Das Erdgeschoss in der Europäischen Stadt

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Das Erdgeschoss in der Europäischen Stadt

Typologien des Übergangs

Masterthesis von Verena Kretschmer

Wintersemester 2022/23

LSA Lehrstuhl für Städtische Architektur

Texte und Entwurfsprojekte: Copyright bei den Autor:innen. Die Referenzabbildungen wurden als Bildzitate den zitierten Publikationen entnommen.

DAS ERDGESCHOSS IN DER EUROPÄISCHEN STADT

Verena Kretschmer

Typologien des Übergangs

Master Thesis am Lehrstuhl für Städtische Architektur

Technische Universität München

Prof. Dietrich Fink

Wintersemester 2022/23

Die baulich-räumliche Ordnung einer Gesellschaft wird doppelt bestimmt - durch den Innenraum, der durch den Bau geschaffen wird und durch den Außenraum, der durch den Bau und seine Lokalisation sich ordnet.

In der Zuordnung von Innenraum zu Außenraum konkretisiert sich das gesellschaftliche Verhältnis. (Jonas Geist)

PROLOG EINFÜHRUNG

Transparente Räume in der Stadt Methodik | Zeichnerische Gegenüberstellung als ein Forschungsinstrument

GESCHICHTLICHER EXKURS

Das Verhältnis von privatem zu öffentlichem Raum

KATALOG TRANSPARENTE RÄUME

Der angehobene Raum

Der gefasste Raum

Der überdachte Raum

Der überhöhte Raum

Der umschlossene Raum

Der verbindende Raum

Der vorgelagerte Raum EINORDNUNG

Wirkung der baulich objekthaften Gestaltung Teilhabe am Stadtgeschehen ANHANG Literaturverzeichnis Abbildungsnachweis 6 14 190 8 176 22

PROLOG

Private und öffentliche Räume sind die bestimmenden Pole einer Stadt. Der öffentliche Raum wurde zum Merkmal der Europäischen Stadt und die Beziehung der privaten zur öffentlichen Sphäre zu einem grundlegenden Thema, mit dem sich der Wohnungs- und Städtebau auseinanderzusetzen hat. Die Grenzen und Übergänge zwischen diesen Sphären sind variabel und haben sich immer wieder gewandelt. Wie der Rückzug ins Private und die Teilhabe am öffentlichen Leben architektonisch gefasst wurde, spiegelt unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen wieder und lässt sich besonders an der Typologie der Wohnbauten ablesen. Dabei spielt die Gestaltung der Schwelle als Vermittlerin zwischen den Polen eine Rolle, wie wir die Stadt wahrnehmen und wie wir uns in ihr bewegen. Die kulturelle Bedeutung der Schwelle zeigt sich auch an der Tatsache, dass viele Bräuche anlässlich von Geburt, Hochzeit und Tod an der Schwelle stattfinden, also Situationen der Veränderung im Leben, die mit dem Übergang in eine andere Realität zu tun haben.1 Die Schwelle spielt also in der Beziehung von Individuum und Gesellschaft oder Gemeinschaft eine wichtige Rolle.

Die Europäische Stadt

Der Begriff der Europäischen Stadt kann in mehreren Dimensionen verstanden werden. Einerseits bezieht sich die verkürzte Beschreibung auf die geographische Lage einer Stadt auf dem Kontinent Europa. Diese bildet den Rahmen für die gewählten Städte in dieser Arbeit. Des weiteren, verweist die Bezeichnung auf den geschichtlichen und baukulturellen Kontext der Entstehung der Stadt, im Sinne einer Stadt, die ausgehend von einem kompakten Stadtzentrums historisch gewachsen Ist. Viele, der in dieser Arbeit aufgeführten Typologien, befinden sich innerhalb des historischen Stadtzentrums.

In der dritten Dimension kann der Begriff auf die Stadtgesellschaft verweisen, die in einer europäischen Stadt wohnt.2 Der gesellschaftliche und kulturelle Kontext spielt für diese Arbeit eine wichtige Rolle, da die gebaute Schwelle als Abbild gesellschaftlicher Auffassung für den Übergang von privaten zu öffentlichen Räumen in der Stadt verstanden werden kann. Wohnbauten und Stadträume sind als als Lebensraum der Stadtgesellschaft fester Bestandteil der Kultur.

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1 vgl. Wietzorrek, 2013. 2 vgl. D. Erben in Bates, Krucker 2023.

EINFÜHRUNG

TRANSPARENTE RÄUME IN DER STADT

Der Begriff der Transparenz wird von Colin Rowe und Robert Slutzky in zwei Arten definiert. Dabei unterscheiden sie zwischen der buchstäblichen Transparenz, sprich der einem Material innewohnenden Eigenschaft, oder der räumlichen Organisation innewohnenden Eigenschaft, genannt der Transparenz im übertragenen Sinne. Dies bedeutet das Überlagern von räumlichen und zeitlichen Dimensionen und auf Architektur bezogen, dass man räumlich geschichtete Ebenen erkennen kann. Bedeutsam für dieses Raumverständnis ist, dass die Lage einzelner Formen im Raum mehrdeutig ist.

Transparenz entsteht immer dort, wo es im Raum Stellen gibt, die zwei oder mehreren Bezugssystemen zugeordnet werden können - wobei die Zuordnung unbestimmt, und die Wahl einer jeweiligen Zuordnungsmöglichkeit frei bleibt.

Bei der Überlagerung von zwei gegeneinander verdrehten Bezugssystemen, entsteht eine transparente Organisation, die vor allem räumliche Übergänge bezeichnet und mögliche Bewegungsrichtungen im Raum ankündet, oder sichtbar und wählbar machen. 3

Die räumlichen Übergänge sind Raumkörper, die wir in Bewegung wahrnehmen. Über seine Sinne orientiert sich der Mensch im Raum und verortet sich körperlich zur Architektur. Über diesen Prozess und die individuelle Interpretation der räumlichen Situation nehmen wir die Atmosphäre des Raumes wahr. Wenn in dem Prozess der Wahrnehmung auch die zeitliche Dimension beachtet wird, bekommt besonders das „Nacheinander“ in der Wahrnehmung eine Bedeutung. Zusammengefasst ist der Wahrnehmungsprozess von der Bewegung im Raum innerhalb einer gewissen Zeit abhängig. 4

Schwellen- oder Übergangsräume schärfen unsere bewusste Wahrnehmung in der Stadt, da besonders über Stufen, Türen und Verengung wir die Geschwindigkeit, also den „Zeitfaktor“, mit der wir uns in der Stadt bewegen, anpassen müssen. Dieses körperliche Erleben von Raum spielt eine große Rolle dabei, inwiefern wir uns mit den Orten identifizieren und ob wir sie als Teil unseres Lebensraumes annehmen.

In der Stadt überlagern sich die Lebensräume der Stadtbewohnenden, die räumlich gefasst und artikuliert werden müssen. Diese Überlagerung erzeugt die bauliche und soziale Dichte einer Stadt. Bauliche Elemente und Schwellenräume wie Höfe, Passagen, Tore, Türen, Brüstungen, Stufen, Mauern, Balkone, Vordächer vermitteln zwischen öffentlichem und privatem Raum und bilden das Element an dem sich die Ambivalenz der Schwelle zeigt, denn sie sind einerseits privat (Teil des Hauses, Teil der Wohnung) aber gleichzeitig Teil des Stadtgewebes. Sie definieren die Grenzen und bestimmen den Charakter der Stadt und die Art und Weise, wie wir diese wahrnehmen. Die Atmosphäre der Stadt definiert sich auch auf dem Maßstab der urbanen Situationen.

9
3 vgl. Rowe, Slutzky, 1997. 4 vgl. Boettger 2014

Enge Gassen und überdachte Bürgersteige, zum Beispiel, ermöglichen uns besondere Momente in der Stadt zu erleben. Diese räumlichen Konfigurationen kommunzieren etwas, dass wir als intim und ortspezifisch wahrnehmen.5

Das städtische Erdgeschoss

In der Bedeutung des Begriffs der Transparenz im übertragenen Sinne, fällt dem Erdgeschoss in der Stadt eine besondere Rolle zu, denn hier erleben wir die „Stadt auf Augenhöhe“ 6. Hier überlagern sich die räumlichen Bezugsebenen zwischen Haus und Stadt. Die bauliche und räumliche Ausformulierung des Erdgeschosses und der Übergangsräume definieren unsere Beziehung zu unserer Umgebung und unsere Fähigkeit, uns mit ihr zu verbinden, uns räumlich auf sie zu beziehen und sie geistig aufzunehmen, anzunehmen und zu verarbeiten, sind die Schlüssel zu unserem Erleben der Stadt. 7

10
5 vgl. S. Bates in Zoller, 2014. 6 vgl. werk, bauen+wohnen, 2013. 7 vgl. S. Bates in Zoller, 2014.

ZEICHNERISCHE GEGENÜBERSTELLUNG ALS FORSCHUNGSINSTRUMENT

Ziel der Arbeit ist es, die transparenten Räumen an der Schnittstelle von Architektur und Stadtraum als eigene Stadtbausteine zu verstehen und ihnen eine eigene Idenität zu verleihen. Dafür gilt es, die Qualitäten der Übergangsorte aufzuzeigen und in einer zeichnerischen Gegenüberstellung die baukulturelle Vielfalt und gestalterischen Instrumente darzustellen, um so übergeordnete räumliche Konzepte und differenzierte gestalterische Muster ausmachen zu können. Dafür werden 26 im übertragenen Sinne transparente Räume, also interessante Schwellenräume mit Bezug zum Erdgeschoss, die im städtischen Kontext als Interaktionsräume dienen, zeichnerisch, textlich und fotografisch aufgearbeitet.

Die Auswahl der dargestellten Typologien wurde rein subjektiv getroffen und orientierte sich vor allem an den Faktoren der hervorgerufenen Atmosphäre und des städtischen Erlebens. Als räumlicher Kontext der Betrachtung dient die Europäische Stadt im Sinne der geographischen Lage, also Städte in Europa. Dabei nimmt die getroffene Auswahl an Typologien nicht für sich in Anspruch, jeden kulturellen Kontext in Europa abzubilden, denn Europa setzt sich aus vielen Kulturkreisen, Landschaften und einzigartigen Städten zusammen. Die europäischen Großstädte in Zentral- und Westeuropa sind über Jahrhunderte und manche über Jahrtausende gewachsen und so Zentren von kultutreller, wirtschaftlicher und gesellschaflticher Entwicklung. Sie prägen unser Verständnis von Stadt und damit auch von Architektur und den Übergängen zwischen dem privaten und öffentlichem Raum in der Stadt. So werden in dieser Arbeit Städte als ein kultureller und gesellschaftlicher Kontext aufgefasst und betrachtet.

Die einzelnen Typologien, bzw. das Erdgeschoss generell, setzen sich immer gestalterisch mit der Überlagerung der Räume , also des öffentlichen, städtischen Raumes und des privaten (Wohn)raumes auseinander. Wie der Übergang zwischen Drinnen und Draußen gestaltet ist, hängt von der kulturellen und gesellschaftlichen Auffassung der Beziehung von öffenltichem zu privatem Raum ab. Durch die Beschäftigung mit traditioneller Architektur wird klar, dass ein Haus weit mehr ist als Form, Aussehen und Konstruktion. Als Lebensraum der Bewohnenden ist es fester Bestandteil der Kultur und bildet in diesem Sinne die sozialen Strukturen der Gesellschaft ab. Ein grundlegender Aspekt, der eine Gesellschaft ausmacht, ist, wie sich der Einzelne zur Gesamtgesellschaft ins Verhältnis setzt. Im Architektonischen Sinne spiegelt sich diese Auffassung in der Gestaltung des Übergangs zwischen dem privatem und öffentlichem Raum wider. Das Verhältnis und die räumliche Ausformulierung prägen unsere Städte.

Wie sich die städtische Lebensweise herausgebildet hat und wie sich die zwei vermeintlichen Pole von Öffentlich und Privat gebildet haben, wird im

11

folgenden Kapitel über einen geschichtlichen Exkurs versucht zu erläutern.

Die Darstellung orientiert sich dabei an dem von Egon Schirmbeck aufgestellten und von Till Boettger erweiterten Raumanalysekonzept, welches den architektonschen Entwurf in fünf bzw, erweitert sechs, einzelne Parameter zerlegt, um der Komplexität eine strukturierte Sortierung zu geben. 8 Das Zerlegen ermöglicht das Fokussieren auf die einzelne Aspekte des Raumes. Diese werden in folgende Parameter zusammengefasst: Raumgestalt, Raumfunktion, Raumbildung, Raumstruktur, Raumfolge, und ergänzt durch Tim Boettger, Raumlage. Angewandt auf die 26 transparenten Räume wurde die Reihenfolge der einzelnen Parameter frei gewählt um vom großen räumlichen Kontext über die atmosphärische Besonderheit zum kleinen gestalterischen Detail zu gelangen.

Zu Beginn wird die Raumlage, also die Verortung der Architektur innerhalb des gewählten Betrachtungsraums Europa, über einen Lageplan der Stadt und einen Steckbrief des städtischen Kontextes vorgenommen. Anschließend wird die Raumgestalt und die Atmosphäre des Ortes anhand von fotografischen Abbildungen dargestellt, die die Materialien, Farbigkeit und Lichtstimmung abbilden. Die Raumfunktion wird über einen Text, der den dargestellten Schwellenraum in den geschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext einordnet, beschrieben. Die Raumstruktur wird über Zeichnungen von Grundriss und Schnitt dargestellt. Das ermöglicht eine Abstraktion des komplexen Raumes auf das Verhältnis von Flächen und Linien und gibt Aufschluss über die gestalterischen Ordnungsprinzipien und Proportionen. Die Raumbildung und -folge werden über eine axonometrische Darstellung vermittelt, die die Körperlichkeit der Räume abbildet und so auch Rückschlüsse über die übergeordnete Struktur und die wahrnehmbare und erlebbare Ordnung in Abhängikeit zur Zeit erlaubt.

Die genannten Darstellungsparameter beschreiben die Typologien umfangreich in ihrer baulichen objekthaften Gestaltung. Die so erfassten übergordneten, räumlichen Konzepte dienen der Einteilung der Kapitel.

Im Anschluss an die Darstellung folgt eine persönliche Einordnung, die die Wirkung der räumlichen Konzepte beschreibt. Die Wirkung zeigt, dass die gewählten Orte eine vielschichtige Bedeutung für den Stadtraum haben, da die Benutzung des Ortes über die ursprünglich eindimensionale Bedeutung hinaus geht. Im folgenden Kapitel werden einige der Typologien exemplarisch nach ihrer weiteren Dimension der Nutzbarkeit eingeordnet, wobei sich Überschneidungen unabhängig von der baulich objekthaften Gestaltung feststellen lassen. Diese Einordnung offenbart, dass sowohl passive (beobachten, verweilen) als auch aktive (begegnen, aneignen) Teilhabe am städtischen Leben über die Gestaltung der Räume gefördert wird.

12 8 vgl. Boettger, 2014.
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GESCHICHTLICHER EXKURS

ÖFFENTLICHER UND PRIVATER RAUM

Wie der Übergang zwischen Drinnen und Draußen gestaltet ist, hängt von der kulturellen und gesellschaftlichen Auffassung der Beziehung von öffentlichem zu privatem Raum ab. Durch die Beschäftigung mit traditioneller Architektur wird klar, dass ein Haus weit mehr ist als Form, Aussehen und Konstruktion. Als Lebensraum der Bewohnenden ist es fester Bestandteil der Kultur und bildet in diesem Sinne die sozialen Strukturen der Gesellschaft ab. Ein grundlegender Aspekt, der eine Gesellschaft ausmacht, ist, wie sich der Einzelne zur Gesamtgesellschaft ins Verhältnis setzt. Im architektonischen Sinne spiegelt sich die Auffassung in der Gestaltung des Übergangs zwischen dem privaten und öffentlichen Raum wider. Das Verhältnis und die räumliche Ausformulierung prägen unsere Städte. Wie sich die städtische Lebensweise herausgebildet hat und wie sich die zwei vermeintlichen Pole von Öffentlich und Privat gebildet haben, wird im folgenden Kapitel über einen geschichtlichen Exkurs versucht zu erläutern.

PROFANE AUSSENWELT VS. HEILIGKEIT IM TEMPEL

Im Alten Ägypten galt die Differenzierung der Räume besonders der Abschottung der profanen Außenwelt von der Heiligkeit im Inneren des Tempels. Somit versteht sich nach ägyptischer Auffassung, der Aufbau des Tempels als die irdische Realisierung eines himmlischen Buches, also als: als Bauwerk, das einen göttlichen Grundplan verwirklicht.Im Grundriss muss man wenigstens fünf Wände mit Zwischenräumen überwinden um in das Heiligste zu kommen. Das Architekturverständnis war in diesem Sinne, eines des Beschützens, des Abwehrens und somit auch eines der bewussten Überhöhung des Heiligen.

Der ägyptische Tempel verfolgt einen einheitlichen Baugedanken, d.h. einen kanonischen Plan. Alle großen Tempelbauten der griechisch-römischen Zeit lassen sich als Varianten eines einzigen Typuses verstehen, für den der Horustempel von Edfu als das besterhaltenste und reinste Beispiel steht. Der spät-ägyptischen Tempel, hatten bis zu sieben ineinander geschachtelte Portale. Jedes Portal symbolisiert eine zwischen Innen und Außen vermittelnde Zone. Der Sinn dieser Bauform: eine innenweltliche Heiligkeit wird ab geschirmt gegen den Kontext der profanen Außenwelt. Die Architektur ist geprägt durch Sicherheitsvorkehrungen, die von einem tiefen Gefährdungsbewusstsein diktiert sind. Die leitenden Koordinaten der Tempelarchitektur sind Sicherung und Gefährdung, Innen und Außen, Heiligkeit und Profanität.Daran lassen sich bestimmte Züge der spätägyptischen Mentalität anschließen wie eine ausgeprägte Xenophobie und Profanierungsangst. Denn unter den Bedingungen der Fremdherrschaft entwickeln sich hier vor allem Abwehrreaktionen des kulturellen Systems. 9

9 vgl. Geist, 2002.
15

Grundriss des Horus-Tempel von Edfu Erbaut ca. 237 v. Chr.

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:1000 2

Atriumhaus in der Republik Rom Erbaut: 5. Jhdt v. Chr. - 80 v. Chr.

Eingang (1), Atrium (1), private Wohnräume (3)

Wohnhaus in Priene von Hippodamus von Milet Erbaut ca 4. Jhdt v.Chr.

Eingang über Hof (1), dann Halle (Prostas) (2) in den Wohnraum (3)

VECTORWORKS

(1) (2) (3)

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:400 3

Willhelmstraße 12-13, Berlin

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 5

VECTORWORKS EDUCATIONAL

Jean-Francois-Joseph Lecointe: Aufriss einer Pariser Straße (1835)

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:300 5

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

Le Corbusier

Unité d‘habitation Marseille (1952) Grundriss Erdgeschoss

STRASSENVERHALTEN UND INTIME STIMMUNG IM INNEREN

Im Antiken Griechenland entstand der öffentliche Raum im heutigen Sinne als ein Verhalndlungsraum. Die Agora, eine quadratische mit besonderen Rechten ausgestattete Fläche auf der getauscht wurde. Hier fand geistiger Austausch statt, die Konstituierung des öffentlichen Raumes im modernen Sinne. Daran knüpfen die zwei Phänomene an: die Entstehung des abstrakten Denkens und der Philosophie auf der einen Seite, und die Entstehung des Geldes als allgemeinde Äquivalenz auf der anderen Seite. Phänomene, die bis heute die gesellschaftlichen Verhältnisse auf der Erde als Tauschgleichung bestimmen. 10

Dieser öffenltiche Raum wurde eingerichtet, um das gesellschaftliche Mehrprodukt eines Dorfes oder einer Stadt, welches in Form eines Schuldscheins oder Täfelchen oder Gold-und Silberbarren, in dem abgeschlossenem Raum in der Mitte eines Tempels oder Schatzhauses gelagert wurde, öffentlich zu „überwachen“. Der öffenltiche Ort unterlag der sozialen Kontrolle aller und war damit der sicherste Platz.

In diesem Kontext bildete sich das Megaron als Urform des Hauses heraus. Ein einzelliges Gebäude von rechteckigem Grundriss mit vorgezogenen Längsseiten, die so eine Vorhalle ausbilden, zu der allein sich der Hauptraum öffnet. Diese Urform scheint die Versteinerung des eckigen Zeltes zu sein, dessen Konzept einer Halle mit vorgelagertem Arbeitsraum (Loggia) man überall in bäuerlichen Zusammenhängen findet. Die Form des Grundrisses mit der Loggia als eine Art Filterschicht, die zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum vermittelt, findet man z.B. in den Wohnhäusern in Priene wieder.

Eine Weiterentwicklung zu einer Gesellschaft, in der gesellschaftliches Ansehen und die Repräsentation des Hausherren wichtig wurde, waren die hierarchischen Strukturen der Stadtgesellschaften in der Republik Rom. Die Hierarchie der Gesellschaft wurde anhand einer Kleiderordnung, die es außerhalb des Hauses zu beachten galt, für jeden sichtbar. Durch die Festlegung dieser Ordnung, wurden der öffentliche Raum (außerhalb des Hauses) und der private (innerhalb des Hauses) klar definiert und die Trennung auch baulich manifestiert. Die Atriumhäuser haben nur eine opake Öffnung zum öffenltichen Raum, das Haus organisiert sich ausschließlich um das Innere des Atriums herum. Der Bezug zum Außenraum fehlt gänzlich. Es werden zwei klar abgetrennte Welten und Verhaltensweisen definiert: das Straßenverhalten und die intime Stimmung im Inneren.

Der öffentliche Raum für gesellschaftliche Auseinandersetzung war das Zentrum der Stadt, das Forum Romanum. Zudem gab es weitere große Versammlungsstätten, an denen das öffentliche Leben stattfand. Diese waren der Ort für Diskussionen, Wahlen und Kämpfe. Der öffentliche Raum wurde gestaltet um Partizipation und öffentliche Teilhabe zu fördern.

Nach dem Fall des Römischen Reiches bildete sich auch im Rest von Europa eine städtische Lebensweise heraus. Dabei hatten die adeligen höfischen Gesellschaften ihre eigenen gesellschaftlichen Regeln mit strengen Hierarchie. Die Macht einzelner weniger Herrscher im Vergleich zum Großteil der „Untertanen“ fand seinen Ausdruck auf städtebaulicher Ebene.

18 10 vgl. Geist, 2002.

Die Stadtachsen einer barocken Herrscherstadt wie Karlsruhe oder Versailles beziehen sich auf die Achsen der Schlossanlage und manifestieren baulich die Wichtigkeit der Herrschenden im Vergleich zum „einfachen“ Volk.

Im Zuge der Bürgerlichen Revolutionen und der Verteilung der Macht auf das Bürgertum, zerfällt die Einheit des Barockschlosses in einzelne Teile, die sich verselbstständigen. Gesellschaftlich werden die Einzelnen Bürger in der Zeit der Aufklärung mündig gesprochen, sich ihres Verstandes zu Bedienen und selbst für ihr Leben Verantwortung zu übernehmen. Diese gesellschaftliche Veränderung kann man im Städtebau von Friedrich Schinkel im übertragenen Sinne wahrnehmen. Die Bauwerke stellen für sich ein vollkommenes Werk dar und lösen sich aus dem räumlichen Zusammenhang der Stadt. 11

ÖFFENTLICHER RAUM ALS ORT DES PERSÖNLICHEN UND KOLLEKTIVEN AUSDRUCKS

Im Laufe des 19. Jahrhunderts bilden sich neue soziale Strukturen, die im Sinne von Kollektiven und Arbeiterverbänden eine Entwicklung von der gesellschaftlichen Struktur des Familenbundes hin zu einer „Verbrüderung“ über gleiche Gesinnung oder Interessen vollzieht. Somit bekommt der öffentliche Raum eine neue Bedeutung als Ort des persönlichen und kollektiven Ausdrucks, welcher sich architektonisch in der Wiederendeckung des räumlichen Zusammenhangs der Stadt abbildet. Die Stadt wurde als ein zusammenhängender Organismus gedacht, der strukturell funktionieren sollte. Dieser Ansatz wurde teilweise sehr radikal, wie z.B. in Paris, in das bestehende Stadtgewebe eingewirkt. Außerhalb der bestehenden Stadt, wird diese mit rationalen Planungsmethoden erweitert. Die rationalere Denkweise der Gesellschaft und das Verschwimmen der Grenzen des Einzelnen in der Masse der Bevölkerung. Diese Entwicklung hat auch den Verlust der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Wohnumfelds zur Folge und gipfelt architektonisch in standartisiertem Mietswohnungsbau. In Paris ist dieser Haustypus vertikal in drei Zonen gegliedert: das Erdgeschoss und Mezzanin mit einer großzügigen Geschosshöhe und in der Fassade gestalterisch abgesetzt, darüber die Wohngeschosse und im zurückspringenden Dachgeschoss die Räume für das Hauspersonal. Im gestalterischen Ausdruck gleichen die Fassaden einander und bilden eine geschlossene Straßenfront, die die Straße als einheitlichen Raum betont. 12

Das Wohnen à l´étage, in Appartments, die gesondert über eine Treppe erschlossen wurden, wurde von Paris aus Vorbild für andere Großstädte in Europa. Die eigene Wohnung für eine Familie ist ein sehr spätes gesellschaftliches Produkt. Zuvor war die Nutzung der Betten von mehreren Personen, das Mieten on Räumen in unterschiedlichen Etagen, das Erschließen von Räumen, die man nur durch andere erreicht, üblich. Erst das katholische Bedenken, gegen das „kontagiöse Durcheinander“, gegen das Nicht-Vorhandensein einer intimen Zone, schaffte Schritt für Schritt die moderne, an der bürgerlichen Familie ausgerichtete und in Gesetzen und über

19 11 vgl. Posener, 2013. 12 Ebd.

Eigentumsverhältnisse geklärte, gesicherte Wohnung. Den Anspruch auf private Orte des Rückzugs, auch in Mietswohnungen in der Stadt, ist also ein recht neuer Gedanke, der von nun an die Entwicklung der Grundrisse der Stadtwohnungen prägt. Die sehr knapp bemessenen Übergansräume der Wohnhäuser wie Foyer, Treppenhaus und Treppenabsatz führen dazu, dass die Bewohner innerhalb des Mietshauses einander fremd werden. 13 Es gibt keine Zwischenbereiche, die der Interaktion und Begegnung der Hausbewohnenden untereinander und mit den Stadtbewohnenden Raum bietet. Es gibt nur die zwei Pole von Privat und Öffentlich. Der private Raum erweiterte sich über sogenannte Freisitze (Balkone) in den öffentlichen Raum hinein. Die Balkone dienten im Schichtenprinzip der bürgerlichen Wohnung als „Puffer“ zur Stadt, mehr als als tatsächlicher Aufenthaltsort. Le Corbusier verschärft die Pole zwischen Haus und Stadt, indem die Pilotis das Wohnen vom Erdboden weg in die Höhe hoben. Der Interaktion der Hausbewohnenden wird nun ein Ort zugeordnet, nämlich die Dachterrasse, soweit wie möglich vom Erdboden und der Stadt weg wie möglich. Es gibt nahezu keine Berührungspunkte zwischen Stadt und Haus. Der Mensch ist Individuum und gleichzeitig Teil einer gesellschaftlichen Struktur. Als Bewohner der Stadt (Nutzer) wechseln wir permanent unsere Rollen, in einer Unité d´habitation sind die Menschen einzig auf die Rolle der Hausbewohner zurückgeworfen.

Auf Städtebaulicher Ebene manifestierte sich die Idee der klaren Aufteilung in der funktionalen Stadt, die die räumliche Trennung der Funktionen Arbeit, Wohnen, Verkehr und Erholung anstrebte. Daraus lässt sich ableiten, dass die Identifikation mit der Stadt, in der man wohnt und das annehmen der Stadt als Teil des eigenen Lebensraums erschwert wurde.

DIE GRENZE ZWISCHEN ÖFFENTLICH UND PRIVAT SCHMILZT

Die Nachmoderne entdeckt das städtische Erdgeschoss als Interaktionsraum und wichtigen Teil der europäischen Stadt wieder. Das Erdgeschoss wird besonders in den Zentren jedoch häufig öffentlich und Konsum orientiert oder gewerbilich genutzt - zu tief sitzt das Bedürfnis die privaten Wohnräume vom Erdboden abzuheben. Dieses Bedürfnis wurde durch den starken Anstieg des motorisierten Verkehrs in den Städten noch bestärkt. Im städtischen Erdgeschoss, an der Schwelle zwischen öffentlichem und privatem Raum, stoßen zwei gegensätzliche Kräfte bzw. Vorstellungen der zeitgenössischen Architektur aufeinander. Einerseits lässt sich wirklich historisch beobachten, wie in der westlichen Gesellschaft die Grenze zwischen Innen und Außen, privat und öffentlich zunehmend geschmolzen ist. Dafür steht die theoretische Vorstellung von dem „offenen Haus“ und dem „schwellenlosen Raum“, die die vollständige Vernetzung mit dem Umfeld anstreben, andererseits wurden in den letzten 150 Jahren eine Reihe von Techniken entwickelt, diesen allseits offenen Raum zu organisieren, zu begrenzen und zu kontrollieren. An der Schwelle finden diese widersprüchlichen Bedingungen ihren Ausdruck in ihrer konkreten Materialität und in der Auswirkung auf den alltäglichen Gebrauch und die Wahrnehmung von Architektur. Garantierte die Einganstür eine klare Trennung zwischen drinnen und draußen,

20
13 vgl. Geist, 2002.

öffentlich und privat, so haben die Differenzierung der Eingansarchitekturen und der Einsatz von technischen Apparaten eine Aufsplittung der Schwelle in eine Abfolge von einzelnen Schwellenelementen und den jeweiligen Grenzziehungen mitgebracht. Die Vielschichtigkeit der zeitgenössischen Stadtgesellschaft spiegelt sich in gewisserweise in der Varianz und den Kombinationsmöglichkeiten von technischen und architektonischen Lösungen zur Abschottung und Gestaltung von Zwischenräumen wider.14 Über die weitere Dimension der alltagsbestimmenden digitalen Ebene, befinden wir uns in einem permanenten Dazwischen, in einem allgegenwärtigen Austarierungsprozess der zwei Pole von öffentlichem und privatem Raum.

14 vgl. ARCH+, Schwellenatlas, 2009. 21
[Zeichnungstitel] VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 05 06 07 13 25 09 16 24 04 23 10 03 18 17 22 11 20 02 21 01 12 08 15 26
KATALOG TRANSPARENTER RÄUME
[Zeichnungstitel] 26 14 19 05 Offenes Treppenhaus Neapel 06 Patio Andaluz Sevilla 07 Terrasse im Hof Budapest 13 Kaufmannsdiele Lübeck 14 Sofaraum Anatolisches Haus in Bursa 15 Stoa Athen 16 Straßenzimmer Delft 01 Beischlag Danzig 02 erhöhte Fußgängerebene Tirana 03 Hochtrottoir Thun 04 Rows Chester 08 Eingangsnische Kopenhagen 09 Kolonnaden Münster 10 Lauben Bern 11 Portici Bologna 12 überdachte Eingänge Bergen 20 Andron Palazzo Venedig 21 Hofstätten Passagen Graz 22 Portikushof Florenz 23 Traboules Lyon 17 Eingangsbereich Condomini Mailand 18 Sulér Engadinerhaus Celerina 25 Veranda Bremerhaus Bremen 19 Treppenpodest Apartmani Istanbul 24 Portico London 26 Terrasse vor der Tür Athen

DER ANGEHOBENE RAUM

25

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:350 1

26
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

BEISCHLAG | DANZIG

Adresse: Frauengasse, 80833 Danzig, Polen

Erbaut: wd aufgebaut 1950

Geschosshöhe Erdgeschoss: 4,3 m

Städtischer Kontext: Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: privat

100 m VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
27

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:350 1

28
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m
Beischlag | Schnitt

Die Frauengasse ist eine historische Straße in der polnischen Stadt Danzig. Die Straße verläuft zwischen der St. Marienkirche und dem Fluss Mottlau und ist gesäumt von giebelständigen Bürgerhäusern mit vorgelagerten Beischlägen, massiven, terrassenartigen Vorbauten, die der Straßenfassade auf ganzer Breite vorgelagert sind. Oft beinhalten die Beischläge niedrige Lagerräume oder bieten einen Zugang zum Keller von Außen.

Aufgrund häufiger Überschwemmungen des Flusses Mottlau und des sumpfigen Grundes des meernahen Gebietes auf dem die Stadt Danzig errichtet wurde, wurden die Wohnhäuser vom Grund abgehoben. Um den Höhenunterschied zwischen Straße und Wohngeschoss zu überwinden, wurde eine Vortreppe benötigt. Der Beischlag fasst die Vortreppe, die Ruhebank und den Zugang zum Keller architektonisch zusammen. 15

Die vorgelagerten Beischläge beeinflussen das Straßenprofil und die aufwendige Gestaltung der Treppengeländer und der Brüstung der bieten ein abwechslungsreiches Stadtbild. Die privaten Terrassen im öffentlichen Raum bieten den Bewohnenden die Möglichkeit, aus einer angehobenen Perspektive das Treiben auf der angrenzenden Straße zu beobachten.

29 15 vgl.
2016.
Borucka, Gatermann,

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:550

2 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 30

ERHÖHTE FUßGÄNGEREBENE | TIRANA

Adresse: Rruga Sami Frashëri 26, Tirana, Albanien

Erbaut: ab 1950

Geschosshöhe Erdgeschoss: 4,3 m

Städtischer Kontext: Zentrum der Stadt, Stadtteil Blloku

Zugänglichkeit: öffentlich

100
m
31 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 32 5 m Angehobene Fußgängerebene | Schnitt

Der Stadtteil Blloku in Tirana war das Zentrum der politischen Elite Albaniens während des kommunistischen Regimes. Die Architektur von Blloku ist geprägt von eleganten Gebäuden aus kommunistischer Zeit. Heute gestalten besonders die Faktoren Konsum und Freizeit das Viertel und beeinflussen die Nutzung der Erdgeschosszone in Form von Läden, Restaurants und Bars. 16 Einzelhandel spielt im Stadtbild eine große Rolle, die teilweise auf zwei Ebenen von der Straße aus zugänglichen Gewerbeeinheiten definieren auf Augenhöhe die Stadt. Darüber befinden sich die Wohngeschosse. Die Höhenentwicklung von der Straße ansteigend auf den Bürgersteig und über mehrere Stufen auf die erhöhte Fußgängerebene mit Zugänglichkeit zu den Läden erlaubt eine Distanz der Innenräume zu der Straßenebene. Die erhöhte Fußgängerebene als ein zum Gebäude zugehöriger Teil gestaltet, allein das angehobene Niveau verbindet die Bereiche vor den Geschäften typologisch und erlaubt den Stadtbewohnenden sich auf zwei Ebenen unabhängig voneinander zu bewegen. Es wird trotz räumlicher Begrenztheit das Gefühl von Großzügigkeit des Stadtraums vermittelt. Auf dem angehobenen Niveau treffen die privaten Interessen und die öffentliche Stadt räumlich aufeinander.

33 16 vgl. Stiller, 2010.

Maßstab: 1:350 2

[Zeichnungstitel]

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 34

HOCHTROTTOIR | THUN

Adresse: Obere Hauptgasse, 3600 Thun, Schweiz

Erbaut: 16.-18. Jhdt.

Geschosshöhe Erdgeschoss: 2,80 m

Städtischer Kontext: Kern der Stadt, Fußgängerzone

Zugänglichkeit: öffentlich

100
m
35 0 100 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 36 5 m
Hochtrottoir | Schnitt
37

Die Typologie des Hochtrottoirs in der Oberen Hauptgasse in Thun ist eine städtebauliche Besonderheit. Die traufständigen Häuser entlang der Oberen Hauptgasse sind Wohnhäuser, deren Erschließung über das Geschoss der Hochtrottoirs geschieht. Das vorgezogene Gassengeschoss wird von der Gasse aus erschlossen, viele schmale und steile Treppen verbinden diese mit dem Hochtrottoirniveau. Die Obere Hauptgasse mit anschließender Bebauung, gelegen zwischen dem Fluss Aare und dem Schlossberg, bildet das Altstadtzentrum der Stadt Thun. Die Hauptgasse war der Warenmarkt der Händler, in den Häusern wurde gewohnt. Die historische Funktion des Gassengeschosses reicht von Lager, Werkstatt oder Verkaufslokal bis zum Kleintierstall. Gemein haben diese Nutzungen, dass sie der gewerblichen Nutzung dienten und nicht der Wohnnutzung. Heutzutage sind sowohl Gassenniveau und Hochtrottoirniveau öffentlich zugänglich und beinhalten größtenteils Geschäfte und gewerbliche Nutzungen. Die doppelte Fußgängerebene und somit getrennte Erschließung von Wohnhaus und öffentlichem Bereich, zeugt davon, dass eine bewusste Differenzierung zwischen dem Handel und Handwerk in der Gasse und dem Wohnen auf dem Hochtrottoir und darüber angestrebt wurde. Die „zwei Welten“ sind baulich voneinander getrennt und lassen vermuten, dass die Hochtrottoirs der Erweiterung des Wohnraums dienten. Die differenzierte Gestaltung der Hochtrottoirs und das Querprofil der Straße vermitteln eine besondere Atmosphäre und laden zur Aneignung des Stadtraums ein. 17

38
17 vgl. Wulf, 2016.
0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 39 5 m Hochtrottoir | Grundriss

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:300 1

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 40

ROWS | CHESTER

Adresse: Watergate St, Chester CH1 1LQ, Großbrittannien

Erbaut: ab 14. Jhdt.

Geschosshöhe Erdgeschoss: 2,7 m

Städtischer Kontext: Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: öffentlich

100
m
41 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:200

0
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 42 5 m Rows | Schnitt
1
20

Die Chester Rows sind ein charakteristisches Merkmal der englischen Stadt Chester. Die überdachten Gänge, die sich auf beiden Seiten der Hauptstraßen im Stadtzentrum entlangziehen, stammen aus dem Mittelalter und führen an den Läden im 1. Obergeschoss entlang, die Ebene wird über Treppen von der Straße aus erschlossen. Die Rows bestehen aus zwei parallellaufenden Gängen, wobei der äußerste Gang leicht angeschrägt ist und ebenso, wie die auf der anderen Seite an den Bewegungsbereich angrenzenden Schaufenster, zur Präsentation der Waren genutzt wurde. Vorbeigehende befinden sich in einem einzigartigem Raum zwischen drinnen und draußen. Gestalterisch gehören die Rows zur Fassade der sie umschließenden Gebäude, die öffentliche Fußgängerebene wird Teil des Gebäudes. Die angehobene städtische Fußgängerebene ermöglicht eine erhabene Perspektive im Vergleich zum Straßenniveau und erlaubt so eine besondere Sicht auf das Treiben der Stadt. Die innenräumlichen Proportionen der Rows und der über die Holzstützen rhythmisierte Raum vermitteln den Eindruck eines privaten Innenraums im Stadtraum.

43
45
DER GEFASSTE RAUM

Maßstab: 1:350 1

[Zeichnungstitel]

46
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

OFFENES TREPPENHAUS | NEAPEL

Adresse: Via Foria 42, 80139 Neapel, Italien

Erbaut: 1746–1805

Geschosshöhe Durchgang, Erdgeschoss: 5,9 m, 3,1 m

Städtischer Kontext: Stadtzentrum

Zugänglichkeit: privat (für die Bewohnenden des Hauses)

100 m
47 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
48 0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m
Offenes Treppenhaus | Schnitt

Die neapolitanischen Freitreppen der Stadtpaläste zeigen, wie sich die traditionellen, monumentalen barocken Palasttreppen - die in der Regel nur bis zum ersten Stockwerk hinaufführten - zur späteren Palazzo- oder Wohnungstreppe entwickelte, die vier, fünf oder mehr Etagen von Wohnungen bediente. Die Paläste und ihre Treppen, die ab den 1720er Jahren gebaut wurden, spiegeln die Veränderungen in der Sozialstruktur der neapolitanischen Oberschicht in Zusammenhang mit der städtische Enge wider. Die Freitreppe zieht die Stadt in den Innenhof, in dem sie die repräsentative Fassade eines Palastes ersetzt, die in dem engen Gewebe der Stadt nicht zur Geltung kommen würde, da immer nur ein kleiner Ausschnitt vom Auge des Betrachters zu erfassen möglich ist. Der Zugang zu den Wohnungen des Hauses wird über den Innenhof und die spektakuläre Freitreppe inszeniert, der repräsentative Zugang zu einem Palast wird also invertiert und in dem Innenhof abgebildet. Die Abfolge des Eintretens bleibt eine Inszenierung und der Abstand zum öffentlichen Raum ist trotz räumlicher Enge gegeben. Das große Portal, welches zwischen Innenhof und Stadtraum vermittelt, dient als Auftakt für den Ablauf des Eintretens und überhöht die Rolle der Bewohnenden zu Repräsentanten der Stadtgesellschaft. 18

49
18 vgl. de Meyer, Grootveld, 2018.
50

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:250 1

51
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m Offenes Treppenhaus | Grundriss

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:550 2

52
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

PATIO ANDALUZ | SEVILLA

Adresse: Patio de la Cartuja, C. Lumbreras, 6, 41002 Sevilla, Spanien

Erbaut: 17/ 19. Jhdt.

Geschosshöhe Erdgeschoss: 3,3 m

Städtischer Kontext: Stadtzentrum

Zugänglichkeit: privater Wohnhof

100 m
53 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 54 5 m

Der Patio de la Cartuja ist ein repräsentatives Beispiel für die Wohnhöfe sog. Patio Andaluz der Stadt Sevilla, deren traditionelle Architektur seit Jahrhunderten von der Typologie der Innehöfe gekennzeichnet ist. Der Innehof ist das wichtigste und zentrale Element der Wohntypologie und der Ort der Gemeinschaft.

Die Wohnhäuser öffnen sich nur zum Innenhof hin, der so kollektiver Teil der eigenen Wohnung wird. Auf städtischer Ebene kehren sich die Wohnhäuser ab, nur unscheinbare Türen und kleine Fenster, in die man nicht reinschauen kann, weil sie aus Straßensicht zu weit oben liegen, stellen den Bezug von der Wohnung zum öffentlichen Raum her.

Die warmen klimatischen Bedingungen in Andalusien führen dazu, dass besonders Verschattung eine große Rolle spielt. Die Wohnhöfe sind so schmal geschnitten, um einen möglichst schattigen Ort zu schaffen. Im Zusammenspiel mit der feinen materiellen Ausstattung des Hofes, vermitteln die Proportionen einen innenräumlichen, menschlichen Maßstab, der dazu einlädt, sich den Raum anzueignen.

Die Einflüsse des islamischen Städtewesens und der damit verbundenen Stadt- und Gebäudearchitektur spiegeln die Wichtigkeit der Privatheit für die Typologie des Wohnens wider indem die Wohnräume sich vom öffentlichen Raum abkehren und sich nur zum Innehof öffnen. Das Grundrissmuster baut sich von Innen heraus auf, auf den Patio als Kern folgt die Schicht der Galeria, um die sich die Wohnungen anreihen an. 19

55
19 vgl. Gaspar, 2019.

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:150

1 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 56

TERRASSE IM HOF | BUDAPEST

Adresse: Klauzál utca 35

Erbaut: 1899

Geschosshöhe Erdgeschoss: 4,2 m

Städtischer Kontext: Stadtzentrum

Zugänglichkeit: für die Bewohner des Hofhauses

100 m VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
57
0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 58 5 m Terrasse im Hof | Schnitt

Das Budapester Hofhaus war im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert ein typologisches Modul für die Blockbebauung im Kontext des Budapester Stadtgebietes. Die Besonderheit dieses Hofhaustypuses ist, dass sich die Erschließung über sog. Pawlatschen (umlaufende Erschließungsbalkone), im Erdgeschoss über bodengleiche Terrassen und meist zum Innehof hin offene Treppenhäuser, in den Hof verlagert. Das ist einerseits ökonomisch effizient und andererseits wird der Innehof so zu einer halböffentlichen Erweiterung der privaten Wohnung. Der Innenhof ist der Ort der Hausgemeinschaft. Hier werden die räumliche Überlagerung von Erschließung, gemeinschaftlicher Nutzung und privater Abgrenzung verhandelt. Die differenzierte und detailreiche Gestaltung schafft trotz der räumlichen Enge eine besondere Atmosphäre. 20

Der Weg zur privaten Wohnung folgt einer inszenierten Abfolge von räumlichen Sequenzen, deren Übergang meist über einen Höhenversatz geschieht. Nach dem passieren der ersten Stufe, die die Eingangsnische vom Bürgersteig abhebt, gelangt man über eine Flügeltür in den Hofeingang, von dem das offene Treppenhaus abgeht. Nach fünf weiteren Stufen befindet man sich im Hof. Durchquert man diesen, gelangt man zu der fast bodengleichen Terrasse, die, über einen Wechsel im Bodenbelag und den kleinen Höhenversatz von einer halben Stufe, subtil den Auftakt in die private Wohnung im Erdgeschoss markiert. Zwei weitere Stufen führen zur Wohnungstür.

59 20 vgl. Fink, 2022. I/2
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 60 5 m Terrasse im Hof | Grundriss
61 I/7

DER ÜBERDACHTE RAUM

63

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:100

2 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 64

EINGANGSNISCHE | KOPENHAGEN

Adresse: Vester Søgade 44-78, 1601 Kopenhagen, Dänemark

Erbaut: 1935-1939

Geschosshöhe Hochparterre: 3,1 m

Städtischer Kontext: Wohngebiet

Zugänglichkeit: privat (für die Bewohner des Hauses)

100 m
65 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 66 5 m Eingangsnische | Schnitt
67

Die Eingangsnischen des Vestersøhus in Kopenhagen zeigen die Typologie der besonders gestalteten Eingangssituation zu dem Wohnhaus. Die Eingänge sind von der Straßenlinie zurückgesetzt und werden von dem Balkon der Wohnung im 1. Obergeschoss überdacht. In Zusammenspiel mit der räumlichen Staffelung über den Höhenversatz bildet sich ein intimes räumliches Moment, das zwischen dem öffentlichen Straßenraum und dem privaten im Inneren des Hauses vermittelt. Der Schwellenbereich ist gleichzeitig Teil des Hauses und Teil des Stadtgewebes. Die sich wiederholenden Eingangsräume des sehr langen Hauses rythmisieren den Straßenraum und sind Teil der plastischen Fassade, die den Stadtraum gestaltet. Diese Plastizität wird besonders durch das Licht-und Schattenspiel erkennbar. Die Eingangsnische beschreibt einen meist verschatteten Bereich, welcher Schutz und Intimität ausstrahlt.

68

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:300 1

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 69 5 m Eingangsnische | Grundriss
70

KOLONNADEN | MÜNSTER

Adresse:

Prinzipalmarkt, 48143 Münster, Deutschland

Erbaut: 13-14. Jhdt, Wiederaufbau nach dem 2. WK

Geschosshöhe Erdgeschoss: 3,3 m

Städtischer Kontext: historisches Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: öffentlich

100 m VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
71
0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 72 5 m
Kolonnaden | Schnitt

Die Kolonnaden der giebelständigen Kaufmannshäuser säumen den Prinzipalmarkt in Münster. Der langgestreckte Marktplatz bildete von Anfang an das wirtschaftliche Zentrum der Stadt. 21 Die Gestaltung der Kolonnaden ist Teil der Fassadengestaltung des jeweiligen Gebäudes, die Verwendung des Materials Baumberger Sandsteins eint die Fassaden und den Gang unter den Kolonnaden optisch zu einer großen, stadträumlich wirkenden Form. Die Reihung der Häuser formt einen durchgängigen überdachten Raum zwischen Haus und Stadt, der als Filter zwischen dem öffentlichen und privaten Raum vermittelt. Der Wechsel des Fußbodenbelags beschreibt den Auftakt zu den Innenräumen.

73 21 vgl. www.monumente-online.de

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:350 2

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 74

LAUBEN | BERN

Adresse: Junkerngasse 41, 3011 Bern, Schweiz

Erbaut: ab 15. Jhdt.

Geschosshöhe Erdgeschoss: 2,8 m

Städtischer Kontext: historisches Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: öffentlich

100
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
m
75
76 0 22,5
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m
M 1:400
Lauben | Schnitt

Die Typologie der Lauben in Bern waren als Gassenmarkt nicht Elemente der Berner Gründungsstadt, sondern wurden später im Zuge eines städtischen Verdichtungsprozesses hinzugefügt. Die zentrale Marktgasse ist in den Städten von zähringer Gründung, immer die Straße mit den großzügigsten Proportionen und hat an einem Ende einen Zugang zum Fluss. Die öffentlichen Gebäude, wie Rathhaus, Kirche oder Kornspeicher, liegen niemals an der zentralen Marktgasse, diese war den Bürgern und Händlern vorbehalten, sondern an Seiten oder Quergassen. Die Lauben sind aktenkundliche seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar und sind nach wie vor vielfältig nutzbar: als Verkaufs- und Lagerfläche, als Arbeitsort und als Verkehrsfläche. Zwischen den Lauben und dem Straßenraum befinden sich auch die steilen Abgänge in den Keller. 22 Der Höhenversatz von manchmal nur einer, oft mehreren Stufen von Straße zum Gehweg unter den Lauben, markiert deutlich den Übergang vom öffenltichen zum halböffenltichen Raum. Die fast quadratischen Proportionen der Laubengänge vermitteln eine innenräumliche Atmosphäre, auch weil durch die tiefen Stützen, die Lichtstimmung viel gedämpfter ist als im Straßenraum.

77 22 vgl. Divorne, 1993.

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:450 1

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 78 5 m Lauben | Grundriss
79

Maßstab: 1:350 2

[Zeichnungstitel]

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 80

PORTICI | BOLOGNA

Adresse: Via Belmeloro, 40126 Bologna, Italien

Erbaut: ab 13. Jhdt.

Geschosshöhe Erdgeschoss: 3,6 m

Städtischer Kontext: historisches Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: öffentlich

100
m
81 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 82 5 m Portici | Schnitt

Die Portici in Bologna bilden ein umfassandes Netz von überdachten Bürgersteigen, die sich über 30 km durch die Stadt ziehen. Besonders an der Entstehungsgeschichte der Portici ist, dass die Überdachungen im Zuge der Gründung der Universität in Bologna gebaut wurden. Die Universität hatte zu Beginn noch kein großes Gebäude für Vorlesungen und Versammlungen. Deshalb wurden die Lehrveranstaltungen in Privatwohnungen, vereinzelten Auditorien und Kirchen abgehalten. Um die verschiedenen Orte in der Stadt wettergeschützt miteinander zu verknüpfen, wurden die Hausbesitzer angehalten, den Platz vor ihren Häusern zu pflastern und zu überdachen. So entstand ein überdachtes Wegenetz, welches die Orte in der Stadt, gleichsam wie Korridore in einem Haus, verband, und so der ganzen Stadt eine fast innenräumliche Atmosphäre einbrachte. Die Portici wurden als Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur angelegt und sollten mindestens 2,66m in der Höhe messen, damit darunter durchgegangen werden konnte. Wurde der Arkardengang zu Beginn noch an bestehende Gebäude angebaut, zunächst aus Holz, später durch Stein ersetzt, gehörte diese überdachte Zone vor dem Eingang bald selbstverständlich zu jedem Haus.

83
84

Maßstab: 1:400 1

[Zeichnungstitel]

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 85 5 m Portici | Grundriss

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:200 2

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 86

ÜBERDACHTE EINGÄNGE | BERGEN

Adresse:

Enhjørningsgården 29, 5003 Bergen, Norwegen

Erbaut: ab 14. Jhdt, Wiederaufbau 1712

Geschosshöhe Erdgeschoss: 2,8 m

Städtischer Kontext: historisches Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: öffentlich

100 m VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
87
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 88 2 m Überdachte Eingänge | Schnitt

Bryggen ist der älteste Stadtteil Bergens. Er ist über 1.000 Jahre alt und wurde ursprünglich als Handelszentrum für Stockfisch - eine Art getrockneter Fisch - gegründet, der von Nordnorwegen nach Süden zum Verkauf in den Rest Europas transportiert wurde. Die eng stehenden Holzhäuser sind in einzigartige Bauweise erreichtet, der geregelte Städtebau lässt auf eine übergeordnete, geregtelte Stadtplanung schließen. Die Gebäude waren früher Wohn- und Lagerhäuser in einem. Die Vorrichtungen an den Giebeln zeugen davon, dass Waren in die Lagerräume unter dem Dach hochgezogen wurden. Die überdachten Bereiche, von dem die Eingänge mehrer Häuser und Treppen ins Obergeschoss abgehen, wurden zum Trocknen des Fisches und zum Ausziehen der nassen Kleidung genutzt. 23 Der gemeinsame Vorbereich wird von dem auskragenden Oberschoss und stellenweise von Holzstützen definiert. Besonders wenn es regnet, trennt sich der überdachte Vorbereich vom offenen Weg. Die mittelaltlerlichen Proportionen schaffen eine innenräumliche Atmosphäre im ganzen Stadteil. Die Häuser und Freiräume werden besonders über den gleichen Fußbodenbelag zu einem Ensemble, indem öffenltiche und private Räume fließend ineinander übergehen.

89
23
vgl. Brekke, Lexau, Nordhagen, 2019.
90

Maßstab: 1:200

[Zeichnungstitel]
1 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 91 5 m Überdachte Eingänge | Grundriss

DER ÜBERHÖHTE RAUM

93
M 1:200 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 94

KAUFMANNSDIELE | LÜBECK

Adresse: Mengstraße 50, 23552 Lübeck, Deutschland

Erbaut: 14. Jhdt

Geschosshöhe Erdgeschoss: 5,7 m

Städtischer Kontext: Stadtzentrum

Zugänglichkeit: halböffentlich (für Handelsleute)

Maßstab: 1:3000

100 m
95
[Zeichnungstitel]
1 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
96 0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 2 m Kaufmannsdiele | Schnitt
97

Die Kaufmannsdiele ist ein traditioneller Raum in historischen Handelshäusern in der Hansestadt Lübeck. Die Diele war einst der wichtigste Raum im Haus, in der sich Geschäftsleute und Warenhändler trafen und Waren gehandelt und Verträge abgeschlossen wurden. Von hier aus wurden über eine Winde die Waren in die über den Wohngeschossen liegenden Lagerräume hochgezogen. Der Raum war auch Versammlungs- und Speiseraum für Bewohnenden des Hauses. 24 Die freie Treppe in der Diele führt zunächst in das Galerie- und dann in die darüber liegenden Wohngeschosse und verleiht dem Raum über die aufendige Gestaltung einen besonderen Charakter. Die Diele war die Schnittstelle zwischen dem öffentlichen Raum und den Bewohnenden des Hauses. Die Stadt wurde gewissermaßen in die Häuser geholt, denn hier fand, auch räumlich, die Verhandlung zwischen Geschäfts- und privaten Interessen statt. Der hohe Raum lässt sich heute dank seiner großzügigen Proportionen vielseitig nutzen. Über die hohen, großen Fenster und die große Eingangstüre ist der Bezug vom Innenraum in den angrenzenden Stadtraum deutlich spürbar und erlebbar.

98
24 vgl. Geist, 2002.
99 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m Kaufmannsdiele | Grundriss
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 100

SOFA | ANATOLIEN

Adresse: Bursa, Türkei

Erbaut: 18. Jhdt

Geschosshöhe Erdgeschoss: 4,1 m

Städtischer Kontext: Wohnviertel

Zugänglichkeit: privat (Empfangsraum für die Gäste und Bewohner des Hauses)

100 m VECTORWORKS EDUCATIONAL
VERSION
101

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:150

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:150

0 3,8 0 1,5 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
1
1 0 3,8 0 1,5 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 102 2 m Sofaraum | Schnitt und Grundriss

Der Sofaraum ist der zentrale Raum im tradtitionell islamischen Haus, von dem aus die anderen Räume abgehen. Der Raum dient auch als Empfangsraum für Gäste und ist meist prächtig ausgestattet mit Teppichen und Sofas, die zum Aufenthalt einladen. Der Zugang zum Sofaraum erfolgt über einen Flurraum mit einer Ca. 20 cm niedrigeren Decke. Dieser Versatz rückte die Gestaltungsmerkmale des Hauptraumes symbolisch in den Vordergrund, da in der islamischen Gesellschaft großen Wert auf Gastfreundschaft gelegt wird. Der Sofaraum ist der raumgewordene Ausdruck dieses Wertes in der islamischen Kultur. Der überhöhte Raum wird über einen durchlaufenden Sturz aus Holz, in der Horizontalen geteilt. Der Sturz bestimmt die Höhe von Türen, Fenstern und Schränken, darüber wurden Fenster angeordnet, die nur Licht in den Raum bringen, jedoch zum Rausschauen zu hoch angeordnet sind. Der Sofa-Raum hat keinen Bezug nach draußen, die Fassade der Häuser zum Stadtraum ist geschlossen. Der Bezug zum Stadtraum wird einseitig über die auskragenden Erker in den oberen Geschossen hergestellt. Die Erker sind oft aufwendig gestaltete auskragende Holzkonstruktionen, die Sitznichen umfassen. Die Gestaltung des Fußbodens im Haus ist von großer Bedeutung, da viele Funktionen des täglichen Lebens hier stattfinden, wie Sitzen, Arbeiten und Schlafen. Demnach ist der Teppich der wichtigste Einrichtungsgegenstand und aus den standartisierten Teppichmaßen, die in osmanischer Zeit gesetzlich vorgegeben waren, entwickelte sich das modulare System für das Haus. 25

103
25
vgl. Schittich, 2019.

Maßstab: 1:300

[Zeichnungstitel]
2 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 104

STOA | ATHEN

Adresse: Veranzerou 13, 10 677 Athen, Griechenland

Erbaut: um 1960

Geschosshöhe Erdgeschoss: 5 m

Städtischer Kontext: Wohngebiete und Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: öffentlich

100 m VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
105
0 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 106 5 m Stoa | Schnitt

Der Gebäude Typ der Polikatoikia, beinhaltet innerhalb eines Hauses eine kleine Stadt und die als Kern Element der modernen Stadtentwicklung Griechenlands gilt. Der Gebäude Typ kann eher als ein Rahmenkonzept gelesen werden, welches innerhalb einer vorgegebenen räumlichen Struktur die vielfältigsten Nutzungen aufnehmen kann.

Als Produkt dieses Prozesses, kann die Polikatoikia als Abbild der Zusammensetzung der Gesellschaft gelesen werden: das Gebäude bildet eine vertikal gestaffelten sozialen Hierarchie ab. Das Erdgeschoss des Gebäudes verbindet sich mit dem Stadtraum und wird als eine Erweiterung des öffentlichen Raumes gesehen, da hier öffentliche Nutzungen Platz finden. Durch den Eingang gelangen nicht nur die Bewohnenden in die oberen Stockwerke, sondern hier gelangt auch die Stadt ins Haus. Auch in den oberen Geschossen finden sich zum Teil öffentliche Nutzungen und je weiter man im Haus nach oben gelangt, desto großzügiger werden die Wohneinheiten.26 Die Differenzierung zwischen dem öffentlichem und privaten Raum geschieht fließend und sanft über subtile Elemente, nicht über eine harte Tennung.

Da in dem schnellen und profitorientierten Entwicklungsprozess der griechischen Städte kein Wert auf Räume für die Gesellschaft gelegt wurde, dient das Erdgeschoss, bzw. die sog. Stoa, mit der hohen Raumhöhe und der vorgelagerten verschatteten Zone, als Ort der sozialen Begegnungen und des Ausstauschs zwischen Bewohnenden des Hauses und den Stadtbewohnenden. Der, durch die Stützen rythmisierte Raum, bietet die Möglichkeit des Aufenthalts im Schatten und der Aneignung durch die Bewohnenden.

107 26 vgl. Woditsch, 2018.
108

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:350 1

109
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m Stoa | Grundriss

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:200 2

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 110

STRAßENZIMMER | DELFT

Adresse: Oude Delft 24, 2611 Delft, Niederlande

Erbaut: 17. Jhdt.

Geschosshöhe Erdgeschoss: 3,8 m

Städtischer Kontext: Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: privat

100
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
m
111

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:250

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 112 5 m Straßenzimmer | Schnitt
2

Das Straßenzimmer ist verortet in den Kaufmännischen Grachtenhäusern aus dem 17. Jahrhundert, als Kaufmänner und Handelsleute in die Städte zogen und so der Platz zum Wohnen eng wurde. Aus diesem Grund setzte sich der schmale, hohe und tiefe Haustypus der Grachtenhäuser durch, da so jeder Zugang zum Handel an den Kanälen hatte. Die eng gereihten Gebäude aus mittelalterlicher Gründungszeit prägen niederländische Städte wie z.B. Amsterdam, Delft, Leiden und Gouda bis heute typologisch und atmosphärisch. Die Typologie des Straßenzimmers im Erdgeschoss der Grachtenhäuser verkörpert die kulturelle Auffassung des fließenden Übergangs von den privaten Räumen zum öffentlichen Straßenraum.27 Die Gestaltung des Erdgeschosses mit großen Fenstern, welche auch nicht durch Gardinen oder Rollos verschlossen werden, und den privaten Eingängen, die direkt an der Straßenraum grenzen, lassen einen intensiven Bezug zwischen Innenraum und Stadtraum zu. Die gestalterische Vielfalt der Elemente, die den Übergang prägen, machen die Erdgeschosszone zu einer interessanten Szenerie für städtisches Leben.

113 27 vgl. Theunissen, 2005.
114

Maßstab: 1:200

115 [Zeichnungstitel]
1 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m Straßenzimmer | Grundriss

DER UMSCHLOSSENE RAUM

117

Maßstab: 1:200 1

[Zeichnungstitel]

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 118

EINGANGSBEREICH CONDOMINI | MAILAND

Adresse: Via Privata Letizia 3, 20144 Mailand, Italien

Erbaut: 1938

Geschosshöhe Erdgeschoss: 4,1 m

Städtischer Kontext: Wohnviertel

Zugänglichkeit: halböffentlich, Bewohnenden des Hauses

100 m VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
119

Eingangsbereich Condomini | Schnitt

Maßstab: 1:200 2

[Zeichnungstitel]
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
120 5 m

Die Eingänge der Condomini in Mailand sind das Ergebnis interessanter architektonische Experimente, in der die Rolle der Gestaltung zwischen typologischem Erbe des Wohnpalastes und der Schlichtheit des Rationalismus verhandelt wurde. Die Eingänge spielen dabei eine wichtige Rolle, da hier gesellschaftliche Tendenzen festgestellt werden können. So laden die aufwendig und materiell hochwertig gestalteten Eingangsbereiche zur sozialen Interaktion der Bewohnenden ein. Oft bieten Bänke die Möglichkeit des Aufenthalts im Innenraum, während über Gittertüren der visuelle Bezug zum Straßenraum hergestellt werden kann. Es scheint, dass die halböffentlichen Eingangsbereiche als Ort der Interaktion viel beliebter sind als große öffentliche Plätze, die aufgrund des ehemaligen Gebrauchs als Versammlungsort für Massenaufläufe während der Zeit des Faschismus in Italien eine negative Konnotation erhalten haben. In diesem Sinne erhielt der Eingangsbereich, der in der Tiefe sich über das ganze Erdgeschoss erstreckt, die Funktion des Salons für die Hausgemeinschaft. Die sorgfältig gestalteten Raumsequenzen ermöglichen auf realtiv kurzer physischer Distanz zwischen Stadt- und wohnraum über eine große Varianz von Proportionen und Materialien, die man auf dem Weg von der Haustür bis zur Schwelle der Wohnungstür erleben kann, eine größere psychische Distanz. 28

121 28 vgl. Deseager, Jansens, 2021.

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:200 3

Eingangsbereich Condomini | Grundriss

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 122 5
m
123

Maßstab: 1:200 2

[Zeichnungstitel]

124
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

SULÉR ENGADINERHAUS | CELERINA

Adresse: Via S. Gian 3, 7505 Celerina, Schweiz

Erbaut: ab 15. Jhdt.

Geschosshöhe Erdgeschoss: 2,8 m

Städtischer Kontext: Wohnviertel

Zugänglichkeit: privat

100 m
125 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
126 0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m
Sulér | Schnitt

Das Engadinerhaus vereint Wohnen und Landwirtschaft in einem Haus. Es gab keine separaten Wohnhäuser und Bauernhöfe, die Landwirtschaft war in diesem Sinne Teil des verdichteten Dorflebens. Dies zeichnet sich in der Architektur des Engadiner Hauses ab, der Erschließungsraum Sulér ist ein überhöhter und (im Vegleich zu den Proportionen der anderen Räume im Haus) großzügiger Raum, der entlang der Wohnräume im Erdgeschoss in den hinteren Teil des Hauses zur Scheune führte. Das große halbrunde Tor öffnet den Sulér großzügig zum Außenraum. Die zweite Einfahrt führt in das niedrige Stallgeschoss im Souterrain. 29 Auf der Mauer, die beide Einfahrten voneinander trennt, ist meist eine Bank angeordnet, die einen Aufenthaltsort im Freien schafft und so den Wohnraum in den Außenraum erweitert.

127 29 vgl. Könz, 1952.

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:200 2

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 128

TREPPENHAUS APARTMANI | ISTANBUL

Adresse: Bereketzade, 34421 Istanbul, Türkei

Erbaut: 17. Jhdt.

Geschosshöhe Erdgeschoss: 2,6 m

Städtischer Kontext: verdichtete Stadt

Zugänglichkeit: öffentlich

100 m
129 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 130 2 m Treppenhaus Apartmani | Schnitt und Grundriss

Das öffenltiche Treppenpodest eines gemischt genutzten Hauses in Istanbul vereint viele Funktionen, die über eine Abfolge wechselnder räumlicher Zustände gestaltet sind. Über dieses Podest werden sowohl die öffentlichen Nutzungen des Hochparterres als auch das Treppenhaus für die darüberliegenden Wohngeschoss erschlossen. Der Stadtraum erweitetert sich in diesen Podestraum und somit in das Haus hinein. Durch die intensive, teilweise auch auf zwei Etagen öffenltichen Nutzungen der Sockelzone wird das Erdgeschoss Teil des Stadtgewebes. Die innenräumlichen Proportionen des Treppenpodestes verleihen den städtischen Begegnungen eine besondere Spannung und Intensität. Über den graduellen Anstieg gelangt man immer weiter in den privaten Bereich des Hauses hinein. Die Trennung zwischen Privat und Öffentlich geschieht nicht über eine lineare Grenze, die entlang der Außenwand verläuft, sondern faltet sich auf in einen dreidimensionalen Schwellenraum.

131
132

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:150

133
1 2 m Treppenhaus Apartmani | Grundriss

DER VERBINDENDE RAUM

135

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:350

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 136
2

ANDRON | VENEDIG

Adresse: Calle Ca‘ d‘Oro 3934, 30121 Venedig, Italien

Erbaut: 1440

Geschosshöhe Erdgeschoss: 5,1 m

Städtischer Kontext: entlang des Canale Grande

Zugänglichkeit: halböffentlich

100 m VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
137
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 138 5 m Andron | Schnitt

Der zentrale Raum im Erdgeschoss eines venezianischen Palazzo ist das Andron, die Halle hinter dem Wassertor. Dieser lange, durch die Gebäudetiefe ‚durchgesteckte‘ Raum verbindet den Zugang der Wasserseite mit dem der Landseite. 30

Die Eingangshalle diente, entsprechen der Doppelnutzung eines venezianischen Palastes als Geschäfts- und Wohnhaus eines patrizischen Kaufmanns,sowohl kommerziellen als auch zeremoniellen Zwecken. Seitlich des Andron waren Lagerräume und die Küche angeordnet, diese Räume wurden auf zwei Ebenen genutzt, da die Eingangshalle zweigeschossig ist. In der Achse der Lagerräume lag auch die Treppe, die nach oben in die Wohngeschosse führte.

Der Boden des Andron war mit Marmor diagonal gekachelt, die Ziegelwände zum Schutz gegen die aufsteigende Feuchtigkeit mit Holzbrettern verkleidet. An den Wänden stehen schlichte Holz- oder Steinbänke. 31

139 30 vgl. Tuczek, 2010. 31 vgl. Geist, 2002.
140
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 141 5 m Andron | Grundriss

Maßstab: 1:500

142
[Zeichnungstitel]
1 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

HOFSTÄTTEN | GRAZ

Adresse: Kälbernviertel, 8010 Graz, Österreich

Erbaut: 17. Jhdt

Geschosshöhe Erdgeschoss: 3,5 - 5 m

Städtischer Kontext: historisches Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: öffentlich

100
m
143 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

Maßstab: 1:450 1

[Zeichnungstitel]

144
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m Hofstätten | Schnitt

Der Stadtkern von Graz ist geprägt von einer dichten, mittellalterlichen Bebauungsstruktur, die sich durch kontinuierlich ineinander übergehende Raumabschnitte und den steten Wechsel von engen Gassen und sich aufweitenden Plätzen auszeichnet. Schmale Gassen durchziehen die dicht bebaute Altstadt und es entsteht eine intensive Beziehung von Außen- und Innenraum im Erdgeschoss, da sich diese über großen Öffnungen in der Fassade dem Straßenraum zu wenden. Durch Knickungen in den Straßenachsen wirken die Gassen optisch an den Enden geschlossen und es wird das Gefühl eines „wohnlichen“ Innenraums vermittelt. Die räumliche Durchdringung der Stadt durch die vielfältigen Raumgefüge von Tordurchfahren, geschlossenen Höfen, eineinander verschränkten Gassen und kleinen Plätzen 32 schaffen viele besondere Momente im Stadterlebnis. Besonders die Merhfachfunktion der Höfe, die zur Erschließung der Wohngebäude, zum Aufenthalt für die Bewohnenden und der Durchwegung durch die Stadt dienen, zeigen architektonisch auf, dass es in der vorindustriellen Stadt keine scharfe Trennung zwischen öffentlichem Raum und Wohnung gab. Es entstand ein Netz von ineinander übergehenden, halböffenltichen Raumsequenzen, die den städtischen Raum als Erweiterung des privaten Raums einschließt.

145 32 vgl. Breitling, 1982.

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:420 2

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 146

PORTIKUSHOF | FLORENZ

Adresse: Piazza degli Strozzi, 50123 Florenz, Italien

Erbaut: 1489–1539

Geschosshöhe Erdgeschoss: 6,2 m

Städtischer Kontext: Zentrum der Stadt

Zugänglichkeit: öffentlich

100
m
147 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

Maßstab: 1:320

[Zeichnungstitel]
1 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 148 0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m Portikushof | Schnitt und Grundriss

Der Portikushof des Renaissance-Palastes ist sowohl Teil des Wohnpalastes als auch Teil des Stadtgewebes. Der florentinische Palazzo ist ein freistehendes Gebäude, welches, da die Innenräume von zwei Seiten (über die Fassade und über den Lichthof) belichtet werden konnten, eine Verfielfältigung der Raumzahl möglich war, zu einem eigenständigen Stadtbaustein von beachtlichen Dimensionen heranwuchs. Die plastische Gestaltung der Fassade der Palazzi, die sich auf antike Proportionen beziehen, formen die Stadt in besonderer Weise. Der Portikushof ist das Grundelement des florentiner Wohnpalastes und stellt den Mittler zwischen Außen-und Innebau dar. Im Palazzo Strozzi ist der Hof als ein rechtwinkliger vierseitger Portikushof ausgebildet. Die Portiken verbinden die einzelnen Teile des Palastes. Der Hof stellt das Gegenstück zur Palastfassade dar, denn er war im gleichen Maße Gegenstand anspruchsvoller architektonischer Gestaltung. 33 Die vier Ein- und gleichzeitig Durchgänge beschreiben die räumliche Sequenz von Durchgang, Arkade und Hof und machen diesen zu einem Teil der Stadt.

149 33 vgl. Geist, 2002.

Maßstab: 1:450 2

[Zeichnungstitel]

VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 150

TRABOULES | LYON

Adresse: 9 Pl. Colbert, 69001 Lyon, France

Erbaut: 1840

Geschosshöhe Erdgeschoss: 5 m

Städtischer Kontext: Croix Rousse

Zugänglichkeit: öffentlich

100
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
m
151
0 10
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 152 5 m Traboules | Schnitt
M 1:400

Die Traboules in Lyon sind ein Erschließungsnetzwerk von Durchgängen und verbindenden Höfen über Splitlevel, über halbgeschossige Podeste und offene Treppenanlagen, die besonderes intimes Momente in der Stadt schafften. Das Wegenetz ermöglicht einen fast geradliniegen Anstieg auf den Hügel der Stadt, abseits der in Serpentinen verlaufenden Straßen. Das räumliche System, in dem alles miteinander verbunden zu sein scheint hat seinen Ursprung in der Zeit, als das Stadtviertel Croix Rousse, das Seidenweberviertel war und die Bedürfnisse der Handwerker die Stadt in dieser Form entstehen ließen und weiter formten. In den überhöhten Erd- und Untergeschossen, die dank der steilen Topografie oft beides waren, wurden die meterhohen Webstühle aufgestellt, in den niedrigen Geschossen darüber wurde gewohnt. 34 Diese Art von Durchwegung und Gestaltung der Zwischenzonen erlaubt ein sehr intensives und spannungsreiches Stadterlebnis, da die in schneller Abfolge wechselnden räumlichen Proportionen den körperlichen Bezug zur Stadt immer wieder neu herausfordern.

153 34 vgl. Geist, 2002.
154
155 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m Traboules | Grundriss
156
157

DER VORGELAGERTE RAUM

159

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:100

2 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 160

PORTICO | LONDON

Adresse: Warrington Crescent, London W91EJ, Großbrittannien

Erbaut: 1865

Geschosshöhe Erdgeschoss: 5 m

Städtischer Kontext: Wohnviertel

Zugänglichkeit: privat

100
m
161 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:500 2

162
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m Portico | Schnitt

Die als „Area“ bezeichnete Typologie des Übergangs zwischen dem Straßenraum und dem Haus ist eine entscheidende Komponente des georgianischen Reihenhauses. Der Abstand zwischen Hauskante und Bürgersteig ermöglicht die Erschließung und Belichtung des Souterraingeschosses. Es wird eine räumliche Schwelle zwischen Gehsteig und Eingangstür geschaffen und eine Sichtdistanz zwischen den Fenstern im Erdgeschoss und den Passierenden auf der Straße. 35 Die Eingangstür bekommt eine Vorzone, die von dem Balkon im 1. Obergeschoss überdacht, und von zwei Säulen, die den Balkon abfangen, gerahmt wird. Über zwei Stufen wird der Auftakt zur privaten Wohnung markiert. Die bauliche Geste rythmisiert den Stadtraum und vermittelt die Atmosphäre einer intensiven Stadtsituation. Den Bewohnenden erhählt sich ein Gefühl der Privatheit, während sie gleichzeitig am Leben auf der Straße teilhaben.

163 35 vgl. S. Bates in Zoller, 2016.
164
165 [Zeichnungstitel]
1 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 2 m Portico | Grundriss
Maßstab: 1:150
VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 166

VERANDA BREMERHAUS | BREMEN

Adresse: Flüsseviertel, 28199 Bremen, Deutschland

Erbaut: ab 1840

Geschosshöhe Erdgeschoss: 5

Städtischer Kontext: Wohnviertel

Zugänglichkeit: privat

100 m
167 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 168 2 m
Veranda | Schnitt

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs Bremen über die mittelalterlichen Stadtgrenzen hinaus und es entstanden neue Wohnviertel außerhalb des Stadtzentrums. Wirtschafltiche und Rechtliche Einflussfaktoren führten dazu, dass sich vor allem das Reihenhaus in Blockrandbebauung als bevorzugte Wohntypologie durchsetzte. Bremen war dank der Nähe zur Nordsee vor allem eine Handels- und keine Industriestadt, die Einwohnerzahl stieg demementsprechend langsamer an. Zudem bestimmte die neue Bauordnung 1847, dass alle neu gebauten Wohnhäuser direkt von der Straße aus zugänglich sein mussten. Das Bremer Haus ist ein traufständiges Reihenhaus mit zwei Vollgeschossen und einem Souterrain, in dem sich die Wirtschaftsräume und Küche befanden. Das Hochparterre liegt ca 1,5m über dem Straßenniveau und wird über eine Vortreppe erreicht. Veranda, Windfang und Vortreppe sind Mittler zwischen dem öffentlichen Stadtraum und den privaten Wohnräumen, das transparente Material Glas erlaubt über Blickbeziehungen eine enge Verbindung zwischen diesen. Die abwechslungsreiche Fassadengestaltung und die stadträumliche Wirkung der Veranda erschaffen eine wohnliche Atmosphäre in dem Quartier. 36

169 36 vgl. Syring, 2019.
170

Maßstab: 1:100

171 [Zeichnungstitel]
1 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 2 m Veranda | Grundriss

[Zeichnungstitel]

Maßstab: 1:300

1 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 172

TERRASSE VOR DER TÜR | ATHEN

Adresse: Exarchia, Athen 114 71, Griechenland

Erbaut: ab 1880

Geschosshöhe Erdgeschoss: 2,5 m

Städtischer Kontext: Wohnviertel am Hang

Zugänglichkeit: öffentlich

100 m
173 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION
174 0 10 VECTORWORKS EDUCATIONAL VERSION 5 m Terrasse vor der Tür | Schnitt

Entlang der Treppen, die die Häuser zwischen den in Serpentinen angelegten Straßen am Hang des Strefi-Hügels in Athen, erschließen, bieten Terrassen vor den Eingangstüren die Möglichkeit des Aufenthalts im Stadtraum und bieten einen Auftakt für den Übergang in die privaten Wohnungen. Die Terrassen laden, abgesehen von der erschließenden Funktion, zum Verweilen und Aneignen ein. So fördern sie die informelle Interaktion der Bewohnenden und den Passierenden im Stadtraum und erweitern den Wohnraum in den Stadtraum hinein. Der Höhenunterschied zwischen vorbeilaufendem Fußweg und der Terrasse schafft ein subtil hierarchisches Gefälle von Wohn-und Straßenniveau. Der üppige Pflanzenbewuchs, der den Weg rahmt, schafft einen kühlen Ort in der sommerlichen Hitze, besonders wenn man sich den Hügel hinauf bewegt.

175

EINORDNUNG

WIRKUNG DER BAULICH OBJEKTHAFTEN GESTALTUNG

Die erfassten übergordneten räumlichen Konzepte teilen die Typologien nach ihrer baulich objekthaften Gestaltung ein. Bezeichnend dabei ist, dass sich die räumlichen Ideen unabhängig des kulturellen Kontextes wiederfinden, die baulich detaillierte Ausformulierung zeigt den Einfluss des kulturellen und zeitlichen Kontextes auf. In diesem Sinne sind die übergeordneten räumlichen Konzepte Europa-verbindend und zeitlich unabhängig.

DER ANGEHOBENE RAUM

Der angehobene Raum als Übergang zwischen Stadt und Haus fomuliert sich in Form einer angehobenen städtischen Fußgängerebene oder herausgeschobenen privat genutzten Terrassen die in den öffentlichen Raum ragen, über das Anheben jedoch klar räumlich abgesetzt sind. Die Höhenentwicklung schafft eine Distanz zum öffentlichen Raum und implementiert ein hierarchisches Gefälle von Wohn-und Straßenniveau. So dient diese Ebene dem „privaten“ Aufenthalt und ermöglicht eine Aneignung des städtischen Raums. Die Stufen der Treppe, die den Höhenversatz überwinden, schaffen ein bewusstes Moment des Übergangs, da das Gehtempo verlangsamt wird und der Bewegungsablauf sich ändert.

DER GEFASSTE RAUM

Der gefasste Raum ist ein geschützer, halböffentlicher Raum der einen Übergang von dem öffentlichen, anonymen Raum auf der Straße zu den privaten Wohnräumen bildet. Die angrenzenden Wohnräume müssen sich also nicht mit der Beziehung zum öffenltichen Raum auseinander setzen. Ein gefasster Außenraum, der sowohl der Erschließung als auch der Erweiterung des privaten Wohnraums in den Freiraum dient, bietet dank der geschützten Parameter gute Aneignunsmöglichkeiten für die Bewohnenden. Es wird, trotz räumlicher Nähe, ein Abstand zwischen dem öffentlichen Straßenraum und der privaten Stimmung der Wohnung geschaffen, indem der Weg vom öffentlichen Raum über den halböffentlichen Hofraum zu den privaten Räumen über eine Abfolge wechselnder räumlicher Zustände gestaltet ist.

DER ÜBERDACHTE RAUM

Der Moment des Übergangs, die halböffentliche Zone wird durch eine Überdachung markiert und bietet so einen Auftakt zu den privaten Räumen. Zudem schafft eine Überdachung einen Witterungsschutz vor Regen oder zu viel Sonne. Der gerahmte Raum ermöglicht dank einer intimen Atmosphäre, die unter anderem über die Veränderung der Lichtstimmung geschieht, einen besonderen Ort für Begegnungen und für die Erweiterung des privaten Wohnraums in den Stadtraum. Die Begrenzungen des Raumes nach oben ermöglichen eine gute körperliche Verortung im Stadtraum, sie erlaubten ein in Bezug setzen zur Architektur.

177

DER ÜBERHÖHTE RAUM

Das Erdgeschoss oder der Erschließungsraum zu den Innenräumen hat eine größere Raumhöhe als die oberen Wohngeschosse und bietet so die Möglichkeit, verschiedene Nutzungen gleichzeitg aufnehmen zu können. Zudem gibt es so einen vermittelnden Übergang zwischen dem nach oben offenen Straßenraum zu denen über eine Decke in der Höhe begrenzten Innenräumen. Die große Raumhöhe erlaubt auch große Öffnungen in der Fassade und darüber kann ein sehr intensiver Bezug zum angrenzenden Stadtraum geschaffen werden.

DER UMSCHLOSSENE RAUM

Ein halböffentlicher Verteilerraum im Inneren schafft über das räumliche Fassen einen definierten und besonderen Ort für die Begegnung der Bewohnenden, da das Gefühl von Privatheit in einem halböffentlichem Raum ensteht. Eine materiel hochwertige Gestaltung fördert die soziale Interaktion der Bewohnenden und schafft eine eigene Atmosphäre, losgelöst von der des Stadtraums und der privaten Wohnräume. Diese eigene Stimmung des Zwischenraums kreiert eine Distanz zwischen öffentlichem und privatem Raum.

DER VERBINDENDE RAUM

Eine halböffentliche Erschließungsmöglichkeit in Form von Hofdurchgängen oder eigenständigen Innenräumen, die städtische Situationen informell miteinander verbinden, ermöglichen intime Momente im Stadterleben. Dieses Erleben fördert in besonderem Maße, dass man die Stadt als Teil seines eigenen Lebensraums annimmt und sich emotional mit der räumlichen Situation verbindet. Die Orte fördern, bedingt durch räumliche Enge, die Begegnung und Interaktion der Stadtbewohnenden.

DER VORGELAGERTE RAUM

Ein privater Raum, der in den öffentlichen hereinragt, z.B in Form einer Terrasse oder Veranda, schafft mit einer baulichen Einfassung einen Rhythmus im Straßenraum und eine Verzahnung von öffentlichem und privatem Raum. Da der Bereich trotz seiner eigentlichen erschließenden Funktion zum Verweilen einlädt, fördert diese bauliche Geste die informelle Interaktion der Bewohnenden des Hauses und den Passierenden im Stadtraum und schafft eine Pufferzone zwischen Straße und Wohnräumen. Die Trennung zwischen drinnen und draußen ist keine lineare Grenze, sondern ein dreidimensionaler Schwellenraum.

Zusammengefasst offenbaren manche der Schwellenräume, eine Robustheit im Sinne der übergeordneten räumlichen Idee und manche diese auch im Material. Einige der betrachteten Typologien wurden vor mehreren Hundert Jahren gebaut und tragen heute noch zu dem individuellen Charakter der Stadt bei.

In diesem Sinne enstehen über die räumlichen Konzepte und die Gestaltung der Schwellenräume, Orte, die Handlungen zulassen, die über die rein

178

funktionale Notwendigkeit hinaus gehen. Die ursprüngliche eindimensionale Bedeutung des Raumes wird erweitert und geöffnet, es werden Wirkungen kommuniziert und Eigenschaften ausgestrahlt, wie Einladen, Abweisen, Zurückweisen, Distanzieren.37

Das besondere an den dargestellten Typologien ist, dass die sorgfältige, Kontext gebundene Gestaltung der Schwellenräume die Wirkung der baulichen Geste verstärkt und die Orte so zu Identifikationsräumen in der Stadt werden. Anders herum macht erst eine aus dem Kontext sich entwickelnde, gute Gestaltung es möglich, die Qualitäten der Übergansräume zu erkennen, bzw. auch übergeordent einteilen zu können.

37 vgl. Zoller, 2016. 179
180

AKTIVE UND PASSIVE TEILHABE AM STADTLEBEN

Die räumlichen Konzepte und die kontextgebundene, differenzierte Gestaltung der Schwellenräume erlaubt weitere Dimensionen der Nutzung über die ursprüngliche Funktion hinaus und so erhält der Ort eine vielschichtige Bedeutung für den gesamten Stadtraum. Dabei wird die Architektur des Ortes im wechselseitigen Zusammenspiel von baulich-räumlichen Elementen mit den Aktivitäten derer, die sich in dem Stadtraum aufhalten und bewegen, erlebt. 38 Die Wahrnehmung der stadträumlichen Situationen ist geprägt durch die Erfahrungen, die Identität und die Emotionen jedes Individuums. Je stärker die bewusste Wahrnehmung und Emotionen angesprochen werden, desto intimer ist das Stadterlebnis. 39 Das körperliche Erleben von Raum spielt eine große Rolle dabei, inwiefern wir uns mit den Orten identifizieren und ob wir sie als Teil unseres Lebensraumes annehmen. Eine in den Kontext eingebettete und differenzierte Gestaltung der Schwellenräume wirkt trotz der scheinbar „kleinen Geste“ auf städtebaulichem Maßstab. Die räumlichen Konfigurationen der Übergangsräumen in der Stadt schaffen es ein Gefühl der Privatheit und Zugehörigkeit zu erzeugen und dabei Teil einer urbanen Strategie zu sein. 40

In der weiteren Dimension, nach der ursprünglichen Bedeutung, sind die betrachteten Übergangsräume, Orte des Beobachtens, des Verweilens und der Kommunikation mit den Mitmenschen. Wenn die Orte sich nach den Bedürnissen der Stadtbewohnenden indiviudell gestalten lassen, sind sie sogar Orte der Aneignung.

Dabei sind Verweilen und Beobachten passive Arten der Stadtteilhabe, Interaktion und Aneignung aktive Arten der Stadtteilhabe.

Dabei erklärt die Definition der Wörter Beobachten, Verweilen, Begegnen und Aneignen, dass es sich immer um einen Prozess der Wahrnehmung der gezeigten Orte in Abhängigkeit zur Zeit handelt. Die zeitliche Dimension spielt für eine weitere Dimension der Nutzbarkeit der Orte eine große Rolle.

181
38 vgl.
39 vgl.
40 vgl. vgl. S.
2016.
Jason/Wolfrum, 2015.
Herniz, 2021.
Bates in Zoller,

Be·ob·ach·ten

Schwaches Verb

(Bedeutung)

Etwas beobachten bedeutet, etwas über eine gewisse Zeit aufmerksam, genau betrachten, etwas zu kontrollieren oder zu überwachen, eine bestimmte Feststellung an jemandem, etwas zu machen; etwas bemerken. (Duden)

182

Sichtbeziehungen sind ein wichtiger Teil der räumlichen Konzeption einer Stadt. Dies gilt nicht nur für Sichtachsen auf städtebaulicher Ebene, sondern besonders als Kommunikationsmittel zwischen dem Innen- und dem Außenraum auf dem Maßstab der Schwellenräume im Erdgeschoss. Als Beobachtende Person kann man passiv am Stadtgeschehen teilhaben. Sichtbeziehungen auf Erdgeschoss oder Hochparterre Niveau bieten über die kaum angehobene Position vom Erdboden eine besonders intensive Art der Teilhabe, denn die Augenhöhe unterscheidet sich kaum merklich von den Passierenden. Der Stadtraum wird genauso wahrgenommen, wie wenn man auf der Straße unterwegs ist, und die Stadt aktiv nutzt. Trotzdem bietet der geringe Höhenunterschied oder eine Verglasung zum Außenraum einen gewissen Schutz.

STRASSENZIMMER | DELFT

Die hohen, großen Fenster des Straßenzimmers zur Stadt erlauben eine intensive Beziehung der Bewohnenden zum angrenzenden Stadtraum. Aufgrund der Trennung zum Stadtraum über ein Fenster, ist die Beziehung eine rein visuelle.

PORTICO | LONDON

Der angehobene und überdachte Vorbereich der Reihenhäuser bietet den Bewohnenden eine Transformationsbereich vom Hausbewohnenden zum Stadtbenutzenden. Dank der Anhebung und Überdachung des Vorbereichs, wird der private Raum vom öffentlichen Raum getrennt und bietet die Möglichkeit zur passiven Teilhabe am Stadtgeschehen.

VERANDA BREMERHAUS | BREMEN

Die verglaste Veranda vor dem Haus schafft eine Erweiterung des Wohnraums in den Stadtraum hinein. Aufgrund der Verglasung ist jedoch auch hier die Beziehung zum Stadtraum eine visuelle.

HOFSTÄTTEN | GRAZ

Das informelle Wegenetz abseits der Verkehrsstraßen verknüpft Innenhöfe über Passagen. Die räumliche Abfolge schafft tiefe Einblicke in die folgenden Höfe und lädt zum Eintreten ein.

BEISCHLAG | DANZIG

Die privaten Terrassen im öffentlichen Raum bieten den Bewohnern die Möglichkeit, aus einer angehobenen Perspektive das Treiben auf der angrenzenden Straße zu beobachten und dank der räumlichen Trennung über das Anheben des Niveaus jedoch nur passiver Teil des Geschehens zu sein.

183

Ver·wei·len

Schwaches Verb

(Bedeutung)

Zu Verweilen bedeutet, sich an einem bestimmten Ort für eine Weile aufhalten, für eine kürzere Zeit bleiben. (Duden)

184

Verweilen im städtischen Raum offenbart eine ungewöhnliche Perspektive auf die Stadt, die man meist über Bewegung wahrnimmt. Verweilt man an einem Ort für längere Zeit, erlaubt das neue Ereknntisgewinne über das Geschehen und die räumliche Konzeption der Stadt. Der passive Aufenthalt im Stadtraum bildet die Grundlage für menschliche Interaktion und die Aneignung des Ortes. Das Innehalten und verlangsamen der Geschwindigkeit bildet einen besonderen Moment in dem städtischen Bewegungsfluss.

LAUBEN | BERN

Die Lauben auf Erdgeschossniveau erlauben über die gewisse Tiefe eine robuste Raumschicht, die zum Verweilen abseits der Bewegungszone auf dem Bürgersteig und Straße einlädt.

DIe Proportionen des Laubengangs erinnern an einen Innenraum und auch die gedämpfttere Lichtstimmung im Vergleich zum Straßenraum fördert eine Atmosphäre, die zum Aufenthalt einlädt.

PORTICI | BOLOGNA

Die Arkarden spenden Schatten und bieten damit in sommerlicher Hitze die Möglichkeit zum Aufenthalt in der Pufferzone zwischen dem schnellen Tempo in der Stadt und dem beinahen Stillstand innerhalb der privaten Wohnräume.

EINGANGSNICHE | KOPENHAGEN

Die Eingangsniche der Wohnhäuser bietet durch das zurückspringen der Stadtraumbegrenzenden Außenwand und der Überdachung des Raumes die Möglichkeit das Tempo zu verlangsamen und Innezuhalten, sowohl um das Haus zu betreten als auch um sich aus der Bewegungszone des Bürgersteigs sicher zurückzuziehen.

ÜBERDACHTE EINGÄNGE | BERGEN

Der Eingangsbereich der Holzhäuser dringt in den Innenraum der Häuser ein und erlaubt so ein Innehalten, um sich auf den Eintritt in den privaten Bereich der Häuser vorzubereiten, oftmals im Sinne auch des Auskleidens der (nassen) Bekleidung für den Außenraum.

KAUFMANNSDIELE | LÜBECK

Die Kaufmannsdiele diente dank der räumlichen Qualität des überhöhten Erdgeschosses als ein Verhandels-und Aufenthaltsraum für die Kaufleute. Heute wird das Erdgeschoss dank der besonderen Höhe verschieden genutzt werden und dient z.B. als Ausstellungsoder Veranstaltungsraum.

185

Be·geg·nen

Schwaches Verb

(Bedeutung)

Begegnen bedeutet, an einer bestimmten Stelle, zu einer bestimmten Zeit vorkommen, auftreten, sich finden, mit jemandem zufällig zusammentreffen, auf etwas in bestimmter Weise reagieren. (Duden)

186

Begegnungen mit den Mitmenschen gehört zum Leben in der Stadt unweigerlich dazu. Diese sind besonders im nachbarschafltichen Verhältnis unverzichtbar für eine gute Atmosphäre und das Gefühl der Sicherheit. Erschließungsräume die als Pufferzone zwischen dem anonymen städtischen Raum und der intimen Atmosphäre innerhalb der Wohnung vermitteln, sind der ideale Ort für diese vertrauensbildenden Begegnungen. Eine sorgfältige Gestaltung dieser Kommunikationssräume fördert das soziale Miteinander und damit die aktive Teilhabe am städtischen Leben der Bewohnenden.

OFFENES TREPPENHAUS | NEAPEL

Die offenen Treppen in den Hinterhöfen bieten aufgrund der aufwendigen Gestaltung und teilweise auch Großzügigkeit in den Proportionen einen wunderschönen Ort für die Begenung der Hausbewohnenden an. Die Repräsentative Kraft der Treppe wirkt bis in den städtischen Raum hinein und zieht die Öffentlichkeit in den Hof.

EINGANG CONDOMINI | MAILAND

Der Eingangsbereich der großen Wohnhäuser ist ein halböffentlicher Rückzugsort als Möglichkeit für den sozialen Austausch der Bewohnenden, denn die soziale Interaktion in Mailand findet in halböffenltichen kleinen Bereichen statt, nicht auf großen öffentlichen Plätzen. Die sorgfältige Gestaltung der Raumsequenz ermöglicht einen sehr bewussten Übertritt vom städtischen Kontext in die private Atmosphäre der Wohnung.

TREPPENPODEST APARTMANI | ISTANBUL

Das öffenltiche Treppenpodest bietet in einem geschützten Rahmen Raum für städtische Begegnungen, denn über dieses Podest werden sowohl die öffentlichen Nutzungen des Erdgeschosses als auch die privaten Wohnungen im rückseitigen Bereich und das Treppenhaus für die darüberliegenden Wohngeschoss erschlossen. Die Innenräumlichen Proportionen verleihen den städtischen Begegnungen so eine besondere Spannung und Intensität.

PATIO ANDALUZ | SEVILLA

Die Wohnhäuser öffnen sich nach Innen zu einem oder mehreren zentralen Höfen, wo der Austausch auf einer Ebene der Bewohnenden der Häuser stattfindet. Der geschütze Ort des Hofes bietet Raum um den Wohnraum ein Stück in den Außenraum zu erweitern.

187

An·eig·nen

Schwaches Verb

(Bedeutung)

Sich etwas aneignen sich in den Besitz einer Sache setzen, sich in etwas üben, bis man es beherrscht; sich etwas zu eigen machen, etwas lernen.

(Duden)

188

Räume, deren Funtionen nicht eindeutig festgelegt sind, weil sich die räumlichen Bezugsebenen überlagern, sind Verhandlungsräume und machen so eine Aneignung möglich. Es sind also Orte, die dem Bedürnfis stattgeben Räume, selbstbestimmt, aktiv und an eigenen Bedürfnissen orientiert zu nutzen und zu formen. Diese Art des Vertrautmachens mit der Umgebung ist ebenfalls eine aktive Form der Stadteilhabe und fördert die Qualität des Wohnens in der Stadt.

TERRASSE VOR DER TÜR | ATHEN

Die Terrassen vor den Eingangstüren der Wohnhäuser bieten im städtischen Kontext einen Ort zum Aufenthalt und zur Aneignung. Mit Pflanzen und Stühlen wird der private Wohnraum in den städtischen Raum erweitert und trägt so zu einem lebendigen Wohnumfeld bei.

STOA | THESSALONIKI

Die erhöhte Erdgeschosszone mit der vorgelagerten Überdachung bietet den perfekten Ort für eine Erweiterung des Raumes im Inneren auf den Bürgersteig der Stadt. Die Pflanzen in den Kübeln verleihen dem städtischen Raum eine innenräumliche Atmosphäre

TERRASSE IM HOF | BUDAPEST

Das Absetzen des privaten Bereichs im gemeinschaftlichen Hof über einen kleinen Höhenversatz und die Änderung des Bodenbelags erlauben den Bewohnern ihre Terrasse individuell zu möblieren und zu nutzen. Sie bietet einen Ort für zufällige Begegnungen mit den anderen Bewohnenden des Hauses.

HOCHTROTTOIR | THUN

Die terrassenförmigen Ausbuchtungen des Hochtrottoirs werden als öffentliche Balkone für die Stadtbewohnenden genutzt. Dank des geringen Höhenversatzes von einer Stufe zu der Bewegungszone des Hochtrottoirs, ist der Bereich des Aufenthalts klar definiert und erlaubt deshalb auch die Aneignung mit Möbeln und Pflanzen. Viele der angrenzenden Gastronomien machen sich die Stadtbalkone als Außenfläche nutzbar.

189

ANHANG

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LITERATURVERZEICHNIS 191
192

ABBILDUNGSNACHWEIS

Alle, hier nicht aufgelisteten Zeichnungen und Fotografien wurden von der Autorin verfasst.

Abb. S. 29: https://stylogram.de/danzig-oder-auch-gdansk/

Abb. S. 33: Lena Kirsch

Abb. S. 43: Alan Cornes

Abb. S. 49,50: Alessandra Hassler

Abb. S. 55: Lucia

Abb. S. 59,61: Fink, D. (Hrsg.) (2022): Budapest: Häuser der Stadt 1895 - 1915. München.

Abb. S: 67,68: Tobias Pock-Steen

Abb. S. 73: Linda Lütkes

Abb. S. 83,84: Clara Wessel

Abb. S. 89,90: Gunnbjørg Hole

Abb. S. 97,98: Leoni Schnitzenbaumer

Abb. S. 103: Schittich, C. (Hrsg.) (2019): Traditionelle Bauweisen: Ein Atlas zum Wohnen auf fünf Kontinenten. Basel.

Abb. S. 107,108: Lena Kirsch

Abb. S. 113,114: Anna Brandis

Abb. S 121,123: Zeynep Argat

Abb. S 131,132: Zeynep Argat

Abb. S. 139,140: Caterina Mattiolo

Abb. S. 145: Sophie Schwarz

Abb. S. 149: Elena Ghiacci

Abb. S. 153-159: Wim Haes

Abb. S. 163,164: Dido Knöpfel

Abb. S. 169,170: Hannah Neumann

Abb. S. 175: Karl Lohse

193

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