ARTIGO 5 2. Os idiomas galego e castelán son oficiais en Galicia e todos teñen o dereito de os coñecer e de os usar (Übersetzung: “Los idiomas gallego y castellano son oficiales en Galicia e todos tienen el derecho de conocerlos y usarlos.”)
- Zum Vergleich: In der spanischen Verfassung (s.oben) steht: “El castellano es la lengua española oficial del Estado. Todos los españoles tienen el deber de conocerla y el derecho a usarla. Es wird deutlich: Auf gesetzlicher Basis haben die vier Sprachen nicht die gleichen Rechte, denn: 1. Das Kastilische: Jeder hat das Recht, die Sprache zu sprechen, und die Pflicht, sie zu lernen. Der offizielle Geltungsbereich ist das spanische Staatsgebiet. -
2. Das Katalanische, Galicische und Baskische: Jeder hat das Recht, diese Sprachen zu lernen und zu sprechen, allerdings nicht die Pflicht. Der offizielle Geltungsbereich ist nur die betreffende Comunidad Autónoma. Vor allem letzter Aspekt ruft des Öfteren Probleme hervor, da man z.B. das Galicische auch in Asturien, Castilla y Léon und Extremadura spricht. Dort werden sie dann als ‘modalidades lingüísticas` (vgl. Spanische Verfassung, Artikel 3,3.) gesehen. Die galicische Sprache − − − −
Ca. 3,5 Millionen Sprecher (Quelle: Beswick, Jaine E. (2006): „Galician“, in: ELL2, Band 4, S. 717.) Verwandtschaft zum Kastilischen und zum Portugiesischen Wurde lange Zeit als Dialekt des Portugiesischen angesehen Mit der Verfassung von 1978: kooffizieller Status
2.Das Ländliche im Verhältnis zum Urbanen -
Galicien war bis zu den 1980er Jahren vor allem ländlich geprägt schneller Prozess der Urbanisierung Bild eines ländlichen Galiciens ist trotzdem noch stark verbreitet Stereotypen: Idyllische Landschaft, Dudelsack, Kühe etc.
Mögliche Ursachen? - 12 Jahre Regierung der konservativen PP bis 2005 unter Manuel Fraga (fraguismo), zwei Richtungen: - autocompracencia esencialista o Galiciens kultureller Unterschied wird betont o Stereotypen werden als zutreffend dargestellt und dieses Bild teilweise auch bewusst gefördert, z.B. in Touristenkampagnen o Sehr statisches Bild -
autoodio o Allem Galicischen, das nicht ins traditionelle Muster passt, wird mit einer gewissen Art von „Selbsthass“ begegnet o Das Moderne wird mit Spanien verbunden oder allgemein mit etwas, das von außen kommt
Film und Fernsehen - Das Ländliche Galiciens wird noch oft betont o Serien im öffentlichen Sender TVG spielen oft in ländlichen Gebieten -
In der TV-Show Luar sind beide Richtungen des Fraga-Programms zu finden o Darstellung des traditionellen Galiciens: Ältere Frauen und Männer erzählen ihre Geschichten, traditionelle Musik und Tanz, Begleitung von Dudelsäcken o Performances internationaler Künstler: stellen das Bild des Modernen dar o Aber gleichzeitig eine neue Richtung, die vom statischen Bild abweicht Neue Interpretationen traditioneller galicischer Musik Galicische Künstler, die moderne Musikrichtungen anstatt Folk-Musik wählen
Urbanisierung im 20. Jahrhundert - Massive Zuwanderung ehemaliger Landarbeiter in die Städte wurden zum städtischen Proletariat - Eliten in den Zentren sprachen häufig eher Spanisch als Galicisch - viele Zuwanderer änderten ihre Sprache vom Galicischen zum Spanischen, um gesellschaftlich höher zu stehen - Mit der Zeit: hybride Sprachvarianten, z.B. Koruño o Wird von Jugendlichen aus A Coruña gesprochen o Sprachliche Elemente aus dem Spanischen und dem Galicischen „Rurbaner“ Charakter galicischer Städte - Vor allem in kleineren Städten: starke Verbindung zu ländlichen Wurzeln o z.B. Mercado de Abastos in Santiago de Compostela: frische landwirtschaftliche Produkte und Tiere aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt Kulturelle Entwicklung in den ländlichen Gebieten - z.B. das Kurzfilm-Festival von Cans in der Provinz Pontevedra - Dorfbewohner helfen bei der Organisation - Hat in ganz Spanien und Portugal bereits guten Ruf erlangt - Entwicklung des Ländlichen zu etwas Lebhaften o Offen für Neues o Nicht als statisches Bild des Traditionellen Kulturelle Produktion in den urbanen Zentren - autoodio: das Moderne wurde häufig mit etwas Spanischen/ mit etwas von außen assoziiert o oftmals zwei Richtungen städtischer Kunstformen, z.B. Hip Hop auf Galicisch oder Spanisch
-
Initiativen kultureller Institutionen o z.B. Texte traditioneller galicischer Gedichte in Hip Hop Songs o Städtisches wird mit Ländlichem verbunden
-
Es entstehen gleichzeitig aber auch alternative kulturelle Räume o Traditionelle galicische Elemente werden komplett abgelehnt o
Sind stark international orientiert
3. Galicien im Verhältnis zum spanischen Staat -
-
-
Seit Ende der Franco-Herrschaft bis heute: konfliktbehaftetes Verhältnis zwischen spanischem Zentralstaat und den Comunidades Autónomas o Vor allem zwischen den historischen Comunidades Katalonien, dem Baskenland und Galicien o Diskussion von nations within the nation o Stereotyp eines hässlichen und schmutzigen Galiciens geht zurück z.B. auf Lope de Vega und Luis de Góngora Auch heute noch werden Galicier in spanischen Medien als unkultivierte, ländliche Charaktere dargestellt o In Filmen/Fernsehen: Bilder von Galicien als isolierte und verarmte Region Diskurs zur Verbindung eine Sprache = ein Staatsgebiet In Galicien lässt sich diese Verbindung nicht so klar herstellen: o Galicien wird aufgrund seiner historischen Entwicklung als eine Art Übergangszone zwischen Portugiesisch und Kastilisch gesehen hat starken Einfluss auf die Wiederbelebung der galicischen Sprache/ Kultur Ende der 70er Jahre: Galicien wurde das Recht zugestanden, eigenständig zu regieren o Errichtung eines Programms zur Unterstützung und Beförderung der galicischen Sprache Ziel: Galicisch sollte das primäre Symbol für eine ethnische (galicische) Identität sein, Sprache soll zu seinen Sprechern „gehören“ die Beförderung der Sprachpolitik soll die Region vom Rest Spaniens unterscheiden o Galicische oder unabhängige politische Parteien benutzten galicisch in der öffentlichen Diskussion, um eine politische Unabhängigkeit von Spanien zu proklamieren –nur rechte Franco-Anhänger benutzten das Kastilische zur politischen Diskussion
4.Galicien als Region an der Grenze zu Portugal – – –
Mit politischer Trennung von Portugal und Galicien auch sprachliche Trennung zwei unabhängige Sprachen blieben bestehen die meisten Galicier sehen das Galicische auch als eine ganz andere Sprache im Vergleich zum Portugiesischen an Galicisch und portugiesisch haben gleiche linguistische Wurzeln ursprünglich eine sprachliche Einheit – galego – portugués (8./9. Jh.) Galicien bleibt eine Region Spaniens und nicht Portugals Debatte über eine Integration Galiciens in Portugal o Wird von Portugal abgelehnt, da die Portugiesen die Meinung vertreten, Galicien bringe ihnen wirtschaftlich keine Vorteile
5.Galicier außerhalb des galicischen Territoriums -
-
-
-
Seit Mitte des 19.Jh.: starke Migrationsbewegungen von Galiciern nach Europa oder Amerika Viele Auswanderer fühlen sich noch als Teil Galiciens, obwohl sie außerhalb des galicischen Territoriums leben Arquivo da Emigración Galega o In Santiago de Compostela o Liefert Quellen für Gelehrte und Forscher, die sich mit dem Phänomen der Migration beschäftigen Galega aberta o Internetseite o Direkte Informationen für Emigranten und deren Nachfahren… über Initiativen zwischen der galicischen Regierung und den centros galegos außerhalb Galiciens über Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung für Rückkehrer o Zugang zu Dokumenten, Bildern, Zeitungen, etc. aus 12 centros galegos auf der ganzen Welt Fillos.org o Internetseite o Möglichkeit, nach Verwandten in Galicien oder außerhalb zu suchen o Verschiedene Petitionen, um die Möglichkeit der politischen Partizipation von Emigranten in Galicien zu steigern
6.Diskussion - Was spricht für eine Integration Galiciens zu Portugal? - Stellt euch vor, ihr seid Bürgermeister/-in einer ländlichen Region Galiciens. Würdet ihr Maßnahmen ergreifen, um die traditionellen galicischen Elemente der Kultur zu bewahren? Wenn ja, warum und welche?
7.Literaturverzeichnis Beswick, Jaine E., Regional Nationalism In Spain. Language Use and Ethnic Identity In Galicia, Multilingual Matters, Clevedon 2007. Hooper, Kirsty; Puga Moruxa, Manuel, Contemporary Galician Cultural Studies. Between The Local And The Global, Modern Language Association World Literatures Reimagined Series, New York 2011. Miguélez-Carballeira, Helena, A Companion To Galician Culture, Tamesis, Woodbrigde 2014.
Seoane Pérez, Francisco; Pérez Caramés, Antía; Otero Millán, Jorge ‚Para unha mellora das nosas cidades: Creativas, accesíbeis, habitábeis’, in: Grial 195, Galaxia, A Coruña, 2012, S.46. Internetrecherche: Estatuto de Autonomía de Galicia (1981, http://www.xunta.es/estatuto/titulo-preliminar Instituto Nacional de Estadística, http://www.ine.es/dynt3/inebase/es/index.html?padre=517&dh=1 La Constitución española, http://www.laconstitucion.es/1978/4/articulo-3/2/titulo-preliminar/titulopreliminar