Low N°5 (2/2009)

Page 1

LOW

K U N S T m a g a z i n · Aus g a b E № 5

p l a k a tkunst a us p o l en

·

02/2009 D € 6,30

e m ek

·

v i c t o r c a st i l l o

·

u r b a n kn i tt i n g

·

D E CO D E R RI N G D E S IG N CO N C E R N


DAS LOW MAGAZIN GIBT ES AB SOFORT AUCH IM ABONNEMENT. WEITERE INFORMATIONEN AUF WWW.LOW-MAGAZINE.COM/ABO ODER UNTER TELEFON +49 (0) 351 – 2 13 04 57


I N

D I E S E R

NOTIZEN 5 TERMIN 6 AUSSTELLUNGEN 7 KOMISCH GOTISCH 8 BÜCHER 10 STREET ART: SPY CANVAS STORIES 60 Diederick Kraaijeveld 62 James Jean 64 Andrea Offermann 66 Mateo DIE TITELSTORY 68 Der titelblattkünstler dieser Ausgabe: DAN GRZECA

60

Diederick Kraaijeveld spricht in seiner Canvas Stroy über diesen Schädel aus uraltem Holz.

12

A U S G A B E Auf die Herkunft kommt es (nicht) an Die Merry Karnowsky Gallery in L.A ist eine der wichtigsten Galerien des amerikanischen Pop Surrealismus. Seit einem Jahr ist sie auch in der Kunsthauptstadt Berlin vertreten. Christian Woelki war vor Ort.

14

Posterland Polen ist berühmt für seine anspruchsvollen Kunst- und Kulturplakate. Danny Winkler beleuchtet die polnische Schule der Plakatkunst und bat den Plakatkünstler Wieslaw Walkuski zum Kurzinterview.

26

THE THINKING MAN’S POSTER ARTIST

36

GourmetWürste & Kunstdrucke

42

Off The Wall

Ausgabe No.5 · 2/2009 – August bis Januar

Der amerikanische Künstler Emek macht Plakate für intelligente Menschen und beschreitet dabei neue Dimensionen in der Plakatkunst. Mario Marquardt stellt ihn vor.

POSTERLAND POLEN

14

EMEK

26

VICTOR CASTILLO

48

Die texanische Grafikdesign-Firma Decoder Ring Design Concern ist mehr als eine Werbeagentur. Andy MacDougall fand im Interview mehr heraus.

Daß Rockposter-Künstler nicht nur Rockposter machen können, zeigt uns Lilo Krebernik in Wort und Bild. Er stellt uns einige Art-Toy-Kreationen von Posterkünstlern vor.

48

Mann frisst Mann

54

Guerilla-Stricken

Der chilenische Maler Victor Castillo spricht im Interview über seine Kunst und den Einfluß der ehemaligen Militärdiktatur in seinem Land.

Magda Sayeg strickt für ihr Leben gern. Wir fanden heraus, warum ihre Leidenschaft zur Graffiti-Kunst gehört.

I M P R E S S U M HERAUSGEBER & REDAKTION Low GbR Fichtenstraße 12 01097 Dresden, Germany fon: +49 (0)351 2 13 04 57 fax: +49 (0)351 2 13 05 65 e-mail: info@low-magazine.com internet: http://www.low-magazine.com Geschäftsführung: Mario Marquardt, Danny Winkler CHEFREDAKTION Mario Marquardt, mario@low-magazine.com Danny Winkler (dw), danny@low-magazine.com

ART DIRECTOR Danny Winkler

VERTRIEB IPS Pressevertrieb GmbH, Meckenheim

MITARBEITER DIESER AUSGABE Lilo Krebernik, Andy MacDougall, Christian Woelki, Nadja Poppe, Lurker Grand (lg), Christian Elmer, Louise Bartel, Christin Damian, Iñigo Martínez

ANZEIGENVERANTWORTLICHER Mario Marquardt

TITELBILD Dan Grzeca DRUCK GEMI s.r.o., Prag

ANZEIGENVERTRETUNG OFFICE FOR MEDIA Ltd & Co. KG Thorsten Peters fon: +49 (0)40 5 55 65 94 31 e-mail: thorsten.peters@officeformedia.de Das nächste Heft erscheint am 2. Februar 2010.

Der Herausgeber übernimmt keine Haftung für unangefordert zugesandte Manuskripte, Photos, Illustrationen etc. Diese werden nur nach vorheriger Absprache zurückgesandt. ©2009 Low GbR. Alle Rechte vorbehalten. Insbesondere dürfen Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste und Internet und Vervielfältigung auf sämtlichen Datenträgern nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung des Herausgebers erfolgen.

Low Magazin 3


E D I T O R I A L

FOTO: NADJA POPPE

A

Das Titelblatt dieser Ausgabe von Dan Grzeca. Exklusiv für Low hat der Chicagoer Künstler davon eine limitierte Auflage gedruckt. In unserem OnlineShop auf www.low-magazine.com gibt es die ca. 48 mal 64 Zentimeter große Serigraphie zu kaufen. Die Grafik ist ein Siebdruck in fünf Farben auf hochwertigem French Paper. Nummeriert und vom Künstler signiert.

4 Low Magazin

ls ich vor einigen Jahren selbst noch leidenschaftlich Plakate gestaltete und mit Muskelkraft druckte, war ich fest davon überzeugt, daß das was ich da tat Kunst sein müsse. Es waren weniger der handgemachte Charme und die gezeichneten Vorlagen die mich auf den Gedanken brachten, mein Zeug als »Kunst« zu bezeichnen. Es war wohl mein Bauchgefühl, das mir vorgaukelte, bei meinen Sachen überwiege die Seele im Vergleich zum Nutzen. Das klingt inzwischen wie eine naive Ausrede. Natürlich – heute bin ich schlauer. Kunst geht oft viel weiter, als sich von der neuesten Platte einer Rockband inspiriert Bilder einfallen zu lassen. Aber grundlegend lag ich damals gar nicht so falsch. Das Plakat ist ein Medium, das von vielen verschiedenen Leuten gebraucht, genutzt und benutzt wird und auch durchaus Kunst sein kann. Heute überwiegt meist der kommerzielle Nutzen und der informative Charakter der Plakate, weil sie hauptsächlich von Werbeagenturen gestaltet werden. Es ist ein wenig in Vergessenheit geraten, daß es auch Künstler gibt, die das Plakat als persönliches Ausdrucksmittel verwenden. In unserem Nachbarland Polen zum Beispiel war das Plakat in Künstlerhand. Dort wurde das kulturelle Kunstplakat über viele Jahrzehnte gepflegt und geachtet. Im Artikel »Posterland« in diesem Heft stellen wir Euch die polnische Schule der Plakatkunst vor. Neben dem polnischen Kunstplakat kommt auch das Rockposter in diesem Heft nicht zu kurz. In unserer Geschichte über Emek zum Beispiel, dem amerikanischen Plakatkünstler, zeigen wir wie intelligent und innovativ Rock’n’Roll-Plakate sein können. Seit unserer ersten Ausgabe begleitet uns die Plakatkunst und sie wird uns sicherlich auch in Zukunft nicht kalt lassen. Dort haben wir, die Low-Redaktion, schließlich unsere Wurzeln und dort fanden wir praktischen Zugang zur großen Welt der Kunst. Zum Schluß noch ein paar interne Worte zum Erscheinungsbild dieses Heftes: Low hat gründlich aufgeräumt. Um Euch mehr Platz beim Lesen zu geben, haben wir die englischen Übersetzungen gestrichen. Low gibt es ab jetzt also wieder einsprachig. Da wir uns als Kunstmagazin verstehen und nicht nur über Kunst berichten wollen, stellen wir ab dieser Ausgabe unsere Titelblätter exklusiv Künstlern zur Verfügung. Ein Sieg für die Kunst! Das Titelblatt dieser Ausgabe gestaltete Dan Grzeca aus Chicago. Wer er ist, könnt ihr ab Seite 68 lesen. Viel Spaß mit Low Heft Nummer 5! Danny Winkler


TERMIN

FOTO Danny Winkler, Archiv

FLATSTOCK EUROPE 4

H

ier in Europa bietet sich selten eine

vielen Clubs und anderen Veranstaltungsorten

andere Möglichkeit, Hunderte von

Konzerte verschiedenster Indiebands statt.

Konzertsiebdruckplakaten am Stück

Der Festivalbesucher kann mit seinem Ticket

sehen zu können, als beim Besuch der Flat-

von Club zu Club ziehen und sich das ganze

stock Postershows in Hamburg.

Wochenende Bands anschauen. Im Zentrum

Jedes Jahr reisen Posterdesigner aus ganz Eu-

des Geschehens, auf dem Spielbudenplatz

ropa und den Vereinigten Staaten nach Ham-

direkt an der Reeperbahn, stehen dann die

burg, um den Fans und Sammlern handge-

Stände der Flatstockkünstler.

machte Siebdruckplakate zu zeigen und zum

Bei Redaktionsschluß standen 48 Bands für

Kauf anzubieten.

das diesjährige Festival fest. Darunter unter

Seit 2006 wird die amerikanische Postershow-

anderen Dinosaur Jr., Sophia, The Editors,

Reihe auch in Europa veranstaltet. Die vom

Orka feat. Yann Tiersen und Tele. Auch die

American Poster Institute ins Leben gerufe-

Flatstockfraktion kündigt Stars ihres Genres

nen Flatstock-Shows finden in den USA wäh-

an. Zugesagt haben bisher Jay Ryan, Tara Mc-

rend großer Musikfestivals in San Francisco,

Pherson, Lil Tuffy, Diana Sudyka und andere.

Austin, Chicago und Seattle statt. Nach die-

■ (dw)

sem Vorbild banden die Initiatoren auch die europäische Adaption ins Rahmenprogramm eines Musikfestivals ein. Das »Reeperbahnfes-

Flatstock Europe 4 beim Reeperbahnfestival 2009

tival«, das ebenfalls 2006 ins Leben gerufen

vom 24. bis 26.09.2009 · Hamburg, Spielbuden-

wurde, bot dafür die besten Möglichkeiten. In

platz · Der Besuch des Flatstock-Geländes ist

Hamburgs Stadtviertel St. Pauli finden dazu in

kostenlos! · www.reeperbahnfestival.com Low Magazin 5


AUSSTELLUNGEN

UNDERGROUND-PLAKATE IN DRESDEN

S

eit 101 Jahren pflegt die Londoner Nahver-

ATAK vs. BLEXBOLEX

kehrs-Gesellschaft, die London Underground oder heute die

Transport

for

London, eine schöne

Noch bis zum 20. August läuft in der

Tradition.

Berliner Galerie Bongout die Ausstellung

Kunstplakate in Auf-

»ATAK vs. Blexbolex« und zeigt Arbeiten

trag und wirbt damit

von zwei herausragenden Illustratoren

für ihre U-Bahn. Eine

und Comic-Künstlern.

Retrospektive dieser

Georg Barber alias ATAK (siehe Abb.)

Plakatkunst

wuchs in der DDR auf und gründete

diesem Sommer zu

bereits 1989 die Comicgruppe »Renate«

Gast in Dresden. Aus

Alfred France’ Originalentwurf für ein Plakat der Londoner U-Bahn weist den Weg in

und das gleichnamige Magazin. Später

den 1000 Original-

den Ausstellungsraum mit unter anderem 60 weiteren Originalentwürfen aus einem

wurde er ein erfolgreicher Professor für

entwürfen, die das

Jahrhundert. FOTO Danny Winkler

Illustration. Er lehrt an verschiedenen

London

Gestalterschulen im In- und Ausland. Er

Museum inzwischen gesammelt hat, zeigt das

Kunst sich dann auf die Malerei oder die Gra-

veröffentlicht Bücher und ist Kolumnist

Dresdner Verkehrsmuseum eine Auswahl von

fik beschränkte. Der typographische Teil der

bei der Zeitschrift »Das Magazin«.

Arbeiten aus allen Jahrzehnten.

Plakate wurde später durch Schriften aus dem

Bernard Granger alias Blexbolex ist ein

Obwohl es in dieser Ausstellung um Plakate

Computer ergänzt, ganz im Sinne der Verein-

in Berlin lebender Franzose. Auch er

geht, ist es im Prinzip keine Plakatausstel-

heitlichung in der modernen, Werbegrafik.

kommt aus der Comicbranche und ist

lung, denn gezeigt werden hauptsächlich die

Die Ausstellung zeigt einen hervorragenden

ein erfolgreicher Illustrator vieler Bü-

Originalentwürfe der Künstler und Grafikde-

Querschnitt durch ein ganzes Jahrhundert

cher.

signer. Die Tätigkeit des Plakatmalers war da-

des britischen Grafikdesigns. Zudem werden

Beide Künstler beweisen in ihren Arbei-

mals noch ein richtiger Beruf. Das älteste Bei-

Videos über die Plakatherstellung vorgeführt

ten einen subtilen und intelligenten Hu-

spiel in der Ausstellung, aus dem Jahre 1911,

und verschiedene Arbeitsmaterialien der da-

mor und pflegen laut Galerieinfo einen

zeigt den Entwurf von Alfred France, der das

»schnörkellosen Vintage-Stil«. ■ (dw)

gesamte Plakat inklusive seiner Schrift mit

maligen Künstler und Designer präsentiert. ■ (dw)

Sie

ist

gibt

in

Transport

Gouache-Farben malte – eine recht typische »ATAK vs. Blexbolex« noch bis zum 20. Au-

Arbeitsweise in den Jahrzehnten vor der Ver-

»The Art of the Poster – Plakatkunst aus Lon-

gust 2009 im Bongout Showroom, Torstr.

breitung von Computern. Aber auch Arbeiten

don« läuft noch bis zum 30. August 2009 im Ver-

110, 10119 Berlin · www.bongout.org

aus den letzten Jahren zeigen echte künstleri-

kehrsmuseum Dresden, Augustusstraße 1, 01067

sche Handarbeit für die Plakate, obwohl die

Dresden · www.verkehrsmuseum-dresden.de

6 Low Magazin


AUSSTELLUNGSRÜCKBLICK

KOMISCH GOTISCH

L

a edad de oro del arte valenciano – Das goldene Zeitalter der valencianischen Kunst. Der Ausstellungstitel spielt auf

die häufige Verwendung von Blattgold in den Malereien damaliger Zeiten an. Die mittelalterliche gotische Kunst stand noch voll und ganz unter dem Pantoffel der Kirche. Die Handwerksgilden der Maler fertigten Bilder für Altäre und andere Ausschmückungen des Kirchenraums. Freie Kunst, in dem Ausmaß wie wir sie heute kennen, gab es damals kaum. Die Ausstellung im Museo de Bellas Artes im spanischen Valencia zeigte eindrucksvoll wie grotesk, phantasievoll und humorvoll die damaligen Maler zu Werke gingen. Sie ermöglichte neue Sichtweisen auf eine angestaubte Kunstepoche. Hier hatte man die Gelegenheit, nicht nur Altarbilder einmal aus aller Nähe zu betrachten. In den großzügig angelegten Altar-Installationen in den Kirchen gingen vermutlich viele Details unter. Von einem der Bilder lächelt einem herzlich ein Mönch entgegen, obwohl ein riesiges Messer seine

Man war sich auch nicht ganz im Klaren da-

Die Milch aus Mutters Brust verfehlt knapp den Mund

Schädeldecke spaltet und ein zweites in sei-

rüber, wo die naive Darstellungsweise endete

des überrascht blickenden Jesuskindes in ihrem Arm und

ner Herzgegend steckt. Die freiwillige oder

und die Parodie begann. In jedem Fall fiel ein

auch der Heilige im Bild rechts scheint sich des Ernstes

auch unfreiwillige Komik dieser uralten Bilder

wenig Licht in das sonst recht finster darge-

seiner Situation nicht bewußt zu sein – Die Ausstellung

und Ikonen ließ den Ausstellungsbesucher

stellte Mittelalter.

»La edad de oro del arte valenciano« in Valencia förderte

staunen und schmunzeln: Da gab es hübsche

Viele dieser bemalten Holztafeln erinnern

nicht nur religiöse Ernsthaftigkeit aus dem Mittelalter zu

gelockte Pferde die aus einem Disney-Mär-

stark an moderne pop-surrealistische Werke,

tage. FOTOS Nadja Poppe

chen entsprungen schienen oder ein recht

die oberflächlich betrachtet ähnlich mit Ko-

niedliches Minischaf mit seinem eigenen Hei-

mik, Groteske und einer überzogenen Dar-

ligenschein aus Blattgold, das ganz treuherzig

stellung spielen. So wirkt vieles erstaunlich

die Gestalt seines Hirten anschaut. Die Frage,

modern und steht zeitgenössischen Comic-

die sich beim Betrachten dieser Werke auftat,

Malern und Künstlern des Pop Surrealismuses

war nicht nur die nach den dargestellten Hei-

in Bezug auf Ideenreichtum und phantasievoller Gestaltung in nichts nach. ■ (dw)

ligen, ihren Martyrien und ihrer Bedeutung.

Low Magazin 7


BÜCHER

TIKI MUGS

BURLESQUE PLAKATE

N

ach Derek Yaningers Buch »Wildsville« ist nun mit Jay Strongmans »Tiki Mug« (Krug) das zweite Buch

Die beiden Herausgeber von Korero Books

zum Thema Tiki bei Korero Books erschienen.

selbst, haben sich dem Thema der Visuali-

Doch wer glaubt hier nur ein Buch über Mugs

sierung von Burlesque Anlässen in diesem

vorzufinden, wie es ja der Titel vermuten läßt,

wunderschönen Buch angenommen. Dies

täuscht sich gewaltig. Auf den ersten 60 Sei-

geschieht durch die Plakate oder Flyers die

ten wird in verschiedenen Kapiteln das Phä-

auf die Anlässe hinweisen. Und sie sind alle

nomen Tiki allgemein aufgezeigt. Für alle die

hier zu finden; die schönsten, wildesten,

das längst vergriffene Buch von Sven Kirsten

meist hänselnden Burlesque Poster. Einige

»The Book of Tiki« nicht ergattern konnten,

präsentieren sich subtil wie ein Fantanz, an-

ist mit diesem Buch Ersatz gefunden. Auf über

dere frech wie sich drehende Quasten. Dies

100 Seiten in diesem Buch kommt aber auch

aus der Zeit der Folies Bergère von 1880 bis

der Liebhaber und Sammler von Tiki Mugs

in die London Neo-Burlesque Epoche von

ganz auf seine Kosten. Alles was Rang und

2008. Mehr als 150 Plakatmotive auf 170 Sei-

Namen hat: Tiki Farm, Munktiki, Porcelanas

ten illustrieren die Geschichte des bumping und grinding, des Flirten und der Subver-

Pavón, Gecko’z South Sea Arts und weitere – und die Top-Künstler wie Shag, Bosko, Crazy

Burlesque-Poster von Gollin Gordon

sion. Alle die auf

Al, Ocea Otica und Tiki Diablo sind vertreten.

der Suche nach

Dies mit über 250 wunderschön inszenierten

der Entwicklung

Abbildungen von Mugs. ■ (lg)

dieser ren

besondeKunstform

sind, finden in diesem Buch alles Wesentliche. Größen wie Glen Barr, Alan Forbes,

Das Buch zeigt auf 170 farbigen Seiten mehr als 150 Burlesque Plakatmotive

Mitch O’Connell, Shag, Derek Yaniger, Michel Casarramona, Rockin’ Jelly Bean, The Pizz und viele weitere tragen dazu bei. ■ (lg) Yak El-Droubie & Ian C. Parliament »Burles-

Jay Strongman »Tiki Mugs – Cult Artifacts of

que Poster Design – The Art of Tease«

Polynesian Pop« · in englischer Sprache · 170

in englischer Sprache · 170 Seiten

Seiten · Koreo Books · 30,00 Euro

Koreo Books · 25,00 Euro · klangundkleid.de

www.klangundkleid.de 8 Low Magazin


BÜCHER

DAVID BIENE: HOPPED-UP

S

eit er fünfzehn ist, hört David Biene

banon und Deutschland konzentrierte er sich

ren die Menschen: Topchops und Flatheads,

Rockabilly und Rhythm’n’Blues, und be-

seit mehreren Jahren neben der täglichen

ölverschmierte Schrauber, mit Pomade fri-

sucht seit Anfang 2000 regelmäßig Hot-

Arbeit auf seinen ersten Foto-Bildband »Hop-

sierte Rockabillies, flankiert von tätowierten

Rod-Festivals. Dort fotografiert der 30-Jährige

ped-Up«, der im Juni 2009 im Verlag Onkel &

Wasserstoffblondinen an wilden Renn- und

die europäische Interpretation der »Roaring

Onkel erschien.

Tanzwochenenden. Um dem Leser und Be-

50s«.

In einer beeindruckenden Kombination aus

trachter ein einzigartiges Gefühl für diese

David Biene lebt und arbeitet als freischaf-

anspruchsvoller Fotografie und Interviews do-

Atmosphäre zu geben, liegen dem Buch zwei

fender Fotograf in Berlin, wo er hauptsächlich

kumentiert David Biene authentische Charak-

die Großen und Noch-Nicht-Ganz-Großen der

tere – ohne Inszenierung, Wiederholung oder

CDs bei, die die Musik der Szene, als auch das Renngefühl weitergeben. ■ (onkel&onkel)

internationalen Musik-, Literatur- und Schau-

Retusche. Er begleitete die Szene über fünf

spielwelt für nationale und internationale

Jahre von Spanien bis Norwegen, auf Treffen,

Magazine und Managements vor die Kamera

Rennen sogar bis hinein in die Garagen und

David Biene

bittet.

Wohnzimmer der Protagonisten. Das sind für

»Hopped-Up – European Hot Rod Culture«

Nach einigen Ausstellungen und Ausstel-

ihn nicht in erster Linie die »Hot Rods«, die

in englischer Sprache · 240 Seiten + 2 CDs

lungsbeteiligungen zwischen Japan, dem Li-

aufgemotzten alten Fahrzeuge. Ihn interessie-

Onkel & Onkel · 29,00 Euro Low Magazin 9


STREET ART

SPION DER STRASSE

D

er spanische Künstler SpY begann bereits in den Achtzigern mit seiner künstlerischen Karriere. Seine ers-

ten Arbeiten in den Straßen Madrids waren Graffitis. Experimenteller arbeitete er ab den frühen Neunzigern. Er modifizierte Reklametafeln, klebte riesige Plakate und griff in das Stadtleben ein. SpY nutzt das, was ihm im Stadtgebiet zur Verfügung steht, um damit spielerisch zu arbeiten. Er reproduziert urbane Elemente um sie verändert in das Stadtbild zu integrieren. Seine Arbeiten sind voller Ironie und Witz. Ein Lichtblitz und ein Lächeln für jeden, der im trägen Trott der Stadt gefangen ist. SpY ist kein Zerstörer, kein untalentierter Schmierer. Er geht sehr subtil mit seiner Umgebung um. Er beobachtet sein Umfeld und reflektiert es mit Humor. Er ist ein Spion der Straße. ■ (dw)

10 Low Magazin


Low Magazin 11


Auf die Herkunft kommt es (nicht) an Zum 1. Geburtstag der Merry Karnowsky Gallery Berlin TEXT Christian Woelki

D

unkel wird es wird langsam in der Torstraße. Wie die meisten Galerien in Berlin-Mitte hat auch die Merry Karnowsky Gallery eigentlich schon geschlossen. Doch Gregory Teodori hat gerade das Licht angemacht, setzt sich noch einmal hinter seinen Schreibtisch und schiebt erneut die CD in seinen Computer, die ihm der nette aber doch irgendwie seltsame Typ in die Hand gedrückt hatte, der vor ein paar Monaten plötzlich in der Galerie stand. Fast hätte er sie zwischen den Stapeln von Postkarten, CDs, Flyern und Bildern, die jede Woche bei Teodori landen, nicht mehr gefunden. Nun schaut er sich Ernesto Canovas’ Menschen mit Hasenköpfen schon zum achten oder neunten Mal an und überlegt. Gleich wird er zum Hörer greifen und in L.A. anrufen. Gregory muß Merry endlich von dem Spanier erzählen. Er soll Teil von MKG werden. Seit einem Jahr gibt es in Berlin eine Zweigstelle der Merry Karnowsky Gallery (MKG) aus L.A. Gezeigt werden hier wie dort Künstler der so genannten LowbrowSzene. Beging die MKG in Kalifornien ihr 12 Low Magazin

10-jähriges Bestehen im Jahr 2007, so feierte die Galerie in der Torstraße gerade ihr erstes Jubiläum mit der Ausstellung »Hard Left 2«, der achten nach der Eröffnungsausstellung »Hard Left«. Neben bekannten Namen wie Mark Ryden, Travis Louie, Miss Van oder Camille Rose Garcia, die auch bereits in L.A. zu sehen waren, wurden dort MKGNeuzugänge wie der anfangs erwähnte Ernesto Canovas, Blue & Joy oder der Berliner Graffiti-Künstler Superblast gezeigt. Letzterer drückte Galerieleiter Gregory Teodori sein Buch im März 2008 bei der Galerieeröffnung in die Hand, wodurch der Jahrestag nicht nur einen Kreis schließt. Gregory Teodori, ein 52-jähriger Glatzkopf mit imposantem Schnauzbart, arbeitete mit Merry Karnowsky schon in L.A. zusammen, als sie noch die Tamara Baine Gallery leitete. Dort ging es darum, möglichst viel möglichst teuer zu verkaufen und viele der Künstler, die Merry mochte und gerne unterstützt hätte, hatten in der Galerie keine Chance. 1997 gründete sie MKG und Gregory wurde bald Assistant Director. Ihre erste Ausstellung zeigte Todd und Ka-

thy Schorr, es folgten Kent Williams, Dälek, FriendsWithYou und viele andere, die heute weit über die USA hinaus bekannt sind. Als es darum ging, einen weiteren Ausstellungsraum zu eröffnen und New York schnell als zu offensichtlich abgetan wurde, kam ein Zufall zu Hilfe. Gregory flüchtete Anfang 2007 vor dem Wahnsinn seines 50. Geburtstages nach Berlin und verliebte sich sofort in die Stadt. »This is the place« übermittelte er nach L.A. und bewies Weitsicht gegenüber der zweiten Wahl England. »London hätte 10-mal mehr gekostet und jetzt ist ihre Wirtschaft völlig den Bach runter…« fühlt sich Teodori heute bestätigt. Wenn er heute aus dem Fenster seiner Wohnung im obersten Stock eines Plattenbaus in Mitte auf den Fernsehturm schaut, muß er lächeln, wenn er an den Rest des Jahres 2007 denkt. »Wir haben den Rest des Jahres die ganze Stadt abgesucht, Charlottenburg, Friedrichshain, Mitte. Man erzählte uns, daß hier zwischen August- und Linienstraße die alte Garde zu finden wäre. [...] Mir gefällt, daß hier in der Nähe der Torstraße die ehemalige Grenze verlief. Diese


Merry Karnowsky Gallery · Torstraße 175 · 10115 Berlin www.mkgallery.com

Straße ist wie die Grenze, sie ändert sich andauernd.« Teodori und Karnowsky konnten natürlich nicht ständig in Berlin sein für ihre Suche nach den richtigen Räumlichkeiten. Es war schließlich die in Berlin lebende Malerin, Filmemacherin und Musikerin Danielle de Picciotto, die ihnen zu ihrem jetzigen Standort in dem angesagten Galerienviertel verhalf. Mittlerweile haben sich Teodori und die MKG eingelebt in Berlin. Mit einigen benachbarten Galerien ist man befreundet, besucht sich nach Ladenschluß oder geht gemeinsam die Nächte durchfeiern. Einige Künstler, die bei Merry Karnowsky ausstellen wollen, offenkundig aber nicht wissen, wie deren Programm normalerweise aussieht, empfiehlt Gregory auch schon mal an andere Galeristen, wenn ihm der künstlerische Ansatz zusagt. Allerdings komme es in Berlin sehr auf die Herkunft, sowohl der Kuratoren als auch der Künstler an, so Teodori. Viele der alt eingesessenen Galerien beäugten es eher skeptisch, wenn Gregory so offen auf sie zuging und auch noch Leute empfahl, die er selbst gar nicht kannte oder

bei sich ausstellen wollte. »Unser Fokus liegt hauptsächlich auf Gemälden, Zeichnungen oder Drucken aus den Bereichen Pop Surrealismus, Cartoon Surrealismus und Straßenkunst«, erklärt der Gallerist den Ansatz von MKG. Dabei ist Gregory immer offen für Neues. Er gab in seinem ersten Jahr neben Ernesto Canovas, Superblast und Blue & Joy auch Maryrose Crook aus Neuseeland eine Chance, so wie er Anfang 2009 anläßlich des Mauerfall-Jubiläums entgegen dem Grundansatz von MKG mit dem Berliner Szene-Urgestein und Berghain-Türsteher Sven Marquardt auch eine reine Fotoausstellung eines gebürtigen Berliners kuratierte. Derzeit überlegt er zusammen mit Merry, welche dieser Künstler sie in das L.A.-Programm integrieren können. In der Torstraße steht währenddessen ein Künstler auf dem Programm, der eine lange und enge Beziehung zur MKG vorzuweisen hat und seit dem Wahlkampf von Barack Obama wohl einer der bekanntesten Posterkünstler der USA geworden ist: Shepard Fairey a.k.a. Obey Giant. Ihm wird im Juni eine Print Retrospektive gewidmet, wo ne-

ben äußerst raren Posterdrucken auch eine neue Kollage zu sehen sein wird: Ein Portrait Mustafa Kemal Atatürks, des Begründers der modernen Türkei. Diese Persönlichkeit wollte Fairey natürlich nicht zufällig zuerst in Berlin präsentieren, sind es in Deutschland doch gerade die Türken, die in ähnlicher Form wie die Afro-Amerikaner in den USA eine herausragende Stellung unter den Minderheiten des Landes mit immer noch nicht gelösten Integrationsproblemen einnehmen. Es folgen eine weitere Gruppenausstellung von Juli bis Oktober, Kill Pixie im November und zum Jahresausklang eine SoloShow von Blue & Joy, welche hoffentlich ähnlich über die Galerie herfallen wird, wie ihre beiden phantastischen »Hard Left 2« Beiträge. Doch bevor nun die Obey-Drucke an die Wände kommen, ist Gregory mit dem Kopf schon einige Monate weiter: »Wir schließen gerade die Planung des nächsten Jahres ab und hoffen, daß wir einige neue Crossover zwischen L.A. und Berlin hinbekommen.« Lange Nächte sind da wohl vorprogrammiert. ■ Low Magazin 13



TEXT Danny Winkler

posterland Die polnische Schule der Plakatkunst

Abb. linke Seite: Stasys Eidrigevicius Plakat zum Theaterstück »Onkel Wania« 1989

W

as ist schon ein gutes Plakat? Da scheiden sich die Geister. Die einen mögen es schön dekorativ, manche mit Witz oder intelligenten Hintergedanken und dann gibt’s noch so manchen Firmenchef, der kann die Qualität seiner Plakate nur an seinen Umsatzzahlen erkennen. Eigentlich läßt sich aber feststellen, daß ein Plakat dann gut ist, wenn es seine Wirkdauer überleben kann, wenn das Datum der beworbenen Veranstaltung längst vorüber ist oder es durch eine neue Werbekampagne ersetzt wurde. Erst wenn es nicht mehr in den Straßen hängt, sondern seinen Platz an Küchen- und Wohnzimmertapeten bekommt, in Sammlerschubladen verschwindet oder sogar den Weg ins Museum findet, dann kann man wohl ganz diplomatisch von

einem guten Plakat sprechen. In Polen gibt es besonders viele dieser guten, museumswürdigen Plakate. VON DER KUNST ZUM DESIGN UND ZURÜCK ZUR KUNST Nicht jeder weiß es, aber unser Nachbarland im Osten ist ein Land, das für seine Plakate weltberühmt und hoch angesehen ist. Man spricht hochachtungsvoll von der polnischen Schule der Plakatkunst. Diese Schule proklamiert keinen festen Stil oder orientiert sich an einem Manifest. Diese Schule nutzt das Plakat als künstlerische Ausdrucksform. In Polen ist das Plakat Kunst! Warum aber ist gerade in Polen das Plakat so sehr angesehen und warum entwickelte es sich gerade dort zu einer Kunstform? Allgemein wird das Plakat als Vermittler und Werbeträger nicht der Kunst zugeschrieben. In den Designschulen vieler Länder wird es als Designprodukt beLow Magazin 15


links: Franciszek Starowieyski »Marriage« 1961

rechts: Jan Sawka Plakat zum Jazzfestival »Jazz nad Odra« 1978

handelt, das seine festgelegten Funktionen hat und sie auch erfüllen soll. Da Kunst in der Regel den Anspruch hat, keinen bestimmten praktischen Nutzen zu erfüllen und Design nun mal funktionell sein sollte, wird der Ausdruck »Plakatkunst« eigentlich zu einem in sich widersprüchlichen Begriff. Dabei begann alles so schön künstlerisch. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich mit der Erfindung der Farblithographie das Bildplakat zu einer Spielwiese künstlerischen Ausdrucks. Es waren vornehmlich die Künstler der Avantgarde, die dem Plakat Kunst injizierten – allen voran die Pioniere der französischen Plakatkunst Jules Chéret, Henri de Toulouse-Lautrec, Pierre Bonnard und der Tscheche Alfons Mucha. Geübt durch ihr Leben als Künstler, Maler und Grafiker wußten diese Leute von verschiedenen Farb- und Formenwirkungen. Sie wußten wie man sich auf einem zweidimensionalen 16 Low Magazin

Grund emotional wie auch rational ausdrücken kann. Das intensive Naturempfinden, das ein guter Künstler hat, ließ sich nun auch auf eine lebendige Stadtkultur anwenden. Das waren genau die Voraussetzungen, um für Kulturveranstaltungen wie Theater, Operette, Konzerte und Kabarett zu werben. Erst mit dem steigenden Einsatz in der Industrie und auf kommerziellem Gebiet verlor das Plakat seine künstlerische Note und verkam langsam zum Packesel kapitalistischer Interessen. Das Plakat sollte hauptsächlich Produkte verkaufen. Anstatt künstlerische Vorbildung waren dabei nun andere Voraussetzungen gefragt – marktorientierte Psychologie zum Beispiel. Diese Entwicklung fand nach dem zweiten Weltkrieg vorwiegend in den kapitalistischen Ländern statt. In Polen dagegen, wo man

einen kommunistischen Weg eingeschlagen hatte, war das Interesse an verkaufsfördernden Maßnahmen nicht sonderlich hoch. Die polnische Obrigkeit erkannte schnell die Macht der Plakate auf das Volk und begann

»Das Plakat soll singen …« Jan Leneca

dieses Genre zu fördern. Natürlich nicht ohne eigenen Nutzen aus der Sache zu schlagen, denn in den Jahren nach dem Krieg gebrauchten die Polen das Plakat zum Großteil noch für ihre politische Propaganda. Später, in den fünfziger Jahren, knüpften polnische Maler und Grafiker wieder dort an, wo die frühen Franzosen aufhörten. Sie begannen wieder verstärkt Kunstplakate für kulturelle Veranstaltungen zu gestalten. »Kunst wirbt für Kunst«, war die Devise.


Wieslaw Walkuski Ausstellungsplakat 2002 Low Magazin 17


Franciszek Starowieyski Plakat zu Dürrenmatts »Frank der Fünfte« 1962

18 Low Magazin


UNTER DEM SCHUTZ DER KOMMUNISTEN Auch in anderen Ländern gab und gibt es Künstler, die ähnliche Ansprüche an die Plakatgestaltung stellten wie die Polen; allerdings blieben es dort weitestgehend Einzelfälle. In Polen wurde das Plakat auf nationaler Ebene gefördert und hatte somit die Chance, sich über viele Jahre ungestört entwickeln zu können. Diese künstlerische Freiheit unter dem Schutz der Kommunisten ließ die Plakatkunst in Polen aufblühen. Seit Jahrzehnten wird daher in Polen das Gestalten von Plakaten in den Kunsthochschulen gelehrt. Ein feiner, aber gravierender Unterschied zu anderen Ländern, wo die Plakatgestaltung meist im Zuständigkeitsbereich der Designschulen liegt. Das polnische Plakat entwickelte sich in seiner Blütezeit – in den fünfziger und sechziger Jahren – zu einer eigenständigen Kunstform und avancierte zu einer Art Nationalkunst. Jeder in Polen hat durch die Plakate auf den Straßen Zugang zur Bildenden Kunst bekommen können, was der Popularität des Plakates nur dienlich sein konnte. Der reiche Schatz in Polens Kunstlandschaft hielt sich aber keineswegs in den nationalen Grenzen. Der internationale Ruf des polnischen Plakates war und ist beispielhaft. Polnische Plakate gewannen Preise bei Ausstellungen und auf den einschlägigen Poster-Biennalen in aller Welt. Polnische Künstler arbeiteten in Paris oder unterrichteten in Mexiko. 1966 fand zum ersten Mal die Warschauer Poster-

Biennale statt und zwei Jahre später eröffnete ebenda das erste Plakatmuseum der Welt. Polen wurden zum Posterland. DER PLAKATPIONIER POLENS Einer der Künstler, der den Weg der polnischen Schule der Plakatkunst geebnet hat, war Henryk Tomaszewski. Der Illustrator und studierte Maler bekam Ende der vierziger Jahre den Auftrag, Plakate für die Filmvertriebsgesellschaft »Film Polski« zu gestalten. Seine Werke waren keine gewöhnlichen Filmplakate. Er verzichtete darauf, lediglich Filmausschnitte und die Hauptdarsteller in heldenhaften Posen abzubilden. Tomaszewski ging sehr unkonventionell und künstlerisch an die Sache. Er transformierte die Geschichten und Assoziationen, die der Film mitbrachte, in seine eigene, teils verschlüsselte Bildsprache. Er konzentrierte die Essenz der Film- und Theatergeschichten in klare Formen und in flächige Farben. Einen sehr wichtigen Teil nimmt in Tomaszewskis Plakaten die Typographie ein – die Schriftgestaltung. Er sah davon ab, den Filmtitel in möglichst plakativen Buchstaben in Szene zu setzten. Vielmehr benutzte er die Schrift als eigenständiges Grafikelement, das sich dem Ganzen unterzuordnen hat. Schon allein diese subtile Herangehensweise, die Tomaszewski pflegte, beschreibt prinzipiell die Grundpfeiler der polnischen Plakatkunst. Intelligente Gedanken und Hintergedanken, unkonventionelle Sichtweisen und das Erkennen einer der Sache innewohnenden

Substanz sind neben der Persönlichkeit des Künstlers die Dinge, die das polnische Plakat zu dem gemacht haben, was es ist. Tomaszewskis Einfluß auf die polnische Plakatkunst war enorm. Als Professor für Plakatgestaltung an der Warschauer Kunstakademie von 1952 bis 1985 förderte er die künstlerische Eigenständigkeit der Grafikstudenten. Die Plakatlandschaft Polens wurde mit diesen neuen Geistern reicher. Die Ernsthaftigkeit und die lakonische Bildsprache in der Plakatgestaltung, die sich in den fünfziger Jahren weiter herausbilden konnte, waren ein großer Gewinn für die Kunst des Landes. EINFLÜSSE & STIL Auch hinter dem eisernen Vorhang blieben der kulturoffenen Nation Polens die Entwicklungen in der Kunst nicht verwehrt. Der Kubismus und der Expressionismus hinterließen dabei genauso ihre Spuren wie auch der Surrealismus und die damals in den Fünfzigern moderne Abstrakte Kunst. All diese Stilrichtungen verankerten sich in der polnischen Kunstszene und vor allem waren sie der Plakatkunst dienlich. Die Abstraktion eignete sich hervorragend für den formalen Gehalt eines Plakates. Um Empfindungen und persönliche Auffassungen eines Theaterstücks oder einer Oper geschmackvoll wiederzugeben, griffen einige Künstler surreale Elemente auf. Das Kunstplakat Polens sprach vornehmlich mit seinem Bild und der darin verstrickten Symbolik durch die individuelle

Low Magazin 19


Stasys Eidrigevicius Plakat zum 100. Todestag von Vincent van Gogh 1990

20 Low Magazin


Persönlichkeit des Künstlers. Die Schrift, die im kommerziellen Werbeplakat so wichtig geworden war, nahm teilweise eine untergeordnete Stellung ein. Oft diente sie nur der ornamentalen Vervollständigung der eigentlichen Bildwelt, um sie gestalterisch zu unterstreichen. Viele polnische Plakatkünstler verwendeten dazu ihre eigene Handschrift und Kalligraphie oder malten das gesamte Plakat am Stück mitsamt seiner Schrift. Das gab der Gestaltung buchstäblich die handschriftliche Note des Künstlers. JAN LENICA Neben Henryk Tomaszewski gab es weitere Künstler, denen man großen Pioniergeist in den glorreichen Zeiten des polnischen Plakates zuschreibt. Einer von ihnen ist Jan Lenica, einer der berühmtesten Plakatkünstler Polens. Der studierte Architekt war nicht nur ein hervorragender Grafiker, er betätigte sich auch erfolgreich auf dem Gebiet des Animationsfilms, zeichnete satirische Illustrationen für Zeitschriften und war Kunstkritiker. Er sagte einmal: »Das Wesen des Plakates ist Abwehr und Angriff zugleich: Abwehr vor der Umgebung, gegen andere Plakate, gegen die Straßenarchitektur, und gleichzeitig der Angriff auf den Passanten. Die Methoden des Angriffs können verschieden sein: Eine der wirksamsten ist, wie ich es auffasse, der Angriff durch Überraschung.« Lenica schlug in seinen Plakaten oft poetische und lyrische Töne an. Seine Gestaltungen sind wie Bildgedichte und melodiöse Lieder. »Das Plakat soll singen …«, sagte er

einmal. Lenica verwendete wie Tomaszewski sehr einfache Formen, die in ihrer Schlichtheit alles vereinten was wichtig war für die Wirkung des Plakates, für den Angriff und die Abwehr und die Überraschung. DIE ANDEREN In den sechziger Jahren gab es in Polen viele ausgereifte und gute Plakatkünstler. Einer von ihnen dominierte das Straßenbild Polens mit seinen Werken in dieser Zeit wie kaum ein anderer: Roman Cieslewicz. Er war ein Meister des Experiments in der Formengestaltung. Gerade in den Sechzigern stürzte er sich auf ein Feld, das nicht mehr die traditionellen Werkzeuge wie Pinsel und Farbpalette benötigte. Cieslewicz beschäftigte sich hauptsächlich mit Collagetechniken und arbeitete mit der Fotografie. Seine durchaus revolutionären Ansätze brachten weitere neue Impulse in die Plakatkunst Polens und prägten sie über Jahre. Weitere neue Injektionen brachte Franciszek Starowieyski. Bereits in den sechziger Jahren malte er märchenhaftsurrealistische Plakate – ein Stil der heute typisch ist für das polnische Plakat. Starowieyskis Plakate sind anders als die Arbeiten von Lenica, Tomaszewski oder Cieslewicz, wurden aber doch mit dem selben Feingefühl und dem polnischen Gespür für die Substanz des beworbenen Werks gemacht. Die düsteren Farben, die rätselhaften Welten und die Mehrdeutigkeiten der altmeisterlich gemalten Plakate eröffneten den Plakatkünstlern großartige Möglichkeiten für schwere Dramen und Tragödien in Theater,

Henryk Tomaszewski »Ladies & Hussars« 1977

»Der Salon der Plakate ist die Straße« Henryk Tomaszewski

Low Magazin 21


obere Reihe v.l.n.r.:

Franciszek Starowieyski »A Year of the Quiet Sun« (1984)

Mieczyslaw Górowski »Policja« (1982)

Wieslaw Walkuski »Idioci« (1999)

mittlere Reihe v.l.n.r.:

Sebastian Kubica »Jazz Posters« (2006)

Franciszek Starowieyski »Twarza w twarz« (1973)

Stasys Eidrigevicius (2002)

untere Reihe v.l.n.r.:

Stasys Eidrigevicius »Zamek« (1987)

Joanna Górska & Jerzy Skakun »Kret« (2008)

Stanislaw Miedza-Tomaszewski »Cyrk« (1974)

22 Low Magazin


Hubert Hilscher Zirkusplakat 1964

Film und Oper. In den Siebzigern und Achtzigern reifte diese Stilrichtung und brachte viele interessante Blüten hervor. Stasys Eidrigevicius, Mieczysław Górowski oder Wiesław Wałkuski sind auch heute noch beliebte und gefragte Leute der alten polnischen Schule der Plakatkunst. DAS POLNISCHE PLAKAT HEUTE Viele Künstler und Freunde der traditionsreichen Plakatkultur Polens sehen die Entwicklung dieser Kunstrichtung ab den neunziger Jahren mit eher gemischten Gefühlen. Seitdem sich Polen ab 1989 einem anderen politischen System zuwandte, hielt auch der Kapitalismus wieder Einzug im Land. Der marktwirtschaftliche Wettbewerb brachte unzählige konsumorientierte Plakate und Plakatwände ins Stadtbild. Das anspruchs-

volle Kunstplakat wurde zunehmend von den Straßen verdrängt und fand seinen Platz in Nischen intellektueller Kreise, in Theatern und Ausstellungsräumen. Dazu kam die Verbreitung des Personalcomputers. Der alteingesessene Plakatkünstler Waldemar Swierzy sagte dazu vor ein paar Jahren in einem Interview: »Heute ist jeder PC-Besitzer überzeugt, daß er damit alles machen kann, zum Beispiel grafische Zeichen, Logos, Reklame und Plakate. Aber das sind wertlose Produkte, die nichts in einem bewegen, wenn man sie anschaut. Es gibt alte Plakate, an die man sich heute noch erinnert, so suggestiv waren sie. Aus der heutigen visuellen Werbung merken wir uns fast nichts.« Die Seele des polnischen Plakates wird heutzutage von weitaus weniger Künstlern und Galerien gepflegt. Auch in Polen über-

wiegt inzwischen das reine Konzeptplakat und unterscheidet sich nur noch selten vom Kommunikationsdesign anderer Länder. Wurden früher für importierte Filme noch extra für den polnischen Markt wunderschöne und kreative Kunstplakate angefertigt, so finden heute wie überall die gleichen Filmplakate Verwendung, die nach ein und demselben Schema aufgebaut sind. Die technischen Möglichkeiten, Photographie und Schrift kinderleicht zu einem Plakat zusammenzustellen, sind heute weit verbreitet. Selbst wenn Amateure, Werbegrafiker oder Hobbydesigner die gestaltungstechnischen Grundlagen beherrschen, wird ihnen immer das fehlen, was die Besonderheit des polnischen Kunstplakates ausmacht – der künstlerische Blick und die Gabe, Seele in ein Plakat zu bringen. ■

Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von contemporaryposters.com, DES Wilanów POSTERMUSEUMS IN WARSCHAU UND DER KÜNSTLER

Low Magazin 23


Wiesław Wałkuski ist einer der populärsten Plakatkünstler Polens. Mit seinen dramatischen und surrealistischen Plakatentwürfen inszeniert er wie ein Regisseur Theaterstücke, Filme und Konzerte für den Papierbogen. Wałkuski wurde 1956 in Bialystok in Polen geboren. Er studierte von 1976 bis 1981 an der Kunstakademie in Warschau. Seit 1987 ist er freiberuflicher Künstler. Er lebt und arbeitet in Warschau. 24 Low Magazin

Abb. links: Wieslaw Walkuski · Plakat zu »Der Trubadour« von Verdi · 2002 · Abb. oben rechts: Wieslaw Walkuski · Plakat zur Jules Massenets Oper »Werther« · 1994


»Offen gestanden: Ich mag keine Plakate!«

wieslaw walkuski

H

Techniken zu benutzen. Offen gestanden: Ich

Malerischer Gehalt, Intelligenz, Humor, Über-

mag keine Plakate! Ich mag nur die Malerei,

raschung, Ausdruck, Individualität, nicht

wo auch immer sie zur Anwendung kommt.

Kommerz – die nobelsten Eigenschaften.

Wenn Sie ein Plakat für einen Film oder ein

Ist das polnische Plakat von heute noch in

Theaterstück machen, wie bereiten Sie sich

dieser besonderen Position wie in früheren

darauf vor, eine Idee für das Plakat zu fin-

Jahren?

den?

Absolut nicht. Die guten Zeiten sind vorbei.

Ich öffne einfach meinen Geist dem Thema

Der Kommerz hat die Oberhand.

err Wałkuski, ihre Bilder sprechen

des Films oder des Theaterstücks und versu-

eine deutliche surrealistische Spra-

che das Thema zu SEHEN. Nicht irgendetwas

Was machen Sie neben dem Gestalten von

che. Woher kommt das?

zu erfinden, sondern nur den Inhalt zu SEHEN.

Plakaten?

Surrealistisch? Ich habe nie über die Sprache

Ich weiß wirklich nicht wie das passiert. Das

Malen natürlich.

meiner Bilder nachgedacht. Ich habe nie ver-

ist eine Frage für einen Psychologen.

sucht meinen eigenen Stil und meine eigene

Was würden Sie all den jungen Plakat-Künst-

Sprache zu erfinden. Das ist alles natürlich.

Was sind ihre Haupteinflüsse?

lern da draußen sagen, was das allerwich-

All das kommt aus meiner inneren Natur, mei-

Mein Leben.

tigste an einem Plakat ist?

nem Geist, meiner Lebenserfahrung und meinem Blick auf die Dinge denen ich begegne.

Ich würde sagen: Das wichtigste an einem Wieviele Plakate haben Sie bisher entwor-

Plakat bist DU! ■

fen? Die meisten ihrer Plakate sind gemalt. Haben

Etwa 250.

Sie jemals andere Techniken ausprobiert? Ich bin kein Grafikdesigner. Ich bin ein Maler.

Was ist die Essenz der polnischen Schule der

Für mich gibt es keine Notwendigkeit andere

Plakatkunst? Low Magazin 25


26 Low Magazin


THE G N I K N I H T MAN’S POSTER ARTIST Amerikanische Posterkunst von Emek TEXT Mario Marquardt

Low Magazin 27



Plakat »Mars Volta« 58,4 cm x 81,3 cm Siebdruck in 3 FARBschichten 2008

ABBILDUNG LINKE SEITE: Plakat »The Decemberists« Siebdruck in 11 FARBSCHICHTEN 2007

Low Magazin 29


»Uncle Sam« Acryl auf Karton CD & DVD-Cover für Bad Religion

30 Low Magazin


Fast schon bei der Geburt abgeschrieben, hatte Emek ein sehr schwieriges, oft tragisches Leben. Nachdem er als Kind jahrelang dazu gezwungen wurde, in einem Plutoniumbergwerk zu arbeiten, gewann er eines von wenigen Bergbaustipendien für die Kunsthochschule. Was er nicht wußte – damit begannen seine Probleme erst. Auf der Kunsthochschule schloß er sich den schlimmsten Leuten an, welche, nachdem sie ihren Abschluß hatten, in die Welt der Kriminalität als freischaffende Künstler abrutschten. Von ihnen hat man nie wieder etwas gehört. Die einzige Möglichkeit für Emek, diesem hoffnungslosem Schicksal WERBUNG, welches seinen Kollegen widerfahren ist, zu entgehen, war es, ein Rock’n’Roll-Künstler zu werden.« Ob es wirklich seine einzige Chance war, mit seinem Talent etwas zu erreichen, wissen wir nicht. Was wir aber wissen, ist, daß man diesen Text mit einem Augenzwinkern lesen sollte. Dieser kleine Ausschnitt aus Emeks selbstverfaßter und auf seiner Webseite nachzulesenden Biographie liest sich um einiges interessanter als seine wirkliche. Schon an dieser ironischen Herangehensweise an das eigene Leben kann man erkennen, daß Emek sich selbst und sein Gesamtkunstwerk nicht allzu ernst nimmt. Was er aber sehr wohl ernst nimmt, ist die Arbeit an jedem einzelnen seiner Werke, seien es politische Plakate, Rockposter oder Zeichnungen. Obwohl sein Leben nicht dieses von vielen Leuten an Künstlerleben erwartete Leid und Elend beinhaltet, kann man es dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb nicht übergehen. Emeks Eltern waren selbst Künstler. Seine Mutter malte zenbuddhistische Kalligraphien und sein Vater zeichnete und druckte riesige politische Poster. Emek und seine zwei Geschwister verbrachten als

Kinder viel Zeit im Studio der Eltern, lernten dabei wie man schweißt, modelliert, druckt und zeichnet und ganz nebenbei erhielten sie auch ein Gespür für gute Musik, da im Haus immer irgendwo eine Schallplatte lief. Emek: »Als wir noch Kinder waren, legten meine Eltern immer Beatles-Scheiben auf und mein Bruder und ich tanzten dazu. Als ich zehn Jahre alt war, nahmen sie mich eines Tages aus der Schule, um mich zu einem Konzert von Pink Floyd mitzunehmen, zu ›The Wall‹ – das hat mich echt umgehauen, in eine neue Welt abtauchen lassen« So ließ es sich eben nicht vermeiden, daß auch die Kinder eine künstlerische Veranlagung entwickelten. Emeks Schwester fing an Mini-Comics zu malen und sein Bruder schrieb und illustrierte gemeinsam mit Erich Origen eine Parodie auf das amerikanische Kinderbuch »Goodnight Moon« von Margaret Wise Brown. Ihre Pa‑ rodie nannten sie »Goodnight Bush«. Worum es in diesem Buch geht, braucht man hier wohl nicht weiter zu erklären. Es wurde jedenfalls ein Bestseller. Was aus Emek selbst wurde, können wir heutzutage sowohl auf Konzertpostern als auch auf vielen politischen Plakaten sehen. In einer »ganz normalen« Familie würde man für solche Werke viel Lob und Anerkennung ernten, nicht so bei Emeks Familie, den Golans: »Ich hab zeitig lernen müssen, daß sie nicht leicht zu beein‑ drucken sind – wenn deine Eltern, dein Bruder und deine Schwester alle Künstler sind, erzählen sie die ganze Zeit wie sie dieses oder jenes besser machen würden, anstatt dir einfach ein Kompliment zu machen.« Als Emek anfing Poster zu machen, war es ihm sehr wichtig nur für Bands zu arbeiten, deren Musik er mag. Er fand aber schnell heraus, daß es nicht immer darum geht, die Musik zu mögen, sondern um den Prozess, den man mit den Künstlern durchzustehen hat. So kann es schon einmal vorkommen, meint er, daß er mit einer Band, die er mag, absolut nicht zusammenkommt, da sie ihn nicht in Ruhe arbeiten läßt und ihre eigenen Ideen Low Magazin 31


verwirklicht sehen will. Wobei hingegen »andere Bands, die zwar nicht dem eigenen Musikgeschmack entsprechen, dem künstlerischen Schaffensprozess sehr respektvoll und enthusiastisch gegenüber stehen.« Emek genießt es, in seiner Kreativität nicht eingeschränkt zu werden. Am meisten motiviert es ihn, wenn die Bands ihm nur eine Auflage mit auf den Weg geben: »etwas Cooles zu liefern«. Bands, die ihre kompletten eigenen Ideen in einem Kunstwerk verewigt sehen wollen und es sich herausnehmen Emek zu diktieren, sollten genügend Geld mitbringen, so Emek, als Wiedergutmachung sozusagen. »Heutzutage wissen aber die meisten Bands, wie ich arbeite, das macht es einfacher.« Und was dabei herauskommt, wenn man Emek in Ruhe arbeiten läßt, kann man in seinen Postermotiven sehen und fühlen: Poster, auf denen im Detail noch ein Detail im Detail zu sehen ist. Emek ist nur ganz selten der Meinung, mit einer Arbeit fertig zu sein. »Bei den meisten Arbeiten denke ich: Wenn ich doch nur noch einen Tag mehr Zeit hätte. Ich arbeite fast immer bis zur allerletzten Sekunde und wenn ein Poster dann endlich fertig ist, sehe ich für gewöhnlich immer noch Dinge, die ich hätte machen können, die anders hätten sein können. Ich bin nie zufrieden, das spornt mich an. Immer wenn ich gefragt werde, welches mein Lieblingsposter ist, antworte ich ›mein nächstes‹.« Dieser Einstellung verdankt er es, daß bei jedem seiner Plakate die komplette Posterwelt in helle Aufregung versetzt wird. Es sind seine ungewöhnlichen Poster, seine ungewöhnlichen Herangehensweisen. Er ist ein Star in der weltweiten Posterszene. Obwohl seine Werke fast immer sehr filigran und detailreich gezeichnet sind, kann man ihn dann im Druckprozess häufig als Mann des Groben bezeichnen. Dann kann es schon einmal

vorkommen, daß er eine Gasmaske trägt, um nicht die giftigen Dämpfe einer flüssigen, heißen Kunststoffmasse einzuatmen oder daß er in einer alten Fabrik an einer riesigen antiken Druckerpresse steht. Je abwegiger eine Idee, je unlösbarer sie erscheint, desto mehr spornt es ihn an, diese in die Tat umzusetzen. Emek beschreitet Wege in der Plakatkunst, an die andere Posterkünstler nicht einmal im Traum denken würden und so platt es auch klingen mag, Emek bekommt seine meisten Ideen im Traum, wacht dann auf und denkt sich: »Wow, das wäre cool, das hat noch niemand vor mir gemacht, aber wie um Gottes Willen stelle ich das an!?« Zum Glück kommt es ihm dabei zugute, in solch einem kreativen Haushalt aufgewachsen zu sein. »Ich will, daß meine Poster eine Herausforderung werden, sie sollen anders sein, genau das ist es, was es für mich immer wieder spannend macht. Ich kann mich auf all die Erfahrungen in den verschiedenen Kunstrichtungen aus meinem Elternhaus stützen. Kann mit diesen unterschiedlichen Ansätzen experimentieren. Also suche ich mir ein Medium und eine Methode um meine Idee umsetzen zu können. Meist durch probieren und wieder probieren, bis ich endlich Erfolg habe und das Endprodukt vor mir liegt.« Dieses Endprodukt kann auch schon einmal ein Poster sein, welches eigentlich keines mehr ist. Für ein Konzert der Queens of the Stoneage zum Beispiel bastelte er einfach ein paar Drehscheiben für ein Twisterspiel und für die Thievery Corporation mußte es unbedingt ein Druck in der dritten Dimension sein. Auf seiner Webseite emek.net findet man einige bebilderte Kurzanleitungen über seine ungewöhnlichen Arbeiten.

»Immer wenn ich gefragt werde, welches mein Lieblingsposter ist, antworte ich: mein nächstes.«

32 Low Magazin


3D-Plakat »Thievery CorPoration« 45,7 cm x 70 cm x 1,3 cm 3d-Guss bemalt 2002 (Making-of auf seite 34)

Low Magazin 33


3

1

Das Making-OF: Emeks 3D-Poster für »Thievery Corporation« 4

2

6 1 Gestalten und zeichnen der SchriftELEMENTE

2 Zeichnen des Plasmans 3 Anmischen der giftigen Formmasse

4 Unordnung 5 Die gegossene MasterForm bildet ein Negativ des Motivs. darin Werden die einzelnen Abgüsse gegossen.

6 Die Abgüsse wurden aus

5 34 Low Magazin

der Master-Form genommen und trocknen im Garten bis sie angemalt werden können

7 Das fertige 3D-Poster

7


Bis zur Ideenfindung unterscheidet sich seine Arbeitsweise aber kaum von anderen Posterkünstlern. Er stellt Recherchen an über die Bands, ihre Musik, den Veranstaltungsort. Wenn die Band dann mit dem Entwurf zufrieden ist, dauert es etwa ein bis zwei Wochen um zu drucken und einige Tage um zu nummerieren und zu signieren. »Verpacken und Verschicken nimmt auch sehr viel Zeit in Anspruch, schließlich möchtest du dir vorher nicht all die Arbeit gemacht haben und diese am Ende wegen Transportschäden ruiniert sehen.« Beschäftigt man sich mit Emek und seinen Plakaten, stößt man immer wieder auf zweierlei Dinge. Zum einen den Slogan »The Thinking Man’s Poster Artist« und zum anderen auf viele, viele Skelette. Zu seinem Slogan meint Emek: »Vor 15 Jahren, zu der Zeit, als ich anfing Poster zu machen, gab es haufenweise Darstellungen von solchen Mädels in Teufelsgestalt und andere Bezüge zu popkulturellen Dingen. Meine Arbeit sollte konzeptioneller sein. Es hatten natürlich auch andere Künstler solche Slogans, naja, jedenfalls sagte eines Tages ein befreundeter Musiker, mit dem ich gerade arbeitete, zu mir: ›Now you’re thinking‹ und ich erwiderte ›Yeah, I’m the thinking man’s poster artist.‹ Dabei blieb es einfach. Eine Art Witz eigentlich, es machte aber auch irgendwie Sinn. Heute arbeiten ja viel mehr Posterkünstler konzeptionell.« Konzeptionell hin oder her, Skelette müssen aber eben auch bei Emek herhalten. Nur liefert er dafür auch gleich eine tiefgründige Erklärung. »Allein der Gedanke, daß unter jedem lebenden, atmenden, schönen Ding Blut, Innereien und Knochen stecken, das ist faszinierend. ›Blood and Gore‹ (intensive Gewalttätigkeit, Metzelei; Anm. der Redaktion) hab ich nie gemocht, aber eben die mechanische Funktionsweise von Muskeln und Skeletten… Knochen sind immer in uns und sie sind das, was von uns übrig bleibt, wenn wir nicht mehr sind. Deshalb muß es auch unbedingt solche ›anstößigen‹ Arbeiten

geben, um uns einerseits an unsere Ängste zu erinnern, aber uns anderseits auch die Realität unter der Oberfläche zu zeigen.« Wie sein Vater und sein Bruder, ja eigentlich wie die komplette Familie, ist auch Emek ein sehr politischer Mensch. Er läßt es sich nicht nehmen auch hin und wieder provokante politische Poster mit in sein Repertoire aufzunehmen. Meist richten sich diese gegen die Republikaner, in den letzten Jahren natürlich überwiegend gegen Bush, der für die meisten amerikanischen Künstler der Inbegriff des Bösen und gleichzeitzig eine Witzfigur ist. Dies spiegelt sich auch auf Emeks Postern wieder. Zum Abschluß interessiert uns daher natürlich noch, wie er jetzt über Obama denkt, über den Machtwechsel, ob es sich jetzt überhaupt noch lohnt, politische Poster zu machen, und ob er sich mit seiner öffentlichen Meinung auch Feinde gemacht hat. »In unserem Familienleben hat Politik schon immer eine große Rolle gespielt, schon immer haben wir uns gemeinnützig engagiert. Natürlich macht man sich unweigerlich Feinde, wenn man seine Meinung laut verkündet, aber im Großen und Ganzen sind Menschen, die Kunst und Musik schätzen dabei toleranter. Daher sind es nur die engstirnigen Leute, die mit meiner Meinung nicht einverstanden sind, aber ich fände es sowieso besser, wenn die meine Arbeiten nicht sammeln. Obama ist viel besser als Bush, aber die korrupten Unternehmen, welche Bush kontrolliert haben, sind immer noch stark und besitzen immer noch Macht. Politische Poster werden immer wichtig sein. SIE kontrollieren die Medien, aber die Straßen gehören UNS. ■

»BLOOD AND GORE HAB ICH NIE GEMOCHT«

Low Magazin 35


GourmetWürste & Kunstdrucke Der Decoder Ring Design Concern ist mehr als eine Werbeagentur

36 Low Magazin

DIE DREI VON DER WÜRSTCHENBUDE. DIE DECODER RING BOSSE GEOFF PEVETO, PAUL FUCIK UND CHRISTIAN HELMS (V.L.N.R.)


Christian Helms

TEXT & INTERVIEW Andy MacDougall

I

n der üblichen Grafikdesign- und Werbewelt ist Wahrgenommenwerden und Image alles. Wie gewinnt also ein kleines Unternehmen mit Sitz in Austin, Texas, das sich nach einem Spielzeug aus einer Kindermüslipackung benannt hat, landesweit Aufmerksamkeit – und Kunden? Obwohl sie stetig Aufmerksamkeit gewinnen konnten und großartige Werbung in einer Vielzahl von Medien herausbrachten, finden die einzelnen Mitarbeiter Zeit, um sich für Nebenprojekte zu engagieren. Darunter ist ein Spezialitäten-Restaurant mit außergewöhnlich leckeren Hot Dogs und ein ambitioniertes Kunstsiebdruck-Projekt mit den

Geoff Peveto

Paul Fucik

Er hat ein Diplom

Er ist eine Hauptfigur des

Das dritte Mitglied des

in Journalismus/

Studios mit Photographiever-

Teams gestaltet und

Massenkommu-

gangenheit. Er gründete Factor

druckt seit seiner Kindheit.

nikation von der

27, ein Unternehmen in Austin,

Unterstützt wurde das

Universität North

das auf Entertainmentdesign

durch seine Skateboard-

Carolina/Chapel

spezialisiert war. Er brachte

und Surfstudien während

Hill mit Hauptstu-

auch das Peterbelly Magazine

der Pausen auf der Design-

dium am Portfolio

heraus. Siebdruck ist eins sei-

schule. Auch er hat Factor

Center. Danach

ner Fachgebiete, Bier trinken

27 mitgegründet und

arbeitete er unter

ein anderes. In seiner Freizeit

setzt seine umfangreichen

Michael Beirut für

hat er es geschafft das Ame-

Siebdruckerfahrungen in

Pentagram, für

rican Poster Institute, das die

die Tat um. Gelegentlich

verschiedene ande-

Flatstock-Shows auf die Beine

arbeitet er auch für die

re Agenturen und

stellt, mitzugründen und ihm

Coronado Studios als

freiberuflich.

als Präsident zu dienen.

Meisterdrucker.

derzeit angesagtesten alternativen Künstlern. Der Decoder Ring Design Concern (DRDC) ist mehr als eine Werbeagentur. In einer Welt von seltsamen korporativen Firmenphilosophien ist die Philosophie von DRDC einfach: »Arbeit, die wir lieben für Kunden, die wir bewundern«. Einige der besten früheren Sachen sind Plakate, Plattencover und anderes Material für Bands wie Modest Mouse und The Hold Steady, die Plakate der Obama-Präsidentschaftskampagne für die Initiative für jugendliche Wähler, Farmers Fare in Maine und Pauls zweimonatige Surfboard-Designstudie in Neuseeland. Gegenwärtig arbeiten sie zusammen mit John Bielenberg an einer erstaunlichen Markenentwicklung für Farmers Fare. Das Restaurant »Frank« entsteht. Sie arbeiten mit David Bazan an einer Verpackung für sein

neues herausragendes Album auf Barsuk Records. Weiterhin entstehen einigen Sachen für die Black Sheep Bar, ein neuer Pub in Austin, und für Thunderbird Hotel & Ballroom in Marfa. Obwohl das Unternehmen außerhalb der großen Werbezentren Nordamerikas operiert, blieb all diese Arbeit nicht unbemerkt. In der Design- und Werbewelt erhielt DRDC Aufmerksamkeit mit Beiträgen beim »Step 100« (ein Designwettbewerb, Anm. der Redaktion), einem Beitrag im Communication Arts Magazin und Siege bei den Design Annuals, sowie Christians Tätigkeit als Jurymitglied des CA Design Annuals. Ihre Arbeit war im Print Magazine und auf der Biennale in Chicago vertreten. »Man könnte noch viel mehr aufzählen, aber das wäre langweilig«, sagt Peveto. Low Magazin 37


DECODER RING IST ALLES ANDERE ALS EINE SCHICKIMICKI-WERBEAGENTUR. LINKS: CHRISTIAN UND PAUL BEIM HANDSIEBDRUCK, RECHTS: VERPFLEGUNGSTÜTEN DER MITARBEITER

Ihr seid gerade umgezogen. Eure neuen Räumlichkeiten sind großartig. Gebt uns bitte einen kurzen Überblick über die Raumaufteilung und wie sie eure Firma verbessert hat! Geoff: Wir sind glücklich, den Raum mit einem talentierten und exzentrischen Landschaftsarchitekten zu teilen, so sind wir jetzt von Bambus und einer landschaftlich tadellos gestalteten Anlage umgeben. Es ist unglaublich entspannend im Vergleich zu unserem letzten Büro. Das Gebäude, ein altes renoviertes Haus, ist groß genug für einzelne Arbeitsbereiche, einem Konferenzraum und unseren Siebdruckbetrieb. Arbeitet ihr meistens mit lokalen, nationalen oder internationalen Klienten? Aus welchen Geschäftsbereichen kommen sie? Christian: Seltsamerweise haben wir landesweit eine Menge Arbeit, oft für größere 38 Low Magazin

»Fans wollen immer eine Art Fahne, durch die sie sich selbst mit der Musik, die sie lieben, identifizieren können.«

Agenturen und Musiklabels und hier und da auch ein paar internationale Sachen. In den vergangenen Jahren haben wir auch für regionale Restaurants, Firmen und Einzelhandelsunternehmen gearbeitet und ihnen geholfen eine eigene Sprache und eine eigene Identität zu finden. Musik ist ein kleinerer Teil des Pensums als am Anfang, aber immer noch ein sehr wichtiges Element. Wir sind alle immer noch Musikfreaks. Geoff: Nach wie vor lieben wir es, Poster zu machen und zwei oder drei im Monat herauszubringen. Wir werden auch weiterhin bei Flatstock (Rockposter-Shows, Anm. der Redaktion) dabei sein, weil es einfach Spaß macht. Auch die Kunstdruckserie die wir kuratieren und drucken geht weiter. Es gibt

einfach zu viele Künstler mit denen wir diese Arbeit fortsetzen wollen.

Wohin geht die Musikindustrie aus Sicht des Grafikdesigns, des Marketings und der Werbung und welche Rolle spielt DRDC dabei? Geoff: Es wird interessant. In mancher Hinsicht haben sich die Anforderungen für Grafik im digitalen Zeitalter geändert. Manche Labels legen weniger Wert auf die Verpackung. Allerdings scheint das Wiederaufleben von Vinyl und Plakaten eine direkte Gegenreaktion zu den digitalen Bestandteilen zu sein, die den Fans nichts Visuelles bieten können. Christian: Ja, die Leute wollen noch immer etwas Handfestes, etwas Fühlbares, das die Musik repräsentiert die sie damit verbinden.


Es sind vor allem Merchandisesachen, Poster und andere Artikel. Fans wollen immer eine Art Fahne, durch die sie sich selbst mit der Musik, die sie lieben, identifizieren können. Schon seit den Anfängen seid ihr stark am American Poster Institute beteiligt. Wächst die Rockposterbewegung weiter oder hat sie sich eingepegelt? Geoff: Sie scheint immer noch zu wachsen. Jedes Flatstock bringt einen neuen Schub Postermacher und meist auch wirklich großartige. Mindestens einen vielversprechenden Neuen gibt es in der Regel auch jedesmal wenn Clay die Neuzugänge auf www.gigposters.com aktualisiert. Wir werden von Bands kontaktiert, die nicht immer eine Vorgeschichte mit Plakaten haben. Sie sind daran interessiert sich ganze Tourserien machen zu lassen. So werden die Leute aufmerksam. CD-GESTALTUNG DES MODEST MOUSE ALBUMS »WE WERE DEAD BEFORE THE SHIP EVEN SANK« UNTEN: SIEBDRUCKPLAKAT FÜR EIN MANU CHAO KONZERT

Hat die Wirtschaftskrise eher DRDC oder das American Poster Institute getroffen? Christian: Wir sind bei Decoder tatsächlich beschäftigter als jemals zuvor. Eine Rolle dabei spielt Timing, die Aufrechterhaltung langandauernder Beziehungen und daß die Leute, angesichts der Wirtschaftlichkeit, eher zu uns kommen als zu größeren Agenturen zu gehen. Wir sind glücklich darüber, momentan an ein paar wirklich großen Projekten zu arbeiten. Geoff: Das letzte Flatstock in Austin blieb etwa zehn Künstler unter seiner normalen Kapazität. Wenn wir mit den »Stammgästen« die nicht da waren sprechen, kommt heraus, daß sie eher nicht verreisen konnten, weil sie so beschäftigt waren. Geld spielte da keine Rolle. Wir hatten viele Besucher und es war bisher das größte SXSW (Musikfestival in Austin, Anm. der Redaktion). Die Leute sollten die Nachrichten ausschalten und einfach weiter arbeiten. Low Magazin 39


DECODER RING HABEN EINEN GUTEN RUF IN DER ROCKPOSTER-SZENE: SIEBDRUCKPLAKATE FÜR DIE KINGS OF LEON VON 2008 (LINKS) UND SPOON AUS DEM JAHRE 2005 (RECHTS)

CHRISTIAN HELMS BEIM DRUCKEN DES James Victore KUNSTDRUCKS »ART IS A TOOL«

40 Low Magazin

Was ist »Frank«? Geoff: »Frank« ist ein Projekt an dem ich gerade mit meinem Kumpel Daniel Northcutt der im Restaurantgeschäft ist, arbeite. Seltsamerweise gibt es keine guten Hot Dogs in Austin. Gelangweilt von miesen Chili-Dogs machten Daniel und ich unseren eigenen Laden auf. Es wird klassische Chili-Dogs und Chicago-Dogs geben, wie auch Gourmetwürste gepaart mit handgemachtem Käse und selbstgemachten Saucen. Und für unsere deutschen Freunde wird auch Currywurst auf der Karte stehen. Christian: Ich kümmere mich um das Branding und mein jüngerer Bruder zog von Carolina runter um als Chefkoch zu fungieren. Wir freuen uns, Menschen zu finden mit

denen wir Spaß haben können und herauszufinden, wie wir etwas zusammen aufbauen können. Erzählt uns etwas über die Art-Print-Serie! Geoff: Paul und ich, wir beide drucken und wir betreiben das Siebdruckstudio, wo wir in erster Linie nur Decoder Ring Sachen drucken. Eines Tages saßen wir beide da und überlegten wofür wir unseren Raum noch nutzen könnten und wir beschlossen, Kunstdrucke zu machen. Unsere Gigposter blieben in der Regel im Drei- bis Vierfarbbereich, doch wir wollten unsere Druckfähigkeiten vorantreiben, deshalb fertigen wir in unserer Serie Drucke mit 15 bis 25 Farben. Wir arbeiteten mit großartigen Künstlern wie Jay


Ryan, Tara McPherson, Dalek, Gary Baseman und anderen. Du kannst die ganze Serie unter www.thedecoderring.com/shop/prints sehen. Habt ihr eine gute stupid client story? Christian: Wir haben keine dummen Klienten. Das Leben ist zu kurz um mit diesen Leuten zu arbeiten. Allen Ernstes, wir haben Glück gehabt mit einer Menge Leute zu arbeiten, die wir bewundern und mit denen wir Spaß haben. Abgesehen von Dan von Aesthetic Apparatus. Er war sternhagelvoll als er mit uns an seinem Druck arbeitete. KUNSTENGAGEMENT IM HAUSE DECODER RING: ZWEI SIEBDRUCKE AUS IHRER AUFWENDIGEN

KUNSTDRUCKSERIE.

RECHTS

»The Fidelity and Casualty« VON Aesthetic Apparatus IN 19 FARBSCHICHTEN UND UNTEN DER KUNSTDRUCK VON AARON HORKEY VON BURLESQUE OF NORTH AMERICA MIT 21 FARBEN GEDRUCKT.

Bleibt ihr in der Zukunft in dieser Besetzung oder wollt ihr expandieren? Christian: Wir haben ein Netzwerk von talentierten Mitarbeitern, auf die wir nach Bedarf zurückgreifen können, ansonsten halten wir uns klein und fein. Geoff: Wir mögen die Größe unseres Unternehmens. Sie erlaubt uns eine engere Zusammenarbeit mit dem Kunden. Habt ihr einen Traumklienten? Geoff & Christian: Wir würden gern für eine Bierfirma arbeiten. Vervollständigt diesen Satz: Wenn wir es uns leisten könnten würden wir ... kaufen. Geoff: Ein Riesenstudio mit jeder erdenklichen Art von Druckmaschinen. Christian: ... und eine Brauerei Abschließende Worte. Eure Kommentare zu irgendeinem Thema. Geoff: Christian Helms ist ein Riesenschlappschwanz! Christian: Sterilisiert und kastriert eure Haustiere. Bleibt auf dem Teppich und greift weiter nach den Sternen. ■ Low Magazin 41


Im Bild: Anarchy Trooper (10 Inch, 2008) 1984 Labbit (10 Inch, 2009) Smokin Joe (Obey Edition, 4 Inch, 2006) Dunny Endangered Series (3 Inch, 2009) Dunny Series 4 (3 Inch, 2007) Humbug Dunny (3 Inch, 2005)

42 Low Magazin


FRANK KOZIK Der gebürtige Spanier lebt seit 1976 in den USA und versteht es wie kaum ein ander‑ er, seine Toys zu vermarkten. Angefangen hat es aber bei ihm mit Grafikdesign, mit der Gestaltung einer Vielzahl an Tourpostern. Kozik hat in seiner Laufbahn unter anderem für die Red Hot Chili Peppers, Nirvana, Pearl Jam, Sonic Youth, Pixies, Beck, Soundgarden und die Beastie Boys gearbeitet. Sein Stil hat ihm Aufträge von Oakley, Nike, BASF und MTV verschafft.

OfF The Wall Persönlicher Stil ist meist medienübergreifend. Das gilt auch für Posterkünstler.

Inzwischen kümmert er sich aber hauptTEXT & FOTOS

sächlich um seine Art Toys, und davon gibt es eine ganze Menge. Die Bekanntesten haben eines gemeinsam: Eine Zigarette. So gibt es neben den Smoking Mongers u.a. die Smorkin’ Labbits, rauchende Dunnys und smoking Qees. Ein anderes Thema das sich durch seine Arbeit zieht, sind Referenzen an »The Shining«, viele seiner Toys gibt es als redrum-Versionen. Unabhängig von Hersteller und Plattform hat Frank Kozik den Designer Toys seinen Stempel aufgedrückt, wie eine Vielzahl an Produkten beweist. Da er unter anderem für Kidrobot, Toy2R, Adfunture, Jamungo und andere gearbeitet hat, ist es unmöglich alle seiner Figuren aufzulisten.

Lilo Krebernik

G

igposter und andere limited edition prints haben etwas ganz Besonderes an sich, denn sie promoten meist neben Acts und Events auch den Designer des Posters. So haben sich eine Reihe von Künstlern inzwischen einen Namen gemacht, und ihre Drucke sprechen eine eindeutige Bildsprache, genauso wie ihre Art Toys. Die Faszination Urban Art Toys funktioniert nach ähnlichem Prinzip, denn neben dem Hersteller stehen die Künstler im Rampenlicht. So gesehen ist es also nicht verwunderlich, daß einige der bekannten Posterkünstler inzwischen erfolgreich Toys gestalten. Und im Gegensatz zu der Vielzahl an Illustratoren, die hin und wieder die Ehre haben eine Figur zu gestalten, gibt es Gesichter innerhalb der Gigposter-Szene, die inzwischen eine Vielzahl an collectibles geschaffen haben. Die gezeigten Beispiele veranschaulichen vor allem eines: Egal wann oder wie viele Poster und Toys diese Künstler bereits gestaltet haben, ihr persönlicher Stil unterscheidet sie stark voneinander und das macht sie interessant. Einerseits gibt es einen Wiedererkennungswert, andererseits legen sie viel von ihrer Persönlichkeit in die Arbeiten – und die Arbeiten selber werden auch irgendwie Teil ihrer Persönlichkeit. Die große Gemeinsamkeit zwischen Gigposter und Toys ist vor allem für Sammler ein wichtiger Punkt: Sie sind leistbar! Und daher wunderbare Plattformen. ■ Low Magazin 43


TARA McPHERSON Die New Yorker Künstlerin Tara McPherson ist bekannt für ihre unglaublichen Gigposter für Alternative Bands wie Death Cab For Cutie, Queens Of The Stone Age, Modest Mouse, Melvins und Beck, aber auch für Duran Duran und Depeche Mode! Ihr Stil ist sehr stark von Comics geprägt, und es verwundert nicht, daß sie unter anderem während ihres Praktikums bei den Rough Draft Studios an »Futurama« mitgearbeitet hat. Bekannt wurde Tara unter anderem mit Illustrationen eines Mädchens mit gebrochenem Herzen, das sie symbolisch aus ihrem Körper nimmt. Dieses Motiv hat sie 2006 bei der Dunny LA Series auf einem Dunny umgesetzt und somit die Basis für weitere Toys geschaffen. Inzwischen sind einige weitere Vinyltoys gefolgt, unter anderem Dunnys, Ace und Ion sowie zuletzt ihre eigene Mini-Serie »Gamma Mutant Space Friends«. Im Bild: Bubble Yucky Dunny (8 Inch, 2007) Dunny Series 4 (3 Inch, 2007) Dunny LA Series (3 Inch, 2006) Gamma Mutant Space Friends (3 Inch, 2009)

44 Low Magazin


Low Magazin 45


Im Bild: SCREAMING HAND (10 Inch, 2007)

JIM PHILLIPS Ein Grafiker der alten Schule, der bereits vor mehr als 25 Jahren ein richtiges icon geschaffen hat, ist Jim Phillips. Seine Arbeit als Designer bei Santa Cruz Skateboards hat ihn weit über die Szene bekannt gemacht, und seine Poster, Sticker und Decks mit der Screaming Hand sind legendär. Seine Rockposter für Motorhead, Canned Heat und The Doors gelten als Meilensteine für viele Illustratoren, und die Bücher über seine Arbeiten fehlen in keinem guten Designstudio. Vor allem in den letzten Jahren wurden seine Arbeiten neu aufgelegt und remixed, zuletzt für Produkte von Skullcandy, Grenade Gloves und seine Screaming Hand als Art Toy von Garage Works/Made by Monsters.

46 Low Magazin


SHEPARD FAIRY

Im Bild: STEALTH BOMBER DOG QEE (8 Inch, 2005)

Auch durch seine Poster bekannt wurde Shepard Fairey, zuletzt natürlich in der Öffentlichkeit durch sein »Hope« Wahlposter für Barack Obama. 1989 startete er mit seiner »André the Giant has a Posse« Stickerkampagne, aus der sich in weiterer Folge »Obey Giant« entwickelte. Faireys Stil ist geprägt von kommunistischen

Propaganda-Pla-

katen und Schablonen, und er erarbeitete sich damit schnell einen Ruf als gefragter Künstler für Plattencover und Poster. Neben den Black Eyed Peas, Smashing Pumpkins, Flogging Molly, Led Zeppelin und Anthrax gestaltete er das Filmposter für »Walk The Line« und eine Serie limitierter Prints seiner Ikonen wie Run DMC, Sid Vicious, Joe Strummer, Joan Jett und Henry Rollins. Als

bekanntester

Streetartist

war es nur eine Frage der Zeit, daß er für verschiedene Hersteller Toys gestalten konnte, und es gibt neben Qees und Dunnys zum Beispiel einen VW Bus von Mattel sowie zuletzt Meldungen über die ersten Prototypen des Mr. Spray Characters als Art Toy.

Low Magazin 47



MANN FRISST MANN

C

Ein Interview mit

Victor Castillo über Chile, Cartoons und seine Malerei

TEXT & INTERVIEW Danny Winkler

artoon-Figuren mit Wurstnasen sind sein Markenzeichen – eine Bildsprache, die den Einstieg in seine Kunstwelt für jeden erleichtert. Seine Charaktere scheinen offensichtlich heiter und witzig, aber hinter Victor Castillos Bildern steckt weit mehr als ein reiner visueller Effekt. Der 36-jährige Künstler wurde im südamerikanischen Santiago de Chile geboren und wuchs dort während der Militärdiktatur Augusto Pinochets auf. Seine Werke sind geprägt von den düsteren Zeiten seines Landes, von der Unterdrückung, der Zensur und der Verfolgung, aber auch vom starken Einfluß der USA und deren Kultur auf Chile in dieser Epoche. Victor Castillo lebt und arbeitet heute in Barcelona in Spanien und in Santiago de Chile; seine Bilder hängen in Galerien in Europa und Amerika.

Abbildung linke Seite: »Un tornado arrazo mi ciudad y mi jardin primtivo« 2008 · Acryl auf Leinwand · 145 cm x 145 cm

Als ich das erste Mal Kontakt zu Victor aufgenommen hatte, schrieb er mir E-Mails von einer abgelegenen Insel irgendwo bei Südamerika, in der Nähe von Chile. Was treibst Du auf einer chilenischen Insel? Ich nehme Abstand von allem, speziell von der Stadt. Die Möglichkeit zu haben, die Natur und die Stille zu genießen und dabei Energie zu tanken, ist perfekt. Danach kommt man mit einem klareren Kopf zurück in die Stadt. Es ist immer gut, manchmal die Perspektive zu wechseln. Existieren in Chile eine lebendige und unabhängige Kunst und eine UntergrundKunst-Szene? Neben den gängigen klassischen Avantgardisten, die sich konzeptionell mit dem politischen Kontext der Siebziger und Achtziger Low Magazin 49


beschäftigen, besteht momentan Interesse an neuen Richtungen, die von gängigen internationalen Trends beeinflußt sind, nicht nur in der Kunst, auch in der Musik, im Design und in der Mode. Alles geht durch den Filter der chilenischen Eigenart mit ihren Besonderheiten. Dank des Internets ist die lokale Kunstszene nicht mehr so isoliert, wie sie es früher einmal wegen ihrer geographischen Lage war.

»Mehrere Künstler wurden wegen der politischen Hinterfragung in ihrer Arbeit festgenommen, gefoltert und verbannt.«

Wieviel Freiheit hatten Künstler in Chile innerhalb der Diktatur? Während der Diktatur gab es überall in Chile Angst und eine rüde Zensur. Diese hallt noch immer, hauptsächlich in den konservativen Medien, nach. Während ihrer dunkelsten Periode war es wirklich gefährlich ein politisch engagierter Künstler zu sein. Mehrere Künstler wurden wegen der politischen Hinterfragung in ihrer Arbeit festgenommen, gefoltert und verbannt. Es gibt eine Anekdote die meiner Meinung nach sehr gut das Konzept der aufgezwungenen Kultur schildert: Während militärischer Razzien wurden Museen geplündert, Kunstwerke zerstört und eine Menge Bücher verbrannt, einschließlich der Bücher über Kubismus, weil das Militär dachte, sie bezögen sich auf Kuba. Es war eine buchstäblich graue Epoche. Hast du schon in deinem Heimatland Chile ausgestellt? Ja, sehr oft. Ich hab auch schon ein paar Preise gewonnen. In der Presse wurde auch des öfteren über mich berichtet. Aber erst seitdem ich bedeutende Ausstellungen in großen Museen hier in Chile habe.

50 Low Magazin

Abbildung oben: »Lie to me« 2008 · Acryl auf Leinwand · 100 cm x 100 cm · Abbildung unten: »Stupid Anyway« 2009 · Acryl auf Leinwand · 100 cm x 100 cm


Abbildung: 禄Chick Habit芦 2007 路 Acryl auf Leinwand 路 50 cm x 50 cm

Low Magazin 51


Wann und warum kamst Du nach Spanien? Im November 2004 wurde ich zum internationalen Festival zeitgenössischer Kunst im »Contemporary Culture Centre« in Barcelona eingeladen. Der Zuspruch war überwältigend. Gibt es für dich unterschiedliche Einflüsse auf den zwei Kontinenten, auf denen Du arbeitest und lassen sich dabei visuelle Unterschiede in deinen Bildern feststellen? Selbst wenn die Hauptbezugsquelle meiner Einflüsse das Internet und andere Massenmedien sind, liefert jeder Ort – sei es Chile, Spanien oder sonst wo – verschiedene visuelle, politische und emotionale Inspirationen, die direkten Einfluß auf meine Arbeit haben. Was machst Du neben dem Malen und dem Kunstschaffen? Das künstlerische Schaffen nimmt all meine Zeit in Anspruch. Eigentlich bräuchte ich viel mehr Zeit, um all das zu tun, was ich tun muß und tun will, zum Beispiel um an Skulpturen, Animationen, Musik oder Comicprojekten zu arbeiten.

»Du kannst dir vorstellen wie das ist, Kunst an einem Ort zu studieren, an dem du nicht über Sex, Religion oder Politik sprechen kannst.«

Also ist Kunst Dein Hauptberuf. Es ist ein VollzeitJob. Kunst und Leben sind ein und dasselbe für mich – entdecken, koordinieren, verbinden, kreieren und produzieren. Es gibt keinen bestimmten Zeitplan für die Arbeit. Wenn ich nicht im Atelier bei der Arbeit bin, arbeitet mein Verstand trotzdem weiter, weil irgendetwas um mich herum inspirierend sein könnte.

52 Low Magazin

Welche Ausbildungen hast Du genossen? Ich bekam eine herkömmliche Grundausbildung, so sehr zensiert und manipuliert, wie ein öffentliches Schulwesen innerhalb einer Diktatur nur möglich sein kann. Danach war ich ein enttäuschter Student an der Kunstakademie. Ich betrachte mich als einen gut informierten selbsterlernten Künstler. Wann warst Du auf der Kunstakademie? Seit 1990 ging ich durch unterschiedliche Kunstschulen. Ich verließ sie alle enttäuscht, bis es damit endete, daß ich die schlimmste von allen besuchte: Die Katholische Schule der Künste. Die Unverträglichkeit war so groß, daß ich schließlich von dort verwiesen wurde. Du kannst dir vorstellen wie das ist, Kunst an einem Ort zu studieren, an dem du nicht über Sex, Religion oder Politik sprechen kannst. Das macht überhaupt keinen Sinn. Deine Bilder nehmen einen starken Bezug auf das 18. und 19. Jahrhundert, hinsichtlich alter viktorianischer Photographien und der düsteren Atmosphäre später Gemälde von Francisco de Goya. Was verbindet dich mit diesen alten Zeiten? Viktorianische Ästhetik, die manchmal so romantisch sein kann und ein anderes Mal mit ihrer Pracht so arrogant wirkt, mit ihrer Eleganz und ihrer Würde, erinnert mich an den imperialen Stolz, der heute in verschiedenen symbolischen Formen der Machtdemonstration sehr präsent ist. Auf der ander‑ en Seite bin ich von Goya fasziniert, weil diese düstere Atmosphäre in einer so guten Art und Weise die Natur der menschlichen Leidenschaften darstellt. Das Verbinden von Goya und viktorianischer Ästhetik ist eine der visuellen Strategien mit denen ich mich, wie in einer Art Metapher, an Themen wie die Stetigkeit der faktischen Mächte (Die tatsächlichen Machtinhaber wie Armee, Bank-

Abbildung: »Moonshadow« · 2009 · Acryl auf Leinwand · 100 cm x 100 cm


wesen oder Medien. Anm. der Redaktion) annähere. Warum benutzt du die visuelle Sprache des klassischen amerikanischen Cartoons? Ich wuchs in einem Land und in einer Zeit auf, wo visuelle und kulturelle Einflüsse sehr begrenzt waren. Das Fernsehen mit seinem belehrenden Monopol zeigte meist Serien und TV-Programme aus den USA. Wie jedes Kind wuchs ich fasziniert von Walt Disney, Merry Melodies, Looney Tunes und einer ganzen Reihe klassischer Zeichentrickfilme

auf. Wie könnte ich den politischen Einfluß dieser Figuren außer Acht lassen, die solch ein wichtiger Teil meines Lebens und meines Landes waren? Heutzutage haben diese Charaktere einen gemeinsamen Platz, einen idealen Raum, um Identifikation mit dem gewöhnlichen Zuschauer zu schaffen und ihn zum Nachdenken anregen. Mit welcher Absicht malst du Cartoon-Figuren und Würstchen? Ich bin davon überzeugt, daß es in meinem Fall effektiver und amüsanter ist, menschli-

Abbildung: »Supplica a Mia Madre« · 2007 · Acryl auf Papier · 44 cm x 33 cm

che Leidenschaften durch Karikatur und Humor darzustellen. Was ist die Aussage Deiner Kunst? In wenigen Worten: »Mann frisst Mann«. Wir haben uns nicht sehr verändert seit den Zeiten, als Menschen in Höhlen lebten. Wir benehmen uns wie Wilde. In meiner Arbeit versuche ich eine Art tragikomisches Porträt der heutigen Gesellschaft zu schaffen, mit dem ich ihr trotz des dunklen Humors, zutiefst mißtraue. Die Welt ist ein Dschungel. ■ Low Magazin 53


GUERILLA STRICKEN Urban Knitting ist die sanfte Masche der Graffiti-Kunst In den Städten tobt der Kampf gegen die Kälte des Betons. Illegale, wärmebringende Strickwaren verbreiten sich unaufhaltsam im Stadtgebiet. Die Zeiten, in denen das Stricken als beliebte Freizeitbeschäftigung den Großmüttern und Urgroßmüttern vorbehalten war, sind ein für alle mal vorbei. Jetzt klappert die Subkultur mit der Stricknadel aus dem Untergrund. Stricken avanciert zur revolutionären Gegenkultur. TEXT Danny Winkler

54 Low Magazin


Low Magazin 55


I

n Houston/Texas, im Süden der Vereinigten Staaten, sitzt die Boutique-Besitzerin Magda Sayeg in ihrem Laden und strickt. Diesmal strickt sie keinen Pullover, keine Socken und auch keinen Schal. Masche für Masche entsteht aus den blauen und rosa Wollknäueln ein kleiner dünner Schlauch. Magda möchte den stahlgrauen Griff ihrer Ladentür zum Leben erwecken – sie strickt ihm einen wollenen Wärmer. Das bringt sie auf eine Idee. In ihrem Stadtviertel scheint ihr alles ziemlich tot – Beton, Stahl, Glas. Grau und vor allem kalt ist es dort. Magda beginnt den Dingen auch außerhalb ihres Ladengeschäfts kleine wohlig-warme Anziehsachen zu stricken: StopSchildern, Straßenlaternen, Steinbrocken. Das Urban Knitting – urbanes Stricken – ist geboren. »Ich wollte, daß die Welt lebendiger aussieht, belebter.« erklärt Magda. Die heute 35-Jährige führt nicht nur die Boutique »Raye« im zentralen Stadtteil Neartown/Montrose in Houston, sondern im Prinzip auch ein ganz normales Leben. Sie hat Familie und ein Diplom in Mathematik und sie mag die Musik von Johnny Cash. Trotzdem begibt sie sich auf die schiefe Bahn, auf ein illegales Terrain, denn sie gestaltet mit ihrer Strickerei den öffentlichen Raum ohne jegliche Genehmigung. »Aber du mußt schon ein ziemlich gelangweilter Cop sein, um mich festzunehmen«, relativiert sie ihre kriminelle Energie. Ihr Gestricktes stößt fast durchweg auf Wohlwollen und lächelnde Menschen. Lediglich Ratlosigkeit steht so manchem Passanten ins Gesicht geschrieben. »Sie verstehen meine Überlegung nicht. Wenn ich meine Idee, Wärme in die Welt zu bringen, erkläre, scheinen sie aber fasziniert und angenehm überrascht zu sein.« Die direkten Reaktionen bekommt die adrette Revoluzzerin nur selten mit. Wie fast alle ihrer Streetart- und Graffiti-Kollegen, 56 Low Magazin

Foto: John Calhoun

Magda Sayeg, die Begründerin des Urban Knittings und Chefin des Knitta Please Kollektivs mißt ihre Strickzeiten in Filmlängen: »Ein gemütliches Stoppschild braucht ungefähr einen Film«, sagt sie.


Mit einem Türgriff an der Ladentür ihrer Boutique fing alles an. Seitdem hinterließ Magda Strickzeichen nicht nur in ihrer Heimatstadt Houston, sondern zum Beispiel auch in Paris und an der großen Mauer in China.

Low Magazin 57


Wenn Magda Sayeg die Stricknadeln beiseitelegt und zur Strickmaschine greift, muĂ&#x; es schon um etwas so groĂ&#x;es wie einen Bus gehen. 58 Low Magazin


agiert auch sie verdeckt aus dem Untergrund. Magda sieht ihr Eingreifen in den Stadtraum mit der Graffiti-Kunst eng verwandt, denn auch ihre Strickereien verändern öffentliche Räume. »Meine Kunst wirkt mit unserer alltäglichen Umgebung zusammen und ist denen zugänglich, die von einer Kunstwelt die sich nur Akademikern und Kuratoren erschließt, ausgeschlossen sind«, erklärt sie. Autoantennen, Verkehrsschilder und Statuen mit leuchtend-bunten Socken und Pullovern sind neu im Stadtbild. Die Absichten, die Magda Sayeg dahin treiben, diese Sachen zu stricken und auszusetzen sind von recht edler Natur. Der augenscheinlichste Grund ist sicher der Witz an der Sache. »Definitiv gibt es eine humorvolle Absicht, Strickereien in den Straßen anzubringen, wo sie nie hingehörten und wo sie jetzt mit dem maskulinen Ausdruck der Spray-Dosen und Straßenkultur konkurrieren«, sagt sie. Aber sie sieht auch eine starke politische Relevanz in ihrer Arbeit, indem sie auf all den Zement und den Stahl in unserem städtischen Lebensraum verweist und damit zeigen möchte, was in unserer Welt fehlt, nämlich Wärme. Für Magda ist es wichtig, den Menschen klarzumachen wo sie leben, ihnen die Augen zu öffnen und zu zeigen, was um sie herum passiert und »um vom Stoppschild oder dem Feuerhydranten zu wissen, an denen sie jeden Tag vorüber gehen«, wie sie es trefflich formuliert. Magda ist aber keineswegs die Einzelkämpferin mit der Stricknadel im Großstadtdschungel. Schon zu Beginn gab es Mitstreiter an ihrer Seite. Mit denen gründete sie das Knitta Please Kollektiv. Anfangs versuchte sie ihre Idee erst einmal einer Freundin, die ebenfalls strickte, zu erklären. »Sie verstand es erst nicht«, sagt Magda, aber diese Freundin gab ihr eine unfertige Babydecke und schloß sich ihr an. »Wir nahmen diese halbfertigen,

frustrierenden Strick-Bündel und verwandelten sie in öffentliche Installationen.« Ihr Projekt explodierte dann relativ schnell und es kamen Leute, die sie fragten ob sie in ihrer Strickgruppe mitwirken könnten. Seitdem wuchs das Knitta Please Kollektiv zu einer stattlichen Armee wärmebringender Stricksoldaten heran; alles Frauen und Männer im Alter zwischen 25 und 75 Jahren. Jeder von ihnen handelt aber meist eigenständig. Das Kollektiv hat inzwischen auch andere Stricker dazu inspiriert, ihre eigenen Crews zu gründen. »Das ist Teil meiner Mission, anderen zu helfen, ihre eigenen Gruppen aufzubauen und eventuell für ein gemeinsames Projekt zusammenzubringen«, erklärt Magda. Inzwischen sind strickbegeisterte Mitmenschen weltweit der Idee des Urban Knitting gefolgt und wickeln die Metropolen auf allen Kontinenten in Stricksachen ein. Da gibt es zum Beispiel die Gruppe »Knit Sea« in Finnland oder »Masquerade« in Schwe-

den. Das »International Fiber Collaborative« zum Beispiel strickte einmal eine ganze Tankstelle inklusive der Tanksäulen ein und einen Baum mitsamt seiner Blätter. Magda selbst hat bereits fast über die komplette Erdkugel ihre Maschen verteilt. Sie strickte an der großen chinesischen Mauer, in vielen Städten der USA, in Frankreich, Deutschland, Schweden, den Niederlanden, Australien und Mexiko. Hin und wieder realisiert sie dort selbst offizielle Großprojekte. Eines ihrer außergewöhnlichsten Projekte war ein gewöhnlicher Stadtbus, den sie in Mexico City von oben bis unten einstrickte. Bei den großen Flächen eines solchen Gefährts scheute sie auch den Einsatz von Strickmaschinen nicht. Im Inneren des auf dem Plaza Luis Cabrera geparkten Busses wurden dann Strickworkshops abgehalten. Wolle unter freiem Himmel bleibt stets eine temporäre Angelegenheit. Wenn die gestrickten tags nicht gerade von Passanten abgenommen werden um sie bei eBay zu versteigern, verblassen sie mit der Zeit an Ort und Stelle. »Was ich an meinen Teilen mag, ist, daß sie am Anfang leuchtend, wirken sich aber mit der Zeit dem anpassen, um das sie gewickelt wurden. Das Garn absorbiert den Ruß und die Verschmutzung und nimmt den Charakter an, den es umgibt«, sagt Magda. Die Stadt, die sich selbst schluckt. Das ewige Nebeneinander von Anonymität, Dreck, Bewegungen und solchen bunten Gegenbewegungen wie das Urban Knitting ist vielleicht genau das, was eine Stadt zu einer pulsierenden Stadt werden läßt. Der Guerilla-Kampf mit Wollgarn und Stricknadel ist zwar sanft, wirkt aber umso tiefer im Gemüt des trottenden Stadtbewohners: »Als ich den Bus in Mexiko einhüllte lächelten die meisten Menschen und sie schienen meine Motivation alltägliche Objekte in der Öffentlichkeit zu dekorieren zu verstehen.« ■ Low Magazin 59


Canvas story Keiner weiß über das Kunstwerk besser bescheid als der Künstler, der es gemacht hat. Wir zeigen in jeder »Canvas Story« einen Künstler mit einem seiner Werke. Und nur der Künstler kommt zu Wort.

D iederick K raaijeveld V anitas / S kull I

I

»Selbstportät« · Holz

ch arbeite ausschließlich mit Holz, das ich in Abfallcontainern, in verlassenen Gebäuden und an abgelegenen Küsten überall auf der Welt finde. Ich verwende das Holz in seinem ursprünglichen Anstrich. Für meine modernen Ikonen benutze ich keine Farben. Angefangen habe ich mit amerikanischen Musclecars aus den Siebzigern, jetzt gehe ich aber mehr und mehr in Richtung Haushaltsartikel und Porträts. Die Idee für dieses Vanitas (oder »Skull I«) hatte ich in den Tagen als Damien Hirsts Multimillionen-Dollar-Schädel in Amsterdam gezeigt wurde. Mir gefiel die Spannung zwischen Hirsts Diamanten und meinem »wertlosen« Holz um einen anderen Schädel zu schaffen. Es ist mein Ziel begehrenswerte Objekte aus Materialien zu machen, die die Menschen gedankenlos wegwerfen. Es hat sich erwiesen, daß sich das manchmal Jahrhunderte alte Holz, das ich ver-

wende äußerst gut für einen Schädel eignet. Dieses ist von Insekten befallen, hat Feuchtigkeitsflecken und ist heruntergekommen, wie ein Schädel der seit Jahrhunderten in der Erde lag. Normalerweise mache ich Bilder von meinen Objekten, auch im Fall des originalen Schädels. Ich habe ihn schon lange in meinem Besitz; erworben von einem Amateurarchäologen in der höllandischen Stadt Leiden. Er hatte ihn an einem Ort ausgegraben, wo Jahrhunderte vorher ein Nonnenkloster stand. Es wird angenommen, daß der Schädel einer Nonne aus dem 17. Jahrhundert gehörte. ■ Diederick Kraaijeveld, Amsterdam (Niederlande)

»Vanitas / Skull 1« · 2008 gefundenes Holz im ursprünglichen Anstrich und Nägel 69 cm x 130 cm x 4,5 cm 60 Low Magazin



Canvas story

JAMES JEAN

FOTO: LUKE HOVERMAN

BALLAD

E

ine Minnesängermaus spielt einige sehnsuchtsvolle Töne. Das Lied wird zum Kampf, eine Jagd über eine amphibische Landschaft, die Luft stickig von der Hitze der Schlacht. Ein Ritter ist dabei, sich langsam in sich selbst aufzulösen. Die Zweige und verdrehten Ranken des Sumpfes verschlingen die Rüstung, das harte Außenskelett gibt nach unter dem hartnäckigen Vordringen des krebsartigen Zellstoffs. Der Stahl Albrecht Dürers verschlungen von den Blütenblättern Martin Johnson Heades. Die bleiche Erscheinung einer Kröte attackiert den fliehenden Ritter. Ihr Herz schlägt an der Luft, doch da ist kein Blut. Ihre Haut ist dünn wie Papier, trocken vor Neid. Ihre Zunge schnellt heraus und umklammert das Bein des Widders. Ihre geschickten Finger fangen die Pfeile der Nymphe mit dem Bogen. Die Szene wirkt wie eine japanische Geistergeschichte durchweicht mit der Tragik Grimm’scher Märchen. Die kreuzweise Bestäubung der Genres übersät die Lotusblätter. Der glitzernde Rogen ist reif und voller Blut. In der Ferne steigt ein Mond auf, als Hommage an Yoshitoshis »100 Ansichten des Mondes«. Doch warum wirkt die Nym-

phe so gelassen und selbstsicher? Rettet sie den Ritter oder stürzt sie ihn ins Verhängnis? Jetzt sieht die Kröte klagend und verzweifelt aus, es klammern sich Babykröten lebenshungrig an sie, die innere Motivation der Kröte ist sichtbar und schlagend wie ihr ungeschütztes Herz. Die Jagd ist eingefroren in dem Moment vor der Katastrophe, bevor der Widder im Schlund des Dschungels verschwindet, bevor der Ritter zerspringt in einen Nebel aus knöchernen Porzellanscherben und verdrehten Weinreben. Die Nymphe spannt sicher einen Pfeil, der bald das papierne Herz der Kröte durchbohren wird. Während sie in diesem Durcheinander von Drähten, Reben und Gitarrensaiten hängen, erblühen sie für immer in Liebe, Hass, Neid, Angst und Selbstvertrauen. ■ James Jean, Los Angeles (USA)

»Ballad« · 2008 Acryl und Öl auf Büttenkarton 152,4 cm x 104,1 cm 62 Low Magazin



Canvas story

ANDREA OFFERMANN THE SHIP SANK

D

»The Ship Sank« Tusche/Finelinerzeichnung auf Clayboard mit Öllasuren ca. 20,3 cm x 25,4 cm 64 Low Magazin

as Bild »The Ship Sank« ist eines von vier Bildern aus einer Serie, die ich 2006 für einen Wettbewerb gemalt habe. Das Buch »Schiffbruch mit Tiger« von Yann Martel hatte gerade den Booker Prize gewonnen, und der Verlag Canongate Books hatte zusammen mit der Times London beschlossen, einen Wettbewerb auszuschreiben, um das Buch zu illustrieren. Ich hatte das Buch gerade gelesen und war begeistert davon. Als ich von dem Wettbewerb hörte, war sofort klar, daß ich mitmachen wollte, und welche Szene ich malen wollte. In einem der Schlüsselmomente des Buches geht der Überseedampfer, auf dem Pi mit seiner Familie und deren Zoo nach Kanada fährt, unter, und mit dem Schiff Pis Familie und fast der ganze Zoo. Pi rettet einige Tiere, darunter einen Tiger, in sein Rettungsboot, mit dem er über 200 Tage lang auf dem Meer sein wird. Diese Szene wird aus Pis Sicht beschrieben und konzentriert sich auf ihn, das Boot und den Tiger. Aber so viel mehr passiert hier, denn eine Unzahl von Tieren und Menschen kämpft um sie herum ums Überleben. Ich wollte sie als einen Teil der ganzen Szene darstellen und zeigen, was unter der Wasseroberfläche passiert, was Pi nicht sehen kann, aber fühlt. Anstatt eine grausame Untergangsszene zu malen, beschloß ich, die Welt unter Wasser in einer Art Trancezustand darzustellen, denn Pi konzentriert sich hier nur auf Richard Parker, den Tiger, und

versucht, alles andere auszublenden. Diese Szene markiert auch den Beginn eines neuen Teils der Geschichte, der zum Schluß in zwei Versionen existiert. Ich möchte mit den zwei Ebenen in diesem Bild auch darauf hindeuten, daß unter der Oberfläche des Erzählten möglicherweise noch weitere Welten liegen. Die Arbeit an einem Vorschlag für dieses Buch war sehr wichtig für mich, denn ich hatte völlig freie Hand und konnte experimentieren, sowohl was die Umsetzung des Textes betraf, als auch die Art und Weise, die Bilder zu malen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mein Studium gerade 6 Monate abgeschlossen, und entwickelte noch Arbeitsweisen und Stilfeinheiten. Für die Bilder dieser Serie arbeitete ich zum ersten Mal mit einer Kombination von Tuschezeichnung mit Öllasuren, was einen Effekt von Tiefe und Dreidimensionalität hervorrief, was sehr gut zu meinem Konzept passte. Im Moment ist es selten, daß ein Roman für Erwachsene illustriert wird. Aber gerade diese Bücher können dem Illustrator durch ihre Vielschichtigkeit viel Raum bieten, um weitere Facetten der Geschichte hervorzuheben, und so die Erfahrung des Lesers zu vertiefen. ■ Andrea Offermann, Lübeck



Canvas story

MATEO INCOGNITO

D

ie Pubertät hinterließ ihre Spuren auf mir. Als ich siebzehn war, war ich dreimal größer als irgendjemand den ich kannte, und mir wuchs ein unnützes Flügelpaar. Die Beulen auf meinem Kopf kamen erst später. Das genügte um zu sagen, ich sei ein Monster. Ich bin nicht das einzige in der Stadt, aber Monster wie ich sind selten genug, so daß die Leute aufhören zu sprechen, wenn ich einen Raum betrete. Ich wußte immer, daß ich anders war. Als ich jung war, nannten mich die anderen Kinder »Mongo« oder »Die Kreatur aus dem Weltall«, wenn sie überhaupt mit mir sprachen. Ich lernte die Sticheleien zu ignorieren und wurde schließlich so groß, daß niemand mehr tapfer genug war, um mich weiterhin zu beschimpfen, zumindest nicht von Angesicht zu Angesicht. Ich lernte allein zu spielen und eignete mir an, wie man Dinge aus Holz schnitzt. Ich schnitzte oft große Skulpturen, die

meine Mom stolz in den Vorgarten stellte. Von denen, die ich machte, als ich jung war, stehen immer noch einige dort. Sie sind nicht sehr gut, aber sie mag sie und sagt, daß sie sie nicht entfernt. Sie war immer die, die mich am meisten ermutigte. An den Tagen an denen ich das Haus verlasse, gebe ich mein Bestes um mich anzupassen. Gewöhnlich trage ich meine menschliche Maske und ich versuche freundlich zu anderen zu sein, auch wenn sie starren. Es kann manchmal lästig sein, aber ich weiß, daß ich wahrscheinlich auch gaffen würde, wenn ich sie wäre. Sie sind schließlich nur Menschen. ■ Mateo, Berlin

»Incognito« Acryl und Collage auf Holz 40 cm x 70 cm 66 Low Magazin



68 Low Magazin

Abbildung: Plakat Melvins 路 2007 路 Siebdruck mit 4 SIEBEN


DIE TITELSTORY Wir stellen das Titelblatt jeder Ausgabe exklusiv einem Künstler zur Verfügung. Hier erzählen wir, wer er ist.

Der Titelblattkünstler dieser Ausgabe

DAN GRZECA TEXT Danny Winkler

D

an Grzeca nimmt eine besondere Stellung in Amerikas blühender RockPoster-Szene ein. Wenige seiner Kollegen zeigen in ihren Plakatarbeiten solch eine künstlerische Eigenständigkeit wie er es tut. Dan Grzeca, dessen komplizierter Name die Amerikaner tschetsah aussprechen, lebt und arbeitet in Chicago. Er ist vierzig Jahre alt und stolzer Vater zweier Töchter. Er besitzt ein Diplom in Malerei und Grafik von der Northern Illinois University in DeKalb. Sein Wirken als Plakatkünstler begann bereits 1992, als er sein erstes Plakat für die letzte Show der Band Tar gestaltete. Bei einer seiner anschließenden Malerei-Ausstellungen ermutigte ihn Bob Hartzell vom Druckund Designstudio Screwball Press dazu, mehr Plakate zu machen. Das nahm er sich zu Herzen und er begann nach dieser Begegnung tatsächlich eine Menge Plakate zu gestalten und zu drucken. Viele seiner Arbeiten waren für Jazzkonzerte und die Chicagoer Musikszene. Vor allem für Ken Vandermark gestaltete er einige sehr schöne Siebdruckplakate, aber auch für Szenegrößen wie Peter Brötzmann und Steve Lacy. Später konzent-

Abb. oben: Plakat THE BLACK KEYS · 2008 · Siebdruck mit 2 SIEBEN

rierte Dan Grzeca sich hauptsächlich auf die Rock-Szene und zeichnete und druckte für die Konzerte alternativer Rockbands wie den Melvins, Shipping News oder Explosions In The Sky. Allein in diesem Jahr wird er bis zu fünfzig Plakate entwerfen und drucken und ebenso viele Kunstsiebdrucke. Das Konzertplakat und der Kunstdruck rangieren bei Dan Grzeca dicht nebeneinander. Durch das Weglassen der Schriftelemente wird dabei eine Plakatgrafik zu einem Kunstdruck. Aber auch ein Kunstdruck kann bei ihm zum Plakat werden. Seine Zeichnungen in skizzenhaften Strichen, die sich filigran aus dem Schwarz der Formen winden, verschaffen den Plakaten und Grafiken eine geheimnisvolle Aura und Lebendigkeit. Für diesen Effekt nutzt er meist ein Clayboard – eine mit Ton beschichtete Hartfaserplatte – als eine Art Kratzplatte, auf die er ganz locker seine Ideen in flächigen Formen tuscht. Anschließend kratzt er die feinen Details aus dem Material heraus. Diese Technik und die lose Arbeitsweise erzeugt Spannung und Überraschung in seinen Zeichnungen. Die restlichen Farbschichten zeichnet er einzeln auf

Abb. unten: Serigraphie »Rebirth« · 2009 · Siebdruck mit 8 SIEBEN

Low Magazin 69


Abbildung: Serigraphie »AIRLIFT« · 2009 · Siebdruck mit 5 SIEBEN

Transparentpapierbögen. Alle Schichten bis hin zur anfangs entstandenen Zeichnung druckt er nacheinander im Siebdruckverfahren. Bei seinen Plakaten kommen da meist vier bis sechs Farbschichten zusammen, bei den Kunstdrucken schon mal bis zu 15. Dan Grzecas Bildwelt steckt voller Kuriositäten. In ihr finden sich zum Beispiel Hühner mit Holzdächern oder Häuser mit langen Beinen. »Ich bin nicht sicher, warum die Häuser so bedeutsam geworden sind. Was ich aber sicher sagen kann, ist, daß sie so bald nicht verschwinden werden«, sagt er. Sein künstlerischer Einfluß ist eher untypisch für moderne Rockposter-Künstler, denn er bezieht sich stark auf die klassische Moderne des letzten Jahrhunderts. Er sagt, er sei ein großer Fan von Max Ernst, Max Beckmann, George Grosz und Jacob Lawrence aber auch von Ed Pashke und den Clayton Brothers. »Picassos Plakate und Drucke aus den Jahren in Vallauris haben einen besonderen Platz in meinem Herzen.

Sie sind so unmittelbar und spontan, gut gemacht und skurril«, fügt er hinzu. Dan Grzecas Plakate für Musikgruppen beziehen sich immer auf das Wesen der Band und ihrer Musik. Er sagt, daß er die Energie eines Plakates dem Niveau des Konzertes anzupassen versucht. Weiterhin erklärt er, er habe eine Art fortlaufende Erzählung, die er immer wieder abstimmt, je nachdem ob er nun ein Plakat für Mogwai

macht oder zum Beispiel eines für Peter Brötzmann. So entsteht kein einfaches Werbeplakat, das für ein Konzert wirbt sondern ein eigenständiges Kunstwerk, das in enger Verbindung zum Sound der Musiker und gleichzeitig auch zur Persönlichkeit des Plakatkünstlers steht. Dabei gelingt ihm etwas, das die Substanz der Musik intensiver nach außen trägt, als es mit einem gewöhnlichen Werbeplakat möglich wäre. ■ ANZEIGEN

~

SENOR BURNS

SIEBDRUCKKÜNSTLER, GIGPOSTER & ARTWORK

24.-26.09.09 FLATSTOCK EUROPE 4 SPIELBUDENPLATZ REEPERBAHNFESTIVAL HAMBURG

KATALOG INKL. VINYL-10“ ERHÄLTLICH:

señor burns camping academy

& the one man red can show isbn 978-3-00-024876-4

www.issuu.com/senorburns/docs/senorburns

RED-CAN.COM/SENORBURNS


ON L IN E S H O P WWW.LOW-MAGAZINE.COM

DANNY F. CRIMINAL

DANNY F. CRIMINAL

SIEBDRUCK 3-FARBIG AUF KARTON LIMITIERTE AUFLAGE (200 EXEMPL.) 26 x 70 CM

SIEBDRUCK 3-FARBIG LIMITIERTE AUFLAGE (150 EXEMPL.) 35 x 50 CM

KONZERT-PLAKAT »ELECTRIC FRANKENSTEIN« · € 25,00

KONZERT-PLAKAT »MELVINS« · € 20,00

DAN GRZECA

SERIGRAPHIE »LOW. ART MAGAZINE« · € 30,00 DAS TITELBILD DIESER AUSGABE ALS EXKLUSIVER KUNSTDRUCK. SIEBDRUCK 5-FARBIG AUF CRÉME FRENCH PAPER · LIMITIERTE AUFLAGE (100 EXEMPL.) · 48,3 x 63,5 CM (BLATTFORMAT) VERKAUFSSTART: 10.08.2009 · SOLANGE DER VORRAT REICHT.

LOW, N°4

ART MAGAZINE AUSGABE 1/2009 · € 6,30

DANNY F. CRIMINAL

MARIO M. KAFKA

KONZERT-PLAKAT »DIARIO & RADAR« · € 20,00

KONZERT-PLAKAT »ELEMENT OF CRIME« · € 22,00

SIEBDRUCK 3-FARBIG LIMITIERTE AUFLAGE (100 EXEMPL.) 30 x 50 CM

SIEBDRUCK 2-FARBIG LIMITIERTE AUFLAGE (50 EXEMPL.) 35 x 50 CM

DIE AUSGABE NUMMER 4 BEFASST SICH MIT ROBOTERN IN DER KUNST UND DEN KÜNSTLERN NICOLETTA CECCOLI, GARY TAXALI, TIM BISKUP, JANA RUPRECHT, KEN TAYLOR UND ANDEREN. IN DEUTSCH UND ENGLISCH. BESTELLUNGEN FÜR DIESEN ARTIKEL SIND IN DEUTSCHLAND VERSANDKOSTENFREI!


WEBSITE

S

CTED ITEM

FOR SELE

streetwear, urban art toys, books, magazines & more! visit us in vienna: kirchengasse 22, 1070 wien or online at: www.collective.at


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.