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mai 2006 | 4. jahrgang
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steps#10 - «simply perfect» im kinderzimmer
auf der spur des lebens von nazis, lesben und fussballfans «sprache ist nicht viel mehr als geräusch» blogszene schweiz
«Erinnerungen» Kindheitserinnerungen: Das 60-jährige Nostalgie-Karussell ist wieder auf dem Gurten vom 12. - 21. Mai 2006 - täglich von 14:00 - 17:00 Uhr (bei guter Witterung).
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KULTUR & GESELLSCHAFT «sprache ist nicht viel mehr als geräusch» 6 | swiss blog awards mehr als nur eine auszeichnung 8 | blogszene schweiz 9
LITERATUR sibylle berg, sebastian orlac, michael wallner 22 | letzte lustseite 40
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Titelseite und rechts: Laurie Anderson (Bild zVg.) am 2. Mai in den Kulturhallen Dampfzentrale, Bern
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Vor allem... ■ Der April empfing uns nicht nett. Geschüttelt durch die Wetterkapriolen und Aprillaunen hielt er uns fest im Griff, um zum Schluss mit sanftem Streicheln wieder zu besänftigen. Die Wettervorhersagen wurden zum täglichen Witz. Ich bin immer wieder erstaunt, dass die Wetterprognosen, trotz neusten Techniken und immensen Wissenschaften, nicht mehr als ein paar Stunden recht behalten. Unsere gesamten Entwicklungen sind immer noch zu langsam in Anbetracht der Geschwindigkeit der Natur. Die Evolution ist trotz - oder vielleicht gerade wegen - millionenschweren Entwicklungsjahren schneller als unsere Hyper-Hightechwelt. Das ist doch bedenklich, gibt aber dem Ausdruck «Zurück zur Natur» eine ziemlich progressive Note. Warum vertrödeln wir also unsere Zeit mit diesen langsameren Entwicklungen? Vielleicht ist das Geheimnis der «Zeit», was ja auch Geschwindigkeit beinhaltet, tatsächlich nach dem Momo-Prinzip (abgeleitet aus der Geschichte von Michael Ende, als Momo «rückwärts» gehend schneller «vorwärts» kommt und fliehen kann…) zu finden. Wenn wir uns in den nächsten Jahren wegen Öl und Wasser in den Haaren liegen und das Atom über unseren Köpfen thront, werden wir vielleicht ein paar Dinge dazu begreifen oder uns erinnern. Mal sehen – aua! wir leben. Aber jetzt ist erst mal Mai. Und da sieht die Welt endlich frühlingshafter aus. Bern hat erhabenste Musiker zu Gast in diesem Monat. Meine Favoriten sind klar Laurie Anderson (Titelseite) und Dino Saluzzi (Agendatitelseite). Was die multimediale Anderson experimentierte, hat mich jahrelang beeinflusst. Der Argentinische Bandoneónspieler dagegen ist für mich einer der wichtigsten Musiker in meinem Ohr. Durch seine Musik lerne ich atmen. Doch gibt es in Bern in diesem Monat noch viel mehr zu erleben. Und sicher werden auch die weltlichen Ereignisse ihren Beitrag leisten – spannende Zeiten kommen. Mit dem Frühling ist auch die Neugierde wieder erwacht.
Lukas Vogelsang
artensuite
im kinderzimmer 32 | von weiten und tiefen jenseits der zeit 32 | seltene schönheit und schöpferische raffinesse 33 | auf der spur des lebens 34 | ausser-sich-sein 35 | (un)sichtbar? 35 | kunst im buch 36 | galerien in bern 37 | augenspiel 39
KINO/FILM good movies 22 | formal genial 23 | lemming 24 | something like happiness 24 | volver 25 | das andere kino 26
MUSIK «da seh ich nur zwei umschlungene gestalten...» 11 | wenn paul klee tanzt 16 | die musikalische kilbi des jahres 16 | cd-tipps 17 | ECM listening post 17
LIFESTYLE blog to print 10 | tango. von mann zu mann 28 | stadtundland 79
DIVERSES kulturnotizen 4 | das leben ist kein zuckerschlecken 18 | das beste berner internetfernsehen der welt 18 | malu barbens anderswelt ist ein fest 21 | 10 jahre gleichstellung von frau und mann 21 | stadtläufer 23 | tratschundlaber 25 | menschen & medien / fauser cartoon 29 | menschen: urs mannhart nach dem luchs 30
KULTUR-PR steps#10 - «simply perfect» 12 | 19. berner tanztage 13
STADT THUN markus müller nach thun 15 | von nazis, lesben und fussballfans 15
AGENDA kulturagenda bern 41 | museen bern / biel / thun 70 | kulturagenda biel 72 | kulturagenda thun 77
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DARF’S ETWAS MEHR SEIN? ■ Bern hat ein eigenes Ticketsystem – Bern Billett – an der Nägeligasse 1a. Es soll, so wünschen sich die Initiatoren, die zentrale Ticketvorverkaufsstelle Berns sein. Die Bude habe ihre Kinderkrankheiten kuriert und sich den Bedürfnissen angepasst. Seit zwei Jahren gibt es das Büro und jetzt soll Druck gemacht werden. Druck auf die subventionierten Veranstalter in Bern, die seit vielen Jahren auf ihre eigenen Ticketvorverkaufsstellen gebaut haben und damit wohl zufrieden waren. Bei den Subventionierten sei Überzeugungsarbeit zu leisten, und wenn das nichts bringt, vielleicht noch etwas mehr, liess Kultursekretär Reichenau anlässlich der Medienorientierung verlauten. Einmal mehr Druck vom Chef? Die Stadt Bern, als direkte und indirekte Geldgeberin von Bern Billett möchte die Bindung an das neue Ticketsystem gerne an die neuen Leistungsverträge für die Kultur Häuser wie dem Schlachthaus oder der Dampfzentrale koppeln. Wer nicht mitmacht kriegt also weniger Kohle? Erpressung? In der Stadt Bern gibt es mindestens vier verschiedene Anbieter für den Ticketvorverkauf. Ticketcorner, Starticket, Tictec und Ticketpro. Offensichtlich bestehen aber bei den privaten Leistungsbringern gute Preis-Leistungsverhältnisse und überdies eine nationale Verlinkung, was mit Sicherheit ein Vorteil für die Kulturstätten ist. Soll diesen nun gekündigt und einem überteuerten Systemchen Platz gemacht werden? Warum sollte ein Veranstalter, der auch in anderen Städten über die Vorverkaufstellen beworben wird auf das Provinzsystem von Culturall wechseln. Das wissen die Veranstalter wohl auch nicht. Wohl wissen sie, dass ihnen wieder einmal Geld weggenommen werden wird, für das sie eigentlich schon eine Lösung hatten. Ähnlich wie bei der Lancierung seitens der Stadt für ein deutlich überteuertes Kulturblättchen, für das die Kulturmacher bezahlen müssen. (sf)
Bild: zVg.
EIN BIBERFLADEN FÜR BERN ■ Am 8. April gewannen DIE VARIETäTER (Debora Wyss Grandjean und Kathrin Fischer) den Innerrhoder Kleinkunstpreis, den goldenen Biberfladen. Die Jury war «durch das ungewohnte Programm, das es verstand, Althergebrachtes neu und schräg wiederzugeben und überraschende Wendungen zu vollführen», positiv angetan, und die müssen es wissen. Die Jury: Patrick Frey, Peter Schneider, Marlies Schoch, Stephan Haller und Paul Burkhalter. Der goldene Biberfladen wurde übrigens bereits Grössen wie Pedro Lenz, Margrith Bornet oder Schümlipflümli verliehen. Was wir nicht in Erfahrung bringen konnten: Warum um Himmels Willen der Preis ein goldener Biberfladen sein muss! Aber vielleicht hilft der Leitfaden dieser Kabarett-Tagen als Hinweis: «Die Appenzeller Kabarett-Tage sind von der Vision getragen, bühnenorientiertes Kabarett zu fördern und einen Kleinkunstpreis zu vergeben, der unter Kabarett-Künstlern höchsten Stellenwert geniesst. Wir wollen Künstler verpflichten, die den Weg ohne dieses Festival nicht nach Appenzell finden würden, um so den Festivalbesuchern auch Entdeckungen zu ermöglichen. Die Appenzeller Tradition des Schalkes und Witzes soll weitergeführt werden, um mit dem Festival einen Teil dazu beizutragen, die Destination <Appenzellerland> über das traditionell-folkloristische Image hinausgehend attraktiv zu gestalten.» Die Idee ist nachzuahmen. Bern könnte doch «die braune Unterhose» als Preis vergeben? (vl) www.varietaeter.ch
INNOVATION ERLEBEN ■ Meistens sieht man als Konsument ja nur das Endprodukt, d. h. auch ein Serienprodukt oder sogar Massenprodukt, dass weltweit verscherbelt wird. Wie entstand aber dieses Produkt? Wer und was steckt dahinter? Diesen Fragen will die Ausstellung «DesignLabor» im Kornhausforum Bern nachgehen. Die Ausstellung entstand in der Zusammenarbeit der Bernischen Stiftung für angewandte Kunst und Gestaltung sowie dem Gewerbemuseum Winterthur. Der Ausstellungstitel ist bezeichnend und treffend. Design und Labor stehen ganz nahe beisammen, sie berühren sich. Design entsteht in einer Laborsituation: Wissenschaft, Technologie, Experiment, neue Verfahren und Materialien und im Idealfall vielleicht noch ein wenig Kunst werden als Ingredienzien zu einer Innovation vermengt. Die Ausstellung führt anhand ausgewählter Beispiele vom handgefertigten Einzelstück zum globalen Massenprodukt, zeigt verschiedene Strategien und unterschiedliche Prozesse im Spannungsfeld zwischen Design, Produktion und Konsum auf. (di) DesignLabor, Kornhausforum Bern, 12. Mai bis 25. Juni. Vernissage 11. Mai 19:00 h.
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NACHGEFRAGT... «WAS IST KUNST?» «Beim Vespa-Unfall den gestreckten Salto zu stehen.» (Glücklicher im Unglück) «Aus dem Herzen zu handeln.» (Hans Ries) «Wenn der Ausdruck des Selbst andere fasziniert.» (Max yoga4u.ch) «Kunst ist, was mich bewegt: In Gedanken, Gefühlen und Emotionen.» (Anita, 25) «Die Kunst ist so eine Sache, die ich nicht so ganz durchblicke.» (Marcel Köhler) «Kunst kommt von können - wenn jemand etwas beherrscht, entsteht Kunst.» (Karl Winkler) «Ein Panini-Heft ohne Internetzugang zu füllen. Hopp YB!» (Res, Fussballfan) «Wenn jemand überdurchschnittlich begabt ist und damit meisterhaft Dinge schafft» (Lisbeth, 42) «Mit Fischkleister und Ballon eine Maske basteln» (Rolf, Elektromonteur) «Kunst ist unkonditioniert - frei von Wissen, Erfahrung oder Dogmen und Riten. Sie trägt keine Signatur und offenbart die wahre Intelligenz.» (Hanna, 40) «Kunst sucht Wege, Geist sinnlich erfahrbar zu machen.» (Eva) Bild: zVg.
«Dem wesentlichen Raum zu geben.» (Lena, Tänzerin)
ZEICHEN DER ZEIT ■ Einen langen Weg hat Rudolf Mumprecht hinter sich. Nicht nur weil er heute 88 Jahre alt ist, sondern auch in seiner künstlerischen Tätigkeit hat er sich immer weiterentwickelt. 1918 in Basel geboren, wuchs Mumprecht in Bern auf und bildete sich autodidaktisch erst einmal als Grafiker aus, Lithografie, Radierung und Aquatinta werden seine favorisierten Techniken. Sein frühes Schaffen ist noch vollkommen von der Figuration geprägt, Künstler wie Ferdinand Hodler inspirierten ihn. Doch bereits in den Fünfzigerjahren macht er den grossen Schritt in Richtung Abstraktion. Von da an werden Zeichen seine Bildwelt bevölkern und erst in den Sechzigerjahren einer der ersten Schweizer Künstler, die sich mit Schriftbildern beschäftigen. Schrift und Sprache, Zahlen und Zeichen stehen seit dieser Zeit im Zentrum seines Schaffens, auch heute noch: «die Zeichen die ich höre - die Melodien die ich sehe». Schrift überzieht seine Blätter, poetisch, assoziativ verbunden mit Farbklängen, die eine sanfte Verbindung mit den Sprachklängen, den Melodien der Zeichen eingehen. Sprache ist bei ihm
einerseits immer noch Übermittler von Information, seine Bilder sind in diesem Sinne lesbar. Aber Mumprechts Arbeiten gehen weit darüber hinaus. Zeichen und Schriftzeichen interessieren den Künstler ebenso in ihrer abstrakten Gestalt, in ihrer Form, ihrem Rhythmus, der Geometrie und Geschmeidigkeit eins werden lässt. Sein Wahlwohnort Köniz, wo er seit 1964 lebt und arbeitet, widmet dem Künstler nun eine Ausstellung mit rund 30 Werken. Ort der Ausstellung ist der Lichthof, der sich in Galerien über vier Stockwerke durch das neu errichtete Gemeindehaus Köniz windet, das von den Architekten Cornelius Morscher und Joachim Bolliger konzipiert wurde. Die Ausstellung dauert bis zum 23. Juni. (di) Mumprecht, Lichthof Gemeindehaus Bläuacker, Landorfstrasse 1, Köniz. Geöffnet Montag bis Freitag, 9:0011:30 h, 14:00-17:00 h, Sonntag, 21. Mai 10:00-14:00 h. Bis 23. Juni.
«Innere Leidenschaft äussern.» (Dario, Arzt) «Einer Geschichte Wahrheit einzuhauchen. Der Wahrheit eine Geschichte zu entlocken.» (Peter, 31, Journalist) «Mit Rösti, Speck und Rüebli Sushi zu machen.» (Alain, 24, Koch) «Sich zuhören zu können, um das Bewusstsein der Schönheit zu erlangen.» (Pascal Helfer) «Kunscht isch chribble.» (Jelena, 7, nach einem Besuch im Klee Museum)
Zusammengestellt von Indiana Englmund Frage im Juni: Was wird in diesem Sommer anders? Deine Antwort an: nachgefragt@ensuite.ch
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SARAH STÄHLI
«sprache ist nicht viel mehr als geräusch» Ein Gespräch mit dem lettischen Theaterregisseur Alvis Hermanis, der mit seiner Produktion »Das Eis” am auawirleben-Festival gastiert.
■ Alvis Hermanis aus Riga (Lettland) wird zurzeit aus allen Ecken der Welt mit dem Label «angesagtester KultRegisseur» versehen. Bei unserem Treffen wirkt er völlig entspannt, die Ruhe selbst. Am nächsten Tag findet die Premiere seiner neuesten Produktion «Brennende Finsternis» am Schauspielhaus Zürich statt. Auf die Frage, ob er gestresst sei, antwortet er erstaunt «Gestresst? Nein!». Hermanis hat etwas von einem Zen-Meister, ist aber weit davon entfernt, esoterisch zu wirken. Ganz in schwarz gekleidet, nordisch blaue, intelligente, etwas traurige Augen, ein fast kahl rasierter Schädel. Er hat ein sicheres aber dezentes Auftreten, eine charismatische Ausstrahlung, die einen sofort gefangen nimmt – eine Mischung aus Sanftheit und Beharrlichkeit. Seine Antworten sind überlegt, er lässt sich ungewohnt lange Zeit, atmet tief, schliesst die Augen, stösst den Rauch der Zigarette genüsslich aus, nachdem er höflich gefragt hat, ob er rauchen dürfe. Hermanis wirkt angenehm bescheiden und gleichzeitig hat man das Gefühl, einem einzigartigen Menschen gegenüber zu sitzen. Aus der lärmigen Kantine ziehen wir uns ins grosszügige Foyer der Schiffbauhalle zurück. Dies sei sein Lieblingsort hier: «Da hat man Platz und Luft zum Atmen.» «Brennende Finsternis» ist eine fast dreistündige, äusserst detailreiche Inszenierung, ein Gesamtkunstwerk, das dem Abo-Publikum des Schauspielhauses viel Geduld abverlangt. Hermanis liebt die Langsamkeit. «Wir sind ja nicht in Amerika!» meint er und bezieht dies vor allem auch auf die unterschiedliche Auffassung von Theater. «Wenn im englischsprachigen Raum auf der Bühne für längere Zeit niemand spricht, dann meint das Publikum bald einmal, etwas stimme nicht. Das Tempo ist dort sehr viel schneller.» Langsamkeit ist Hermanis auch in seinem Privatleben wichtig: «Mein Leben ist langsam. Ich lebe zurückgezogen in der Natur. Ich beeile mich nicht.»
«Ich bin daran interessiert, Atmosphären, Bilder zu kreieren.» Auffallend an «Brennende Finsternis» ist die Diskrepanz zwischen Text und Inszenierung. Während das Nachkriegsstück des spanischen Autors Antonio Buero Vallejo in seiner symbolischen Schwere kaum zu ertragen ist, kommt Hermanis Inszenierung verspielt, innovativ daher und bleibt durchgehend spannend. «Der Text von <Brennende Finsternis> ist sehr naiv und didaktisch. Text ist in meinen Produktionen nur eines von vielen Elementen.» Als Zuschauer wird man von all den kleinen Dingen, die sich auf der monströsen Bühne ab-
spielen, abgelenkt – das Bühnenbild besteht aus einem Raum für Raum errichteten Blindenheim; dem Publikum werden Ferngläser verteilt, damit sie die Figuren in ihren minutiös eingerichteten Zimmern beobachten können – schliesslich schafft man es, die Dialoge nur noch als «Hintergrundsgeräusch» wahrzunehmen. Ist dies beabsichtigt? «Das ist der Punkt meiner Inszenierung. Text, Sprache an sich ist ein ziemlich primitives und brutales Werkzeug. Da gibt es andere Werkzeuge, die sehr viel subtiler sind. Wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert, wo die Menschen Sprache sehr ernst genommen haben. Sprache ist nicht viel mehr als Geräusch.» Eine Auffassung, die in einer Kunstgattung, die in erster Linie auf Sprache aufbaut, wie ein Widerspruch klingt. «Ich bin mehr daran interessiert, Atmosphären, Bilder zu kreieren, mit den Körpern der Schauspieler zu arbeiten.» Auch die Inszenierung, mit der er in Bern gastiert - «Das Eis» - lässt eine sehr textlastige Produktion vermuten, sie trägt den Untertitel «Kollektives Lesen eines Buches mit Hilfe der Imagination in Frankfurt». «Es wird tonnenweise Text geben! Aber es ist sehr, sehr physisches Theater‚ <Lesung> ist nur ein Titel, man muss das nicht so ernst nehmen.» «Das Eis» nach dem Roman «Ljod» des russischen Autors Vladimir Sorokin ist eine utopische Geschichte. «Sie handelt von einer pseudo-religiösen Sekte, die glaubt, es gebe Menschen, die fähig sind, nicht mit Sprache, sondern mit dem Herzen zu sprechen. Aus einem seltsamen Grund sind sie alle blond und blauäugig.» Aber bekanntlich ist ja der Text für Hermanis nicht von grosser Bedeutung. Daran, wie er zum Stoff gekommen ist, kann er sich nicht mehr erinnern. Früher habe er dauernd gelesen, jetzt lese er nicht mehr so viel. Aber dafür könne er sich bei jedem dritten Buch, das ihm in die Finger komme, vorstellen, es auf die Bühne zu bringen. «Theaterstücke interessieren mich meist weniger.» Die Frankfurter Produktion von «Das Eis», mit der das Ensemble in Bern gastiert ist eine von drei Versionen. Nach Frankfurt wurde «Eis» an der RuhrTriennale, (Internationales Festival für Musik, Schauspiel und Tanz im Ruhrgebiet) in einer riesigen Fabrikhalle mit vierzig deutschen und lettischen Schauspielern zur Aufführung gebracht, begleitet wurde die Inszenierung ausserdem von einer grossen Ausstellung, die dem Text gewidmet war. Die dritte Version wurde in Hermanis’ eigenem Theater in Riga mit einem lettischen Schauspielensemble aufgeführt. «Alle Versionen basieren auf demselben Text, sind jedoch völlig verschieden.» Wichtig sei der Aufführungsort, der Raum. Er vergleicht den unterschiedlichen Charakter der Inszenierungen mit
Kameraeinstellungen, die RuhrTriennale-Produktion sei zum Beispiel wie ein Panorama und die Riga-Version viel intimer, eher wie ein Close-Up. Hermanis Inszenierungen sind immer auch visuelle Kunstwerke. «Die meisten meiner Performances entstehen in einem Kontext zur bildenden Kunst. So werden wir nicht nur von Theatern, sondern oft auch von Galerien eingeladen. Ich sehe dies jedoch nicht als Vermischung verschiedener Kunstrichtungen, dies entspricht einfach meiner Herangehensweise. Die visuelle, konzeptuelle Seite ist für mich im Probenprozess grundlegend.» Nichts umschreibt Hermanis Arbeitsweise besser als das Motto des diesjährigen auawirlebenFestivals: «Freie Radikale».
«Schauspieler sind eine Nationalität für sich» Wichtig ist für Hermanis auch der Einfluss, den die Stadt hat, in der die Produktion aufgeführt wird. Wird die «Imagination in Frankfurt» nun zur «Imagination in Bern» umfunktioniert? «Nein, leider nicht, dazu bräuchten wir mindestens vier Monate Vorbereitungszeit in Bern». Mit dem Zürcher Ensemble verbrachte er vor Probenbeginn einige Zeit in der Sahara. «Wir haben wie eine Familie gelebt». In Bern wird die vorläufig letzte Aufführung von «Das Eis» stattfinden. «Es wird ziemlich emotional werden. Wir haben so viel Zeit miteinander verbracht und wurden auf der Gefühlsebene persönlich sehr involviert. Das Gefühl der Verbundenheit ist mir in der Arbeit mit Schauspielern das Wichtigste.» Hermanis, der neben seiner Regiearbeit jeden zweiten Abend in seinem Theater in Riga als Schauspieler auftritt, hält nichts von monologisierenden Regisseuren. «Ich respektiere Schauspieler als unabhängige Künstler. Ich gebe ihnen Visionen, einige Anweisungen und dann zähle ich auf ihren Input, ich erwarte von ihnen, dass sie als eigenständige Künstler funktionieren. In jeder Aufführung gibt es so viele Dinge, die von den Schauspielern beigesteuert werden, ohne dass wir überhaupt darüber diskutieren. Ich kann nicht mit Schauspielern arbeiten, die keine künstlerisch unabhängige Imagination besitzen. Ich glaube, das ist ein typische Arbeitsweise des unabhängigen Theaters.» Hermanis, der kaum Deutsch und gebrochen Englisch spricht, arbeitete bereits mehrmals mit deutschsprachigen Schauspielern. Wie muss man sich so eine Probe vorstellen? «Die Sprache ist kein Problem, wenn ich mit ausländischen Schauspielern arbeite. Sie müssen sich in meinen Proben keine langen theoretischen Vorträge anhören. Sprache ist also in meinem Fall nicht
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Bild: zVg.
das Essentielle. Sicher, der Unterschied zur Arbeit mit meinem Riga-Ensemble ist, dass du mehr Zeit und Energie brauchst, um gegenseitiges Vertrauen und ein gemeinsames Vokabular aufzubauen. Aber eigentlich sind Schauspieler überall auf der Welt gleich. Es ist eine spezielle Bruderschaft, eine Nationalität für sich.» Die Arbeit mit den Schauspielern variiere jedoch von Produktion zu Produktion. «Ich arbeite nie in <einem> Stil. Alle meine Produktionen sind völlig verschieden. Mein Stil ist, dass ich keinen Stil habe. Ich will immer etwas Neues ausprobieren, ich versuche laufend mich selbst zu überraschen. Ich halte mich nur an eine Regel: Mach nie etwas noch einmal, bei dem du bereits weisst, wie du es machen kannst.»
«Du musst eine unverbrauchte Einstellung zum Leben beibehalten.» Ist Wiederholung auch für einen von Kreativität sprühenden Künstler wie Hermanis die grösste Angst? «Wenn du jahrelang in deinem Beruf arbeitest, wird es immer schwieriger, dich selbst zu motivieren. Es kommt ein Punkt, an dem du dich entscheiden musst, was deine Motivation ist. Du musst Geld verdienen, hast eine Familie, dies ist deine Arbeit. Aber das kann plötzlich nicht mehr genügen, dann musst du etwas für dich selbst finden, um frisch zu bleiben, denn alle Probleme beginnen, wenn du dich wiederholst, das ist dann nur noch traurig.» Wie schafft er es, sich trotzdem immer wieder zu motivieren? Hermanis greift auf ganz rudimentäre Mittel zurück: Er trinkt für sich alleine eine Flasche Jack Daniels oder versucht ganz einfach, das Theater für ein halbes Jahr komplett zu vergessen. «Je mehr Erfahrung du in deinem Beruf sammelst, desto mehr werden künstlerische Probleme zu eigentlichen technischen Problemen. Ich glaube, so ist es in jedem Beruf. Es ist, wie wenn du ein sehr geschickter Liebhaber bist, du
bist erfahren und weisst, wie du eine Frau überzeugen kannst, mit dir zu gehen. Du weisst, wie die Mechanismen funktionieren, es wird jedoch immer schwieriger, dich richtig zu verlieben.» Kein Verständnis hat Hermanis für Künstler, die sich mit jeder Produktion wiederholen, weil sie einmal damit Erfolg hatten. «Mir geht es nicht so sehr um Anerkennung, sondern mehr um private Gefühle. Das Leben läuft, die Zeit läuft, du musst lebendig bleiben, eine unverbrauchte Einstellung zum Leben beibehalten. Neue Dinge ausprobieren.» Hermanis wünscht sich in seiner Arbeit und seinem Leben vermehrt solche Adrenalinkicks, wie den, den er vor kurzem in den Schweizer Bergen erlebt hat. Durch ein Missverständnis konnte er nicht mehr bei der Mittelstation aussteigen und landete auf der schwarzen Piste. Es gab keinen anderen Weg hinunter als auf den Skiern. «Also fuhr ich runter. Es gab einen dramatischen Sturz, aber ich tat es für mich und es war ein Gefühl, wie ich es zuletzt als Teenager erlebt hatte. Es ging mir nicht um die sportliche Leistung, es ging darum, über mich selbst hinauszuwachsen; dasselbe Gefühl in deiner Arbeit zu erzeugen, ist sehr schwierig.» Was erwartet einer, der so hohe Ansprüche an sich selbst stellt, eigentlich von seinem Publikum? In den letzten Jahren sei er mit seinem Riga-Ensemble so viel umhergereist, er habe in so vielen Ländern an Festivals gastiert, dass er sich unbewusst an ausgesprochen raffinierten Zuschauern orientiere, wie sie häufig an Festivals anzutreffen seien. Provokation erfülle ihn mittlerweile nicht mehr mit spezieller Befriedigung – er sei ja immerhin schon vierzig Jahre alt, betont er. «Mein Interesse an Theater ist letztlich, dass ich mindestens mich selbst unterhalten will. Wichtig ist mir die Imagination, die das Publikum selber mitbringt. Ich will nicht alles auf einem Teller servieren, ich möchte mit offenen Menschen zu tun haben und nicht mit marinierten Gurken.»
«Das Eis - Kollektives Lesen eines Buches mit Hilfe der Imagination in Frankfurt» Nach dem Roman «Ljod» von Vladimir Sorokin, Deutsch von Andreas Tretner Regie, visuelle Gestaltung und Bearbeitung: Alvis Hermanis Visuelle Gestaltung, Kostüme und Fotos: Monika Pormale Dramaturgie: Brigitte Fürle Comiczeichnungen: Harijs Brants Licht: Frank Kraus Ton: Josef Rennert und Oliver Blohmer Mit Hannelore Albus, Susanne Buchenberger, Katrin Grumeth, Friederike Kammer, Christian Kuchenbuch, Andreas Leupold, Jan Neumann, Joachim Nimtz, Moritz Peters, Georgia Stahl, Mila Kuznetskaya Alvis Hermanis geb. 1965 in Riga, Lettland Ausbildung zum Schauspieler Seit 1997 Leiter des Neuen Theaters Riga Kulturhallen Dampfzentrale Turbinensaal Samstag 6.5., 19:00 h Sonntag 7.5., 19:00 h www.auawirleben.ch www.schauspielfrankfurt.de
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NICK LÜTHI
swiss blog awards – mehr als nur eine auszeichnung Die Besten im Netz: Zum ersten Mal werden in der Schweiz die beliebtesten Weblogs gekürt ■ Wer regelmässig das Internet durchstreift, kennt sie: Die Weblogs. Seit ein paar Jahren erfreuen sich diese notizbuchartigen Webseiten immer grösserer Beliebtheit. Was bis vor wenigen Jahren nur mit grossem technischem und finanziellem Aufwand zu bewerkstelligen war, ist heute für jedermann und -frau möglich. Gratis und ohne Programmierfertigkeiten lässt sich heute das Internet mitgestalten. Hierzulande sind es einige tausend Menschen, die ihre persönliche Sicht der Dinge via Weblog einer interessierten Öffentlichkeit präsentieren, in Frankreich sind jüngst gar 2,5 Millionen aktive Weblogs gezählt worden. Von Boom zu sprechen, ist hier also nicht übertrieben. Das Publikum entscheidet Mit den Swiss Blog Awards, die erstmals am Freitag, 5. Mai im Bieler Volkshaus verliehen werden, sollen Weblogs ausgezeichnet werden, die als besonders originell aufgefallen sind oder sonstwie die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen vermögen. Es gibt keine Jury, die nach einem strengen Kriterienkatalog entscheidet, wer der oder die Beste ist. In die Rolle des Entscheidgremiums schlüpfen all jene, die ebenso subjektiv wie die Weblog-AutorInnen selbst das bunte Treiben im Netz beobachten. Kurz: Das Publikum entscheidet. Bis am 23. April konnten sämtliche Weblogs, die in der einen oder anderen Form einen direkten Bezug zur Schweiz haben, in drei Kategorien für den Preis vorgeschlagen werden. Ausgezeichnet werden sollen schliesslich das beliebteste Schweizer Weblog überhaupt («Best Swiss Blog»), das beste Multimedia-Weblog, sowie der kreative Newcomer, jemand, der oder die erst seit 2005 ein Weblog sein eigen nennt. Von den fünf Weblogs pro Kategorie, die mit den meisten Stimmen aus der Nominationsphase kommen, kann schliesslich das anwesende Publikum die Sieger küren. Alle 15 KandidatInnen werden eingeladen, sich dem «Wahlvolk» zu präsentieren. Schliesslich zählt nicht nur der Eindruck im Netz, sondern auch der Mensch dahinter. Präsentiert wird die zweistündige Siegeskür von einer Moderatorin und einem Moderator vom DRS-Jugendradio Virus. Das ist kein Zufall, schliesslich teilen sich die Mitarbeitenden des selbsternannten «Radio neueste Generation», wenn sie nicht ins Mikrofon plaudern, via Weblog der Welt mit.
Fragen über Fragen Ebenso wichtig wie die eigentliche Preisverleihung ist am 5. Mai das Rahmenprogramm, das sich sowohl an gestandene Bloggerinnen und Blogger richtet, als auch an Leute, die einen ersten Einblick in die Welt des Weblogs erhaschen wollen. In einer ersten Diskussionsrunde geht es ums Geld. Tatsache ist, dass bereits heute mit Weblogs Geld verdient wird. Nur nicht so, wie man sich das vielleicht vorstellt. Vom Publizieren alleine können sich weltweit vielleicht ein paar Dutzend Weblog-Autoren der A-Klasse ihren Lebensunterhalt finanzieren. Allerdings gibt es bereits heute eine kleine Weblog-Branche, die all das – gegen Entgelt – anbietet, was es braucht, um als Netzpublizist loslegen zu können. Drei Unternehmer, die sich in dieses Geschäftsfeld vorgewagt haben, geben am 5. Mai Auskunft darüber, wie sich Weblog-Pixel in klingende Münzen verwandeln lassen. Eine andere Frage, die immer wieder gestellt wird, wenn von Weblogs die Rede ist, ist jene nach dem Verhältnis zwischen Massenmedien wie Radio, Fernsehen und Presse, sowie den Medien der Massen im Internet. Sind das Konkurrenten? Werden wir gar in ein paar Jahrzehnten unser Medienmenu aus einer Fülle von Angeboten aus dem Internet ganz nach unserem persönlichen Geschmack zusammenstellen? Wohl kaum. Viel mehr ist es vorstellbar, dass Massenmedien und Weblogs einander gegenseitig befruchten. Ansatzweise lässt sich das bereits heute beobachten. Wie sich Weblogs mit den althergebrachten Medien verstehen, ist Gegenstand einer Podiumsdiskussion, die ebenfalls am 5. Mai anlässlich der Verleihung der Swiss Blog Awards in Biel stattfinden wird. Profis aus der «alten» Medienwelt debattieren mit Weblog-ExpertInnen. Zuletzt noch das Wichtigste – das nicht früher erwähnt wurde, weil es fast eine Selbstverständlichkeit für einen solchen Anlass ist: Während fünf Stunden kommen im Bieler Volkshaus Bloggerinnen und Blogger für einmal hinter ihren Bildschirmen hervor zu einem ungezwungenen Stelldichein. Wer schon immer wissen wollte, was das für Leute sind, die sich gerne im Internet mitteilen, findet hier eine der seltenen Gelegenheiten, die Köpfe hinter den Weblogs kennen zu lernen. Alles weitere unter: www.swissblogawards.ch
1. Swiss Blog Awards 5. Mai Biel/Bienne Das Programm 17:00 h 17:30–18:15 h
Türöffnung Salongespräch: Was Weblogs wirklich wert sind – die Blogosphäre und das Geld – Kleiner Saal 18:30–19:15 h Podiumsdiskussion: Massenmedien und Medien der Massen – zwei unversöhnliche Welten? – Kleiner Saal 19:15–19:45 h Apéro im Foyer 19:15–19:45 h «2 minutes of fame» - Kleiner Saal 19:45 h Türöffnung Grosser Saal 20:00–22:00 h Award Ceremony – Grosser Saal 22:00-? h After-Party: DJ Starfrosch - Pooc Biel Freitag 5. Mai, 17:00-22:00 h Volkshaus Biel, Aarbergstrasse 112, Biel
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BRIGITTE EBNER
blogszene schweiz ■ Als ich vor gut dreieinhalb Jahren beschloss, ein Weblog zu führen, hätte ich nie gedacht, dass ich damit Teil eines Netzwerkes werden könnte und auf diesem Weg neue Bekanntschaften schliessen würde, virtuell wie persönlich. Ich hatte zuvor einige Monate lang im Internet regelmässig verschiedene Weblogs besucht, und ehe ich mich versah, verfasste ich selbst täglich Blogbeiträge, erhielt die ersten Reaktionen auf meine Texte und realisierte, dass ich zwar unter dem Deckmantel der Anonymität schrieb, schlussendlich aber die ganze Welt mitlesen konnte, was mich bewegt und in meinem Leben passiert. Mich kümmerte damals allerdings wenig, ob meine Leser aus der Schweiz oder sonstwoher stammen, und erst recht nicht, ob sie ebenfalls ein Weblog führen. Mir ging es ums Schreiben, mich faszinierte, wie einfach mir eine Plattform für meine Texte geboten wurde. Erst später, als ich auf die ersten Schweizer Blogverzeichnisse aufmerksam wurde, ist mir klargeworden, dass es eine Schweizer Blogszene gibt. Nicht, dass ich bei meinen Streifzügen durch die sogenannte «Blogosphäre» nicht auch anderen Schweizer Weblogs begegnet wäre, doch hielt ich uns Deutschweizer für eher schreibfaul. Eine Meinung, mit der ich übrigens gar nicht so falsch lag: Der Anteil an französischsprachigen Weblogs in der Schweiz ist im Verhältnis zur prozentualen Sprachverteilung hoch. Ob das daran liegt, dass wir Deutschschweizer mit unserer Amtsprache, dem Hochdeutschen, doch mehr hadern als wir zugeben möchten? Wer ist denn nun alles Teil der Schweizer Blogszene? Natürlich gibt es keine fixe Definition, aber es sind einerseits alle in der Schweiz wohnhaften Blogger, alle Auslandschweizer mit Weblogs, und von mir aus gesehen auch die Blogger, die weder Schweizer sind noch hier leben, deren Weblogs inhaltlich aber einen Bezug zur Schweiz aufweisen. Wer sich Zeit nimmt, in die Schweizer Blogszene einzutauchen – am einfachsten geht das über ein Blogverzeichnis, oder indem man sich über Blogrolls, das sind Linklisten, von Weblog zu Weblog klickt - wird schnell begreifen, wie heterogen diese ist. Das einzige, was die Betreiber auf den ersten Blick gemeinsam zu haben scheinen, ist, dass sie alle ein Weblog führen und dazu
eine passende Software einsetzen. Weblogbeiträge können tagebuchartig geführt werden, über die neusten technischen Innovationen berichten oder sogenannte «Podcasts», eigene Radioshows, zum Download anbieten. Weblogger veröffentlichen Strickmuster, sind gesellschaftskritisch, sie decken Skandale und Ungereimtheiten in Politik und Wirtschaft auf und werden so von manchen traditionellen Medien langsam aber sicher als ernst zunehmende Konkurrenz wahrgenommen. Es werden Tierbilder, Babybilder und Ferienfotos gezeigt, Wettbewerbe veranstaltet und mehr oder weniger ernsthafte Umfragen durchgeführt. Blogger veröffentlichen Kochrezepte, Kino- und Konzertkritiken, geben Buch-, Musik- und Restaurantempfehlungen ab und bewerten neu erworbene Konsumgüter. Genauso verschieden wie die Webloginhalte sind auch deren Betreiber. Während die einen anonym die ganze Welt an ihrem Liebes- und Sexualleben teilhaben lassen oder über Ungerechtigkeiten und Probleme am Arbeitsplatz berichten, gibt es andere, die mit ihrem richtigen Namen auftreten und sich so auch ausserhalb der virtuellen Welt ihrem privaten Umfeld oder der Öffentlichkeit stellen. Die Schweizer Blogszene unterscheidet sich wahrscheinlich nicht gross von den anderen in Europa. Vielleicht geht es bei uns ein bisschen ruhiger zu als anderorts, schweizerisch bedächtiger. Der Austausch findet meistens öffentlich statt, in Kommentaren oder Foren, die extra dafür eingerichtet wurden. Es gibt Blogger, die nicht nur sich selbst zu ernst nehmen und Blogger, die manches vielleicht ein bisschen ernster nehmen sollten. Es gibt Trendsetter und Mitläufer, es gibt Blogger, die vor Ideen übersprudeln und Blogger, die finden, dass bitte alles so bleiben soll wie es ist. Es gibt laute Blogger und solche, die leise Perlen fabrizieren und deren Qualität erst entdeckt werden muss. Es gibt literarisch anspruchsvolle Texte und solche, über die nicht nur Deutschlehrer verzweifelt den Kopf schütteln. Es gibt Blogger, die jede neue Meldung veröffentlichen und Blogger, die sich darüber so richtig schön ärgern können. Genauso wie es diejenigen gibt, die Regeln für Weblogs aufstellen möchten, die viel weiter gehen als die immer wiederkehrende Frage, ob es nun «das» oder «der» Weblog heisst. Ein bisschen mehr «leben und
leben lassen» würde der Szene gut tun, andererseits lieben und brauchen auch Blogger Klatsch und Tratsch, und der Fakt, dass sich in der Zwischenzeit viele, virtuelle Bekanntschaften in reale Freundschaften verwandelt haben, macht alles natürlich noch interessanter. Heute, wo wir konstant mit Informationen überflutet werden, ist es angenehm, aus einem zwar nicht mehr kleinen, aber noch überschaubaren Netz das herauszufiltern, was einen interessiert und von Gleichgesinnten empfohlen wird. Andererseits bringt einem die Vielfältigkeit der Blogwelt die unterschiedlichsten Themen nahe. Es scheint zwar eher unmöglich, dass sich der Technikfreak auf einmal für Strickmuster interessiert, aber vielleicht läuft ihm bei den Fotos zu einem köstlichen Bratenrezept das Wasser im Munde zusammen und er beschliesst, nach langer Zeit endlich mal wieder selbst in die Küche zu stehen. Oder er druckt das Rezept aus und legt es seiner Freundin auf den Tisch. Wie auch immer, mich haben Weblogs schon zu allem Möglichen inspiriert, als Highlight sei hier der Kauf einer bestimmten Toilettenpapier-Marke erwähnt. Was uns Schweizer Blogger verbindet, ist schlussendlich doch mehr als nur das Wort «Blog» und die dazugehörende Software. Es ist die Arbeit und die Sorgfalt, die viele von uns in ihr Weblog stecken. Mag sein, dass in jedem von uns ein kleiner Exhibitionist steckt, aber was wir tun, tun wir meist mit viel Engagement und einem nicht unbeträchtlichen Zeitaufwand. Denn schlussendlich ist es die Qualität des Inhalts, die ein gutes von einem schlechten Weblog unterscheidet: Und wenn nun am 5. Mai in Biel von der Schweizer Blogszene zum ersten Mal das beste Schweizer Weblog gekürt wird, spielt hoffentlich der Inhalt die Hauptrolle. Wobei ich persönlich bezweifle, dass «The Best of Swiss Blogs» überhaupt ermittelt werden kann. Dazu ist das Angebot schlicht zu vielfältig. Und so wird es hoffentlich auch weiterhin bleiben. www.unefilledulimmatquai.ch
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http://www.ladyofwar.net/
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SONJA KOLLER
«da seh ich nur zwei umschlungene gestalten…» Variaton Projektorchester konzertiert auf den Spuren von Robert und Clara Schumann
■ Es ist Frühling. «Clara», schreibt der 28-jährige Robert Schumann an seine Verlobte, «könnte ich Dir doch sagen, wie mich die Liebe glücklich macht, so ganz erfüllt, dass auch keine Stelle im ganzen Menschen ist, die nicht davon wiederbebte. Da wird aber Sprache und Ton unverständlich; da seh ich nur zwei umschlungene Gestalten und es will Alles um mich vergehen. Du gute Clara Du.» So leidenschaftlich wie er sich an sie wendet, so leidenschaftlich klingt es auch wieder zurück. Die 19jährige Clara, europaweit gefeierte Pianistin und Tochter von Schumanns Klavierlehrer Friedrich Wieck, erwidert die Liebe des Komponisten und Literaten. Doch Claras Vater sträubt sich vehement gegen die geplante Heirat, bis vor Gericht geht er mit seinem Einspruch. Während zwei Jahren kämpft das Paar für die gemeinsame Zukunft, Schumann überfällt Todessehnsucht und schwarze Melancholie. Schliesslich entscheidet das Gericht zu Gunsten des Paares und am 12. September 1840 läuten endlich die Hochzeitsglocken... Und dann? Mehr von Clara Wieck und Robert Schumann gibt es an den Konzerten von Variaton Projektorchester zu hören: Kompositionen des Künstlerpaares sowie Ausschnitte aus der riesigen Flut von Briefen und Tagebuchseiten, welche die Schumanns der Nachwelt hinterlassen haben. Musik als Abenteuer. Variaton bietet rund 50 Amateurmusikerinnen und –musikern zwischen 22 und 35 Jahren eine anspruchsvolle Mitspielgelegenheit in einem sinfonisch besetzten Orchester. In jugendlich-frischer Art will diese im Spätherbst 2003 gegründete Formation abenteuerliche Ideen inszenieren und Brücken zu anderen Musikstilen und Künsten schlagen. Variaton möchte frechen und frischen Wind in die Welt der klassischen Musik bringen, um auch jüngeren Leuten den Zugang zur sinfonischen Musik zu ebnen. Unter der Leitung von Felicitas Gadient erkundete das Orchester im vergangenen Frühling den Grenzbereich zwischen sinfonischer Musik und Jazz und gab im April 2005 sein fulminantes Debüt vor vollem Saal. Da unkonventionelle Konzertprogramme eine lange Vorbereitungszeit erfordern und die Organisation von einem fünfköpfigen Vor-
stand ausschliesslich in Freizeitstunden erledigt wird, beschränkt sich das Orchester darauf, ein Projekt pro Jahr zu realisieren. Einstudiert werden die Programme dann in einer Zeitspanne von zwei bis drei Monaten, vorwiegend an den Wochenenden. Und nun kann Variaton Ende Mai wieder drei spannende Konzerte präsentieren. Ziel ist es diesmal, das Publikum umfassend in Clara und Robert Schumanns Welt eintauchen zu lassen: Zum Auftakt wird die Orchesterouvertüre «Die schöne Melusine» von Felix Mendelssohn gespielt. «Sein Lob galt mir immer das höchste, - die höchste letzte Instanz war er», sagte Robert Schumann über Mendelssohn, der ein enger Freund und Musikerkollege der Schumanns war. Als die erst 16-jährige Clara Wieck in Leipzig ihr einziges Klavierkonzert zur Uraufführung brachte, stand Felix Mendelssohn als Dirigent vor dem Orchester. Die Pianistin schrieb das Werk für den eigenen Gebrauch und der überaus virtuose und anspruchsvolle Solopart ist ein eindrucksvolles Zeugnis ihres ausserordentlichen Könnens. Bei der Orchestration des Konzertes kam ihr Robert Schumann zu Hilfe. Dieses heute sehr selten gespielte, wunderbar romantische Konzert stellt Variaton dem Berner Publikum vor – als Programmschlusspunkt mit der jungen Ostschweizer Pianistin Andrea Wiesli. Zwischen den beiden gross besetzten Polen wird Kammermusik gespielt: Variaton-Konzertmeister Simon Heggendorn wechselt dazu auf die Viola und interpretiert gemeinsam mit Evelyne Eichenberger (Klarinette) und Petya Mihneva (Klavier) Robert Schumanns «Märchenerzählungen». Briefe und Tagebucheinträge des Ehepaars Schumann umrahmen die Kompositionen, gelesen werden die Texte vom Berner Schauspieler und Regisseur Hans-Peter Incondi. Zwar spiegeln sie verschiedene Jahreszeiten und Lebensphasen des Paares, ihr Tonfall bleibt aber auch im Oktober warm: «Sie wollen mich durchaus nicht Montag
fortlassen, doch bin ich dazu entschlossen!», schreibt die 26-jährige Clara Schumann von einer Konzertreise an ihren daheim gebliebenen Ehemann, «ich kann nur mit Wehmut an Dich und Dein Alleinsein denken, und gewiss, auch Du sehnst Dich ein Wenig nach Deiner Alten? Küsse die Kinder, und lass Dich in innigster Liebe umarmen von Deiner alten getreuen Clara».
Zu den Konzerten: Variaton Projektorchester Felicitas Gadient, Leitung Andrea Wiesli, Klavier Hans-Peter Incondi, Sprecher Simon Heggendorn, Viola Evelyne Eichenberger, Klarinette Petya Mihneva, Klavier Mi, 24. Mai, 20:00 h Kulturzentrum Reberhaus Bolligen Sa, 27. Mai, 20:00 h Oberstufenzentrum Köniz So, 28. Mai, 19:00 h Aula Freigymer Bern Felix Mendelssohn: Ouvertüre «Die schöne Melusine» Robert Schumann: «Märchenerzählungen» für Klarinette, Viola und Klavier Clara Schumann: Klavierkonzert in a-Moll Dazwischen Auszüge aus Schumann-Briefen und -Tagebüchern Eintritt frei / Kollekte Für weitere Informationen: www.variaton.ch (Sonja Koller ist Mitglied des Vereinsvorstandes von Variaton Projektorchester.)
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steps#10 - «simply perfect»: vom 27. april bis 18. mai 2006 ■ Steps, das internationale Tanzfestival vom MigrosKulturprozent gastiert vom 27. April bis 18. Mai 2006 zum zehnten Mal an 25 Orten der Schweiz. Das Jubiläumsprogramm steht unter dem Motto «simply perfect» und stellt die Frage nach dem idealen Körper. Neun Kompanien aus China, Israel, USA, Kanada, Holland, Deutschland und der Schweiz sowie ein Tanzfilm sind eingeladen. Das Festival wird am 27. April in Zürich mit dem Jin Xing Dance Theatre aus China eröffnet. Vom Steps-Jubiläum liess sich auch die Kulturzeitschrift «du» inspirieren: Ihre April-Ausgabe tanzt erstmals in der Geschichte und widmet Steps ein 48-seitiges Supplement. Weitere Angaben zum Programm unter www. steps.ch Jin Xing «Shanghai Beauty»: Ästhetik zwischen Ost und West Shanghai Beauty ist ein bezaubernder Bilderbogen zu Schönheit und Perfektion zwischen Ost und West. Die zurzeit meistbeachtete freie Tanzkompanie Chinas hat für die Produktion mit den beiden Berliner Choreografen Jutta Hell und Dieter Baumann zusammengearbeitet. Die deutsch-chinesische Kooperation reflektiert die chinesische Tradition und Ästhetik im Spannungsfeld westlicher Einflüsse. Jin Xing war bereits vor ihrer Geschlechtsumwandlung zur Frau in China ein gefeierter Tanzstar und auf Asiens Kunstmärkten eine berühmte und schillernde Persönlichkeit. Als Transsexuelle befragt sie die Körperbilder von Frauen und Männern. In Shanghai Beauty werden die Körper zur Projektionsfläche einer dynamischen Überlagerung von Vergangenheit und Zukunft. Louise Lecavalier «Cobalt Rouge»: Abenteuer Mensch als Momente des Zen «I is Memory»: Ein Solo Louise Lecavalier, der einstige Star der kanadischen Compagnie La La La Human Steps, beschäftigt sich heute mit der Verletzlichkeit und Unversehrtheit von Körper und Seele. Mit «Cobalt Rouge» zeigt sie mit zwei Tanzpartnern die Zusammenarbeit mit dem kanadischen Choreografen und Zen-Buddhisten Tedd Robinson. Im zweiten Teil des Abends tanzt die zierliche Performerin als Uraufführung das Solo «I is Memory», das Benoît Lachambre eigens für sie choreografiert hat. Louise Lecavalier war von 1981 bis 1999 die Ikone von Edouard Locks Compagnie La La La Human Steps. Von Kanada aus stürmte die Company mit ihrem athletischen, harten und körperlich risikoreichen Tanz die internationalen Festivals und teilte sich die Bühne mit Rock- und Popstars. Batsheva Dance Company «Three»: Botschaften über die Sinnlichkeit «Mamootot»: Individuelles und Kollektives, Intimes und Öffentliches «Deca Dance»: Ein Puzzle aus Bewegung und Emotion. Ein Abend mit der Batsheva Dance Company aus Tel Aviv wird zum Fest der Sinne. Die Compagnie überzeugt durch radikale Körperlichkeit und die Individualität ihrer Tänzerinnen und Tänzer. Steps präsentiert gleich drei verschiedene
Tanzabende von Ohad Naharin: «Three», «Deca Dance» und «Mamootot». Ohad Naharin choreografiert mit Leidenschaft. Dennoch lässt der Analytiker nichts unkontrolliert. Wie ein Bildhauer meisselt er an seiner eigenen Bewegungssprache und formuliert damit auch scharfe Kommentare zum politischen Alltag Israels. Naharin zeigt, wie Absurdes und Groteskes aus Extremen entstehen kann. Raimond Hoghe «Sacre – The rite of spring»: Eine Hymne auf Individualität und Toleranz Raimund Hoghe reflektiert und analysiert in seinen Werken das Wesen des Tanzes. Für seine Interpretation von Strawinskys «Le Sacre du Printemps» benutzt Hoghe Nijinskis Vorlage des Rituals. Im leeren Raum streben zwei Tänzer nach Reduktion und Genauigkeit und entwickeln dabei berührende Momente der Nähe und Zärtlichkeit. Die beiden Tänzer stammen aus zwei verschiedenen Generationen und sind ausgestattet mit höchst unterschiedlichen körperlichen Attributen: Der junge Lorenzo De Brabandere, als Tänzer wie aus dem Bilderbuch der körperlichen Ideale; der ältere Raimund Hoghe fast zwerghaft klein und bucklig. Pilobolus Dance Theatre «Symbiosis», «Megawatt»: Mensch und Universum, ein Balanceakt Das Pilobolus Dance Theatre aus Connecticut schafft Körperbilder jenseits des Schwerpunkts. Mit Akrobatik und Poesie überwindet die Compagnie die Gravitationskräfte und hebt Archetypen aus den Angeln. Sie macht uns glauben, dass der Mensch auch Tier, Pflanze, Landschaft, ja das Universum schlechthin sein kann. Mit Tanz im herkömmlichen Sinn hat das wenig zu tun. Gerade deshalb ist die Compagnie aus den USA so einzigartig und erfolgreich. Die Vertikale ist abgeschafft, der aufrechte Gang vergessen. Alles dreht sich um den Schwerpunkt des Körpers. So geht bei Pilobolus der Kopf zum Fuss, Beine können fliegen. Die Wirbelsäule dient als Trampolin und die Hüfte ist ein sicherer Landeplatz. Ihre Stücke, von den Choreografen immer in Zusammenarbeit mit der Compagnie kreiert, muten an wie Landschaftsmalerei mit den Mitteln des Körpers – traumhaft, abgehoben. Introdans «Comedy»: Ein kurzweiliger Tanzschmaus Moderner Tanz für ein neues Publikum, auch für Kinder und Jugendliche. Das künstlerische Konzept von Introdans aus Arnhem ist einfach und erfolgreich: Verständliche, kurzweilige Stücke von grossen Meistern der zeitgenössischen Choreografie werden zu einem abwechslungsreichen und unterhaltsamen Programm zusammengestellt. Für ein neugieriges, breites und junges Publikum ist nur das Beste gut genug. Niemand weiss das besser als Introdans. Komödiantisch, spritzig, leichtfüssig, aber auch hintergründig und satirisch kommt das neue Programm «Comedy» mit verschiedenen Kurzstücken daher. Gala#10 «Simply perfect»: Die choreografische
Reflexion zum Motto von Steps#10 Die Gala#10 rückt die Vielfalt und den Reichtum an Stilen und Sprachen des aktuellen Schweizer Tanzschaffens in den Mittelpunkt. Zur zehnjährigen Edition wurden ausgewählte etablierte und freie Compagnies der Schweizer Szene angefragt, ein Kurzstück zum Steps-Motto «simply perfect» zu erarbeiten. Der Abend verspricht ein Feuerwerk an choreografischen Statements. Vier Uraufführungen und eine Neubearbeitung stehen auf dem Programm. Choreografie: Stijn Celis (Bern Ballett), Lucia Baumgartner (inFlux), Philipp Egli (Tanzkompanie Theater St. Gallen), Richard Wherlock (Ballett Basel), Arthur Kuggeleyn Philippe Saire «Blind Date»: Ein Tanzfilm «Blind Date» ist der erste längere Tanzfilm des Lausanner Choreografen Philippe Saire. Er wurde vom Schweizer Fernsehen in Auftrag gegeben. Gedreht wurde in einem Industriegebiet von Lausanne, wo Prostituierte und Arbeiter eines Güterbahnhofs zusammenleben. Der spielfilmartig inszenierte Film vermittelt die abstrakte Sprache des Tanzes mit der Präsenz eines konkreten, realen Ortes. «Blind Date» ist der Film einer Suche. Mika, ein junger Mann, der ganz den Zwängen seines Jobs und der Gesellschaft ausgeliefert ist, hat den Eindruck, neben seinem Leben zu stehen und von seinen Wünschen abgeschnitten zu sein. Nach einem Autounfall mit seiner Freundin liegt er im Sterben. Für kurze Zeit kämpft er um sein Leben. Der Film entfaltet diesen Moment des Widerstands, macht daraus eine poetische Parenthese, die von unserer Schwierigkeit berichtet, sich an etwas hinzugeben.
Steps#10 - «simply perfect» www.steps.ch Telefon 0848 870 875 Bern, Kulturhallen Dampfzentrale 9.5., 19:30 h Jin Xing Dance Theatre 10.5., 19:30 h Jin Xing Dance Theatre 11.5., 19:30 h Film Philippe Saire 12.5., 19:30 h Gala#10 14.5., 19:30 h Louise Lecavalier Bern, Stadttheater 4.5., 19:30 h Batsheva Dance Company Biel, Aula Berufsbildungszentrum BBZ 4.5., 20:30 h Introdans 5.5., 20:30 h Pilobolus Dance Theatre 12.5., 20:30 h Raimund Hoghe 13.5., 20:00 h Film Philippe Saire
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19. BERNER TANZTAGE VOM 7. JUNI BIS 17. JUNI 06 Videotanz und Filme zum Thema vom 25. bis 31. Mai 2006 ■ Die 19. Berner Tanztage begeben sich auf eine Spurensuche in den Fernen Osten und zeigen Truppen aus Asien und solche, die sich von fernöstlichen Elementen inspirieren lassen: Fünf Kompanien mit Künstlerinnen und Künstlern aus China, Taiwan, Südkorea, Thailand, Japan und Europa werden in den Kulturhallen Dampfzentrale und im Schlachthaus auftreten und einen Einblick in verschiedene asiatische Bewegungskulturen geben. Die Verleihung des Schweizer Tanz- und Choreografiepreises 2006 an den Genfer Tänzer Foofwa d’Imobilité im Rahmen der Eröffnungsgala der Berner Tanztage und die Uraufführung des Kinderstücks «Verflixt!» zählen zu weiteren Programmhöhepunkten. Im Vorfeld: «dance screen 2005 on tour» und Spots auf Filme des Fernen Ostens Der letzte «dance screen»-Wettbewerb, international der wichtigste Treffpunkt für Tanz in den audiovisuellen Medien, fand letzten Sommer in Brighton, England, statt. Es ist inzwischen Tradition, die besten Werke des Videotanzes im Rahmen der Berner Tanztage zu präsentieren - «dance screen 2005 on tour» ist am 29.5. im Kornhausforum zu sehen. In der Cinématte stehen fünf Filme für die Vielseitigkeit des asiatischen Kinos: Mit «Spirited Away – Chihiros Reise ins Zauberland» läuft eine Trouvaille des japanischen Animationsfilms, der sowohl Kinder als auch Cineasten in fremde Welten entführt. Aus Südkorea kommt «Spring, Summer, Fall, Winter and Spring», ein meditativer Film gleichsam einer Metapher auf‘s Leben. «Yi-Yi» aus Taiwan spannt berührend einen Lebensbogen von der Geburt bis in den Tod. Der chinesische Film «Hero» beeindruckt durch atemberaubende Martial Arts-Szenen, die absolut tänzerisch wirken, und Kamera und Montage können mit den besten Tanzfilmen mithalten. «Kabhi Khushi Kabhie Gham» bietet schliesslich ein typisches Bollywood-Kinoerlebnis: mitreissende Musik, kitschige Kulissen, opulente Tanzeinlagen und eine dramatische Geschichte. Kornhausforum: «dance screen 2005 on tour», 29.5., 20:00 h (Eintritt frei) Cinématte: «Spirited Away – Chihiros Reise ins Zauberland», 25.5., 18.30 h (ab 7 Jahren), «Hero», 26.5., 21:00 h, «Spring, Summer, Fall, Winter and Spring», 27.5., 21:00 h, «Yi-Yi», 28.5., 20:00 h, «Kabhi Khushi Kabhie Gham» 31.5., 20:00 h. Neuerungen zur erleichterten Programmauswahl - das Tanztage-Team steht für Informationen bereit und beantwortet Ihre Fragen: BEKB|BECB Begegnungszentrum am Bundesplatz 8, Mo, 15. bis Fr, 19. Mai, jeweils von 12:00 bis 14:00 h Kornhausplatz Sa, 20. Mai von 9:00 bis 14:00 h Bärenplatz Mi, 24. Mai, von 11:00 bis 18:00 h.
Vorverkauf ab sofort Bei «Der Bund»-Ticketcorener und allen Starticket-Verkaufsstellen 0900 325 325 (Fr. 1.49/Min.) www.starticket.ch (print-at-home). Programm und Videoclips: www.tanztage.ch Bild: zVg.
1 von 311 Haltestellen:
Blumenfeld.
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TABEA STEINER
markus müller nach thun ■ Markus Müller will den Eingang zum Wocherpanorama im Thuner Schadaupark in eine Hotellobby verwandeln, in welcher die Atmosphäre eines Bunkers vorherrscht, der mit Zivilschutzmobiliar ausgestattet ist. Soviel zu den Schachtelsätzen. Markus Müller, ursprünglich ein Ostschweizer, hat in einer St. Galler Stickerei die KV-Lehre gemacht. Dabei hat er festgestellt, dass die Arbeit mit den Textilien und den Textiloberflächen mehr Spass macht als die bürokratischen Hintergründe und absolvierte den Vorkurs in St. Gallen. In Basel besuchte er die Bildhauerfachklasse und arbeitet seither ausschliesslich mit Skulptur, das heisst, wenn man von seiner Malerei absieht. Dabei ist er ein Meister der Täuschung: die augenscheinliche Oberfläche seiner Skulpturen sind nur bei oberflächlichem Augenschein wertvoll, beim genauen Hinsehen entpuppt sich alles als Atrappe, als blosse Fassade, aber auch als kunstvoll gefertigte Kulisse. Darum wird zuweilen auch eine Parallele gezogen zwischen Markus Müllers Werk und dem Barock: die dicken Engelchen, die im Barock von der Kirchendecke hingen und den Anschein machten, sie könnten fliegen, waren aus Gips, aber angemalt, dass es vom Kirchenboden aus schein, als wären sie aus Gold. Auch Markus Müller spielt mit dieser Fassadenmalerei: Er bemalt Platten aus Holz, so dass sie einen Eindruck von Marmor, Holz, Beton oder edlen Steinen hinterlassen. Da sind zum Beispiel die Opale, Spanplatten, die er mit groben, dicken Pinselstrichen bemalt hat. Der Effekt ist aber einzigartig: das Innere der riesigen, geschliffenen Steine leuchtet bezaubernd, den Rand bildet eine Sägemehlkruste. Das «Landhaus», ebenfalls aus Holzplatten gezimmert, steht an einem Waldrand und symbolisiert einen typischen Betonbau der Mittelklasse. Die Wände erreichen kaum den Boden. Das Werk ist befestigt an einem Metallgestell, und das Holz so bemalt, dass es den Anschein macht, als sei es angekohlter Karton. Eine Kulisse, die vielleicht Schatten spendet. Weiter arbeitet er mit Intarsien, Mustern, Oberflächen, und erweist sich dabei als ein Meister der Malerei. Ein weiteres Werk, zugleich mein Favorit, ist der Salontisch, eine rosa Marmorplatte, die von königlichen Löwenfüssen getragen wird. Man ahnt es, die Tatzen sind mit Seilen umwickelt, und die Marmorplatte ist gezimmert aus Holzplatten, innen hohl, und in kitschigen Rosatönen bemalt. Erschreckend ist das Loch, das jemand in die Marmorplatte gehauen hat, es zerstört jegliche noch übriggebliebene Idylle. Die Assoziation zur Dekadenz bleibt. Markus Müller versucht in seinen Werken, Bilder zu fertigen von Bildern, Skulpturen von Skulpturen. Mit der
VON NAZIS, LESBEN UND FUSSBALLFANS 17. Schweizerisches Film- und Videofestival Spiez & Thun vom 24. bis 27. Mai 2006
Veränderung von Oberflächen will er seinen Werken eine andere Bedeutung zumessen als den schlichten Materialwert, sie sind darum Kunst, weil sie nicht in arkibischer Kleinarbeit zum Kunstwerk erklärt werden. Markus Müller befreit seine Kunst vom Gewicht grosser Namen, lässt sie als Sache an sich stehen. Der Eindruck, den seine Werke machen, soll sowohl erinnern an das, was in der Welt ist, soll an eine Hotellobby erinnern, in der es einen fröstelt, aber soll sich auch rechtfertigen aus sich selber. Das Zivilschutzmobiliar soll keinem Zweck dienen, sondern den Zweck und zugleich die Kunst parodieren. Im Eingangsbereich des Wocherpanoramas stellt Markus Müller ab dem 3. Mai besagte Objekte aus. Das Wocherpanorma steht im Schadaupark in Thun an idyllischer Lage. Marquard Wocher, Schöpfer und Namensgeber, malte es Anfang des 19. Jahrhunderts von einem Kamin der Thuner Altstadt. Thun war zu dieser Zeit ein Ort illustrer Gäste; Goethe hatte das Städtchen drei Jahrzehnte zuvor besucht, Heinrich von Kleist bewohnte sechs Jahre zuvor für drei Monate ein Inselchen am See. Das Rundbild zeigt die Stadt, wie die grossen Literaten sie gesehen haben, friedlich, in regem Treiben am Vormittag. Das fertige Bild wurde in Basel in einem eigens dafür errichteten Panorama-Gebäude gezeigt und warb für Thun als das Tor zu den Bergen. Das Wocherpanorama stammt also aus der guten alten Zeit, als der Tourismus in Thun noch florierte und die Lokalzeitungen noch nicht überschwemmt waren mit Lamentos zum Niedergang des Städtchens. Dies ist im Grunde genommen auch heute nicht nötig, jedenfalls solange noch Ausstellungen mit Künstlern wie Markus Müller nach Thun gebracht werden, und solange Ruth Schweikert im Rahmen des Projektes Paarläufe in der Ausstellung von Markus Müller liest: Am 31. Mai, 19:00 h im Wocherpanorama in Thun.
■ Zum 17. Mal in Spiez und zum zweiten Mal in Thun: Wettbewerbe in drei Kategorien für Schweizer Filmemacher, der neue Filmzyklus «MenschenLebenGrenzen» und als Spezialevent das «Filmschiff-Fussball». Dies sind die drei Eckpfeiler des diesjährigen 17. Schweizerischen Film- und Videofestival Spiez & Thun vom 24. bis 27. Mai 2006. Weshalb beginnt der Regisseur Daniel Schweizer seinen dritten Dokumentarfilm über die Naziszene, «White Terror», mit dem tragischen Mord an Marcel von Allmen aus Unterseen? Weshalb ziehen die Eunuchen in Indien klatschend durch die Strassen? Wie hiess die Patientin und Geliebte von Sigmund Freud und welchen Einfluss hatte sie auf sein Wirken? Diese und viele andere Fragen beantwortet das 17. Schweizerische Film- und Videofestival Spiez & Thun vom 24. bis 27. Mai 2006. Filmschaffende, Interessierte und Neugierige können über 120 kurze, lange und mit Herzblut gedrehte Amateurfilme aus der Schweiz in drei Wettbewerbs-Kategorien entdecken. Im neuen Filmzyklus «MenschenLebenGrenzen», kurz MLG, gibt es acht Filme, die berühren, bewegen und informieren. Einer der Höhepunkte ist die Auffahrts-Filmmatinée unter Anwesenheit des Regisseurs Daniel Schweizer mit «White Terror» – seinem dritten Film über die Naziszene. Auch «Katzenball» der Spiezerin Veronika Minder, die die Schweizer Geschichte der Lesben dokumentiert, bereichert MLG – wie «We Feed the World» unter Mitwirkung von Jean Ziegler, «Ring des Herzens» von Jacqueline Veuve und über die Ghettoisierung der Schwarzafrikanerin in Südafrika. Teil von MLG ist das UNICA-Programm mit den weltbesten Amateurfilmen. Aus Anlass der Weltmeisterschaft lädt das «Filmschiff-Fussball» am Samstag Fans an Bord der MS Berner Oberland. Im Angebot stehen drei Pakete: «Spielfilme und ein Nachtessen», «Kurzfilme und ein Snackteller» oder « Videoeinspielungen, eine Interview-Bar und eine FC-Thun-Ecke» (ts) Mehr Infos: www.filmfestivalspiez.ch Das besondere Erlebnis! Anmeldung dringend empfohlen: Tel 079 829 56 75. Detaillierte Informationen: siehe Programmheft und Filmkatalog (oder Seite 78) filmfestivalspiez@gmx.ch
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SARA TRAUFFER
WENN PAUL KLEE TANZT ■ Die ersten Takte dieser CD machen süchtig. Ein angriffiger Rhythmus, ein melodisches Umkreisen des Zentrums, ein minimales Muster, das einen unwiderstehlichen Sog entwickelt. Zunächst nur einstimmig in den Geigen, dann mit impulsiven Einwürfen der Bratschen verstärkt, immer rastlos. So verdichtet sich das Gewebe, bis schliesslich das Soloinstrument, die Trompete, ihr strahlendes, langes Band darüber legt. Und dann kann man nicht mehr aufhören. Es ist schlicht hinreissend, was Cecilia McDowall hier komponiert hat und wie Paul Archibald und das Orchestra Nova unter der Leitung von George Vass diese Musik spielen. «Blow your trumpets» heisst das knapp vierminütige Stück, der erste Satz des Konzerts «Seraphim» für Solotrompete, Streichorchester und Perkussion. Herrlich, wie die verschiedenen Instrumente miteinander dialogisieren, sich in virtuosen Windungen zum Unisono treffen und dann schliesslich einen raffinierten Schluss hinlegen. Wow! Das schraubt die Erwartungen an diese CD mit Orchester- und Ensemblewerken der 1951 geborenen englischen Komponistin hoch. Doch beim weiteren Hören zeigt sich, dass kein anderes der hier eingespielten Stücke einen ebenso mitreissenden Groove hat wie das erste. Kein Grund zum Abschalten allerdings: «Dancing fish» für Sopransaxofon und Streichorchester oder «Not Just a Place» für Solovioline, Solokontrabass und Streichorchester bieten auf eine andere Art starke Hörerlebnisse und sind umwerfend interpretiert, insbesondere auch von den SolistInnen. Es lohnt sich ausserdem, im Booklet die Werkkommentare der Komponistin nachzulesen. Da erfährt man einiges über ihre Inspirationsquellen: schottische oder russische Dichtung, andere Komponisten, etwa Händel oder Piazzolla, und nicht zuletzt Paul Klee, der beim Malen zwischendurch getanzt haben soll. Auch daraus wird bei Cecilia McDowall Musik. Achtung, es geht ab, wenn Herr Klee tanzt! Cecilia McDowall: Seraphim, Dance the dark streets, Dancing fish, Not Just a Place, Dream City, The case of the unanswered wire. 2005 Dutton CDLX 7159
BENEDIKT SARTORIUS
Bild: zVg.
die musikalische kilbi des jahres ■ «I Love Kilbi»: Dieses schlichte Motto hängt über der nunmehr 16. Ausgabe des ehrenwerten Bad Bonn «Frühlingsfestival». Noch immer ist «kein Mief von Routine über dem Saanegraben» auszumachen, «nur die Lust an der stilistischen Provokation» (Kilbi Editorial 2004). Und genau deshalb programmierten die nimmermüden «Kilbimaker» um Daniel Fontana einmal mehr den musikalischen Spagat zwischen Kunst und Trash, Laptop und noisy Gitarren, krudem Freistil und verträumter Popmusik. I Love Animal Collective Zum Schluss der dreitägigen Musikkilbi bespielt das Animal Collective aus New York die Hauptbühne. Seit 1992 werken die beiden KernMitglieder des losen Kollektivs, Avey Tare und Panda Bear, an einem weit verzweigten, dichten Zeichensystem aus mystischen Hippie-Versatzstücken, sphärischen Klangmalereien, wirren Freakouts und Fistelstimmen, die in jubilierende Melodien münden. Destilliert ergibt diese Mischung wunderliche und fantastische Popmusik, die nicht von dieser Welt ist und in so unterschiedlichen Übersongs ihre Essenz findet: «We Tigers» aus dem verschwurbelten, abenteuerlichen Album «Sung Tongs» (2004) prescht mit Schamanentrommeln los, bedrohend lauern fremde Stimmen im Hintergrund, die sich zum grossen Kehlkopfgesang auftürmen und die Hörerschaft in hyperventilierende Tiger verwandelt. In Kontrast zu dieser aufgekratzten Stimmung strahlt «Banshee Beat» aus «Feels» (2005) eine tiefe, beruhigende Stille aus. Dezent funkeln die linden Gitarrenakkorde, dazu wispert Tare seine kryptischen Texte, ehe sich nach zwei Minuten ein leiser, fliessender Rhythmus hinzugesellt und immer weiter in die unergründliche, dunkle Tiefe weist. Schlicht unerhört. I Love Herman Düne Direkt vor dem tierischen Kollektiv spielen die heimlichen Stars des Festivals auf: Die dem verzweigten Antifolk-Netzwerk (siehe ensuite
11/05) angeschlossenen Herman Düne betören mit ihren einfachen, raffinierten Lieder über die Angst vor dem Versagen, über Verlust und ewige Liebe, ohne larmoyante Maske, ohne doppeltes Netz. Schwerlich findet man herzlichere und unprätentiösere Musik als die der drei vermeintlichen, in Paris ansässigen Brüder. Und schwerlich findet man schönere Sätze als in «Not On Top», dem Titellied ihres letzten Albums: «Feels like I’ll never get my shit together», genau. I Love Heavy Trash Ausgebuffte Selbstinszenierungen bestimmen den Eröffnungsabend: Auf den hyperaktiven Soul von Jamie Lidell folgt der «Blues Explosion» Mann Jon Spencer mit seiner neuen Gruppe Heavy Trash. Der Name scheint zunächst Programm, die letztjährige Duo-Einspielung mit seinem grausigen, pastellfarbenen Cover ein netter Partygag, wäre der Hillbilly-Blues nicht zu entzückend, voller Spielfreude und Inbrunst. Spencer und sein Partner Matt Verta-Ray spielen mit der hehren Authentizität Katz und Maus; ein Spiel, das die beiden bleichen Herren meisterhaft beherrschen. I Love… Weiter im Programm: The Delilahs und The Subways spielen Musik, die die einschlägige Presse am inflationär gebrauchten Wörtchen «Hype» ach so gerne aufhängt, Blackmail fabrizieren Rock im Breitwandformat, der Violinist der grossartigen Arcade Fire ist mit seinem Projekt Final Fantasy zu Gast wie auch eine Vielzahl an weiteren Acts, die das Publikum ordentlich durchschütteln und einmal mehr beweisen werden, wieso die Kilbi Jahr für Jahr einer der Höhepunkte des Konzertkalenders ist. Bad Bonn Kilbi, Düdingen, 1.-3. Juni 2006 Vorverkauf: Starticket Alle Infos unter www.badbonn.ch
C D - T I P P S
Tja, die Marsmenschen hatten mit der Lieferung Schwierigkeiten: Interplanetarer Stau. Wir werden also erst nach Druckschluss ein Bild haben. Doch so bleibt die Spannung noch etwas erhalten...
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LUKAS VOGELSANG
ECM listening post
The Secret machines
Rosa Passos
ten silver drops
Rosa
■ Aufgeschreckt durch eine Meldung in der Weltwoche über die Landung von Marsmenschen auf dem Planeten Erde, wollte ich unbedingt – der Voyeurismus ist gross in solchen Dingen – diese Wesen kennenlernen, wissen und vor allem fühlen. Wie sieht sie aus, diese abartige Spezies? Sind die Wesen nun wirklich grün oder nur hinter den Ohren? Kommen sie in guter oder böser Absicht oder sind sie gar gefährlich? Was mich dann auf Knopfdruck erwartete, übertraf die kühnsten Hoffnungen. The Secret Machines haben mich zum Marsmenschen bekehrt. Ich will mehr. Wo diese smarten und schlacksigen Jungs herkommen, muss die Welt fantastisch sein. Die Kraft hinter dem Klang ist wie vor 20 Jahren, als die Gitarren und Synthesizer noch krachen und donnern konnten – aber trotzdem melodiös und mit Sinn. Es hat etwas von Pink Floyd und YES – aber in «the next generation». Mutige Jungs und mit perfektem Handwerk. Da können Coldplay, the Strokes und all die Trendies nur noch winken. Vor allem das Stück «i hate pretending» klingt, als würde das Raumschiff mit einer Harley Davidson fliegen. Wuchtig und zuweilen auch brachial klingend – und damit sicher nicht den Musikgeschmack von jedermann treffend – werden sie ein noch grösseres Universum ansteuern. Und wer sich an diese Ausserirdischen heranmacht, muss wissen, dass er auf berühmte Verbündete stossen wird. Aber The Secret Machines leben vom Zuhören, nicht von den Musikern im Rampenlicht, sondern von einem perfekten Klang. Von würdigen und glaubhaften Visionen. The Secret Machines ist Aufbruchsmusik, Hoffnungsträger, dass wir nicht alleine im All herumlallen, ist überwundene Lichtgeschwindigkeit und Mutter-Frühling der Musik. (vl)
■ Man nennt sie in Brasilien die weibliche Inkarnation von João Gilberto und sie hat soeben ihr Debut-Album veröffentlicht. Sie hat Zeit. Fast 30 Jahre hat es gedauert, dass sie dieses erste akustische Soloalbum aufgenommen hat. Dafür hat sie sich sehr viel Reife gelassen und ging erst ins Studio, als sie sich dazu bereit fühlte. Und so klingt es auch. Rosa muss uns nichts beweisen, ist pur und echt, sich selbst und lässt uns Anteil haben an ihrer Seele und einem innerlichen Tanz mit sich selbst. Sie spielt barfuss auf Sand, mit verträumtem Blick im leichten Sommerwind. Die feinen Gitarrenklänge sind so sauber und präzise, wie das grün im Frühlingsahorn. In dieser Stille und Zärtlichkeit, harmonisiert die Musikerin in warmer Emotionalität, ohne eine Spur Kitsch oder Klischee. Davon ist sie weit entfernt. Fast weltenfremd schwingen die Melodien durch die Räume und man fühlt sich behaglich umhüllt und getragen. In Leichtigkeit verführend, nicht genau verstehend, was uns geschieht, ziehen wir ihr nach. Die Stücke hat sie selber arrangiert, zum Teil sogar komponiert. Doch sie meint, dass sie die Worte lieber andern überlässt. Wer dem Brasilianischen nicht mächtig ist, wird die Poesie auf dieser CD nur erahnen können. Doch ist ihre Sprache selber Musik und die Verständlichkeit ist nicht von Nöten: Wer die Augen schliesst, wird die Blumenwiesen von Rosas Lippen lesen lernen. Und so spielt sie mit Klang und Intensität, Dynamik – meisterhaft. Zurecht wird ihr die Reinkarnation nachgesagt. Man müsste sich gar fragen, wer zuerst den klassischen Bossa hervorgebracht hatte. Mit Rosa Passos hätten wir die richtige Antwort und vielleicht werden wir auch die Bücher umschreiben müssen: Den Bossa kann nur eine Frau wirklich singen… Zu hören ist Rosa Passos im Mai live in Bern: An der «Spezial New York Be-Bop Gala» am Freitag, 26. Mai, 20:00 h, im Kursaal Bern. Sie wird begleitet von Paolo Paulelli (b). (vl)
■ Ein unbeschriebenes Blatt ist Stephen Stubbs nicht. Aber fast unumschrieben. Das liegt wohl an seinem Instrument, der Laute, und nicht an seiner Person als Musiker. Klassische Lautenspieler sind rar. Als Mitmusiker wiederum spielt der Amerikaner aber unter namhaften Grössen wie John Potter, Sohn Surman, Maya Homburger, Hillard Ensemble, Barry Guy. Stubbs ist 1951 in Seattle geboren und kam nach dem Studium nach Europa. Seit 1980 lebt er in Deutschland, ist Musikprofessor und reist mit seinem Ensemble «Tragicomedia» durch die Welt. Die Laute war im 16. und 17. Jahrhundert sehr beliebt – in der heutigen Zeit ist sie eher selten anzutreffen. Mit «Theatro Lirico» steht sodann auch die Musik aus dem 17. Jahrhundert im Mittelpunkt. Die zwölf Stücke aus Italien und der Slowakei klingen für ungeübte Ohren sehr ähnlich und in einer monotonen Struktur. Wir brauchen etwas Gewöhnungszeit, um uns zu orientieren. Wer sich aber darauf einlässt, wird belohnt. Das Schöne an Barocker Musik ist die Leichtigkeit und das träumerische Schwelgen… Stephen Stubbs aber hat mit diesen Aufnahmen nicht nur alte Geschichten hervorgeholt, es ist ihm und dem gesamten Quartett gelungen, Musik zu schaffen, die nicht «tänzelt», wie dies bei Barocker Musik doch schnell geschehen kann. In wundervoller Schönheit erzählt «Teatro Lirico» Geschichten und wir hören zu. Lyrisches Theater – so der eigentliche Titel – verspricht nichts, was er nicht hält. Fast puristisch reduziert und mit viel Liebe zum Detail, hat hier der Klang seine Bestimmung gefunden. Eine Musik für Denker und Philosophen und all jene, die es noch werden wollen… Stephen Stubbs - Teatro Lirico ECM New Series 1893
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D I V E R S E S
SARAH ELENA SCHWERZMANN
DAS LEBEN IST KEIN ZUCKERSCHLECKEN ■ So hatte ich mir meinen Aufenthalt in München vorgestellt: 1. Ein Luxusapartment in der Innenstadt, 2. jedes Wochenende feiern mit berühmten Leuten aus Kino und Fernsehen und 3. interessante Bekanntschaften mit tollen Männern. Doch davon bin ich weit entfernt – in allen Punkten. 1. Ich wohne im Studentinnenheim des Frauenklosters «Zu den Armen Schulschwestern». Ich bin zwar katholisch, dies allerdings nur auf dem Papier. Hauptvorteil: Die armen Schulschwestern sind gar nicht so arm und deshalb ist die Miete schön billig. Das Problem ist nur, dass ich das Ganze wie eine Art Zweckwg anschaue, das heisst, es ist nett, wenn man auf dem Flur ein paar Worte miteinander wechselt, aber das war‘s dann auch schon. Und ich bin mir sehr sicher, dass ich von jeglichen Einladungen zur Bibelgruppe bitte verschont werden möchte. Das bringt mich zu Punkt 2: Letztes Wochenende war Ostern, und ich habe mich echt dazu überreden lassen, um fünf Uhr morgens in die Kirche zu radeln. Ich habe mir gedacht: Na gut, ein Gottesdienst dauert eine Stunde und wenn ich eine halbe Stunde zu spät auftauche, weil ich ja neu in der Stadt bin und die Kirche nicht auf Anhieb gefunden habe, bleiben noch 30 Minuten bis zum kostenlosen Osterfrühstück, der wahre Grund meines nächtlichen Ausflugs. Weit gefehlt. Ostern ist ja ein so freudiges Ereignis, dass man den Gottesdienst auch gleich um das Doppelte strecken kann. Am Osterfrühstück habe ich dann angefangen, Punkt 3 in die Tat umzusetzen. Leider ist der schöne Pianist nach 10 Minuten wieder abgehauen und ich sah mich mit Norbert konfrontiert. Norbert ist Quantenphysiker. Und bevor du dich fragst: Ja, er sieht genauso aus wie man sich einen Quantenphysiker vorstellt. Das Gespräch war wohl höchst anregend und interessant – für ihn auf jeden Fall. Er hat sich köstlich amüsiert, sich selber zuzuhören. Ach ja, und um noch mal auf Punkt 2 zurückzukommen: Eine Berühmtheit habe ich schon gesehen. Vera am Mittag. Sie war mit ihren Freundinnen unterwegs und hat so rumgegackert, dass sie fast vor die Tram gekommen wäre. Es muss wohl stimmen: Das Leben ist kein Zuckerschlecken.
JEAN-LUC FROIDEVAUX
das beste berner internetfernsehen der welt ■ Die «Stars» von Weggli-TV sind die Passanten deutschschweizer Städte. Sie werden gefragt, ob Menschenrechte auch für Terroristen gelten sollen, wovor sie sich am meisten ekelten und wie teuer sie ein Körperteil hergeben würden – welches, bleibt Verhandlungssache. Natürlich hetzt jedes Kanalfernsehen seine statement-jagenden VJ’s zu allen möglichen Themen auf Fussgänger mit ungenügend ausgebildeten Ausweichreflexen. Aber das Mögliche wird von den zahlenden Werbekunden limitiert, welchen die Medien ihr Publikum verkaufen (sic est). Weggli-TV kennt solche Sachzwänge nicht: Der Autodidakt Serge Stauffer produziert mit einigen Helfern (unbezahlten, aber anders als die Stationen mit den farbig beschrifteten Wagenparks, bezeichnet er sie nicht als Stagiaires und gibt nicht vor, ihnen etwas beibringen zu können), Consumer-DV-Kamera und Mac in seiner Wohnung in Zollikofen, Fernsehen für die (deutschsprachige) Welt. Die Podcasting-Technik als ideale Erfüllung der Brechtschen Forderung für’s Radio: Jeder Empfänger ein potentieller Sender. Natürlich erschwert diese Kakophonie die Wahrnehmung einzelner Stimmen, und Stauffer schielt denn auch auf seine Logfile-Analyse, wie einst Thoma auf die Einschaltquote: jene ist nach nur 22 Sendungen mit Tausend Zuschauern pro Tag erwähnenswert hoch: Medienpioniere profitieren von einer anfänglich erhöhten Nachfrage nach Inhalten und erreichen einen hohen Bekanntheitsgrad, bevor die etablierten Medienhäuser uns mit ihrem alten Wein in diesen neuen Schläuchen abfüllen und alternative Stimmen in Nischen drängen. Das Internet könnte zwar theoretisch die in den 70er Jahren diskutierten (Enzensberger, Kluge) mediale Gegenöffentlichkeit mittels offener Kanäle, Bürgerbeteiligung und Selbstverwaltung ermöglichen, praktisch aber verhindert die Segmentierung des Publikums in Teilöffentlichkeiten einen Diskurs. Es setzen sich zudem Praxen durch, die das Internet vom Ideal der herrschaftsfreien Kommunikation zum reinen Marketingtool degradieren. Jene
etwa, durch den Kauf von Stichwörtern auf den grossen Suchmaschinen für die eigene Wahrnehmung zu sorgen. Auch Stauffer hat sich die klassischen Strategien im Kampf um begrenzte Aufmerksamkeit angeeignet, er ist sich dessen bewusst, dass es nichts mit Objektivität zu tun hat, wenn er aus anderthalbstündigem Rohmaterial die emotionalsten Aussagen zu Fünfminutenbeiträgen verkürzt und mit den prägnantesten davon potentielle Neuabonnenten im Einminuten-Trailer vom Wegzappen abhält. Medialen Seltenheitswert hat hingegen, dass a) die Interviewer Fragen stellen, die sie selber auch interessieren - b) daher tatsächlich neugierig auf die Antworten sind und c) die Leute ihre Meinung sagen lassen. Dass dies grösstenteils politisch korrekt rüberkommt - die vorangestellte Warnung „Explicit“ ist eher Marketing als ernst gemeint - hat wohl mehr mit der hiesigen Mentalität zu tun, als mit dem Bewusstsein von Medienpräsenz. Die Erklärung, sie seien ein Internet-TV, nehme, so Stauffer, manchen, die schon fürchteten, es mit einem «richtigen» Fernsehen zu tun zu haben, die Befangenheit. Das Konzept hält fest, dass Weggli-TV im öffentlichen Raum produziert wird und die in den etablierten Medien zu wenig berücksichtigten Themen interessieren sollen; Widersprüche des Einzelnen und der Gesellschaft und die Vielseitigkeit des Lebens. Fernsehen «zeigt’s zwar allen», fokussiert in der Regel aber auf Stars und hält das Mikrofon Experten hin - Unbekannte interessieren nur als Frischfleisch in Castingshows oder (wer zumindest den Exfreund mit dem Bügeleisen kastriert hat) zum Seelenstrip in Freak- ähm...Talkshows. Stauffers «Fernsehen mit Homo Sapiens» ist Gegenentwurf zum Mainstream (entspringt nördlich den Beverly Hills), nicht mit dem theoretischen Überbau der Alternativmedien der 70er Jahre, sondern im pragmatischen Kode des Informationszeitalters – In Code we trust. http://weggli-tv.com (unter Info) oder http://www.podster.de/view/730
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einen bunten falter. auf dass sich die sommervĂśgel vermehren und der gurten zum schmetterlingsberg wird. gurten - park im grĂźnen / 11:00 h
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20 20
L I T E R A T U R
Von vergangenen Lieben
Von einer Liebe im Kopf
Von einer unmöglichen Liebe
Sibylle Berg (Hg.): «Und ich dachte, es sei Liebe.» Abschiedsbriefe von Frauen.
Sebastian Orlac: Verteidigung der Himmelsburg. Roman.
Michael Wallner: April in Paris. Roman.
■ Sibylle Berg, deren letzter Roman «Ende gut» (2004) auf‘s Beste veranschaulicht, dass an ihren Romanenden selten alles gut ist, bleibt ihrem Grundsatz treu und macht sich als Herausgeberin von Abschiedsbriefen von Frauen an deren Liebste verdient. Das Genre des Abschiedsbrief efreut sich, wenn auch heute häufiger in Form einer E-mail, ungebrochener Popularität. Und wer hat nicht, oft nur im Tagebuch, seinen unguten Gefüheln nach schmächlichem Verlassenwerden Luft gemacht? Die von ihr ausgewählten Briefe gliedert Berg in drei Kategorien: «Briefe von Frauen, die man kennen könnte. Heute.»; «Briefe von Frauen, die man kennen könnte. Damals.»; «Briefe von Frauen, die man vermutlich nicht kennt. Heute.» Die Ordnungsweise innerhalb der jeweiligen Kategorie mag auf den ersten Blick etwas wahllos erscheinen, passt jedoch hervorragend zu den emotionalen Wechselbädern ihrer Verfasserinnen. Obwohl alle Briefe auf ihre Weise anrührend sind, hätte man sich insbesondere in der dritten Kategorie bezüglich der Sprachgestaltung etwas mehr Übergriffe von Seiten der Herausgeberin gewünscht. Nicht das berühmte, schöne und erfolgreiche Frauen besser mit dem Verlassenwerden umgehen könnten, zumeist können sie aber eindeutig besser darüber schreiben. Nebst den Briefen sind auch die drei, den einzelnen Kapiteln vorangestellten Vorwörter Sibylle Bergs sehr lesenwert, wo sie das Pro und Kontra der Zweisamkeit kritisch reflektiert. Sie selbst bekennt sich dazu, seit mehreren Jahren in einer glücklichen Partnerschaft, ja gar Ehe, zu leben, was sich offenbar positiv auf ihren einst nur aus Single-Frauen und Single-Männern bestehenden Freundeskreis auswirkt. Paarbildung ist ansteckend, vielleicht aber auch eine Frage des Alters oder der Reife. (sw)
■ Sebastian Orlac liefert, nachdem er seit 2001 vor allem Erzähformate für das Internet entwickelt und Fernsehserien schreibt, einen interessanten, wenn zum Teil auch etwas widersprüchlichen Romanerstling. Emma Huber ist die Synchronstimme von Jodie Foster. Diese Stimme ist es, welche dazu führt, dass der Künstler Paul, der für eine Wahlveranstaltung Wahlmaskottchen in Form von überlebensgrossen Ameisen schafft, sich in sie verliebt. Fionna Schubert, eine überaus erfolgreiche Filmschauspielerin, lässt über ihr berufliches Engagement, zumindest aus Emmas Blickwinkel, Tochter Julia zu kurz kommen. Fionna und Emma haben sich bei der Aufnahmeprüfung für die Schaupspielschule kennengelernt und sind seit da mehr als nur Freundinnen. Sie verbindet eine geradezu symbiotische, aus der Sicht beider zuweilen osmotische Beziehung. Fionnas Mann Markus ist über grosse Strecken des Romans nicht wirklich präsent, da in einer Briefkastenfirma in Irland gestrandet. Die frohe Nachricht seiner zukünftigen Vaterschaft ruft ihn jedoch an den Ort des Geschehens zurück. Obwohl er Fionna verdächtigt, ihm mit Emmas Paul Hörner aufgesetzt zu haben und vielleicht sogar ein Kukuckskind in sich zu tragen, stimmt er der Feier zum Ereignis im einstigen Szenelokal «Isenstein» zu. In dieser Zeit sucht die wankelmütige Emma eine Wahrsagerin auf, von deren Zukunftsvorhersage sie sich mehr Ruhe verspricht. «Ein Kind kommt, ein Kind geht», mit diesem Satz, der sie von nun an begleitet, verlässt sie die Wohnung der Wahrsagerin. Bis zum Ende sorgt sich Emma jedoch um das falsche Kind. Der Autor macht uns den Einstieg in den Roman nicht einfach und über die ersten dreissig, vierzig Seiten ist man immer wieder versucht, das Buch aus der Hand zu legen. Doch Durchhalten lohnt sich. Orlac ist ein berückendes Porträt jener Genenration gelungen, deren Adoleszenz scheinbar niemals wirklich endet. Einem Musikvideo nicht unähnlich, zappt er zwischen den verschiedenen Erzählperspektiven hin und her und illustriert so die Gleichzeitigkeit der für die Geschichte oder vielmehr Geschichten immanenten Ereignisse. (sw)
■ An der letztjährigen Frankfurter Buchmesse rissen sich ausländische Verlage förmlich um das neuste Werk des bislang, wie ich meine zu Unrecht, nur mittelmässig erfolgreichen Österreichers Michael Wallner. «Nazi sells», schrieben daraufhin mehrere grosse deutsche Tageszeitungen. Doch der nun vierte Roman des ausgebildeten Schauspielers ist mehr als das: er erzählt vor allem eine grosse Liebesgeschichte, eine wahre amour fou, welcher der Krieg ein abruptes Ende setzt. Wir schreiben das Jahr 1943 in Paris. Als Moniseur Antoine bewegt sich der deutsche Obergefreite Roth unbehelligt durch die Stadt. Sein Alter ego ermöglicht ihm eine Begegnung mit den Franzosen, die wenn nicht von Vertrauen, so doch zumindest nicht von Misstrauen geprägt ist. In dieser «Verkleidung» begegnet er der schönen Chantal Joffo, auch sie eine Person mit zwei Seiten. Tagsüber arbeitet sie in einem Frisörsalon, nachts tanzt sie in einem Etablissement, welches ihr als Widerstandskämpferin jedoch lediglich als Tarnung dient. Zu spät bemerken beide, das das Gegenüber zum Feind gehört. Und doch können sie nicht voneinander lassen. Als Roth beziehungsweise Antoine nach einem von der Resistance verübten Attentat auf die deutsche Wehrmacht, bei dem er selbst nahezu unverletzt bleibt, wegen Verdacht auf Hochverrat inhaftiert wird, ermöglicht im Chantal die Flucht. Seit diesem Zeitpunkt schwer verletzt, wird er über Monate von einer ihm zuvor unbekannten Pariserin gepflegt, bis er sich, gesundheitlich erinigermassen wiederhergestellt, auf die Suche nach Chantal begibt. Wallner ist ein bemerkenswerter Erzähler, dessen Stil seine langjährige Arbeit als Opern- und Schauspielregisseur stark geprägt hat. Gerade jene filmischen Szenen sind es, welche vielen deutschen Rezensenten sauer aufstossen. Man kann sich jedoch auch in ihnen verlieren, wie in den grossen Werken, die Filmgeschichte geschrieben haben. (sw)
Berg, Sibylle (Hg.): «Und ich dachte, es sei Liebe.» Abschiedsbriefe von Frauen. Deutsche Verlags-Anstalt. München 2006. ISBN 10: 3-421-05920-9.
Orlac, Sebastian: Verteidigung der Himmelsburg. Roman. Klett-Cotta. Stuttgart 2006. ISBN-13: 978-3-60893739-0.
Wallner, Michael: April in Paris. Roman. Luchterhand Literaturverlag. München 2006. ISBN-10: 3-630-87221-2.
D I V E R S E S
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10 JAHRE GLEICHSTELLUNG VON FRAU UND MANN
Bild: Malu Barben
STEPHAN FUCHS
malu barbens anderswelt ist ein fest ■ Malu Barben, die «most urban» Fotografin der Schweiz hat ihr neues Domizil in der Hauptstadt. In Zürich freilich und nicht in Bern, von hier ging sie nun. Die kompromisslose Fotografin hat die richtige Entscheidung getroffen; Bern kann, vor allem für schnelle und kreative Arbeitstiere wie Barben, hinderlich sein. Ein explosives Energiebündel, wenn sie in ihre Arbeitswelt eintaucht. Das Eintauchen in eine Anderswelt. Es ist das Reich des Unbewussten, eine Reise in die Tiefen menschlicher Phantasien und Träume, in den Fundus archetypischer Gestalten und mythologischer Wesen. Freilich ist es ein Abenteuer und ein Genuss ihre Welt zu erkunden, die sie mit der neuen Reihe Morpheus zum Glück doch noch im Stufenbau Ittigen ausstellt. Malu Barbens Kreativität ist nicht zu bändigen und von daher kommt Zürich gut. Mit unvorstellbarem Flair für absolut skurrile Inszenierungen lässt sie atemberaubende Fabelwesen aus den tiefen Welten dazwischenzaubern. Da fliegen Raben, lesen Krieger im Dschungel und an Quellen hockend magische Knochen. Nicht irgendwelche Kuhknochen vom Metzger – sondern ech-
te magische Knochen und echte Langspeere. Die Frau ist, trotz ultimativem Chaos, penibel und genau. Die Frau muss recherchiert haben. Oder erinnert sich den Träumen und dem kollektiven Gedanken in einer frappanten Präzision. Dazu meint Barben: Im Eintauchen ins Fenster der Anderswelt vermischen sich die Abbilder von Realitäten. Schärfe und Klarheit verlieren ihre Verlässlichkeit. Ich beginne Bilder zu erfühlen, Schönheiten zu erahnen, den Mythos der Welt zu erträumen... Malu Barben verwandelt die «Realität» in jede beliebige Form als sei sie selber die Tochter von Hypnos, dem Gott des Schlafes und sie bringt zurück, was wir verloren haben: Das Wissen und Vertrauen in unsere Traumwelt. Nicht nur, Barben bringt unsere Träume zurück. Malu Barben Fotografie & Martin Loosli Malerei Galerie peripherie-arts.ch Im Stufenbau, Pulverstrasse 8, 3063 Ittigen Vernissage Samstag, 6. Mai, 16:00-20:00 h Di & Mi, 19:00-21:00 h oder nach Vereinbarung. Ausstellungsdauer: 6. Mai – 7. Juni 2006
■ Seit 10 Jahren besteht die Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann der Stadt Bern (FFG). Dies wird nun am 6. Mai mit einer Jubiläumsfeier «Blick zurück nach vorn» und einer «Fête de l’Egalité» gefeiert. Ab dem 4. Mai werden auf dem Kornhausplatz verschiedene Plakate, die den Weg zur Gleichstellung in Bern aufzeigen, ausgestellt. Das Anliegen, eine Fachstelle für Gleichstellung zu schaffen, wurde erstmals 1987 in einer parlamentarischen Motion verlangt. 1996 konnte in Bern die Arbeit an der Fachstelle mit dem Auftrag aufgenommen werden, die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann in der Stadt Bern wie auch innerhalb der Stadtverwaltung zu fördern. Die FFG unterstützt seither gleichstellungsfreundliche Personalpolitik und Entscheidungen in Gemeinderat, Stadtrat und Verwaltung, kümmert sich um Gleichstellungsfragen von Bürgerinnen und Bürgern sowie von privaten Organisationen und Unternehmen. Ebenso werden zahlreiche Projekte und Weiterbildungen initiiert und unterstützt, Öffentlichkeitsarbeit geleistet und nicht zuletzt die Anliegen auf Kantons- und Bundesebene bearbeitet. Die Publikation «facts & figures», die anlässlich des 10-jährigen Jubiläums erscheint, versammelt statistische Daten zur geschlechtsspezifischen Gleichstellung in der Stadt Bern, dokumentiert und kommentiert Zahlen und Fakten aus verschiedenen Bereichen wie Wohnund Lebensformen, Bildung und Berufswahl, Stellung und Entlöhnung im Beruf, Aufteilung der Familien- und Berufsarbeit und Vertretung in der Politik. Die Broschüre geht auf Fortschritte, Stagnationen und Defizite ein und will damit auf den Stand der Gleichstellungsentwicklung aufmerksam machen. An der Jubiläumsfeier «Blick zurück nach vorn» wird u. a. von Berner SchauspielerInnen aus unveröffentlichten Briefen der Journalistin Iris von Roten und dem Politiker Peter von Roten gelesen. Beide haben sich zu Lebzeiten in Gesellschaft und Politik für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Frau eingesetzt. Anschliessend zieht die FFG Bilanz und wirft Fragen auf, um die heutige Situation der Gleichstellung in Bern zu definieren. An der «Fête de l’Egalité» werden verschiedene Präsentationen von Kulturschaffenden dargeboten, u. a. kleine Szenen und Sketches aus Literatur und Theater, Konzerte und Fotoprojektionen und bis 2:30 h kann zu R’n’B und Black Music getanzt werden. (mm)
Veranstaltungen zum Jubiläum Plakatausstellung, Vernissage, Do, 4. Mai, 19:0020:00 h, Kornhausplatz // Jubiläumsfeier «Blick zurück nach vorn», Sa, 6. Mai, 16:30-18:00 h, Stadtsaal Kornhausforum // Fête de l’Egalité, Sa, 6. Mai, 20:30-02:30 h, Stadtsaal Kornhausforum www.gleichstellung.bern.ch
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K I N O «Eyes Wide Shut»: Tom Cruise, Kubrick, und Julienne Davis (als Leiche) mit Kameramann Larry Smith (rechts). The Stanley Kubrick Estate
DOMINIK IMHOF
good movies ■ Stanley Kubrick (1922 in der Bronx geboren) hat so ziemlich jedes Filmgenre zu Ende gedacht: den Kriegsoder Antikriegsfilm mit «Paths of Glory» oder «Full Metall Jacket», an den sich noch immer Filme wie «Jarhead» anlehnen, den Film Noir mit «The Killing», den Horrorfilm mit «The Shining» und natürlich den Sciencefiction-Film mit «2001: A Space Odyssey». Er bescherte uns Szenen und Figuren, die in die Filmgeschichte eingingen: Alex DeLarge aus «A Clockwork orange», der ewig fluchende und schreiende Sgt. Hartman in «Full Metall Jacket», der von Peter Sellers kongenial gespielte Dr. Strangelove aus dem beinahe gleichnamigen Film und nicht zu vergessen den Computer HAL mit seinem allsehenden rotleuchtenden Auge. Kubrick kreierte für ««2001: A Space Odyssey» den wohl berühmtesten Schnitt der Filmgeschichte (einen Match Cut): vom hochgeworfenen Knochen zum Raumschiff, vier Millionen Jahre Menschheitsgeschichte in einem Schnitt untergebracht, eine Meisterleistung rationellen Filmens. Und dann noch untermalt mit «Also sprach Zarathustra» von Richard Strauss - unvergesslich. Selbst nicht verwendete Szenen, wie die Tortenschlacht aus «Dr. Strangelove», sind Kubrick Archives: Coveransicht «The Stanley Kubrick Archives»
legendär. Kubrick war ein Tüftler und suchte stets mit einem kolossalen Aufwand an Zeit und Energie, nicht nur seiner eigenen Energie, nach den besten Lösungen für seine Filme. So liess er seinen Kameramann in «The Shining» als einer der ersten eine von Garrett Brown entwickelte Steadicam benutzen oder von Zeiss erhielt er eine spezielle Optik, eigentlich für die NASA entstanden, damit er in «Barry Lyndon» bei Kerzenlicht drehen konnte. Stets galt Kubrick als Eigenbrötler und Perfektionist oder sogar als Megalomane. Jetzt wurde ihm ein einzigartiges, megalomanisches Buch - wenn man «es» denn so nennen darf - gewidmet. Ganz einfach mit «The Stanley Kubrick Archives» betitelt. Und der Inhalt hält, was der Titel verspricht. Alles, was man schon immer über Kubrick wissen wollte, aber nie zu fragen wagte, ist hier vorhanden. Keinem anderen Regisseur wurde wohl jemals eine derartige Publikation gewidmet: 7 Kilo schwer, 550 Seiten stark, 31 x 42 cm gross. Also nicht wirklich zur Bettlektüre geeignet. Im Buch sind alle Filme vertreten. Die frühen Arbeiten wie «Day of the Fight» oder Kubricks erster Spielfilm «Fear and Desire» werden in einem Kapitel nur kurz abgehandelt, was durchaus vertretbar ist. In einem ersten Teil - auf ca. 260 Seiten - werden die zwölf Filme mit langen Fotostrecken ohne Erläuterungen vorgestellt. Bereits hier zeigt sich, dass man mit Bedacht vorgegangen ist. Die Filmstills sind von hervorragender Qualität und ebenso geschickt ausgewählt. Da steht eine Nahaufnahme von James Mason als Humbert Humbert mit seinem begehrenden, wenn nicht sogar lüsternen Blick der bekannten Abbildung von Sue Lyon als Lolita in Bikini im Garten gegenüber. Das sagt schon fast alles! In einem zweiten Teil sind die eigentlichen «Archives» zu besichtigen. Sie sind mit Hilfe des langjährigen Kubrick-Mitarbeiters und Produzenten Jan Harlan und Kubricks Frau Christiane Kubrick sowie der aufwendigen Recherche der Herausgeberin Alison Castle entstanden. Zu jedem Film ist ein sehr guter Text zu Entstehung, In-
halt und Rezeption des Filmes enthalten, angereichert natürlich mit zahlreichen Interviews, die zeigen, dass Kubrick weit weniger ein Eigenbrötler war, als ihm immer nachgesagt wurde. Hinzu kommen viele meist bisher unveröffentlichte Fotos vom Set oder von Dokumenten. Dies ist natürlich gerade bei einem Regisseur wie Kubrick sehr aufschlussreich. Er hat teils über Jahrzehnte seine Filme präzise oder wohl eher akribisch vorbereitet und hat dazu Archive mit umfangreichen Zettelkästen angelegt. Damit erhält man so etwas wie einen Blick in den Arbeitsprozess des Regisseurs Kubrick. Und man erhält endlich einmal Informationen zu den nicht entstandenen Filmen. Das sagenumwobenste Projekt war sicher ein Film über Napoleon. «Der erste Schritt war, alles über Napoleon zu lesen, was ich in die Finger bekam, und mich vollkommen in sein Leben zu vertiefen. Ich habe wohl mehrere hundert Bücher zu dem Thema gelesen, von zeitgenössischen englischen und französischen Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert bis zu modernen Biografien.» Nichts überlässt Kubrick dem Zufall. Weitere Projekte galten «A. I.» («Artificial Intelligence», den schliesslich Spielberg verfilmte) und den «Aryen Papers», einem Film über den Holocaust, die am Ende des Buches vorgestellt sind. Also ein einmaliges und faszinierendes Buch, das alles enthält, was man über Kubrick wissen muss. Alles, von den Abbildungen bis zu den Texten, ist von tadelloser Qualität. Und damit wird es auch dem ausgesprochenen Augenmenschen Kubrick und seinem kongenialen Schaffen gerecht. Was Kubrick zu diesem Schaffen angespornt hat, ist in einem der vielen Interviews ganz einfach erläutert. Interviewer: What kind of movies do you want to create? Kubrick: Only one kind. Interviewer: What‘s that? Kubrick: Good movies. Und das hat er auch gemacht. The Stanley Kubrick Archives, hrsg. v. Alison Castle, Taschen, 550 Seiten, 2005, Fr. 237.00.
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SARAH STÄHLI Bild: zVg.
formal genial ■ Was wäre ein Horrorfilm ohne spannende Musik, ein Science-Fiction-Film ohne futuristisches Production Design, ein Action-Film ohne rasanten Schnitt, ein Epos ohne schwelgerische Kamerafahrten? Was wäre Film ohne seine technischen Raffinessen? Was Kino letztlich zu einem unvergleichlichen sinnlichen Erlebnis macht, ist seine Form. Die Interessengemeinschaft «Das andere Kino» – bestehend aus den Berner Programmkinos Cinématte, Kellerkino, Lichtspiel, Kino Kunstmuseum und Kino in der Reitschule – setzt sich in der viel versprechenden Reihe «Formal Genial» mit den formalen Aspekten des Mediums Film auseinander. Jedes der fünf Studiokinos präsentiert Filme zu einem bestimmten filmtechnischen Gebiet und bietet so nebenbei Nachhilfeunterricht in Filmgeschichte oder ganz einfach die Gelegenheit, sich ewig verpasste Meisterwerke endlich zu Gemüte zu führen. Sei es Schostakowitschs dramatische Untermalung des sowjetischen Stummfilmklassikers «Panzerkreuzer Potemkin» von Sergej Eisenstein oder Miles Davis’ legendärer Soundtrack für Louis Malles «L’ascenseur pour l’échafaud»: Filmmusik ist prägend für die emotionale Wahrnehmung eines Filmes. Immer wieder fanden sich in der Filmgeschichte ausserdem Regisseure und Filmkomponisten, deren Zusammenarbeit ausschlaggebend für den persönlichen Stil des Filmemachers wurde, so zum Beispiel Angelo Badalementi und David Lynch oder Eric Serra und Luc Besson. Einen ganz anderen Weg schlägt der österreichische Formalist Michael Haneke ein. Sein verstörendes Endzeitgemälde «Le temps du loup» kommt – wie auch sein neuestes Werk «Caché» – gänzlich ohne Soundtrack aus. Ob in einer einzigen Einstellung gedreht («Russian
STADTLÄUFER Ark»), mit unmittelbarer Handkamera («Idioterne») oder rückwärts montierter Erzählstruktur («Memento»): Zu Experimenten auf formaler Ebene reizen auch Kamera und Schnitt immer wieder. In der Reihe von Filmen, die ihre Besonderheit vor allem dem filmischen Raum, dem Production Design, verdanken, gibt es weitere Meisterwerke zu bestaunen. Allen voran «Stalker», Andrej Tarkovskijs weltfremdes Filmgedicht, dessen eigentlicher Hauptdarsteller die rätselhafte, magische Landschaft ist, in der sich die Figuren verlieren.
Weitere Highlights: «Touch of Evil» von Orson Welles «The Conversation» von Francis Ford Coppola «Le Mépris» von Jean-Luc Godard «E la nave va» von Federico Fellini «Raging Bull» von Martin Scorsese «Formal Genial» eine Filmreihe zu Filmmusik, Filmton, Kamera & Schnitt, Production Design und Bildformaten 2. Mai bis 27. Juni Cinématte, Kellerkino, Lichtspiel, Kino Kunstmuseum, Kino in der Reitschule www.dasanderekino.ch
■ nr. 20 // beiläufig. Endlich ist es einigermassen warm geworden. Da lasse ich mir jeweils mehr Zeit auf dem Nachhauseweg und gehe auf Entdeckungsreise. Letztens streunte ich vom Bundeshaus her über die kleine Schanze. An der Ecke blickte ich zum Turm der Dreifaltigkeitskirche hinauf, danach ging’s die Sulgeneckstrasse runter, der Aussenhaut der Pfarrei entlang. Sie besteht mehrheitlich aus einer Kalksandsteinwand mit Betonsockel und kleinen, quadratischen Fenstern – und wirkt wie ein Bollwerk. Auf halber Länge ist die Gebäudefront von einer zwei Meter hohen Stahltüre unterbrochen. Ich war schon zehn Schritte weiter, als ich bemerkte, dass sie für einmal offenstand. Da klebte ein Zettel mit dem Wort «Elternrat» und einem Pfeil, der in den Innenhof zeigte: Eine Einladung herausrauszufinden, was sich hinter den Mauern verbirgt. Der Gebäudekomplex ist von Altbauten mit Säulengängen und Stahl-Glas-Architektur geprägt – eine gelungene Komination von alt und neu. Ausserdem beeindruckte mich die Stille. Statt Strassenlärm waren nur die Stimmen des Kirchenchors aus dem Rundbau in der Mitte des Innenhofes zu vernehmen: Die Pfarrei als Insel der Ruhe im lärmigen Alltag der Bundeshauptstadt. Darüber hinaus eröffnete mir dieser Standort einen ganz neuen Blick auf die Rückseite der Dreifaltigkeitskirche. Die Gestaltung des Geländes macht Sinn. Die Abschottung gegen die verkehrsreiche Strasse schafft eine eigene kleine Welt im Inneren. Aber gerade deswegen verweilte ich nicht lange dort: Wenn man nicht explizit eingeladen ist, hat man nicht unbedingt das Gefühl, hier willkommen zu sein. Schade eigentlich. (al)
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LEMMING ■ Das junge Ehepaar Benedicte und Alain Getty lebt das perfekte Leben. Gerade in einer neuen Stadt angekommen, ihr modernes Haus noch nicht fertig eingerichtet, feiert der begabte Ingenieur Alain (Laurent Lucas) bereits berufliche Erfolge. Als sein Chef Richard Pollock (Alain Dussolier) mit seiner Ehefrau Alice (Charlotte Rampling) zum Abendessen kommt, wollen sich Benedicte (Charlotte Gainsbourg) und Alain natürlich von ihrer besten Seite zeigen. Doch dazu erhalten sie keine Gelegenheit. Alice wirkt mit ihrer aggressiven Kälte, ihrem abweisenden Verhalten und ihrer ironischen Verachtung wie eine düstere Vorbotin von kommendem Unheil. Kaum bei den Gettys angekommen, beginnt sie ihren Mann aufs ordinärste zu beschimpfen, solange bis Richard mit ihr fluchtartig das Haus verlässt. Am nächsten Tag entschuldigt sich Richard bei Alain und zwischen den Männern scheint sich eine Art Freundschaft zu entwickeln. Kurz darauf begegnet Alice wieder Alain, zeigt sich diesmal aber von einer gänzlich anderen Seite. Voller Erotik und Leidenschaft versucht sie Alain zu verführen, der sich nur schwer zu beherrschen vermag. Zuhause erzählt er Benedicte zwar von den Avancen, verschweigt ihr jedoch seine eigene Schwäche. Langsam und unaufhaltsam entwickelt sich beim Publikum das Gefühl einer ständigen, aber nicht greifbaren Bedrohung. Einige Tage nach ihrer Begegnung mit Alain, besucht Alice auch Benedicte, um sich zu entschuldigen. Da sie aber müde sei, bittet sie, sich in einem Zimmer etwas hinlegen zu dürfen. Als Alain später nach Hause kommt und er sie zu Gehen auffordert, bekommt Alice einen Wutanfall, zückt eine Waffe und erschiesst sich vor seinen Augen. Von diesem Moment an verändert sich das Wesen von Benedicte auf drastische Weise und wird dem Verhalten von Alice immer ähnlicher. Dem Regisseur Dominik Moll («Harry, un ami qui vous veut du bien») ist es mit «Lemming» gelungen, einen beklemmenden und stillen Thriller zu schaffen, der von souveränen DarstellerInnen getragen wird. Die Geschichte vermag mit einigen Wendungen zwar immer wieder zu überraschen, hat aber leider nicht den Mut, ein Ende ohne erlösendes und erklärendes Happy End zu bieten. (sjw) Der Film dauert 130 Minuten und ist seit dem 20.4.2006 in den Kinos.
Bild: zVg.
SONJA WENGER
something like happiness ■ Der tschechische Film «Stestí - Something like Happiness» des Regisseurs Bohdan Sláma («Wilde Bienen») ist vor allem eines: er ist traurig. Ungelöste Probleme, düstere Lebensumstände, unglückliche Kinder, tragische Familiensituationen, verlorene Liebe, Abschied und gar der Tod sind Teil der Geschichte von Toník (Pavel Liska) und Monika (Tatiana Vilhelmová). Und doch bleibt man als Publikum tief berührt zurück, mit dem warmen Gefühl des Optimismus im Herzen und einem Lächeln auf dem Gesicht. Toník, Monika und Dasha (Anna Geislerová) sind seit ihrer Kindheit befreundet, da sie im gleichen Wohnblock aufgewachsen sind. Toník lebt inzwischen bei seiner exzentrischen Tante auf einem verfallenen Hof, durch dessen Dach der Regen rinnt. Er ist ein Gelegenheitsarbeiter, dem man am Anfang der Geschichte so rein gar nichts zutraut, denn er hat kaum genug Geld für Strom und weiss nicht recht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Ausserdem versteht er sich mit Monikas Vater besser, als mit seinem eigenen. Monikas Freund ist das pure Gegenteil von Toník. Gross, gutaussehend und dynamisch, reist er aber gleich zu Beginn der Geschichte ab, um in den USA sein Glück zu versuchen. Monika hofft, ihm irgendwann folgen zu können, eine Hoffnung, die sie mit ihrer Mutter teilt, denn diese glaubt nicht daran, dass irgend jemand in ihrer trostlosen Industriestadt das Glück finden kann. Dasha ihrerseits hat zwei kleine Kinder, deren Vater sich schon lange aus dem Staub gemacht hat. In ihrer Mutterrolle völlig überfordert, kümmert sie sich mehr schlecht als recht um die Kinder, so dass Toník und Monika immer mal wieder als Ersatzfamilie einspringen müssen. Als Dasha das Ende einer Liebesaffäre mit dem verheirateten Jára nicht verkraftet, einen psychischen Zusammenbruch erleidet und in eine Klinik eingewiesen wird, nehmen Toník und Monika die Kinder zu sich. Für einen kurzen Moment scheint es, als würden sie alle zusammen gehören, als könnten sie sogar den Hof von
Toníks Tante wieder aufbauen. Seit er denken kann, ist Toník in Monika verliebt, und die Chemie zwischen den beiden ist geradezu physisch spürbar. Trotzdem kann Monika den Gedanken nicht aufgeben, zu ihrem Freund in die USA zu ziehen, obwohl sie längst weiss, dass sie ihn nicht mehr liebt und ihre Heimat nicht wirklich verlassen will. Als Dasha entlassen wird, ist sie zwar wieder mit Jára zusammen, begegnet ihren ehemaligen Freunden jedoch mit Misstrauen, sogar mit Hass und holt ihre Kinder zurück. Der Kitt, der Monika und Toník zusammengehalten hat, ist nun plötzlich weg und beide müssen sich darüber klar werden, wie sie mit ihren Gefühlen füreinander umgehen sollen. Obwohl der Film mit Tod und Abschied endet, bleibt die Geschichte trotzdem offen und schreibt sich im Kopf vorzu weiter. Vor dem Hintergrund qualmender Kernkraftwerke wirkt der Film zunächst so grau und trostlos wie die Kühltürme. Doch obwohl die Protagonisten der Geschichte mit viel Kleinlichkeit, Bösartigkeit und Frustration konfrontiert werden, lassen sie sich nicht unterkriegen. Die Figuren sind mit einer faszinierenden Tiefe und einer erstaunlichen Selbstironie versehen, die der Geschichte ein erfrischendendes Element verleiht. Das Spiel der DarstellerInnen ist geprägt von einer Sensibilität und Nähe zur Realität, so dass man mit ihnen lebt und leidet, sich mit ihnen freut und ihnen das Beste wünscht. «Something like Happiness» ist bis in die kleinsten Nebenrollen treffend und einfühlsam besetzt und bietet eine grandiose Plattform für Tschechiens Shootingstars Pavel Liska und Tatiana Vilhelmová. Zu recht hat der Film auf internationalen Festivals viele Preise gewonnen, darunter die Goldenen Muschel für den besten Film in San Sebastian und die Goldenen Athena, ebenfalls für den besten Film in Athen. Der Film dauert 100 Minuten und ist seit dem 20.4.2006 in den Kinos.
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TRATSCHUNDLABER
Bild: zVg.
SONJA WENGER
volver ■ Mit «Volver» feiert der spanische Kult-Regisseur Pedro Almodóvar («Hable con ella», «La mala educación») seine «Rückkehr zum weiblichen Universum». Wieder erzählt Almodóvar eine Geschichte von starken Frauen, doch der Film ist gleichzeitig auch eine Liebeserklärung an die Hauptdarstellerin Penélope Cruz («Todo sobre mi madre», «Vanilla Sky»), sowie seine erste Zusammenarbeit nach 17 Jahren mit Carmen Maura («Ay, Carmla», «Mujeres al borde de un ataque de nervios»). Bereits die ersten Bilder geben dem Publikum eine Vorahnung dessen, was während des gesamten Films mit gekonnter Regiehand in einer wunderbar unterhaltsamen Balance gehalten wird: der natürliche Umgang mit dem Tod und ein humorvoller Blick auf die harten Realitäten des Lebens. Die Kamera schwenkt über einen Dorf-Friedhof und an jedem, wirklich jedem Grabstein schrubbt und putzt und werkelt eine Frau. Dazu läuft Flamenco-Musik und es gibt keine Spur einer düsteren oder morbiden Stimmung. Auch werden mit einem Schlag gleich sämtliche Personen der Geschichte und ihre Eigenarten eingeführt. Da ist zum einen die resolute, aggressiv-sensible Raimunda (Cruz), ihre introvertierte Schwester Sole (Lola Dueñas) und ihre ständig beobachtende Tochter Paula (Yohana Cobo), sowie die tragisch-skurrile Nachbarin Augustina (Blanca Portillo). Geputzt wird das Grab der vor vier Jahren bei einem Brand umgekommenen Eltern, wobei klar wird, dass vor allem die Mutter (Maura) von allen vermisst wird. Danach geht’s zum Pflichtbesuch bei der kränkelnden Tante (Chus Lampreave) und den ersten Andeutungen darüber, dass vielleicht nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Der Geist der Mutter sei zurückgekommen, um sich um die Tante zu kümmern und Augustina hofft, von ihr mehr über den Verbleib ihrer ebenfalls vor vier Jahren verschollenen Mutter zu erfahren. Man ahnt schnell gewisse Zusammenhänge, doch die Geschichte enthüllt sich gemächlich Schritt um Schritt, ohne auch nur für einen Moment vorhersehbar und dadurch langweilig zu werden. Zurück in der Stadt sieht sich Raimunda kurz darauf mit der lästigen Situation konfrontiert, die Leiche ihres
Ehemannes Paco loswerden zu müssen. Als er versuchte, seine Adoptivtochter Paula zu vergewaltigen, hatte diese ihn mit einem Küchenmesser erstochen. Nun liegt die blutüberströmte Leiche in der Küche und der ausgeräumte Kühlschrank ist nicht gross genug. Da kommt es Raimunda gerade recht, dass sie für den Nachbarn das Restaurant von nebenan hüten soll, das zum Verkauf steht. Bei Nacht und Nebel wird die Leiche in einer grosse Tiefkühltruhe verstaut und um etwaige Kaufinteressenten abzuhalten, übernimmt sie kurzerhand selbst das Lokal. Dass ein Filmteam sich bei ihr zum Essen anmeldet, biete ihr ein willkommenes Zusatzeinkommen. Mit Hilfe ihrer Nachbarinnen «entsorgt» sie nicht nur die Leiche, sondern haucht dem Restaurant auch neues Leben ein. Als jedoch Augustina mit Krebs ins Krankenhaus eingeliefert wird und auch noch die Tante überraschend stirbt, quartiert sich der jetzt heimatlose «Geist» der Mutter bei Sole ein und das Chaos scheint perfekt. Der einzige Ausweg für alle Beteiligten ist nun die ehrliche Aufarbeitung von altem Unrecht und das Loslassen der Vergangenheit. «Wir waschen unsere schmutzige Wäsche unter uns», sagt Augustina zum äusserst lebendigen «Geist» der Mutter. Und so ist es weniger eine Frage davon, ob es nun tatsächlich Geister gibt oder nicht, als denn von der Notwendigkeit, die unerledigten Dinge im Leben zu klären. «Volver» ist ein zärtlicher Genremix zwischen surrealistischem Drama und frecher Komödie. Das Thema der Frauensolidarität wird auf eine so natürliche Weise umgesetzt, dass man das beinahe völlige Fehlen der Männer kaum wahrnimmt. Almodóvar selbst sagt über den Film: «Drei Generationen von Frauen überleben den Wind, das Feuer, den Wahnsinn, den Aberglauben und sogar den Tod dank ihrer Güte, ihrer schamlosen Lügen und ihrer grenzenlosen Lebenskraft». Und so wie das Spanien, das er darstellen möchte, ist auch der Film «spontan, vergnügt, kühn» und bis zu einem gewissen Grade auch «gerecht». Der Film dauert 120 Minuten und kommt am 19.5.2006 in die Kinos.
■ Kürzlich war auf der Feuilleton Seite (!) der Süddeutschen Zeitung eine Lobeshymne auf Pinks neuen Song «Stupid Girl» zu lesen. Genüsslich wird dabei beschrieben, gegen wen und was die Pop-Sängerin eine Breitseite nach der anderen abfeuert. So wettert der Autor Tobias Kniebe denn wortgewandt gegen «die hochtourig hohldrehende, sinnentleerte Celebrity-Kultur, die nichts anderes mehr feiert als das Berühmtsein selbst». Oder gegen «die magerund shoppingsüchtigen, ostentativ hirnamputierten Paparazzi-Ikonen wie Paris Hilton», respektive gegen «einen Postfeminismus, der Hunger nach Aufmerksamkeit, Girl Power, sexuelle Befreiung, Porno-Chic, Selbstverleugnung und Regression (auf Deutsch Verminderung) zu einem mittlerweile fatalen Cocktail verquirlt hat». Toll, nicht? Aber so isses nun mal: Sex sells, mehr denn je. Die Schweizer Medienlandschaft nimmt sich dagegen ja grausam harmlos aus. Mehr als Ringier gegen Tamedia liegt da nicht drin. Dass in der Sendung «Glanz & Gloria» genüsslich über die sofortige Einstellung der Konkurrenz-Sendung «People» berichtet wurde, nimmt eh kein arbeitender Mensch wahr. Ein böses Grinsen entlockt vielleicht noch die Meldung, dass sich Elisabeth Tessier getrennt haben soll. Ob das wohl in ihren Sternen stand? Hach, ist das ein billiger Witz. Ist das jetzt übrigens Selbstverleugnung oder sexuelle Befreiung von ihr? Als Ablenkung von all diesen tiefschürfenden Fragen herrscht zum Glück im Moment ein nationales Panini-Fieber. Aber Vorsicht: man könnte ja von wichtigen Leuten wie Chefredaktoren «Verhöhnt!» werden. Für alle, die den «Hype» nicht für ein italienisches Brot halten, bietet der BLICK eine entsprechende Platzform, auf der sich die armen Verhöhnten(!) «wehren» können. So meint «Meteo»Moderatorin Sandra Boner (31) mit ernstem BLICK: «Ich kenne viele Frauen, die Panini-Bilder sammeln.» Und Chris von Rohr hält dieselbigen für gar «menschlich wertvoll». Der muss es ja wissen. Apropos Porno-Chic und sinnentleert: Ist es eigentlich ein postfeministischer Fortschritt, wenn Seraina B. aus Thun in der SI erklären darf, weshalb sie Porno-Filme dreht? «Porno ist ihr Weg, Porno ist ihr Ziel», steht da und ihr Produzent nennt sie nicht nur Kenia Gates, sondern will sie gross rausbringen: «Denn willige und begabte Frauen sind äusserst rar in der Schweiz» - steht da. Und es steht da auch, dass ihr Freund, ein Sportler (25), sich nicht öffentlich zu ihr bekennt, denn er will keine Sponsoren verlieren. Das ist wahre Liebe, postfeministisch.
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D A S
A N D E R E
K I N O
www.cinematte.ch / Telefon 031 312 4546
www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05
www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99
FORMAL GENIAL: FILMMUSIK Filmmusik ist beinahe so alt wie der Film selbst - ursprünglich diente sie unter anderem dazu, das Rattern des Projektors zu übertönen. Filmmusik kann weit mehr: Sie dient als Gefühlsverstärker, setzt Akzente oder erzeugt Stimmungen. Was wäre ein Film von David Lynch ohne die stets schweren, geradezu erdrückenden Streicher und die jazzig-melancholischen Stücke eines Angelo Badalamenti? Was Orson Welles‘ Touch Of Evil ohne Henry Mancinis Musik, die zu der Zeit die erste grosse Filmmusik mit lateinamerikanischem Jazz war? Im Zyklus zum Thema «Filmmusik» hat die Cinématte Werke aus der ganzen Filmgeschichte zusammengestellt, die erst durch die Arbeit eines Komponisten ihr typisches Flair bekommen: von Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin (Musik: Dmitri Shostakovich) über L’Ascensceur Pour L’Echafaud (Miles Davis) bis hin zu Nikita und Atlantis (Eric Serra).
FORMAL GENIAL: KAMERA & SCHNITT Mit fünf prägnanten Filmbeispielen möchte das Kellerkino das Publikum für die Bedeutung von Kamera und Schnitt respektive Montage sensibilisieren. Der Chefkameramann trägt neben dem/der RegisseurIn wesentlich zum visuellen Gesicht eines Films bei. Russian Ark (Aleksandr Sokurov, Russland/D 2002, Russ/df) Der experimentierfreudige Kameramann Tilmann Büttner drehte diese atemlose Reise durch die Eremitage in St. Petersburg in einer einzigen Aufnahme, ganz ohne Schnitt und Montage (Do 4.5.- Mi 10.5.). Citizen Kane (Orson Welles, USA 1941, E/df) Die fiktive Lebensgeschichte von James Foster Kane, erzählt aus der Perspektive mehrerer Augenzeugen, ergibt ein komplexes Persönlichkeitsbild des Multimillionärs. Nicht zuletzt dank der genialen Arbeit des Kameramanns Gregg Toand ging dieser Film in die Kinogeschichte ein. Seine Experimente mit der Tiefenschärfe des Bildes und mit kontrastreicher Beleuchtung fanden hier ihren künstlerischen Höhepunkt (Do 11.5.- Mi 17.5.). Memento (Christopher Nolan, USA 2000, E/df) Das komplexe Erzählmuster des Filmes wäre ohne die Montagearbeit undenkbar, deren wesentliche Eigenschaft in der Möglichkeit liegt, die Zeitstruktur des Films zu ordnen und zu gestalten. So entstand einer der spannendsten Thriller des aktuellen Kinos (Do 18.5.-Mi 24.5.). Idioterne (Lars von Trier, DK 1998, Dän/df) Die Unterzeichner des Dogma-Manifestes propagierten Mitte der 90er Jahre die wacklige Ästhetik der Handkamera. In Idioterne terrorisiert eine Gruppe junger Leute in einer Mischung aus Überdruss, Selbsttherapie und Ideologie zuerst ihre Umwelt, dann sich selbst (Do 25.5.-Mi 31.5.). Raging Bull (Martin Scorsese, USA 1980, E/df) Noch in den frühen 80er Jahren zog Michael Chapman alle Register der Kamerakunst und filmte jeden Boxkampf von Raging Bull (USA 1980, E/df) in einem anderen Stil: die schnellen Bildabfolgen der Cutterin Thelma Schoonmaker stellten damals noch eine Innovation dar. Der Film erzählt den Aufstieg und Fall des Boxers Jake La Motta (Do 1.6.- Mi 7.6.).
FORMAL GENIAL: PRODUCTION DESIGN Was macht einen Raum im Film zu einem filmischen Raum? Eine imposante Filmarchitektur, die Kulisse, die Ausstattung, das Dekor? Diese Bühne des Geschehens, die Orte, an denen eine Handlung im Film geschieht, die Räume, in denen die Figuren sich bewegen, wird in der Fachterminologie als «Production Design» bezeichnet. Beim Betrachten eines Filmes wird dieser allgegenwärtige filmtechnische Aspekt gerne übersehen. Der Schauplatz eines Filmes kann, wie in Jacques Tatis Playtime oder Alfred Hitchcocks Rear Window, selber zum Protagonisten werden und die Raumgestaltung im Film an sich hinterfragen, wie dies am Ende von Fellinis E la nave va eindrücklich und raffiniert geschieht. Weitere Filme zum Thema (im Mai) sind: Mein Name ist Eugen von Michael Steiner (CH 2005) und The Red Shoes von Michael Powell (GB 1948).
Billy Wilder Wir widmen dem Amerikaner österreichischer Abstammung eine kleine Werkschau mit Filmen wie Some like it hot, The Seven Year Itch oder der vermeintlichen Komödie The Apartment. Weiter zeigen wir One, Two, Three mit Horst Buchholz und Avanti mit Jack Lemmon. Auch wieder zur Aufführung gelangt Bluebird’s 8th Wife, wo Billy Wilder für das Drehbuch zeichnet. Regie führte in dieser Komödie Ernst Lubitsch. An der Kurzfilmnacht vom 12. Mai zeigen wir zwei Programme. Im Fussball-Programm You’ll Never Walk Alone dreht sich alles ums runde Leder. In der zweiten Rolle werden preisgekrönte Kurzfilme des Schweizer Filmpreises 2006 gezeigt. Keine Reservationen möglich. Ab 24. April Vorverkauf: Münstergass Buchhandlung. 19. Berner Tanztage - Dass asiatische Kampfkunst mit dem Tanz durchaus verwandt ist, liegt auf der Hand Körperbeherrschung, Choreografie und Virtuosität sind beiden gemein. Als filmisches Rahmenprogramm zu den Tanztagen zeigen wir Hero, Kabhi Khushi Kabhie Gham, Spirited Away, Yi Yi und Spring, Summer, Fall, Winter... And Spring.
AKIRA KUROSAWA - Frühwerk In Japan wurde Akira Kurosawa (1910-1998) als «tenno» bezeichnet: «Kaiser» des Kinos. Der Grossmeister des japanischen Kinos hat mehr als 30 Filme realisiert, die vom breiten Publikum ebenso begeistert aufgenommen wurden, wie von der Film- und Kunstwelt - vor allem im Westen, wo Kurosawa als Bote des japanischen Kinos gefeiert wurde. In seinen Werken bringt Kurosawa eine zutiefst japanische Auffassung des Bildes und der Dramaturgie zum Ausdruck, verarbeitet japanische Kulturtraditionen zu einer einzigartigen Filmsprache und schafft dabei künstlerische Metaphern und Motive, die eine universelle Sprache sprechen. Das Kino Kunstmuseum zeigt sieben Filme aus Kurosawas Frühwerk bis 1965, darunter die beiden Filmgeschichtsklassiker Rashomon und Die sieben Samurai. KUNST UND FILM: THE SUBLIME IS NOW! Filmreihe anlässlich der gleichnamigen Ausstellungen im museum franz gertsch mit: L’année dernière à Marienbad von Alain Resnais (F/I 1961), The Others von Alejandro Amenábar (SP/F/USA 1987), La belle et la bête von Jean Cocteau (F/Lux 1946) und Jesus, Du weisst von Ulrich Seidl (Ö 2003).
F ü r d a s Ta g e s p r o g r a m m d i e Ta g e s z e i t u n g o d e r d a s I n t e r n e t W W W . B E R N E R K I N O . C H
K I NO i n
d e r
R e i t s c h u l e
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LICHTSPIEL
www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69
www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05
www.pasquart.ch / Telefon 032 322 71 01
FORMAL GENIAL: FILMTON Wie sich die akustische Aufnahme von Informationen in der bewussten oder unbewussten Verarbeitung der optischen unterordnet, wird auch die Vertonung der bewegten Bilder kaum als eigenständige Kunst innerhalb der Siebten wahrgenommen oder gewürdigt. Dabei hat sie sich seit den Anfängen des Tonfilms, als die Tonaufnahmen des singenden Steptänzers inmitten des Ensembles von Tänzerinnen, und diejenige des Orchesters gleichzeitig mit dem Festhalten des Bildes durch die Kamera gemacht werden mussten, über die Erweiterung der technischen Hilfsmittel, die die Möglichkeiten der Post-Produktion vergrösserten, deren zunehmend rasante Entwicklung, beschleunigt zuerst durch die Schaffung der Dolby-Technologie, später mit der Digitalisierung der Aufnahme- und Bearbeitungs-Verfahren, zu einer solchen ausgewachsen. Pi (USA 1997, Darren Aronofsky) Clint Mansells Tonspur, in die er mit treibendem Drum‘n‘Bass und Trip Hop, in seine eigenen Kompositionen Tracks von Aphex Twin, Massive Attack, Orbital und anderen mischt, reflektiert einzigartig das Innere des rastlos getriebenen Protagonisten. The Conversation (USA 1974, F. F. Coppola) Das Abhören von Gesprächen fremder Leute, das Eindringen in deren Privatsphäre inszeniert der Schnittmeister Walter Murch mit dem Schall auf der genialen Tonspur, die durch weite dialogfreie Passagen des Films zum tragenden Element wird. Pierrot Le Fou (F 1965, Jean-Luc Godard, Musik: Antoine Duhamel) In einem verrückten Reigen von formalen und inhaltlichen Einfällen durchbricht Godard Erzählstrukturen, jongliert mit Zitaten aus der Literatur- und Musikgeschichte, der Malerei, aus Comics, lässt Schauspieler direkt in die Kamera das Publikum ansprechen und collagiert den Sound in der Cut-Up-Methode. Le Temps Du Loup (F/A/D 2003, Michael Haneke) Die Abläufe einer in Not geratenen Gemeinschaft stellt Haneke in nüchternen Bildern dar, die ohne jeden musikalischen Soundtrack auskommen. Ganz ohne Musik kommt der Schrecken erst richtig zum Tragen.
FORMAL GENIAL: BILDFORMAT Das Lichtspiel füllt seine Breitleinwand mit überwältigenden CinemaScope-Filmen. In Lola Montès von Max Ophüls (F, 1955) wird eine ehemalige Skandalkönigin aus Europa in einem amerikanischen Zirkus als Attraktion aus dem mondänen Europa vorgeführt. Aufregende Kamerafahrten durch die Zirkuskuppel und kräftige, dunkle Farben prägen dieses Breitleinwandspektakel (Di 2.5., 20:00 h). Richard Brooks verfilmte mit In Cold Blood (USA, 1967) Truman Capotes‘ gleichnamigen Roman, der ein Massaker an einer Farmersfamilie rekonstruiert, das die ganze Welt erschütterte (Di 9.5., 20:00 h). Der Mythos der singenden Trapp-Familie, The Sound of Music von Robert Wise (USA, 1974) lockt dank der atemberaubenden CinemaScope-Bilder der Berge bis in die heutigen Tage unzählige amerikanische und asiatische Touristen nach Österreich (Di 16.5., 20:00 h). Mit Star Trek - The Motion Picture (USA, 1979), der Kinodaption der erfolgreichen Kultserie schuf Robert Wise ein SciFi-Abenteuer mit gelungenen Spezialeffekten und exzellenter Musik (Di 23.5., 20:00 h). Der Western Forty Guns (USA, 1957) bildet den Höhepunkt in Samuel Fullers Breitleinwandschaffen. Mit wilden, grellen Bildkonstruktionen und rasanten Wechseln zwischen Idylle und brutaler Action erzählt er in minutiösen Detailaufnahmen von 40 Cowboys, die alle von einer einzigen Frau regiert werden (Di 30.5., 20:00 h). Vom Guckkasten zur Breitleinwand Mit berauschenden audivisuellen Erlebnissen aus dem Lichtspielarchiv wird die eindrückliche Entwicklung vom einfachen Guckkasten zum blickfüllenden CinemaScope-Bild beleuchtet (So 7.5. u. So 14.5., 20:00 h). Sieben Eine Rolle lustiger, böser und kurioser Kurzfilme aus Bern präsentieren die Regisseure Filippo Lubiato und das Autorentrio Stefan Wiler, Willi Schweizer und Philippe Dubied im Lichtspiel (Sa 13.5.). Gangsterfilme Im Zyklus des StudentInnenfilmclubs holen wir Klassiker wie Scarface von Brian de Palma (Mo 1.5.), The Maltese Falcon von John Huston (Mo 8.5.) und Godards legendären A bout de Souffle zurück auf die Leinwand (Mo 15.5.).
Ang Lee Der taiwanesisch-amerikanische Regisseur Ang Lee begreift sich selbst als einen Fremden: einer der zwischen verschiedenen Welten lebt und gewohnt ist, sich in mehreren Kulturen zu bewegen. Ein Aussenseiter ist er, wie sämtliche seiner Filmfiguren. Aussenseiter könnten die Regeln der Gesellschaft besser erkennen, meint Lee. Diese Aussenseiterrolle spiegelt sich auch in der Hinsicht wider, dass kein einziger seiner Filme an den vorhergehenden erinnert. Es gibt keine typische AngLee-Handschrift. Lee scheint in jedem Genre zu Hause zu sein. In seinen Filmen werden die Verstrickungen der ProtagonistInnen auf westlich analytische Weise sowie auf östlich-intuitive Weise sichtbar gemacht.
Im Rahmen von Kultfilme im Theater zeigt das Kino am 1./2.Juni: Accatone von Pier Paolo Pasolini.
In The Wedding Banquet, Taiwan (1993) und in Eat Drink Man Woman (1994) erleben chinesische Väter und Mütter, Töchter und Söhne ihre kulturellen Katastrophen und kathartischen Momente des Begreifens. Beide Filme wurden für den Oscar als beste ausländische Filme nominiert. 1995 drehte Lee seinen ersten englischsprachigen Film. Er inszenierte Emma Thompsons Adaption von Jane Austens Drama Sense and Sensibility mit Emma Thompson, Kate Winslet und Hugh Grant in den Hauptrollen. Ice Storm (1997) ist Lees mitleidlosester Film. Eine harte Beobachtung des «hoffnungslos sehnsüchtigen Bürgertums der 70er Jahre und seiner traurigen, verlorenen Kinder». Mit dem Film Crouching Tiger, Hidden Dragon (2000) gelang Ang Lee der Spagat vom «Popgenre des Hongkonger Martial-Art-Film zur chinesischen Klassik». 2003 dreht Lee Hulk, den 140 Millionen Dollar teuren Hollywood-Blockbuster, ein Comic-Film, wie man ihn so noch nicht gesehen hat - ein Werk, das Publikum wie Kritiker seinerzeit entzweite. Brokeback Mountain (2005) schliesslich erzählt wieder feiner und subtiler das dramatische Geflecht eines realistischeren Beziehungsdramas zweier homosexueller Männer. (Quelle: DU 763-5) Vom 13.-28.5. ist jeweils um 18:00 h Die Kunst der exakten Phantasie (Heini Stucki) zu sehen.
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L I F E S T Y L E
PETER ZANKL
tango Von Mann zu Mann ■ Das ist ein Artikel für Männer. Der typische Tango-Artikel ist von einer Frau geschrieben, riecht nach Leidenschaft und von der Sehnsucht danach. Hier hingegen geht es ums Tanzen, Führen und Arbeit. Damen blättern weiter - Danke. Männer tanzen nicht. Und sie interessieren sich auch nicht für‘s Tanzen - naja, vielleicht gerade mal noch für Salsa, aber sicher nicht für argentinischen Tango. Kommen wir zurück auf die erwähnten Berichte über den argenitinischen Tango, in denen Frauen über Tango-Erfahrungen berichten. Mann fühlt das aufblühende Frauenherz und sieht die leuchtenden Augen zwischen den Zeilen. Dazu die tollen Posen, das macht sich in jeder Zeitschrift gut. Aber irgendwie hat das wenig mit der Erfahrung zu tun, die Männer am Anfang machen. Klartext: argentinischer Tango ist für Männer am Anfang beinharte Knochenarbeit. Wenn Du mit Tango anfängst, solltest Du Dir schon ein Jahr Zeit geben und regelmässig üben. Während Deine Partnerin und Deine Tanzlehrer «Führung» von Dir erwarten, kommst Du Dir vor wie ein Suchender. Was bei anderen locker und souverän aussieht, gerät Dir zum Knoten. Einfachste Bewegungen,
klar, kann jeder - ausser Dir. Nach ein paar Wochen oder Monaten Kurs, wagst Du Dich mit Deiner Partnerin zögerlich an die ersten Milongas. Deine Partnerin hat Spass - vor allem, wenn sie mit anderen tanzt: die können was! Umgekehrt geht da nichts: Du kannst ja unmöglich eine Frau mit Deinem Gestolper belästigen. Vielleicht schafft das ein Argentinier, aber Du bist Schweizer. Wenn Du Glück hast, ist noch ein anderes Paar aus dem gleichen Kurs da, damit Ihr mal tauschen könnt. Wenn andere Männer mit Deiner Partnerin tanzen, macht sie Figuren, die sie gar nicht kennt. Und was sie kennt, macht sie plötzlich viel runder und weicher als mit Dir. Dir dämmert: Führung ist alles. Und Dir wird bewusst: der Weg ist lang - sehr lang - vielleicht länger als Deine Beine Dich tragen. Dann der ultimative Tiefschlag: der erste Ball. Etwas nervös und voller Erwartungen betrittst Du mit Deiner Partnerin den heiligen Saal. Die Atmosphäre ist warm und dicht. Man kennt sich, Hallo hier, Küsschen da. Etwas verschämt suchst Du nach einer Nische, die Dir einerseits Sicht auf die Tanzfläche gewährt und Dir gleichzeitig etwas Schutz vor der Könner-Meute bietet. Allzu exponiert willst Du ja beim ersten Anlauf nicht in der Brandung stehen. Du schaust zuerst ein bisschen zu und dabei wird Dir leicht mulmig. Nachdem Du den Blicken Deiner Partnerin eine halbe Stunde ausgewichen bist, kannst Du das Zupfen am Ärmel nicht weiter ignorieren: auf geht‘s. Da stehst Du nun. Eigentlich solltest Du tanzen, aber Du stehst. Da gibt es kein Weiterkommen, da ist kein Platz zum
Tanzen. Deine drei Schritte helfen Dir hier nicht weiter. Dauernd eckst Du an. Du beginnst zu schwitzen, aber das hilft auch nicht. Die Tänzer gleiten durch den Raum und Du bist der Fels im Getriebe. Manch einer hat nach diesem Abend das Handtuch geworfen. Wenn Du nun denkst, so schlimm kann das alles nicht sein, schliesslich tanzt Du ja schon Standard, Rock‘n‘Roll oder sonst was und Tango bedeutet einfach nur andere Schritte - weit gefehlt. Hier geht es nicht um Figuren. Vordefinierte Abläufe gibt es eigentlich keine. Beim argentinischen Tango gibt es nur Improvisation und Kommunikation. Du führst Deine Partnerin fortlaufend von Schritt zu Schritt. Und wenn Du Lust hast, bleibst Du mittendrin stehen oder änderst die Richtung. Du hast die volle Freiheit, aber das bringt auch die volle Verantwortung mit sich. Da hilft kein Winken mit dem kleinen Finger, um eine Drehung anzuzeigen. Wenn argentinischer Tango für Männer so mühsam ist, warum solltest Du Dir sowas antun? Weil Du Spass an der Bewegung hast. Weil Du die Kommunikation während dem Tanz überaus spannend findest. Weil Du überall auf der Welt mit oder ohne Partnerin tanzen gehen kannst. Und last but not least: weil sich hinter der harten Schweizer-Schale eine weicher Macho-Kern verbirgt. Welcher Mann kann leuchtenden Frauenaugen widerstehen? gratis Tango-Schnupperkurs Do, 11. Mai 19:30 h im Rest. Kreuz Nidau (10 Gehminuten vom Bahnhof Biel) Tanz ab 20:30 h - www.cumparsita.ch
Wir machen aus Gedanken Druck(kult)sachen. «Einer der stärksten Filme aus Afrika.» ATLANTA JOURNAL
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CHRISTINE WANNER
VON MENSCHEN UND MEDIEN Multimedial - ganz genial? Medienhistorisches Déjà-vu beim Newsportal ■ Statt auf Themenressorts will die «Berner Zeitung» künftig auf Multimedia setzen. Kluge Strategie: journalistisch sowie medienökonomisch bieten sich spannende Synergien. Solche Projekte sind allerdings von den Verlegerverbänden ungern gesehen, wenn sie unter dem Dach der öffentlich-rechtlichen SRG gedeihen. Ein Déjà-vu. Am Berner Dammweg wird seit Anfang April Interessantes aus der Nachrichtenwelt nicht mehr in den klassischen Themenressorts «Ausland», «Inland», «Wirtschaft» und «Kultur» gedruckt. «Heute» heisst das umfassende Ressort, auch wenn die Neuigkeiten aus aller Welt gestern gedruckt und morgen gelesen werden. Nach dem Aufweichen der Ressortgrenzen will die «BZ» auch die medialen Grenzen überschreiten. Künftig soll vermehrt mit den elektronischen Medien des Hauses zusammengearbeitet werden, mit dem im Januar neu positionierten «Radio Capital FM» und «Tele Bärn». Multimedial heisst das Zauberwort. Dieses Bestreben ist aus journalistischer und aus medienökonomischer Sicht reizvoll. Multimedialer Journalismus bietet neue, mehrdimensionale Möglichkeiten des Schilderns. Die Kombination von Bild, Ton und Text erlaubt es, Schlagzeilen und Nachrichten in ihren diversen Facetten zu vertiefen. Dank der digitalen Technik lässt sich auch das Publikum zeitunabhängig einbinden und in der «community» des Medienverbundes binden. Aus ökonomischer Sicht sind solche medienübergreifenden Umsetzungen von Themen interessant, weil sie Synergien freisetzen können. Zudem vergrössert sich die Reichweite und der Kreis der Mediennutzenden, was
wiederum die kommerziell und crossmedial Werbenden interessiert. Das Entwicklungspotential hin zu guten, multimedialen Inhalten ist noch gross. Obwohl das world wide web seit über zehn Jahren die nötige Plattform bietet, und Multimedia nach wie vor in aller Munde scheint, steht der multimediale Journalismus der Schweizer Medienhäuser in den Kinderschuhen. Verhaftet in der Tradition scheint die medienüberschreitende Newsstory in den einen Fällen nicht erstrebenswert, in den anderen Fällen bestenfalls eine visionäre Idee. Trotz jahrelangem Fehlen einer umfassenden Online- oder Multimedia-Strategie begannen bei der SRG SSR idée suisse kreative medienverbindende Ideen zu keimen. So führen die thematischen Dossiers von www. swissinfo.org eindrücklich vor, wie sich multimedialer Journalismus umsetzen liesse. Stark auf den interaktiven Zugang der UserInnen setzt www.drs.ch: Blogs, Newsquiz, die zum Mitschreiben offene Enzyklopädie Wikipedia zur Radiogeschichte http://wiki.drs.ch und den Newssendungen für in den «Hosensack», die Podcasts zum Herunterladen. Davon inspiriert plante das Schweizer Fernsehen ein Newsportal. Doch auf Geheiss der Schweizer Verlegerverbände soll den SRG-Internet-Aktivitäten im Newsbereich ein Riegel geschoben werden. Bereits im Januar hatten Schweizer Presse, Presse Suisse und Stampa Svizzera eine Anzeige beim Bundesamt für Kommunikation eingereicht. Damit wollen die Verbände insbesondere die Idee einer Newsplattform des Schweizer Fernsehens verhindern. Aus ihrer Warte handelt es sich bei
der Newsplattform um eine Einmischung ins «Kerngeschäft der privaten Medienunternehmen». Zudem sollen solche unternehmerische Risiken nicht mit Gebührengeldern gedeckt werden, kritisierten die Verbände. Klingt vertraut, nicht? Tatsächlich handelt es sich um ein Déjà-vu in der Schweizer Mediengeschichte: Als sich die Printmedien 1926 durch das schnellere Radio konkurrenziert sahen, setzten die Verleger zusammen mit der Standesorganisation der JournalistInnen das Nachrichtenmonopol der Schweizer Nachrichtenagentur SDA durch. Demnach konnten die Radiostationen täglich zwei Nachrichtenbulletins der SDA ausstrahlen. Zeitgleich. Die später gegründete SRG sendete erst ab 1971 gänzlich eigene Nachrichten. Das Fernsehen liess sich nicht auf die SDA-Bulletins ein und sendete ab 1953 die eigene Tagesschau. Der Blick zurück zeigt: neue Medien fressen die bestehenden nicht. Vielmehr bereichern sie die Medienlandschaft mit neuen Darstellungsformen. Statt einem erneuten Aufbegehren der Verlegerverbände wünsche ich mir effektiv multimedialen Journalismus. Renne ich offene Türen ein? Die Verlegerverbände stellten nämlich zur Diskussion, dass die SRG ihre Inhalte privaten Internet-Anbietern kostenlos zur Verfügung stellt. Aha. Hiesse das also, wir werden künftig nicht nur auf die klassischen Ressorts, auf die klaren Grenzen zwischen den klassischen Medien, sondern auch noch auf das duale System von privat- und öffentlich-rechtlichen Medien in der Schweiz verzichten? Somit ist alles ist Eins. Und Null.
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M E N S C H E N
EVA MOLLET
urs mannhart nach dem luchs Foto: Eva Mollet
■ Urs Mannhart ist Schriftsteller, Velokurier und Gelegenheitsjournalist. Er wirkt ruhig, doch der Schein trügt. Urs braucht viel Bewegung. Die Frisur erinnert an Beethoven. Der Kinnbart und die Koteletten wuchern. Ausnahmsweise trägt er kein Radfahrertrikot, dafür eine Bahnwärterjacke. Die Halskette aus einzelnen Fahrradkettensegmenten abwechselnd mit zu Ringlein gebogenen Speichenstücken ist selbst angefertigt. Dieser Schmuck ist nicht rostfrei und beschert braune Flecken auf den T-Shirts. Urs Mannhart ist dreissig Jahre alt und hat ein erfolgreiches Buch geschrieben: «Luchs». Vor ein paar Tagen in Berlin isst Urs einen Falaffel mit Joghurtsauce und bringt Bakterien mit nach Hause. Was tun? Er kann keine Tabletten schlucken, also muss er Tricks anwenden. Er streut das Pulver in den weissen Schaum eines Schokokusses: zu bitter. Eine andere Strategie: Er halbiert die Tablette, steckt die beiden Hälften in eine geschälte Banane und verschlingt diese möglichst ohne zu kauen. Im kommenden Herbst wird Urs nach Berlin zurückkehren. Er hat ein Stipendium gewonnen. Mit anderen Autoren und Autorinnen wird er während vier Monaten eine Villa ausserhalb der Stadt bewohnen. Sein Lieblingscafé ist siebenundzwanzig Kilometer entfernt. Wie weit ist er mit dem nächstes Buch? «Mein neues Projekt ist schon relativ fortgeschritten, kann aber immer noch wie eine Seifenblase platzen.» Mehr will Urs nicht verraten. In Berlin wird er schreiben und recherchieren, z. B. über die rumänischen Goldminen. Dieses Thema interessiert ihn schon lange. Ganze Berge werden verkauft, abgetragen und ausgebeutet. Wie kommt Urs Mannhart zum Velofahren und wie
zum Schreiben? «Wenn man auf dem Land aufwächst und der letzte Bus früh fährt, nimmt man das Velo.» Er wächst an der Grenze zwischen Emmental und Oberaargau auf. Der Vater arbeitet in einer Möbelfabrik, die Mutter ist Innendekorationsnäherin. Sein Vater ist ein Schönwetter-Sonntags-Hobby-Velofahrer. In der Schule ist Urs ein guter Rechner, stricken mag er überhaupt nicht. «Die Nähmaschine fand ich super. Bis heute verstehe ich nicht, wie sie genau funktioniert.» Als Jugendlicher ist er introvertiert. Er frisiert kein Töffli. Er liest wenig. Er läuft lieber OL und Langstrecken. Wie die meisten vom Land macht er eine Lehre. Er lässt sich zum Heizungszeichner ausbilden. «Interessant war das Zeichnen. Das Technische dahinter hat mich nicht interessiert. Nach der Lehre habe ich keinen Tag auf meinem Beruf gearbeitet.» Danach ist Urs ein halbes Jahr unterwegs. Zurück in der Schweiz will er etwas ganz anderes machen. Er holt er den Gymer nach und entdeckt sein Interesse für die Literatur. Er entscheidet sich für ein Germanistikstudium. «Damals hätte ich mir nie zugetraut einen Roman zu schreiben.» Im fünften Semester bricht er das Studium ab. Unterdessen arbeitet er als Lokaljournalist und als Velokurier. «Velokurier wird man irgendwie. Ich sass in einem Büro am Fenster und sah Kuriere vorbeifahren und dachte: das will ich auch.» Luchs und Urs? Den Zivildienst macht Urs im Luchsprojekt. Biologen versehen Luchse mit Halsband und Sender, um deren Lebensweise genauer zu erforschen. Während einem halben Jahr darf Urs Mannhart Luchse peilen, manchmal per Auto, meist zu Fuss. Zu dieser Zeit werden im Simmental viele Luchse gewildert oder vergif-
tet. Einige Kadaver werden in Plastiksäcken mit Steinen im Fluss versenkt. Unterwegs trifft Urs Einheimische, die ihm «Allgottschand» sagen. Sie sind gegen die Ansiedlung der Luchse. Die Begegnungen mit Menschen und Tieren sind eindrücklich. Nach dem Projekt hat Urs viel zu erzählen. Die Leute sind interessiert. Jemand regt ihn zum Schreiben an. Urs hat zu wenig Ausreden, es nicht zu tun. Der Text ist ein Selbstversuch. Er will eine glaubwürdige Geschichte erzählen. Die getöteten Luchse sind real. Fiktiv sind die Geschichten darum herum. Es dauert vier Jahre, bis zum Erscheinen des Buches. Im Herbst 2004 ist es soweit. «Es ist extrem schön das eigene Buch in den Händen zu halten. Schreiben ist für mich die Welt in eine Form bringen, die sie nicht hat. Was nicht geschrieben ist, gibt es nicht. Vieles entscheidet sich in Form von Sprache. In der Öffentlichkeit beginnt die Wirkung des Buches erst, wenn für mich der Entstehungsprozess abgeschlossen ist. An den Lesungen wird die Anonymität zwischen dem Autor und den Lesenden gebrochen. Interessant ist, wenn Leser und Leserinnen von ihren Bezügen zum Buch erzählen.» Urs freut sich auf die vier Luchs-Wanderungen mit integrierten Lesungen vor Ort. (Exkursion: «Auf Luchses Spuren», Anmeldung bis 9. Juni 06 unter www.wwf.ch). Zur Zeit weilt Urs in Sizilien mit Büchern und Notizbüchern. Er will sich die Stadt Siracusa anschauen. Kürzlich war er in Triest. Recherchen in Italien für das nächste Buch? Es bleibt ungewiss. Gewiss ist, zu Hause warten drei Fahrräder auf ihn. Zwei davon stehen im Flur, das andere steht im Zimmer. «Velos sind nicht meine Haustiere; draussen rosten sie und werden geklaut.»
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Vidya Gastaldon Coeur du Guru, 2005, Textilien, Draht, Courtesy of the Artist
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Im Kinderzimmer Vidya Gastaldon Kunstmuseum Thun, Hofstettenstrasse 14. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10:00-17:00 h, Mittwoch 10:00-21:00 h. Bis 18. Juni.
■ Eigentlich müsste die Arbeit «OZ ROAD» (2003) am Anfang der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Thun stehen. Sie besteht aus einer ganzen Reihe kleiner würfelförmiger Kissen in feinen Gelbtönen, angeordnet wie Kopfsteinpflaster zu einer Strasse. Diese Strasse führt direkt in die Welt von Vidya Gastaldon, der die Ausstellung gewidmet ist. Und wie der Titel der Arbeit nahe legt in die Welt der kleinen Dorothy aus dem Film «The Wizard of Oz», der Reise mit Vogelscheuche, Zinnmann und Löwen hinter dem Regenbogen. Man fühlt sich gleich wohl in der Ausstellung. Man fühlt sich geborgen und zurückversetzt in seine Kindheit. Nicht dass hier nur Kinderkram ausge-
stellt wäre, viel mehr sind es die Motive und auch die Materialien, die Gastaldon seit längerer Zeit in ihren Arbeiten benutzt, die derartige Gefühle, Sehnsüchte und Erinnerungen wachrufen. Gastaldon, 1974 in Besançon geboren, lebt und arbeitet in Genf, begann ihre Karriere in Zusammenarbeit mit JeanMichel Wicker in den Neunzigerjahren. In ihren Zeichnungen finden sich vor allem einmal Landschaften, angereichert und irritierend verändert mit Smileys, Regenbögen, Blumen, Blüten und Herzen oder auch mal dem Superschurken Darth Vader. All das könnte aus einem Kinderzimmer stammen oder genauso gut aus der Popkultur von vor 30 bis 40 Jahren. Naiv und kindlich, dekorativ und verspielt, ja, teils,
aber nie nur! Sie entwickelt die Einzelteile weiter, macht daraus komplexe Gebilde, die ihr Schaffen nur schwer einordnen lassen. In einem Interview meinte sie: «Wenn meine Werke häufig Formen aus der Gegenkultur der Sechziger- und Siebzigerjahre aufnehmen, liegt dies daran, dass damals ein extremer Drang nach körperlicher und geistiger Freiheit Architektur, Design und Mode in vielfacher Hinsicht geprägt hat.» Diese Freiheit nimmt sie sich auch in ihren genähten, gestickten und gestrickten Installationen. Wie natürliche Objekte eines Land Art-Künstlers ordnen sich die kleinen Kissen zu Gebilden. Es sind wieder Pilze, Blumen, Blüten, Herzen - wie aus dem Kinderzimmer. (di)
Von Weiten und Tiefen jenseits der Zeit Cécile Wick – Weltgesichte. Kunstmuseum Bern, Hodlerstrasse 8-12. Geöffnet Dienstag 10:00-21:00 h, Mittwoch bis Sonntag 10:00-17:00 h. Bis 25. Juni.
■ Einer Kruste gleich erstreckt sich schroffer Felsboden über Vorder- und Mittelgrund und verliert sich schliesslich in den aufgeweichten Konturen
Cécile Wick: Fotoarbeiten Scalo Galerie, Schifflände 32 und Scalo Galerie bei Commercio, Mühlebachstr. 2, Zürich. Geöffnet Dienstag bis Freitag, Samstag. Bis 6. Juni.
eines fernen Hügelzuges – ein Hauch roter Farbe entrückt die Landschaft irdischen Vorstellungen von Raum und Zeit. Man fühlt sich unweigerlich auf einen anderen Planeten versetzt, weit
von Monika Schäfer
Cécile Wick Weiten und Tiefen, 2005, Heliogravur farbig, 76 x 90 cm
weg jeglicher Zivilisation. «Weiten und Tiefen» nennt Cécile Wick die Edition mit zwei Heliogravuren, die sie anlässlich der Ausstellung im Kunstmuseum Bern herausgegeben hat und die im Museum in limitierter Auflage verkauft wird. Doch nicht nur vor diesen zwei Bildern wähnt man sich in einem überirdischen Raum-Zeit-Kontinuum festgehalten, selbst die acht amerikanischen Einfamilienhäuser der Serie «Mein Nachbar» vermögen einen Eindruck der Zeit- und Schwerelosigkeit zu vermitteln. Das Phänomen der Zeit scheint denn auch in den meisten ausgestellten Werken von zentraler Bedeutung zu sein. Cécile Wick hat in der Schweizer Kunstszene längst einen bedeutenden Platz inne. Nach der Auseinandersetzung mit Performance und Videokunst beschäftigt sich Cécile Wick seit den Achtzigerjahren zunehmend mit der Fotografie. Der Künstlerin geht es in ihren Bildern nicht um das Festhalten eines bestimmten Augenblicks, vielmehr steht die Darstellung von zeitlicher Dauer als fliessendem Kontinuum im Vordergrund ihres Schaffens. Die Umsetzung ihrer künstlerischen Intentionen erreicht sie durch den unkonventionellen Einsatz technischer Mittel; mit dem fotografischen Verfahren der Lochkamera und langen Belichtungszeiten gelingt es ihr, kleinste
Bewegungen festzuhalten. So entstehen Fotografien mit ausserordentlich malerischen Qualitäten – Unschärfe an den Rändern der Motive und subtile Übergänge zwischen schwarz, grau und weiss sind für diese Aufnahmen charakteristisch. Heute arbeitet Cécile Wick meist mit der einfachen Digitalkamera. Um die malerische Wirkung der Bilder zu verstärken, greift die Künstlerin auf die Heliogravur und den Inkjetprint zurück. Diese beiden Drucktechniken erlauben es, auf konventionelles Fotopapier zu verzichten und die Fotografien auf verschiedene Papiere zu drucken. So sind zum Beispiel die fünf Inkjetprints der Serie «Landschaften» von 2003 auf Japanpapier gedruckt – die Farbe des Drucks verläuft in den Fasern des Papiers und die Ränder der Bilder fransen aus; auf den ersten Blick meint man, fünf Aquarelle vor sich zu sehen. Die Ausstellung «Weltgesichte» im Kunstmuseum Bern stellt Cécile Wicks druckgrafische Arbeiten der letzten zehn Jahre ins Zentrum. Gezeigt werden ein Einzelwerk und 17 Serien à 2 bis 21 Werke. Wer gerne weitere Arbeiten aus Cécile Wicks Œuvre sehen möchte, dem sei die Ausstellung von ca. 70 Fotoarbeiten in den beiden Scalo-Galerien in Zürich empfohlen.
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Seltene Schönheit und schöpferische Raffinesse ■ Ehrfurchtvoll hängen an den hohen, turmalin- und olivgrünen Wänden zahlreiche Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken, die den Besucher sofort in ihren Bann ziehen. Überwältigt von den grossen Altarbildern, den raffinierten Bildnissen und den minutiös gestalteten Holzschnitten, wähnt man sich von Monique Meyer selbst ein paar Jahrhunderte zurückversetzt und geniesst die gut erhaltenen Werke, die hier zu einer einmaligen Zusammenkunft versammelt sind. In elf Räumen des Kunstmuseums Basel wird Hans Holbein dem Jüngeren eine umfangreiche Ausstellung gewidmet, die sich auf seine Basler Jahre von 1515 bis 1532 bezieht. Die Voraussetzungen für eine solche Schau sind bestens, da das Kunstmuseum Basel die weltweit grösste Sammlung an Gemälden, Zeichnungen und druckgrafischen Werken des Künstlers besitzt. Diese wird nun mit kostbaren Leihgaben aus europäischen und amerikanischen Sammlungen ergänzt, so dass Holbeins Basler Schaffenszeit mit rund vierzig Gemälden, hundert Zeichnungen und zahlreichen druckgrafischen Werken nahezu vollständig dokumentiert wird. Zu den bedeutendsten Leihgaben gehören der «Oberried-Altar» aus dem Münster in Freiburg i. Br., die «Solothurner Madonna», die «Darmstädter Madonna» und Bildnisse aus Holbeins erstem Englandaufenthalt zwischen 1526 und 1528. Hans Holbein d. J. (1497/98-1543) kommt 1515 mit seinem Bruder Ambrosius von Augsburg nach Basel, wo er religiöse Tafelbilder, Wandmalereien, Porträts, Scheibenrisse und druckgrafische Werke schafft. Beide haben ihre Ausbildung in der Malerwerkstatt des Vaters Hans Holbein d. Ä. in Augsburg erhalten, weshalb im Werk der Söhne das Nachleben von Bildformulierungen des Vaters auch bemerkbar ist. Die Beziehungen Holbeins d. J. zum Werk des Vaters wie auch zu dem des Bruders, dessen Spur sich 1519 verliert, werden in der Ausstellung aufgegriffen und anhand von Entwurfszeichnungen, Skizzenbüchern und Porträtstudien verdeutlicht. Obwohl der Sohn Hans
mit seiner Zeichentechnik an die künstlerische Tradition des Vaters anknüpft, bricht er häufig mit der Bildtradition und strebt nach eigenständigen, aussergewöhnlichen Formulierungen, die ihn gleichrangig neben Künstler wie Albrecht Dürer, Hans Baldung Grien und Matthias Grünewald stellt. Holbein bricht zwar nicht direkt mit den altdeutschen Traditionen, beweist aber durch Neubewertungen autonome Bildstrategien, wobei einfache und komplizierte technische Lösungen verbunden werden. Das grosse schöpferische Potenzial, mit dem Holbein neue Ideen umsetzt, lassen sich mit dem Anspruch eines Hofmalers vergleichen. Die bald einsetzende Reformation und die damit einhergehende Bilderfeindlichkeit veranlassen Holbein, sich nach Frankreich und England zu wenden, wo er auf eine Tätigkeit als Hofmaler hofft. Zudem will der gleichermassen begabte Maler und Zeichner sich aus städtischer und zünftischer Abhängigkeit befreien und nach einer unabhängigen künstlerischen Karriere streben. In Basel ist Holbein als Illustrator für Drucker und Verleger tätig, liefert Scheibenrisse für Glasmalereien, erhält aber auch grössere Aufträge für Arbeiten wie die Ausmalung des Basler Grossratssaals, Fassadenmalereien und religiöse Altarbilder. Diese bestechen durch untersichtige Maltechniken, meisterhafte Farbgestaltung und strategische Bildformeln, bei denen der Betrachter Teil der Bildkomposition wird. Holbein weist sich dadurch als präzisen Könner dieses Genres aus. Nicht zuletzt malt er zahlreiche Porträts von grossen Basler Persönlichkeiten, die er geschickt strategisch, manchmal idealisiert, jedoch immer individuell und feinfühlig in Szene zu setzen weiss. U. a. porträtiert er mehrfach den Humanisten Erasmus von Rotterdam, auf dessen Empfehlung Holbein 1526 nach England reist. Hier entstehen die berühmten Bildnisse der aristokratischen Society und ein erstes Mal erhält er die Möglichkeit, für Heinrich VIII. festliche Dekorationsmalereien zu entwerfen. Als Holbein 1528 für kurze Zeit wieder nach Basel kommt, hat er an seinen früheren Arbeiten vieles auszusetzen. Die Ortsveränderung
hat wohl seinen Blick geschärft und ihn aus der Baslerischen Provinzialität herausgeführt, was ihm bei der endgültigen Übersiedlung nach England 1532 sicherlich von grossem Nutzen war. Zwar tritt Holbein spätestens 1536 endlich in den erwünschten Dienst Heinrichs VIII., doch bezeichnet er sich auf einem Selbstporträt kurz vor seinem Tod 1543 als Bürger der Stadt Basel. Die Modernität, die dem Œuvre Holbeins zugrunde liegt, wird dem heutigen Betrachter durch die verschiedenen Bildtypen mit ihren vielfältigen und virtuosen Bildstrategien vor Augen geführt. Besonders deutlich wird dies in der aktuellen Basler Ausstellung, in der Gemälde und Zeichnungen unmittelbar nebeneinander gesetzt werden, so dass der Betrachter die Holbeinschen Besonderheiten, das Abweichen von Gewohntem sowie die einfache Schönheit der dargestellten Figuren mit ihrem klaren Lineament auf eindrucksvolle Weise studieren kann. Der Katalog zur Ausstellung ist seinerseits ein Meisterwerk, das hochkarätige kunsthistorische Beiträge zu Holbeins Jahren in Basel und damit verbundene Forschungsansätze versammelt. Allerdings wäre es von Nutzen, den Katalog zuerst studiert zu haben, um vom einzigartigen Gehalt der ausgestellten Bilder zu profitieren. Aber auch sonst ist die überaus gelungene Ausstellung ein absoluter Genuss und deshalb sehr empfehlenswert. Wer sich zusätzlich mit der aussergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeit auseinandersetzen will, dem sei das reichhaltige, museums- und spartenübergreifende Begleitprogramm empfohlen, welches dem Werk und Wirken Holbeins, seinen Beziehungen zu Basel und den zeitgenössischen Druckern, Sammlern und Gelehrten nachgeht. Eine weitere Möglichkeit, sich dem Werk Holbeins eingehend zu nähern, besteht noch dieses Jahr in London. Vom 28. September 2006 bis zum 7. Januar 2007 veranstaltet die Tate Britain eine zweite Holbein-Ausstellung, die das Schaffen des Künstlers aus seiner Zeit in England als Hofmaler Heinrichs VIII. dokumentiert.
Hans Holbein der Jüngere – Die Jahre in Basel 1515 bis 1532. Kunstmuseum Basel, St. Alban-Graben 16. Geöffnet Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10:00-17:00 h, Mittwoch 10:00-20:00 h. Bis 2. Juli. Infos zum Begleitprogramm: www.kunstmuseumbasel.ch, www.museenbasel.ch/holbein
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Foto: Tanja Buchser
Auf der Spur des Lebens Ficht Tanner - Appenzeller Stickereien Galerie Artdirekt, Herrengasse 4, 3011 Bern. Geöffnet Mittwoch bis Freitag 14:0018:30 h, Samstag 11:00-16:00 h. Vernissage: Samstag, 6. Mai, 16:00-18:30 h. 6. Mai bis 10. Juni.
■ Ficht Tanner ist ein Künstler, der 1952 in Trogen zur Welt kam und nach einigen Ortswechseln, unter anderem nach Bern, dorthin zurückfand, wo er seine Kindheitstage verbracht hatte. Er ist mit dem Ort Trogen eng vervon Helen Lagger bunden. Sanfte Hügellandschaft, Ruhe und Kontemplation, die Tradition des Stickens, aber auch viele im positiven Sinne verrückte Menschen, die sich dort ansiedelten, prägen sein Werk und sein Leben. Seit mehr als zwanzig Jahren bedient er sich einer Technik, die in der Gegenwartskunst wieder höchst aktuell ist. Er verwendet eine Stickmaschine und fertigt meist grossformatige Textilbilder. Während in seinen frühen Arbeiten noch Menschen und Tiere zu erkennen sind, hat er zunehmend eine eigene abstrakte Formensprache entwickelt. Diese Formen erinnern an nur unter dem Mikroskop erkennbare Unterwasser-Lebewesen und entführen uns in einen Mikrokosmos. Für Ficht
Tanner, der auch ein renommierter Musiker ist (Bassgeige) sind diese Formen die Visualisierung seines Innenlebens. Er ist ein Künstler, der in sich hinein geht und aus sich selbst schöpft. «Was ich mir erdenken kann, interessiert mich nicht», postuliert der Künstler und unterscheidet sich damit stark von Konzeptkünstlern. Ficht Tanner sieht sich als eine Art Forscher auf der Spur des Lebens. Die Grundlage des Lebens sei abstrakt, nur das menschliche Theater mache alles konkret. Die exakten Wissenschaften lösten sich letztendlich immer in abstrakte Formen auf. In seinem Atelier stapeln sich Garnrollen statt Farbtuben. Genau wie ein Maler besitzt Ficht eine ganze Palette eines Farbtones. Mit seiner Sticktechnik kann er sowohl «zeichnen» wie «malen». Einige Bilder, meist mit weiss gesticktem Hintergrund, zeigen klar begrenzte Figuren, die er dann mit Farben ausfüllt, andere Werke sind malerischer und schwelgen in Farben oder lassen zwei Farben ineinander fliessen. Blattmuster, Schnörkel,
Tentakel, Insektenpanzer, organische Zellen und wunderschön ornamentale Strukturen lassen dem Betrachter genügend Spielraum, selbst zum Entdecker zu werden. Die besonders farbenprächtigen Werke erinnern an indische Hippiemuster, märchenhafte Spätmittelalter-Tapisserien oder in ihrer Dichte und Wertigkeit auch an Stoffe, wie man sie in der Haute Couture verwendet. Ficht Tanner ist musikalisch ein Begriff. Seine Zwei-Mann-Band «Space Schöttl» verband Tradition mit Experimentellem. Die Musiker spielten Bassgeige und Hackbrett. Seine Stickereien funktionieren ähnlich: Es sind improvisierte Formen, direkt aus dem Unterbewusstsein. So wie Ficht Tanner sich stets weigerte, das Notenlesen zu erlernen, so braucht er kein Konzept für seine Textilbilder. Wenn er sich morgens um sieben, manchmal auch um fünf Uhr, an die Stickmaschine setzt, interessiert ihn nur eines: Wie geht es weiter? Und dann entstehen unter seinen geschickten Händen Figuren, die er selbst so noch nie gesehen hat.
Ausser-sich-Sein ■ Es muss das letzte Einhorn-Horn sein, das da vor dem Betrachter liegt, ausgebreitet auf sanft drapierter Fliegerseide auf einem mächtigen Tisch. Natürlich ist es kein Horn eines Fabelwesens, sondern ein Narwal-Horn, von Dominik Imhof dessen Horn man aber immer wieder als mystisches und mit Leben spendender Kraft versehenes Horn des Einhorns ausgegeben hat. Zauberkraft wurde ihm nachgesagt und wider besseres Wissen findet man sich selbst in der Märchenwelt der eigenen Kindheit. James Lee Byars, der in seinen Arbeiten immer wieder das Allgemeingültige suchte, rührt mit diesem Werk an unseren ureigensten Empfindungen und Erinnerungen. Dies ist eine von gut 22 Positionen der Ausstellung «The Sublime
is now!» im Museum Franz Gertsch, die nach Spuren des Erhabenen in der Gegenwartskunst sucht und diese auch findet. Mit dem Titel der Ausstellung wird auf einen Essay des abstrakten Expressionisten Barnett Newman von 1948 verwiesen, indem er auf der Bedeutung der unmittelbaren Gefühlswirkung eines Kunstwerks beharrt. Ein Kunstwerk soll keinen Bezug zum Gegenständlichen mehr offenbaren, auf keine Geschichte verweisen und sich vom Ballast der europäischen Kunstgeschichte befreien. Ein Kunstwerk galt als erhaben nur in der eigenen Wirklichkeit als Kunstwerk. Mit den abstrakten Expressionisten - d. h. mit Mark Rothko - beginnt nun auch die Ausstellung. Gemeinsam mit Arbeiten des Lichtkünstlers James Turrell und von Markus Huemer füllt eines seiner vibrierenden Werke den ersten Raum. Die eigene Wahrneh-
mung wird bewusst, ein vollkommenes Ausser-sich-Sein stellt sich ein - purer Sinneseindruck. Bezüge zur Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts, wo Gebirge und stürmische See Inbegriffe des Sublimen waren, zeigen Künstler wie Mariele Neudecker oder der Chinese Qi Shihua mit seinen ephemeren Weissbildern, auf denen nur in einem meditativen Akt eine Landschaft erkennbar wird. Oder Karin Sanders Hühnerei: die perfekte Form, gesteigert durch die polierte, nun glänzende Hülle, das Symbol des Ursprungs schlechthin. Das Sublime zeigt sich in unmittelbaren Eindrücken, erreicht unser Menschsein. Im besten Fall ist man tatsächlich zurückgeworfen auf sich selbst und das Wahrnehmen seiner eigenen Wahrnehmung.
«The Sublime is now!» Das Erhabene in der zeitgenössischen Kunst Museum Franz Gertsch, Platanenstrasse 3, Burgdorf. Geöffnet Dienstag bis Freitag 11:00-19:00 h, Samstag und Sonntag 10:00-17:00 h. Bis 30. Juli.
Am deutlichsten erfährt man jene Fragen, wenn man das «Leere Zimmer» durchschreitet. Knapp zimmerhoch stellt Budny einen Raum im Raum aus, karg, leer und verwirrend. Dort, wo Bett, Tisch und Kommode standen, schneidet der Künstler Fläche weg, um Projektions- und Reflexionsraum zu schaffen. Bewusst entfernt er jene Dinge, die einen Raum definieren, verdrängt sie und schafft so einen «nach innen» gerichteten Ort. Seine kleineren Modelle sind - in Unterschied zum «Leeren Zimmer», das aus MDF-Platten besteht - aus Karton, Papier und Klebeband. Wände und Dach fehlen, aber dafür sind Objekte nachgebildet, die unseren Alltag prägen: Tisch, Bett, Schrank. So klein, dass man sie beim Betrachten imaginär verschieben, kippen und hochheben kann. Budny bevorzugt grundsätzlich einfache Materialien, die zum Teil schon benutzt wurden und keine Ansprüche stellen. In ihrer grau-braunen Schlichtheit laden sie zum Verweilen ein und sind erfrischend unaufdringlich. Die kleinen Modelle lassen den Betrachter visuell verstehen, was man beim Gang durchs «Leere Zimmer» physisch festzustellen begann: Wirklich ist auch, was man nicht sieht.
Wer hat schon je über den Raum, der Regen einnimmt, nachgedacht? Michal Budny hat es. In einem früheren Werk fängt er die Poesie von Regentropfen ein, bildet sie nach in einem Modell aus wellenförmigem Karton und Plexiglas. Und er hält sie fest, die Leichtigkeit des Unsichtbaren und macht sie auf erstaunliche Weise sichtbar für diejenigen, welche die Gabe besitzen, innere Welten und Räume zu schaffen.
Michal Budny - Bluebox Galerie annex14, Junkerngasse 14, 3008 Bern. Geöffnet Mittwoch bis Freitag 13:00-18:00 h, Samstag 11:00-16:00 h. Bis 27. Mai.
(Un)sichtbar? ■ Inmitten der Modelle aus Karton und Papier liegt ein silbernes Rechteck. Leer und unbeschriftet bildet es den eigentlichen Kulminationspunkt der Ausstellung: die Leerstelle, die der von Eva Pfirter Künstler den Betrachtenden schenkt, um ihre eigene Vorstellung zu errichten, ihren eigenen imaginären Raum zu erschaffen. Michal Budny ist ein junger polnischer Künstler, der bereits vor einem Jahr in der Berner Galerie annex14 ausgestellt hat. Die diesjährige Ausstellung heisst «Bluebox» und spielt auf ein beim Fernsehen übliches Verfahren an, das ermöglicht, in der Postproduktion Personen und Szenen zu einer fiktiven Wirklichkeit zusammen zu bauen. «Blue screen» bezeichnet das nachträgliche Einsetzen eines Hintergrundes in eine bestehende Szenerie. Das Einsetzen und Ergänzen von Fehlendem überlässt Michal Budny bei seinen Raum-Modellen den Besuchern, welche gefordert sind, sich grundsätzliche Fragen zu stellen: Was macht Raum aus? Was begrenzt Raum? Wie bewegen wir uns in einem Raum?
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Kunst im Buch Warholism
Genusstechnik
Schattenspieler
■ Wie kein anderer Künstler hat Andy Warhol es geschafft, seine wahre Identität künstlerisch zu gestalten, zu verschleiern und dabei zur Ikone zu mystifizieren. Als Schwarzgewandeter mit silberner Perücke und überdimensionierter Brille thematisierte er die Mechanismen der modernen Massenmedien nicht nur in seinen bunten Siebdrucken, sondern auch als veritable Kunstfigur, deren Inszenierung er geschickt leitete und weit über die bekannten fünfzehn Minuten Berühmtheit hinausführte. Als eine der meist befragten Celebrities seiner Zeit, etablierte Warhol das Künstlerwort in seiner Zeitschrift «Interview» als eigenständige Gattung, als scheinbarer Leitfaden an das Publikum angesichts eines unverständlichen, abstrakten Werks. Die Hoffnung aber, der Künstler möge über sein Sprechen die Rätsel seiner Bilder als Interpretationshilfe preisgeben, erfüllt Warhol nicht, im Gegenteil. Mit «Interviews mit Andy Warhol» liegt nun erstmals in deutscher Übersetzung eine Sammlung von Gesprächen zwischen 1962 und 1987 vor, darunter regelrechte Klassiker, die jeweils sorgfältig durch den New Yorker Schriftsteller und Herausgeber der englischen Version Kenneth Goldsmith eingeleitet werden. Trivialitäten wie der simple Kauf eines Kaugummis stehen direkt neben ironischem Kommentar zum Wesen von Kunst und Kunstbetrieb. Warhols Stilmerkmale wie das Serielle oder Oberflächlichkeit als Leerstelle zur Projektion für den Betrachter finden sich übertragen auch in den Gesprächen wieder: Je genauer die Fragen, desto mehr entzieht sich Warhol durch monoton stereotype Antworten in den Hintergrund bis sich die Ansichten des Interviewers in dessen eigenen Fragen widerspiegeln. Zwischen Kunsttheorie, Selbstdarstellung, Performance und dem Interview als literarische Form mit seinen eigenen Bedingungen und Mustern bietet der Band eine humorvolle Zeitreise durch das Kunstuniversum des candy Dandy Andy. (sm)
■ Es geht hier nicht um Kunst um der Kunst willen, sondern: Kunst trifft auf Wissenschaft. So beschreibt Martin Lotti seinen Job. Er ist Designchef für Frauensportschuhe bei keinem geringeren als Nike. Für ihn ein Traumjob. Denn Nike bietet ihm die ideale Umgebung für seine Kreativität: «Ich mag diese Abgeschiedenheit. So kommen wir gar nicht erst in Versuchung, irgendwelchen Modeströmungen nachzurennen. Wir setzen die Trends.» Lotti gehört zu den 25 ausgewählten Schweizer Designern, die in «DESIGNsuisse» porträtiert werden, einer Reihe von ca. zwölfminütigen Filmen, entstanden durch die Initiative der SRG SSR idée suisse (was für ein Name!). Jetzt sind die 25 Filme auf zwei DVDs und mit Begleitbuch im Buchhandel erhältlich. Die kurzen Filme überraschen immer wieder. So kann selbst ein Schuhgestalter wie Martin Lotti faszinieren. Oder Ruedi Baur - Signaletiker. Er hat das Leitsystem für die Landesausstellung Expo02 oder die Cinémathèque Française gestaltet. Sein Leitsystem für die Cinémathèque gleitet über die Wände des Gebäudes und integriert sogar Filmausschnitte. Ideal. Die Gebrüder Freitag dürfen natürlich nicht fehlen. Sie haben mit ihren Taschen einen Kult lanciert. Eigentlich wollten sie nur Taschen für den Eigengebrauch machen, dann stiessen die Taschen auf Interesse bei den Freunden und so kam eins zum andern. Jetzt sind die aus Lastwagenplanen, Sicherheitsgurten und Veloschläuchen hergestellten Taschen Kult. Sie sind schön, robust und Unikate, was will man mehr von gutem Design. Die Filme sind bildschön gemacht und bringen dem Betrachter die Designer in kurzer Zeit nahe. Das Begleitbuch, ebenfalls tadellos gestaltet, informiert in kurzen Texten über die Künstler. In den von jungen Pressfotografen gestalteten Fotos wird auf die Produkte fokussiert. Schön das dort, wo DESIGNsuisse draufsteht, auch das drin ist. (di)
■ Über Stanley Kubrick muss nicht mehr viel gesagt werden. Würde man meinen. Und doch gibt es immer wieder Überraschungen. So ist jetzt ein Buch erschienen mit seinen Fotografien aus der Zeit vor seiner Karriere als Regisseur. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verkauft Kubrick - gerade mal 17 Jahre alt - seine erste Fotografie an das Magazin «Look». Er wird ab 1946, kurz nach dem Highschool-Abschluss, bei «Look» fest angestellt. Bis 1950 schiesst Kubrick um die 12ʻ000 Fotos, von denen nur ein Bruchteil veröffentlicht wurde. Rainer Crone machte sich Anfang der 90er Jahre auf, die damals verschollenen Negative von Kubricks Fotos aufzustöbern. Ungefähr 400 hat er nun in dem Bildband «Stanley Kubrick. Drama & Schatten» vereint. Auch wenn die Texte im Buch nicht besonders erhellend sind, die Fotostories zeugen von einem ausgesprochen talentierten jungen Fotografen. Die Themen, die Kubrick aufgreift, sind einfach und sehr typisch für die Zeit: Menschen in der Subway, die Gegensätze in der Industriestadt Chicago, Porträts eines kleinen Schuhputzers oder von Stars wie Leonard Bernstein und Montgomery Clift. Nur selten ist Kubrick dabei dem Realismus einer US-amerikanischen Fotografietradition verpflichtet. Früh beginnt er, seine Motive zu inszenieren, er spielt mit Licht und Schatten, dramatisiert seine Sujets und Kompositionen. In einer Fotostrecke beobachtet Kubrick Schauspieler bei einer Theateraufführung, dokumentiert aber nicht einfach, sondern spielt mit den Figuren und den Schatten, die sie erzeugen. Man erkennt schon die Nähe zum Film Noir seiner ersten Regiearbeiten. 1949 porträtiert Kubrick den Boxer Walter. Aus diesem Porträt wächst schliesslich Kubricks erster Film «Day of the Fight», ein 16-minütiger Dokumentarfilm, der 1951 Premiere hat. «Es hat mir damals grossen Spass gemacht, aber irgendwann war es vorbei, da mein eigentliches Interesse immer dem Film galt.» (di)
Kenneth Goldsmith (Hrsg.), Interviews mit Andy Warhol, Verlag Kurt Liebig, 379 Seiten, 2005, Fr. 52.20.
Meret Ernst und Christian Eggenberger (Hrsg.), DESIGNsuisse, Hochparterre / Scheidegger & Spiess, 352 Seiten, 2005, Fr. 98.00.
Rainer Crone, Stanley Kubrick. Drama & Schatten: Fotografien 1945-1950, Phaidon, 255 Seiten, 2005, Fr. 102.00.
GALERIEN IN BERN Altes Schlachthaus Metzgergasse 15, Burgdorf // Tel 034 422 97 86 annex14 - Galerie für zeitgenössische Kunst Junkerngasse 14, 3011 Bern // Tel 031 311 97 04 Mi-Fr 13:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h Michal Budny Bluebox 22.4. - 27.5.06 Art-House Mittlere Strasse 3A, 3600 Thun // Tel 033 222 93 74 Mi-Fr 14:00-17:30 h / Sa 11:00-16:00 h Franziska Ewald: Malerei Martina Lauinger: Eisenplastiken Ausstellung: 8.4. - 6.5.06 Marianne Galli (Malerei), Gabriele Stähli (Steinskulpturen). Vernissage 12.5., 18:00 h 13.5.-10.6.06 Art + Vision Junkerngasse 34, 3011 Bern // Tel 031 311 31 91 Di-Fr 14:00-19:00 h / Do 14:00-21:00 h / Sa 11:00-16:00 h Eva Gallizzi 13.5. - 9.6.06 Bärtschihus Gümligen Dorfstrasse 14, 3073 Gümligen ESPACE Indigo Stauffacher Buchhandlung, 3011 Bern // Tel 0844 88 00 40 Ladenöffnungszeiten novelline 26.4. - 29.5.06
Fri-Art 22 Petites Rames; 1700 Fribourg // Télephone 026 323 23 51 ma-ven 14-18h / sa-di 14-17h nocturne jeudi 18-20h «CONTINUUM DISTORSION» Xavier Noiret-Thomé Avec la participation de: Michel François; Bruno Di Rosa; Robert Suermondt Scott King & Philippe Decrauzat: Nouvelle intervention dans la cage dʼescalier II (2006-2008) Sérigraphies de Francis Baudevin & Karim Noureldin: Intervention dans la cage dʼescalier I (2003-2006) Vernissage 19 mai à 18 h 20 mai au 30 juillet 2006
Vereinbarung Huber.Huber Eine Versuchsanordnung 8.4. - 6.5.06
bk Galerie Bernhard Bischoff & Partner Speichergasse 8, 3011 Bern // Tel 031 312 06 66 Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder nach Absprache Zeitzeichen Rudolf Blättler, Kotscha Reist 24.3. - 13.5.06
Galerie Henze & Ketterer Kirchstrasse 26, 3114 Wichtrach // Tel 031 781 06 01 Di-Fr 10:00-13:00 h & 14:00-18:00 h / Sa 10:0016:00 h Jubach-Wilsmen: Steinbücher Georg Grosz: der Akt Druckgraphik der «Brücke» 13.5. - 26.8.06
Galerie 25 Regina Larsson 2577 Siselen // Tel: 032 396 20 71 // www.galerie25.ch Wiedereröffnung am neuen Standort nach Umbau am 27.8.06 ab 14:00 h, Bern - Biel - Basel - Simona Deflorin, Hannah Külling, Ka Moser, Margrit Rieben, Ruedi Schwyn, Marcel Stüssi
Galerie Tom Blaess Uferweg 10, 3018 Bern // Tel 079 222 46 61 Besichtigung auf Anfrage Arbeiten des Druckateliers Galerie Beatrice Brunner Nydeggstalden 26, 3011 Bern // Tel. 031 312 40 12 Mi / Do / Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h DETLEF SUSKE «Unorte» 29.4. - 27. 5.06
Galerie Duflon & Racz Gerechtigkeitsgasse 40, Bern Tel 031 311 42 62 Do 14:00-20:00 h & Sa 11:00-17:00 h, sowie auf tel. Vereinbarung Martha Grunenwaldt *1910, Belgien art brut
Galerie 67 Belpstrasse 67, 3007 Bern // Tel 031 371 95 71 Mo 13:30-18:30 h, Di-Fr 9:00-12:00 h & 13:3018:30 h & Sa 9:00-12:00 h Frank Lévy 1. - 31.5.06 Vernissage 5. Mai, 18:00-20:00 h Galerie 849 MüM Gurtenpark im Grünen, Wabern Täglich von 9:00-18:00 h Galerie Artraktion Hodlerstr. 16, 3011 Bern // Tel: 031 311 63 30 Do & Fr 15:00-18:00 h, Sa 11:00-16:00 h oder nach Vereinbarung Urs Borner Via Maddalena Finissage: Fr 19.5., 17:30-20:00 h Galerie bis Heute Amtshausgasse 22, Bern / Tel. 031-311 78 77 Do-Fr 14:00-18:30 h, Sa 11:00-16:00 h & nach
Galerieneintrag: Auf den Seiten «Galerien in Bern» werden seit November 2005 nur noch Galerien publiziert, welche unsere jährliche Publikationsgebühr bezahlt haben. Wer sich hier eintragen lassen möchte, melde sich bei der Redaktion: Telefon 031 318 6050 oder redaktion@ensuite.ch.
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Galerie Margit Haldemann Brunngasse 14 / Brunngasshalde 31 // Tel: 031 311 56 56 Mi 11:30-18:30 h / Do & Fr 14:30-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h Peter von Gunten: «Zufe Zafe e Cervèlo» Fotoarbeiten Venedig 26.4. - 20.5.06 Venedig soll sehr schön sein Film von Bruno Moll. Bruno Moll ist anwesend. Apéro ab 18:30 h. Mi 3.5., 20:30 h Apero / Lesung Klaus Merz im Gespräch mit Peter von Gunten. Mi 17.5., 19:00 h
Galerie Silvia Steiner Seevorstadt 57, 2502 Biel / 032 323 46 56 Mi-Fr 14:00-18:00 h & Sa 14:00-17:00 h Blumen / Fleurs / Fiori Sibylle Heusser, Beatrix Sitter-Liver 22.4. - 20.5.06 Kornhausforum Forum für Medien und Gestaltung Kornhausplatz 18, 3011 Bern // Tel 031 312 91 10 Di-Fr 10:00-19:00 h, Do bis 20:00 h & Sa/So 10:00-17:00 h Tatmotiv Ehre Wanderausstellung Terre des femmes Vernissage: Di 2.5. ,19:30 h 3.5. - 14.5.06 DesignLabor Gestaltung und Design im Spannungsfeld industrieller Produktion Vernissage: Do 11.5., 19:00 h 12.5. - 25.6.06 cotton - baumwolle bio & fair Austellung der Entwicklungsorganisation Helvetas Vernissage: Mi 12.5., 19:00 h 18.5. - 18.6.06
Galerie Martin Krebs Münstergasse 43, 3011 Bern // Tel 031 311 73 70 Di-Fr: 14:30-18:30 h / Sa 10:00-14:00 h Jean-François Luthy Neue Werke Dauer der Ausstellung: bis 3.6.06
Kunstreich Gerechtigkeitsgasse 76, 3011 Bern // Tel 031 311 48 49 Mo-Fr 09:00-18:30 h / Do 09:00-20:00 h / Sa 09:00-16:00 h Shang Hutter Figuren und Zeichnungen 27.4. - 3.6.06
Galerie Kornfeld Laupenstrasse 41, 3001 Bern // Tel 031 381 46 73 www.kornfeld.ch Mo-Fr 14:00-17:00 h / Sa 10:00-12:00 h In Vorbereitung Galerie Kornfeld: Auktionen 15. & 16.6.06
Kunstraum Oktogon Aarstrasse 96, 3005 Bern Fr 16:00-19:00 h / Sa 11:00-15:00 h Cécile Wick 1.4. - 6.5.06
Galerie Ramseyer & Kaelin Junkerngasse 1, 3011 Bern // Tel 031 311 41 72 Mi-Fr 16:00-19:00 h / Sa 13:00-16:00 h Eva Jaeckle Brigitte Naef Landschaften 9. - 27.5.06 Galerie Rigassi Münstergasse 62, 3011 Bern // Tel 031 311 69 64 Di-Fr 11:30-13:30 h & 15:30-19:00 h, Sa 11:0016:00 h Hommage à Martin Disler 5.4. - 24.5.06
KunstQuelle Galerie Brunngasse 14, Bern // Tel 076 331 97 75 // www.kunstquelle.ch Mi & Fr 14:30-18:00 h, Do 15:30-19:00 h & Sa 13:00-16:00 h Christoph Hausammann Spiralmenschen – Bewegungen, Gefühle und Sequenzen Mamadou Ndao Mystik und Spiritualität 4.5. - 24.5.06 Vernissage, Do 4.5.06, 17:00-20:00 h Finissage, Sa 27.5.06, 15:00-18:00 h
ONO Bühne Galerie Bar Gerechtigkeitsgasse 31, 3011 Bern // Tel 031 312 73 10 Fr & Sa 13:00-17:00 h - Nachtgalerie: Mi-Sa ab 22:00 h C. W. Marsens Photoausstellung Ausstellungsdauer: 4. - 30.5.06 PROGR Zentrum für Kulturproduktion Speichergasse 4, Bern Bis So 28.5.06 «REISEN MIT DER KUNST» Ort: Ausstellungszone, videokunst.ch, 1.OG Öffnungszeiten: Mi-So 14:00-17:00 h Fr 5.5. ab 20:00 h Artist In Residence_STABÜBERGABE Ort: Gastatelier, 1.OG | PROGR Eingang Waisenhausplatz 30 HOIO Boutik: «Je suis une artiste heureuse» Ort: Treppenhaus 1./2. OG Ausstellungszone 4. - 28.5. Florian Dombois (DE/CH) + Yuzo Kako (JP) Ort: leerraum [ ] soundinstallation, Treppenhaus RAUM Militärstrasse 60, Bern Mo-Fr 16:00-19:00 h / Sa 12-16:00 h Manuela Legnazzi Listen Arbeiten auf Papier Vernissage Fr 5.5., 18:00-21:00 h Es spricht Anna Stüssi 5.5. - 1.6.06 Das Wort hat die Provinz Lesung Pedro Lenz 12.5. - 18.1.2038, 20:00 h 24. - 27.5 geschlossen Schloss Hünigen 3510 Konolfingen Täglich 8:00-21:00 h Janeric Johansson Installation Permanente Bilder-Ausstellung im Neubau SLM Kunstausstellung Dorfplatz 5, 3110 Münsingen // Tel 031 724 11 11 Mo-Do 8:00-12:00 h & 13:30-17:00h / Fr 8:0012:00 h & 13:30-18:00 h Lisa Notter Skulpturen in Stein Brigitta Briner Mixed Media Objekte Vernissage 2.6., 19:00 - 21:00 h Begrüssung und Apéro 2.6. - 28.7.06 im Beratungszentrum SLM in Münsingen
Stadtgalerie Hodlerstr. 22 + 24A 3011 Bern // Tel 031 311 43 35 Mi-So 14:00-17:00 h Yanick Fournier «Kriegsspiel» (Pop2/643) Yanick Fournier, zeigt in seiner ersten Einzelausstellung in der Schweiz eine Installation, die auf dem Computerspiel «Prince of Persia» basiert und den STAGE-Pavillon in einen Raum zwischen virtuellem Spielfeld und realer Gefahrenzone verwandelt. 1.4. - 14.5.06 Wartsaal 3 Helvetiaplatz 3 Bern // Tel 031 351 33 21 täglich von 10:00-12:30 h & 15:00-19:00 h Christoph Moser Bilder und Objekte 1.5.- 22.5.06 Ann Chen Mittagskonzert 24.5.06
Temporäre Ausstellungsräume Centre interrégional de perfectionnement 2720 Tramelan Mo & Do 8:00-20:00 h, Mi 8:00-18:00 h, Sa & So 14:00-17:00 h Sandra D. Sutter & Dominik Sikorowski Photographies Ausstellung bis am 26.5.06 Galerie peripherie-arts.ch Im Stufenbau, Pulverstrasse 8, 3063 Ittigen Malu Barben Fotografie & Martin Loosli Malerei Vernissage Samstag 6.5., 16:00-20:00 h Di & Mi 19:00-21:00 h oder nach Vereinbarung. Ausstellungsdauer: 6.5. - 7.6.06
Sandra D. Sutter im Centre interrégional de perfectionnement
Dominik Imhof
Augenspiel ■ Bern ist voll von Kunst. Wohin man den Blick wendet und schweifen lässt - man sieht Kunst! Jedenfalls, wenn man sie sehen will. Nur schon der sogenannte Bahnhofplatz (von Platz kann ja gar nicht die Rede sein, also der Vorbahnhofunort) ist voll gestopft mit Kunst: Ein Beinfüssler ohne Oberkörper (von Luciano Andreani, treffend für die kopflose Situation auf dem Platz), ein seiltänzelnder Bär in luftiger Höhe (von Carlo E. Lischetti), Pilze oder Schwämme, die aus Säulen spriessen (Rolf Iseli) und ein Grüppchen urschweizerischer Milchkannen (Ueli Berger, dem gerade im Kunsthaus Langenthal ein Ausstellung gewidmet war). Mit der Neuplanung des Platzes und dem Baldachin wird hier wohl einiges verändert oder verschoben werden müssen. Hoffen wir, es bleiben noch ein paar Augenspielereien übrig. Beim Bollwerk ist übrigens bereits die Fortsetzung zu finden: An der Passerelle beim Bollwerk ein Rettungsring (Claude Kuhn), darunter an die Wand gepinselt eine rennende Schar Verfolger und Verfolgte (Peter Radelfinger). Seit April sind weitere Kunstwerke in der ganzen Stadt verteilt zu sehen, einerseits von Kunstmuseum bis Zentrum Paul Klee Werke der Stiftung «Kunst heute» in der Ausstellung «Reisen mit der Kunst», andrerseits auf der «Kunstachse» in Bümpliz. «Reisen mit der Kunst» meint nicht etwa, ein Kunstwerk in die Hand nehmen und damit auswandern, nein, es sind viel mehr die künstlerischen Reisen - Kopfreisen - in irgendwelche Welten, dann und wann natürlich auch mal virtuelle Welten. Im öffentlichen Raum fallen besonders die Plakate von Studer / van den Berg (sie haben den Pavillon an der Weltausstellung in Japan für die Schweiz konzipiert) mit ihren eigenartigen computergenerierten Bergwelten auf: schweizerische Alpenwelt und doch modern. Mit der «Kunstachse» zwischen Bümpliz Süd, Bienzgut und Bümpliz Nord werden schliesslich Werke von Studierenden der HKB präsentiert. Eine eigene kleine Reise durch Bern - natürlich mit weit geöffneten Augen - lohnt sich also!
ensuite - kulturmagazin gibt es im abo.
www.ensuite.ch
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L E T Z T E
L U S T S E I T E
als regelmässige leserInnen unserer geheimnisse rund um den sex wisst ihr, dass wir seit längerem in einer art krise stecken. das thema scheint uns irgendwie ausgereizt – in allen möglichen zeitungen lesen wir über sex und pornografie, in filmen und auf fotos begegnen wir allen seinen spielarten, relativ unbekannte menschen reden an partys miteinander darüber. statt der krise noch einmal mehr raum zu geben und historische hintergründe, soziologische studien oder ähnliches darüber zu präsentieren, haben wir die lustseite ausgeweitet. in zukunft werden wir die erotik ganzheitlicher angehen und alle sinnlichen wahrnehmungen und handlungen vor und nach dem sex einbeziehen; also dinge wie den besuch von atem-, tantra- und yogakursen, shoppingerlebnisse, museums- und kinobesuche besprechen oder auch einfach gastrokritiken verfassen. gastrokritiken deshalb, weil wir in unserem kreis merken, dass das thema immer wieder brennt: es scheint in bern eine eng begrenzte auswahl von restaurants zu geben, in denen alle sinne befriedigt werden, wo der preis stimmt, das personal nett ist und das interieur gefällt. die frage nach dem «wohin?» bei einem nachtessen mit der liebsten/ dem liebsten oder mit anderen menschen, die wir näher kennenlernen möchten, ist ungelöst. einige restaurants scheiden schon aufgrund der lichtverhältnisse aus oder weil das angebot zu lange nicht wechselt oder weil die servicecrew und alle gäste alte bekannte sind. im restaurant z. zum beispiel stellt sich keines die-
Hinweis: Die Texte auf der letzten Lustseite sind nicht ganz jugendfrei. Wir bitten die LeserInnen unter 18 Jahren, diese Texte aufzubewahren und erst bei bei voller Reife zu lesen.
ser probleme; die beleuchtung und das angebot sind in ordnung und auch das servicepersonal und die wirtin haben wir noch nie vorher gesehen. bei den gästen hat es einen, den wir aus den medien zu kennen glauben (politiker? experte?) – aber so genau wissen wir es nicht. insgesamt zwei sind es, die mit uns den raum teilen: alleinessende, teuer gekleidete zeitungsleser, die sehr beschäftigt scheinen mit ihrer aussenwirkung. ein intimer rahmen also; zwei serviceleute, die wirtin, wir zwei und die beiden schönen. so kommt denn auch schon nach einer runden viertelstunde die wirtin und fragt nach raucher- bzw. nichtraucherplatz. wie sie (selber rauchend) erzählt, sei eigentlich das ganze lokal rauchfrei und somit erübrige sich die frage. dass jemand fragen stellt und sie selber im nächsten satz als überflüssig erweist, gefällt mir sehr gut – wir bleiben also, wir sind ja auch hungrig. die karte im z. bietet ein bisschen französischen schnickschnack für viel geld und bei den hauptgängen währschafte schweizerküche. es wird einem sehr viel zeit für die auswahl der gerichte, die diskussion des gewählten mit anschliessendem verwerfen und neuwählen gelassen – auch so kann frau/ mann sich kennen lernen. und wenn dann doch jemand kommt, um die bestellung aufzunehmen, ist der gast/die gästin über diese zuwendung so glücklich, dass er/sie vergisst, das der apéritiv nie gekommen ist. bloss nicht nachfragen jetzt! lieb sein und die bestellung aufgeben! kein wort über den vom personal vollgequalmten nicht-
raucherraum! wir warten auf‘s hummersüppchen (CHF 17.00), das dann auch recht bald einmal kommt – ein dickflüssiges süppchen, unauffällig und diskret in farbe und geschmack. gleich nach dem letzten löffel werden die hübschen kleinen suppenschüsselchen abgeräumt, weil jetzt das apéritiv geliefert wird (zwei sanbitter). dann passiert während einer sehr langen zeit gar nichts mehr. einer der alleinesser schafft während unserer wartezeit das dessert, gefolgt von kaffee und der rechnung. der andere liest versunken die BZ, keine ahnung, wie der das macht, dass er sich so lange mit dem blatt beschäftigen kann. wir kriegen dann doch noch unsere hauptgänge (zwischen CHF 34.00 und 48.00). die sind ok. nicht mehr und nicht weniger, einfach in ordnung. wir konnten uns schon am nächsten tag nicht mehr erinnern, was wir bestellt hatten und wie es war. mittlerweile – es ist 22 h – ist das restaurant leer, die wirtin telefoniert, das personal macht die tagesabrechnungen und wir sitzen vor unseren ausgegessenen tellern. niemand mag den tisch abräumen, niemand nach weiteren wünschen fragen. auf die frage ob wir stören, oder ob sie schliessen möchten (es wird gelüftet), wird nicht geantwortet. erst die kaffeebestellung (ein ruf richtung buffet) lenkt die aufmerksamkeit wieder auf uns. und gemeinsam mit dem bestellten kommt denn auch gleich die rechnung. (vonfrau)
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