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ensuite Januar 2007 | 5. Jahrgang

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Über Zufall, Schicksal, Schuld und Sühne

Seite 23

Babel - ein Gesamtkunstwerk!

Keine Meuterei im Zentrum Paul Klee

Seite 4

Der neue Pirat heisst Juri Steiner

Sándor Veress

Seite 13

«Missing link» der Geschichte?

Brotlos ohne Korn

Seite 16

Muss das Kornhausforum schliessen?


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Spitalgasse 4 / 3. UG / CH-3011 Bern Vorverkauf 031 311 61 00 Mo.- Fr. 16.00 -19.30 Sa . 14.30 - 16.30 Uhr www.theater-am-kaefigturm.ch

«GSPÄSSIGI LÜT» Die Millionärin Frau Edith Wildmann wird von ihren Stiefkindern in eine Nervenheilanstalt gesteckt, da diese sich um ihr Erbe sorgen und überzeugt sind, die etwas sonderbare Dame würde ihr Vermögen an verrückte Ideen verschwenden. Mit Schmeichelei, falschen Versprechungen oder mit rüpelhaften Bedrohungen versuchen der Ständerat Titus, der Oberrichter Samuel und die Lebedame Lilybell an das riesige Vermögen zu kommen. Die Erfolgskomödie wird in Mundart von der Liebhaberbühne Biel mit viel Liebe zum Detail gespielt.

Mühle Hunziken und Galerie Ramseyer & Kaelin präsentieren vom 9. bis 27. Januar 2007 Mozart Spätlese mit

Ottfried Zielke Vernissage: Dienstag, 9. Januar, 19:00 h Galerienwochenende: Sa/So, 13./14. Januar, 11:00-17.00 h Galerie Ramseyer & Kaelin, Junkerngasse 1, 3011 Bern Mittwoch-Freitag 16:00-19:00 h / Samstag 13:00-16:00 h

5. und 6. Jan. jeweils 20 Uhr

«OLLI HAUENSTEIN» «fool position fun & foul in sports» Die Soloshow zeigt Spitzen und Spitzensportler, unermüdliche Hirnmuskler und zielstrebige Querschläger. Mit viel Phantasie, tiefgründigem Humor, ausdrucksstarker Pantomime und beeindruckender Körperbeherrschung führt der berühmte Clown Mime und Artist in die Welt des Sports.

11.,13.,17.,18.,19. und 20. Jan. jeweils 20 Uhr

«DIVERTIMENTO» CABARET Inzwischen das Schweizer Trend-Cabaretduo, bekannt aus Radio, TV und Film (Handyman), jetzt unterwegs mit dem Erfolgsprogramm «zuvielisation». Erfrischend – witzig – schräg und jung! Diesen Namen müssen Sie sich merken – ein Cabaret mit grosser Zukunft.

23., 24., 25. und 27. Jan. jeweils 20 Uhr

andrea heinrich coiffure & maquillage schulweg 11 3013 bern * bus nr. 20, haltestelle gewerbeschule. der schulweg ist an der lorrainestrasse, die erste rechts.

tel. 031 331 11 88


INHALT KULTUR & GESELLSCHAFT ein neuer kapitän auf den wellen 4 | ein kornhaus ohne korn? 16 | zwei paare, dann ein drittes, stehen 29

Bild Titelseite und rechts: Brad Pitt in «Babel» (Seite 22/23) ein Film von Alejandro González Iñárritu Fotos: zVg.

LITERATUR walsers betrachtungen zu schriftstellern und ihren werken 6 | mark haddon, peter handke, katherine min 8 | literatur in bern 15

BÜHNE impressum

Eigentlich, eigentlich...

Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redaktion: Lukas Vogelsang (vl); Stephan Fuchs (sf); Anna Vershinova (av) // Andrea Baumann (ab), Peter J. Betts (pjb), Jean-Luc Froidevaux (jlf), Till Hillbrecht (th), Michael Imoberdorf (mi), Sonja Koller (sk), Andy Limacher (al), Belinda Meier (bm), Monique Meyer (mm), Eva Mollet (ev), Magdalena Nadolska (man), Marta Nawrocka (mn), Eva Pfirter (ep), Nicolas Richard (nr), Caroline Ritz (cr), Benedikt Sartorius (bs), Monika Schäfer (ms), Anne-Sophie Scholl (ass), Karl Schüpbach (ks), Sarah Stähli (ss), Tabea Steiner (ts), Sara Trauffer (st), Kathrina von Wartburg (kvw), Simone Wahli (sw), Sonja Wenger (sjw) Cartoon: Bruno Fauser, Bern; Telefon 031 312 64 76 Kulturagenda: kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin, Bewegungsmelder AG, allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles Biel, Abteilung für Kulturelles Thun, interwerk gmbh. Korrektorat: Monique Meyer (mm)

■ ensuite – kulturmagazin schreibt den 5. Jahrgang - wer hätte das je gedacht. Das ist sensationell. Ich weiss noch gut, wie mir am Anfang mit müdem Lächeln auf die Schulter geklopft wurde, mit dem Glauben, dass ich ein paar Monate später das Handtuch werfen würde. Und wenn ich ehrlich bin, so haben ich in den letzten Jahren monatlich das Handtuch geworfen – aber mich jedes Mal irgendwie wieder aufgerappelt. Fünf Jahre arbeite ich sieben Tage die Woche für die Kultur und musste mir anhören, dass ich mich nicht für Kultur interessiere oder keine Ahnung davon habe, musste bitteln und betteln für jeden Rappen und kämpfen, dass wir von den «kulturdefinierenden Kräften» ernst genommen wurden. Für uns ist diese Zeit jetzt «Gott sei Dank» vorüber. Viele erpresserische Geschichten und fiese Spielchen durfte ich miterleben – oh, denken Sie ja nicht, dass Kultur eine heilige Kuh ist: Hier herrscht die Ellbogendisziplin. Es ist Berns schlechte Angewohnheit, nicht zu helfen oder zu unterstützen, sondern zu misstrauen. Damit werfen wir Steine in des Nachbars Garten – doch leider dann, wenn die Gärtner oder Nachbarn drinstehen und wir erschlagen viel guten Willen mit unserer Missgunst. Dabei hätten wir BernerInnen ein wundervolles Potential, gerade weil wir eine kapitalkleine Grossstadt sind. Wir sind wendig, haben einen Bären-Willen und können anpacken – so richtig wie die alten Zähringer eben. Und eigentlich meinten wir es doch gar nicht böse… eigentlich. Wir «ensuitlerInnen» waren nie sonderlich misstrauisch – eher naiv. Aber aus dieser Naivität ist etwas Grosses gewachsen und wir haben sehr viel gelernt. Nein, wir sind keine Helden, aber gesunde Idealisten, die aus der Idee wirklich etwas zustande gebracht haben. Wenn immer möglich, möchte ich diesen Weg weitergehen. Und deswegen freue ich mich noch mehr auf das weitere Jahr.

Abonnemente: 58 Franken für ein Jahr / 11 Ausgaben. Abodienst: 031 318 60 50 ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich. Auflage: 10‘000 Anzeigenverkauf: anzeigen@ensuite.ch Layout: interwerk gmbh: Lukas Vogelsang Produktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh, Bern Druck: Fischer AG für Data und Print Vertrieb: Gratisauflage an 350 Orten im Kanton Bern; passive attack, Telefon 031 398 38 66 Web: interwerk gmbh Hinweise für redaktionelle Themen (nicht Agendaeinträge!) erwünscht bis zum 11. des Vormonates. Über die Publikation entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original beilegen. Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates. Redaktionsschluss der Ausgabe ist jeweils am 18. des Vormonates. (siehe auch www.ensuite.ch - menü: veranstalter) Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist politisch, wirtschaftlich und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsentieren die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion. Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Verein WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite. Redaktionsadresse: ensuite – kulturmagazin Sandrainstrasse 3 3007 Bern Telefon 031 318 6050 mail: redaktion@ensuite.ch

www.ensuite.ch

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

«auch ich bringe keine authentischen schwänke aus meinem leben» 9 | rhythmischer sprachmarathon 11 | ausblick bühne 11 | elling - wie zwei die welt erobern 15 | chlöisu friedli - sünneliblues 15

KINO / FILM roadmovie präsentiert 22 | grosses gewinnen 22 | babel 23 | das leben als eine einzige lange inszenierung 24 | red road 25 | das andere kino 26

MUSIK musikfestival bern - veress 07 13 | «die mittelschicht kennt keine loyalität» 17 | lieder voller schwermut und glückseligkeit 18 | jazz kennt viele sprachen 19 | diagonales bern / biel 19 | cd-tipps 20 | wer hat angst vor «pet sounds»? 21 | ECM listening post 21

LIFESTYLE insomnia 20 | berner quartiere: alle jahre wieder 32 | stadt und land: ein ohr über den röschtigraben 35 | reiseziel hotel: das luxushotel für kleine leute 36 | reisen: vancouver 35

DIVERSES die gewinnerinnen der leserumfrage 2006 16 | tratschundlaber 25 | stadtläufer 28 | leserbriefe 28 | berner kulturmenschen: über tasten tanzende finger 30 | von menschen und medien / fauser cartoon 31

KULTUR-PUBLIREPORTAGE «das ist nehr als kabarett!» 61 | thomas lebrun: «les soirées whatyouwant?» 65 | «ich war so fürstlich arm und so königlich reich.» 73

STADT THUN «spiritualität in der kunst» 84

KULTURAGENDA kulturagenda bern 53 | biel 80 | thun 85 Kunstbeilage:

Neu mit noch mehr inhaltlichen Seiten:

Lukas Vogelsang

artensuite ab Seite 37

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fokus Foto: A. O. Mott

ein neuer kapitän auf den wellen Interview von Lukas Vogelsang mit dem neuen Direktor vom Zentrum Paul Klee: Juri Steiner ■ ensuite - kulturmagazin konnte über die Festtage, zwischen Tannenbaum und Silvesterkorken, ein paar Worte mit Juri Steiner, dem neuen Direktor vom Zentrum Paul Klee, austauschen. Eine erste Bekanntmachung mit Bern... Sie haben Ihre Doktorarbeit über das neue Babylon, den Aufstieg und Fall der Stadt Paris, geschrieben. Sie waren in Japan und haben an der Weltausstellung in Aichi mitgewirkt, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die Provinzstadt Bern denken? Wo das Zentrum ist und wo die Peripherie, das ist immer eine Frage des Standpunkts und der Wahrnehmung. Ausgangspunkt für meine Diss war 1998 der Besuch in der Bibliothèque Jacques Doucet in Paris. Der Bibliothekar wollte mir den Weg zu einem Restaurant auf einem Stadtplan aus den zwanziger Jahren zeigen und fand ihn nicht. Ich fragte ihn, ob er es nicht mit einem aktuelleren Stadtplan versuchen wolle. Darauf sagte er nur: «Paris n’a pas changé». Das fand ich faszinierend und schockierend zugleich, weil dieser Satz viel über die Pariser und ihr Verhältnis zu ihrer Stadt aussagt. Paris ist ja in der Tat so etwas wie ein Freilichtmuseum der «Vie moderne». Avantgarde aber ist sie schon lange nicht mehr. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg hat ihr New York den Rang abgelaufen, nicht nur in der Kunst. Eine Zeit lang drohte Paris international sogar zur künstlerischen Provinz zu werden. Das ändert sich ja erst wieder in jüngerer Zeit. Die boomende Millionenstadt Nagoya in der Präfektur Aichi wiederum wird von uns in der Schweiz kaum als die Megacity wahrgenommen, die sie ist. Das hat die Weltausstellung 2005 etwas korrigiert. Ich glaube also, dass eine Stadt sich aus der Provinz herausspielen kann, wenn sie nach vorne schaut, oder aber in die Provinz abzusteigen droht, wenn sie nicht an ihrer Zukunft arbeitet. Urbanistische und kulturelle Ambitionen sind wichtige Faktoren, ob eine Stadt auf der Weltkarte auftaucht oder nicht. Bern arbeitet diesbezüglich ja schwer an sich. Und das Zentrum Paul Klee ist ein gutes Beispiel für eine solche Investition in die Zukunft. Kurzum, wenn ich an Bern denke, dann nicht an Provinz. Ihre Spuren führen von Projekt zu Projekt. Sie waren kaum über längere Zeit an einem Ort «sesshaft». Ab dem 1. Januar sind Sie der Direktor vom Zentrum Paul Klee, einer auch sehr pragmatischen Institution. Lieben Sie Paul Klee? Werden Sie bis zur Pension noch etwas anderes machen wollen? Ich arbeite tatsächlich sehr gerne in Projekten: Sie sind intensiv, bündeln Energien und entstehen meist unter hohem Druck. In Projekten wie der Expo.02 oder dem Schweizer Pavillon gibt es keine 4

Trampelpfade. Man schliesst sich zu adhoc-Teams zusammen und lernt in diesen Prozessen inhaltlich und menschlich enorm. Meine besten Freunde sind Menschen, mit denen ich in Projekten zusammengearbeitet habe. Und Projekte sind ephemer, das macht sie attraktiv für mich. Projektzyklen können zu Lebensphasen werden. Fürs Kunsthaus Zürich habe ich zwischen 1994 und 1998 gearbeitet, an der Expo.02 zwischen 1999 und 2003, für den Pavillon in Aichi von 2003 bis 2005. Und so passiert es, dass man – ohne sich zu versehen – 37 ist, und der biografische Wechsel von den Lehrund Wanderjahren zu einem «Langzeitprojekt» reif scheint. Vielleicht spricht mich das junge Zentrum Paul Klee ja so an, weil es nach anderthalb Jahren Betrieb immer noch Projektcharakter hat und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesen speziellen Projekt-Geist ausstrahlen. Für mich sollten Kulturinstitutionen heute beide Elemente in ein Gleichgewicht bringen: die Intensität eines Projekts mit der gesellschaftlichen Erdung durch Kontinuität. Garant für die Kontinuität bei uns ist Paul Klee. Das Zentrum ist ja aus einer traditionellen Berner Auseinandersetzung herausgewachsen und hat viele verschiedene Teilhaber zu etwas Neuem verbunden. Was die Frage nach der Liebe zu Paul Klee betrifft, würde ich daher sagen, dass ich die Auseinandersetzung mit Paul Klee liebe. Die geistige Komplexität und die gesteigerte Wahrnehmung dieses Künstlers irritieren mich ebenso, wie sie mich anziehen. Eindrücklich ist die starke Wirkung Klees auf das Publikum. Und ich verehre den Pädagogen Klee. Gerne male ich mir aus, was ein Mensch mit seinen Begabungen und Interessen wohl heute so treiben würde. Ihre frischen und neuen Ansichten, auch unverbrauchten Ideen, werden Bern sicher gut tun. Was denken Sie, erwartet Sie als erstes im Zentrum Paul Klee? Trauen Sie sich mit Ihren Erfahrungen zu, dem finanziellen und personellen Monster zu begegnen oder haben Sie auch Zweifel? Als erstes erwarten mich Menschen, die in der einen oder anderen Art mit dem Zentrum Paul Klee in Verbindung stehen. Alle jene, die ich in den Monaten seit meiner Wahl schon kennengelernt habe, reagierten sehr freundlich und offen. Nun werden die Beziehungen konkreter. Auch das Publikum, das mir in seiner Durchmischung sehr gefällt, gilt es näher kennenzulernen und zu spüren. Zu einem finanziellen Monster, wie Sie es nennen, würde das Zentrum Paul Klee nur dann, wenn die notwendige Unterstützung, die das Haus braucht, nicht gewährleistet wäre. Das Zentrum Paul Klee wurde grosszügig und ambitioniert gedacht und umgesetzt. Es will und soll ausstrahlen. Um dieser Ambi-

tion gerecht zu werden, braucht es solide Grundlagen. Wenn ich mir die Arbeit am Zentrum Paul Klee nicht zutrauen würde, hätte ich mich nicht um die Stelle beworben. Und wenn der Stiftungsrat mir diese Arbeit nicht zutrauen würde, hätte er mich auch nicht genommen. Nun kommt die Probe aufs Exempel. Zweifel habe ich wohl keine, aber grossen Respekt vor der Aufgabe. An der Expo.02 waren Sie der Chef der Arteplage mobile du Jura (AMJ), einem eher provokativen und frischen Kultur- und Kunstprojekt auf einem Schiff. 2003 waren Sie Leiter des Dada-Hauses im Cabaret Voltaire. Kommt jetzt das «enfant terrible» nach Bern und werden Sie aus den Wellen des Zentrum Paul Klee einen «Pirates of the Caribbean»-Club kreieren? Nur wenn Sie ‘ne Buddel Rum mitbringen. Mache ich sofort. Sie haben bereits erwähnt, dass Sie Drachen steigen lassen und die Kunst in- und ausserhalb des «Gewächshauses» zeigen wollen. Sie übernehmen mit der Funktion des Direktors des ZPK auch das nächste Jahresprogramm. Sehen Sie genug Spielraum für Ihre Ideen oder werden Sie nervös beim Gedanken, erst 2008 richtig loslegen zu können? Dass es eine Übergangszeit gibt, gehört zu den Spielregeln. Wir werden dieses Jahr die räumlichen Möglichkeiten des Hauses ausloten und den Zentrumsgedanken in der grossen Sommerausstellung «Paul Klee – Überall Theater» weiterentwickeln. Die Sommerakademie greift das «Theater»Thema auf und wir stehen diesbezüglich im Kontakt mit Philippe Pirotte von der Kunsthalle. Auch wird 2007 die inhaltliche Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bern im Rahmen des achtzigsten Geburtstags von Oscar Wiggli Früchte tragen. Als Leiter des Dada-Hauses haben Sie in einem Interview mit dem «Züricher Unterländer» gesagt: «Ich werde hier der Leiter sein.» Wie charakterisieren Sie sich selber als Chef? Erträgt man Sie? Ich war Projektleiter für die Konzept- und Realisationsphase des Cabaret Voltaire, als es galt, den Zürcher Stadtpräsidenten von der Idee zu überzeugen, mit dem Liegenschaftsbesitzer zu verhandeln, Sponsoren zu finden und parallel das Inhalts- und Betriebskonzept auszuarbeiten. Dabei war es sehr wichtig, gegenüber all diesen Partnern bestimmt aufzutreten. Kulturelle Projekte funktionieren ja meist dank dem Willen von ein paar hart Entschlossenen, die bereit sind, wenn nötig mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. An der Expo.02 fühlte ich mich als Chef der 50-köpfigen AMJ-Crew wohl, auch wenn ich keine spontane Affinität zur Autorität habe. Ich versuche jeweils die Selbstverantwortung eines jeden Teammitglieds zu fördern. An ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


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fokus der Expo.02 hat das gut geklappt; zur Meuterei ist es auf alle Fälle nie gekommen. Was möchten Sie persönlich mit dem ZPK erreichen? Was sind Ihre Vorstellungen, was Kunst oder eine solche Institution wie das ZPK in der Gesellschaft bewirken oder hinterlassen kann? Das Zentrum Paul Klee hat bereits eine komplexe gesellschaftliche Vision eingelöst. Es ist kein «Meteorit», der vom Himmel gefallen ist; in Form und Inhalt aber überwindet es die klassische Gattungstrennung des Museums und geht unerforschte Wege. Die Statuten verpflichten uns ebenso zur Seriosität im konservatorischen und wissenschaftlichen Umgang mit den 4000 Werken im Haus wie zu einem undogmatischen und offenen Umgang mit dem Kosmos «Paul Klee». Daraus ergibt sich ganz selbstverständlich eine Offenheit gegenüber Neuem und Experimentellem. Ausserdem deckt Klees Spektrum Kunstgattungen, Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften ab – alles hochinteressante Felder. Paul Klees Geist und Werk und Renzo Pianos Wellen mit ihren Wechselausstellungen, Konzerten, Tanz- und Theateraufführungen sind die Trümpfe, die wir mit einer guten Gesamtdramaturgie ausspielen können. Und natürlich sind die Kinder im Kindermuseum «Creaviva» ein Segen. Zusammengenommen wirkt das Zentrum Paul Klee in meiner idealen Vorstellung wie ein sozialer Knotenpunkt, der unterschiedlichste kollektive und persönliche Potentiale verbindet und Kontakte schafft zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wo sich Besucherinnen und Besucher ebenso regenerieren wie anregen lassen. Dem Zentrumsgedanken verpflichtet, soll das Programm gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und sparten- und generationenübergreifend sein, ohne Musen oder Menschen voneinander zu trennen. Verraten Sie uns ein paar Gedanken über Ihre Pläne? Am kommenden 25. Januar stellen wir anlässlich der Medieninformation zu unserer Robert Walser-Ausstellung das Jahresprogramm 2007 vor. Bis dahin sind wir in Vorbereitung. Ich bitte Sie also noch um etwas Geduld.

Juri Steiner *1969, promovierter Kunsthistoriker, Zürich/ Lausanne. Von 1993 bis 1998 Kunstkritiker für die «NZZ». Freier Kurator Kunsthaus Zürich; Ausstellungen «Dada global», «Arnold Böcklin, Giorgio de Chirico, Max Ernst» mit Guido Magnaguagno und «Freie Sicht aufs Mittelmeer» mit Bice Curiger. 2000-2003 Leitung Arteplage Mobile du Jura (AMJ) im Rahmen der Expo.02. 2003/04 Konzept und Einführung des neuen Cabaret Voltaire, Zürich. Co-Kurator Schweizer Pavillon an der Weltausstellung Expo 2005 Aichi (Japan). Gastdozent an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich sowie an der Universität Zürich. In Vorbereitung: «In girum imus nocte et consumimur igni - Die Situationistische Internationale (1957-1972)» für das Museum Tinguely, Basel, April 2006. 6

LITERATUR

walsers betrachtungen zu schriftstellern und ihren werken Von Belinda Meier (Bild: zVg) ■ Robert Walser hat sich zeitlebens sehr eingehend mit Personen und Stoffen der Literaturgeschichte befasst. Seine dazu niedergeschriebenen Betrachtungen beweisen deutlich, wie sehr Walser belesen war und wie gut er darüber Bescheid wusste, wer und was in Sachen Literatur Rang und Namen hatte. Lesen war für Walser eine äusserst kreative Beschäftigung. Sie bescherte ihm Unterhaltung, die nicht lenkt, sondern sich frei entfalten und somit als Quelle neuer Kreativität verstanden werden kann. Lesen zwingt den Rezipienten demnach nicht zu einem bestimmten Verständnis, wie er dies im Prosastück «Meine Bemühungen» formuliert: «Ich halte gegenüber Büchern sowohl wie Menschen ein lückenloses Verstehen eher für ein wenig uninteressant als erspriesslich.» In die essayistischen Darstellungen Walsers, die einen spielerischen Umgang mit Sprache ent-

puppen und zwischen anekdotischen Erzählungen, eindringlichen Dichterporträts, spöttischen Gedichten und szenischen Collagen abwechseln, soll nun Einblick gewährt werden. Viel Spass! Der Kleist-Darsteller «Was braucht es zu einem Kleist-Darsteller? Offen gesagt, es braucht sehr viel. Schon alleine die Zunge. Da muss einer mit seinen Lippen tanzen und mit seiner deutschen Sprache jonglieren gelernt haben. Einem Menschenmund schlechthin ist es unmöglich, Verse von Kleist wie Verse von Kleist zu sprechen. Mache zehn Jahre lang täglich Atemübungen, dann wage es, dich an einen Grafen von Strahl oder an irgend einen anderen Burschen dieser Rasse heranzumachen. Diese Rasse setzt Zucht voraus, das bedenke, Schauspieler von heutzutage. Hinterher, wenn du dich blamiert hast, lächelst du und sagst, Kleist sei ein rostiges Eisen, Grabbe, das sei was, Kleist, der sei undramatisch. Weil du keine Grazie ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


fokus

hast, ist Kleist abgestandenes Wasser, nicht wahr? N’est-ce pas, ich kann nämlich auch ein bisschen Französisch.» Über Georg Büchner «Der Dichter, von dem ich hier eine Abbildung zu entwerfen versuche, schrieb keine Verse, weil ihn das Verseschreiben verwundet oder irritiert haben würde. Dafür warf er sich mit aller verfügbaren Jünglingskraft in

«Als sei ich kapriziös, will ich hier über einige Dichter sprechen. Sprechen? Warum nicht schwatzen, plappern, schwadronieren?» (Robert Walser) eine zufällig gerade damals wellen- oder wogenemporwerfende, bald danach aber in alle Sanftheiten ausmündende Revolution. Seither lieben ihn sämtliche Jünglinge; sie finden z. B. unvergesslich, dass er eines Nachts, (...) sozusagen eine Art Flucht ergriff, weil ihn das Gefühl beschlichen haben mochte, man traue ihm eine Denk- und Empfindungsweise zu, die sich nicht schicke. (...) Wenn ich fallenlasse, dass aus des Dichters Rocktasche ein noch unaufgeführtes Drama weissblitzend hervorschaute, und wenn ich ausserdem anmerke, dass er eine Jungburschenmütze auf dem denkbar genial veranlagten Kopf trug, worin es von Schaffens- und Zukunftsplänen nur so wimmelte, so wird man vielleicht finden, dass ich ihn bis dahin schon ganz treffend porträtiert habe. Dass ihn Locken von der unschuldigsten Sorte schmückten, versteht sich von selbst.» Shakespeares Hamlet «Hamlet ist gewiss die bedeutendste ‹moderne› Dichtung. Welche Folgerichtigkeit, welche grossen Verhältnisse, was für eine junge Tonart! (…) Weil Hamlet mit seiner geliebten Mutter uneinig war, sah er sich zum Abfertigenlassen möglichst köstlicher Weisheiten verbunden. Wie gerne jedoch würde er auf dieses zweifelhafte Vergnügen verzichtet haben. Seine Mutter verehrend, zwang ihn seine Ehre, sein Gewissen usw., gegen sie vorzugehen, und weil er das tun musste, entsprang seinen Lippen dieses an sich unsagbar traurige: ‹Reif sein ist alles.› Soll nun für uns ein Wort Grundsatz sein, das ein überaus bedrängter, unglücklicher Mensch in seiner Qual aussprach? Reif sein? (…) Sind wir denn nicht eigentlich erledigt, sobald wir reif wurden? Greise, Greisinnen sind reif, aber sie lieben es nicht, an den Reifezustand erinnert zu werden. Wie mancher Reife wünscht seine Gereiftheit gegen ein bisschen Unreife umzutauschen, denn mit der Unreife fängt ja das Leben an.» Schillers Wilhelm Tell «Was den Wilhelm Tell betrifft, so hat mich von jeher (…) die Frage beschäftigt, ob etwa der Herr Landvogt eine hübsche Frau gehabt habe. (…) Heute jedoch schreibe ich ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

folgendes: ‹Was bedeutet des letzteren (Tell) überraschende Schiesskunst? Ist sie reell oder nicht?› (…) Ich bin z. B. überzeugt, dass (…) der Schweizer, der die Freiheit liebt, dem (…) Landvogt viel zu verdanken hat, indem letzterer erstern zu Taten usw. anspornte. Sollte man nicht beinahe mit der Idee einig gehen dürfen, der Landvogt und Tell seien eine einzige widerspruchsvolle Persönlichkeit? „Schiesse mir einmal einen Apfel vom Kopf deines Knaben!“ wurde befohlen (…) und sofort wird dem eigenartigen Wunsch entsprochen worden sein. (…) Mir scheint bedeutend zu sein, dass beide ein Unzertrennliches, Einheitliches bilden: um einen Tell hervorzubringen, bedurfte die Geschichte eines Landvogts. Einer ist ohne den andern undenkbar. Ungefähr das ist’s, auf das hin ich in diesen Zeilen wilhelmtellhaft hinziele.» Zu Gottfried Keller «Ein junger Kollege hielt sich vor einiger Zeit für berechtigt, mir zu sagen, ihm komme Keller wie ein Ausklang, herrlich verhallend vor, worauf ich ihm erwidern zu dürfen meinte, dass man dies an allem Vorzüglichen, wahrhaft Schönen, anscheinend Unübertrefflichen für gegeben halten könne, man stehe vor Kellers Werken wi(e) vor einer grossen, von immergrünen Ringmauern graniten und wieder seidenweich und fein umschlossenen Stadt, die mit ihren Mannigfaltigkeiten und in ihrer Ruhe ein nur einmal vorkommendes Kulturbild darbiete, er sei etwas Einziges, und seine beruflichen Nachfolger täten freilich gut, ganz andere Wege zu beschreiten, da es auf Kellerschen Wegen für keinen als nur für ihn selber Aussichten, wertvoll zu werden, gebe. ‹Welchem Dichter bescherte das Schicksal nochmals so viel Unglück und Schwierigkeiten und so viel Begabung, sich ihnen anzuschmiegen, wie ihm›, fügte ich bei (…).» An Hermann Hesse «Vorurteile, o, mein Gott, bilden einen Alltagstrott. Eines Tages sah ich dich lächeln, stehen auf dem Podium, während sich im Publikum hübsche Frauen heiter fächeln. Fünfzig Jahr’ alt wurdest du! Wandernd wird schon mancher Schuh sich dir abgetragen haben. Darf ich heute Dank dir sagen, dass du warst, und dass du bist; dein Charakter scheint aus List und aus Liebe zu bestehen, wir wie Blätter ja vergehen, Wind und Meer sind grosse Herr’n, hier gestehe ich dir gern, dass ich oft in weissem Kragen, wenn es zart begann zu tagen, heimwärtsging aus Lustgelagen. Über den mit ein’gen Gaben ausstaffierten Hirtenknaben,

der dich feiert, schriebst du mal einen Aufsatz; sei noch lange Fisch und Taube, Mansch und Schlange, und aus deinem Lebensgange, mittels geistigem Kanal, brech’ noch mancher Sonnenstrahl. Deine Lippen sind sehr schmal. Denke nicht, es wäre Rache, dass ich dir ins Antlitz lache, denn anlässlich deines Festes gab ich hoffentlich mein Bestes.» Literatur: Robert Walser. Dichteten diese Dichter richtig? Eine poetische Literaturgeschichte. Herausgegeben von Bernhard Echte. Frankfurt am Main / Leipzig 2002.

(Walser-Veranstaltungen siehe auch Seite 73) Kurzbiographie zu Robert Walser (1878-1956) ■ Robert Walser wurde in Biel geboren und absolvierte nach der Schulzeit eine Banklehre. Die Romane «Geschwister Tanner» (1907), «Der Gehülfe» (1908) und «Jakob von Gunten» erzielten zwar Erfolg, dennoch kein solcher, der im literarischen Leben Berlins, wo er seit 1905 lebte, anhielt. Walser kehrte somit 1913 – mit dem Gefühl eines Gescheiterten – nach Biel zurück. Während der Zeit in Biel (bis 1921), in der viele Kurzprosatexte und andere Romane entstanden, kann «Der Spaziergang» (1917) als Hauptwerk hervorgehoben werden. Ab 1921 lebte Walser in Bern. Trotz der Tatsache, dass er in literarischen Zeitschriften und Feuilletons namhafter Tageszeitungen Präsenz markierte, gelang es ihm, nur noch gerade ein Werk zu publizieren, «Die Rose» von 1925. Daneben blieben zahlreiche Texte lediglich in einem Bündel verschiedenster Entwurfsschriften erhalten, die in mikrografischer Schrift überliefert sind, so etwa der sog. «Räuber»-Roman von 1925. Bernhard Echte und Werner Morlang entzifferten diese Texte in einem arbeitsaufwendigen Prozess und veröffentlichten sie in der sechsbändigen Ausgabe «Aus dem Bleistiftgebiet» (19852000). Zu Beginn des Jahres 1929 erlag Walser einer psychischen Erkrankung. Gegen seinen Willen wurde er in die Psychiatrie eingewiesen, die er bis zum Ende seiner Tage nicht mehr verlassen durfte. 1933 beendete er seine schriftstellerische Tätigkeit und verbrachte die weiteren 24 Jahre als Patient in der Heilanstalt Herisau. Am Weihnachtstag 1956 starb Robert Walser auf einem einsamen Spaziergang im Schnee. Obwohl namhafte Autoren wie Hesse, Tucholsky, Kafka u. a. ihn hoch wertschätzten, blieb Walser sein Leben lang beim breiten Publikum verkannt. Heute gilt er jedoch als der wichtigste Deutschschweizer Autor der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 7


literatur

Abgründe des Gewöhnlichen Mark Haddon: A Spot of Bother. Roman. Englisch.

Verwirrspiel mit Zuschauer Peter Handke: Spuren der Verirrten. Theaterstück.

Anders als die anderen Katherine Min: Secondhand World. Roman.

■ Bei der Familie Hall scheint zunächst alles in bester Ordnung. Vater George, ein Frührentner, beschäftigt sich mit dem Bau eines Ateliers im Garten, Mutter Jean unterrichtet als Aushilfslehrerin und arbeitet stundenweise in einer Buchhandlung. Tochter Katie scheint glücklich verliebt in Ray, welcher einen exzellenten Ersatzvater für ihren Sohn Jacob abgibt: einer Heirat steht nichts mehr im Wege. Der homosexuelle Sohn Jamie realisiert nach langen Wirren, dass sein Freund Tony der Richtige ist. Doch zu spät, Tony inzwischen des Wartens müde bis sich Jamie zu einer definitiven Entscheidung durchringt, verlässt ihn. Wir erfahren weiter, dass Jean seit Monaten eine Affäre mit einem ehemaligen Arbeitskollegen ihres Mannes unterhält, dass Ray als zukünftiger Schwiegersohn nicht gut gelitten und Katje sich ihrer Liebe plötzlich auch nicht mehr sicher ist. Währenddessen driftet George klammheimlich in eine schwere Depression ab, deren scheinbarer Auslöser ein Ekzem ist, welches er in seinem Wahn für Hautkrebs hält. Erst als er selbst Hand an sich legt, um den infizierten Hautlappen mit einer Schere zu entfernen, wird seiner Familie die Tragweite seines Zustandes bewusst. An der Hochzeit alsdann erreicht der Roman seinen finalen Höhepunkt. Mark Haddon landete mit seinem Debüt-Roman «Supergute Tage oder die sonderbare Wekt des Christopher Boone» einen internationalen Erfolg. Der Erwartungsdruck nach einem derart erfolgreichen Erstling ist bekanntlich hoch, doch Haddon hat das Wunder eindeutlig vollbracht: ein ebenso abgründiges wie komisches Drama, dessen Aufbau nicht von ungefähr an ein Theaterstück erinnert. Besonders faszinierend sind die Einblicke, die er den Lesern in in die inneren Abgründe seiner Protagonisten gewährt und nicht zuletzt ist seine Sprache von einer geradezu unheimlichen Kraft. (sw)

■ Zufällige Bewegungen, die zunächst stumm bleiben. Erst später finden Handkes Darsteller zur Sprache, einer ebenfalls zufälligen, wie es scheint, die dennoch die existentiellen Themen in sich birgt. Manche Sätze bleiben haften wie Zeilen eines Gedichts, andere gehen unter, werden vergessen. Teilweise verliert man als Zuschauer beziehungsweise als Leser die Orientierung, weiss nicht mehr, was war oder was noch kommen soll. Andererseits ist man hellwach und voll und ganz auf das sich abspielende Geschehen auf der Bühne konzentriert. Auf Seite 76 hat der Zuschauer, in unserem Fall der Leser, seinen eigenen Auftritt und entlarvt somit seine Rolle des Zuschauens, insofern Theater nur vor Publikum funktioniert. Der Zuschauer mit Ich-Stimme, aus dessen Perspektive das gesamte Geschehen geschildert wird, verschwindet nach seinem Auftritt, in dem er das bisher Gesagte kurzerhand wegen dessen Beliebigkeit der Bedeutungslosigkeit zuführt. Er zeigt die Protagonisten als Ziellose, verzweifelt um ein Ziel Bemühte. Die Handlung nimmt jedoch auch nach seinem Verschwinden ihren Lauf und endet mit den Strophen eines Gedichts. Ein Stück, welches die Kritik mit Anklängen zu Hugo von Hofmannsthal und Karl Kraus liest, das mich persönlich jedoch weit stärker an die alten Griechen erinnert, da die Strophen auf Seite 69 sowie auf Seite 78 stark an den Chor der griechischen Tragödie erinnern. Nicht von ungefähr, insofern Peter Handke neben seinen schriftstellerischen Erfolgen unter anderem auch als Übersetzer von Aischylos und Sophokles von sich reden machte. Eine Realisierung auf der Bühne schürt aufgrund der Komplexität des Stücks hohe Erwartungen. Claus Peyman bringt «Spuren der Verirrten» im Februar 2007 mit dem Berliner Ensemble in Berlin zur Uraufführung. Für das Akademietheater in Wien führt Friederike Helle Regie. (sw)

■ Isa, eigentlich Isadora Myung Hee Sohn, Tochter koreanischer Imigranten in Upstate New York, ist die einzige Koreanerin an ihrer Schule. Ihre Mutter, die aufgrund einer Brandnarbe am Hinterkopf, welche ihre Heiratsaussichten in ihrem Heimatland vernichteten, an ein LehrerinnenCollege in die USA verschifft wurde, trifft hier auf einen aufstrebenden jungen Physiker, ebenfalls Koreaner. Dieser wiederum ist gezeichnet von den Kriegswirren in Korea, welche ihn zum Waisen machten. Die Sohns geben sich redlich Mühe, den amerikanischen Traum nachzuleben, der sich unter anderem in der Anschaffung eines grünen Geschirrspülers manifestiert. Doch eben dieser Traum soll zum Alptraum gefrieren, als Stephen, Isas jüngerer Bruder, durch den Lieferwagen tödlich verletzt wird. Obwohl äusserlich Amerikaner sind die Sohns im Herzen Koreaner geblieben und preisen den toten Sohn stärker als die lebendige Tochter. Isa entdeckt durch ihre Schulfreundin Rachel und insbesondere durch deren unorthodoxe Familie eine andere Welt, die frei ist vom Anpassungsdruck, welcher das Leben in ihrem Elternhaus kennzeichnet. Im dortigen Keller verliebt sie sich in den Albino «Hero», dessen Aussehen ihre eigene Andersartigkeit Lügen straft. Nach einem Ausreisser-Abenteuer mit Rachel und Hero und einer Menage à trois scheint es jedoch kein Zurück in den gemeinsamen Alltag mehr zu geben. In derselben Zeit beginnt ihre Mutter nach langen Jahren der Trauer über den Tod des einzigen Sohnes ein BA-Studium, wo sie sich in ihren Lyrik-Professor verliebt. Isa deckt die Affäre ihrer Mutter auf und ist entschlossen, ihren Vater nicht länger im Ungewissen zu lassen...mit tödlichen Konsequenzen. Katherine Min ist mit diesem Roman ein phantastisches Debüt gelungen, dessen Stärke vor allem in der Beleuchtung eines Einwandererschicksals und den Konsequenzen auch für die zweite Generation liegt. (sw)

Haddon, Mark: A Spot of Bother. Roman. Englisch. Random House 2006. ISBN-13: 978-0-385-662437. Unter dem Titel «Der Wunde Punkt» erscheint der Roman Februar 2007 im Karl Blessing Verlag. Übersetzt wurde er von Anke Caroline Burger.

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Handke, Peter: Spuren der Verirrten. Theaterstück. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 2006. ISBN 3-518-41854-8.

Min, Katherine: Secondhand World. Roman. Englisch. Alfred A. Knopf Verlag. New York 2006. ISBN 0-307-26344-4.

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


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BÜHNE

«auch ich bringe keine authentischen schwänke aus meinem leben» Interview von Michael Imoberdorf (Bilder: zVg.) ■ Neben ihrer Tätigkeit als Assistentin und Doktorandin am Institut für Theaterwissenschaft (ITW) der Universität Bern arbeitet Nicolette Kretz als freie Dramaturgin, Autorin und Spokenword-Performerin. Im Interview mit ensuite - kulturmagazin spricht sie über ihre Tätigkeit als Künstlerin und stellt das Projekt «Gasthof zum erweiterten Suizid» vor, dass ab dem 26. Januar 2007 während eines halben Jahres monatlich eine Produktion im Schlachthaustheater Bern zeigen wird. Zum Einstieg eine Standardfrage: Wie kommt man dazu, Texte fürs Theater zu schreiben? Hmm... Schauspiel ganz allgemein faszinierte mich schon immer. Nach dem Gymnasium wollte ich eigentlich auf die Filmhochschule, entschied mich aber für das Theaterwissenschaftsstudium in Bern. Damals machte ich meine ersten Versuche als Lyrikerin. Irgendwann begann ich dann mit Poetry Slam und im Jahr 2003 kam mir der Gedanke, wenn ich schon «Theater» studiere und in meiner Freizeit Texte schreibe, wieso also nicht auch Texte fürs Theater schreiben. Der Gedanke war ja irgendwie auch naheliegend. Es braucht Mut, eigene Texte öffentlich vorzutragen. Wie kamst Du dazu, in Poetry Slams aufzutreten und dich mit anderen SpokenwordPerformern zu messen? Ich absolvierte an der Uni den Englisch-Workshop «creative writing». Im Rahmen dieser Veranstaltung hielt ich eine kurze Lesung – die gut ankam. Einige Zeit später trat ich in Berlin erstmals an einem «echten» Poetry-Slam-Wettbewerb an. Der Hintergedanke, wenn der Auftritt in die Hose gehen sollte, durch die Hintertüre zu verschwinden – auf Nimmerwiedersehen und tschüss – beruhigte mich. Aber auch dieser Auftritt kam gut an und seither trete ich regelmässig an Poetry Slams auf. ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

Das Slam-Format schränkt aber die künstlerische Freiheit ein. Man muss versuchen, dem Geschmack des Publikums zu entsprechen, um gute Platzierungen zu erreichen. Ich bin heute gegenüber dem «klassischen» Slam-Format skeptischer und glaube, dass sich dieses irgendwann einmal totlaufen wird. Ich bewege mich inzwischen lieber in Slam-änhnlichen Formaten. So organisierte ich beispielsweise im letzten Frühling im Rahmen von «Aua wir leben» - dem zeitgenössischen Theatertreffen in Bern – eine Reihe von Auftritten von Spokenword-Performern zusammen mit Musikern. Die Verbindung mit Musik eröffnet neue Möglichkeiten; zudem gibt es dabei im Gegensatz zum Slam keinen Wettkampf: Die Atmosphäre ist dadurch viel relaxter und es ist leichter, etwas Neues auszuprobieren und die Sache weiterzuentwickeln. Sind Spoken-Word-Performances Literatur, Theater oder eine Mischform von beiden? Es interessiert mich nicht, Grenzen zu ziehen. Im kommenden Herbst planen wir von der Autorinnengruppe «Almösen» ein Projekt im Schlachthaus, in dem wir, d. h. die Autorinnen selbst, auf der Bühne stehen und unsere Texte präsentieren. Alle acht Autorinnen sind zugleich Textperformerinnen. Dieses Projekt entspricht meiner Vorstellung von Theater: eigene Texte in Eigenregie selbst zu performen. Ich schreibe gerne Texte, stehe aber genau so gerne auf der Bühne. Ich liebe sowohl die Literatur als auch das Theater. Was ist das Faszinierende an dieser Performanceform? Das Verhältnis zwischen Bühnenfigur und Privatperson interessiert mich - und zwar sowohl als Theaterwissenschafterin, Künstlerin und Zu-

schauerin. Das Spannungsverhältnis zwischen Bühnen- und Privatperson ist grösser, wenn der Bühnendarsteller von sich etwas erzählt, als wenn er Fiktionen eines Autors (vor)spielt. Und genau da möchte ich ansetzten. Da ich meine eigenen Texte präsentiere, vermischen sich die Grenzen von Fiktion und Wahrheit. Natürlich, wenn ich auf der Bühne stehe, bringe ich keine authentischen Schwänke aus meinem Leben. Aber ich spiele mit Realität und Fiktion. Die Zuschauer bleiben in einem Graubereich: was hat die Künstlerin erlebt, was ist erfunden. Ich liebe dieses Grauzone, und es ist reizvoll, sich mit dieser auseinanderzusetzen. Gibt es Situationen, in denen Du bemerkst, dass Zuschauer dieses Spiel von Fiktion und Realität missverstehen? Manchmal fragen mich Zuschauer, beispielsweise über den Inhalt eines Slamtextes: «Iii wenn isch de das gsi?» Dann sage ich lachend: «Ja nei, s’isch alles erfunde.» Aber Du willst weiterhin auch als Dramatikerin arbeiten? Durchaus. Es ist auch reizvoll, Texte «abzugeben» und zu schauen, was der Regisseur beziehungsweise die Schauspieler daraus machen und wie sie die Vorlage interpretieren. Es ist spannend, dass die Produktion ihre eigene Sichtweise auf den Text «draufsetzt». Wenn beispielsweise Schauspieler den Text genau so lesen oder wenn der Regisseur den Text so umsetzt, wie ich mir das beim Schreiben vorstellte, macht das Spass. Es ist, wie gesagt, nicht so, dass es mich nicht interessiert, dass SchauspielerInnen meine Texte spielen. Im «Gasthof zum erweiterten Suizid» beispielsweise wird es so sein, dass Schauspieler die Texte spielen werden. Damit wären wir beim zweiten Traktat des 9


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Interviews: dem «Gasthof zum erweiterten Suizid». Wie sieht das Konzept konkret aus? Sandra Forrer, Matto Kämpf, Ariane von Graffenried und ich schreiben Theatertexte und erleben dabei alle eine ähnliche «Frustration». Die Zeitspanne zwischen Dramenproduktion und Aufführung ist sehr lange. Von der ersten Idee zu einem Drama bis zum Abschluss des Produktionsprozesses dauert es rund drei Jahre. Diese lange Produktionsspanne verunmöglicht tagesaktuelle Theaterstücke. Im «Gasthof zum erweiterten Suizid» versuchen wir ein Format zu kreieren, das tagesaktuelle Themen aufnehmen kann – sogar aufnehmen muss. Wir planen ab Januar dieses Jahres monatlich eine Produktion im Schlachthaustheater. Jeden Monat entsteht eine neue Folge. Für uns Dramatiker gelten zwei Regeln: a) wir dürfen die Texten der neuen Folge erst schreiben, wenn die letzte Folge aufgeführt ist und b) müssen unsere Texte (im Entferntesten) das Thema «erweiterter Suizid» berühren. Die erste Regel provoziert eine sehr kurze Schreib- und Probezeit, ermöglicht aber die Verarbeitung tagesaktueller Themen. Wird für jeden Theaterabend ein inhaltlich zusammenhängendes Stück verfasst? Nein, die Theaterabende sind Collagen von Szenen, die durch das Oberthema «erweiterter Suizid» in einen gemeinsamen Rahmen gesetzt werden. Unser Ziel ist, Elemente der ersten Folge auch in die nächsten «Sitzungen» zu übernehmen und weiterzuentwickeln, so dass eine Art Serie entsteht. Die Kontinuität der Serie entsteht aber nicht, wie etwa in einer Soap, durch den Inhalt, sondern vielmehr durch Figuren, Probleme, Schauplätze, die wir weiterziehen - sei es aus einer eigenen Szene oder aus einer Szene eines anderen Autors. Es ist denkbar, dass ich beispielsweise von Matto eine Figur übernehme und diese in einer ei-

genen Szene einbaue. Bleibt die Besetzung immer gleich? Neben dem Autorenquartett bleiben die CoRegisseure Caroline Schenk und Dirk Vittinghoff sowie die Musikerin Sandra Künzi während der gesamten «Staffel» dabei. Die Schauspieler werden aber wechseln. Wie kommt man auf einen so abgedrehten Namen wie «Gasthof zum erweiterten Suizid»? Wir suchten nach einem geeigneten Oberthema, dass regelmässig in den Medien präsent ist. Wir bemerkten, dass alle zwei bis drei Wochen ein Fall von «erweitertem Suizid» für medialen Aufruhr sorgt. Das Thema ist ein «Dauerbrenner», so dass es uns theoretisch möglich ist, für jede Folge aus diesem Thema tagesaktuelle Geschichten zu ziehen. «Erweiterter Selbstmord» wurde vor kurzem zum Unwort des Jahres gewählt. Das bestätigt, dass «erweiterter Suizid» eine brisante Thematik ist. Die Medienpräsenz der Hälfte unseres Titels durch diese Wahl kommt uns natürlich sehr gelegen. Und wieso «Gasthof»? Der Start zur Serie wird im Schlachthaustheater, das wir zu einer Gaststube umbauen, stattfinden. Für die weiteren Theaterabende ziehen wir in den Keller des Schlachthauses. Das Schlachthaus will im Keller neu eine Bar etablieren und der «Gasthof zum erweiterten Suizid» ist das erste Projekt, das in dieser Bar stattfindet. Es ist mitunter ein Versuch, die Bar zu promoten. Während der Aufführung ist es möglich, an der Bar Getränke zu konsumieren. Die Abende finden in einer lockeren Bar-Atmosphäre statt; die klassische Schauspieler-Zuschauertrennung ist aufgehoben. Informationen zum Projekt «erweiterter Suizid»: Ausblick Bühne in diesem ensuite - kulturmagazin und www.schlachthaus.ch. ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


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AUSBLICK BÜHNE Schlachthaustheater

Gasthof zum erweiterten Suizid Von: Sandra Forrer, Matto Kämpf, Nicolette Kretz und Ariane von Graffenried

BÜHNE

rhythmischer sprachmarathon Von Magdalena Nadolska – Matterhorn Produktionen zeigen «Nach Addis Abeba – ein Bühnenabendessen in fünf Gängen» ■ Willkommensorgie könnte man es nennen, oder eine Begrüssungszeremonie, der irgendwann eine Arschloch-Arie folgt. Heinz-Ludwig und Constanze heissen die Gäste, oder Hans-Hans-Joachim und Mechthild. Sie sind schön, reich und vor allem sehr originell. Sie treffen sich zu einer Abendgesellschaft und reden, reden und reden. Wenn nicht mit den Anwesenden, dann per Handy mit weiteren schönen, reichen und vor allem sehr originellen Freunden. Doch im Grunde weiss niemand mit wem er überhaupt spricht oder ob jemand zuhört. Hauptsache reden. Es gibt ja auch etliche Probleme, die man bewältigen muss. Wo soll man sich hinsetzen? Man glaubt nicht an Gott und der Papst ist einem egal. Man hat zuviel geraucht oder mag die Koffer für die Ferien nicht packen. Nach Addis Abeba geht es. Doch die Reise findet im Wohnzimmer statt. Man begibt sich vom Apéro über den Hauptgang zur Torte, ständig die Handlung kommentierend, sich mit dem Satz «Ich habe mal ganz lange nichts gesagt» brüstend. Wie sind die doch auf den Hund gekommen. «Die» entspringen dem neuen Stück von Beat Sterchi, «Nach Addis Abeba», welches von den Matterhorn Produktionen im Schlachthaus gespielt wird. Seit Jahren verfolgt Sterchi konsequent einen eigenen Weg der Sprachbehandlung auf der Bühne. Es werden keine Figuren entwickelt, sondern in erster Linie Sprachhaltungen ausgestellt. So schafft Sterchi mit der Form Inhalt. In «Nach Addis Abeba» werden die Reste unserer Alltagssprache als rhythmisches Material in den Raum gestellt. Mit den Mitteln der Wiederholung, der Verkürzung und einem sehr dominanten Rhythmus macht Sterchi aus den kurzen unspektakulären Sätzen Literatur. Beim Entwickeln der Inszenierung benutzt die Regisseurin Ursina Greuel den musikalischen Werkzeugkasten. Sätze können verschachtelt werden, chorisch oder kanonisch gesprochen, gesungen oder rezitiert werden. «Die Schauspieler sind in diesem Stück in erster Linie keine Solisten, sondern Teil eines gesamten Klangwerkes. Das Stück ist einzustudieren wie eine Partitur. Die Schauspieler agieren ganz im Dienste des ‹Sounds›, eine Musikerin erensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

(Bild: zVg.)

gänzt den Sprachteppich durch weitere Klänge», so die Hausregisseurin der Matterhorn Produktionen. Zusammen mit dem Autor Guy Krneta bildet Ursina Greuel den Kern dieses Basler Ensembles. Der Name Matterhorn Produktionen bezieht sich auf Beat Sterchis Stück «Das Matterhorn ist schön», welches von Ursina Greuel im Rahmen der Basler Antischublade 2001, einem Dramatikerförderprojekt, uraufgeführt wurde. Mit dieser Produktion formierte sich das Kernensemble der Matterhorn Produktionen, das seither kontinuierlich zusammenarbeitet. Die bisherigen Arbeiten zeichnen sich durch den musikalischen Umgang mit Sprache und das Verneinen jeglicher Psychologie aus. Der Text ist immer Zentrum der Arbeit. Die Sprache wird nicht als blosses Mittel zum Zweck verstanden, vielmehr sucht das Ensemble den Eigenwert der Sprache herauszuarbeiten. In ihrer letztjährigen Produktion «Die Versuchung, die Romanza der Eluvies von Alfred Wälchli zu spielen», welche auch bereits im Schlachthaus gezeigt wurde, brachte die Gruppe eine skurrile OffOperette in Phantasie-Sprache auf die Bühne. Nun folgt Sterchis «Nach Addis Abeba». Der Text wurde 2003 mit dem Welti-Preis ausgezeichnet, dem wichtigsten gesamtschweizerischen Preis für Dramatik. In der Umsetzung der Matterhorn Produktionen besteht das Bühnenbild aus einem überdimensionalen Sofa und einem Kronleuchter, der als Musikinstrument dient. Man bekommt die Überhöhung eines Wohnzimmers zu sehen, in welchem das Essen stattfindet. Auf der Bühne wird jedoch nicht gegessen. Stattdessen bekommt das Publikum eine Mischung aus Theater, Konzert und Choreographie serviert. P.S. Addis Abeba ist die Hauptstadt von Äthiopien. Aufführungen: Schlachthaus Theater Bern 13./17./18./19./20.1., 20:30 h 21.1. 17:00 h Infos: Telefon 031 312 96 47 www.schlachthaus.ch

■ Eine Collage von Szenen - verbunden durch das Oberthema «erweiterter Suizid» - wird am 26. Januar den Auftakt zum Projekt «Gasthof zum erweiterten Suizid» darstellen. Während eines halben Jahres reflektieren die «Suizidler» im Schlachthaustheater an einem Abend pro Monat tagesaktuelle Geschehnisse. Da die Gruppe mit weniger Geld auskommen muss, als erhofft, wird an zwei Spieldaten auf ein Ersatzprogramm (billiges Lotto und billiges Quiz) ausgewichen. Weitere Informationen zum Projekt «Gasthof zum erweiterten Suizid» finden sich im Interview mit Nicolette Kretz in dieser ensuite-Ausgabe. (mi) Regie: Caroline Schenk und Dirk Vittinghoff Musik: Sandra Künzi Mit: Vanessa Brandestini, Dominique Müller und Sandra Utzinger Start des Projekts: 26.1., Schlachthaustheater, 20:30 h.

Stadttheater Bern

Buddenbrooks Nach dem Roman von Thomas Mann Dramatisierung von John von Düffel ■ Der Roman Buddenbrooks erreichte bis heute eine Gesamtauflage von rund sechs Millionen Exemplaren. Im Roman wird das Schicksal der Kaufmannsfamilie Buddenbrook erzählt. Die Romanumsetzung, in der das Schicksal der Generation von Thomas, Christian und Antonie Buddenbrook ins Zentrum gerückt wird, läuft seit dem 5. September 2006 mit grossem Erfolg am Stadttheater Bern. Im Interview mit ensuite - kulturmagazin bezeichnete der Schauspieldirektor des Stadttheaters, Stefan Suske, die Romanumsetzung von Buddenbrooks als eine der gelungensten Stadttheaterproduktionen der letzten Jahre. Am 12. Januar wird Buddenbrooks zum letzten Mal im Stadttheater aufgeführt. (mi) Regie: Barbara-David Brüesch Mit: Michael Günther, André Benndorff, Regna Guderian, Silvia-Maria Jung u.a.m. Dernière: 12. Januar, 19:30 h.

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Gestaltung: Neidhart Grafik, Bern

Donnerstag, 1. Februar Festivaleröffnung 17.30 h | Konservatorium, Grosser Saal Roland Moser Gabriella Marffy Claudio Veress Käthi Steuri Freier Eintritt Kammerorchesterkonzert I 19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal Philippe Bach Olivier Darbellay Berner Kammerorchester Vorverkauf: www.bernbillett.ch Freitag, 2. Februar Klavierrezital 19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal Aleksandar Madzar Vorverkauf: www.bernbillett.ch Samstag, 3. Februar Symposion 10.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB, Papiermühlestrasse 13d Grosser Konzertsaal Freier Eintritt Chorkonzert 16.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB, Papiermühlestrasse 13d Grosser Konzertsaal Anton Zwolensky Chor «Canto vivo» Freier Eintritt Symphoniekonzert I 19.30 h | Hochschule der Künste Bern HKB, Papiermühlestrasse 13c Grosse Halle Thomas Rösner Ernesto Molinari Bieler Symphonieorchester Vorverkauf: www.bernbillett.ch Sonntag, 4. Februar Film 11.00 h | Lichtspiel, Bahnstr. 21 Ein Stück Erde Freier Eintritt

Musikfestival zum 100. Geburtstag von

Sándor Veress 1.– 4. Februar 2007 1.– 4. März 2007 3.– 6. Mai 2007 25 Konzerte, Einführungen, Gespräche, Film und Lesung

musikfestivalbern.ch veress07.ch Erstmals in einem gemeinsamen Festival:

Aria Quartett Berner Kammerorchester Berner Symphonie-Orchester Bieler Symphonieorchester Camerata Bern Hochschule der Künste Bern Internationale Gesellschaft für Neue Musik Bern Musikschule Konservatorium Bern Institut für Musikwissenschaft der Universität Bern Zentrum Paul Klee

Amt für Kultur des Kantons Bern

Medienpartner:

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musik

KLASSISCHE MUSIK

musikfestival bern – veress 07 Von Hanspeter Renggli (Bild: zVg.) ■ Das Festival zum 100. Geburtstag des ungarisch-bernischen Komponisten und Pädagogen Sándor Veress im Februar, März und Mai 2007 wird zugleich zum Start eines neuen Berner Musikfestivals. «Die Vernichtung der Menschheit werden gewiss nicht die Künstler überleben (wenn es überhaupt Überleben geben sollte) – nicht in einer Gesellschaft, in welcher die Kunst und die Künstler keine Fakten sind. Also wer? Die Schlimmsten: die Generäle und die Trustherren.» Wer sich hier Mitte der fünfziger Jahre berechtigte Sorgen um die Zukunft der Kunst und um den geistigen Zustand der Menschheit angesichts eines weltweiten Wettrüstens machte, war nicht ein Kulturkritiker von Profession und seine Mahnungen blieben meist ungehört. Er war seit 1950 Lehrer am Berner Konservatorium für Musiktheorie, Komposition und allgemeine Musikpädagogik und heisst Sándor Veress. Hierhin hatte der Konsidirektor Alphonse Brun den ein Jahr zuvor aus Ungarn emigrierten Komponisten, Pädagogen und Pianisten berufen. So bescheiden und leise Veress seine kritischen Beobachtungen in ungarischer, also in seiner Muttersprache als private Aufzeichnungen festhielt, so präzise wusste er, wovon er sprach, wenn er die Generäle und Trustherren als immerwährende Überlebende brandmarkte. Von Faschismus und Stalinismus gezeichnet Sándor Veress, 1907 im siebenbürgischen Kolosvar (Klausenburg, heute Cluj, Rumänien) geboren, hatte in Budapest bei den zwei bedeutendsten ungarischen Musiklehrern der ersten Jahrhunderthälfte ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

studiert, Klavier bei Béla Bartók, Komposition bei Zoltán Kodály. In allen Formen des Unterrichts wie in der Komposition stand damals die reichhaltige, in der Zwischenkriegszeit in Ungarn noch lebendige volksmusikalische Tradition im Vordergrund. Für Veress stellten diese Melodien jedoch in erster Linie Materialien für sein Komponieren dar. 1943 wurde Veress an der Franz Liszt Musikakademie als Nachfolger von Kodály Professor für Komposition, damals wie heute eine bedeutende und richtungsweisende Position im ungarischen Musikleben. Aber die politischen Katastrophen und die Wechsel vom einen radikalen Regime zum anderen liessen ein freies künstlerisches Wirken für einen Menschen wie Veress, der die Kunst als Teilaspekt der europäischen Geschichte der Humanität verstand, nicht zu. Nach dem Ende der Besetzung durch das Nazi-Regime waren in Budapest die ersten Nachkriegsjahre noch durch Experimentierlust und das unbeschränkte Aufblühen kultureller Aktivitäten gekennzeichnet. «Leider dauerte die Euphorie des Friedens und der hoffnungsvollen Konsolidierung der politischen Verhältnisse nicht lange. Alles, was wir uns 1945 vorgestellt hatten, entpuppte sich als nur kurze Herrlichkeit. Die Wühlarbeit und die Aushöhlung der demokratischen Institutionen durch Mátyás Rákosi, den ungarischen Stalin, gedieh so weit, dass man sich bereits im Sommer 1948 fragen musste, ob man unter diesen Perspektiven weiterarbeiten könne. Bei dem stets wachsenden Druck verspürte ich immer weniger Lust, am Ende das Schicksal von Schostakowitsch zu teilen. Mit diesen Gedanken bestieg ich am 6. Februar 1949

den Nachtzug nach Prag ... nach neun Monaten geschah das Wunder in der Form der Einladung zu einer Gastprofessur in Bern. Was mir in Ungarn unmöglich gewesen wäre, die menschenwürdige persönliche Freiheit und die Möglichkeiten zur Entfaltung meiner Kunst, hat mir der helvetische Boden geschenkt.» Dies ist, zugegebenermassen verkürzt, die Geschichte der Emigration von Sándor Veress in die Schweiz, wie er sie in seinen Erinnerungen 1985 festhielt. Dass der bernische Horizont in Sachen Neuer Musik um 1950 überaus begrenzt, das kulturelle Leben unglaublich konservativ war, sollte Veress früh genug erfahren. Er, der in den Westen kam, um – in allen historischen und geistigen Dimensionen – Europäer zu sein, wurde schnell mit den engen schweizerischen Koordinaten konfrontiert. So notiert er 1955: «Ekelhafter Nationalismus AD 1955. Ob das Werk gut ist, wird nicht gefragt – ob englisch, französisch, deutsch, Schweiz (Kanton), das ist die Hauptbeschäftigung der ‹Kulturellen Repräsentanten›.» «Missing link» der Geschichte? Der bedeutendste Kompositionslehrer der Schweiz der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre wurde erst 1974, ein Vierteljahrhundert nach seiner Emigration in die Schweiz, als Mitglied in den Schweizerischen Tonkünstlerverein aufgenommen. Noch 1982, als ihm die «Schweizerische Musikzeitung» zum 75. Geburtstag eine Sondernummer widmete, «husteten einige einflussreiche, gestandene Deutschschweizer Komponisten sehr vernehmlich» (Jürg Stenzl). So fand sich in den letzten Jahren der Name Veress nebst in einigen Berner 13


musik

Statistiken und wenigen Konzertprogrammen vor allem in den Biographien seiner Schüler, und das sind überaus gewichtige Namen: An der Budapester Musikhochschule waren György Ligeti und György Kurtág, die beiden bedeutendsten ungarischen Komponisten der Nachkriegszeit, seine Schüler. In Bern waren eine halbe Generation von Schweizer Musikern und Komponisten seine Schüler: Heinz Holliger, Roland Moser, Heinz Marti, Urs Peter Schneider, Jürg Wyttenbach, um nur einige zu nennen. Allein angesichts dieser Namensliste wird deutlich, dass Veress einer der wirksamsten Kompositionslehrer des 20. Jahrhunderts ist, der «als Vorbild und überragende Persönlichkeit von hohem geistigem Rang einen bedeutenden Einfluss auf die junge Generation ausgeübt hat» (Paul Sacher). In dieser Konstellation, einerseits Schüler von bedeutenden, seit einem halben Jahrhundert als Klassiker der Moderne qualifizierten Lehrern (Bártok, Kodály), und andererseits Lehrer heute renommierter, ihrerseits wiederum stilbildender Komponisten zu sein, kann ein Verhängnis liegen. Das Verhängnis nämlich, als «missing link», als blosses Zwischenglied in der Generationenkette der «Grossen» zur historischen Anmerkung zu werden. Finita la Commedia? Freundschaften und künstlerische Kontakte wie jene zu Hermann Müller, dem Leiter des Berner Kammerorchesters, zu Paul Sacher oder zur Camerata Bern, insbesondere aber zu seinen Schülern am Konservatorium und an der Universität führten in den fünfziger und sechziger Jahren zu mehreren Kompositionsaufträgen. Der letzten Schaffensperiode, die mit dem «Glasklängespiel» um 1977 beginnt, ging eine zehnjährige Pause im Komponieren voraus. Dieser Rückzug als Komponist ist auf ein ganzes Geflecht von äusseren und inneren Gründen zurückzuführen. Dazu gehört insbesondere die dauernd isolierte Situation im Schweizer Exil, als das Veress sein Leben in Bern verstand und das ihm auch mangels Auseinandersetzung mit Kollegen wenig äussere Anregung gab. Dazu gehört aber mindestens ebenso sehr die zunehmende Divergenz zwischen seinen ästhetischen Positionen, seinen durch die europäische Kulturgeschichte geprägten Kunstbegriff, und den tonangebenden Strömungen der Neuen Musik. Aufschlussreich ist ein Brief aus jener Zeit an den befreundeten Freiburger Musikhistoriker Erich Doflein: «So versuche ich hier etwas zu komponieren, wenn es noch geht. Es wird immer schwieriger, 14

wenn man nicht die Lust hat, mit den Wölfen zu heulen. Leider, ob man will oder nicht, die Frage stellt sich immer zwingender nach dem Sinn des Komponierens, und in meiner völligen Isoliertheit werden solche Gedanken noch mehr verschärft.» Veress hielt sich nicht zurück, wenn es galt, die «Entartung des Intellekts» zu brandmarken, die er in der «sterilen, intellektualistischen Spielerei» der Avantgarde, im «Kulturzerfall durch Kulturvielfalt» um 1960, oder im Desengagement gegenüber der Kunst sah: «Man ist nicht engagiert, das Musikhören ist ein rein ästhetisch-intellektueller Genuss. In der Kunst aber muss man sich engagieren. – Die gesellschaftliche Funktion der Musik als Kunst ist erloschen ... Hier stehen wir nun, nach den gigantischen Jahrhunderten europäischer Kunst ... Kurzum: Untergang des Abendlandes. – Finita la Commedia.» Veress aber unterschlägt nicht anzufügen, wenn auch bloss in Klammern: «Es war eine schöne, grosse Commedia.» Sándor Veress starb am 4. März 1992 in Bern im Alter von 85 Jahren. Sein nicht kleines, aber überschaubares Œuvre von nicht ganz siebzig Werken, die Jugendkompositionen nicht mitgezählt, ist gekennzeichnet durch eine sehr persönliche und überaus vielfältige Sprache. Seine Musik sucht nicht den vordergründigen oder lauten Effekt. Bei allem Humor, der in manchen Werken durchscheint, äussert sich in seiner Musik ein hohes Verantwortungsbewusstsein, ein tiefer Ernst gegenüber den Traditionen, gegenüber den Kulturen, gegenüber seinem «Tonmaterial», oder, wie er selber den Respekt vor seinem Tun formulierte: «Ein Ton – das klingt ja ganz schön; aber dann der zweite ...!» Musikfestival Bern – Veress 07 Am 1. Februar 2007 beginnt in Bern aus Anlass des 100. Geburtstags von Sándor Veress ein Musikfestival, das seiner Musik, aber auch der Musik seiner Lehrer, Schüler und wiederum deren Schüler gewidmet ist. Ein bernisches Musikfestival? Hatten wir doch auch schon – in verschiedensten Facetten! Nein, ein Festival mit zehn Berner Institutionen und Ensembles, in dem zwanzig Konzerte, ein musikwissenschaftliches Symposion, ein Film, eine Lesung, Gespräche und Einführungen sich unter einem thematischen Dach präsentieren, hatten wir eben noch nicht. Das Festival ist auf drei lange Wochenenden, das erste Februar-, das erste März- und das erste Mai-Wochenende, aufgesplittet. Also bleibt bei der Fülle von unterschiedlichster Musik immer genügen Zeit zum Durchatmen, zum Nachklingen-Lassen, zum sich neu Einstellen auf das Kommende. Neuartige,

ungewöhnliche Konzertformen stehen neben dem traditionellen Symphonie- oder Kammerkonzert. In jeder Schaffensepoche fand Veress neue, überzeugende kompositorische Lösungen von grosser persönlicher Eigenart, die an gedanklicher Komplexität und formalem Reichtum, an klanglicher Experimentierfreudigkeit, an politisch-ethischen Aussagen, aber auch im Augenzwinkern weder anderen Werken der Avantgarde nachstehen noch mit ihnen wirklich vergleichbar sind. Das Veress-Festival startet am 1. Februar mit einem echt bernischen Paukenschlag: Das Berner Kammerorchester spielt unter der Leitung des jungen Berner Dirigenten Philippe Bach, der seit September 2006 als Gewinner des 1. Preises im Internationalen Dirigentenwettbewerb für junge Operndirigenten am Teatro Real in Madrid als Assistenz-Dirigent tätig ist. Solist in Ligetis eigenwillig-klangsinnlichem Hornkonzert, in dem mehr Veress steckt, als man zu vermuten wagte, ist Olivier Darbellay, Mitglied des Collegium Novum Zürich, des Ensemble Contrechamps und des Ensemble Antipodes, Solohornist des Berner Symphonie-Orchesters und Lehrbeauftragter des Conservatoire de Lausanne. Einen der ersten bedeutenden öffentlichen Auftritte in Bern des international längst reüssierten Belgrader Pianisten Aleksandar Madžar erleben wir am 2. Februar im Konservatorium. Aleksandar Madžar hatte als blutjunger Pianist einige Klavierstücke von Veress noch mit dem Komponisten einstudiert. Im Chorkonzert am 3. Februar erklingen frühe Volksliedbearbeitungen. Zudem ist das Bieler Symphonieorchester in der grossen Halle der HKB zu Gast. Unter der Leitung des Chefdirigenten Thomas Rösner spielt u. a. Ernesto Molinari Veress’ ebenso virtuoses wie heikles Klarinettenkonzert, ein Spätwerk, in dem Veress nochmals den Klanghorizont spielerisch geweitet hat. Am Sonntag zeigt das Lichtspiel schliesslich eine unbekannte Seite im Werk von Sándor Veress: die Filmmusik zum Spielfilm «Ein Stück Erde» aus dem Jahre 1948. Der Film wird erstmals im Westen öffentlich gespielt. Er behandelt das damals politisch brisante Thema der Landreform und ist ein faszinierender Beitrag zum sozialistischen Realismus im Nachkriegsungarn. Kurzum: Ein Festival für Neu- und Altgierige. Informationen: www.musikfestivalbern.ch

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veranstaltungen

LITERATUR IN BERN CHLÖISU FRIEDLI – SÜNNELIBLUES

ELLING - WIE ZWEI DIE WELT EROBERN ■ Wie lernt man Leute kennen? Wie kann, soll man telefonieren? Was tun die Menschen auf der Strasse? Warum sind in Sauerkrautpackungen keine Gedichte drin? Wieso kommen Frauen nicht zu Besuch? Diese Fragen stellen sich die beiden liebenswerten Antihelden Elling und sein Blutsbruder Kjell Bjarne. Nach der Entlassung aus der psychiatrischen Klinik sollen sie dank der Hilfe des Sozialarbeiters Frank in die bürgerliche Gesellschaft eingegliedert werden. Eine grosse Bewährungsprobe für eine wunderbare Freundschaft. Erst ängstlich und zögerlich, dann mutig und schliesslich geradezu draufgängerisch erobern die beiden erwachsenen Kinder Stück für Stück die Welt. Sie entdecken sie neu und, wenn nötig, ändern sie sie in ihrem Sinne. Die Welt tritt ihnen entgegen als sexy Kellnerin, strenger Sozialarbeiter oder als hochschwangere Nachbarin. Sie werden überrascht von der Härte des Lebens und der Fröhlichkeit des Seins. Ihnen fehlt nicht Geld, aber Sex und Anerkennung. Sie haben Angst. Sie kämpfen. Sie haben Glück. Mit ELLING bringt das Theater ChardonNez seine erste Produktion auf die Bühne. Als Film bewegte ELLING bereits Millionen von Herzen. Er war in ganz Europa ein Kassenschlager. Nun ist diese humorvolle und komische Geschichte in einer berndeutschen Übersetzung von Annemarie Voss unter der Regie von Renate Adam und dem Ensemble ChardonNez. (am.morgenegg) Spielort: Kellertheater Katakömbli, Bern, Spieldaten: vom 19. Januar bis 17. Februar 2007 (siehe Webseite) Infos: www.theater-chardonnez.ch.

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

■ Das Theater Ittigen hat sich einer alten Berner Geschichte angenommen: Chlöisu Friedli (1949– 1981). Kein Musiker, der sich in den Hitparaden tummelte, dafür einer, der Spuren hinterliess. Sein Song «SünneliBlues» beispielsweise beschreibt in lakonischer Art den Patienten-Alltag in der psychiatrischen Klinik Waldau, wie ihn Chlöisu Friedli aus regelmässiger Erfahrung bestens kannte. Im Frühjahr 1981 nimmt Chlöisu Friedli im Tonstudio die in den letzten Monaten entstandenen Songs auf. Seine auf dem Piano mit bluesigen Riffs begleiteten, meist halb assoziativ improvisierten Texte werden später als «Bärnerblues» bekannt und könnten als Vorläufer von «Stiller Has» gelten. Assistiert wird Chlöisu Friedli im Studio von Tontechniker Adi Tosetto und Hene Elmann, einem mysteriösen Herrn, dessen Anwesenheit aber offenbar nur von Chlöisu Friedli selbst bemerkt wird. Während sich der Musiker durch die Lieder arbeitet, kommen Erinnerungen hoch und entscheidende Episoden aus seinem Leben erwachen: das mit Feen und Kobolden bevölkerte Gäbelbachtal seiner Kindheit, erste Gehversuche in der Musik, hanebüchene Nebenjobs und die plötzliche Begegnung mit der grossen Liebe! Elmann unterstützt ihn dabei, durchleuchtet ihn und entpuppt sich gar als übermächtiger Zauberer. Doch so wie Autobahn und Tscharnergut das Gäbelbachtal zubetonierten, stellen sich Chlöisu die Schatten einer psychischen Erkrankung in den Weg, binden ihn zurück, isolieren ihn – und Elmann entwickelt sich schliesslich vom unterstützenden Mentor zum zynischen Gegenspieler. Das Stück spürt Leben und Werk der Berner Blueslegende nach. Chlösu Friedli ist eine Künstlerexistenz, der sich zwischen Witz und Aufbruch bewegt, und dabei die späten 70er und frühen 80er Jahre aufleben lässt. «SünneliBlues» - ein mystisch beklemmender Krimi von und mit Dänu Brüggemann. (pressetext / vl)

DER PHILOSOPH VON BERN ■ Einen historischen Dringlichkeitskatalog habe er verfasst, und es sei daher unverantwortlich, dass seine Schriften nicht greifbar sind, schrieb Hugo Loetscher. Das ist jetzt nicht mehr so. Mit der entstehenden Werkausgabe wird eine repräsentative Auswahl der gesammelten Schriften von C. A. Loosli zugänglich. Looslis Nachlass umfasst insgesamt gut 22 Laufmeter Papier und ist im Schweizerischen Literaturarchiv archiviert. Dort findet nun auch eine Tagung statt: Namhafte Personen aus verschiedenen Fachgebieten, so auch Hugo Loetscher, werden zu der aktuellen Bedeutung des mutigen Publizisten Stellung nehmen. Greifbar sind die zwei ersten Bände der Werkausgabe: Band 1, Anstaltsleben, umfasst eine Auswahl sowohl literarischer wie auch publizistischer Texte zu der Verdingkinderfrage und zu Jugendrecht. Die Aktualität dieser Schriften thematisiert Ueli Mäder, der gemeinsam mit Heiko Haumann an der Universität Basel ein Forschungsprojekt zu den Verdingkindern leitet. Looslis Stellenwert in der Schweizer Kriminalliteratur analysiert Edgar Marsch: Der Roman «Die Schattmattbauern», Kernstück von Band 3, sei der erste moderne Schweizer Kriminalroman. Der Professor für Germanistik erklärt, was den Roman modern macht. Und wie wird der Nachlass eines Schriftstellers verwaltet? Welche Fragen wirft die Edition eines Werkes auf? Welche Rolle spielt der Verlag? Aber vor allem: Welche Bedeutung hat oder soll die Wiederentdeckung C. A. Looslis haben? Hugo Loetscher steht ein für die Aktualität eines verkannten Berners, der für die Geschichte der schweizerischen Mentalität von erstem Rang ist. (ass) 20. Januar 2007 Öffentliche Tagung von 10:00-17:00 h Schweizerisches Literaturarchiv in der Schweizerischen Landesbibliothek Hallwylstrasse 15 3005 Bern

Chlöisu Friedli - SünneliBlues Theaterstück von Dänu Brüggemann Regie: Hans Peter Incondi Spielort: Aula Oberstufenzentrum, Rain 5; 3063 Ittigen Première: 20. Januar, 20:00 h Weitere Vorstellungen: 24., 26., 27., 31. Januar; 2., 3., 7., 8., 9. und 10. Februar jeweils um 20:00 h sowie 4. Februar um 17:00 h Reservation und Infos: www.theater-ittigen.ch

Anmeldung: Rotpunktverlag: Tel. 044 241 84 75 Schweizerisches Literaturarchiv: Tel. 031 322 92 60 Über C. A. Loosli wurde bereits in den ensuiteAusgaben Nr. 46 und Nr. 47 berichtet.

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fokus

DIE GEWINNERINNEN DER LESERUMFRAGE 2006 ■ Unsere Leserumfrage im Oktober und November 2006 war sehr erfolgreich. Wir können hier schon mal die GewinnerInnen bekannt geben. Wir gratulieren: 1. Preis Die Reise nach Paris geht an: Nicole Keller; 3066 Stettlen 2. Preis Die Übernachtung auf dem Gurten geht an… Julia Abakai; 3072 Ostermundigen 3. Preis Drei XENIX-Film-DVDs nach Wahl gehen an… Thomas Eggenberger; 4051 Basel

4. – 10. Preis - Je ein Jahr gratis ensuite – kulturmagazin gehen an… Sergio Thanei; 3007 Bern Füglister Peter; 3053 Münchenbuchsee Madeleine Wick Reding; 3004 Bern Marie D. Schönebaum; 3013 Bern Claudia René; 2502 Biel Gordana Lazic; 3006 Bern Roman Troxler; 9000 St. Gallen Wir möchten uns bei all den zahlreichen TeilnehmerInnen ganz herzlich für die Zuschriften und fürs Mitmachen bedanken. Wir sind sehr überrascht und berührt, welch tolles Feedback Sie uns gegeben haben. Danke für die Treue und die Menschlichkeit. Ihre ensuite-Redaktion

KULTUR & GESELLSCHAFT

ein kornhaus ohne korn? Von Lukas Vogelsang – Ein Rettungsaufruf für das Kornhausforum ■ Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, berichtete die «Berner Zeitung» mit dem Titel «Kornhausforum vor dem Aus» über die Sparpläne der Abteilung Kulturelles und des Gemeinderats Bern. Man will dem Kornhaus den Geldhahn abdrehen – irgendwo muss ja gespart werden. Als hätten wir mit den Turbulenzen im museum franz gertsch nicht schon genug Wirbel gehabt, kam diese Meldung wie ein Aprilscherz daher – zum Wetter hätte es ganz gut gepasst. Doch die Lage scheint ernster zu sein, als dass wir Witze machen könnten. Die Stellungnahme vom Kornhausforum (siehe rechts) beruhigt zwar ein bisschen das Gemüt, doch die Aussicht, dass die Abteilung Kulturelles einen Lösungsvorschlag weiterverfolgt, kann nichts Gutes bedeuten: Dieses Szenario hatten wir mit BeJazz bereits mitgespielt und das Ergebnis war alles andere als beruhigend. Komische Politik Das Kunstmuseum, das Historische Museum, das Stade de Suisse, der Baldachin beim Bahnhof und das Zentrum Paul Klee wurden oder werden gebaut und all diese öffentlichen Bauten wurden im Kornhausforum ausgestellt. Dazu kommt, dass sich gerade mit diesen Bauwerken die Stadträte im Kornhausforum gut in Szene setzen konnten. Für verschiedene Anlässe war das Kornhausforum der beste Ort. Die Argumentation, es habe «kein Profil und kein Programmschwerpunkt», so der Kultursekretär Christoph Reichenau, stimmt so nicht: Das Kornhausforum zeigt zeitgenössische Ausstellungen, die in Bern in keinem anderen Museum zu sehen wären, ist auf Design und Architektur ausgerichtet und auch Politplattform. Ärgerlich ist diese Sparidee vor allem, weil der ehemalige Leiter des Kornhausforums erst letzten Sommer den Hut nahm und damit endlich Platz für 16

Neues entstehen kann. Mit 45‘000 Besuchern ist das Kornhausforum immer noch etwa drei Mal besser besucht als zum Beispiel die Kunsthalle Bern. Beide Häuser weisen etwa die gleiche Grösse auf. Klar, man könnte die nationale Ausstrahlung miteinbeziehen, doch auch da würde das Kornhausforum nicht schlecht abschneiden. Vor allem ist das Kunstforum modern – und das tut Bern gut. Ärgerlich ist dieser Spargedanke auch deswegen, weil der Schuss in die Ränge zielt, die aktiv am Berner Kulturleben beteiligt sind: Bekult ist eine Veranstaltervereinigung, bestehend aus dem Schlachthaus, der Dampfzentrale, den Tanztagen und dem Kornhausforum, die sich immer um einen Kulturdialog bemühten und für ein kulturelles Bern dachten. Das Kornhausforum war in der Kommunikation darin immer federführend. Ohne Kornhausforum wird diese Organisation, die eh nicht auf bester Erde steht, zersplittet. Den kleineren und grösseren Veranstaltern würde eine Plattform entzogen und damit auch eine politische Stimme. Eine gute Idee Wir möchten Sie, liebe LeserInnen, bitten, uns Ihre Meinung zu dem Thema zu schreiben. Ihre Meinung ist gefragt, bevor Sie von jemandem entschieden wird. Nehmen Sie sich das Stück Freiheit und schreiben Sie uns einen Leserbrief. leserbrief@ensuite.ch oder ensuite – kulturmagazin Leserbriefe; Sandrainstrasse 3; 3007 Bern Der besagte Artikel kann unter http://www.espace.ch/artikel_297306.html gelesen werden.

Eine erste kurze Stellungsnahme aus dem Kornhausforum: Wir wurden vor kurzem vom Kultursekretär und Stadtpräsidenten mündlich vorinformiert. Allerdings wurden bei diesen Gesprächen auch neue Optionen zur Weiterführung des Kornhausforums diskutiert, die bis im Januar von der Abteilung Kulturelles weiterverfolgt werden sollen. Insofern war insbesondere solch ein Titel wie in der «BZ» unschön. Unsere Stellungnahme: Wir haben Verständnis für den Spardruck der Stadt Bern. Eine Konzentration der Kräfte ist grundsätzlich richtig, denn viele Kulturinstitutionen sind eigentlich bereits seit längerem unterfinanziert. Dass mit der Schliessung des Kornhausforums rund 1 Million Franken gespart werden könnte, stimmt allerdings nicht. Für die Miete der Räume des Kornhausforums bezahlen wir vom Budget von 980‘000 Franken 410‘000 Franken wieder zurück. Dieser Betrag müsste erst einmal durch Vermietungen erwirtschaftet werden und dafür bräuchte es sicher auch Personal. Flüssige Mittel (neben den Personalkosten) werden von der Stadt seit 2003 mit 214‘000 Franken zur Verfügung gestellt. Über Vermietungen, Sponsoring, Eintritte/Verkäufe und Mitgliederbeiträge hat das Kornhausforum seit 2003 jährlich rund 250‘000 Franken selber erwirtschaftet, so dass die Eigenwirtschaftlichkeit immer 20-30 Prozent betrug. Und dies inklusive dem hohen Mietwert. Die Besucherzahlen betrugen seit Beginn jährlich immer ca. 45‘000 Personen. Das Kornhausforum ist 1998 bewusst mit einem breiten Profil als Forum für Medien und Gestaltung von der Stadt gegründet worden. Im Sinne einer Schärfung des Profils haben wir vorgeschlagen, die Bereiche Gestaltung und Gesellschaftspolitik zu pflegen und möglichst mit diesen beiden Standbeinen auch eigene Projekte (wie die zur Zeit laufende Ausstellung «Spielwitz & Klarheit») zu lancieren. Wir hoffen nun vorerst, dass die Diskussion im Januar noch neue Lösungsvorschläge bringt. Wir sind aber dankbar, wenn wir später in der politischen Auseinandersetzung auf Ihre/Eure Unterstützung zählen können.

Claudia Rosiny, Leiterin Hans-Ulrich Herrmann, Präsident Verein Kornhausforum www.kornhausforum.ch ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


musik

POPMUSIK

«die mittelschicht kennt keine loyalität» Interview von Sarah Elena Schwerzmann mit Rapper Sido (Bild: zVg.) Das «Superintelligente Drogenopfer», kurz SIDO fällt durch grosse Klappe, eiserne Maske und frauenfeindliche Texte auf. Trotzdem, oder gerade deswegen schwimmt der Berliner auf der Erfolgswelle: Das aktuelles Album «Ich» des Rappers hatte bereits nach zwei Tagen Goldstatus erreicht.

Sido, hasst Du Frauen? Sido: Nö. Ich hab nur viel mit Frauen zu tun, für die ich keinen Respekt habe. Die lassen an Konzerten einfach ihre Jungs stehen, um mit mir rumzumachen. Und das stört Dich? In einer Beziehung ist Treue angesagt. Es geht aber nicht nur darum. Diese Frauen verhalten sich nicht wie Frauen. Und wie verhält sich eine Frau? Frauen sollen sich ihrer Rolle bewusst sein und sich nicht wie Männer benehmen. Sie müssen Männer respektieren und Mann sein lassen. Moderne Rollenverteilung ist also nicht dein Ding? Nö, gar nicht. Der Mann geht arbeiten, und die Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder. Du hast einen Track mit Kitty Kat, einer Rapperin, aufgenommen. Wann hast Du gemerkt, dass Frauen mehr draufhaben, als sich für Dich auszuziehen? Das habe ich gecheckt, als ich sie gehört habe. Kitty Kat macht gute Texte, und das ist wichtig. Sie hat eine geile Stimme. Was will man mehr? Du bist in einem der härtesten Viertel Berlins aufgewachsen, das haben wir auf der letzten CD schon gehört. Nun geht es aber auf «Ich» in ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

demselben Ton weiter. Gefällst Du Dir in der Rolle des armen Opfers? Ich fühle mich schon wohl so. Und ich schäme mich halt nicht, dass ich von der Strasse komme. Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf. Immerhin habe ich dort viel fürs Leben gelernt. Und das wäre? Loyalität. Im Viertel haben wir zusammengehalten, egal wie tief wir in der Scheisse sassen. Weil du irgendwann die Scheisse, in der du steckst gar nicht mehr riechst. Nun bin ich aufgestiegen, bin – sagen wir mal – so ein bisschen über dem Mittelstand und merke, dass in der Schicht alle total verklemmt sind. Die Mittelschicht ist eine Ellbogengesellschaft, sie kennt keine Loyalität Auf Deinem letzten Album «Die Maske» hast Du Dir viel Geld gewünscht, jetzt hast Du auf einen Schlag viel verdient, und nun heisst es «Geld bringt nur Probleme»? Ich hab zwar dort gesagt, dass ich Geld haben will. Aber ich habe nicht von so viel gesprochen. Zum Zeitpunkt, als ich die Platte gemacht habe, rechnete ich nicht damit, so erfolgreich zu sein. Ich hätte mir so 20‘000 Euro gewünscht, als Startkapital, und dann hätte ich in einem Jahr 100‘000 mit Drogengeschäften gemacht. In dem Geschäft bist Du also auch heute noch ab und zu tätig. Wie vertickt man denn als Prominenter Drogen, ohne in den Knast zu wandern? Och, ich hab denselben Anwalt wie Stefan Raab. Der regelt das für mich. Was die Anzahl Klagen pro Tag angeht, liege ich aber im Moment noch hinter Stefan auf Platz zwei. Du hast mit dem Bündner Rapper Gimma zu-

sammengearbeitet. Warum hältst Du trotzdem nicht viel von Schweizer Hip-Hop? Gimma macht schon gute Sachen, aber um ehrlich zu sein, hat da einfach das Geld gestimmt. Das Problem bei Euch Schweizern ist, dass Eure Rapper ihren eigenen Stil noch nicht gefunden haben. Dieses ewige Abkopieren von deutschen Hip-HopActs nervt einfach. Das find ich nicht gut. Dafür bist Du aber ein grosser DJ-BoboFan? Aber klar, DJ Bobo war mal einer von uns! Im Ernst: Durch ihn bin ich zum Hip-Hop gekommen. Meine Mutter hat mich auf seine Musik aufmerksam gemacht und gemeint: Hör mal, der singt ja gar nicht, der macht so was anderes. Das wollte ich auch. Kannst Du Dir vorstellen, mit ihm zusammenzuarbeiten? Nein, gar nicht. Ich meine, diese Zeiten sind vorbei. Er ist jetzt der «Pirate of Dance», Mann, das ist was anderes. CD: Sido, «Ich» (Aggro Berlin); weitere Infos, Videos und Downloads unter www. sido.de

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musik

VOLKSMUSIK

lieder voller schwermut und glückseligkeit Von Caroline Ritz - Kud Meya: Volkslieder aus dem Balkangebiet (Bild: zVg.) ■ Der Frost nagt im Auftrag von Herrn Winter immer noch beharrlich an den verbliebenen Grashalmen. Und wer nach heimlichen Winterschläfern sucht, wird sich eingestehen müssen, dass sie ihr Versprechen an die Evolution halten und der Aussenwelt verborgen bleiben. Der Nebel bleibt Herrscher über Himmel und Erde. Verbleichte Geister schliessen sich verstohlen dem Irdischen an und nähren sich vergnügt am menschlichen Seelenkummer und am trüben Weltschmerz. So hält der Januar Einzug, begleitet von einem Heer einstiger Erinnerungen, die das Altjahres-Reich nicht verlassen wollten – mit Ernüchterung und leise geschworenen Vorsätzen im Gepäck, Flüchen und Wünschen als Kompass. Wohl nichts und niemand kann uns diesen Müssiggang ohne jegliche Einbusse abnehmen. Natürlich kann man versuchen, sich mit betörendem Wein und leichtfüssigen Liebesgöttern ein wenig zu trösten. Wem dies zu gefährlich scheint, kann sich in die Arme von Kud Meya retten. Warm und wohlig werden sie die kalte Jahreszeit für einen Abend wegsingen, denn ihre Volkslieder tragen das Geheimnis der Glückseligkeit und Freude in sich. Kud Meya ist ein sechsköpfiges Ensemble, das neben der Musik auch eine tiefe und innige Freundschaft verbindet. Ivan Nestic (Bass, Tambura), Tihana Zubek (Gesang) und Boris Klecic (Gitarre, Tambura) kennen sich schon seit frühen Kindertagen aus einer traditionellen Folklore-Gruppe in Zagreb. Später stiessen der Sänger Zvonko Kompes und der Tambura-Spieler Martin Kljaic zu den Dreien hinzu. Entstanden sind Kud Meya, was so viel heisst wie «grenzgängerische Kulturgesellschaft», im Jahr 1991 in Zagreb. Bald schon gehörten ihnen 18

die grossen Bühnen in Kroatien. Sie spielten vor einflussreichen Politikern und Geschäftsleuten, liessen Hochzeiten zu unvergesslichen und fröhlichen Tanzfesten werden und begeisterten die Zuschauer des kroatischen Fernsehens. Prägend für die Band ist das Gesangsduo Tihana Zubek und Zvonko Kompes – ihre eindrücklichen und aussergewöhnlichen Stimmen lassen die Zuhörer Teil werden von emotionsgeladenen Momenten und vergnüglichen Augenblicken. Der 57-jährige Kompes sang schon vor verschiedenen jugoslawischen und kroatischen Präsidenten wie Tito und dem jetzigen Staatspräsidenten Stjepan Mesic. Tihana Zubek lebt seit 13 Jahren in Deutschland, komponiert und leitet dort mehrere folkloristische Gruppen. 2001 trennten sich ihre die Wege. Ivan Nestic und Boris Klecic kamen für einen Studienaufenthalt in die Schweiz. Boris Klecic studiert an der Swiss Jazz School in Bern und Ivan Nestic unterrichtet als Lehrer am Konservatorium in Freiburg. Ivan kann sich noch gut an das letzte Konzert von Kud Meya in Kroatien erinnern: «Wir waren in den Bergen an einem Fest für wichtige Geschäftsleute. Es wurde so viel getrunken und gespielt, dass wir uns in den frühen Morgenstunden nur noch weinend in den Armen lagen. Wie es sich in Kroatien gehört, feierten und tranken die Geschäftsmänner natürlich ausgiebig mit. Die Talfahrt hinterher war ein wahres Erlebnis: Dem betrunkenen Zvonko war so speiübel, dass er auf die Gefahr hin, sich im Auto zu übergeben, eine Dreiviertelstunde lang den Kopf aus dem Auto halten musste. Er sah so lustig aus – und trotzdem war uns wegen der Bandauflösung zum Heulen zumute. Nun bin ich froh, dass sich unsere Wege wieder gekreuzt haben.» Sie trotzten dem Krieg, der Trauer und dem

Schicksal vieler ihrer Landsleute mit ihren treuen Liedern. Die Verstreuung in die umliegenden Länder liessen die Wiedersehen und gemeinsamen Feste nur noch übermütiger und freudvoller ausfallen. 2006 spielten Kud Meya in Kroatien eine CD mit neuem Repertoire ein. Auf dem Album ist auch ein weiteres neues Mitglied zu hören. Die Rede ist von Mario Batkovic – seit 2005 mit dabei, gefragter Akkordeonist, Komponist und Arrangeur in verschiedensten Formationen. Eine Veröffentlichung mitsamt nachfolgender Tournee in Westeuropa ist für 2007 angesetzt. Auftakt ist am 7. Januar bei bee-flat, mit vorhergehendem Artists-in-Residence-Aufenthalt im PROGR. Es könnte gut sein, dass einige schnittige Besucher nach dem Konzert musiktrunken den Weg zur Bar aufsuchen werden. Wodka wird auf alle Fälle das Gemüt aller Kältescheuen und Neujahrsmuffel wärmen. Und vielleicht sollten auch die Kleinmütigen unter den Anwesenden an diesem Abend ihr Glück mit süffigem Wein und Liebesgöttern versuchen. Die langen Winternächte lassen die Menschen jedenfalls näher zusammenrücken – diesmal ab 21:00 h in der Turnhalle.

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


musik

DIAGONALES BERN/BIEL Be-Jazz Winterfestival

Bild: zVg.

JAZZ

jazz kennt viele sprachen Von Caroline Ritz - Suisse Diagonales Festival 7/11. Januar – 10. Februar 2007 ■ Ein Tessiner und ein Deutschschweizer arbeiten zusammen auf einer Baustelle. Bei der «Znüni-Pause» sagt der Tessiner «come stai», was so viel heisst wie «wie geht‘s».Der Deutschschweizer daraufhin: «Danke, mir geht‘s gut». Im selben Moment fällt dem Deutschschweizer ein Ziegel auf den Kopf. Nach einer halben Stunde wacht der Deutschschweizer aus seiner Bewusstlosigkeit auf und fragt den Tessiner stutzig: «Warum hast du mich denn nicht gewarnt?». Der Tessiner entgegnet perplex: «Hab ig ja sagen komme Stei». Klischee oder Wahrheit? Romands, die sich weigern, Deutsch zu sprechen. Deutschschweizern, denen die legere Arbeitsmoral der Romands kräftig auf den Magen schlägt. Und Tessiner, die ihren Deutschschweizer Kollegen den fallenden Ziegel nicht klar kommunizieren können. Sind das alles bloss Geschichten, die Leute von anderen Leuten gehört haben? Die diese wiederum in Büchern gelesen haben? Gut, das mit dem Kantönligeist hat schon was, und der Röstigraben ist leider kein Menüvorschlag im Restaurant «Le Mazot». Aber, war es nicht schon immer so: Woran Politiker und Parteien öfter scheitern, nämlich an gräbenübergreifender Zusammenarbeit und Kollegialität, dort versucht die Kultur Brücken zu schlagen. Suisse Diagonales Festival heisst die Antwort auf all die Sprachgrenzen der Schweiz. Zehn Musikformationen aus verensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

schiedenen Teilen der Schweiz touren unabhängig voneinander quer durchs Land – um Mentalitäten näher rücken zu lassen, um neue musikalische Impulse mitzubringen und nicht zuletzt, um eine erhöhte überregionale Bekanntheit zu erlangen. Zwanzig Veranstaltungsorte werden zur stationären Durchfahrt für ambitionierte Musiker und Treffpunkt für ein jazzorientiertes Publikum. Hier einige Stationen: St. Gallen, Biel, Freiburg, Genf, Sitten, Basel, Aarau und Chur. Schon 2003 und 2005 entsandte der Verein Suisse Diagonales Festival seine Boten erfolgreich in verschiedenste Gebiete der Schweiz. Die Musiker sind jung und bringen viel künstlerisches Entwicklungspotential mit. Für die Eröffnungskonzerte in Basel, Zürich und Genf konnten die beiden international bekannten Musiker Daniel Humair und Harald Haerter gewonnen werden. Sie werden den Startschuss gebe für die Young Lions der Schweizer Jazz-Szene. Wem dies zu schnell war, kann hier nochmals alles in Ruhe nachlesen: www.diagonales.ch

■ Das Diagonales Festival wird ebenfalls ein Intermezzo am diesjährigen BeJazz Festival einlegen. Einer der Höhepunkte wird sicherlich der Waadländer Yannick Delez sein. Besetzt ist sein Trio eher unkonventionell mit Yannick Delez (Piano), Philippe Ehinger (Bassklarinette) und Stefano Saccon (Saxofon). Delez spielt musikalische Landschaften und Stimmungen in einer enormen Intensität. Seine Musik lässt die Zeit rückwärts laufen, lässt sie bisweilen still stehen. Seine Melodien lassen Quellen versiegen, um sie noch einmal ungestüm entspringen zu lassen. So muss Musik klingen – Zuckerbrot und Peitsche zugleich. Ein klassischer Geist mit dem Spiel eines jungen Jarretts. Es wird der Abend der Trios sein. Wohl nicht mehr ganz so unbekannt in der Deutschschweiz wie Delez ist das Rusconi Trio. Zitat der Jury des Montreux Chysler Awards: «Ein sehr gutes Jazztrio, mit gutem Groove und viel Power, mit kompaktem Zusammenspiel und spannendem Interplay …». Dieser Aussage kann zugestimmt werden. Der aus Zürich stammende Stefan Rusconi (Piano) wird mit Fabian Gisler (Bass) und Claudio Strüby (Schlagzeug) am Festival auftreten. Ein charmantes Trio, das die Besucher mit hoher Musikalität und leisem Humor begeistern wird. Last but not least das Trio Q3 bestehend aus den drei Tessiner Brüder Nolan Quinn (Trompete, Rhoders), Simon Quinn (Bass) und Brian Quinn (Schlagzeug, Vibraphon). Etwas für zapplige und nervöse Beine. Hier kann mit dem Fuss mitgewippt werden, bloss wird man gelegentlich zu wenige Zehen haben um das Tempo mitzuhalten. Nu-Jazz – Drum’n’Bass mit elektronischen Klängen angereichert. Der richtige Act, um einen Tanzabend anzuhängen. (cr) 19. Januar, UPtown auf dem Gurten

Manuel Mengis im St. Gervais ■ In 27 Minuten ist man in Biel und in ca. 7 Minuten in der warmen Stube des Restaurant St. Gervais. Kulinarium und musikalischer Höchstgenuss zugleich wird Manuel Mengis mit Gruppe 6 sein. Der Walliser Trompeter hat sein Debutalbum auf dem renommierten Label HatHut veröffentlicht. Dieses setzt sonst vornehmlich auf bereits international etablierte Künstler wie zum Beispiel Ellery Eskelin, Jim Black, David Murray, Marc Copland, um nur einige zu nennen. Die Qualität seiner Kompositionen spricht für sich. Geballte Energie und kammermusikalische Poesie zugleich. Eine der bemerkenswertesten jungen Bands in der Schweiz. (cr) 25. Januar, Restaurant – Bar St. Gervais, Biel 19


musik

INSOMNIA DIE PFLICHTEN EINES DJ Von Eva Pfirter ■ An meiner ersten schlechten Party hab ich beschlossen, DJ (sorry, ich finde «DJane» einfach ein bekloppter Name! Kommt Euch da auch Jane in den Sinn, die, an einer Liane hängend und bloss mit einem Blätterbikini bekleidet, von Ast zu Ast schwingt?) zu werden. Es gibt diese Typen, die – selbstverliebt und in sich versunken – über die Platten gebeugt im Takt wippen und ihre Musik so hammermegagenial finden, dass sie gar nicht mitbekommen, wenn die Menschenmenge zum Stillstand kommt und gelangweilt Richtung DJ-Pult blickt. Herrgott! DJ’s sind nicht dazu da, sich selber glücklich zu machen, sondern dem Glück suchenden Publikum zu geben, was es wünscht: gute Musik, die sich langsam vom locker-flockigen Intro bis zum Höhepunkt kontinuierlich und geplant steigert; zu einem Höhepunkt, der uns Tanzenden im Idealfall den Schweiss aus den Poren treibt, uns beinah ausflippen und innerlich vor den Göttern des Beats auf die Knie fallen lässt. Wunderbar! Kürzlich war ich an einer solch perfekten Party in der Basler Kaserne. Der DJ war wirklich Herr seiner Platten und hatte ein Konzept im Kopf! Und wir, das tanzhungrige Volk, wurden von ihm gesteuert wie Puppen von einem Puppentheaterspieler. Der Schlussakt war einfach perfekt: Das Licht ging aus und der DJ rief in die totale Dunkelheit hinein «one more last!», bevor er den ersten Ton erklingen liess. Der Song begann langsam und klang nach Reggae, so zum Mitwippen, bis plötzlich der Bass einsetzte und der VJ dazu Flimmerlicht durch den alten Rosstall schickte. Es war der vollkommene Partyschluss: ekstatischer Sound, entrückendes Flimmern und eine tobende Menge, deren Hunger nach seiner Musik noch immer ungestillt war. Aber, ach: Wie selten sind doch diese Parties, die sich anfühlen wie ein vollmundiger Rotwein, eine abgerundete salsa di pomodoro, ein in sich stimmiger Popsong, der «perfekt isch bis am Schluss», um es mit Kuno zu sagen. Selbst die Turnhalle, seit zwei Jahren Mekka für TanznachtHungrige, hat es kurz vor Weihnachten nicht geschafft, eine gute Party zu bieten. Kaum fing das Publikum an zu toben, haben die DJ’s – nota bene: es waren ganze vier davon – das Tempo gedrosselt und das Partyvolk mit gähnend-langsamen R&B-Rhythmen genervt. Es war eine ziemlich traurige Angelegenheit. Deshalb hier mein Aufruf fürs neue Jahr 2007: DJ’s, Ihr habt einen Job, eine Verpflichtung! Gebt uns Freude! Gebt uns schnelle Rhythmen! Gebt uns Nächte, die fernab von Alltag, Pflichten und Gemässigtem stattfinden! Gebt uns musikalische Höhepunkte und perfekte Schlussakte! Denn: «Die letschti Zile hesch du no z‘guet.» Wenn Ihr das nicht hinkriegt, seid Ihr keine DJ’s!

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Grizzly Bear «Yellow House» (Warp / MV) ■ Das Feld des psychedelischen Folk erlebt nicht zuletzt dank der Reaktivierung von Vashti Bunyan sowie jüngeren Bands wie dem fabelhaften Animal Collective eine zarte Renaissance. Die New Yorker Grizzly Bear, nunmehr eine feste Band, schreiben die Geschichte fort und kreieren auf ihrem ersten Warp-Album eine verschüttete und schwer zugängliche Welt. Mit einer Vielzahl an Instrumenten, darunter die charakteristische Autoharp, verschanzte sich das Quartett in einem Haus in der Nähe von Boston, wo sie während einem Monat ihr traumwandlerisches Material zu weitläufigen Liedern von anmutiger Schönheit schichteten und verdichteten. Präparierte Klaviere weisen ins dunkel spukende Hinterzimmer des verfallenen, im Artwork abgebildeten Landhaus; die mehrstimmigen Gesänge wirken zurückgenommen und werden zuweilen von den üppigen, detailreichen Klangteppichen konkurrenziert, nie aber ertränkt. Wenn schliesslich milde Sonnenstrahlen die geheimnisvollen Soundlandschaften durchdringen, entstehen so spielfreudige, geradezu eingängige Songs wie das glänzende «On A Neck, On A Spit», das diesem stetig wachsenden Album die Krone aufsetzt. (bs)

Yo La Tengo – I am not afraid of you and I will beat your ass (Matador Records) ■ Der Name «Yo La Tengo» fiel mir zum ersten Mal richtig auf, als nach dem ersten Stück ihrer neuen CD, einer 10-Minuten-Orgie, Stille eintrat. Ich fiel aus dem 11. Stockwerk in die Tiefe. «Yo La Tengo» ist ein Dreiergespann, welches mit dieser CD (mit diesem unmöglich langen Titel…) sein 20-jähriges Bestehen feiert: Applaus für das Ehepaar Ira Kaplan und Georgia Hubley und den langjährige Bassisten James MacNew. Wenn es eine «Beste Platte für den Anti-Weihnachtsmarkt» gäbe, so wäre dies mein Favorit. Innig und mit einer provokativen Lust an der Musikgeschichte und exzessivem Lärm – aber durchaus stilsicher und salonfähig – servieren uns diese Goldengel 15 Songs. Bei jedem zweiten Stück kontrolliert man, ob noch die gleiche CD im Spieler dreht – mit Überraschungen muss man aber bei jedem Stück rechnen und damit haben sie eines der besten Alben von 2006 produziert. «Yo La Tengo» gibt Kraft und einen unsäglich guten Groove ins neue Jahr. Unbedingt festhalten und reinhören! (vl)

Welcome «Sirs» (FatCat / Namskeio) ■ Welcome aus Seattle spielen maximalen R&B, verquickt mit süssen Bubblegum-Melodien und zwei Prisen Psychedelik. Spielfreude, die Lust an dissonanten Tönen und Spass an selbstgebastelten Effektpedalen prägen den flüchtigen 60ies Entwurf des Quartetts. Songideen werden angespielt und stürzen bald darauf in Feedbackkaskaden ein, die leicht unterkühlte Stimme der Bassistin Jo Claxton kontrastiert den lässigen Optimismus des singenden Gitarristen Pete Brand und kanalisiert den zelebrierten Übermut in zwielichtige Stimmungen. Diese dunklere Seite wird in der zweiten Hälfte des kurzen und kurzweiligen Debüts stärker betont und führt zu zweipoligen Songs wie dem spukig endenden Titellied, das das sinistre mit dem unbändigen, knallbunten Element der Band verbindet. Mit dieser erfrischenden und direkten Veröffentlichung steckt das englische Aussenseiter- und Experimentalpop Label FatCat nach den Lagerfeuern der vielgestaltigen aktuellen Folkgeneration ein weiteres Gebiet ab. Ein Schelm, wer dem Label ein kalkuliertes Aufspringen auf den wie auch immer gearteten Retrozug vorhalten würde. (bs)

Joan as Police Woman – Real Life (Pias / Musikvertrieb) ■ Es gilt als ihr Singer/Songwriter-Debütalbum und es klingt so reif, als hätte Joan Wasser das 10- jährige Jubiläum hinter sich. Aber die eigentlich klassisch ausgebildete Violistin schreibt unsäglich schöne Hymnen und singt diese gleich selber noch besser. Als Violistin haben wir sie auch schon gehört (sie arbeitete mit Rufus Wainwright und Antony & The Johnson, Lou Reed…). Antony steuert bei «I Defy» auch gleich seine unverkennbare Stimme bei – doch er hat keine Chance gegen Joan. Bodenständig verspielt und leicht, aber vor allem präsent und glaubhaft, singt oder haucht Joan uns in die Abendsonne. Der auffallendste Hit der CD ist «Christobel», eingängiger und tief kann kaum ein Song sein. Aber es sind alles kleine Kunstoden zwischen Indi- und Mainstreampop. Dass die Frau Musik nicht nur als Hobby betreibt, wird sofort klar. Und wer Musik sucht, die auch nach einer Produktionswoche in stickigen Redaktionsräumen nicht langweilig ist, wird sich im Sessel räckeln… (vl) ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


musik

ECM listening post

ALTERNATIVE POPMUSIK

wer hat angst vor «pet sounds»? Von Benedikt Sartorius (Bild: zVg.) ■ Die Geschichten in den Popannalen ähneln sich: «Pet Sounds» von den Beach Boys sei das erste Konzeptalbum und habe erst die Voraussetzungen für das Beatles Werk «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band» geschaffen, «Pet Sounds» sei das Album, das erstmals symphonische Grösse in die Popwelt eingeschleust habe, kurz: «Pet Sounds» sei ein unerhörtes Pionier-Album und nach wie vor unerreicht. Es sind genau diese mythengeschwängerten Lobreden, die ein Album erst zum Klassiker machen. Dass die Ernennung zum unverrückbaren Monolithen auch funktioniert, braucht es zudem eine schwierige Geburtsgeschichte und herrschendes Unverständnis in der damaligen Gesellschaft gegenüber visionärer Musik und deren Köpfe dahinter. Perfektionist Das 1966 erschienene «Pet Sounds» erfüllt all dies: Die Platte verkaufte sich speziell in den USA schlecht, da sie mit dem sonnengebräunten Image der einstigen Hitlieferanten brach. Die Plattenfirma Capitol verkannte das sündhaft teuer produzierte Werk, konkurrenzierte die tierischen Laute in einer Friendly-Fire-Aktion mit einer hastig zusammengestellten «Greatest Hits»-Kompilation und sabotierte derart das Werk des damals gerade erst 23-jährigen Brian Wilson, der, während seine Brüder und Cousins auf Tournee waren, perfektionistisch an Arrangements feilte und in Kalifornien wartete, bis die Gesänge eingespielt werden konnten. Der Weg führte für Brian Wilson in den LSD geschwängerten Grössenwahn der legendenumrankten «Smile»-Sessions und in die Depression – der Genie- und Wahnsinn-Topos findet bei Wilson seinen Stereotyp. Was bei all den Anekdoten über eines der vermeintlich «besten» und «wichtigsten» Alben aller Zeiten vergessen geht, ist die Musik. Und «Pet Sounds», das unlängst zum 40. Jubiläum des Albums mitsamt kurligen Werbefilmchen neu aufgelegt wurde, beinhaltet schlicht mehr als die Summe der einzelnen Lieder, wie unoriginell dies nun auch klingen mag. Angefangen beim perlenden Intro von «Wouldn’t It Be Nice» über die Fahrradklingel als ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

Perkussions-Instrument, von der eskapistischen Hawaii-Gitarre im Instrumental «Let’s Go Away For A While» bis hin zum traurigen Schlusspunkt «Caroline No», das mit Hundegebell und einem pfeifenden Zug endet, brilliert und berührt die Suche nach der verlorenen Jugend mit dreidimensional anmutenden Arrangements, melodieseligen Chören und dem seltsamen Widerspruch zwischen melancholischen Texten und sonnigen Harmonien. Universelle Gültigkeit Wie unterschiedlich die so facettenreichen «Pet Sounds»-Lieder von Brian Wilson und seinem Texter Tony Asher interpretiert werden können, zeigt nun die eben erschienene CD «Do It Again: A Tribute To Pet Sounds» (Houston Party Records / RecRec) auf. Dreizehn Projekte, zum grossen Teil noch zu entdecken, versuchen sich an den dreizehn Nummern: Einiges geht schief, insbesondere der Einsatz eines nervenden Vocoders in Vic Chesnutts Version von «You Still Believe In Me», andere wie die Grosskapelle Architecture in Helsinki zeigen mit ihrer blossen Anwesenheit auf, wem sie ihren wundertütenhaften Popentwurf zu verdanken haben. Trostlos mutet die verlorene Interpretation von «God Only Knows» des manisch-depressiven Daniel Johnston an, der von David Bowie auch schon als «Brian Wilson der 80er Jahre» bezeichnet wurde. Gott ist nirgends und weiss nichts mehr, wir sind alle allein: «God Only Knows» ist in Johnstons Version die Umdeutung des wunderbaren Originals in eine emotionale, beklemmende Wüste. Die Interpretation, die alle Lieder überstrahlt, findet sich jedoch zu Beginn: Eine fahrig gespielte akustische Gitarre übernimmt das Intro und mündet in eine berührende Deutung von «Wouldn’t It Be Nice» ein. Die drei Oldham Brothers, unter ihnen Will alias Bonnie Prince Billy, specken das Arrangement konsequent ab und reduzieren das Lied auf seine melancholische Grundierung. «Wouldn’t It Be Nice»: Die Oldham Brothers legen ohne nostalgische Verklärung in dreieinhalb Minuten offen, wie aktuell, ja universell gültig «Pet Sounds» nach wie vor ist.

Von Lukas Vogelsang ■ Die tschechische Sängerin, Schauspielerin und Geigerin Iva Bittová ist uns ein Begriff. Ihre Stimme trägt unverkennbar eine eigene Handschrift, oft für meinen Begriff etwas zu pathetisch und inszeniert. Doch auf «Mater» von Vladimír Godár ist sie eines der bezaubertsten Erlebnisse der letzten Monate. Der Komponist hat eine wunderbare Energie zwischen der Sängerin, dem Chor und den Musikern hergestellt. Überhaupt besitzt diese CD eine mystische und bizzare Schönheit, die nachdenklich stimmt. Vladimír Godár ist Komponist, den man im westlichen Europa noch kaum wahrnimmt – und dies ist sicher auch sprachbedingt. Auf «Mater» wird uns sein musikalisches Spektrum berührend bewusst und den Namen «Godár» werden wir in Stein meisseln. Modern und spannungsgeladen, nachvollziehbar erfrischend, traurig sinnend, überraschend präsent und atmend. Mitunter auch ein Grund, warum das gesamte «Mater-Orchester» zum «Enjoy Jazz 2006», dem 8. Internationalen Festival für Jazz und Anderes in Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen eingeladen wurde (1. Oktober - 11. November 2006). Das Musiklabel ECM hat bei diesen Aufnahmen nur eine bestehende Produktion übernommen. Das ist in den meisten Fällen ein Zeichen, dass ECM in Zukunft selber produzieren wird. Dem Klangstil zufolge würde Vladimír Godár perfekt in die Linie passen und es ist zu hoffen, dass diese Entdeckung bei ECM eine feste Bleibe findet. Aus diesen Aufnahmen, so authentisch und natürlich sie auch klingen, könnte Manfred Eicher noch einiges herausholen. Doch auch so ist dieses «Mater» ein Juwel und die anmutigste Produktion für diesen Winter.

ECM New Series Vladimír Godár – Mater ECM 1985

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ROADMOVIE PRÄSENTIERT

grosses gewinnen ensuite - kulturmagazin verlost 5 Fotobände zum Film «Babel»

FILMSTIMMUNGEN IM SCHWEIZERLAND ■ Der Schweizer Film ist gut. Und er ist erfolgreich. Das hat man überall lesen können. In Solothurn wird es denn auch nicht an guten, erfolgreichen Schweizer Filmen fehlen. Das Problem liegt für einmal eher bei der Qual der Wahl. Doch was eigentlich denkt die Schweizer Bevölkerung über den Schweizer Film? Was denken die Leute auf dem Land? Roadmovie fährt jedes Jahr mit Original-Kinotechnik über die Schweizer Landstrassen. In Jussy in Genf oder in Rüti in Glarus, in Torricella im Tessin oder in Sax im St. Galler Rheintal – Roadmovie macht Kino dort, wo keine Kinosäle sind: Aktuelles Schweizer Filmschaffen soll in der ganzen Schweiz bekannt werden, das ist das Ziel von Roadmovie. Auf den dreissig Stationen der letztjährigen Tournee hat das mobile Kino Stimmen und Stimmungen zum Schweizer Film eingefangen. Zum fünfjährigen Jubiläum des Kinoprojekts werden diese in Solothurn präsentiert. Für die Solothurner Filmtage bringt Roadmovie die ganze Schweiz in die Filmstadt: Erinnerungsstücke von der Tournee und Leihgaben aus den besuchten Ortschaften verwandeln die Freitagsgalerie an der Kreuzgasse in ein kleines Stück Schweizerland, Tourneewein und Spezialitäten aus der ganzen Schweiz vermitteln ländliche Geselligkeit. Braucht es den Schweizer Film? Und welche Filme sind noch nicht gedreht? Die Stimmen zum Schweizer Film überraschen: jung und alt, deutsch, französisch, italienisch und rumantsch – so vielfältig wie die Sprachen und Dialekte, so unterschiedlich wie die Gesichter und Charaktere sind auch die Meinungen zum Schweizer Film. Freitagsgalerie, Kreuzgasse 5, 4500 Solothurn Di, 23. Januar bis So, 28. Januar, jeweils ab 16:00 h bis in die späten Nachtstunden. www.roadmovie.ch Über das mobile Kino Roadmovie wurde im ensuite - kulturmagazin Nr. 46 vom Oktober 2006 ausführlich berichtet.

Sie wissen nicht wohin? abo@ensuite.ch 22

■ Das Buch wiegt 2.5 Kilo und bringt auf ganzen 304 Seiten Hintergründiges und vor allem Bildliches zum Film «Babel» von Alejandro González Iñárritu - definitiv keine WC-Lecktüre. So sehen wir viele Schauplätze mehr als im Film und entdecken Geheimnisse und Persönlichkeiten, welche die Dimension des Filmes um Geschichten erweitert. Die Fotografen: Mary Ellen Mark, Patrick Bard, Graciela Iturbide und Miguel Rio Branco. Der Taschen-Verlag hat dieses Schwergewicht produziert und da der Regisseur Kulturstatus hat, der Buchverlag ebenfalls Kult ist, sind wir stolz, gleich 5 Exemplare davon verschenken zu können! Mehr zum Film lesen Sie auf der gegenüberliegenden Seite. Infos: www.taschen.com www.babel-derfilm.de Die ersten zwei Ziehungen erhalten zusätzlich den Soundtrack zum Film mit dem Buch zusammen! Wir werden unter all den eingesendeten Rückantworten die GewinnerInnen ziehen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen! Die GewinnerInnen

werden schriftlich per Post benachrichtigt. Mitmachen und gewinnen: Senden Sie uns eine Postkarte mit dem Stichwort «BABEL» und ihrer vollständigen Absenderadresse bis zum 25. Januar 2007 an: ensuite - kulturmagazin Leserdienst - BABEL Sandrainstrasse 3 3007 Bern

song & dance men ■ Der Musikfilmzyklus «Song & Dance Men» präsentiert sechs Filme, die die Vielfalt einer zersplitterten, undefinierbaren Popkultur aufzeigen. Die Filmauswahl versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte innerhalb der popmusikalischen Genres und über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte Musikjournalisten führen die in der Schweiz kaum je gezeigten Filme ein. Gezeigt werden unter anderem «The Devil and Daniel Johnston», «The Fearless Freaks» (The Flaming Lips) und «24 Hour Party People». Bob Dylan zählt auch nach vierzig Jahren Karriere zu den wichtigsten Figuren der Popkultur. Der von Martin Scorsese grossartig montierte Film «No Direction Home» zeichnet die Karriereanfänge Dylans nach und stellt ein packendes Zeitdokument über die 60er Jahre dar. 31. Januar 2007

No Direction Home – Bob Dylan Regie: Martin Scorsese 2005; DVD, OV mit D Untertiteln Cinématte, 19:30 h Mit einer Einführung von Jean-Martin Büttner (Tages Anzeiger) ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


cinéma

FILM

babel Von Sonja Wenger (Bild: zVg.) ■ Nach dem Erfolg von «Amores Perros» und dem Psychodrama «21 Gramm» hat der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu mit «Babel» nun eine Trilogie vollendet, das sich zu einem «filmischen Gesamtkunstwerk über Zufall und Schicksal, Ursache und Wirkung, Schuld und Sühne» verbindet. Während es bei den ersten beiden Filmen um die Verflechtung verschiedener Milieus und der Verstrickung des Schicksals dreier Personen ging, zeigt «Babel» anhand einer einzelnen, eher beiläufigen Handlung, welche weitreichenden Konsequenzen unser Tun haben kann. Geradezu sinnbildlich für das globale Dorf sind die Schicksale einzelner Personen auf drei Kontinenten, aus drei unterschiedlichsten Kulturen und Motivationen in «Babel» miteinander verwoben. Ein japanischer Geschäftsmann aus Tokio schenkt einem marokkanischen Jagdführer sein Gewehr. Zwei marrokanische Jungen schiessen damit in der Wüste aus Gedankenlosigkeit auf einen Touristenbus. Dabei wird eine Amerikanerin schwer verletzt. Weit weg von jeder medizinischen Versorgung versucht ihr Ehemann verzweifelt ihr Leben zu retten. Während die internationalen Medien das Ereignis zu einem terroristischen Überfall aufbauschen, sitzt Amelia, das Kindermädchen des Paares zuhause in San Diego in der Patsche, weil sie keinen Ersatzbabysitter für die Kleinen findet. Kurzerhand und unerlaubt nimmt sie diese deshalb mit nach Mexiko zur Hochzeit ihres Sohnes. Doch die Rückfahrt spät nachts wird zum Horrortrip, weil ihr betrunkener Neffe nicht nur die US-amerikanische Grenze durchbricht, sondern alle drei auch noch mitten in der Wüste aussetzt. Gleichzeitig fordert die taubstumme Tochter des japanischen Geschäftsmannes, dass man sie um ihrer selbst ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

willen beachtet und liebt, da ihr aber die Sprache und die Worte dazu fehlen, benutzt sie statt dessen ihren Körper. Der Filmtitel «Babel» erinnert nicht von ungefähr an jene biblische Geschichte, bei der Gott allen Menschen verschiedene Sprachen gab und sie mit dem entstandenen Kommunikationschaos strafen wollte. Denn genau um das Unvermögen der Menschen sinnlose Missverständnisse zu vermeiden, geht es dem Regisseur. So sind Eifersucht und brüderliche Hahnenkämpfe, die Unfähigkeit, den Tod der Mutter, der Ehefrau oder des Kindes gemeinsam zu verarbeiten, physische und seelische Sprachlosigkeit zwischen einem Ehepaar oder zwischen Eltern und Kindern, Gedankenlosigkeit in der Wortwahl, falsches Verhalten in einer Stresssituation, Eigennutz des Individuums und Rücksichtslosigkeit der Behörden alles nur Teilaspekte jener Probleme, die in unserer kommunikationssüchtigen Welt bestehen und deshalb die Grundlage von «Babel» bilden. Jeder kämpft in seinem eigenen kleinen Kosmos gegen die Einsamkeit, die Isolation nicht nur in der Gesellschaft, der Wüste, oder der Grossstadt, sondern auch innerhalb der eigenen Familie. Wer den Film mit konventionellen Erwartungen oder dem Wunsch nach Kurzweiligkeit betrachtet, wird wohl unweigerlich enttäuscht werden. Vielmehr ist «Babel» ein Film mit höchster stilistischer und handwerklicher Qualität. Jedes Detail – von der Wahl der Instrumente der Filmmusik bis zum Farbspektrum der Bilder – dient der visuellen Unterscheidung und der gleichzeitigen Überbrückung der kulturellen und geografischen Gegensätze. Der Film ist auch kein Starvehikel, denn neben den internationalen Stars wie Cate Blanchett, Brad Pitt,

Mexikos Gael García Bernal und Japans Kôji Yakusho, spielen in «Babel» vor allem lokale Laiendarsteller, was dem Film eine grosse Natürlichkeit verleiht. Und nicht zuletzt spricht der Regisseur jene Sprache des Symbolismus, die im mexikanischen Kino meisterlich eingesetzt wird, und so gar nichts mit den mitteleuropäischen Sehgewohnheiten zu tun hat. So wird zum Beispiel die Chronologie der Geschichten durchaus eingehalten, aber auch immer wieder in den unmöglichsten Momenten durchbrochen. Dem Verlangen des Zuschauers nach Kontinuität ist zwar stattgegeben, doch der Wunsch nach Verweilen in einem emotionalen Moment wird mutig ignoriert. Und so wie sich beim Publikum die Hilflosigkeit des Vorherahnens staut, brechen am Ende auch bei den Charakteren die Gefühle hervor, ergiessen sich in kleinen Gesten oder tränenreichen Momenten grandioser schauspielerischer Präsenz. Wie im wahren Leben realisieren auch die Protagonisten zum Teil erst im Angesicht von Tragödien oder dem möglichen Verlust des Vertrauten, was ihnen wirklich wichtig ist. Diese erlösenden Momente, die in «Babel» zelebriert werden, machen den Film zu jenem speziellen Erlebnis, das bereits seit Monaten angekündigt wurde. Und es ist ein faszinierendes Talent des Regisseurs Iñárritu, dass er dies mit Bildern zustande bringt, wie sie sonst nur in der Realität zu finden sind. Der Film dauert 144 Minuten und kommt am 11. Januar in die Kinos.

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FILM

das leben als eine einzige lange inszenierung Von Sarah Stähli (Bild: zVg.) ■ «Robert Wilson ist nie zufrieden. Nicht mit sich selbst, nicht mit seiner Arbeit, er ist mit nichts zufrieden. Er will immer noch mehr und mehr für immer und ewig.» So beschreibt eine Schauspielerin Wilson und bringt damit den Charakter des amerikanischen Theaterregisseurs auf den Punkt. Er ist ein pedantischer Perfektionist, ein Workaholic, ein autistisches Kind und ein sensibler Menschenfreund mit einer grossen künstlerischen Vision. Der Dokumentarfilm «Absolute Wilson» von Katharina Otto-Bernstein porträtiert den 1941 geborenen Künstler auf seinem Werdegang vom schwulen Aussenseiter im erzkonservativen Texas zum Vorzeige-Avantgarderegisseur der New Yorker Kunstszene. In Archivaufnahmen und Interviews zeichnet Bernstein in ihrem leider ziemlich konventionell inszenierten Film die wichtigsten Stationen von Wilsons Schaffen nach. Nebenbei erhält der Zuschauer einen kurzen Abriss amerikanischer Zeitgeschichte und bekommt den unterschiedlichen Stellenwert unabhängiger Kunst in Europa und den USA mit. Guru und Tyrann Wilson ist meistens zugleich Autor, Bühnenbildner und Regisseur seiner Inszenierungen, die von formaler Strenge und Minimalismus geprägt sind. Er lotet mit seinen Inszenierungen oft Grenzen aus; eine Performance, die er im Iran durchführte, dauerte sieben Tage ohne Pause. Im Film wird er von beteiligten Schauspielern als Choreograf bezeichnet. Ein Choreograf, der auch tyrannische Züge annehmen kann, wie in den Probeaufnahmen sichtbar wird. In einer Szene bewegt er die Arme der Schauspielerin Isabelle Huppert, als seien es die einer leblosen Holzpuppe. Manche der Interviewten vergöttern ihn wie einen Guru – von einigen langjährigen Ensemble24

mitgliedern trennte er sich aus diesem Grund auch – andere beklagen sich über die unmenschlichen Anforderungen an sein Team. Seinen Durchbruch erfuhr Wilson mit seiner von Philipp Glass komponierten Oper «Einstein on the Beach», mit Glass folgten weitere wichtige Inszenierungen, ebenso mit Lou Reed und Tom Waits. «The Black Rider» mit der Musik von Waits und einem Libretto des Beatpoeten William S. Burroughs ist wahrscheinlich seine erfolgreichste Arbeit. Andersartig Das Interessanteste an Wilson ist seine Vorliebe für das »Andersartige». Selber ein schwer stotterndes Kind, besitzt er eine grosse Faszination und ein tiefes Verständnis für Kinder und Jugendliche mit psychischen Störungen und arbeitet in seinen Theaterinszenierungen immer wieder erfolgreich mit hyperaktiven und konzentrationsgestörten Kindern zusammen. Die schönste Zusammenarbeit entsteht mit dem tauben und gehirngeschädigten Christopher Knowles. Knowles schreibt dadaistische Texte, dargestellt in geometrischen Zeichnungen. Wilson findet in ihm einen Seelenverwandten. Er fühle sich niemandem so nahe wie Christopher Knowles, meint er und weist die Einwände, er missbrauche den behinderten Jungen für seine Arbeit, vehement von sich. Zu Recht, denn die beiden inspirieren sich gegenseitig und das höchst poetische Resultat liegt fern jeglicher Beschäftigungstherapie. Das Falsche tun Trotz seinen teils schwer zugänglichen Konzepten und künstlerisch vertrackten Ausführungen zeigt Wilson im Gespräch keinerlei Allüren. Er spricht verständlich und bescheiden von seinem Werk und wird von kleinen Anekdoten mehrmals zu Tränen gerührt. Ständig auf der Suche nach Neuem, beschreibt er seinen

unermüdlichen Arbeitsdrang im Interview treffend: «Jede neue Arbeit ist eine Freikarte für die nächste» und sieht die Aufgabe eines Künstlers darin, «Fragen zu stellen und nicht Antworten zu geben.» In allem sieht er Inspiration für seine Arbeit. Als er als Jugendlicher nach einem Selbstmordversuch einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik verbringen muss, spricht er lediglich von der Ästhetik des Ortes, die ihn so beeindruckt habe, dass er sie später in seine Inszenierungen eingebaut hat. «Manchmal sagst du zu dir selber, was sollte ich als nächstes tun? Du versuchst, das Richtige zu tun, aber vielleicht sollten wir viel eher denken, was wäre das Falsche, was sollte ich nicht tun? Und dann genau dies tun.»

«Absolute Wilson» Vorführungen: Sa, 3.2., 20:30 h So, 4.2., 13:30 h Mo, 5.2., 20:30 h / mit einer Einführung von Leonie Stein, Studiengangsleiterin Theater, HKB Bern Di, 6.2., 18:00 h / mit einer Einführung von Gerald Siegmund, Professor für Theaterwissenschaften, ITW Bern Sa, 10.2., 18:00 h So, 11.2., 16:00 h Mo, 19.2., 20:30 h Di, 20.2., 18:30 h So, 25.2., 11:00 h Kino Kunstmuseum, Hodlerstrasse 8 www.robertwilson.com www.kinokunstmuseum.ch ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


cinéma

TRATSCHUNDLABER von Sonja Wenger

FILM

red road Von Sonja Wenger (Bild: zVg.) ■ Bis zu 300-mal täglich werden Briten und Britinnen von Überwachungskameras gefilmt. Diese werden als CCTV bezeichnet, und die Überwachung der Öffentlichkeit ist eine der boomendsten Branchen des Landes. Natürlich muss CCTV nicht immer nur schlecht sein, denn die Kameras helfen unter anderem auch Verbrechen zu verhindern, Täter zu finden und damit die Bevölkerung zu schützen. Trotzdem ist diese Kontrollmanie des britischen Staates für Mitteleuropäer – noch immer – befremdlich. Die Regisseurin und Drehbuchautorin Andrea Arnold setzt sich mit ihrem Spielfilmdebüt «Red Road» mit den Menschen auseinander, die beobachten und kontrollieren, was die Kameras in jedem Winkel ohne Unterbruch aufzeichnen. Und welche Folgen das Wissen und der Zugang zu intimen Details der Mitmenschen haben kann. Jackie (Katie Dickie) arbeitet als Sicherheitsangestellte der städtischen Videoüberwachung von Glasgow. Bereits in den ersten Minuten erfährt das Publikum ohne grosse Worte viele Details über Jackies Arbeits- und Sexleben, ihr soziales Umfeld und ihre Familie. Eigentlich ist nichts Spannendes dabei, ihr Alltag scheint geprägt von einem unvermeidlichen Voyeurismus, Desillusion, grauer Tristesse und irgendeinem unverarbeiteten Schmerz aus der Vergangenheit. Doch genau das öffnet die Pforten zu einem beständig wachsenden Gefühl der unterschwelligen Bedrohung, aber auch der unbändigen Neugierde. Denn eines Tages sieht Jackie auf dem Monitor das Gesicht von Clyde (Tony Curran), einem Mann von dem sie glaubte, dass er im Gefängnis sei. Von diesem Moment an verfolgt Jackie ihn bis hin zu jener Konsequenz, dass sie ihre Arbeit vernachlässigt. Sie versucht ihn zu diskreditieren, scheint aber gleichzeitig magisch von ihm angezoensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

gen zu werden. Die Spannung spitzt sich stetig zu, denn Jackie geht Risiken ein und exponiert sich gegenüber Clyde auf eine überaus irritierende Weise. Jede Information und Auflösung trägt in sich zwei neue Fragen, aber das, was man bereits zu wissen glaubt, wird konstant durch die Motivation und das Verhalten der Charaktere in Frage gestellt. Unendlich langsam nur entblättert sich die Vergangenheit und das Geschehene. Es passiert nur wenig, manche Dialoge wirken fast schon störend und das Fehlen einer untermalenden Hintergrundmusik tut das ihrige, dem Film einen schmerzhaft realistischen Zug zu verleihen. Je weniger man als Zuschauer über die Geschichte weiss, desto besser und umso stärker wird die Überraschung über die emotional eindringliche Auflösung am Ende nachklingen. Die Leistung der Schauspieler schafft eine Nähe und Intensität zu der Geschichte, die das Publikum direkt am Fortgang der Geschichte beteiligt, denn die Wendungen und Überraschungen basieren immer auch auf den Klischees und Vorurteilen in unseren eigenen Köpfen. Zudem fängt die Kamera jene reale Kälte, Isolation, Auswegs- und manchmal auch Hoffnungslosigkeit des schottischen Arbeitermilieus ohne Zwischenfilter ein. «Red Road» wendet sich an ein erwachsenes, intelligentes Publikum, das keine Angst vor den Widersprüchlichkeiten menschlicher Handlungsweisen hat. Ein früherer Kurzfilm der Regisseurin wurde von der «Times» als ein «düsteres Juwel» bezeichnet. Entsprechend könnte man RED ROAD ein «beklemmendes Juwel» nennen, das zu Recht den Preis der Jury beim Filmfestival Cannes 2006 gewonnen hat. Der Film dauert 113 Minuten und kommt am 4. Januar in die Kinos.

■ Ich weiss, Halleluja, Weihnachten ist vorbei, die heilige Zeit der pathetischen Rückblicke und prophetischer Ausblicke, aber ich muss einfach: Es war Freitag, der 22. Dezember, die Kinderlein sangen, die Kassen klangen, da fand sich in «Heute» ein Bild von Viktoria Beckham mit dem Titel: «Neue Kugeln für den Weihnachtsbaum? Dient ihr BH als Einkaufskorb oder war sie wieder mal beim Chirurgen.» Wow! Ich meine...wow! Überall finden sich solche journalistischen Perlen. Man greife sich irgendein beliebiges Heft eines beliebigen Tages und ohne jeglichen Zweifel findet sich so sicher wie die nächste Ausgabe am Kiosk darin Atemberaubendes. Beweise? Nach Spanien und Brasilien wird nun auch Italien die Festlegung einer Untergrenze des BodyMass-Index für Laufstegmodells einführen. Und Armani meinte dazu: «Ich nehme nur gesunde Mädchen». Klar. Noch strengere Sitten herrschen in anderen Ländern. So steht der Chef des indonesischen «Playboy» wegen Veröffentlichung «unanständiger Fotos» vor Gericht. Unter anderem, weil die Models für Unterwäsche einen «einladenden Gesichtsausdruck» hatten. Über deren Body-Mass-Index lagen allerdings keine Informationen vor. Apropos Wäsche: Nach dem Hochzeitsfetzen von Viktor & Rolf erreichte uns eine weitere Horrormeldung aus dem Tummelfeld der Massenanfertigung. Madonna macht, weil sie so «ein sicheres Gespür für Trends hat», nochmals Mode für H&M. Die Linie soll «zeitlos, einzigartig und glamourös wie ihre Schöpferin sein». Und wenn wir schon bei zeitloser Wäsche sind: Die «Schweizer Illustrierte» präsentierte eine Hommage an die ehemalige, in Unehren zurückgetretene Bundesrätin Elisabeth Kopp. Zu ihrem Siebzigsten. Laut «Heute» bereut sie ihr Vorgehen nicht. Allerdings würde sie in der gleichen Situation «heute nicht mehr zurücktreten» - sprich nachdem sie ihren Mann über ein drohendes Verfahren wegen Geldwäscherei informiert hatte. Lizzie! Please! Das müsstest du auch nicht mehr. Wir leben in der Welt eines George Dabbelju Bush und Silvio Berlusconi. Korruption gehört zum guten Ton. Und wenn du mal nicht weisst, was tun: Italiens ehemaliger Premierminister will dem Land «ein Geschenk» machen, um «etwas Bleibendes zu hinterlassen». Nämlich will er eine europäische Universität gründen, um eine neue politische Elite zu formen. Als Fächer stehen dann zur Auswahl Nepotismus, Spinning, Korruption, Manipulation, Missmanagement der öffentlichen und Weisswaschung der eigenen Gelder. Und als fachkundige Dozenten fänden sich so illustre Namen wie George Bush Senior, Bill Clinton und Michail Gorbatschow. 25


das andere kino

www.cinematte.ch / Telefon 031 312 4546

■ Robert de Niro Nach dem Tod des Paten übernimmt sein Sohn Michael (Al Pacino) in Godfather 2 die Familiengeschäfte. Neben dem Aufstieg von Michael Corleone schildert der Film die Jugendjahre von Vito (Robert de Niro) in seinem Heimatdorf Corleone, dessen Flucht vor der Mafia nach New York und den Anfang seiner «Karriere» als Pate. In Godfather 3 wird der letzte Abschnitt im Leben von Michael Corleone und der Zerfall seines Machtimperiums gezeigt. 1980 wurde de Niro für die Darstellung des Boxers Jake de la Motta in Raging Bull mit dem Oscar ausgezeichnet. Oscarwürdig wäre auch de Niros Nebenrolle in Tarantinos Jackie Brown gewesen. Zum Abschluss unserer John Huston Reihe zeigen wir den 1948 entstandenen The treasure of the Sierra Madre mit Walter Huston und Humphrey Bogart in den Hauptrollen sowie Moulin Rouge aus dem Jahr 1952. Anlässlich des Todes von Robert Altman präsentieren wir eine kleine Hommage an den kritischen und eigensinnigen Regisseur und Produzenten. In seiner 55-jährigen Laufbahn drehte er 86 Filme, produzierte 39 und schrieb 37 Drehbücher. Er galt als Erneuerer des amerikanischen Kinos und als einer der bedeutendsten Vertreter einer Anti-HollywoodÄsthetik. Trotz seiner Hollywoodkritik wurde er 1970 mit der schwarzen Militärkomödie M*A*S*H über Nacht berühmt. Durch Filme wie Short Cuts, den er als seinen besten bezeichnete, dem Western McCabe & Mrs. Miller, The Long Goodbye und Nashville bewies Altman sein Talent, seinen präzisen Blick und sein aussergewöhnliches Gespür. Ein Wiedersehen mit Mogli, Balu und Baghira: Das Dschungelbuch wurde unter anderem als Meisterwerk, Klassiker, Filmlegende und als Filmspass der Superlative bezeichnet. Vor allem aber ist das Dschungelbuch ein Phänomen, das es versteht, jede Generation wieder aufs Neue zu begeistern. Der Musikfilmzyklus «Song & Dance Men» präsentiert sechs Filme, die die Vielfalt einer zersplitterten, undefinierbaren Popkultur aufzeigen. Die Filmauswahl versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte innerhalb der popmusikalischen Genres und über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte Musikjournalisten führen die in der Schweiz kaum je gezeigten Filme ein. Im Januar zeigen wir Martin Scorseses «No direction home» über Bob Dylan. 26

www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05

■ SHOOTING DOGS (Von Michael Caton-Jones, GB 2006, 114’, E/d/f, Spielfilm) Für Pater Michael Thomas und seinen jungen Lehrerkollegen Joe Connor scheint die Ermordung des Präsidenten von Ruanda am 6. April 1994 nur ein weiterer kleiner Aufruhr im turbulenten Afrika zu sein. Aber innerhalb nur weniger Stunden überschlagen sich die Ereignisse, in deren Folge unzählige Tutsi von den Hutus brutal abgeschlachtet werden. Mittendrin befindet sich eine kleine Missionsschule, in der die Blauhelmsoldaten der UN untergebracht sind. Sie wird zum letzten Zufluchtsort für Flüchtlinge, die verzweifelt versuchen dem Massaker zu entkommen. Unterdessen warten draussen die Mörder. Der Film beruht auf wahren Begebenheiten. David Belton, ein Produzent von SHOOTING DOGS, ist auch Co-Autor der Originalgeschichte des Films, die auf seinen eigenen Erlebnissen in Ruanda baut. (ab 18.1.) DER KICK (Von Andres Veiel, Deutschland 2006, 82’, D, Dokumentarfilm) In der Nacht zum 13. Juli 2002 misshandeln die Brüder Marco und Marcel Schönfeld und ihr Freund Sebastian Fink den 16-jährigen Marinus Schöberl. Täter und Opfer kennen sich. Die Täter schlagen auf ihr Opfer über Stunden hinweg ein. In einem Schweinestall muss Marinus in die Kante eines Futtertrogs beißen. Er wird nach dem Vorbild des Bordsteinkicks aus dem Film American History X hingerichtet. Marcel springt auf den Hinterkopf seines Opfers. Die Täter vergraben die Leiche in einer Jauchegrube. Später werden die Überreste von Marinus Schöberl gefunden. Über mehre Monate haben sich Andres Veiel und Gesine Schmidt auf Spurensuche in Potzlow begeben. Die Gespräche mit den Tätern, mit Dorfbewohnern, mit Angehörigen und Freunden von Tätern und Opfer verdichteten sie zusammen mit Akten, Plädoyers und Verhörprotokollen zu einem filmischen Protokoll für zwei Schauspieler. Der Kick versucht, den Strukturen und Biografien hinter der Tat eine Sprache zu geben. «Es geht darum», sagt Andres Veiel, «über das Entsetzen hinaus Fragen zuzulassen, Brüche auszuhalten und einen Bruchteil zu verstehen.» (ab 18.1.)

www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99

■ Das neue Kinojahr beginnt mit einer Berner Kinopremiere, zeigt mit Best of Bern ausgezeichnetes Berner Filmschaffen, widmet einem Grossen des Kinos eine Filmreihe und macht einen Abstecher in die Welt der Neuen Musik. KUNST UND FILM 1: Gustav Klimt Der Maler erinnert sich auf dem Totenbett noch einmal an prägende Momente seines Lebens. An die Arbeit in seinem Atelier, Besuche im Café Central, die Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 sowie an Begegnungen mit einer Vielzahl von Frauen, die wie Chimären auftauchen: die geheimnisvolle Tänzerin Lea, Mizzi, die Mutter seiner unehelichen Kinder, die Mäzenin Serena Lederer oder die vertraute Kunstkritikerin Berta Zuckerkandl. Mit Veronica Ferres und John Malkovich. Klimt: Raoúl Ruiz, D/Aut/GB/F 2006). 6.1. bis 4.2. BEST OF BERN – Auswahl kantonaler Filmpreis ’06 Gezeigt werden Filmarbeiten, die letztes Jahr für den kantonalen Filmpreis eingereicht wurden und in die engere Wahl gekommen sind: 113 von Jason Brandenberg, Aschenbrüder von Steve Walker und Markus Heiniger, Meerdolen von Peter Guyer, Männer am Meer von Reto Caffi, Hippie Massala von Ulrich Grossenbacher und Damaris Lüthi, Rashedas Trust von Jürg Neuenschwander und Sweeping Addis von Corinne Kuenzli. 7. bis 30.1. JOHN HOUSTON – Hommage zum 100. Geburtstag Er zählt zu den Grossen des amerikanischen Kinos. Unsere Geburtstags-Hommage zeigt eine kleine Auswahl aus seinen fast 50 Filmen, von seinem Erstling The Maltese Falcon über The African Queen bis zum Vermächtnis The Dead. Zudem gibt es ein Wiedersehen mit The Asphalt Jungle und Key Largo als Reeditionen mit neuen Kopien. 13.1. bis 20.2. MUSIK UND FILM: Arvo Pärth – 24 Preludes for a Fugue Arvo Pärt, einer der international bedeutendsten Vertreter der Neuen Musik, war im Dezember für drei Konzerte in Bern. Nun zeigt das Kino Kunstmuseum ein filmisches Portrait über den eigenwilligen estnischen Komponisten. 14. bis 28.1. Ausserdem KUNST UND FILM 2 (Six Feet Under) Harold an Maude: Hal Ashby, (USA 1971). 6. bis 9.1. ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


Für das Tagesprogramm die Tageszeitung oder das Internet www.bernerkino.ch

K IN O i n

d e r

R e i t s c h u l e

www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69

■ Anfangs Januar rund um das WEF dreht sich im Kino in der Reitschule alles um die Globalisierung. Konkret geht es heuer um die Ernährung. Welche Auswirkungen hat eine Landwirtschaft, die immer mehr von riesigen Firmen mit industriellen Methoden betrieben wird auf die Lebensgrundlage der Weltbevölkerung? Am 12. Januar wird im Kino über das internationale Agrobusiness, das in grossem Masse für die weltweite ökologische Zerstörung verantwortlich ist, und über das Konzept der Ernährungssouveränität diskutiert. Die Filme Europas neue Sklaven, Struggle (4.-6.1.) und We Feed the World (13.1.) erzählen u. a. von Menschen, die aus Armut ihre Heimatländer verlassen müssen und in Europa und USA von den gewinnorientierten, habgierigen Gesellschaften bis aufs Blut ausgebeutet werden. Die Begegnungen der Menschen aus dem Osten, dem Süden mit denjenigen aus dem Westen zeigen aber auch die emotionalen Nöte unserer Gesellschaften auf. Seit September - mit zunehmendem Erfolg - macht die Gruppe UNCUT – warme Filme am Donnerstag lesbisch-schwules Kino. Im Januar mit Loggerheads, von Tim Kirkman über einen HIVpositiven Herumtreiber und mit Chutney Popcorn von Nisha Ganatra, einer charmanten Komödie zweier lesbischer Schwestern, die gerne Mutter werden möchten. Das Festival Brasil Plural, seit neun Jahren in Deutschland zu sehen, kommt dieses Jahr auch in die Schweiz, ins Lichtspiel (Kurzfilme) und in das Kino in der Reitschule (Dok- und Spielfilme).Sommer, Hitze, Wasser bringt uns Der fabelhafte Fábio, der grösste Surfer Brasiliens aller Zeiten (19.1.) mit in die Schweiz. Mit Der Blick von aussen werden wir mit den Klischees und den Vorstellungen konfrontiert, die sich die Welt über Brasilien macht (20.1.). Am 26.1. versucht die Protagonistin Nina in einer entmenschlichten Welt zu überleben, was auch Carula eine «einfach gestrickte Frau» aus dem Hinterland Brasiliens in Verflixtes Fleisch (27.1.) versucht: Ihr grosser Traum ist es, sich zu verheiraten und dafür tut sie alles.

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

LICHTSPIEL www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05

■ Das ganze Jahr hindurch überrascht das Lichtspiel sein Publikum jeden Sonntagabend mit einem Programm aus dem hauseigenen Archiv, in dem sich vorwiegend Vorprogramme aus alten Zeiten, Musikclips, Werbungen, Dokumentarfilme und Wochenschauen, jedoch auch spannende Amateurfilme finden, die jede Rolle zu einem einmaligen Erlebnis machen. (So 20:00 h) Mit dem «sortie du labo»-Programm, welches das Lichtspiel gemeinsam mit der Cinémathèque suisse und MEMORIAV monatlich veranstaltet, können frisch restaurierte Filme (wieder)entdeckt werden. Mit Rapt (1933) von Dimitri Kirsanoff ist einer der originellsten Beiträge aus den ersten fünf Jahrzehnten des Schweizer Films zu sehen, was insbesondere der künstlerischen Zusammenarbeit des Regisseurs mit Ramuz sowie den beiden Komponisten Hoérée und Honegger zuzuschreiben ist: Alles trennt die Berner Oberländer Hirten von den Einwohnern des Walliser Dorfes Cheyseron: ihre Sprache und ihre Sitten, ihr Lebensstandard, ihre Religion und ein Berg. Auf der Berner Seite tötet Hans, verlobt mit der verführerischen Elsi, den Hund des Walliser Hirten Firmin mit einem Steinwurf. Dieser rächt sich, indem er Elsi gewaltsam entführt und in Cheyseron gefangen hält. Die Romanverfilmung nach «La séparation des races» von Ramuz arbeitet mit einem suggestiven Stil, der sich an der Stummfilmästhetik orientiert. So kommt der Film mit wenigen Dialogen aus, die dem expressiven Spiel der Darsteller den Vorrang lassen. (Mo 8.1., 20:00 h) Brasil Plural, das Festival für brasilianische Kurz-, Spiel- und Dokumentarfilme ist bereits zum dritten Mal mit den zwei Kurzfilmprogrammen im Lichtspiel zu Gast. Die Filme von vorwiegend jungen KünstlerInnen beeindrucken durch eine schwer umfassende Eigenart mit landestypischer Verpackung, jedoch auch durch Details und Ausschmückungen, die auf regionale Eigenheiten verweisen und tief in der Geschichte des Landes verankert sind. (Di 16.1.: Kurzfilmschau 1, Di 23.1: Kurzfilmschau 2, jeweils 20:00 h). Dokumentarund Spielfilme von Brasil Plural werden im Kino Reitschule gezeigt.

www.pasquart.ch / Telefon 032 322 71 01

■ Mit Writers, den teils sehr abenteuerlichen und schillernden Lebensgeschichten berühmter Dichterinnen und Schriftsteller geht’s noch bis Mitte Januar weiter: L’AMANT (Marguerite Duras): Mit Sorgfalt und grossem Aufwand rekonstruiert Jean-Jacques Annaud das koloniale Vietnam der 20er Jahre, das den Hintergrund bildet für die Liebesbeziehung einer 15-jährigen Französin zu einem mehr als zehn Jahre älteren reichen Chinesen. SYLVIA (Sylvia Plath): Porträt der komplizierten Beziehung der Dichterin Sylvia Plath und ihres ebenfalls schreibenden Ehemannes Ted Hughes mit Gwyneth Paltrow in der Titelrolle. NICOLAS BOUVIER, 22 HOSPITAL STREET: Nach einer zweijährigen Reise quer durch den Balkan, die Türkei, den Iran und halb Asien erreicht der Genfer Schriftsteller und Fotograf Nicolas Bouvier 1955 ein kleines Nest an der Südspitze Sri Lankas. WILDE (Oscar Wilde): Die Kritiker feiern Oscar Wilde als den neuen Dramatiker. Als er dem jungen Lord Alfred Douglas verfällt, verändert sich sein Leben grundlegend. DIE UNBERÜHRBARE (Gisela Elsner): Die Schriftstellerin Hanna Flanders alias Gisela Elsner reagiert auf den Fall der Mauer irritiert. In einer schmerzlichen Odyssee erlebt sie eine Gesellschaft, die im Begriff ist, sich rasant zu verändern. Marie Caffari, die Leiterin des im Oktober neu eröffneten Literaturinstitutes wird am Montag, 8. Januar im Filmpodium das Projekt vorstellen und sich Gedanken machen über die Vermittlung und Erforschung des Kreativen Schreibens, welche Grundanliegen des Institutes sind. NEWS: Die Reihe neuerer Filme aus den letzten Jahren ist ab Mitte Januar programmiert. Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient Ju Ichikawas TONY TAKITANI! Die Verfilmung der gleichnamigen Erzählung des japanischen Schriftstellers Haruki Murakami zeigt die Welt des Illustrators Tony Takitani, einem leidenschaftslosen Einzelgänger, der sich selbstgenügsam seiner Kunst widmet bis er der grossen Liebe begegnet. Dem Film wohnt eine zauberhafte Melancholie inne und wunderschöne poetische Bilder entlassen einen ganz entzückt aus dem Kino.

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STADTLÄUFER

LESERBRIEFE leserbrief@ensuite.ch

Von Andy Limacher ■ nr. 26 // brückenbauer. Seit Ende des 19. Jahrhunderts verbinden Kirchenfeld- und Kornhausbrücke die Berner Altstadt mit den Quartieren im Süden und Norden. Ungefähr zur selben Zeit wurde in Paris der Eiffelturm gebaut – es war die Zeit, in der Stahlkonstruktionen allmählich Holz und Stein ablösten. Vor kurzem machte ich einen Spaziergang entlang der Aare, wobei mir folgendes auffiel: Bei der Lorrainebrücke wie auch dem Eisenbahnviadukt handelt es sich um Betonkonstruktionen aus dem 20. Jahrhundert. Da der Bau des Hauptbahnhofs aber in die Mitte des 19. Jahrhunderts fällt, muss es an dieser Stelle früher schon andere Brücken gegeben haben. Und tatsächlich: Ungefähr dort, wo heute die Lorrainebrücke über das Aaretal führt, stand bis 1941 die sogenannte rote Brücke, eine Stahlkonstruktion mit zwei Stockwerken. Auf der oberen Ebene fuhren ab 1858 die Züge in den noch jungen Kopfbahnhof ein, die untere Ebene diente als Strasse von der Lorraine in die Stadt. Die Geleise führten damals von Norden her direkt durch das Wylerfeldquartier – der Name «Dammweg» erinnert heute noch daran. Das Wachstum der Stadt führte allerdings bald an die Kapazitätsgrenze der roten Brücke, und auch dem moderen Bahnverkehr genügten die Ansprüche nicht mehr. Hinzu kam, dass den Fussgängern gelegentlich heisse Kohlestücke von den Dampfloks auf den Kopf fielen. 1928 wurde deshalb mit dem Bau der Lorrainebrücke begonnen, zwei Jahre später wurde sie fertiggestellt. Die Verlegung der Eisenbahnlinie um das Quartier herum auf das neue Viadukt folgte rund zehn Jahre später: Damit war das Schicksal der roten Brücke besiegelt. Vielleicht wird es auch dem heutigen, vierspurigen Bahndamm irgendwann so ergehen. Die Kapazitätsgrenze ist nach nur sechzig Jahren abermals erreicht – das weiss jeder, der gelegentlich von Norden her in den Hauptbahnhof einfährt.

Thema: museum franz gertsch ■ Diese «Leserbrief»-Zusendung (Bild oben) kommt von Daniel Rohrbach. Es ist sein Kommentar zu der «museum franz gertsch-Affäre» um die Entlassung von Reinhard Spieler.

www.ensuite.ch Ein Abo macht Sinn.

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Leserbriefe: ■ Senden Sie uns Ihre Kommentare und Leserbriefe zum Kulturgeschehen in Bern oder auch Kritiken (es darf natürlich auch mal ein Lob sein...) an die ensuite-Redaktion zu. Wir wollen den Kulturdi-

alog in Bern nicht nur fördern, sondern auch eine aktive Plattform für kulturelle Meinungen sein.

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ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


magazin KULTUR & GESELLSCHAFT

zwei paare, dann ein drittes, stehen Von Peter J. Betts ■ Zwei Paare, dann ein drittes, stehen reglos, fasziniert und vorerst stumm in der unteren Gerechtigkeitsgasse, starren in den für ein paar Meter dreiteilig geöffneten Stadtbach mitten im rechtwinklig normierten Kopfsteinpflaster. «Da läuft etwas gegen den Strich», sagt eine der Damen. «Keineswegs regelkonform», bestätigt ein Herr, und die Dame, seine Hand haltend, sagt: «Das ausgerechnet in der Gerechtigkeitsgasse.» «Was wohl hierzu die Denkmalpflege meint?», fragt die dritte Dame. «Oder die Polizei?», doppelt die erste nach. Drei Paare, die einander anscheinend nicht kennen, tauschen von gemeinsamem Erleben ausgelöste Gedanken aus: sprechen über KiöR. Der Sachverhalt ist einfach: in der auf drei staatlichen Ebenen formaljuristisch totalsanierten Beamtenstadt, ein veritables Vexierbild, läuft in der Gerechtigkeitsgasse! im mittleren von drei schnurgeraden Segmenten für alle sichtbar das Wasser AUFWÄRTS, während es in den beiden umklammernden Teilen mit gleicher Geschwindigkeit und mit gleichem Gluckern ordnungsgemäss abwärts läuft. Das ist ein Affront! Egal, ob diese Regelwidrigkeit «nur» scheinbar oder wirklich existiert! KiöR! Im ensuite - kulturmagazin Nr. 47 vom November 2006 schreibt Tabea Steiner über Kultur in Thun und Hanswalter Graf (S. 84) u. a.: «...Er arbeitet ausschliesslich im öffentlichen Raum, Kunst im öffentlichen Raum, was das schöne Kürzel KiöR verpasst kriegte. Die Abkürzung ist schrecklich bürokratisch, was dahinter steckt, aber wunderbar praxisnah...». Ach, die lieben Kolleginnen und Kollegen aus der Journaille, unserer Sippe! Schon mein Freund, Fred Zaugg, hat sich über meine Erfindung dieses Kürzels lustig gemacht, und jetzt noch Tabea Steiner – ich schmunzle. Aber: mein Herz (haben Bürokraten ein Herz?) könnte bluten über den Hohn, der sich über die Frucht meiner Hirnarbeit (haben Bürokraten ein Hirn oder arbeiten sie jemals?) ergiesst und vor Freude (können sich Bürokraten freuen?) zerspringen, weil diese Erfindung INHALTLICH offenbar etwas bewirkt hat, z. B. in Thun. Und dabei hatte ich doch nur, wie Martin Beyeler mitten in der unteren Gerechtigkeitsgasse, über einen Umweg die Regeln ein bisschen gegen den Strich gestriegelt, um, wie er, etwas zu sagen und, liest man z. B. Tabea Steiners Text (was ich Ihnen empfehle), anscheinend auch etwas zu erreichen. Und das freut mich riesig, ob es sich um die Kunstoffenheit Thuns oder den Dialog über den Kommentar zur Regelkonformität à tout prix in der unteren Gerechtigkeitsgasse handeln mag. KiöR. Vor KiöR gab es im öffentlichen Raum für bilensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

dende Künstlerinnen und Künstler erstens die Möglichkeit, von der Behörde den Auftrag zu erhalten, ein Stück «Künstlerischen Schmuck» herzustellen. Ein Beispiel: Die Verkehrsraumkonzeption beim Bahnhof - beeinflusst von jener Zeit, in der Inseratenwerbung Neubauten mit der Qualität: «Freie Sicht auf Autobahn!» gut verkaufte... Meret Oppenheim wurde höflich aufgefordert, «Künstlerischen Schmuck» für den neu und mit etwas Verspätung zeitgeistkonform gestalteten Bereich Bubenbergplatz – Bahnhofplatz zu schaffen. Sie lehnte den Auftrag ebenso höflich ab, weil die Gestaltung des Bereichs durch Kunst nicht zu retten sei und es hier nichts zu schmücken gebe. Sie liess sich jedoch später darauf ein, ein KiöRProjekt auf dem unteren Waisenhausplatz zu realisieren. Das Stadtplanungsamt hatte sich damals mit dem Gedanken getragen, einen «kinderfreundlichen» Platz zwischen den beiden Schulhäusern zu gestalten. Glücklicherweise verzichtete der Planer nach eingehender Auseinandersetzung mit der Künstlerin zugunsten von Meret Oppenheims Ideen darauf, in seinem idyllisierend? ironisierend? nachempfundenen Barockgärtchen auf der Metroparkhallendecke die Schülerinnen und Schüler in den Pausen durch tosenden Verkehr umbranden zu lassen. Und Meret Oppenheim schuf in einer wenig lebensfreundlichen Umgebung ein Mahnmal für das Leben: mit Beton (jenem Material, das einigen der umliegenden denkmalgeschützten Ziegeldächer auf Sand- oder Backstein untergelegt worden ist), etwas Blech, Wasser und ZEIT. Gut, man hat sich nicht die Zeit zu geben gewagt, die das Wachsenlassen erfordern würde, und hat mit künstlichem Bepflanzen eingegriffen; eine Flora, die glücklicherweise durch Vögel und Wind herbeigetragene Pionierpflanzen u. Ä., wie ursprünglich gedacht, verdrängt haben. Es gibt Ordner voller Protestbriefe gegen die Brunnensäule: motiviert durch Angst vor Ungewohntem, Antisemitismus, Probleme bei Glatteisgefahr, Ärger, dass dieses «Kunstwerk» die freie Sicht auf die schöne Fassade des Waisenhauses - hatte man diese vorher jeweils anzuSCHAUEN versucht? – verbaut: eine breite Skala von Begründungen des Unbehagens. Und die Auseinandersetzung mit Meret Oppenheims Symbol hat angehalten - vielleicht war dieses Zeichen gar (unbewusst) mitverantwortlich für den Prozess des Umdenkens der Verantwortlichen bezüglich Priorität des privaten Motorfahrzeugverkehrs im hochurbanen Raum? Vor KiöR gab es als zweite Möglichkeit die «Kunst am Bau». Die Möglichkeit, mit einem kosmetischen Eingriff von einer nachhaltigen Bausünde abzulenken? Schmücken oder vertuschen also. (Auch ich weiss: Kosmetik KANN

viel tiefer als die Oberfläche wirken.) KiöR ermöglicht es bei öffentlichen Bauvorhaben, die Kreativität von Künstlerinnen und Künstlern mit jener der FachspezialistInnen (etwa aus den Bereichen Statik, Planung, Sicherheit, Verkehr, Wirtschaft, Bildung, Polizei) in Arbeitsgruppen zu verbinden, den Blick-von-Aussen einzubeziehen: oft stellvertretend für spätere NutzerInnen, die noch gar nicht verfügbar wären. «Kunst im öffentlichen Raum» ermöglicht es z. B. George Steinmann, in der Planungsphase vor dem Umbau des Casinoparkings mit Schülerinnen und Schülern einen Tag im alten Parkhaus zu verbringen und all das mit ihnen herauszuarbeiten, was Angst macht oder bedrückt: was auf jeden Fall beim Umbau zu vermeiden ist, und wäre es ästhetisch, statisch, ökonomisch, logistisch noch so wünschenswert. Dem Künstler ging es nicht darum, sich selber ein Denkmal zu setzen, nicht um Künstlerischen Schmuck, nicht um Kunst am Bau. Es ging darum, das Vorhaben durch Auseinandersetzung und Dialog zu humanisieren, durch das unorthodoxe Verbinden aller Kompetenzen Aller: ohne Hahnenkämpfe, Prestigestellungskriege und Machtgerangel. Kultur: Unter Einbezug von Kunst und künstlerischer Arbeitsweise, technischem Wissen und Vermögen, materiellen Ressourcen, räumlichen und zeitlichen Randbedingungen, funktionalen Zielsetzungen, Erfahrungen, Spontaneität das erstehen lassen, was der Gemeinschaft die nachhaltigste Verbesserung verschafft. Kunst als Teil so verstandener Kultur, ein taugliches und fruchtbares Übungsfeld für notwendige gesellschaftsbezogene Kulturpolitik. KiöR: nicht Beitrag zum Prestigewettbewerb der Städte, nicht Werkzeug des Citymarketings, nicht Stufenanstieg auf dem Weg zum Olymp. Ein Tipp für Ihren Besuch der unteren Gerechtigkeitsgasse: werfen Sie ein abgefallenes Blatt oder halt ein Kügelchen aus einem Stück Papiertaschentuch ins mittlere Stadtbachsegment, schauen Sie, wo es verschwindet und wo es nach geraumer Zeit wieder erscheint: Sie haben entdeckt, mit welchem Umweg scheinbar die Schwerkraft ausgetrickst, in Wirklichkeit nur genutzt worden ist. Judo in der Kunst? Und mit einer Spur Denkarbeit, vielleicht hilft der erlauschte Dialog im ersten Abschnitt dieses Textes, sehen Sie, welchen gesellschaftsrelevanten Themenkreis der Künstler mit seinem Werk an diesem Ort orthogonal geerdeter Welt in traditionsreichem Gewand möglicherweise ansprechen wollte? Vexierbilder sind lesbarer, wenn man gelegentlich den Blickwinkel ändert: sich selber oder das Bild bewegt. KiöR.

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BERNER KULTURMENSCHEN

über tasten tanzende finger Von Eva Mollet (Foto: Eva Mollet) ■ Karin Jampen ist eine Pianistin mit kleinen Händen. Sie greift damit eine None. Sie ist freischaffende Musikerin. Sie unterrichtet auch vierjährige bis sechzigjährige Schüler und Schülerinnen an der Musikschule des Konservatoriums Bern. Wenn Karin lacht, umrahmen feine Fältchen ihre Augen. Ohrschmuck schimmert durch das dunkle Haar. Karins Interessensgebiete und Betätigungsfelder sind vielseitig. Sie heckt Projekte aus, um interdisziplinär alles zu vereinen. Ruhe und Ausgleich findet Karin auf ihren Reisen. Immer wieder zieht es sie ans Meer, wo sie den Wellen zuschaut. Oder sie wandert an der Küste von England. Oder sie verbringt längere Zeit in Indien. Im nächsten Sommer ist Karin als Stipendiatin des Kantons Bern für ein halbes Jahr in New York. Karin und das Klavier Karin beginnt mit fünf Jahren Klavier zu spielen. Das Instrument gehört längst zum Inventar der elterlichen Wohnung. «Der Klang des Klaviers hat mich immer angezogen, auch die vielen schwarzen und weissen Tasten.» Ein prägendes Erlebnis für Karin ist das Konzert von Werner Bärtschi. Auch die Kinderkonzerte von Gertrud Schneider bleiben unvergesslich. Mit neun Jahren kommt das Tanzen hinzu. Seither sind Musik und Bewegung nicht mehr wegzudenken. Nach der Ausbildung zur Primarlehrerin absolviert Karin das Lehrdiplom und anschliessend das Reifediploman der Hochschule für Musik und Theater Bern. Danach folgt ein Studienaufenthalt am Royal College of Music in London und schliesslich ein Nachdiplomstudium in der Meisterklasse 30

von Professor Bruno Canino. Das Repertoire von Karin Jampen reicht von Barock bis zu zeitgenössischer Musik. Sie spielt in verschiedenen Formationen: Als Solistin oder als Kammermusikerin. «Ich lasse mich nicht gerne einschränken, und ich durchbreche gerne traditionelle Hörgewohnheiten.» Die Annährung an ein Werk Die Auseinandersetzungen und die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten erlebt Karin als Bereicherung. Über verstorbene Komponisten betreibt sie Recherchen. Sie sucht immer die Vertiefung. Auf diese Weise tritt sie selbst mit dem Werk in Verbindung, involviert sich. «Sowohl für einen rein instrumentalen Konzertabend, als auch für ein spartenübergreifendes Gesamtwerk, brauche ich viel Information, um die Komplexität der Werke und Themen auszuloten und zu hinterfragen – daraus schöpfe ich u. a. meine Inspiration. Es braucht viel Zeit, das Gesammelte zu vernetzen und schliesslich wieder zu reduzieren.» Die Arbeit am Instrument durchläuft verschiedene Phasen bis zur Interpretation. «Die technische Aneignung des Notentextes bis zur künstlerischen Umsetzung ist sowohl eine intuitive, wie auch eine intellektuelle Arbeit.» Karin sucht nach verschiedenen Möglichkeiten, wie sie einen Melodiebogen gestalten kann, und sie pröbelt an unterschiedlichen Klängen durch differenzierte Anschlagsarten. Wichtig ist ihr, keine Routine aufkommen zu lassen. «Diese Art der Ausarbeitung eines Werks ist für mich das Spannendste und bereitet mir Freude. Je mehr

Gestaltungsmöglichkeiten ich habe, desto freier werde ich im Spiel.» Interdisziplinäre Gesamtprojekte Karin ist die Initiantin von verschiedenen Projekten, die unterschiedliche Interessensgebiete zu einem Gesamtkunstwerk vereinen. Es ist ihr wichtig, Raum, Klang und Aktion zu berücksichtigen. Damit gelingt es ihr, verschiedene Sparten zusammenzuführen: Bildende Kunst, Tanz, Theater und Musik. Mit der Duopartnerin und Sängerin Franziska Hegi wurde im vergangenen Jahr eine solche Konzertkonzeption entwickelt: «Wenn ein schwerer Tropfen fällt». Dieses Projekt verbindet eine Uraufführung von Christian Henking mit sechs Ton-Text-Inseln und einer tropfenden Installation von Judith Albisser. Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche Karin tritt auf mit Konzerten für Kinder. Im letzten Jahr entwickelte sie in Zusammenarbeit eine Klang-Entdeckungsstrasse namens KLANGEST. Das neuste Kinderprojekt nennt sich «Petruschka» und verarbeitet Musik von Strawinsky. Das instrumentale Musiktheater ist mit dem Tastentheater Schweiz entstanden und wird im 2007 zu sehen und zu hören sein. New York, New York Karin wird im Big Apple vor allem für ein neues Projekt recherchieren und sich eine Übungsmöglichkeit organisieren. Der Sommer in der Grossstadt ist heiss. Karins Finger werden dennoch über die Tasten tanzen. mailto: karinja@bluewin.ch

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magazin CARTOON www.fauser.ch

VON MENSCHEN UND MEDIEN

«tischlein entdeck dich!» Von Lukas Vogelsang ■ Das Tischlein ist gedeckt und der Roger Köppel (37) sitzt mit dem Lätzli vor seinen Aktien und leckt die Finger: 99,5 Prozent der Weltwoche gehören jetzt ihm – also die ganze Zeitung mit allem Plunder dazu (Bücher, Internet und so). In einer spektakulären Pokeraktion haben die ganz Grossen in den letzten Monaten gedealt – und dabei sind einige Krümmel neben den Tisch gefallen. Köppel hat nur erhalten, worum sich die Grossen nicht interessierten: Ein Köppel-Wochenblatt. Denn eines ist klar, Köppel hin oder her, die Weltwoche ist nicht der Spekulanten-Liebling. Und da der Jetztalleinchef Köppel nun das Steuer in der Hand hat, kann ihm auch keiner mehr widersprechen. Wenn doch, so lässt der Köppel den Knüppel aus dem Sack und legt sich mächtig ins Zeug. Meistens ruft er dabei die Chefredaktoren an. Am 13. Februar 2005 titelte die NZZ (und das ist jetzt zufälligerweise ganz schnell im Internet zu googeln!) «Die Auflage der ‹Weltwoche› brach abrupt ein, als sie vom ehemaligen Chefredaktor Roger Köppel auf SVP-Kurs gesteuert wurde. Mittlerweile erholt sich das Wochenmagazin langsam wieder.» (Als dieser wieder gegangen war). Das gab Schelte. Jetzt ist er leider wieder zurück, zu 95 Prozent als Journalist und zu 5 Prozent als ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

Verleger. («95 Prozent meiner Arbeit ist Journalismus» sagt er im «Schweizer Journalist».) Er meinte natürlich: «Ich bin Journalist, der gleichzeitig Verleger ist.» Herr Köppel, wir können lesen. Aber ob das Köppelsyndrom funktionieren soll, haben wir in den letzten Monaten zu spüren bekommen. Seit Oktober ist der Köppel aus dem Sack und die Weltwoche inhaltlich am Boden. Einen solchen Mediensturzflug erlebt man selten. Die aufreisserischen Artikel von Naomi Campbell oder Jack Nicholson waren nur abgeschriebene BlaBla-Texte, der Rest entsprang der SVP-Parteihymne. Nichts von dem verschwörerischen «wir sind doch faktisch das einzige Blatt, das andere Akzente setzt, auch die scheinbar ganz fest gefügten Gewissheiten in Frage stellt.» (Zitat Köppel im «Schweizer Journalist»). Genau dies ist doch der Leitsatz der SVP! In der Weihnachtsnummer («Was wirklich zählt») haben Sie, Herr Köppel, uns zum Beispiel das SVP-Bild der Frau eingehämmert: Entweder sie sieht gut aus (SEX!) oder trägt einen Öko-Strickpulli (Suggeriert: Frau hat nichts zu sagen.), redet über Sex (SEX!) oder Soziales (Suggeriert: Frau hat nichts zu sagen.) Und wenn von alle dem nichts ist, dann muss noch ein Sexthema her. «Sex sells», denn jetzt ist der Köppel aus dem Sack

und der zeigt uns, wie’s geht. «Die bestverkaufte Ausgabe der letzten drei Jahre war das ‹Femal Brain›-Cover mit dem Bild von Marilyn Monroe.» (Zitat Köppel im «Schweizer Journalist».) Traurig, oder? Gerade jetzt, wo die Weltwoche im Sommer einen Höheflug hatte. Gerade jetzt, wo’s spannend wurde, weil eine kritische Redaktion Mut fasste und nach all den turbulenten Jahren eine Wochenzeitung wirklich Biss und Farbe erhielt. Wo wir LeserInnen mit roten Klobrillenrändern durch die Welt marschieren und dabei ein gutes, gebildetes Gefühl hatten… Einzig ein Satz von Köppel selbst rechtfertigt die 29-köpfige Jury, welche ihn Ende 2006 zum «Journalist des Jahres» kürte: «Ich hoffe nur, dass Sie mir den Preis nicht aus Mitleid gegeben haben.» Vielleicht hatte die Jury ja wirklich Hoffnungen - oder zuwenig Sex. Der Tisch ist gedeckt, doch was mir serviert wird, schmeckt nicht. Im Gegenteil, mir ist schlecht. Und wie im Grimm-Märchen «Tischlein deck dich» rufe ich mit letzter Kraft: «Knüppel in den Sack!»

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BERNER QUARTIERE

alle jahre wieder Von Kathrina von Wartburg ■ Der Titel klingt weihnächtlich, hat aber mit Weihnachten wenig zu tun: Alle Jahre wieder findet im Januar - am 13. 1. - die «Tour de Lorraine» statt. Der Name ist Programm; denn hier geht es darum, sich einen Abend lang ein reichhaltiges Kulturprogramm in Beizen dies- und jenseits der Lorrainebrücke zu Gemüte zu führen. Zehn Bands, diverse DJ’s und eine Tanztheatergruppe treten in zehn verschiedenen Lokalen auf. Für einen Eintritt von 20 Franken ist man/frau dabei. Was nach reichlich Kultur klingt, hat auch einen politischen Hintergrund. Vor rund sieben Jahren organisierten die Gruppen «Anti-WTO», Attac Bern und die Oeme-Kommission die erste Tour de Lorraine im Vorfeld des WEF in Davos. Man fragte ein paar Beizen an, die auch sofort Interesse zeigten. «Das Fest funktioniert auch für die Beizen», meint David Böhner vom OK. «Sie erzielen einen hohen BarUmsatz, wir erhalten die Eintrittsgelder.» Mit dem Anlass wollte man ein Zeichen gegen das WEF setzen, mit dem (möglichen) Gewinn sollten Anti-WEFAktivitäten finanziert werden. Seit Beginn stiess die

Tour de Lorraine auf grosses Interesse: Rund 3000 Menschen kommen jährlich in das berühmte Berner Quartier. Während in den ersten Jahren noch der ganze Gewinn in Protestaktionen gegen das WEF floss, sollen nun vermehrt auch andere politische und soziale Projekte unterstützt werden. «Die Globalisierungsthematik war früher ein grösseres Thema in den Medien», so Böhner. In den letzten Jahren sei der Widerstand gegen das WEF aber aufgrund der Repression immer schwieriger geworden. «Wir wollten deshalb etwas weg von der WEF-Diskussion und begannen, auch andere Projekte zu unterstützen», ergänzt er. Die diesjährige T.d.L steht inhaltlich unter dem Thema «Ernährungssouveränität». Am Vorabend findet im Kino in der Reitschule eine Podiumsdiskussion mit VertreterInnen aus der Landwirtschaft aus der Schweiz und Südamerika statt. An der T.d.L wird der Film «We feed the world» von Erwin Wagenhofer gezeigt. Der Regisseur hat sich darin auf die Spur unserer Lebensmittel gemacht. Zu Wort kommen neben Fischern, Bauern, Agronomen,

Biologen und Jean Ziegler auch der Produktionsdirektor des weltgrössten Saatgutherstellers Pioneer sowie Peter Brabeck, Konzernchef von Nestlé International, dem grössten Nahrungsmittelkonzern der Welt. Wagenhofer selbst wird anwesend sein und im Anschluss an den Film mit allen Interessierten diskutieren. Als symbolischer Akt werden die beteiligten Beizen der T.d.L zur «Nestlé-freien Zone» erklärt. Will heissen: An diesem Abend gibt’s keine Nestlé-Produkte in den Beizen. «Wir möchten unsere politische Botschaft dieses Jahr besser vermitteln», sagt Böhner. Trotz politischem Hintergrund und einer klaren Botschaft ist die Tour de Lorraine vor allem ein kultureller Anlass und steht allen offen. «Es soll einfach ein tolles Fest werden», sagt Böhner. Und wer an diesem 13. Januar nicht kommen kann, der sei an dieser Stelle schon vertröstet: Die Organisatoren planen, bereits im Mai die nächste Tour de Lorraine - oder zumindest ein ähnlich tolles Strassenfest.

00:30 Grober Unfug – Widerstände gegen das WEF von Bern 05 nach Davos 06; dadavos, CH 2006 01:15 Sea You on G8; Aktion Kunterbunt, DE 2006 danach weitere Kurzfilme zu politischen Bewegungen.

Dachstock, Reitschule,Neubrückstrasse 8 23:30 Diesler feat. Laura Vane (UK), Funk-SoulHipHop, anschliessend DJ Studer TM (VS)

TOUR DE LORRAINE Freitag, 12. Januar 2007 Infoveranstaltung Tour de Lorraine: 20:00 Kino in der Reitschule: «Eine Landwirtschaft für das Leben - Vom Kampf um Ernährungssouveränität gegen das internationale Agrobusiness.» Eine Podiumsdiskussion mit: Valentina Hemmeler, Uniterre; Javiera Rulli, Grupo de Reflexion Rural, Argentinien; Stephan Suhner, Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien.

Samstag 13. Januar 2007 Tojo, Reitschule, Neubrückstrasse 8 20:30 Jitterbug – Larve, Puppe, Imago, Tanztheater pulp.noir Kino in der Reitschule, Neubrückstrasse 20:00 We feed the World World Erwin Wagenhofer, Ö, 2005 22:00 Diskussion mit dem Regisseur Erwin Wagenhofer 00:00 Hühnerwahnsinn; Marcello Faraggi, DE 06 32

Café Bar Kairo,Dammweg 43 21:30 My Name is George (Winterthur), RetroRock-Punk-Grunge Brasserie Lorraine,Quartiergasse 17 21:30 Fisty Four (Bern), Rock 23:00 Flaming Cocks (Prag), Rock-a-Psychobilly danach DJ Polsko Niemiecka Przyjazn (BE/ ZH), Wildstyle, anschliessend DJ El Tigre Restaurant Du Nord,Lorrainestrasse 2 23:00 Mouthwatering Club Night feat. DJ‘s Kev the Head, Dustbowl & Swo (BE). Visuals by Tectonics, electro, break beats, dub house

Frauenraum, Reitschule,Neubrückstrasse 8 23:00 Stella Glitter et les deux etoiles ** (ZH), R’n’R 01:00 aRAPiata (BL), HipHopvor & nachher: Djane Cannibalic Vakuum & Die Raumpflegerin mit Internationalem Ramsch Sous le Pont, Reitschule,Neubrückstrasse 8 23:00 Fullstop (VD), Metal/Hardcore 00:30 Blown (VD), Metal/Hardcore 05:30 Das Katzen & Katerfrühstück im Sous le Pont, Reitschule, MC NRK (BE), Freestyle Folk-Punk Restaurant O Bolles, Bollwerk 35 22:30 Marvin (BE/FR), Songwriter Pop Turnhalle im Progr, Speichergasse 4 22:00 The Felas (BE), Fela Kuti Tribute Big Band; anschliessend DJ giggs (bonzzaj rec.) ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


STADT UND LAND

ein ohr über den röschtigraben Von Anna-Sophie Scholl (Bild: zVg.) ■ Musik aus dem Welschland? Was kenn man hier? Sens Unik etwa, vielleicht aber vor allem den Frontmann Carlos Leal, der sich seit der Auflösung der Gruppe als charismatischer Schauspieler in Samirs Film «Snow white» oder im neuen Bond einen Namen macht? Oder Polar? Doch wer kennt ihn als welschen Künstler? Und wer kennt seine neusten, französischsprachigen Recordings? Ist Laurence Revey ein Begriff? Auch Pascal Rinaldi oder die Gruppe Zorg, die in der Romandie schon zu den Etablierteren gezählt werden, sagen hierzulande kaum jemandem etwas. Beide waren sie letztes Jahr in Bern zu hören, in einem kleinen Altstadtkeller, dem ONO, einem smarten Lokal unter dem Kellergewölbe, wo sich knapp hundert Leute einfinden. La Welsch Music Gibt es denn so etwas wie eine Welsch Music, eine eigenständige Musik aus der Romandie? Der Markt ist klein. Selbst eine erfolgreiche Band kann in der Romandie alleine höchstens 3000 CDs an die Leute bringen. Und davon kann niemand leben. Der Blick ist also ins Nachbarland gerichtet. Nach Frankreich. Dort finden sich auch die grossen Vorbilder. Und trotzdem, es gibt so etwas wie eine welsche Musikszene, oder besser gesagt, verschiedene Szenen. Die Musik in der französischsprachigen Schweiz ist sehr vital und lebendig, vor allem auch als Live-Musik. Zahlreiche Festivals, etwa die Genfer Fête de la musique oder das Festival de la cité in Lausanne und sonstige Auftrittsmöglichkeiten unterstützen Musiker oder solche, die es werden wollen. Einstiegsschwellen sind niedrig. So kommt auch die Musik sehr selbstverständlich und unverkrampft daher. Musik hat in der Romandie einen hohen Stellenwert. Das Chanson ist die klassische Musik aus dem französischsprachigen Raum. Eine Musik, bei der der Text im Vordergrund steht und minimal begleiensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

tet wird. Autor, Komponist und Sänger sind eins. Ein-Mann-Musik sozusagen, denn das Chanson ist vorab männlich: Renaud oder Alain Souchon etwa sind die Namen der letzten grossen Chansonniers im benachbarten Frankreich. Gegen diese Tradition grenzt man sich heute ab. Rockige Musik und dann vor allem der Rap hatten in der Zwischenzeit ihre Höhenflüge und haben Spuren hinterlassen. Doch subtil kommt das Chanson zurück. Erzählt wird aus dem eigenen Leben, auf Französisch, natürlich, und meist in sehr einfachen Worten. Worte aber, die simpel nicht sind und zwischen den Zeilen Platz lassen für unerwartete Einsichten oder für feine Ironie. Chanson neu interpretiert Schlicht und unprätentiös die Geschichten bei François Vé, der von seinem eigenen Balkon erzählt, einem privaten Reich, dem die Sonne einen Hauch Südlichkeit verleiht: Ein kleines Stück ländliches Leben inmitten der Lausanner Stadtwelt, wo Salat und Zwiebeln wachsen, wo aber auch die Gleichzeitigkeit von Nähe und Distanz im modernen Leben spürbar wird, wenn die Heimkunften und Abwesenheiten der charmanten Nachbarin notiert werden und unschuldig schuldige Blicke zu den Mädchen gleiten, die auf der Strasse unten vorübergehen. Vielschichtig ist die Sprache bei Jerôme Kisling, der eine Vorliebe für Wortspiele und Mehrdeutigkeiten pflegt und beispielsweise so wie zwischen dem formalen vous und dem intimeren tu hin und herpendelnd, auch zwischen den Wortlauten changierend mit drängender Nähe oder schüchterner Distanz ein bald entschlosseneres, bald verletzlicheres Flirten in seiner Ambivalenz erkennbar werden lässt. Die spürbare Faszination für die eigene Sprache kommt auch in Frankreich gut an: Kisling ist von einem Pariser Plattenlabel unter Vertrag genommen und hat einen steilen Aufstieg vor sich.

Zwischen Berggesang und Elektropop Musikalisch werden feine Anlehnungen gemacht an verschiedene und durchaus internationale Traditionen – elektronische Musik etwa, oder eben Pop, Rock oder auch volkstümliche Elemente wie etwa das Akkordeon und der Musette-Stil. Laurence Revey ist eine, die den Spagat zwischen moderner Avantgarde und traditionellem Volkstum bravourös meistert. Die Walliserin hat einen grossen Teil ihrer Kindheit bei ihrer Grossmutter im Val d’Anniviers verbracht und mischt die Sprache des dortigen vom Aussterben bedrohten Patois mit repetitiv hypnotisierenden Rhythmusschlaufen moderner Clubmusik. Ihr letztes Album hat sie remixen lassen von international bekannten Musikern wie Bugge Wesseltoft oder Nils Petter Molvaer. Oder auch von dem Berner Bassisten Mich Gerber, womit sie einen zweiten Spagat schafft, den über den Röstigraben. Die Musik in der Romandie zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist ehrlich, authentisch, nicht immer erstklassig, aber lustvoll und voller Spielfreude. Mit geschriebenen Porträts, die durch grosse Nähe faszinieren, und mit Farbaufnahmen in privatem Umfeld oder bei Live-Konzerten sowie mit Tonbeispielen lädt der ehemalige Westschweizer DRS-Korrespondent Dieter Kohler ein zu einer Entdeckungsreise, die über den Deutschschweizer Horizont hinaus führt. La Welsch Music – Musik aus einem kleinen Land, die manchmal aber auch ganz gross ist. Dieter Kohler La Welsch Music Chanson, Pop und Rap aus der Westschweiz Mit Musik-CD und Fotografien von Ute Schendel Christoph Merian Verlag 2006

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REISEZIEL HOTEL

das luxushotel für kleine leute Von Andrea Baumann (Bild: zVg.) ■ Einmal wie Adelsleute zur Jahrhundertwende in einem Luxushotel nächtigen – und dies zu äusserst moderaten Preisen? Gibt es denn dies überhaupt? Das 100-jährige Hotel Regina mitten im Dorfzentrum von Mürren bietet die Gelegenheit. Nachdem die beiden Weltkriege Europa merklich gezeichnet hatten und eine Gesellschaftsumschichtung herbeiführten, blieb die edle Kundschaft aus, so dass viele Hotelpaläste in den Alpen den Glanz verloren und die Fassade zu bröckeln begann. Karl Burkhart, Hüttenwart des Naturfreundehauses in Grindelwald, entdeckte eine Marktlücke als er solche Betriebe relativ günstig aufkaufte und für die Mittelschicht öffnete. Denn in den 50er Jahren hatten die Leute dank des Wirtschaftswunders wieder Geld in der Tasche und wollten sich mehr leisten als ein Massenlager. Burkharts Idee fasste Fuss und so folgten ihm seine Naturfreunde bald nach St. Moritz, Davos, Pontresina oder Engelberg. Zusammen mit einer befreundeten Familie kaufte Burkhart in den 60er Jahren das Hotel Regina. Über die Jahre ist die Kundschaft anspruchvoller geworden, dies weiss auch der heutige Geschäftsführer der Hotel Regina Mürren AG, Peter Burkhart zu berichten: «War früher das Motto möglichst einfache und billige Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten, so sind heute die Ansprüche schon etwas gestiegen. Es ist uns aber immer noch ein Anliegen, günstig zu sein und eine lockere Atmosphäre anzubieten». Es braucht demnach ein gutes Fingerspitzengefühl bei einem solchen Prachtsbau die Betriebskosten tief zu halten, ohne dass die Urlaubsstimmung der Gäste beeinträchtigt wird. Wichtig ist der Hotelleitung, das Haus weiterhin familienfreundlich zu führen. Frau Bergert vom Regina rät deshalb Gästen, die Ruhe suchen, nicht während den Sportferien zu kommen. Während dieser Zeit toben bis zu 50 Kinder im Hotel herum. Eine Konsequenz, die das Konzept mit sich bringt, ist, dass nicht alle Zimmer mit Toilette / 34

Bad bestückt sind. Fernseher sucht man auch vergebens. Ausserdem wieseln keine Kellner herum und servieren à la carte Gerichte. Zum Frühstück gibt es ein einfaches Buffet und abends ein währschaftes Menü. Trotz diesen kleinen Serviceeinschränkungen, soll der Gast die ausserordentliche Ambiance, die nach wie vor ausgestrahlt wird, in vollen Zügen geniessen können. Die enorm grosszügigen Räume, die Panoramafenster, der Speisesaal, der Ballsaal, die knarrenden Parkettböden, die Kandelaber, die schmiedeisernen Balkone sind alles Zeitzeugen einer prunkvollen Epoche. Luxus pur verspricht indes die schönste und grösste Sonnenterrasse von Mürren mit atemberaubenden Blick auf das Jungfraumassiv. Was kann sich ein Feriengast mehr wünschen als Sonne, Alpensicht und dies ganz ohne Verkehrslärm. Mürren ist als einer der wenigen autofreien Orte in der Alpenregion einzigart. Der amerikanische Literat Mark Twain hielt in seinem 1878 verfassten Reisebericht «Bummel durch Europa» Folgendes fest: «Als wir am nächsten Morgen zum Fenster hinausschauten, bot sich uns ein wunderbarer Anblick. Jenseits des Tales, und scheinbar ganz nachbarlich und nahe, ragte hinter einer Toröffnung im näherliegenden Vorgebirge die Riesengestalt der Jungfrau kalt und weiss in den klaren Himmel.» Die reiche Klientel kam nicht nur der bezaubernden Atmosphäre und des Komforts wegen ins Regina. Nein, auch das Unterhaltungsprogramm entsprach ihren Vorstellungen. Von Ballabenden, Konzerten, Kegelpartien, Curling-Cups ganz zuschweigen, war eine der Hauptattraktionen die Bobbahn, die vom Allemendhubel direkt am Hotel Regina vorbeiführte. Die Terrasse bot für diesen Spass die allerbesten Logenplätze. Leider wird diesem Wintervergnügen in Mürren nicht mehr gefröhnt. Die damaligen Gäste bezahlten enorme Summen, um den selben Standard wie zuhause auf dem Schloss zu haben. Dies ist auch der Grund, weshalb viele Hotelbauten aus dieser Zeit «Palace»

heissen, ganz nach dem Motto: «My home ist my castle oder eben palace». Zur Jahrhundertwende bis in die 40er Jahre waren in erster Linie britische Gäste in Mürren anzutreffen. Während dieser Blütezeit erlebte der Ferienort eine Reihe von Ersterwähnungen, die allesamt auf das Konto des britischen Pioniergeistes gingen. So steckte 1922 Sir Arnold Lunn in Mürren das erste Slalomrennen in der Geschichte des alpinen Skisports aus. 1930 wird die erste Skischule der Schweiz gegründet oder ein paar Jahre später organisierte der britische Skiverband die ersten Alpinen Weltmeisterschaften im Slalom und in der Abfahrt. Die Geschichte des alpinen Skisports in Mürren ist jedoch eng mit dem 1928 ins Leben gerufene Infernorennen verbunden. Dieses waghalsige Rennen, das am Schilthorn startet und über 15,8 km nach Lauterbrunnen führt, ist noch heute ein beliebter Volksevent. Weltberühmt wurde Mürren mit dem Drehrestaurant «Piz Gloria» auf dem Schilthorn, das dem Bond-Thriller «Im Geheimdienst Ihrer Majestät» einen spektakulären Schauplatz bescherte. Aufgrund der geografischen Lage konnte Mürren sich nicht beliebig ausdehnen. So blieb der beschauliche Dorfcharakter erhalten, der nach wie vor einen Hauch von britischer Lebensweise versprüht. Wer den Weg nicht scheut auf 1650 m über Meer mit der Seilbahn zu gelangen, wird mit einem herrlichen Bergpanorama und himmlischer Ruhe belohnt. Anreise: Seilbahn ab Lauterbrunnen oder Schilthornbahn ab Stechelberg (Parkplätze vorhanden), Wagen für den Gepäcktransport zum Hotel stehen an beiden Stationen zur Verfügung. Hotel Regina, 3825 Mürren Telefon +41 33 855 42 42, Fax +41 33 855 20 71 hotel-regina@muerren.ch www.regina-muerren.ch ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


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REISEN

vancouver Von Simone Wahli - Object May Be Closer Then They Appear Vol II: Nur nicht in Italien! ■ Standardisierte Gemütlichkeit Es ist ein regnerischer Montag in North Vancouver, mit einem Buch und einer Tall Vanilla Latte sitze ich in einem der Armsessel in einer der unzähligen StarbucksFilialen, neben mir ein mir unbekannter Mann, möglicherweise Autor, jedenfalls hat er sein Notizbuch dabei und macht sich eifrig Notizen, mir gegenüber eine junge Frau, wahrscheinlich Studentin, die Nase in einem Lehrbuch. Wir alle verbringen mehrere Stunden hier. Jahrzehnte nachdem die Kaffeehaus-Kultur in den meisten europäischen Städten ausgestorben zu sein scheint, entdeckt der Nordamerikanische Kontinent und mit ihm der Rest der Welt das Kaffeehaus unter dem Namen Starbucks, dessen scheinbare Gemütlichkeit dazu verleitet, ihn als ein erweitertes Wohnzimmer zu empfinden. Die Armsessel, die Musik der Fünfziger sowie die gedimmten Ständerlampen schaffen ein Ambiente der Gemütlichkeit. Dennoch kann sich der unparteiische Beobachter nicht der Frage erwehren, weshalb die solcherart animierten Gäste in ihren eigenen vier Wänden nicht eine ähnliche Stimmung erschaffen beziehungsweise warum sie, wenn sie ein vergleichbares Wohnzimmer ihr eigen nennen dürfen, sich nicht dort aufhalten? The Third Place in unser aller Leben Das beschriebene Interieur hat jedoch genau diese Intention, nämlich, dass der potentielle Stammgast das Lokal als The Third Place in seinem Leben integriert, als Drittes folglich neben seinem Zuhause und seiner Arbeit. Obwohl Starbuckseigentümer Howard Schultz sich seit dem Jahre 1987 auf eine italienische Espresso-Bar in Mailand als Inspiration für seine heute insgesamt 10‘800 Filialen beruft und diese Anekdote auch bei jeder neuen Filialeröffnung mit glänzenden Augen wiedergibt, könnte die Atmosphäre womöglich nicht weiter davon entfernt sein. Umso weniger verwundert es, dass bis ins Jahr 2006 keine Starbucks-Filialen in Italien existieren, denn das wäre Eulen nach Athen tragen. Den Italienern die Idee des Kaffees neu zu verkaufen scheint selbst für den geborenen Verkäufer Schultz ein Ding der Unmöglichkeit. Dennoch sind in den meisten anderen Ländern dieser Welt offenbar eben jene Orte künstlich erschaffener Gemütlichkeit in einer Zeit, welche von ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07

einer stetig stärker werdenden Anonymisierung gekennzeichnet ist, von immanenter Bedeutung - eine standarisierte Gemütlichkeit in einer standardisierten Zeit. Die Realisierung eines Traums Der weltweite Siegeszug hätten die ursprünglichen Erfinder von Starbucks, Gerald Baldwin, Gordon Bowker und Zev Siegl, beinahe verhindert. Ihr Geschäft in Seattle, Washington für Kaffebohnen und Kaffeezubehör sollte nie zu einem globalen Unternehmen wachsen. Als sie 1982 Howard Schultz als Manager einstellten, hatten sie jedoch ohne ihr Wissen den Verkauf ihrer Firma bereits unterschrieben. Denn auch wenn sich Schultz 1985 von ihnen trennte und seine eigene Kette Il Giornale eröffnete, realisierte er seinen Starbucks-Traum im Jahre 1987, indem er die Gründungsmitglieder mit 3,8 Millionen Dollar abfertigte. Fortan stand der Name Starbucks nicht mehr nur für Kaffeezubehör, sondern vor allem für schnell zubereiteten hochwertigen Kaffee. Erfolgsgeheimnisse In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts galt Starbucks als einer der besten Arbeitgeber Nordamerikas, keine Restaraunt- oder Fast-Food-Kette verzeichnete eine niedrigere Fluktuationsrate. Schultz bezahlte seinen Mitarbeitern mehr als den Mindestlohn, garantierte ihnen eine gute Krankenversicherung und liess sogar Teilzeitkräfte in den Genuss von Aktienoptionen kommen. Ehemalige Angestellte malen jedoch ein anderes Bild, sprechen von der schieren Unmöglichkeit, die Karriereleiter hochzuklettern und von der Wertlosigkeit der erhaltenen Aktien. Und doch muss Starbucks, zumindest was die Schulung seiner Mitarbeiter anbelangt, etwas richtig machen, denn diese sind fast ohne Ausnahme freundlich und effizient, und dies rund um den Erdball. Ein weiteres Erfolgsgeheimnis ist die Ausschaltung der Konkurrenz, entweder durch deren Aufkauf oder durch agressives Verhalten auf dem Immobilienmarkt. Mitbewerber werden insbesondere dadurch geschwächt, dass Schultz seine Filialen möglichst nahe beieinander eröffnet. Dies, um die Wartezeit während Stosszeiten zu verkürzen, jedoch auch um die Auswahlmöglichkeiten an sich einzuschränken. Dies lässt sich am Beispiel Vancouvers sehr gut

illustrieren: Auf meiner fünfminütigen Busfahrt zum Hafen in North Vancouver passiere ich insgesamt drei Starbucksfilialen. Das letzte, was ich vor der Abfahrt mit dem Seabus sehe, ist Starbucks (sowie McDonalds) und auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht werde ich wiederum als erstes von einer Starbucksfiliale empfangen. Eine Art Heimathafen? Warum bin ich hier? Weil ich genau weiss, was ich erhalte. Der Kaffee schmeckt überall identisch. Aus demselben Grund gehe ich im Ausland zu McDonalds, wenn mir das dortige Essen nicht schmeckt oder mich die Lust auf eine mir bekannte Speise überkommt. Genau dies ist die Aufgabe von Supermarkt-, Kaffeehausoder Fast-Food-Ketten: Sie schüren keine unerfüllbaren Erwartungen, versprechen nichts, was sie nicht halten könnten. Sie sind ein sicherer Hafen, unabhängig von Ort und Zeit und können gerade deshalb zu Orten der Erinnerung werden, insofern mich das Starbucks-Café in Basel oder Bern an jenes in New York, Vancouver oder Peking erinnert. Ketten werden zu Brückenbauern, dadurch, dass sie einen gemeinsamen Referenzrahmen schaffen, ohne Beziehung zur jeweiligen Kultur und ohne oder nur mit minimen Verweisen auf diese. In einer Welt, welche uns täglich mehr Flexibilität abfordert, in der wir von Berufs wegen oder aus privaten Gründen zum Reisen gezwungen sind, bedeuten Orte wie dieser eine Heimat, die wir uns nicht erarbeiten müssen. Vom Kundenservice über die Aromanote, ja bis hin zu den Toiletten erwartet mich, was ich bereits kenne. Wir sind nicht gezwungen durch ein langwieriges Prozedere von Trial and Error herauszufinden, in welchem Café die freundlichste Bedienung oder der beste Kaffee zu finden ist - folglich eine Art Instantbefriedigung. Und doch, kann ein Ort wie dieser mit der ursprünglichen Idee eines Kaffehauses verglichen werden, welches es nur ein einziges Mal an einem einzigen Ort auf dieser Welt gibt und dessen Entdeckung uns mit einem nachhaltigen Gefühl der Zufriedenheit erfüllt und dazu beiträgt, dass wir eben diesen Ort als so einzigartig empfinden? Das nächste Mal also von jenen besonderen Orten, die Vancouver zu Vancouver machen.

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artensuite ar nsuite nr. 01/2007

Titelseite: Erik Dettwiler Levitation, 2001, Videoarbeit, 3:20 Min Ausstellungskritiken Berner Galerien siehe Seite 43

Kunst f端r jeden Geschmack 38 | Greift Rudolf Steiner nach dem Pfefferspray... 39 | Hofstettenstrasse 2006 40 | Experimentelles im Zeichen der Zeit 40 | Kunst im Buch 41 | Galerienseiten 42/43 | Kunstmenschen 46 | Berner Galerien 47 | Augenspiel 50 | Impressum 50 | Berner Museen Bern / Biel / Thun 51

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Installationsaufnahme Saal 9 «Bilderzimmer» von Anton Henning. © Kunstmuseum Luzern, Foto: Stefano Schröter

Kunst für jeden Geschmack Modell für ein Museum Kunstmuseum Luzern Europaplatz 1. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10:00-17:00 h, Mittwoch 10:0020:00 h. Bis 18. Februar.

■ Über Geschmack und Kunst lässt sich bekanntlich ja gut und gerne streiten. Wer dies wieder einmal ausgiebig tun möchte, dem bietet die aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum Luzern genügend Diskussionsstoff. Von Monique Meyer Die Ausstellung «Modell für ein Museum» hält für jeden Kunstgeschmack eine Menge Kunst bereit, denn sie präsentiert die Sammlung des Museums auf eine ganz besondere Art. Es geht darum, die Institution Museum von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten. Die Realisation dieser Ausstellung geht aus dem «Projekt Sammlung 04-06» hervor, mit welchem sich der Sammlungskonservator Christoph Lichtin seit zwei Jahren befasst. Dieses Projekt, das nun bis Ende 2007 verlängert wird, widmet sich dem Museum als Sammlungs-, Erinnerungs- und Repräsentationsstätte. Das Projekt beinhaltet einerseits das zeitgemässe Erfassen der gesammelten Kunstwerke, d. h. sie werden wissenschaftlich dokumentiert, in einer digitalen Datenbank erfasst und für vielfältige Nutzungen zugänglich gemacht. Andererseits geht es darum, die Konservierung der Kunstwerke zu gewährleisten und schliesslich neue Formen der Präsentation in den gegebenen Räumlichkeiten zu entwickeln. In diesem Rahmen möchte

das Museum die bereits bestehenden Sammlungsschwerpunkte wie Zentralschweizer Kunst, nationale und internationale Gegenwartskunst seit 1970 oder Kunst mit neuen Medien durch Ankäufe ausbauen und weiterentwickeln. Damit erhofft man sich auch, dass die Sammlung mit neuen Möglichkeiten in die Ausstellungstätigkeit integriert wird. In zwölf Räumen werden nun die Sammlungsbestände aus verschiedenen Kunstepochen und Stilrichtungen vorgestellt. Die unterschiedlich geordneten Räume zeigen, wie jeder Kunstgattung jeweils eine andere Form der Ausstellung zukommt. Die verschiedenen Modelle werden auf interessante Weise konfrontiert und zeigen dem Besucher auf einer Metaebene die gestalterischen Möglichkeiten eines Museums auf. Im ersten Raum, der «Kunsthalle», stehen der grossformatigen Malerei der 1970er und 1980er Jahre, u. a. Gemälde von Martin Disler, Rolf Winnewisser und Franz Wanner, grosse, weiss getünchte Wandflächen zur Verfügung. In einem weiteren Raum, dem «Oberlichtsaal», werden Gemälde des 19. Jahrhunderts präsentiert. Die Wände mit den Landschaftsmalereien von Robert Zünd, Alexandre Calame, Léopold Robert etc. sind grün-grau abgetönt, die weisse Fläche in der oberen Wandhälfte begünstigt das Licht im Raum, das von der De-

cke einfällt. Dennoch wirkt ein solcher Raum eher düster und kalt. Ein Gegenmodell zu diesem klassischen Raum bildet das «Bilderzimmer». Der Maler Anton Henning verwandelt seinen Raum in satte, leuchtende Farben und gestaltet ihn mit einer «Crossover»-Installation von Gemälden, Möbeln, Skulpturen Wandmalereien und Videos. Zwei unterschiedliche Sammlungen erhalten in der Ausstellung besonderes Gewicht. Zum einen wird die Sammlung Walter Minnich, die dem Kunstmuseum 1937 geschenkt wurde, erstmals in seiner Gesamtheit gezeigt. Die Sammlung enthält Werke von Max Pechstein, Chaim Soutine, Raoul Dufy, Maurice de Vlamick sowie Monotypien von Moriz Melzer. Zum anderen wird die Fotosammlung «I Am a Museum» des seit langem in Luzern lebenden Fotografen und Schriftstellers Allan Porter vorgeführt. Die ausgestellten Fotografien sind für Porter vor allem «lebendiges Archiv und Arbeitsmittel». Die unterschiedlich gestalteten Räume bieten dem Besucher eine wahre Entdeckungsreise durch die Vielfältigkeit der Kunstgeschichte und der Möglichkeiten des Ausstellens in einem Museum. Wenn auch nicht in jeden Raum alles ganz verständlich wird, so kann man aber trotzdem immer wieder staunen und innehalten.

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Francisco Sierra, ExBoligrafo, 2005/06, Ölfarbe und Firnis auf Baumwolle, je 18 x 24 cm

Greift Rudolf Steiner nach dem Pfefferspray … … verlassen die demo-unerprobten Vernissagebesucher die schützende Wärme und setzen ihre angeregten Gespräche bei Minustemperaturen fort. Zur Eröffnung der diesjährigen Weihnachtsausstellung in der Kunsthalle hat sich viel Volk eingefunden. Dies ist nicht weiter verwunderlich, Von Monika Schäfer stellen doch ausschliesslich in Bern ansässige, respektive arbeitende KünstlerInnen aus, darunter Leute, deren Namen sich im kollektiven Gedächtnis der Berner Kunstinteressierten längst eingeprägt haben. Von insgesamt 114 BewerberInnen konnten sich 19 Kunstschaffende bei der Jury behaupten. Verglichen mit der letztjährigen unjurierten Ausstellung, die – unter Einbezug der Räumlichkeiten von PROGR, Stadtgalerie und Kunstmuseum – Werke von 42 KünstlerInnen umfasste, eine eher bescheidene Anzahl Beteiligter. Dafür ist die Ausstellung übersichtlich gestaltet und ermöglicht eine vertiefte Auseinandersetzung mit den meist mit mehreren Werken vertretenen KünstlerInnen. Auch ist der Kunsthalle eine äusserst vielseitige Werkschau gelungen: Fotografie, Ölmalerei, Aquarell, Raum-, Wand- und Videoinstallationen sorgen für einen abwechslungsreichen Ausstellungsbesuch. Andrea Loux, in Bern unter anderem durch Videoinstallationen in PROGR und Stadtgalerie bekannt, präsentiert die Fotoarbeit «My Famiartensuite Januar 01 | 07

ly». Sie nimmt Familienfotos aus dem Internet, kennzeichnet mögliche Beziehungen zwischen den Porträtierten durch Pfeile und Kreise und erinnert uns daran, welche internen Zwiste und Intrigen hinter einer nach aussen hin strahlend lächelnden Familienfassade stecken können – ein ironischer Hinweis auf die bevorstehende weihnächtliche Familienfeier? Von den drei Videoinstallationen sticht, im wahrsten Sinne des Wortes, Peter Aerschmanns «Eyes» ins Auge. Der Künstler hat drei Personen gefilmt, aus ihrer natürlichen Umgebung herausgelöst und vervielfacht. So treffen sich in «Eyes» eine verhüllte ägyptische Zoobesucherin und zwei bis auf die Augen verhüllte New Yorker Verkehrspolizisten in einem neutralen grauen Raum. Indem Aerschmann die einzelnen Figuren und deren Bewegungsablauf vervielfacht und übereinanderlegt, entsteht ein seltsames in einem leeren Raum stattfindendes Nebeneinander, das unterschiedliche Interpretationen zulässt: Geprägt durch die Medienberichterstattung rund um die Terroranschläge der vergangenen fünf Jahre werden bei der Betrachtung von Aerschmanns Videoarbeit unweigerlich Assoziationen wachgerufen, die mit Zoobesuch und Verkehrsregelung herzlich wenig zu tun haben. «Eyes» führt uns vor, wie stark unsere Wahrnehmung in bereits vorgegebene Deutungsmuster eingebettet und deshalb bis zu einem gewissen Grad manipulierbar ist. Gleich mit zwei Werkgruppen prä-

sent ist Francisco Sierra. Während er in «Eines Tages kommen wir zur Ruh’» mit der fotorealistischen Darstellung eines eingepferchten Schweins, der Präsentation eines Biskuit-Hundes und der Fotografie einer regungslos daliegenden Schönheit in dreifacher Weise einen kritischen Blick auf die Verdinglichung von Lebewesen wirft, offenbart er uns in «ExBoligrafo und ein Selbstporträt» gewissermassen sein Innenleben: Sierra hat neben sein Selbstporträt in Gertsch-Manier 24 kleinformatige Ölbilder gehängt, die mit ihren grottesken und makabren Figuren an Höllen-Szenarien von Hieronymus Bosch und an Goyas beängstigende «Caprichos» erinnern. Die seltsam anrührenden und zugleich abstossenden Miniaturen sind präzise Weiterverarbeitungen von Kugelschreiberzeichnungen, sogenannten «boligrafos», in denen Sierra Gedankengänge und Beobachtungen spontan festgehalten hat. Mit den surrealistisch anmutenden «ExBoligrafo» gewährt uns der Künstler gewissermassen Einblick in sein Innenleben, in diejenigen Welten, die wir hinter dem eindringlichen Blick des Porträtierten vermuten möchten. Und um noch einmal auf die Pfefferspray-Performance zurückzukommen: Wenn ich mich bisher beim Erklingen des Namens Rudolf Steiner eurhythmisch hin und her gewiegt habe, so huste ich heute und schneuze die triefende Nase – fürwahr eine Horizonterweiterung…

Weihnachtsausstellung 2006/07 Kunsthalle Bern, Helvetiaplatz 1. Geöffnet Dienstag 10:00-19:00 h, Mittwoch bis Sonntag 10:0017:00 Uhr. Bis 7. Januar.


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Stefan Guggisberg, Ohne Titel, 2006, Öl auf Papier, 200 x 150 cm Regine von Felten, Pilze haben keine Blätter, 2004, Digitalfotografie aus Serie, nachbearbeitet mit Kreide, Filzstift, Schere, auf Plexiglas, 18.9 x 28 cm Reto Leibundgut, Roger III, 2005, Gobelin, 40,5 x 30 cm

Hofstettenstrasse 2006 Hofstettenstrasse 2006 Kunstmuseum Thun, Hofstettenstrasse 14. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10:00-17:00 h, Mittwoch 10:0021:00 h. Bis 14. Januar.

■ Alle Jahre wieder präsentiert das Kunstmuseum Thun das aktuelle regionale Kunstschaffen. 2006 ist die Hofstettenstrasse Ausstellung geprägt von Malerei und Fotografie, installative Arbeiten wie auch Skulpturen sind leicht untervertreten. Die Palette aber ist breit, was Techniken, Stile und Jahrgänge angeht. Und wie jedes Jahr ist man überrascht, dass in einer Kleinstadt wie Thun nebst dem Waffenplatz ein äusserst reger Kunstbetrieb herrscht. Aus Solidarität zu

all jenen Künstlern, die in der Presse bisher nicht erwähnt wurden, seien alle hier aufgelistet; es lohnt sich, die Ausstellung nicht zu verpassen. (ts)

Burkhard Hilty, Béatrice Hofer-Gysin, Paul Le Grand, Reto Leibundgut, Myriam Aline Loepfe, Martin Loosli. Patrik Marcet, Jürg Maurer, Chantal Michel, Ernesto Nicolai, Olivia Notaro, Kai Rheineck, Dominik Stauch, Reto Künstlerinnen und Künstler: Steiner, Egle Vido, Regine von Felten, Marianne Baumann, Manuel Burge- Bendicht Walthert. ner, Erik Dettwiler, Diana Dodson, Hanspeter Gempeler, Marco Giacomoni. Alexandre Güdel, Stefan Guggisberg, Filip Haag, Mirjam Helfenberger, Christian Helmle, Marta Herzog,

Experimentelles im Zeichen der Zeit Giovanni Giacometti. Arbeiten auf Papier Kunstmuseum Solothurn, Werkhofstrasse 30. Geöffnet Dienstag bis Freitag 11:00-17:00 h, Samstag bis Sonntag 10:0017:00 h. Bis 28. Januar.

■ In seiner Reihe von Ausstellungen zu Papierarbeiten bedeutender Schweizer Künstler gewährt das Kunstmuseum Solothurn im graphischen Kabinett derzeit einen Einblick in das Schaffen Giovanni Giacomettis. Das Werk des vor allem durch nachimpressionistische Freilichtmalerei bekannt gewordenen Künstlers umfasst eine grosse Anzahl grafischer Arbeiten, die der Öffentlichkeit in diesem Umfang bisher noch nicht zugänglich war. Die technischen Fähigkeiten Giacomettis treten in der Bandbreite der ausgestellten Aquarelle, Radierungen, Holzschnitte, Pastelle und Zeichnungen, die sich über seine gesamte Schaffensphase erstrecken, deutlich zu Tage. Insbesondere Landschaftsdarstellungen, sowie Porträts bestimmen den thematischen Rahmen der gezeigten Arbeiten, darunter auch Skizzen und Entwürfe für einige seiner Ölbilder. Die weitgehend chrono-

logisch angeordnete Ausstellung zeigt viel Experimentelles im Zeichen der jeweiligen Kunstströmungen der Zeit. Dazu zählen neben Annäherungen an den Pointillismus, expressionistische Umrissbetonungen und dem Fauvismus zugewandte Farbspiele vor allem Anklänge an die Arbeiten seines Vorbildes Segantini. Insbesondere die ausgestellten Gruppen verschieden farbig gedruckter Holzschnitte, deren Druckstöcke ebenfalls zu sehen sind, vermitteln das besondere Gespür Giacomettis für Farbe und Form. Die sichere Aufnahme der künstlerischen Tendenzen seiner Umgebung täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass es dem grafischen Werk Giacomettis an Originärem fehlt. Im sich aufdrängenden Vergleich der Arbeiten Giovannis mit dem Werk seines ungleich berühmteren Sohnes Alberto muss dieser Mangel einer eigenen Linie verstärkt ins Auge fallen. Doch gerade im Bereich der menschlichen

Figur, der als Knotenpunkt des Werks Albertos angesehen werden kann, vermittelt die Solothurner Ausstellung mit den ausgewählten Zeichnungen eine enge innere Beziehung von Vater und Sohn. Insbesondere die beiden feinnervigen Darstellungen Giovannis von seiner Frau Annetta von 1923 und einer in Silberstift gearbeiteten von Alberto aus dem Jahr 1922 zeugen von einem aussergewöhnlichen Einfühlungsvermögen in sein Gegenüber und die künstlerischen Mittel. Eine erfreuliche Fügung für das Kunstmuseum Solothurn und das an der Ausstellung massgeblich beteiligte Bündner Kunstmuseum Chur (wo die Ausstellung im Anschluss zu sehen sein wird) ergab sich in der Schenkung der zunächst als Leihgaben für die Ausstellung entgegengenommenen Werke aus dem Besitz von Bruno und Odette Giacometti. (ns)

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Kunst im Buch Standardwerk

Porträtist

Bildarchitektur

■ Weisses Kreuz auf rotem Grund. Bereits im geometrisch ausgestalteten Einband zeigt sich bildlich, worum sich der Inhalt dreht: um das «Kunstschaffen in der Schweiz, 1848-2006», so der Titel der jüngsten Publikation des Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft. Entstanden ist kein herkömmliches Lexikon, sondern ein äusserst lesenswertes Buch, das sich in längeren Texten mit einzelnen Aspekten der Kunstwelt auseinandersetzt, wobei das Schwergewicht auf dem sozialen Feld und seinen Bedingungen liegt, wo Kunst entsteht und rezipiert wird. In neunundzwanzig fundierten Aufsätzen werden Einblicke in verschiedene Sparten der Geschichte der Kunst gewährt, wobei die Autoren sowohl aus der Sicht der Wissenschaft wie auch aus der musealen Praxis berichten und aus diesen unterschiedlichen Perspektiven für eine abwechslungsreiche Mischung sorgen. Unter der Überschrift «Zeitlinien» wird zunächst ein Überblick über stilistische Entwicklungen und historische Fixpunkte gegeben, flankiert von Bilddokumenten der bedeutendsten künstlerischen Werke der jeweiligen Zeit. Es folgen Schlaglichter auf einzelne Aspekte, beginnend mit dem Engagement des Staates, dem die Kunst einerseits eine «Nationale Identität» verleihen kann, aber andererseits auch als Förderstelle in Anspruch genommen wird und beispielsweise einen Länderpavillon an der Kunstbiennale Venedig zur Verfügung stellt. Nach den politischen Rahmenbedingungen werden sowohl der Kunstmarkt, die Kunstkritik, Sammler und Ausbildungsstätten besprochen, bevor die Kunstschaffenden selbst im Zentrum der Diskussionen stehen. Das voluminöse, gewichtige Buch hat beste Chancen, zur künftigen Grundausstattung von Studierenden, Kunsthistorikern und Kunstinteressierten zu werden. (sm)

■ Bereits mit vierundzwanzig Jahren wird Diego Rodriguez de Silva y Velázquez (1599-1660) zum Hofmaler am spanischen Hof unter Philipp IV. in Madrid. Damit ist er, ausgehend von Sevilla, wo er seine Lehrjahre bei Francisco Pacheco verbrachte, in eine der zentralen Schaltstellen der Macht in Europa gelangt und wird zu einem einflussreichen Maler. Seine Stellung als Hofmaler brachten Velázquez eine einmalige Position, jedoch waren damit nicht nur Vorteile verbunden, denn neben seiner künstlerischen Tätigkeit hatte er weitere Aufgaben im königlichen Haushalt, als Kammerherr bis hin zum Zeremonienmeister. Derartige Aufgaben waren oft zeitraubend und eher lästige Pflichten für den Maler. Bekannt geworden und geblieben ist Velázquez vor allem durch seine aussergewöhnlichen Porträts der königlichen Familie und anderer Personen des Hofes. Dass Velázquez aber mehr ist als «Köpfe malen», dies zeigt die aktuelle Ausstellung in der National Gallery London (bis 21. Januar 2007) und der dazu – auch in Deutsch – erschienene Katalog. Gut ein Drittel aller Werke von Velázquez, immerhin 46 Gemälde, zeigt die Ausstellung. Es sind Werke aller Stationen ausgestellt und im Katalog ausführlich beschrieben: von den frühen Bodegones (Darstellung des einfachen Volkes, Wirtshausszenen), die bereits den für Velázquez so typischen Realismus beinhalten, bis hin zu seinen meisterhaften Porträts. Neben Kunst und Leben von Velázquez werden in weiteren Essays das Umfeld des spanischen Hofes vorgestellt, seine Maltechnik (in nicht immer verständlichem Fachjargon), seine Beziehungen zu Grossbritannien (die National Gallery besitzt immerhin acht Gemälde von Velázquez) sowie die weltberühmte «RockebyVenus». Im Katalogteil werden zudem alle ausgestellten Werke in kurzen Texten vorgestellt. (di)

■ Gemeinhin wird Thomas Demand (1964 in München geboren) als Fotograf bezeichnet. Aber wie Gregory Crewdson genauso Regisseur wie Fotograf ist, so ist Demand Bildhauer und Installationskünstler – oder sogar Architekt. Demands Bildwelten erscheinen erst einmal kalt, vielleicht sogar trostlos. Dies ist ein Resultat seiner Arbeitsweise. Bevor Demand überhaupt zur Kamera greift, baut er seine Motive aus Pappe und Karton, was eine gewisse Glätte und Vereinfachung zur Folge hat. Grundlage sind meist Fotos aus unseren Massenmedien, aus Zeitungen und Zeitschriften, Tatort- und Pressefotografien. Foto – Installation – Foto. Vom Spektakulären der Medienbilder bleibt jedoch bei Demand wenig übrig, er überführt die Bilder zu völlig unspektakulären Ansichten. In «Bathtub» (1997) ist eine leere Badewanne zu sehen. Es ist die Wanne, in der Uwe Barschel tot aufgefunden wurde. Von ihm ist keine Spur zu sehen. Was bleibt ist der Ort – die Architektur. Auf diesen architektonischen Aspekt in Demands Schaffen geht Beatriz Colomina in ihrem Essay im neu erschienen Katalog zu Demands Ausstellung in der Londoner Serpentine Gallery des letzten Jahres ein. Demand selbst sieht die Medien als Architektur, als eine weite Landschaft, einem virtuellen Gebiet mit Städten aus Skandalen, Türmen aus Superstars, einem Sumpf aus Mord. Am Deutlichsten wird dies in der monumentalen Arbeit «Grotto», die eine Tropfsteinhöhle zeigt, die Demand erstmals mit Hilfe des Computers nachbaute. «Grotto» erinnert an Schwitters und den «Merzbau». Der zweite Teil des Katalogs ist einem ausführlichen Interview des Filmemachers Alexander Kluge mit Demand gewidmet. Zahlreiche hochwertige Abbildungen runden den schön gestalten und luxuriösen Katalog ab. (di)

Das Kunstschaffen in der Schweiz 1848-2006, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Benteli, 2006, 412 Seiten, Fr. 48.00.

Diego Velázquez. Katalog zur Ausstellung in der National Gallery, London 2006/2007. Belser, 2006, 255 Seiten, Fr. 94.00.

Thomas Demand. Catalogue of the exhibition at Serpentine Gallery London. Schirmer/Mosel, 2006, 143 Seiten, Englisch, Fr. 97.00.

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Natürlich künstlich ■ «Bitte nicht berühren» prangt in schwarzen Lettern auf einem weissen Zettel am Topf einer Zimmerpflanze. Merkwürdig mutet dieses Ensemble mitten in einem Galerieraum an, doch das Schild ist nicht das einzige, das irritiert: Die Blätter der Pflanze sind kunstvoll mit einer grünen Fadenborte umrahmt, als wäre das Gewächs ein absonderlicher Spross einer genetischen Mutation. In Regula Dettwilers Arbeiten kreuzen sich Kunst und Natur zu einer neuen Gattung. In ihrem Projekt «Naturgeschichte der artifiziellen Welt» fertigt sie mit akribischer Genauigkeit Aquarelle von Pflanzen an, die sich auf den zweiten Blick als künstliche Flora aus Plastik und Stoff

entpuppen. In alle Einzelteile auseinanderdividiert, erinnern sie an gemalte Lexikoneinträge von zweifelhaftem wissenschaftlichen Wert. In der dritten der insgesamt fünf Ausstellungen zum Jubiläum ihres 25-jährigen Bestehens präsentiert die Galerie Haldemann zehn Kunstschaffende unter dem Titel «Garden View». Einblicke und Ausblicke, ausschnitthafte Zooms und abstrahierte Inspirationen umreissen das Thema in vielfältigen Variationen und fragen nach dem Empfinden und Ausdruck von Natur in einer zunehmend künstlichen Welt. Im Kabinett der Galerie begegnen sich die Werke zweier Künstlerinnen:

Bea Hänggi beschäftigt sich mit der von Menschenhand bezwungenen, domestizierten Natur, dem Schrebergarten, lässt diesen jedoch aussen vor. Im Zentrum ihrer Fotografien steht die Schrebergartenarchitektur, die aufgeklappt wie ein Bastelbogen den kleinräumigen hortus conclusus des Menschen wie eine Wunschwelt für jedermann aussehen lässt. Dem gegenüber wirken die Werke Rita Siegfrieds im noch geringeren Format wie gemalte Preziosen: Nach Vorlagen alter Gemälde aus der Geschichte der Kunst stellt sie in einer Art Bühnenkulisse ihre Sujets zusammen, die sie aufwändig, mit grosser Sorgfalt in filigrane loci amoeni verwandelt. (sm)

Garden View Galerie Margit Haldemann, Brunngasse 14 / Brunngasshalde 31, Bern. Geöffnet Mittwoch bis Freitag 14:0018:00 h, Samstag 11:00-16:00 h. Bis 28. Januar.

Rita Siegfried, «Garten», 2006, Eitempera auf MDFTafel, 12 x 22 cm

Zuckersüsser Blütenzauber ■ «Ich möchte, dass meine Bilder schön sind. (…) Ich bin für die Schönheit», so die gebürtige Japanerin Teruko Yokoi, die seit 1962 in Bern lebt. Mit der aktuellen Ausstellung widmet sich die Galerie Kornfeld einer Präsentation von jüngsten Werken der heute 82-jährigen Malerin. Der kalligraphischen Tradition folgend sind Natursujets, Blumen, Zweige oder Wasserflächen zeichenhaft reduziert. Schnelle Pinselstriche markieren linienhafte Stengel, flächig überlagern sich lasierende Farbschichten, die sich zu leuchtkräftigen Volumen und kontrastreichen Blütenblättern formieren. In Yokois Malerei gerät die Natur an

den Rand der Abstraktion, doch wird dieser schmale Grat nur in wenigen Bildern zu Gunsten der Ungegenständlichkeit überschritten. Aber gerade diese erweisen sich als die stärksten Werke der Ausstellung, in denen die strahlende Couleur das Auge nicht nur verführt und mit lieblichen Blumen in einen gar süsslichen Farbenrausch eintaucht. Denn diese Bilder animieren zum Schauen, ohne dass sich die Sujets offensichtlich auf den ersten Blick erschliessen und die vereinnahmende Ästhetik überwiegt. Trotzdem lässt einen das schale Gefühl nicht los, dass hier allzu gefällig präsentiert wird: Praktisch alle Bilder sind im

handlichen Format von 31 x 31 cm genormt und folgen dem künstlerischen Credo der Schönheit. Die Ausstellung gefällt zweifellos, denn schon nach der Hälfte der Ausstellungszeit ist der überwiegende Teil der Exponate verkauft, was aufzeigt, dass diese Kunst kaum Widerhaken aufweist. Doch es finden sich auch weniger zugängliche Beispiele, bei denen sich plasmahafte Farbspuren in unbestimmte Horizonte mit tiefem Blau und dräuendem Grau gegeneinander abgrenzen, Bilder mit starken Stimmungen, die Zeit brauchen und an deren Seite bezeichnenderweise bisher noch kein roter Punkt angebracht worden ist. (sm)

Teruko Yokoi - Farbentanz zu Windmusik Galerie Kornfeld, Laupenstrasse 41, Bern. Geöffnet Montag bis Freitag 14:00-17:00 h, Samstag 10:0012:00 h. Bis 20. Januar.

Teruko Yokoi, Japanese peony, 2006, Aquarell und Eitempera, 31 x 31 cm

Kakophonie im Loop ■ Der erste Eindruck ist überwältigend: Eine unerwartete Bilderflut und Schallorgie stürzt beim Betreten des Raumes auf den Betrachter ein. In grossformatigen Projektionen gleicher Dimension präsentiert Kurator Gerard Johann Lischka im Kunstdepot der Galerie Henze & Ketterer neun Arbeiten aktueller Schweizer Videokunst. Während sich Museen bemühen, einzelne Videos voneinander abzugrenzen, wird hier das Störungspotential ganz absichtlich an die Grenze des Erträglichen getrieben. Die problematische räumliche Nähe wird zur Maxime erhoben, über die entstehende Durchmischung von Klang und Bild bewusst gesucht und dadurch thematisiert. artensuite Januar 01 | 07

Der Ausstellungstitel «art-clips. ch performativ» verweist auf das Potential von Video, flüchtige Momente des Daseins und somit insbesondere auch einmalige, künstlerische Performances festzuhalten. Das Medium ist ausserdem dafür geschaffen, die Beschleunigung des alltäglichen Lebens und der damit einhergehenden Informationsflut bildlich auszudrücken. Die gezeigten Arbeiten beschäftigen sich insbesondere mit dem Körperbild und reichen von gefilmten Performances als Dokumentation etwa von Heinrich Lüber oder Lori Hersberger bis hin zu Werken, die explizit für das Medium Video kreiert wurden, beispielsweise von Chantal Michel oder

František Klossner, dessen langsam zerfliessendes Eisporträt sich wie eine sinnlich stille Oase im hektischen Umfeld der übrigen Werke ausnimmt. Im Loop drehen sich die Videos immerzu wie Erik Dettwiler auf seinem Bürostuhl immerwährend zirkelt und seine Gedanken in Denkerpose gleich mitkreisen. Von der Gleichzeitigkeit des anderen zeugen ausserdem drei nebeneinanderstehende Bildschirme mit ausgewählten Videoclips aus der Schweiz, Deutschland und Österreich. Hier wird die menschliche Konzentration nun endgültig auf die Probe gestellt, bis das mediale Flimmern ein weisses Rauschen im Kopf hinterlässt. (sm)

art_clips.ch performativ Galerie Henze & Ketterer, Kirchstrasse 26, Wichtrach/BE. Geöffnet Samstag 10:00-16:00 h. Bis 17. März.

Erik Dettwiler, Levitation, Videoarbeit, 2001

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List Nikolaus List Nikolaus Kabinett Gerechtigkeitsgasse 3011 Bern, bern@kabinett.ch Kabinett Gerechtigkeitsgasse 72,72, 3011 Bern, bern@kabinett.ch Januar – 10. März –19 Uhr, 11–16 Uhr 13.13. Januar – 10. März DoDo / Fr/ Fr 1414 –19 Uhr, SaSa 11–16 Uhr


Gabi Ham Hamm m Kabinett Kabinett Gerechtigkeitsgasse Gerechtigkeitsgasse72, 72,3011 3011Bern, Bern,bern@kabinett.ch bern@kabinett.ch 13. 13. Januar Januar ––10. 10.März März Do Do/ Fr / Fr14 14–19 –19Uhr, Uhr,Sa Sa11–16 11–16Uhr Uhr


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Kunstmenschen Gabi Hamm

Werke von Gabi Hamm und Nikolaus List sind in der Galerie Kabinett vom 13. Januar bis 10. März 2007 zu sehen.

■ Die Gemälde von Gabi Hamm sind reine Malerei an der Grenze des Gegenständlichen. Sie übersetzen die Konfrontationen mit der Wirklichkeit in ein ästhetisches Empfinden und machen «weniger Aussagen über etwas, sondern bringen dieses Etwas selbst zur Sprache» (Max Raphael über Cézanne). Der Werkprozess wird durch die unmittelbar gewonnenen Einsichten, nicht aber durch im Voraus gefasste Konzepte gesteuert. Ein Plan würde das fragile Gewebe zerstören und sich wie ein lähmender Schatten über die aus der Unschuld hervorgegangenen Gebilde legen. Die Bilder leben durch das subtile Gleichgewicht zwischen Motiv und Malerei. Dieses offenbart sich in zwei Tendenzen, die der Pinsel zu verfolgen scheint: Die eine, zeichnerisch

und mimetisch, respektiert die Vorgaben der Wirklichkeit; die andere hingegen, malerisch und abstrakt, bestimmt die ästhetische Wirkung. Gabi Hamms Porträts junger Frauen, durch die sie bekannt geworden ist, lassen die Schnittstelle wahrnehmbar werden, aus der die Kunst Funken schlägt. Sie ziehen die Blicke auf sich und fordern dazu auf, dass man sie anblickt. Statt aber in die Tiefen der individuellen Person herabzusteigen, verliert sich der Blick in der Malerei. (Norberto Gramaccini)

werte ist der Baum ein Motiv, das dem Betrachter einen leichten Einstieg ermöglicht. Sofort wird einem aber klar, dass List etwas anders beabsichtigt als uns an längst bekannte Bildchiffren zu erinnern. Er entzieht den Bäumen jeglichen Beigeschmack des Natürlichen. Unter seiner Anleitung verflechten sich bunte Geäste zu flimmernden Kompositionen. Stämme sind rissig, die Wurzeln kaum vorhanden, Alles scheint labil zu sein und gehorcht allein dem Willen des Malers, der die wilden Baumwirbel in dem Moment einfriert, da sie die vollendete Form der Komposition angenommen haben. An dem Nikolaus List von List angestrebten Punkt wird das Künstliche als eigentlicher Aus■ Im Werk von Nikolaus List neh- löser einer Bilderfahrung wirksam. men Darstellungen von Bäumen eine (Michael Krethlow) zentrale Rolle ein. Als Träger individueller und kollektiver Erfahrungs-

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BERNER GALERIEN

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Jean-Luc Darbellay, L’art pour l’Aar, Ausstellung im raum, 20.1.-2.2.07

Galerieneintrag: Auf den Seiten «Galerien in Bern» werden nur noch Galerien publiziert, welche unsere jährliche Publikationsgebühr bezahlt haben. Wer sich hier eintragen lassen möchte, melde sich bei der Redaktion: Telefon 031 318 6050 oder redaktion@ensuite.ch.

Altes Schlachthaus Metzgergasse 15, Burgdorf T 034 422 97 86 Sa&So jeweils 11:00-17:00 h annex14 - Galerie für zeitgenössische Kunst Junkerngasse 14, 3011 Bern T 031 311 97 04 / www.annex14.ch Mi-Fr 13:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h Yves Mettler 13.1. - 17.2. Art-House Mittlere Strasse 3A, 3600 Thun T 033 222 93 74 7 www.art-house.ch Mi&Fr 14:00-17:30 h / Do 16:00-19:30 h / Sa 11:00-16:00 h «Spiritualität in der Kunst» Jakob Jenzer: Malerei, Urs Kurth: Fotografie, Renato Jordan: Text-Bilder, Max Roth: Skulptur bis 27.1. Art + Vision Junkerngasse 34, 3011 Bern T 031 311 31 91 Di-Fr 14:00-19:00 h / Do 14:00-21:00 h / Sa & So 11:00-16:00 h Martin Thönen Holzschnitte bis 6.1. Bärtschihus Gümligen Dorfstrasse 14, 3073 Gümligen Mary Poppins! superkalifragilistigexpialigetisch ESPACE Indigo Stauffacher Buchhandlung, 3011 Bern T 0844 88 00 40 Ladenöffnungszeiten artensuite Januar 01 | 07

Fri-Art 22 Petites Rames, 1700 Fribourg T 026 323 23 51 / www.fri-art.ch Di-Fr 14-18:00 h / Sa&So 14:00-17:00 h Nocturne Do 18:00-20:00 h EXPOSITION 1 L’ÂGE CRITIQUE Nicolas Savary en collaboration avec : Christian Bovey, Happypets, Genêt Mayor, Daniel Ruggiero Vernissage: Samstag 27.1., 18:00 h

Galerie 849 MüM Gurtenpark im Grünen, 3084 Wabern Täglich von 9:00-18:00 h

bk Galerie Bernhard Bischoff & Partner Speichergasse 8, 3011 Bern T 031 312 06 66 www.bernhardbischoff.ch Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder nach Absprache Christian Kathriner, Elisabeth Llach, Andrea Loux, Kotscha Reist, Dominik Stauch & Brigitte Zieger X_MAS bis 6.1. (nur nach Voranmeldung geöffnet) Luc Andrié, Urs Zahn absurdities 11.1. - 24.2.

Galerie Artraktion Hodlerstrasse 16, 3011 Bern T 031 311 63 30 / www.artraktion.ch Do&Fr 15:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder nach Vereinbarung DENISE FELBER Bildobjekte GABI KOPP Bilder und Objekte Vernissage zum Galerienwochenende Sa, 13. / So, 14.1., 11:00-17:00 h

Galerie 25 Regina Larsson 2577 Siselen / T 032 396 20 71 www.galerie25.ch Fr-So 14.00-19:00 h oder nach tel. Vereinbarung Die Galerie ist bis am 24.2. geschlossen. Galerie 67 Belpstrasse 67, 3007 Bern / T 031 371 95 71 www.galerie67.ch Mo 14:00-18:30 h / Di-Fr 9:00-12:00 h & 14:00-18:00 h / Sa 10:00-12:00 h Dany Mar, Bern Öl / Acryl auf Leinwand 3.1. - 28.2.

Galerie Artdirekt Herrengasse 4, 3011 Bern / T 031 312 05 67 www.artdirekt.ch Vera Goulart Malerei,Zeichnungen,Installation 13.1. - 10.2.

Galerie bis Heute Amtshausgasse 22, 3011 Bern T 031-311 78 77 www.galerie-bisheute.ch Do-Fr 14:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h & nach Vereinbarung Galerie Beatrice Brunner Nydeggstalden 26, 3011 Bern T 031 312 40 12 / www.beatricebrunner.ch Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h art_clips .ch performativ Ariane Andereggen, Erik Dettwiler, Lori Hersberger, Franticek Klossner, Heinrich Lüber, Chantal Michel, Victorine Müller, RELAX, Rudolf Steiner. 2.12. - 17.3. Galerie Duflon & Racz Gerechtigkeitsgasse 40, 3011 Bern T 031 311 42 62


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Thomas Wyder - Landschaften in der Galerie Ramseyer & Kaelin vom 9. - 27. januar 07

Do 14:00-20:00 h, Sa 12:00-17:00 h oder nach tel. Vereinbarung. Markus Baumann série rouge Markus Baumann zeigt erstmals seit 5 Jahren erneut Bilder, welche sich kritisch mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzen. Vernissage 13.1. ab 13:00 h mit open end bis 23.2. Galerie Henze & Ketterer Kirchstrasse 26, 3114 Wichtrach T 031 781 06 01 / www.henze-ketterer.ch Di-Fr 10:00-13:00 h & 14:00-18:00 h / Sa 10:00-16:00 h Kunst Depot: art clips, .ch performativ Videoclips-Preview von Schweizer Künstlerinnen und Künstlern. Eine Ausstellung der videokunst.ch kuratiert von Gerhard Johann Lischka bis 17.3. Sechzig Jahre GHK Ebene I + II + III 13.1. - 17.3. Galerie im Graben Waldeckstrasse 12, 3052 Zollikofen T 031 911 96 06 Fr 17:00-19:00 h / Sa 16:00-19:00 h & So 11:00-17:00 h Galerie Margit Haldemann Brunngasse 14, Brunngasshalde 31 T 031 311 56 56 margithaldemann@bluewin. ch, www.artgalleries.ch/haldemann Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h Saison 2006/07: 25 Jahr Jubiläum Ausstellung 3/5 „Garden View“: Regula Dettwiler, René Fendt, Bea Hänggi, Irma Ineichen, René Küng, Jörg Mollet, Rita Siegfried, Ivo Vonlanthen, Paul Wiedmer, Irène Wydler

Anna-Rosa haldemann - Blumen und mehr in der Galerie Ramseyer & Kaelin vom 9. - 27. januar 07

bis 28.1. 18. Berner Galerien-Wochenende: Sa/So, 13./14.1., je 11:00-17:00 h Berner Design Weekend: Sa/So, 27./28.1., je 11:00-17:00 h (vom 23.12.06 - 9.1.07 ist die Galerie nur nach Vereinbarung geöffnet) Galerie Martin Krebs Münstergasse 43, 3011 Bern T 031 311 73 70 / www.krebs.artgalleries.ch/ Di-Fr 14:30-18:30 h / Sa 10:00-14:00 h M.S. Bastian, 100 Ansichten von Bastropolis Vernissage: 11.1., 18:30-20:30 h Finissage: 24.2., 11:30-14:00 h Wochenende des Vereins Berner Galerien: Sa & So, 13./14.1., je 11:00-17:00 h Galerie Kornfeld Laupenstrasse 41, 3001 Bern T 031 381 46 73 / www.kornfeld.ch Mo-Fr 14:00-17:00 h Teruko Yokoi Farbentanz zu Windmusik Aquarelle und Tempera auf Papier bis 20.1. Galerie Ramseyer & Kaelin Junkerngasse 1, 3011 Bern T 031 311 41 72 Mi-Fr 16:00-19:00h / Sa 13:00-16:00h Anna-Rosa Haldemann Thomas Wyder Ottfried Zielke Vernissage: 9.1., 19:00 h bis 27.1. Galerienwochenende vom 13./14.1. geöffnet von 11:00-17:00 h

Galerie Rigassi Münstergasse 62, 3011 Bern T 031 311 69 64 / www.swissart.net/rigassi Di-Fr 11:30-13:30 h & 15:30-19:00 h / Sa 10:30-16:00 h anniversary 20 20 Jahre Verein Berner Galerien Vernissage: 10.1 von 18:45-20:30 h bis 24.2. Galerie Silvia Steiner Seevorstadt 57, 2502 Biel / T 032 323 46 56 / www.silviasteinergalerie.ch Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 14:00-17:00 h oder nach Vereinbarung Im Januar ist die Galerie geschlossen. Galerie Tom Bleass Uferweg 10b 3013 Bern / T 079 222 46 61 www.tomblaess.ch Kabinett Bern Gerechtigkeitsgasse 72-74, 3011 Bern T 031 312 35 01 www.kabinett.ch Do & Fr 14:00-19:00 h & Sa 11:00-16:00 h Cécile Hummel bis 6.1. Kerstin Pfefferkorn bis 6.1. Gabi Hamm & Nikolaus List 13.1. (Galerienwochenende) bis zum 10.3. Kornhausforum Forum für Medien und Gestaltung Kornhausplatz 18, 3011 Bern T 031 312 91 10 / www.kornhausforum.ch Di-Fr 10:00-19:00 h / Do 10:00-20:00 h / Sa 10:00-16:00 h Spielwitz & Klarheit Schweizer Architektur, Grafik und Design 1950-2006 bis 21.1. artensuite Januar 01 | 07


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Nikolaus List, Ausstellung in der Galerie Kabinett 13.1.-10.3.07

Ohne Dings kein Bums 20 Jahre Umgang mit Aids Revue passieren bis 6.1. Shaxi Rehabilitation Project 17.1 - 3.3. Kunstreich Gerechtigkeitsgasse 76, 3011 Bern T 031 311 48 49 / www.kunstreich.ch Mo-Fr 09:00-18:30 h / Do 09:00-20:00 h / Sa 09:00-16:00 h Heinz-Peter Kohler zur Eröffnung am 14.1. ca. 13:30 h spricht Toni Muhmenthaler, Musiker 15.1. - 24.2. Kunstraum Oktogon Aarstrasse 96, 3005 Bern Fr 16:00-19:00 h / Sa 11:00-15:00 h KunstQuelle Brunngasse 14, 3011 Bern T 079 818 32 82 / www.kunstquelle.ch Mi & Fr 14:30-18h / Do 15:30-19:00h / Sa 13:00-16:00 h oder nach tel. Vereinbarung. ONO Bühne Galerie Bar Kramgasse 6, 3011 Bern T 031 312 73 10 www.onobern.ch Nachtgalerie Fr&Sa 22:00-24:00 h oder nach telefonischer Vereinbarung / bei allen ONOVeranstaltungen Adrian Moser ‘Berns Unterwelt’ 9.1. - 28.2. Berner Galeriewochenende: ONO zeigt Bilder der Serie ’Berns Unterwelt’ des Fotografen Adrian Moser Sa & So 13./14. jeweils ab 11:00 h

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PROGR Zentrum für Kulturproduktion Speichergasse 4, 3011 Bern www.progr.ch Präsentation der Städtischen Ankäufe Stadtgalerie_Pavillon im PROGR_Hof Öffnungszeiten: Di 14:00-20:00h & Mi-Sa 14:00-17:00 h bis 6.1. Videokunst.ch: Arno Nollen (NL) Ort: videokunst.ch, 1.OG «MPLS The Avenue», 2002 / 59‘ Di 14:0020:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h / Sa 27.1. 14:00-21:00 h 9.1.-10.2. «Prag - Bern Retour» Werkpräsentation Ort: Ausstellungszone, 1.OG Zbynìk Baladrán (Prag) Peter Brand (Bern) 24.–27.1. Mi-Fr 14:00-17:00 h & Sa 27.1., 14:00-21:00 h Eröffnung Loge Sa 27.1., 19:00 h «No place like home» Ort: Loge im PROGR_Hof Vernissage: Daniel Robert Hunziker Ausstellungsdauer: 30.1. - 24.2. Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h RAUM Militärstrasse 60, 3014 Bern / www.kulturraum.ch Mi-Fr 16:00-19:00 h / Sa 12:00-16:00 h Jean Luc Darbellay, l’art pour l’Aar Fotografie 20.1 – 2.2. Vernissage & Lesung: Sa, 20.1., 17:00 h

Schloss Hünigen 3510 Konolfingen Täglich von 8:00-21:00 h www.schlosshuenigen.com Wunderland Contemporary rug art by Jan Kath bis 28.1. SLM Kunstausstellung Dorfplatz 5, 3110 Münsingen T 031 724 11 11 Mo-Do 8:00-12:00 h & 13:30-17:00h / Fr 8:00-12:00 h & 13:30-18:00 h Stadtgalerie Speichergasse 4 3001 Bern T 031 311 43 35 7 www.stadtgalerie.ch Di 14:00-20:00 h & Di-Fr 14:00-17:00 h Wartsaal 3 Helvetiaplatz 3, 3005 Bern T 031 351 33 21 www.wartsaal3.ch Sonja Klingler eskaywork RAW-Horizont Fotografie 11.1. - 17.1. Arlette Zurbuchen bilder 17.1. - 29.1.

Temporäre Austellungsräume fotostudio & galerie lichtblick Casinoplatz 8, 3. UG, 3011 bern Fotobilder mit der Holga Silvia Baechler, Roland Goy und Ronnie Feller Fr 12.1., Vernissage ab 16:00 h Sa 13.1., 9:00-16:00 h So 14.1., 12:00-16:00 h


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Augenspiel Von Dominik Imhof Berner Design Weekend 27. & 28. Januar Möbel- und Einrichtungsdesign à la carte:. Das «Berner Design Weekend 2007» macht Appetit auf frische Einrichtungsideen! Witziges, Edles, Mutiges und Dezentes – Acht Berner Einrichtungsfachgeschäfte präsentieren am 27. und 28. Januar jeweils zwischen 10 und 17 Uhr zeitgenössische Objekte, aber auch unsterbliche Klassiker von berühmten Designerinnen und Designer. Der Rundgang vermittelt einen Einblick in die anregende Welt der Formen und Farben, der Materialien und Verarbeitungstechniken des aktuellen Möbel- und Einrichtungsdesigns. Anliker die Möbelmacher, Bubenbergplatz 15 | Form+Raum, Belpstrasse 14 | intraform, Rathausgasse 76 | Meer Wohnen, Junkerngasse 1 | teo jakob, Gerechtigkeitsgasse 25 und Waldeggstrasse 41 (3097 BernLiebefeld) | ursarber+co, Sickingerstrasse 6 | Wohnform Kilchenmann, Kramgasse 64 | Zona, Postgasse 60

artensuite entwickelt sich und wird nicht nur grösser, sondern besser. Neben Kritiken zu aktuellen Ausstellungen, die auch weiterhin im Zentrum stehen sollen, neben Rezensionen zu Neuerscheinungen im Kunstbuchmarkt und der Agenda, gibt es seit dieser Ausgabe die Galerienseiten, in denen jeweils mehrere Galerienausstellung besprochen werden. Wir freuen uns, damit der Galerienszene der Stadt und der Region Bern eine neue Plattform bieten zu können und vor allem einem interessierten Publikum auch die Galerien näher zu bringen. Damit soll auch dem Kern des artensuite – der Berner Kunstszene – noch verstärkter Rechnung getragen werden. Der Zeitpunkt ist ideal, denn auch in diesem Jahr öffnen Mitte Januar (13. und 14. Januar jeweils 11:00-17:00 h) wieder zahlreiche Berner Galerien Tür und Tor für das vom Verein Berner Galerien organisierte Galerienwochenende. Bereits zum 18. Mal findet diese Veranstaltung statt, die immer zu einer aussergewöhnlichen Belebung (vor allem) von Berns Altstadt führt. Gleichzeitig feiert der Verein Berner Galerien ihr 20-jähriges Bestehen. Gratulation! Und für uns ein Grund mehr, den Galerien vermehrt kritische Aufmerksamkeit zu schenken. In diesem Jahr steht das Galerienwochenende nicht mehr unter einem bestimmten Motto oder Thema. Sicher eine gute Entscheidung, denn die ausgestellten Arbeiten waren stets nur teilweise und wenn, dann oftmals sehr lose mit dem jeweiligen Thema in Verbindung zu bringen. 2007 sind die Galeristinnen und Galeristen vollkommen frei in der Wahl der Kunstschaffenden und Kunstwerke. Eine enorme Vielfalt ist zu entdecken: von gegenständlicher Malerei bei Gabi Hamm (Kabinett),

über Fotografien auf Holzkästen bei Denise Felber (Artraktion) zu den Holzschnitten eines Michael Wissmann (Art+Vision), über Eisenskulpturen von Marianne Lutz (Christine Brügger) oder Rauminstallationen von Urs Zahn (Bernhard Bischoff & Partner) bis hin zur comicartigen Figurenwelt eines M. S. Bastian (Krebs). Es lohnt sich also, sich wieder einmal auf einen Spaziergang durch die Berner Gassen zu begeben und einen Blick in die eine oder andere Galerie zu wagen. (di)

Impressum artensuite erscheint monatlich als Beilage im ensuite - kulturmagazin. Herausgeber: edition ■ ensuite, Bern Redaktion: Dominik Imhof (di); Helen Lagger (hl), Monique Meyer (mm), Sylvia Mutti (sm), Nicola Schröder (ns), Eva Pfirter (ep), Sylvia Rüttimann (sr), Monika Schäfer (ms) Die Redaktion artensuite ist politisch, wirtschaftlich und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsentieren die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion. Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Verein WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite. Redaktionsadresse: artensuite Sandrainstrasse 3 3007 Bern Telefon 031 318 6050 mail: art@ensuite.ch www.artensuite.ch artensuite Januar 01 | 07


BERNER MUSEEN BERN / BIEL / THUN Abegg-Stiftung Werner Abegg-Strasse 67, 3132 Riggisberg täglich 14:00-17:30 h Winterpause Antikensammlung Bern Hallerstrasse 12, 3012 Bern Mi 18:00-20:00 h Die Antikensammlung beherbergt nebst den Abgüssen (rund 230 Exponate antiker Skulpturen von den Anfängen der griechischen Archaik bis zur römischen Spätantike) auch eine kleine Sammlung mit originalen Fundstücken aus der griechisch-römischen Antike. Bernisches Historisches Museum Helvetiaplatz 5, 3005 Bern Di-So 10:00-17:00 h Centre Dürrenmatt Chemin du Pertuis-du-Sault 74, 2000 Neuchâtel Mi-So 11:00-17:00 h Dauerausstellung: Friedrich Dürrenmatt, Schrifsteller und Maler. Einstein-Haus Kramgasse 49, 3011 Bern 1.10.-16.12., Di-Fr 10:00-17:00 h / Sa 10:0016:00 h Führungen jederzeit nach Absprache Heilsarmeemuseum Laupenstrasse 5, 3001 Bern Di-Do 9:00-12:00 h & 14:00-17:00 h Dokumente, Zeitschriften, Bilder, Fotos, Grammophonplatten, Kassetten, Musikinstrumente und andere Sammelobjekte. Institut für Archäologie der Universität Bern Länggassstrasse 10, 3012 Bern Montag - Freitag, 8 - 17 Uhr Das Pantheon in Rom Ergebnisse des Bern Pantheon Digital Projects bis Sa, 31.3. Kunsthaus Centre Pasqu’art Seevorstadt 71-75, 2502 Biel Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa&So 11:00-18:00 h Ruedy Schwyn bis 7.1. artensuite Januar 01 | 07

Begegnung mit dem Künstler Ruedy Schwyn Weihnachtsausstellung 2006 bis 7.1. SELECTED BY... Ankäufe 2003-2006 der Kunstsammlung der Stadt Biel Vernissage: Sa 20.1., 17:00 h bis 7.1. Photoforum CHRISTIAN VOGT Photographic Essays on Space 21.1. - 4.3. Kunsthalle Bern Helvetiaplatz 1, 3005 Bern Mi-So 10:00-17:00 h / Di 10:00-19:00 h WEIHNACHTSAUSSTELLUNG 2006/07 bis 7.1. JUTTA KOETHER 19.1. - 11.3. Kunstmuseum Bern Hodlerstrasse 8-12, 3007 Bern Di 10:00-21:00 h / Mi-So 10:00-17:00 h Ausstellungen Serge Spitzer – Installation “Re/Search (Alchemy and/or Question Marks with Swiss Air)”, 1996-2002 Bis Ende 2007 Ernst Kreidolf und seine Malerfreunde bis 7.1. Im Lichte Tunesiens Europäische Künstler in Nordafrika 1900-1925 bis 7.1. Six feet under – Autopsie unseres Umgangs mit Toten bis 21.1. Architekturprojekte Erweiterungsbau für Kunst der Gegenwart bis 7.1. Louise Bourgeois – Fugue 16.1. – 8.4. Sonderveranstaltungen so, 7.1., 13:00 h Literarische Führung Six feet under mit Michaela Wendt di, 16.1., 18:00 h Literarische Führung Six feet under mit Michaela Wendt so, 21.1., 11:00 h Literarische Veranstaltung zur Finissage von Six feet under Kinder-Kunst-Club mi, 24.1., 14.00-16.00 h Cool Kids’ Classes Art Workshops for kids and teens (ages

6-14, in english) Sa, January 27, 10:30-12:00 a.m. cool kids’ classes art workshops for kids and teens (ages 6-14, in english) Tue, January 30, 16:30-18:00 p.m. Dies und Das / Kunst über Mittag Jeden Mittwoch, 12:30-13:00 h Kunsthaus Langenthal Marktgasse 13, 4900 Langenthal Mi & Do 14:00-17:00, Fr 14:00-19:00 h, Sa& So 10:00-17:00 h Giro Annen - retro.aktiv bis 28.1. Kunstmuseum Thun Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun Di-So 10:00-17:00 h / Mi 10:00-21:00 h Hofstettenstrasse 2006 bis 14.1. 11.2.-9.4. Gegenlicht 11.2.-11.3. Projektraum enter: Christian Andersen museum franz gertsch Platanenstrasse 3, 3401 Burgdorf Di-Fr 11:00-19:00 h / Sa&So 10:00-17:00 h Zurück zur Figur. Malerei der Gegenwart bis 11.2. Literarische Führung 14.1, 12:00-13:00 h Familienführung 14.1., 14:00-15:00 h kunst-licht 27.1., 14:00-17:00 h Familienführung 28.1., 14:00-15:00 h ton meister konzert 4 28.1., 17:00-19:00 h

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Museum für Kommunikation Helvetiastrasse 16, 3005 Bern Di-So 10:00-17:00 h «haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation» bis 1.7. Öffentliche Führungen: So, 11:00 h: haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation So, 13:00 h: Top Secret - Von Hieroglyphen, Hackern und Codetalkers So, 15:00 h: Abenteuer Kommunikation im Überblick Museum Neuhaus Biel Schüsselpromenade 26, 2501 Biel Di-So 11:00-17:00 h / Mi 11:00-19:00 h Urs Dickerhof und Francesco Micieli lesen eigene Texte im Rahmen der Ausstellung «Ravitaillement». Théodore Strawinsky (1907-1989) Eine Retrospektive bis 8.1. Öffentliche Führung durch die Ausstellung Théodore Strawinsky. Mit Myriam Lanz, lic. phil (auf Deutsch) 17.1, 18:00 h Naturhistorisches Museum der Burgergemeinde Bern Bernastrasse 15, 3005 Bern Mo 14:00-17:00 h / Di/Do/Fr 9:00-17:00 h Mi 9:00-18:00 h, Sa&So 10:00-17:00 h «haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation» bis 1.7. Psychiatrie Museum Bern Bolligenstrasse 111, 3060 Bern Mi 14:00-16:00 h Neben historisch wichtigen Gegenständen und Dokumenten beherbergt das Museum auch eine Sammlung bildnerischer Patientenarbeiten, die mehrheitlich auf jener Morgenthalers beruht. Sie umfasst über 2500 Bilder (Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder und Collagen), rund 1500 Textblätter sowie viele Stoffarbeiten, Objekte aus Holz, Ton, Keramik und anderen Materialien. Schloss Landshut Schweizer Museum für Wild & Jagd 3427 Utzenstorf Di-Sa 14:00-17:00 h Das Schloss ist bis und mit 12.5.07 geschl.

Schlossmuseum Thun Schlossberg 1, 3600 Thun Bis Januar jeden Sonntag 13:00-16:00 h Das historische Museum mit einmaliger Aussicht auf Stadt, See und Alpen. Schweizerische Landesbibliothek Hallwylstrasse 15, 3003 Bern Mo-Fr 9:00-18:00 h, Mi bis 20:00 h / Sa 9:00-16:00 h / So 12:00-17:00 h DÜRRENMATT UND EINSTEIN bis 25.1. Schweizerisches Alpines Museum Helvetiaplatz 4, 3005 Bern Mo 14:00-17:00 h / Di-So 10:00-17:30 h «Gletscher im Treibhaus. Ernste Signale aus der alpinen Eiswelt» Vom gewaltigen Eisstrom des Rhônegletschers, der auf der Postkarte von 1900 hinter dem Hotel Belvédère ins Tal gleitet, ist auf der aktuellen Aufnahme nichts mehr zu sehen. Stattdessen nackter grauer Fels, ein Bach und die zurückgezogene Gletscherzunge weit oberhalb des Hotels.Ein einzigartiges Landschaftsbild droht verloren zu gehen. Gehören wir zur letzten Generation, die die grossartigen Eisriesen bewundern kann? bis 25.3. Schweizerisches Schützenmuseum Bern Bernastrasse 5, 3005 Bern Di-Sa 14:00-17:00 h / So 10:00-12:00 h & 14:00-17:00 h Weihnachskrippe Christmas Diese 1965 entworfene, 23-teilige Weihnachtskrippe Christmas, besticht durch die 32 cm hohen, aus Lindenholz gefertigten und bemalten Figuren. bis 9.1.

Stiftung Historisches Erbe SBB Bollwerk 12, 3000 Bern 65 Mo-Fr 9:00-12:00 h & 13:30-17:00 h Die Infothek der Schweizer Bahngeschichte zum Nachlesen und Ansehen. Unsere öffentlich zugängliche Infothek bietet Ihnen u. a. folgende Dienstleistungen an: regelmässige Publikation ausgewählter Neuerscheinungen. Beratung in Dokumentationsfragen und bei Recherchen. Leseplätze mit Internetarbeitsplatz, Lexika usw. Konsultationsmöglichkeit für aktuelle Zeitschriften, Wörterbücher, Nachschlagewerke und aktuelle Fahrpläne ausländischer Bahnunternehmungen. Zugang zu den historischen und audiovisuellen Archiven (auf Voranmeldung). Bereits 1923 wurde die Bibliothek der Generaldirektion SBB gegründet. Später wurde sie zum Dokumentationsdienst erweitert und seit 1996 ist sie als «Infothek SBB» bekannt. 1999 wurden ihr die Plakatsammlung und 2001 das historische Archiv, das Fotoarchiv, - und Videoarchiv anvertraut. 2002 wurde sie in die neu gegründete Stiftung Historisches Erbe der SBB integriert. Die Bestände der Bibliothek und Archive werden laufend ergänzt und erweitert. Zentrum Paul Klee Monument im Fruchtland 3, 3031 Bern Di-So 10:00-17:00 h / Do 10:00-21:00 h Kindermuseum Creaviva 10:00-17:00 h, Do bis 21:00 h Paul Klee – Melodie und Rhythmus bis 2.1. Robert Walser zu Gast bei Paul Klee Gedenkausstellung zum 50. Todestag des Dichters. 28.1.-25.2. Sämtliche Führungen und Aktivitäten finden Sie in der ensuite - kulturmagazin-agenda und unter www.zpk.org

Stadt- und Universitätsbibliothek Bern Münstergasse 61-63, 3011 Bern Mo-Fr 8:00-19:00 h / Sa 8:00-12:00 h Connaisseure unterwegs: Die Reisen von Hans R. Hahnloser und Julius von Schlosser zu kulturellen Stätten im Europa der zwanziger Jahre. bis 24.2.

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